Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juli 2015 - 1 BvR 1751/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2015:rk20150714.1bvr175114
14.07.2015

Tenor

1. Das Urteil des Kammergerichts vom 15. Mai 2014 - 9 U 143/13 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben, als sie die Amtshaftungsklage auch hinsichtlich des Zeitraums der Inhaftierung nach dem 19. November 2009 abgewiesen hat. Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu 1/50 zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Amtshaftungsklage gegen das Land Berlin wegen einer menschenunwürdigen Haftunterbringung.

2

1. Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom 29. Juli 2009 bis zum 20. November 2009 in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt B. in einer Einzelzelle mit einer Bodenfläche von 5,25 m² und einer räumlich nicht abgetrennten Toilette untergebracht.

3

2. Mit Beschluss vom 3. November 2009 (LVerfGE 20, 70 ff.) hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin in einem parallel gelagerten Verfahren festgestellt, dass die Unterbringung eines Häftlings für einen Zeitraum von knapp drei Monaten in einem Einzelhaftraum in der Justizvollzugsanstalt B. mit einer Bodenfläche von 5,25 m² und räumlich nicht abgetrennter Toilette, in dem er zeitweise zwischen 15 und fast 21 Stunden unter Verschluss gewesen sei, bei einer Gesamtschau der Umstände dessen Menschenwürde verletze. Dagegen könne die Unterbringung eines Gefangenen in einem vergleichbar kleinen Haftraum für eine von vornherein begrenzte zweiwöchige Übergangszeit zumutbar sein. Eine solche kam erstmals mit der Veröffentlichung des Beschlusses am 5. November 2009 in Betracht und endete mithin am 19. November 2009.

4

3. Die Entschädigungsklage des Beschwerdeführers wies das Kammergericht mit angegriffenem Urteil ab.

5

Zwar sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Berliner Verfassungsgerichtshofs der Einschluss in einem Haftraum mit einer Fläche von 5,3 m² und täglichen Einschlusszeiten zwischen 15 und 21 Stunden menschenunwürdig, wenn er länger als einen Monat andauere. Allerdings fehle es vorliegend im Hinblick auf den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch teilweise bereits an einem Verschulden der zuständigen Amtsträger. Verfassungsgerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung, aus der die verantwortlichen Amtsträger auf eine menschenunwürdige Unterbringung des Beschwerdeführers hätten schließen können, existierte bis zur Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs vom 3. November 2009 nicht; die Problematik einer zu kleinen Einzelzelle habe im politischen, fach- und verfassungsgerichtlichen Diskurs bis dahin keine Rolle gespielt. Daher handelten die verantwortlichen Amtsinhaber bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin nicht fahrlässig, denn es sei seinerzeit vertretbar gewesen, davon auszugehen, dass die festgestellten Haftbedingungen die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde noch nicht überschritten. Auch nach Bekanntgabe der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin am 5. November 2009 hätten die Amtsträger des beklagten Landes die Menschenwürde durch eine weitere Unterbringung für eine Übergangsfrist von zwei Wochen nicht schuldhaft verletzt. Denn eine solche Übergangsfrist, die am 19. November 2009 auslief, sei für die Prüfung einzuräumen, wie die menschenunwürdige Haftsituation vieler Betroffener in der Justizvollzugsanstalt B. zu unterbinden sein könnte. Es liege auf der Hand, dass das beklagte Land die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht von einem Tag auf den anderen prüfen und seine Vollzugspraxis der geänderten Rechtslage anpassen könne.

6

Auch die verhältnismäßig geringfügige Überschreitung der Übergangsfrist gebiete keine Entschädigung in Geld. Vielmehr werde bereits mit der Feststellung der menschenwürdigen Haftunterbringung dem berechtigten Rechtsschutzanliegen des Beschwerdeführers angemessen Rechnung getragen. Nicht jede festgestellte und schuldhaft begangene Menschenrechtsverletzung erfordere eine Wiedergutmachung im Wege der Geldentschädigung; die Art der Wiedergutmachung sei vielmehr abhängig von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggründen des Handelnden und dem Grad des Verschuldens. Danach könne der Beschwerdeführer insbesondere auch nicht von einem gezielten Angriff auf seine Menschenwürde ausgehen, weil die Umstände auch seine Mitgefangenen betrafen und Folge baulicher und räumlicher Zustände einer unmodernen und überbelegten Anstalt gewesen seien.

7

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer bei sachgerechter Auslegung seines Vortrags eine Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) als Grundlage einer rechtsstaatlichen Kompensation in Form eines Amtshaftungsanspruchs geltend.

8

5. Der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz Berlin und der Präsidentin des Bundesgerichtshofs ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG rügt, liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die maßgebenden verfassungsrechtlichen Fragen zur menschenwürdigen Haftunterbringung sind geklärt. Dies gilt insbesondere für die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Entscheidung über einen Geldentschädigungsanspruch wegen der Verletzung immaterieller Rechtsgüter, namentlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der Menschenwürde (vgl. BVerfGE 34, 269 <285 f.>; BVerfGK 7, 120 <121 f.>; 16, 389 <394>). Danach ist die Verfassungsbeschwerde im tenorierten Umfang offensichtlich begründet.

10

Die Rüge des Beschwerdeführers, das angegriffene Urteil habe zu Unrecht einen Entschädigungsanspruch in Geld wegen der seine Menschenwürde verletzenden Haftunterbringung in einer Einzelzelle verneint, betrifft in erster Linie die Auslegung und Anwendung der als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden zivilrechtlichen Vorschriften. Dies sind vorliegend insbesondere die einfach-rechtlichen Vorschriften des Amtshaftungsanspruchs (vgl. § 839 BGB) sowie des allgemeinen Schadensrechts (vgl. §§ 253 f., 276 BGB). Diese Aufgaben obliegen primär den Fachgerichten, deren Entscheidungen insoweit vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden können, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die Normauslegung die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 85, 248 <257 f.>; BVerfGK 7, 120 <122>; 16, 389 <394>; stRspr).

11

1. Gemessen daran ist die angegriffene Entscheidung des Kammergerichts mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG allerdings insoweit nicht zu beanstanden, als sich die Verfassungsbeschwerde auf den Zeitraum der Inhaftierung vor Ablauf der in dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofs für das Land Berlin eingeräumten Übergangsfrist bezieht. Diesbezüglich hat das angegriffene Urteil die Bedeutung und Tragweite der Menschenwürdegarantie in Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als Grundlage einer rechtsstaatlichen Kompensation in Form eines Amtshaftungsanspruchs nicht grundlegend verkannt. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit unbegründet und nicht zur Entscheidung anzunehmen.

