Bundesverfassungsgericht Beschluss, 15. Jan. 2014 - 1 BvR 1656/09

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2014:rs20140115.1bvr165609
bei uns veröffentlicht am15.01.2014

Tenor

1. Dem Beschwerdeführer wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. § 4 Absatz 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadt Konstanz vom 22. März 1984 in der Fassung der Änderungssatzung vom 23. Februar 1989 und in der Fassung der Änderungssatzungen vom 23. Februar 1989 und 26. September 2002 sowie § 4 Absatz 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadt Konstanz vom 26. Oktober 2006 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

3. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. Mai 2009 - 2 S 3342/08 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. November 2008 - 3 K 1622/07 -, der Widerspruchsbescheid der Stadt Konstanz vom 3. Juli 2007 - 5.02229.002887.1 ZwWIRöß 27K Rie/hz -, der Zweitwohnungsteuer-Änderungsbescheid der Stadt Konstanz vom 20. März 2007 - 5.0229.002887.1 -, der Zweitwohnungsteuer-Änderungsbescheid der Stadt Konstanz vom 12. Februar 2007 - 5.0229.002887.1 - und der Zweitwohnungsteuerbescheid der Stadt Konstanz vom 18. Dezember 2006 - 5.0229.002887.1 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

4. Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers haben die Stadt Konstanz zu zwei Dritteln und das Land Baden-Württemberg zu einem Drittel zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, inwieweit eine degressive Staffelung des Tarifs einer Zweitwohnungsteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

2

1. Die Stadt Konstanz, die Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte), zog den Beschwerdeführer für die Jahre 2002 bis 2006 zur Zweitwohnungsteuer heran. Dabei stützte sie sich auf die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadt Konstanz vom 22. März 1984 in der Fassung der Änderungssatzung vom 23. Februar 1989 (im Folgenden: Zweitwohnungsteuersatzung 1989) und in der zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Fassung der Änderungssatzungen vom 23. Februar 1989 und 26. September 2002 (im Folgenden: Zweitwohnungsteuersatzung 2002) sowie die rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft getretene Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadt Konstanz vom 26. Oktober 2006 (im Folgenden: Zweitwohnungsteuersatzung 2006).

3

2. Die in den Satzungen jeweils geregelten Steuertarife orientieren sich am jährlichen Mietaufwand als steuerlicher Bemessungsgrundlage und pauschalieren den Steuerbetrag durch Bildung von fünf (Zweitwohnungsteuersatzung 1989) beziehungsweise acht Mietaufwandsgruppen (Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006). Der für den ersten Teil des streitgegenständlichen Zeitraums (1. Januar bis 31. Dezember 2002) maßgebliche § 4 Abs. 1 ZwStS 1989 lautet wie folgt:

4

§ 4 Steuersatz

(1) Die Steuer beträgt im Kalenderjahr

a)

bei einem jährlichen Mietaufwand bis zu 1.533,88 €

= 409,03 €

b)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 1.533,88 € aber nicht mehr als 2.351,94 €

= 613,55 €

c)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 2.351,94 € aber nicht mehr als 3.170,01 €

=818,07 €

d)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 3.170,01 € aber nicht mehr als 3.988,08 €

=1.022,58 €

e)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 3.988,08 €

=1.227,10 €.

5

Für den zweiten Teil des streitgegenständlichen Zeitraums (1. Januar 2003 bis 31. August 2006) sind nach den wortgleichen Vorschriften des § 4 Abs. 1 ZwStS 2002 und des § 4 Abs. 1 ZwStS 2006 folgende Steuersätze maßgeblich:

6

§ 4 Steuersatz

(1) Die Steuer beträgt im Kalenderjahr

a)

bei einem jährlichen Mietaufwand bis zu 1.650 €

= 400,00 €

b)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 1.650 € aber nicht mehr als 2.640 €

= 575,00 €

c)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 2.640 € aber nicht mehr als 3.630 €

= 750,00 €

d)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 3.630 € aber nicht mehr als 4.620 €

= 925,00 €

e)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 4.620 € aber nicht mehr als 5.610 €

= 1.100,00 €

f)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 5.610 € aber nicht mehr als 6.600 €

= 1.275,00 €

g)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 6.600 € aber nicht mehr als 7.590 €

= 1.450,00 €

h)

bei einem jährlichen Mietaufwand von mehr als 7.590 €

= 1.625,00 €.

7

3. Die konkrete Ausgestaltung der Steuertarife führt insgesamt zu einem in Relation zum Mietaufwand degressiven Steuerverlauf. Zwar steigt der Betrag der vom Steuerschuldner zu zahlenden Zweitwohnungsteuer mit zunehmender Jahresmiete in Stufen an. Nicht nur auf den jeweiligen Stufen sondern auch über die Stufen hinweg sinkt jedoch der aus dem jährlichen Mietaufwand als Steuermaßstab und dem zu zahlenden Steuerbetrag errechnete Steuersatz mit steigendem Mietaufwand wieder ab.

8

Eine Ursache hierfür besteht in zunehmend flacher werdenden Steuerstufen sowohl im mittleren Bereich als auch in der Mindest- und der Höchstbetragsstufe. Nach der Zweitwohnungsteuersatzung 1989 sinkt der sich für den mittleren Mietaufwand einer Steuerstufe ergebende Steuersatz (im Folgenden: mittlerer Steuersatz) in den drei mittleren Steuerstufen von 31,58 % in der Steuerstufe zwischen den Grenzwerten 1.533,88 € und 2.351,94 € über 29,63 % in der folgenden Stufe auf schließlich 28,57 % in der durch die Grenzwerte 3.170,01 € und 3.988,08 € bestimmten Steuerstufe ab. Nach den Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006 beläuft sich der mittlere Steuersatz in der zweitniedrigsten Steuerstufe zwischen den Stufengrenzwerten 1.650 € und 2.640 € auf 26,81 % und sinkt bei steigendem Mietaufwand in den folgenden Stufen schrittweise bis auf 20,44 % in der zweithöchsten Steuerstufe zwischen den Grenzwerten 6.600 € und 7.590 € ab. Damit liegt die Spreizung der mittleren Steuersätze unter Außerachtlassung der Mindest- und Höchstbetragsstufen bei der Zweitwohnungsteuersatzung 1989 bei circa drei Prozentpunkten (Verlauf von 31,58 % absinkend bis zu 28,57 %) und bei den Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006 bei 6,37 Prozentpunkten (Verlauf von 26,81 % absinkend zu 20,44 %).

9

Berücksichtigt man zusätzlich die jeweilige Mindest- und Höchstbetragsstufe, so verstärkt sich das stetige Abflachen der einzelnen Steuerstufen und damit des Steuersatzes. Bei Zugrundelegung einer Untergrenze für Monatskaltmieten von 100 € ergibt sich für eine (fiktive) Mindestbetragsgruppe von 1.200 € bis 1.533,88 € Mietaufwand bei der Zweitwohnungsteuersatzung 1989 ein mittlerer Steuersatz von 29,92 % und für eine (fiktive) Mindestbetragsgruppe von 1.200 € bis 1.650 € Mietaufwand bei den Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006 ein mittlerer Steuersatz von 28,07 %. Unter Berücksichtigung eines für Zweitwohnungen noch realistischen oberen Grenzwerts von 24.000 € ergibt sich für eine (fiktive) Höchstbetragsgruppe von 3.988,08 € bis 24.000 € Mietaufwand bei der Zweitwohnungsteuersatzung 1989 ein mittlerer Steuersatz von 11,40 % und für eine (fiktive) Höchstbetragsgruppe von 7.590 € bis 24.000 € Mietaufwand bei den Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006 ein mittlerer Steuersatz von 10,29 %. Blendet man Jahresmieten von unter 1.200 € und über 24.000 € aus, ergibt sich für den verbleibenden Bereich eine Spreizung von 18,52 Prozentpunkten (Zweitwohnungsteuersatzung 1989, Verlauf von 29,92 % bis 11,40 %) beziehungsweise 17,78 Prozentpunkten (Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006, Verlauf von 28,07 % bis 10,29 %). Ohne Berücksichtigung dieser Unter- und Obergrenzen wäre die Spreizung noch stärker ausgeprägt.

10

Zu einer weiteren Degression führen die durch die Stufenbildung bewirkten Differenzen in der relativen Steuerbelastung. Innerhalb jeder einzelnen Steuerstufe verläuft der Steuersatz ebenfalls degressiv, da der relative Steuersatz innerhalb der Stufe mit steigendem Mietaufwand abnimmt. Auf den mittleren Steuerstufen (das heißt unter Außerachtlassung der Mindest- und der Höchstbetragsstufe) ist der Belastungsunterschied zwischen Steuerpflichtigen am unteren Ende der zweiten Steuerstufe und am oberen Ende der zweithöchsten Steuerstufe am stärksten ausgeprägt. Nach den Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006 gilt für Steuerpflichtige mit einer Jahreskaltmiete von 1.651 € (unterer Grenzwert der zweitniedrigsten Steuerstufe) ein Steuersatz von 34,8 % (Steuerbetrag 575 €), während der Steuersatz knapp unterhalb des oberen Grenzwerts der zweithöchsten Steuerstufe bei einer Jahreskaltmiete von 7.590 € circa 19,1 % beträgt (Steuerbetrag 1.450 €). Nach der Zweitwohnungsteuersatzung 1989 ergibt sich entsprechend ein Steuersatz von etwa 40 % für knapp oberhalb des unteren Grenzwerts der zweitniedrigsten Steuerstufe besteuerte Steuerpflichtige (Steuerbetrag von 613,55 € bei einer Jahresmiete von 1.533,89 €) sowie ein Steuersatz von etwa 25,6 % für einen am oberen Grenzwert der zweithöchsten Steuerstufe veranschlagten Zweitwohnungsinhaber (Steuerbetrag von 1.022,58 € bei einer Jahresmiete von 3.988,08 €).

II.

11

1. Der Beschwerdeführer hatte im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. August 2006 eine ihm von seinen Eltern überlassene Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten inne und war dort mit Nebenwohnsitz gemeldet. Die Beklagte zog ihn durch Steuerbescheid vom 18. Dezember 2006 für diesen Zeitraum zu einer Zweitwohnungsteuer in Höhe von insgesamt 7.320,85 € heran. Nach Einlegung eines Widerspruchs reduzierte die Beklagte den Betrag mit Änderungsbescheid vom 12. Februar 2007 auf 3.835,08 € und mit weiterem Änderungsbescheid vom 20. März 2007 auf 2.974,32 €. Dem letztgenannten Änderungsbescheid lag eine Einigung der Beteiligten auf einen fiktiven Mietzins für die Wohnung von 4,11 €/m², also der Hälfte des sich nach dem Mietspiegel ergebenden Mietwertes, zugrunde. Die sich daraus ergebende fiktive Miete von 201,39 € pro Monat (2.416,68 € pro Jahr) führte nach der dritten Steuerstufe in § 4 Abs. 1 ZwStS 1989 zu einer Zweitwohnungsteuer in Höhe von 818,07 € im Jahr 2002 und nach der zweiten Steuerstufe in § 4 Abs. 1 ZwStS 2002/2006 zu einer Steuer in Höhe von 575 € in den Jahren 2003 bis 2005 und in Höhe von 431,25 € im Jahr 2006. Den gleichwohl aufrecht erhaltenen Widerspruch des Beschwerdeführers gegen die Steuerbescheide wies die Beklagte zurück.