12

Hiervon ausgehend hält sich die Beurteilung des Kammergerichts, ein Verschulden der zuständigen Amtsträger sei bis zur Bekanntgabe der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs am 5. November 2009 und darüber hinaus bis zum Ablauf einer zweiwöchigen Übergangsfrist nicht gegeben, jedenfalls noch im Rahmen des fachgerichtlichen Wertungsspielraums. Das Kammergericht hat vertretbar konzediert, dass die Rechtsfrage, ab welcher konkreten Haftraumgröße eine Verletzung der Menschenwürde anzunehmen ist, nicht einfach zu beurteilen gewesen sei und insbesondere bei einer Einzelzelle bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt gewesen sei. Das Gericht hat zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass die bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ergangenen ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen nahezu ausschließlich Haftsituationen betrafen, in denen zwei oder mehr Gefangene in einer Zelle untergebracht waren; soweit ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG angenommen wurde, war nicht bereits die Zellengröße für sich, sondern vor allem der Umstand maßgeblich, dass in der Zelle kein abgetrennter Toilettenbereich existierte (vgl. die Nachweise in BVerfGK 12, 417 <421>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1044>). Bei der Zuweisung eines Haftraums an einen einzelnen Gefangenen verletzt die fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum den Anspruch des Häftlings auf Achtung seiner Menschenwürde jedoch nicht (vgl. BVerfGK 12, 422 <425 ff.>). Lediglich vereinzelt waren auch mit zwei oder mehr Häftlingen belegte Zellen mit separater Toilette oder Einzelzellen Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (vgl. die Nachweise in BGHZ 198, 1 <5 f.>). Aus keiner dieser Entscheidungen mussten die zuständigen Strafvollzugsbehörden den Schluss ziehen, die konkrete Haftsituation des Beschwerdeführers verstoße gegen die Menschenwürde. Auch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat für Hafträume, die in Einzelbelegung für Aufenthalte von mehr als einigen Stunden Dauer vorgesehen sind, eine Grundfläche von 7 m2 als wünschenswert bezeichnet, zugleich aber ausdrücklich klargestellt, dass es sich hier nicht um einen situationsunabhängigen, strikten Mindeststandard handele (CPT-Standards, CPT/Inf/E(2002)1 - Rev. 2010, Rn. 43). Schließlich geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - jedenfalls zum verfahrensrelevanten Zeitpunkt -, wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss (vgl. BGHZ 198, 1 <6 f.>), auf den das Kammergericht insofern verweist, zutreffend zitiert hat, im Hinblick auf Art. 3 EMRK von einem Regelwert von 4 m² Bodenfläche pro Gefangenen aus (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Juli 2007 - Nr. 20877/04 -, EuGRZ 2008, S. 21 <23> - Testa/Kroatien).

13

Vor diesem Hintergrund kann der angegriffenen Entscheidung für den Zeitraum bis zum Ablauf der in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Berlin eingeräumten Übergangsfrist keine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Menschenwürde vorgeworfen werden.

14

2. Nach den eingangs dargelegten Maßstäben kann die angegriffene Entscheidung allerdings keinen Bestand haben, soweit sie sich auf den Zeitraum nach Ablauf der Übergangsfrist bezieht. Dies betrifft im Falle des Beschwerdeführers den 20. November 2009. Die Erwägungen, aufgrund deren das Kammergericht einen Amtshaftungsanspruch des Beschwerdeführers für den erlittenen menschenunwürdigen Freiheitsentzug verneint hat, werden der Bedeutung des Grundrechts der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als Grundlage einer rechtsstaatlichen Kompensation in Form eines Amtshaftungsanspruchs nicht gerecht.

15

a) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Schutzauftrag der Menschenwürde beziehungsweise des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens gebietet, weil anderenfalls ein Verkümmern des Rechtsschutzes der Persönlichkeit zu befürchten wäre. Zwar muss der hiernach rechtsstaatlich gebotene Ausgleich, wie die hier angegriffene Entscheidung im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, nicht zwingend in der Zubilligung eines Zahlungsanspruchs bestehen. Daher begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht jede festgestellte und schuldhaft begangene Menschenrechtsverletzung eine Wiedergutmachung im Wege der Geldentschädigung erfordert und die Art der Wiedergutmachung vielmehr von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggründen des Handelnden und dem Grad des Verschuldens abhängig gemacht wird (vgl. BGHZ 128, 1 <12>; 161, 33 <37>; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2005 - 12 U 300/04 -, NJW-RR 2005, S. 1267 <1268>; OLG Hamm, Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, juris, Rn. 62).

16

b) Die Bedingungen für das Vorliegen eines Ausgleichsanspruchs hat das Kammergericht vorliegend aber in verfassungsrechtlich nicht mehr tragfähiger Weise verneint. Für die handelnden Amtswalter war ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der vom Verfassungsgerichtshof dem Land Berlin eingeräumten zweiwöchigen Übergangsfrist zweifelsfrei erkennbar, dass der fortdauernde Eingriff in die Menschenwürde des Beschwerdeführers nicht länger ohne Verschulden hingenommen werden und einen Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens des Beschwerdeführers auslösen würde.

17

Bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume sind dem Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGE 109, 133 <151>). Die Menschenwürde ist unantastbar und kann deshalb auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung eingeschränkt werden. Die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen müssen auch dann erhalten bleiben, wenn der Grundrechtsberechtigte seiner freiheitlichen Verantwortung nicht gerecht wird und die Gemeinschaft ihm wegen begangener Straftaten die Freiheit entzieht. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt die Verpflichtung des Staates, den Strafvollzug menschenwürdig auszugestalten, mithin das Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein überhaupt erst ausmacht (vgl. BVerfGE45, 187 <228>; 109, 133 <150>; BVerfGK 7, 120 <123>).

18

Ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, ist von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände und insbesondere auch der Raumgröße, abhängig. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Berlin in bundesverfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hervorgehoben, dass die Unterbringung eines Häftlings für einen Zeitraum von knapp drei Monaten in einem Einzelhaftraum mit einer Bodenfläche von 5,25 m² und Einschlusszeiten zwischen 15 und fast 21 Stunden bei einer Gesamtschau der Umstände dessen Menschenwürde verletze. Zwar ist dem Berliner Verfassungsgerichtshof auch darin zuzustimmen, dass menschenwürdige Zustände in einer größeren Haftanstalt nicht von heute auf morgen hergestellt werden können, sodass sich die Einschätzung, für eine Übergangsfrist von zwei Wochen komme ein Amtshaftungsanspruch aufgrund mangelnden Verschuldens (vgl. § 276 Abs. 1 BGB) der verantwortlichen Amtsträger nicht in Betracht, noch im fachgerichtlichen Wertungsrahmen bewegt. Eine fortdauernde Inhaftierung nach Ablauf der Übergangsfrist stellt demgegenüber ersichtlich ein schuldhaftes, amtshaftungsrechtliche Ansprüche auslösendes Handeln dar, weil die verantwortlichen Amtswalter ab diesem Zeitpunkt zumindest nicht länger ohne Fahrlässigkeit davon ausgehen konnten und durften, dass die fortdauernde Unterbringung in den betreffenden Einzelzellen weiterhin unbeanstandet hingenommen werden würde.