12

2. Die vom Beschwerdeführer gegen die Steuerbescheide und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Die "umgekehrte Progression" des Steuersatzes sei nicht zu beanstanden. Ein stets gleichbleibendes Verhältnis zwischen der Zweitwohnungsteuer und dem jährlichen Mietaufwand als Bemessungsgrundlage sei rechtlich nicht gefordert. Durch die zulässige Stufenbildung komme es innerhalb der jeweiligen Steuerstufen zwangsläufig zu einer umgekehrten Progression. Die insgesamt degressive Staffelung verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, da es sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung gebe. Mit der Zweitwohnungsteuer dürfe der Lenkungszweck verfolgt werden, die Inhaber einer nur vorgeblichen Zweitwohnung im melderechtlich zulässigen Rahmen zur Verlegung des Hauptwohnsitzes zu bewegen. Gerade bei regelmäßig relativ preisgünstigen Studentenwohnungen sei ein höherer Steuersatz besser geeignet, um über den absoluten Betrag die gewünschte Lenkungswirkung zu erreichen. Ein degressiver Steuersatz sei zudem deshalb gerechtfertigt, weil Zweitwohnungen für die Gemeinden einen erhöhten Aufwand bedeuteten, dem keine sonstigen Vorteile gegenüberstünden. Dieser Aufwand sei nicht zwangsläufig vom jährlichen Mietaufwand abhängig. Der erhöhte Steuersatz bei günstigen Zweitwohnungen sei geeignet, diesen Aufwand zu decken.

13

Die absolute Höhe des Steuersatzes entfalte im Übrigen keine erdrosselnde Wirkung. Da über den Mietaufwand für eine Zweitwohnung hinaus häufig noch erhebliche Kosten für eine doppelte Haushaltsführung aufgewendet würden, könne nicht ernsthaft davon die Rede sein, im Gebiet der Beklagten könnten wegen der Zweitwohnungsteuer - jedenfalls im unteren Bereich - keine Zweitwohnungen mehr gehalten werden.

14

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab, der dem Beschwerdeführer am 27. Mai 2009 zuging. Die generalisierende degressive Staffelung der Steuersätze in § 4 Abs. 1 ZwStS 1989 und 2002/2006 halte sich im Rahmen des dem Satzungsgeber zukommenden Gestaltungsspielraums. Die prozentual stärkere Belastung der unteren Mietaufwandsgruppen sei gerechtfertigt. Die Beklagte dürfe bei der Steuererhebung den Nebenzweck verfolgen, insbesondere das Halten kleinerer und billigerer Zweitwohnungen einzudämmen und dadurch das Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung - insbesondere für Studierende - zu erhöhen.

15

Eine erdrosselnde Wirkung komme der Zweitwohnungsteuer nicht zu, weil nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten in allen Staffelungsbereichen und damit auch in den untersten Mietaufwandsgruppen steuerpflichtige Zweitwohnungen in nicht unerheblicher Zahl vorhanden seien. Bei der Beurteilung der Frage, ob vom Steuersatz eine erdrosselnde Wirkung ausgehe, sei nicht auf einzelne Steuerpflichtige, wie etwa Studierende, sondern auf die Gesamtheit der steuerpflichtigen Zweitwohnungsinhaber abzustellen. Angesichts der mit dem Halten einer Zweitwohnung unabdingbar verbundenen, nicht unerheblichen weiteren Kosten sei eine erdrosselnde Wirkung der Steuer nach allgemeiner Lebenserfahrung von vornherein ausgeschlossen.

III.

16

1. Der Beschwerdeführer hat am 13. Juli 2009 Verfassungsbeschwerde erhoben und gleichzeitig wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung und der vorgelegten Telefaxprotokolle hatte er am Montag, dem 29. Juni 2009, um 22:57 Uhr erstmals versucht, die Verfassungsbeschwerdeschrift per Telefax an das Bundesverfassungsgericht zu übermitteln. Dies misslang jedoch ebenso wie weitere Übermittlungsversuche am selben Tag um 23:07 Uhr und 23:19 Uhr. Gemäß dem Faxbuch und den Faxprotokollen des Bundesverfassungsgerichts war der Faxanschluss des Gerichts an diesem Tag ab etwa 20:00 Uhr für circa vier Stunden belegt.

17

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

18

Der satzungsgemäße Zweitwohnungsteuertarif bewirke eine "umgekehrte Progression". Gerade bei höheren Mieten sinke der Steuersatz mit steigendem Mietaufwand kontinuierlich, während er bei niedrigen Mieten in der Regel deutlich über 20 % liege. Eine solche Besteuerung sei nicht mit dem aus Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Gebot sozialer Steuerpolitik, das im Steuerrecht spezielle Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und des Übermaßverbots sei, vereinbar. Durch die "umgekehrte Progression" würden gerade Personen mit geringer finanzieller Leistungsfähigkeit regelmäßig prozentual wesentlich stärker belastet als Personen mit hohem jährlichem Mietaufwand. Das Ziel, Inhaber von Zweitwohnungen zu deren Anmeldung als Hauptwohnung zu bewegen, um Zuwendungen aus dem kommunalen Finanzausgleich zu erhöhen, sei kein zulässiger, die Ungleichbehandlung rechtfertigender Lenkungszweck.

19

Bei der von der Beklagten erhobenen Zweitwohnungsteuer handele es sich um eine unzulässige konfiskatorische Steuer mit erdrosselnder Wirkung. Die Steuersätze seien gerade im Bereich eines niedrigen bis mittleren Mietaufwands deutlich zu hoch. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die vermeintlich geringe absolute Höhe der Steuer sei nicht nachvollziehbar. Bei einem Zweitwohnungsteuersatz von bis zu 34,8 % liege die erdrosselnde oder prohibitive Wirkung vielmehr auf der Hand. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass hiervon in besonderem Maße Personen mit geringer finanzieller Leistungsfähigkeit, insbesondere Studierende, betroffen seien. Zweitwohnungsinhaber mit niedrigem bis mittlerem Mietaufwand würden stärker belastet als solche mit höherem Mietaufwand. Bei lebensnaher Betrachtung sei davon auszugehen, dass das Innehaben kleinerer Zweitwohnungen regelmäßig wirtschaftlich unmöglich gemacht werde.

IV.

20

Die Beklagte, das Bundesverwaltungsgericht, der Bundesfinanzhof sowie mehrere Oberverwaltungs- und Finanzgerichte haben zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

21

1. Die Beklagte hält die Verfassungsbeschwerde wegen Verfristung für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Die Zweitwohnungsteuer habe keine erdrosselnde Wirkung. Aus der Entwicklung des Aufkommens steuerpflichtiger Zweitwohnungen im Bereich aller Steuerstufen ergebe sich, dass das Halten von Zweitwohnungen durch die Besteuerung nicht wirtschaftlich unmöglich gemacht werde. Die Staffelung der Steuersätze verstoße angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Steuergesetzgebers auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Die mit einer grundsätzlich zulässigen Wahl pauschaler Maßstäbe aus Praktikabilitätsgründen verbundenen Ungleichbehandlungen seien sachlich gerechtfertigt. Eine höhere Belastung in den unteren Steuerstufen bei einer prozentualen, auf den jährlichen Mietaufwand bezogenen Belastung sei dadurch gerechtfertigt, dass im niedrigen bis mittleren Mietsegment der größte Bedarf an Wohnraum bestehe, weil die Beklagte Hochschulstandort und beliebtes Tourismusziel sei. Eine weitere Rechtfertigung ergebe sich aus dem mit Zweitwohnungen verbundenen erhöhten kommunalen Aufwand.

22

2. Dem Bundesverwaltungsgericht erscheint ein degressiv ausgestalteter Steuertarif im Hinblick auf die Grundsätze der Steuergleichheit und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht unbedenklich, jedenfalls aber besonders rechtfertigungsbedürftig. Ein spezifischer Lenkungszweck könne den Steuertarif rechtfertigen, sofern er nicht im Gegensatz zu der Sachmaterie stehe, auf die er lenkend einwirken solle. Der Anreiz zur Verlegung des Erstwohnsitzes stelle grundsätzlich einen zulässigen Lenkungszweck dar.

23

3. Der Bundesfinanzhof äußert verfassungsrechtliche Bedenken an der degressiven Ausgestaltung des Zweitwohnungsteuertarifs. Schon der Typus der Aufwandsteuer lasse es nicht zu, bei der Zweitwohnungsteuer einen niedrigeren jährlichen Mietaufwand mit einem höheren Steuersatz zu belegen als einen höheren jährlichen Mietaufwand. Der degressive Steuertarif verletze darüber hinaus die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dieser könne keinesfalls mit der Erwägung gerechtfertigt werden, der Beklagten erwachse aus Zweitwohnungen ein erhöhter Aufwand, weil allein der isolierte Vorgang des Konsums für die Aufwandsteuer maßgeblich sei.

24

Die Abweichung vom Gebot der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei auch nicht durch die in den Ausgangsentscheidungen genannten außersteuerlichen Lenkungszwecke gerechtfertigt. Denn das Interesse der Beklagten, mit der Zweitwohnungsteuer die Anzahl der Zweitwohnungen zu beschränken, die Zweitwohnungsinhaber also zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in der Stadt zu veranlassen, und sich dadurch erhöhte Finanzzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zu sichern sowie das Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung zu erhöhen, betreffe kleine und große Wohnungen gleichermaßen.

25

4. a) Mehrere Oberverwaltungsgerichte haben Zweifel an der Vereinbarkeit einer degressiv ausgestalteten Zweitwohnungsteuer mit der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeit der Gemeinden und dem Gleichheitssatz geäußert.

26

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht bezweifelt, dass der Lenkungszweck, das Halten von kleinen und billigen Zweitwohnungen einzudämmen, um das Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung in diesem Sektor zu erhöhen, mit dem Charakter einer Aufwandsteuer in Einklang zu bringen ist. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hält eine prozentual deutlich höhere Besteuerung eines relativ niedrigen Mietaufwands für mit Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG unvereinbar, weil sich bei der Zweitwohnungsteuer Steuermaßstab und Steuersatz auf den Aufwand für das Innehaben einer Zweitwohnung beziehen und in einem angemessenen Verhältnis zu diesem stehen müssten.

27

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hält den degressiven Steuersatz für mit dem Gebot der Steuergerechtigkeit unvereinbar. Für eine solche Ausgestaltung der Steuer sei kein einleuchtender Grund erkennbar, zumal mit der Zweitwohnungsteuer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfasst werden solle, die in der Regel bei höherwertigen Wohnungen höher einzustufen sei. Die Absicht des Normgebers, gerade das Halten kleinerer und billigerer Zweitwohnungen durch eine prozentual höhere Steuerbelastung einzudämmen und dadurch das Wohnungsangebot auf dem einheimischen Markt zu erhöhen, laufe der am Aufwand zu orientierenden Steuerbemessung im Kern zuwider.