19

3. Das angegriffene Urteil des Kammergerichts beruht auf dem aufgezeigten Grundrechtsverstoß.

20

Es ist nicht auszuschließen, dass das Kammergericht bei der erforderlichen Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe in der Sache zumindest teilweise zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Es steht dabei insbesondere nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit fest, dass der Beschwerdeführer auch im Fall einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <26 f.>). Zu einer anderen Prognose gelangt man auch nicht, wenn man die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hypothetischen Kausalität im Rahmen des § 839 Abs. 3 BGB bei Amtshaftungsklagen wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465 <1466>). Das Kammergericht hat in der angefochtenen Entscheidung offen gelassen, ob der Beschwerdeführer die festgestellten menschenunwürdigen Haftbedingungen hätte abwenden können, wie es das insoweit darlegungspflichtige Land behauptete. Damit steht im Fall der Zurückverweisung nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass die vom Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsschutzmöglichkeiten zu dem maßgeblichen Zeitpunkt in der Rechtspraxis tatsächlich effektiv umgesetzt worden wären und damit das Ergreifen der Rechtsschutzmöglichkeiten möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre. Das angefochtene Urteil ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben. Die Sache ist insoweit an das Kammergericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).

21

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

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Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 14 Rahmengebühren


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 95


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Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Juli 2004 - 2 O 104/04 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert: Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.000,00, ne