28

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern könne zwar eine zwangsläufige Degression auf den einzelnen Stufen eines abgestuften, im Prinzip aber linearen Steuersatzes bei einer hinreichend feinen Abstufung aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität verfassungsrechtlich hingenommen werden, ein insgesamt degressiver Steuersatz sei jedoch mit dem Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer nur schwer vereinbar. Zudem sei eine sachliche Rechtfertigung der Degression mit ihrer Lenkungswirkung fraglich, da ein nicht degressiver Steuertarif zu einem höheren Steuerbetrag und damit zu einem besseren Lenkungseffekt führen könnte.

29

b) Andere Oberverwaltungsgerichte halten hingegen eine degressive Aufwandsteuer für mit dem Grundgesetz vereinbar.

30

Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zufolge liegt eine konfiskatorische Wirkung nur dann vor, wenn durch die Höhe der Aufwandsteuer das Innehaben von Zweitwohnungen gänzlich unattraktiv werde, was nicht der Fall sei, solange Zweitwohnungen in nicht unerheblicher Zahl gehalten würden. Die mit einem Staffelsystem zwangsläufig entstehenden Degressionseffekte stellten im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers und die Möglichkeit der Pauschalisierung und Typisierung keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Satzungsgeber könne wohl einen degressiv gestalteten Steuersatz vorsehen, solange für kostengünstigere Zweitwohnungen nicht absolut höhere Steuern zu zahlen seien. Ein sachlicher Grund für einen degressiven Steuertarif könne zudem gerade in einer Stadt mit vielen Studierenden in dem Lenkungszweck liegen, einen bestimmten Kreis von Zweitwohnungsinhabern zur (melderechtlich ordnungsgemäßen) Verlegung seines Erstwohnsitzes zu bewegen.

31

Nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs enthalten die streitgegenständlichen Steuersatzungen keinen rein degressiv ausgestalteten Steuertarif, weil die prozentuale Belastung nach Übergang in die nächsthöhere Stufe wieder ansteige. Das kontinuierliche Sinken der Belastung ab dem Erreichen der höchsten Stufe sei der Problematik eines sogenannten "Höchstbetrages" zuzuordnen und an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen; es könne durch sachliche Erwägungen wie etwa Lenkungsabsichten gerechtfertigt werden.

B.

32

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

33

Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde zwar erst nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erhoben. Ihm ist jedoch gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG auf seinen fristgerechten Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

I.

34

Der Beschwerdeführer war durch die Belegung des Faxanschlusses des Bundesverfassungsgerichts zwischen 22:57 Uhr bis Mitternacht des 29. Juni 2009 an der Fristwahrung gehindert. An der hierdurch verursachten Fristversäumnis traf ihn kein Verschulden.

35

1. Eine verschuldete Fristversäumnis liegt vor, wenn ein Beschwerdeführer die Frist wegen fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhaltens nicht einhalten konnte. Angesichts des Verfassungsbezugs zu Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die individuellen Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 25, 158 <166>). Fahrlässig handelt, wer mit der Übermittlung eines Beschwerdeschriftsatzes nebst erforderlicher Anlagen nicht so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss der Übermittlung noch am Tag des Fristablaufs zu rechnen ist.

36

Dabei müssen Rechtsschutzsuchende einen über die voraussichtliche Dauer des eigentlichen Faxvorgangs hinausgehenden Sicherheitszuschlag einkalkulieren (siehe auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 565/98 -, NJW 2000, S. 574; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2010 - 1 BvR 1070/10 -, juris Rn. 3; BVerfGK 7, 215 <216>). Denn sie beachten nur dann die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, wenn sie der Möglichkeit Rechnung tragen, dass das Empfangsgerät belegt ist. Gerade in den Abend- und Nachtstunden muss damit gerechnet werden, dass wegen drohenden Fristablaufs weitere Beschwerdeführer versuchen, Schriftstücke fristwahrend per Telefax zu übermitteln (siehe auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. November 1999 - 2 BvR 565/98 -, NJW 2000, S. 574).

37

Das Erfordernis eines Sicherheitszuschlags kollidiert nicht mit dem Grundsatz, dass eine Frist voll ausgeschöpft werden darf. Ebenso wie übliche Postlaufzeiten oder die Verkehrsverhältnisse auf dem Weg zum Gericht zu berücksichtigen sind, muss ein Beschwerdeführer übliche Telefaxversendungszeiten einkalkulieren. Der Zuschlag verkürzt die Frist nicht, sondern konkretisiert lediglich die individuelle Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers. Aus der Eröffnung des Übermittlungswegs per Telefax erwächst dabei dem Gericht die Verantwortung, für ausreichende Empfangskapazitäten zu sorgen. Dem wird durch eine kurze Bemessung der Sicherheitsreserve Rechnung getragen.

38

2. In Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat regelmäßig die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfüllt, wer einen über die zu erwartende Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen hinausgehenden Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten einkalkuliert. Damit sind die gegenwärtigen technischen Gegebenheiten auch nach der Rechtsprechung der Fachgerichte (vgl. BFH, Beschluss vom 25. November 2003 - VII R 9/03 -, BFH/NV 2004, S. 519 <520>; Beschluss vom 28. Januar 2010 - VIII B 88/09 -, BFH/NV 2010, S. 919; BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - XI ZB 24/10 -, juris Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2010 - BVerwG 7 B 18/10 -, juris) hinreichend beachtet. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gilt dieser Sicherheitszuschlag einheitlich auch für die Faxübersendung nach Wochenenden oder gesetzlichen Feiertagen (anders noch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2010 - 1 BvR 1070/10 -, juris Rn. 3).