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Juli 2004 - 2 O 104/04 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.000,00, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.02.2004 zu zahlen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung des beklagten Landes werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten beider Rechtszüge tragen der Kläger 89 % und das beklagte Land 11 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger verlangt von dem beklagten Land „Schmerzensgeld“, da er während seiner Untersuchungshaft rechtswidrig unter menschenunwürdigen Haftbedingungen in einer doppelt belegten Zelle untergebracht gewesen sei.
Der Kläger befand sich auf Grund Haftbefehls des Amtsgerichts K vom 18.12.2002 bis 06.06.2003 (171 Tage) in Untersuchungshaft in der JVA K. Er war dort bis zum 23.05.2003 (157 Tage) in einer Gemeinschaftszelle mit einem weiteren Gefangenen untergebracht. Die Zelle hatte nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts eine Grundfläche von 8,89 m² und einen Rauminhalt von etwa 25 m3. Sie war mit einem Etagenbett (ca. 2,00 m x 1,00 m), zwei Stühlen und zwei Arbeitstischen (ca. 0,35 m x 1,2 m) ausgestattet. Außerdem befanden sich in der Zelle Kartons, die der Kläger benötigte, um der von ihm beantragten Arbeitstätigkeit in der JVA Karlsruhe nachzugehen. Die nicht gesondert entlüftete Toilette und das Waschbecken waren lediglich durch einen Vorhang abgetrennt. An Freizeitveranstaltungen nahm der Kläger nicht teil, so dass er regelmäßig 23 Stunden pro Tag in seiner Zelle verbrachte.
Einen schriftlichen Antrag auf Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle hatte der Kläger nicht gestellt. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14.02.2003 hatte die Unterbringung in einer Einzelzelle beantragt. Hilfsweise hatte er sich auch mit der Zusammenlegung mit seinem damaligen Mitbeschuldigten einverstanden erklärt. Dieser Antrag wurde durch die JVA K abgelehnt, da die Belegungssituation der Anstalt eine Einzelunterbringung derzeit nicht zulassen würde. In ihrem Bescheid wies die Vollzugsanstalt den Kläger aber darauf hin, dass ihm „unverzüglich ein Einzelhaftraum zugewiesen (werde)... falls sich die Belegungssituation ändern sollte“. Zum damaligen Zeitpunkt wurde die benachbarte JVA B umgebaut. Ein kompletter Flügel dieser Anstalt stand nicht zur Verfügung, so dass 100 Haftplätze fehlten. Die Gefangenen mussten daher in anderen Anstalten untergebracht werden, u.a. auch in der JVA K. Es kam dort zu einer Überbelegung, auf 111 Haftplätze kamen ca. 180 Gefangene.
Das Landgericht hat der auf Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ von EUR 17.100,00 gerichteten Klage unter Klagabweisung im Übrigen in Höhe von EUR 650,00 stattgegeben. Wegen § 839 Abs. 3 BGB hat es lediglich die erste Haftwoche und die zwei auf den Antrag vom 14.02.2003 folgenden Wochen als entschädigungspflichtige Zeiträume angesetzt. Für die erste Woche hat es ein Schmerzensgeld von EUR 250,00 für die beiden anderen Wochen von je EUR 200,00 zugebilligt. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Mit ihren Berufungen verfolgen die Parteien ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.
Der Kläger trägt vor, er habe gegenüber den Bediensteten von Anfang an auf eine Einzelunterbringung gedrängt. Nachdem mündliche Proteste nichts gebracht hätten, habe er mit „Rapportzetteln“ darum gebeten. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm pro Tag EUR 100,00 als Entschädigung zustünden. Der vom Landgericht festgesetzte „symbolische“ Betrag sei dem Ausmaß der Rechtsgutsverletzung und den schwerwiegenden Folgen nicht angemessen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Juli 2004 - 2 O 1/04 - abzuändern, das Beklagte Land zur Zahlung von EUR 17.100,00 zu verurteilen und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Das beklagte Land beantragt,
10 
das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Juli 2004 - 2 O 1/04 - abzuändern, die Klage abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
11 
Das Land ist der Auffassung, dass bereits eine Amtspflichtverletzung nicht vorliege. Der Kläger habe in seinem Anwaltsschreiben einer Unterbringung in einer Zelle mit seinem Mitbeschuldigten zugestimmt und damit konkludent erklärt, dass er mit der Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle einverstanden sei. Der Kläger habe auch gewusst, dass nur in einer Doppelzelle die Möglichkeit zur Arbeit bestanden habe. Er habe daher auch durch seinen Antrag auf „Arbeit“ konkludent seine Bereitschaft hierfür erklärt. Außer dem Anwaltsschreiben habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt um die Unterbringung in einer Einzelzelle nachgesucht. Hätte er dies getan, so hätte man es auch ermöglichen können. Angesichts der engen Vollzugssituation sei das Verschulden des Landes auch gering. Im Übrigen sei eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Menschenwürde durch das Landgericht nicht festgestellt worden. Dass die Zivilkammer eine schwerwiegende Beeinträchtigung nicht angenommen habe, ergebe sich auch aus der sehr niedrigen Entschädigung.
12 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K, G, Ki, Wi, R, P, We und He und Einholung eines amtlichen Auskunft der RinAG H. Die Strafakten 8 Ns 14 Js 30871/99 waren beigezogen. Die Gefangenenpersonalakte des Klägers lag in der mündlichen Verhandlung zur Durchsicht vor.
13 
II.
14 
Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Berufung des beklagten Landes ist hingegen unbegründet.
15 
1. Die Unterbringung des Klägers in einer Gemeinschaftszelle war rechtswidrig, da er sich in Untersuchungshaft befand und die Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle nicht ausdrücklich beantragt hatte, § 119 StPO, § 23 Abs. 1 UVollzO. Dass er gleichwohl in einer Gemeinschaftszelle untergebracht wurde, erfüllt den objektiven Tatbestand der Amtspflichtverletzung, § 839 Abs. 1 BGB. Darüber hinaus ist die ohnehin rechtswidrige Unterbringung aufgrund der konkreten Gegebenheiten dem aus Art. 1 GG folgenden Gebot der Achtung der Menschenwürde nicht mehr gerecht geworden. Die doppelt - und auch wechselnd - belegte Zelle hatte eine Grundfläche von 8,83 m². Die Toilette war lediglich mit einem Vorhang abgetrennt und nicht mit einer separaten Entlüftung versehen. Innerhalb der Gemeinschaftszelle konnte der Kläger somit nicht einmal ein Mindestmaß an Intimsphäre wahren. Darüber hinaus war der zur Verfügung stehende Raum durch Arbeitsmaterialien und Arbeitsprodukte weiter eingeschränkt.
16 
Allerdings wurde durch die Unterbringung des Klägers in einer Gemeinschaftszelle die Haft nicht als solche unzulässig. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch die Umstände des Vollzugs die Rechtmäßigkeit der Haft als solcher in Frage stellen können (vgl. BGHZ 122, 268 = NJW 1993, 2927, zu Art. 5 EMRK). Dies bedeutet aber nicht, dass bei jeder rechtswidrigen Unterbringung auch der Vollzug der Haft rechtswidrig ist. Mit der in der angesprochenen Entscheidung des BGH behandelten Fallgestaltung (Gefahr einer lebensgefährlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes) ist der vorliegende Sachverhalt nicht zu vergleichen. Hier gehen die Unannehmlichkeiten der Haft zwar über das hinaus, was einem Untersuchungsgefangenen zuzumuten ist, jedoch bestand für den Kläger aus der Art der Unterbringung keine Gefahr nachhaltiger, über die Beschwernisse der konkreten Situation hinausgehender Schäden.
17 
2. Eine rechtfertigende Einwilligung des Klägers lag nicht vor. Sie ergibt sich weder aus dem Schreiben des Verteidigers vom 14.02.03, noch aus seinem Antrag auf Zuweisung einer Arbeit. In dem Schreiben vom 14.02.03 verlangt der Kläger ausdrücklich die Unterbringung in einer Einzelzelle. Dass er „hilfsweise“ auch damit einverstanden gewesen wäre, wenn er mit seinem Mitbeschuldigten zusammengelegt würde, ändert hieran nichts. Es liegt auf der Hand, dass das Zusammenleben auf engem Raum mit einem bekannten Menschen, mit dem man sich versteht und mit dem man auch schon längere Zeit zusammen gelebt hat, weniger belastend ist, als die Einweisung in eine Gemeinschaftszelle mit mehrfach wechselnden, unbekannten Männern unterschiedlicher Herkunft.
18 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes kann auch im Antrag auf Zuweisung einer Arbeitsstelle keine konkludent erklärte Einwilligung gesehen werden. Als der Kläger am 07.01.03 um Zuweisung einer Arbeit nachsuchte, war er in einer Doppelzelle untergebracht. Ihm war zu diesem Zeitpunkt eine Einzelunterbringung nicht in Aussicht gestellt worden. Solange der Kläger aber nicht mit einer Einzelzelle rechnen konnte, kann sein Antrag auf Zuweisung einer Arbeit auch nicht als Verzicht auf die Einzelunterbringung ausgelegt werden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Behauptung des beklagten Landes, Arbeiten könnten in der JVA K nur in bzw. aus einer doppelt belegten Zelle durchgeführt werden, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den Gegebenheiten entspricht. Der Zeuge G hat bekundet, dass es in der Vollzugsanstalt Karlsruhe durchaus Arbeitstätigkeiten gibt, die auch bei einer Einzelunterbringung ausgeübt werden können. Zu beachten ist ferner, dass einerseits der Zeuge K nach eigenem Bekunden dem Kläger lediglich eine Arbeit in einer Doppelzelle angeboten hat und andererseits der Zeuge Wi ihm bedeutet hat, er werde seinen Taschengeldanspruch verlieren, wenn er die angebotene Arbeit nicht annehme. Angesichts dieser Gesamtumstände kann von einer schlüssig erklärten Einwilligung in eine rechtswidrige und menschenunwürdige Unterbringung nicht ausgegangen werde.
19 
3. Die Amtspflicht wurde auch schuldhaft verletzt. Dabei ist nicht nur auf die an Ort und Stelle zuständigen Justizbediensteten abzustellen. Die Durchführung von Bauarbeiten in der JVA B war seit langem absehbar. Es war auch vorherzusehen, dass während der Durchführung der Bauarbeiten für einen längeren Zeitraum nicht ausreichend Einzelzellen für Untersuchungsgefangene zur Verfügung stehen werden. Auch die sonstigen Belegungsverhältnisse in den Haftanstalten des Landes waren bekannt und hätten hinreichenden Anlass zu vorsorglicher Abhilfe geboten. Um gleichwohl der sich aus § 119 StPO ergebenden Verpflichtung gerecht zu werden, hätte das Land geeignete Vorkehrungen treffen können und müssen. Insoweit ist zumindest der Vorwurf eines Organisationsverschuldens begründet, das dem beklagten Land auch dann zuzurechnen ist, wenn die „vor Ort“ tätig gewordenen Beamten selbst subjektiv nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben (BGH NJW 2005, 58 ff). Ein solches Organisationsverschulden kann sich auch darauf erstrecken, dass bei - will man den Angaben des Zeugen We folgen - landesweit bestehender Möglichkeit, Einzelunterbringungen zu bewerkstelligen, den Haftanstalten keine zentrale Zuweisungsstelle angeboten wird bzw. sie nicht nachdrücklich auf eine solche zur Vermeidung menschenunwürdiger Unterbringungen aufmerksam gemacht werden.
20 
4. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers richtet sich nicht auf ein (bloßes) Schmerzensgeld. Es geht vielmehr um den Ausgleich einer Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und des aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Für die Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist anerkannt, dass es sich im eigentlichen Sinne nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB a.F. (jetzt: § 253 Abs. 2 BGB n.F.) handelt, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund (BGH aaO).
21 
Zwischen der Feststellung einer Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG einerseits und der Zuerkennung einer Geldentschädigung andererseits besteht allerdings kein zwingendes Junktim. Zwar trifft es zu, dass dem Recht auf Achtung der Menschenwürde in der Verfassung ein Höchstwert zukommt; es ist das tragende Konstitutionsprinzip im System der Grundrechte. Die solchermaßen festgestellte Menschenrechtsverletzung fordert indessen nicht in jedem Fall eine zusätzliche Wiedergutmachung durch Geldentschädigung. Ein Anspruch auf Geldentschädigung steht unter dem weiteren Erfordernis, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Dies hängt - insoweit nicht anders als beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht, auch wenn die Erheblichkeitsschwelle bei Verletzungen der Menschenwürde generell niedriger anzusetzen ist - insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Auch im Anwendungsbereich der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ist anerkannt, dass eine - eine Wiedergutmachung durch Geldersatz nach Art. 41 EMRK fordernde - unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nur und erst vorliegt, wenn sie ein Mindestmaß an Schwere erreicht. Ob eine solche dieses Mindestmaß überschreitende schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise der Dauer der Behandlung, ihren physischen oder psychischen Folgen oder von Geschlecht, Alter oder Gesundheitszustand des Opfers, somit insbesondere auch von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, hier also von der konkreten Ausgestaltung der Zelle, der Dauer der Unterbringung, der Intensität der Beeinträchtigung, die durch Freizeitprogramme oder Arbeitstätigkeit tagsüber gemildert, sowie durch zusätzliche Beeinträchtigungen (z.B. Nichtraucher in der Zelle eines Rauchers) verstärkt werden kann.
22 
Da eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts Anspruchsvoraussetzung für eine Entschädigung ist, trägt der Geschädigte für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen auch die Darlegungs- und Beweislast. Da sich einerseits eine pauschale Abgeltung verbietet, andererseits gerade der Nachweis innerer Sachverhalte erheblichen Schwierigkeiten begegnet, kommt der Senat nicht umhin, bei der Feststellung einer eine Geldentschädigung erfordernden Beeinträchtigung der Menschenwürde des Klägers auf gewisse objektive Beweisanzeichen zurück zu greifen.
23 
Zutreffend weist in diesem Zusammenhang schon das Landgericht darauf hin, dass nicht wenige Gefangene die Unterbringung in einer - auch schlecht ausgestatteten - Gemeinschaftszelle einer Einzelzelle vorziehen. Bereits die rechtmäßige Inhaftierung als solche bringt für den einzelnen Gefangenen erhebliche Beeinträchtigungen mit sich. Gerade die Isolation von der Außenwelt und die fehlenden Möglichkeiten einer Kommunikation und eines zwischenmenschlichen Austausches veranlassen viele Betroffene, die Erschwernisse einer Gemeinschaftszelle - selbst in dem hier in Rede stehenden Zuschnitt - in Kauf zu nehmen, schon um den ihnen gemäßen gesellschaftlichen Kontakt pflegen zu können. Darüber hinaus empfinden die Betroffenen je nach Herkunft und Persönlichkeit die objektiv menschenunwürdigen Umstände ganz unterschiedlich.
24 