39

Für die Fristberechnung und damit auch die Einhaltung des Sicherheitszuschlags ist der Zeitpunkt des vollständigen Empfangs und damit der Speicherung der gesendeten Signale im Empfangsgerät des Gerichts maßgeblich, nicht aber die Vollständigkeit des Ausdrucks (vgl. BGHZ 167, 214 <220>).

40

3. Den Sorgfaltsanforderungen genügt schließlich nur, wer innerhalb der einzukalkulierenden Zeitspanne wiederholt die Übermittlung versucht.

II.

41

Der Beschwerdeführer hat hier einen hinreichenden Sicherheitszuschlag einkalkuliert. Der eigentliche Faxvorgang hat lediglich elf Minuten in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer hat am Tag des Fristablaufs um 22:57 Uhr erstmals versucht, die Verfassungsbeschwerdeschrift nebst Anlagen an das Bundesverfassungsgericht zu übermitteln. Er hat mithin eine Sicherheitsreserve von etwa 50 Minuten eingeplant. Darüber hinaus hat er seinen Sendeversuch bis zum Fristablauf mehrfach wiederholt.

C.

42

Die Verfassungsbeschwerde ist im Wesentlichen begründet. Die degressive Ausgestaltung der Zweitwohnungsteuertarife der Steuersatzungen sowie die Entscheidungen der Beklagten und der Ausgangsgerichte verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

I.

43

Freiheitsrechte des Beschwerdeführers sind durch die Auferlegung der Zweitwohnungsteuer nicht verletzt.

44

1. Als Auferlegung einer Geldleistungspflicht stellt die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer einen Eingriff in Freiheitsrechte des Beschwerdeführers und seine persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich dar (vgl. BVerfGE 87, 153 <169>; 93, 121 <137>). Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Belastung des Beschwerdeführers mit der Zweitwohnungsteuer dabei an Art. 14 Abs. 1 oder an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist (vgl. dazu BVerfGE 95, 267 <300 f.>; 105, 17 <32 f.>; 115, 97 <110 ff.>), da sich der Eingriff jedenfalls als verfassungsgemäß erweist.

45

2. Der Eingriff ist gerechtfertigt. Er beruht auf einer gesetzlichen Grundlage, welche die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wahrt (vgl. BVerfGE 34, 139 <146>; 58, 137 <145>), und die Steuerpflichtigen nicht unverhältnismäßig belastet.

46

a) Die von der Beklagten erhobene Zweitwohnungsteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 65, 325 <349 f.>; 114, 316 <334 f.>).

47

aa) Die Aufwandsteuer soll die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners treffen (vgl. BVerfGE 65, 325 <346>; 123, 1 <15> m.w.N.). Der Konsum als Aufwand ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (vgl. BVerfGE 65, 325 <347 f.>; 114, 316 <334>).

48

Die degressive Ausgestaltung des Steuertarifs in den Zweitwohnungsteuersatzungen der Beklagten lässt den Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer unberührt. Ein vom Normgeber geregelter Steuertarif bestimmt zwar den Charakter der geschaffenen Steuer mit (zum Steuermaßstab vgl. BVerfGE 14, 76 <91>; 123, 1 <17>). Von Einfluss auf die kompetenzielle Einordnung einer Steuer ist der Steuertarif indessen nur, soweit er deren Typus prägt (vgl. BVerfGE 123, 1 <17>). Fragen der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Steuer, insbesondere ihrer Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz oder den Freiheitsgrundrechten, sind hingegen ohne Einfluss auf die Beurteilung der Normsetzungskompetenz (vgl. BVerfGE 123, 1 <17>).

49

bb) Der Gesetzgeber darf seine Steuergesetzgebungskompetenz grundsätzlich auch ausüben, um Lenkungswirkungen zu erzielen (vgl. BVerfGE 84, 239 <274>; 93, 121 <147>), mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (vgl. BVerfGE 55, 274 <299>; 98, 106 <118>). Nur wenn die steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt, die Finanzierungsfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird, bietet die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Rechtsgrundlage (vgl. BVerfGE 98, 106 <118>).

50

Nach diesen Maßstäben ändern die mit der Zweitwohnungsteuer verfolgten Lenkungszwecke, Wohnungsinhaber zur Ummeldung von Zweit- in Hauptwohnsitze zu veranlassen und Wohnraum für Dritte freizumachen, nichts an ihrem Charakter als Steuer, weil die beabsichtigte Lenkung jedenfalls nicht die Wirkung einer verbindlichen Verhaltensregel entfaltet. Eine etwaige Ausweichreaktion hängt vielmehr maßgeblich vom Willen der Steuerpflichtigen ab.

51

b) Die Belastung durch die Zweitwohnungsteuer ist nicht erdrosselnd oder sonst unzumutbar. Die Ausgangsgerichte haben vertretbar dargelegt, dass die Steuersätze eine Belastung darstellen, die typischerweise noch im Bereich der im Halten einer Zweitwohnung zum Ausdruck kommenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt. Gegen eine erdrosselnde Höhe der zu zahlenden Steuerbeträge spricht bereits, dass eine beachtliche Zahl von Zweitwohnungsinhabern von der Beklagten zur Zweitwohnungsteuer veranlagt wird und sich diese Zahl in den letzten Jahren auf allen Steuerstufen noch erhöht hat.

II.

52

Der in § 4 Abs. 1 der Zweitwohnungsteuersatzungen geregelte degressive Steuertarif verletzt das Grundrecht auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

53

1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>; 130, 240 <252>; stRspr). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416>; 130, 240 <252 f.>).