Bei seiner Gesamtbetrachtung berücksichtigt der Senat hier insbesondere, dass die objektiven Umstände der Unterbringung (Zellengröße, fehlende Entlüftung, ungenügende Wahrung der Intimsphäre durch die lediglich mit einem Vorhang abgetrennte Toilette, wechselnde Mitgefangene, nicht unerheblicher Zeitraum) für sich genommen sehr stark belastend waren, vom Kläger jedoch in erster Linie nicht als gezielten Angriff auf seine Menschenwürde und seine Rechte verstanden werden konnten, sondern als auch die Mehrzahl seiner Mitgefangenen treffende Folge baulicher und räumlicher Zustände in einer voll - bzw. überbelegten Anstalt. Dass er mit diesen Zuständen gleichwohl nicht einverstanden war und er sich nicht wohl fühlte, kann durchaus unterstellt werden. Ebenfalls kann unterstellt werden, dass der Kläger seinen Mitgefangenen gegenüber gesprächsweise seine Unzufriedenheit mit der Situation zum Ausdruck brachte. Damit kann gleichwohl noch nicht festgestellt werden, dass der Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eine derartige Intensität erreichte, dass hierfür eine Geldentschädigung zu leisten ist.
25 
Als objektives Anzeichen dafür, dass der Kläger bei dem gegebenen Gemisch aus unterschiedlichsten persönlichen Motiven, objektiv und subjektiv empfundenen Vorteilen und Nachteilen der konkreten Situation dies als nicht weiter hinnehmbar empfand, bedarf es nach Auffassung des Senats einer entsprechenden Äußerung des Klägers gegenüber dem Personal der JVA, also einer gezielten Erklärung gegenüber dem Personenkreis, von dem eine Abhilfe erwartet werden konnte, zumal auch erst durch die Fruchtlosigkeit eines derartigen Ansinnens auf Abhilfe dem Kläger sich aufdrängen kann, dass seine individuellen und konkreten Rechte hinsichtlich seiner menschenwürdigen Behandlung von den für seine Unterbringung Verantwortlichen nicht in dem gebotenen Maße gewahrt werden.
26 
Die Beweisaufnahme hat die Behauptung des Klägers, er habe bereits vor dem 14.02.2003 seine Unzufriedenheit mit der Unterbringung in einer doppelt belegten Zelle gegenüber dem Personal der JVA zum Ausdruck gebracht bzw. den Wunsch nach einer Einzelzelle geäußert, nicht zur Überzeugung des Senats bestätigt. Der Zeuge He, der Mitbeschuldigte des Klägers, hat zwar bekundet, er habe für den Kläger mehrfach Eingaben, die eine Unterbringung des Klägers in einer Einzelzelle zum Gegenstand hatten, verfertigt, die dieser dann weitergeleitet habe. Zum Nachweis reicht diese Bekundung jedoch nicht aus, auch wenn der Senat sie angesichts des in der Verhandlung und in den Strafakten ersichtlichen werdenden Engagements des Zeugen nicht für gänzlich unglaubhaft hält. Keiner der vom Senat gehörten Bediensteten der JVA hat aber bestätigt, entsprechende Eingaben bzw. Rapportzettel zu Gesicht bekommen zu haben. Auch mündlich habe sich der Kläger ihnen gegenüber nie unzufrieden über seine Unterbringung geäußert. In den Personalakten des Klägers finden sich entsprechende Dokumente nicht, wie auch die vom Zeugen He erwähnte Eingabe an das Amtsgericht nebst angeblicher Entscheidung und Rechtsmittel sich in der Strafakte nicht finden. Die vom Zeugen He behauptete Praxis der Vollzugsanstalt, „Rapportzettel“ nicht zu der Akte zu nehmen, bestätigte sich ebenfalls nicht. Zwar hat der Zeuge He drei ihm zurückgegebene Rapportzettel vorgelegt, diese enthielten jedoch keine „Beschwerden“ oder „Anträge zum Vollzugsablauf“, sondern Bitten an die Anstalt, ihm diverse Anschriften mitzuteilen. In der Personalakte des Klägers befanden sich durchaus Rapportzettel, die sich allerdings nicht mit seiner Unterbringung beschäftigten. Der Kläger selbst hat eingeräumt, dass ihm Rapportzettel auch nie zurückgegeben worden seien.
27 
Demnach ist davon auszugehen, dass der Kläger ab dem 14.02.2003 bis zum 23.05.2003 sich auch subjektiv so nachhaltig in seinem Recht auf menschenwürdige Unterbringung verletzt sah, dass hierfür eine Wiedergutmachung durch Geldentschädigung geboten ist.
28 
5. Bei der Bemessung der Entschädigung ging der Senat daher von den konkreten Verhältnissen in der Gemeinschaftszelle und einer entschädigungspflichtigen Dauer vom 14.02.2003 - 23.05.2003 aus. Da in jedem Fall einer entschädigungspflichtigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen hat (OLG Karlsruhe, NJW - RR 2003, 410, 411), verbietet sich im konkreten Fall jede schematische Festlegung oder Aufspaltung in zeitliche Abschnitte. Der Senat kann sich insbesondere nicht an der Wertung des Gesetzgebers in § 7 Abs. 3 StrEG orientieren, die für die „üblichen Unzuträglichkeiten“ (BGH NJW 1993, 2927, 2930) der Untersuchungshaft einen Entschädigungsbetrag von EUR 11,00 pro Tag vorsieht. Dieser Betrag wurde für eine sehr einschneidende, aber rechtmäßige staatliche Handlung festgesetzt, die grundsätzlich der im Allgemeininteresse liegenden Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung dient. Anhaltspunkte für die Bemessung einer Entschädigung für eine menschenrechtswidrige Unterbringung lassen sich hieraus nicht ableiten.
29 
Insgesamt hält der Senat aufgrund der bereits dargelegten Umstände eine Entschädigung von insgesamt EUR 2.000,00 für angemessen. Der Senat berücksichtigt dabei ferner, dass der Kläger mit seiner Klage nicht nur auf eine Geldentschädigung abzielt, sondern sich mit ihr auch in den Dienst der Bestrebungen seines Mitbeschuldigten - und wohl väterlichen Freundes -, des Zeugen He, stellt, deren Ziel die Anprangerung der gegenwärtigen Verhältnisse in den Vollzugsanstalten und deren Verbesserungen ist. Allein der vorliegende Rechtsstreit, die damit verbundene Publizität und auch die eindeutige Beurteilung der objektiven Umstände als rechtswidrig und menschenunwürdig, verschafft dem Kläger eine Teilentschädigung, die für einen höheren Geldausgleich keinen Raum lässt.
30 
6. Da der Kläger nach dem Schreiben seines Verteidigers vom 14.02.2003 auf die Zusage der Vollzugsanstalt, dass ihm „unverzüglich ein Einzelhaftraum zugewiesen (werde)... falls sich die Belegungssituation ändern sollte“, vertrauen durfte, und er nicht annehmen musste, mit weiteren Eingaben und Beschwerden bis zum Ende seiner Haftzeit mehr zu erreichen, scheitert der Anspruch hier auch nicht an 839 Abs. 3 BGB. Es kann daher dahinstehen, ob diese Vorschrift überhaupt zur Anwendung gelangt, wenn eine Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Unterbringung begehrt wird.
31 
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Gefangenen ein Anspruch auf Entschädigung in Geld wegen menschenunwürdiger Unterbringung erwachsen kann, ist seit der Entscheidung des BGH vom 04.11.2004 (aaO) im Grundsatz geklärt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 124/09 Verkündet am:
11. März 2010
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage der Kausalität zwischen der Nichteinlegung eines Rechtsmittels und
dem Schadenseintritt bei menschenunwürdigen Haftbedingungen in einer Justizvollzugsanstalt.
BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 - OLG Hamm
LG Detmold
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. März 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dörr,
Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. März 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger, der in der Zeit von Juni bis Oktober 2003 sowie von Juni 2006 bis März 2007 in der JVA D. inhaftiert war, verlangt Zahlung einer Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen. Das Landgericht hat ihm wegen der Unterbringung im Jahre 2003 unter Berücksichtigung einer hilfsweise vom beklagten Land zur Aufrechnung gestellten Forderung aus einem Strafbefehl über 136,80 € insgesamt 863,20 € zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Beide Parteien haben Rechtsmittel eingelegt. Das Oberlandesgericht hat in Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Kla- ge bezüglich der Inhaftierung im Jahre 2003 wegen Verjährung abgewiesen und im Übrigen wegen der Unterbringung von Juni 2006 bis März 2007 eine Entschädigung von 2.300 € zuerkannt. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe


2
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.

I.


3
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Unterbringung des Klägers in den Hafträumen B-216 (Grundfläche 17,74 m² bei einer Belegung mit vier Personen) sowie B-259 (Grundfläche 9,06 m² bei einer Belegung mit zwei Personen) sei menschenunwürdig gewesen. Jedem Insassen habe nur eine Grundfläche von rechnerisch lediglich 4,435 m² bzw. 4,53 m² zur Verfügung gestanden. Damit werde die Mindestgröße von Hafträumen, die in der Literatur als Untergrenze ernsthaft erwogen werde, deutlich unterschritten, wobei erschwerend hinzu komme, dass die Nutzfläche durch die Möblierung des Haftraums mit einer der Kopfzahl der untergebrachten Gefangenen entsprechenden Anzahl von Betten, Spinden, Stühlen und Tischen noch zusätzlich eingeschränkt werde, ebenso wie auch durch die im Haftraum installierte Toilettenkabine. Bei einer Grundfläche von weniger als 5 m² sei der dem Einzelnen unter Berücksichtigung des für die Möblierung notwendigen Flächenbedarfs verbleibende Bewegungsfreiraum so begrenzt, dass eine sinnvolle Freizeitbeschäfti- gung kaum noch möglich sei und der auch bei Strafhaft fortbestehende Anspruch des Gefangenen auf Wahrung eines Mindestmaßes an persönlicher Eigenständigkeit und Intimität in einer Weise beschnitten werde, die mit den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung unvereinbar sei.
4
dem Der Kläger zustehende Entschädigungsanspruch sei nicht nach § 839 Abs. 3 BGB ganz oder teilweise ausgeschlossen. Bereits nach dem eigenen Vortrag des beklagten Landes lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Kläger im Falle der Ergreifung ihm zur Verfügung stehender Rechtsmittel die Fortdauer seiner menschenunwürdigen Unterbringung vorzeitig hätte beenden können. Dass einem schlichten Verlegungsantrag an die Anstaltsleitung entsprochen worden wäre, erscheine vor dem Hintergrund der im maßgeblichen Zeitraum stark angespannten Belegungssituation in der JVA D. ausgeschlossen. Auch für die Annahme, dass einem allein auf die als unzureichend bemängelte Zellengröße gestützten Eilantrag die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D. stattgegeben hätte, fehle es an der erforderlichen Tatsachengrundlage. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass diese bei einem Rechtsmittel des Klägers die ihr aus einem anderen Rechtsbeschwerdeverfahren zu einer Haftunterbringung in der JVA - bekannte Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 20. Januar 2005, 1 Vollz (Ws) 147/04 OLG) berücksichtigt hätte. Ob die dortigen Ausführungen zur Zellengröße letztlich aber ausgereicht hätten, dem Kläger bereits vor dem Landgericht zum Erfolg zu verhelfen, sei fraglich. Näher liegender erscheine dem Senat ein Erfolg erst im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Dass eine solche Gerichtsentscheidung anschließend jedoch zeitnah umgesetzt worden wäre, lasse sich ungeachtet der gegenteiligen Behauptung des beklagten Landes nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen. Die allein auf die Person des Klägers zugeschnittene Dar- stellung des Landes lasse zu Unrecht offen, wie viele Gefangene im maßgeblichen Zeitraum in der JVA D. vergleichbaren und damit ebenfalls menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt gewesen seien und deshalb wie der Kläger eine Verlegung in angemessene Zellen beanspruchten oder denen nunmehr aus Anlass einer ebenfalls geltend gemachten Entschädigung entgegengehalten werde, eine solche Verlegung nicht beansprucht zu haben. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Versäumung bestehender Rechtsmittel schon dann nicht als ursächlich für die Fortdauer der Haftsituation angesehen werden könne, wenn auch nur bei einem der betroffenen Gefangenen mangels ausreichender Kapazitäten der Anstalt eine zeitnahe Beendigung der menschenunwürdigen Unterbringung unmöglich gewesen sei. Denn in diesem Fall könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger derjenige gewesen wäre, dessen Lage die Anstalt nicht zu seinem Vorteil hätte verändern können.

II.