54

Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <68>; 130, 240 <253>). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 126, 400 <416>; 130, 240 <254>; stRspr).

55

b) Auch Steuertarife sind mit ihren Auswirkungen auf die Steuerlast am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen.

56

So muss die unterschiedlich hohe Belastung der Steuerpflichtigen bei Finanzzwecksteuern dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleiteten Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit genügen (vgl. zum Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht BVerfGE 6, 55 <67>; 127, 224 <247 f.>). Es widerspricht dem Gebot der Steuergleichheit etwa, wenn bei Ertragsteuern wirtschaftlich Leistungsfähigere einen geringeren Prozentsatz ihres Einkommens als Steuer zu zahlen haben als wirtschaftlich Schwächere (vgl. BVerfGE 127, 224 <247>; siehe auch Schweizerisches Bundesgericht, Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung vom 1. Juni 2007 - 2P.43/2006 -, BGE 133 I, 206 <220>; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, S. 403; P. Kirchhof, StuW 1985, S. 319 <329>; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005, S. 286), es sei denn, dies ist durch einen besonderen Sachgrund gerechtfertigt.

57

Die Orientierung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird unterstützt vom Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Bei Steuern, die an die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen anknüpfen, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nicht nur zulässig sondern geboten (vgl. BVerfGE 29, 402 <412>; 32, 333 <339>; 36, 66 <72>; 43, 108 <125>). Aus dem Sozialstaatsprinzip ist abzuleiten, dass die Steuerpolitik auf die Belange der wirtschaftlich schwächeren Schichten der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen hat (vgl. BVerfGE 13, 331 <346 f.>; 29, 402 <412>; 43, 108 <119>; 61, 319 <343 f.>).

58

c) Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verlangt, "jeden Bürger nach Maßgabe seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Steuern zu belasten" (BVerfGE 61, 319 <344>; 66, 214 <223>; jeweils unter Bezugnahme auf BTDrucks 7/1470, S. 211 f.). In horizontaler Richtung muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfGE 82, 60 <89>; 116, 164 <180>; 120, 1 <44>; 122, 210 <231>; 127, 224 <245>). In vertikaler Richtung muss die Besteuerung der wirtschaftlich Leistungsfähigeren im Vergleich mit der Steuerbelastung wirtschaftlich weniger Leistungsstarker angemessen ausgestaltet sein (vgl. BVerfGE 107, 27 <47>; 115, 97 <116 f.>). Bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes hat der Gesetzgeber jedoch einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; 123, 1 <19>; 127, 224 <245>).

59

Werden weniger leistungsfähige Steuerschuldner mit einem höheren Steuersatz besteuert als wirtschaftlich leistungsfähigere Steuerschuldner, ist eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG ungeachtet dessen gegeben, ob leistungsfähigere Steuerschuldner absolut einen höheren Steuerbetrag zu zahlen haben als leistungsschwächere Steuerschuldner. Denn weniger Leistungsfähige müssen in diesem Fall einen höheren Anteil ihres Einkommens oder Vermögens als Steuer abgeben als wirtschaftlich Leistungsfähigere.

60

2. Das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist auf die Zweitwohnungsteuertarife der Beklagten anwendbar (a). Die in der Degression liegende Ungleichbehandlung (b) ist nach dem anzuwendenden strengen Maßstab (c) hier nicht gerechtfertigt (d).

61

a) Wie für die Ertragsteuern gilt auch für die Zweitwohnungsteuer das Leistungsfähigkeitsprinzip. Das wesentliche Merkmal einer Aufwandsteuer besteht darin, die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu treffen (vgl. BVerfGE 65, 325 <346>; 123, 1 <15> m.w.N.). Der jeweilige Mietaufwand als Bemessungsgröße der Zweitwohnungsteuer spiegelt die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der Wohnungsinhaber wider.

62

b) Der in den Zweitwohnungsteuersatzungen normierte Tarif stellt den Beschwerdeführer durch die Auferlegung eines höheren Steuersatzes schlechter als Steuerpflichtige, bei denen aufgrund des Innehabens einer teureren Wohnung eine größere Leistungsfähigkeit zu vermuten ist, die dafür aber gleichwohl einen niedrigeren Steuersatz zahlen. Am Maßstab vertikaler Steuergerechtigkeit gemessen, bewirkt der in § 4 Abs. 1 der Zweitwohnungsteuersatzungen normierte degressive Steuertarif eine steuerliche Ungleichbehandlung der Steuerschuldner, weil er weniger leistungsfähige Steuerschuldner prozentual höher belastet als wirtschaftlich leistungsfähigere. Denn aus dem Stufentarif ergibt sich mit steigendem Mietaufwand weitgehend ein sinkender Steuersatz. Diese Ungleichbehandlung lässt sich bereits durch einen Vergleich der jeweiligen mittleren Steuersätze in den Steuerstufen feststellen (aa), er verstärkt sich unter Berücksichtigung der durch die typisierende Stufenbildung bewirkten Effekte (bb) und insbesondere durch die Normierung von Mindest- und Höchstbetragsstufen (cc).

63

aa) Bei einem Vergleich der mittleren Steuersätze in den Steuerstufen ist eine Ungleichbehandlung weniger leistungsfähiger gegenüber leistungsfähigeren Steuerschuldnern feststellbar, weil diese bezogen auf den jährlichen Mietaufwand einen höheren Steuersatz zu zahlen haben. Lässt man wegen ihres Grenzwertcharakters zunächst die Steuerstufe zu den niedrigsten Miethöhen (Mindestbetragsstufe) und die nach oben hin offene höchste Steuerstufe (Höchstbetragsstufe) außer Betracht, so sind die dazwischen liegenden drei (Zweitwohnungsteuersatzung 1989) beziehungsweise fünf (Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006) Steuerstufen jeweils durchgängig degressiv gestaltet.