5
Dies hält der Nachprüfung nur teilweise stand.
6
1. Die Rüge des beklagten Landes, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine menschenunwürdige und grundsätzlich entschädigungspflichtige Haftsituation festgestellt, ist allerdings unbegründet.
7
a) Die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt, lässt sich nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (vgl. Senat, BGHZ 161, 33, 35; Beschlüsse vom 21. Dezember 2005 - III ZR 33/05 - NJW 2006, 1289 Rn. 2, und 28. September 2006 - III ZB 89/05 - NJW 2006, 3572 Rn. 10). Deshalb kommt die vom beklagten Land geforderte "Klärung des verfassungsmäßigen Raummindestsolls" nicht in Betracht. In der Sache selbst hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Haft sei menschenunwürdig gewesen, der eingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Soweit das beklagte Land in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 12. Juli 2007 in Sachen Testa gegen Kroatien (EuGRZ 2008, 21, 23 Rn. 56 ff) hinweist, kann dahinstehen, ob unter Berücksichtigung des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Maßstabs keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK vorgelegen hat. Denn die etwaige Einhaltung des dort niedergelegten und für die Konventionsstaaten verbindlichen Mindeststandards hindert nicht eine tatrichterliche Würdigung, dass bestimmte Haftbedingungen gegen das Grundgesetz verstoßen.
8
b) Auch die weitere Frage, wo im Rahmen der Bandbreite der in Betracht kommenden Fälle menschenunwürdiger Unterbringung die so genannte Erheblichkeitsschwelle liegt, bei deren Überschreiten eine Geldentschädigung zu gewähren ist, lässt sich nicht abstrakt-generell klären, sondern ist der tatrichterlichen , revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilung überlassen (Senat, BGHZ 161, 33, 38; Beschluss vom 21. Dezember 2005, aaO). Rechtsfehler dieser Bewertung zeigt das beklagte Land nicht auf. Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, dass zwischen der Feststellung einer Verletzung der Menschenwürde und der Zuerkennung einer Geldentschädigung kein zwingendes Junktim besteht (Senat, BGHZ 161, 33, 36). Genau so wenig hat das Berufungsgericht den Vortrag des beklagten Landes zu seinen Bemühungen zur Schaffung neuer Haftplätze und zur Steuerung der Belegungssituation ignoriert. Soweit es diesem Vorbringen im Rahmen der Bewertung des Organisationsver- schuldens des Landes keine die Erheblichkeitsschwelle tangierende Bedeutung beigemessen hat, bewegt sich dies im Rahmen des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums. Die Revision setzt bei ihrer abweichenden Würdigung letztlich nur in unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, ohne Verfahrens- oder materielle Rechtsfehler aufzeigen zu können.
9
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich das beklagte Land jedoch auf § 839 Abs. 3 BGB berufen. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Schädiger (vgl. nur Senat, Urteil vom 16. Januar 1986 - III ZR 77/84 - NJW 1986, 1924, 1925; BGHZ 156, 294, 299; siehe auch Staudinger/Wurm, BGB, Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 350).
10
Die a) Revision rügt in diesem Zusammenhang zunächst zutreffend, dass sich das Berufungsgericht mit dem unter Beweis gestellten Vortrag in der Berufungserwiderung nur unzureichend auseinandergesetzt hat. Das beklagte Land hat dort unter anderem auch ausgeführt, dass die JVA D. im Falle der Einleitung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens durch den Kläger nach §§ 109, 114 StVollzG binnen kürzester Zeit - zumindest innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Wochen - Maßnahmen ergriffen hätte, mit denen es sofort zu einer Beendigung der gerügten menschenunwürdigen Unterbringung gekommen wäre. Die JVA hätte im Falle eines Antrags nach §§ 109, 114 StVollzG nicht den Ausgang des Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer abgewartet, sondern entsprechende Maßnahmen - die das beklagte Land dann im weiteren Schriftsatz erläutert hat - eingeleitet und den Kläger zeitnah in eine Einzelzelle verlegt. Das Berufungsgericht geht in seiner Urteils- begründung auf diese Behauptung nicht unmittelbar ein, sondern behandelt nur die Fragen, ob ein schlichter Verlegungsantrag des Klägers an die Anstaltsleitung im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens Erfolg gehabt bzw. ob einem gerichtlichen Antrag des Klägers bereits die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts oder erst der Strafsenat des Oberlandesgerichts stattgegeben hätte.
11
b) Für die in letzterem Zusammenhang notwendigen Feststellungen über den hypothetischen Geschehensablauf bei Einlegung eines Rechtsmittels gilt nach der Rechtsprechung des Senats folgendes: Die Prüfung der Kausalität erfordert bei § 839 Abs. 3 BGB im Ansatz ähnliche Überlegungen wie bei § 839 Abs. 1 BGB. Allerdings kann der Grundsatz, wonach dann, wenn es bei der Feststellung der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden darauf ankommt, wie die Entscheidung eines Gerichts ausgefallen wäre, darauf abzustellen ist, wie nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen, im Rahmen des Absatzes 3 nicht uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 1986, aaO S. 1925). Vielmehr ist hier auch die Rechtspraxis hinsichtlich der in Rede stehenden Frage zu dem Zeitpunkt in Betracht zu ziehen, in dem das Rechtsmittel hätte eingelegt werden müssen (vgl. Senat, BGHZ 156, 294, 300; Staudinger/Wurm, aaO, Rn. 351).
12
Dementsprechend ist es im Ausgangspunkt richtig, wenn das Berufungsgericht bei seiner Würdigung die Rechtsprechung des für die JVA - als Rechtsbeschwerdegericht zuständigen 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm in den Blick genommen hat. Weiterhin begegnet auch die Annahme keinen rechtlichen Bedenken, dass bei Zugrundelegung des in der zitierten Entscheidung vom 20. Januar 2005 angelegten Maßstabs davon auszuge- hen sei, der Strafsenat hätte die Haftsituation des Klägers beanstandet. Zwar betraf das dortige Verfahren, in dem eine menschenunwürdige Unterbringung in der JVA D. festgestellt wurde, eine Zelle, die sich bezüglich der - vom Strafsenat in seinem Beschluss gerügten - sanitären Ausstattung von den Räumlichkeiten unterschied, in denen sich der Kläger vormals befunden hat. Der Strafsenat hat jedoch unabhängig davon ausgeführt (Rn. 21, zitiert nach juris), dass die Zelle mit einer Größe von 8,8 m² bei einer Belegung mit zwei Gefangenen bereits den sich aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK ergebenden Mindestanforderungen an die Bodenfläche eines Haftraums nicht gerecht werde. Warum allerdings bei dieser Sachlage die erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D. bei ihrer rechtlichen Bewertung zu anderen Ergebnissen als der für sie zuständige Rechtsbeschwerdesenat hätte kommen sollen, dessen Rechtsprechung ihr bekannt sein musste, ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht nachvollziehbar dargelegt worden.
13
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird letztlich auch nicht von der Überlegung getragen, es lasse sich nicht feststellen, dass eine gerichtliche Entscheidung zugunsten des Klägers an dessen tatsächlicher Situation etwas geändert hätte.
14
aa) Unerheblich ist zunächst, ob die Anstaltsleitung in der Lage gewesen wäre, alle zum streitgegenständlichen Zeitraum (Juni 2006 bis März 2007) unter vergleichbaren Bedingungen in der JVA D. inhaftierten Gefangenen angemessen unterzubringen. Genauso wenig entscheidend ist, ob eine solche Möglichkeit bezüglich aller Insassen bestand, die damals - wie nach seiner Darstellung der Kläger - eine Verlegung beantragt hatten und deshalb auf der sogenannten Warteliste standen. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Anstaltsleitung jedenfalls diejenigen, zu deren Gunsten eine Gerichtsentscheidung ergangen wäre, vorrangig berücksichtigt hätte. Des Weiteren ist die vom Berufungsgericht - erkennbar vor dem Hintergrund anhängiger Parallelverfahren - angestellte Überlegung, die Versäumung bestehender Rechtsmittel könne schon dann nicht als ursächlich für die Fortdauer der menschenunwürdigen Unterbringung angesehen werden, wenn nur bei einem der betroffenen Gefangenen mangels ausreichender Kapazitäten eine zeitnahe Beendigung seiner Haftsituation unmöglich gewesen wäre, (allzu) theoretischer Natur. Aus dem Umstand, dass zahlreiche Strafgefangene einer bestimmten Justizvollzugsanstalt - aus welchen Gründen auch immer - jetzt mehr oder weniger zeitgleich eine Haftentschädigung verlangen, kann bei lebensnaher Betrachtung nicht ohne weiteres geschlossen werden, alle Kläger hätten (bei gehöriger Überlegung ) vormals mehr oder weniger zeitgleich gerichtliche Anträge auf Änderung ihrer Haftbedingungen gestellt. Die tatsächlichen Gegebenheiten (allenfalls in einer verschwindend geringen Zahl von Fällen wurden von Häftlingen in Nordrhein-Westfalen Gerichtsentscheidungen herbeigeführt; in der - vom Kläger nicht bestrittenen - Auflistung des beklagten Landes im Schriftsatz vom 20. Oktober 2008 ist bezüglich der JVA D. lediglich ein Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D. vom 27. Mai 2008 aufgeführt ) lassen eher das Gegenteil vermuten. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang auch das Argument des Landes, ein Teil der Gefangenen wäre trotz der vorhandenen Platznot in den Gemeinschaftszellen bereit gewesen, sich zur "Vermeidung von Eintönigkeit, Langeweile oder Einsamkeit" mit anderen Häftlingen gemeinschaftlich unterbringen zu lassen, so dass Raum für die Umsetzung entsprechender Gerichtsentscheidungen bestanden hätte, nicht von der Hand zu weisen.
15
Entscheidend bb) kommt folgendes hinzu: In einem Rechtsstaat ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Behörden gerichtliche Entscheidungen beachten. Insoweit hat das beklagte Land - vom Kläger nicht bestritten - mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2008 auch vorgetragen, es habe in der Vergangenheit die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern in Nordrhein-Westfalen , durch die eine menschenunwürdige Unterbringung eines Gefangenen festgestellt wurde, sofort umgesetzt. Aber selbst wenn unterstellt wird, dass sich die Haftanstalt - aus welchen Gründen auch immer - nicht in der Lage gesehen hätte, den Kläger umgehend in eine Einzelzelle zu verlegen, stünde dies dem Einwand des beklagten Landes aus § 839 Abs. 3 BGB nicht entgegen. Denn die Betrachtung der möglichen Umsetzung einer gerichtlichen Haftentscheidung kann nicht auf die Frage nach einer angemessenen Alternativunterbringung beschränkt werden; dies wäre ein verkürzter Blickwinkel. Sind die Haftbedingungen menschenunwürdig und kann eine Vollzugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (einschließlich der Verlegung in eine andere Haftanstalt, gegebenenfalls auch in einem anderen Bundesland ) einer Gerichtsentscheidung, die dies feststellt, nicht nachkommen, muss notfalls die Strafvollstreckung unterbrochen werden. Die Aufrechterhaltung eines gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßenden Zustands ist verboten. Eine Abwägung der unantastbaren Menschenwürde mit anderen - selbst verfassungsrechtlichen - Belangen ist nicht möglich (vgl. BVerfG, NJW 2006, 1580, 1581 Rn. 18). Die Vollzugsanstalt hat deshalb in letzter Konsequenz den Strafvollzug zu unterbrechen, wenn und solange eine weitere Unterbringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht käme. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger hätte auch im Falle eines Erfolgs seines Rechtsmittels an der Haftsituation nichts ändern können, als rechtsfehlerhaft.
16
d) Die in der Revisionserwiderung erhobene Gegenrüge des Klägers, ihm sei der Gebrauch eines solchen Rechtsmittels unzumutbar gewesen, da ihm immer wieder gesagt worden sei, dass es aufgrund der Überbelegung keinen Zweck habe zu versuchen, an der Warteliste vorbei früher eine Einzelzelle zu bekommen, und er angesichts der Unfähigkeit der Anstaltsleitung, trotz Art. 1 Abs. 1 GG menschenwürdige Haftbedingungen zu schaffen, nicht an den Erfolg eines Rechtsmittels habe glauben können, greift demgegenüber nicht durch. Zwar fehlt es am Verschulden im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB, wenn die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels so gering oder zweifelhaft ist, dass dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zugemutet werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 20. Februar 2003 - III ZR 224/01 - NJW 2003, 1308, 1313, insoweit in BGHZ 154, 54 nicht abgedruckt; Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZR 182/08 - juris Rn. 2 f). Dies zu beurteilen obliegt aber grundsätzlich dem Tatrichter nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls. Die diesbezügliche Bewertung des Berufungsgerichts weist keine Rechtsfehler auf.
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e) Soweit ein Rechtsmittel bzw. dessen Umsetzung erst von einem bestimmten Zeitpunkt an weitere Schäden verhindert hätte, führt dies im Übrigen nur dazu, dass bei schuldhafter Unterlassung der Einlegung des Rechtsmittels der Anspruch für die weiteren Schäden entfällt. Er bleibt jedoch für etwaige bereits vorher entstandene Schäden bestehen, d.h. hier hat eine zeitliche Differenzierung zu erfolgen (vgl. nur Senat, Urteile vom 16. Januar 1986, aaO, S. 1924 und 5. Februar 1987 - III ZR 16/86 - BGHR BGB § 839 Abs. 3 - Kausalität

1).


18
3. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass einem etwaigen Anspruch des Klägers auf Haftentschädigung nicht (teilweise) die Hilfsaufrechnung des beklagten Landes entgegensteht. Die Frage, ob es der Justizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) verwehrt ist, gegenüber dem Anspruch eines Gefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten eines Strafverfahrens aufzurechnen, hat der Senat zwischenzeitlich durch Urteil vom 1. Oktober 2009 (III ZR 18/09 - VersR 2009, 1664) im Sinne des Berufungsgerichts entschieden.
Schlick Dörr Wöstmann
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Vorinstanzen:
LG Detmold, Entscheidung vom 08.05.2008 - 9 O 294/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.03.2009 - 11 U 88/08 -

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.