64

bb) Eine weitere Ungleichbehandlung folgt aus den durch die typisierenden Stufen bewirkten Differenzen in der Steuerbelastung. Dadurch wird außerdem die Ungleichbehandlung der weniger Leistungsfähigen gegenüber Leistungsfähigeren verstärkt, da sich die durch den degressiven Steuertarif einerseits und die Stufen andererseits hervorgerufenen Effekte teilweise addieren.

65

(1) Eine durch die Stufen hervorgerufene Ungleichbehandlung ergibt sich zunächst beim Übergang von einer Stufe in die nächste, nämlich für die Steuerpflichtigen, die mit ihrer Nettokaltmiete knapp ober- beziehungsweise unterhalb der jeweiligen Steuerstufengrenzwerte liegen.

66

Die Stufen als solche behandeln zudem verschieden leistungsfähige Steuerschuldner gleich, weil alle Steuerschuldner einer Stufe denselben absoluten Steuerbetrag zahlen müssen, obwohl die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit typischerweise mit dem Mietaufwand ansteigt. Die damit verbundene Degression auf jeder einzelnen Stufe bewirkt eine Ungleichbehandlung entgegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, da der Steuersatz innerhalb einer Stufe mit steigender Bemessungsgrundlage abnimmt und damit zum Leistungsfähigkeitsprinzip entgegengesetzt verläuft. So sinkt beispielsweise innerhalb der zweiten Steuerstufe nach der Zweitwohnungsteuersatzung 1989 (zwischen 1.533,88 € und 2.351,94 €) die Steuerbelastung von fast 40 % auf rund 26 % und nach den Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006 (zwischen 1.650 € und 2.640 €) von etwa 34,8 % auf 21,8 %.

67

(2) Die Degression auf jeder einzelnen Stufe kommt zu der bereits durch einen Vergleich der mittleren Steuersätze festgestellten Degression als eigene Ungleichbehandlung hinzu. Am stärksten belastet werden insgesamt Steuerpflichtige mit Jahresmieten im unteren Bereich der jeweiligen Steuerstufen.

68

cc) Die auf der jeweiligen Stufe festgestellte Gleich- beziehungsweise Ungleichbehandlung tritt ebenfalls auf der Mindestbetragsstufe und der Höchstbetragsstufe der jeweiligen Steuersatzung zutage, weist gegenüber den anderen Stufen jedoch Besonderheiten auf. Innerhalb der Mindest- und der Höchstbetragsstufen nimmt der Steuersatz ähnlich wie auf den anderen Stufen mit steigender Bemessungsgrundlage ab und verläuft damit entgegensetzt zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Degression auf diesen beiden Stufen ist allerdings durch ihre Randlage in besonderer Weise ausgeprägt. Auf der Mindestbetragsstufe erhöht sich der Steuersatz mit sinkendem Mietaufwand, während die relative Belastung für Zweitwohnungen mit Jahresnettokaltmieten in der höchsten Stufe mit steigendem Mietaufwand geringer wird. Die Normierung von Mindest- und Höchstbetragsstufen verstärkt auf diese Weise den degressiven Effekt der Zweitwohnungsteuer.

69

c) Degressive Steuertarife sind nicht generell unzulässig. Die hierdurch hervorgerufenen Ungleichbehandlungen können verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 127, 224 <248>), weil der Normgeber zu einer reinen Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht ausnahmslos verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 27, 58 <68>; 43, 108 <120 f.>). Bei der Rechtfertigung unterliegt er jedoch über das bloße Willkürverbot hinausgehenden Bindungen.

70

Eine solche strengere Bindung des Normgebers folgt bei degressiven Steuertarifen aus der hiermit verbundenen Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip. Das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiert den allgemeinen Gleichheitssatz für das Steuerrecht, indem es dem Gesetzgeber ein auf die Leistungsfähigkeit bezogenes Differenzierungsgebot als materielles Gleichheitsmaß vorgibt. Allerdings fordert das Leistungsfähigkeitsprinzip keinen konkreten Steuertarif. Vom Bundesverfassungsgericht ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 52, 277 <280 f.>; 68, 287 <301>; 81, 108 <117 f.>; 84, 348 <359>).

71

d) Die durch den degressiven Steuertarif der angegriffenen Steuersatzungen hervorgerufene Ungleichbehandlung ist danach nicht mehr gerechtfertigt. Sie lässt sich im Ergebnis nicht auf Vereinfachungserfordernisse stützen (aa). Auch die Einnahmeerzielungsabsicht (bb) und die Verfolgung zulässiger Lenkungszwecke (cc) können diese Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Gleiches gilt für die Aufwands- und Nutzenproportionalität als Ausprägung des Äquivalenzprinzips (dd).

72

aa) Die durch die konkrete Ausgestaltung der hier zu beurteilenden Steuertarife hervorgerufenen Ungleichheiten sind nicht von dem Zweck der Verwaltungsvereinfachung gedeckt. Zwar lassen sich Ungleichbehandlungen grundsätzlich durch Erfordernisse der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen (1). Zur Erreichung dieses Ziels sind die Regelungen jedoch nur teilweise geeignet (2). Zudem führt die hier gewählte Ausgestaltung der Tarife zu einer Gesamtdegression, die außer Verhältnis zum Ertrag der Vereinfachung steht (3).

73

(1) Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse können grundsätzlich sachliche Gründe für Einschränkungen der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit bilden (vgl. BVerfGE 127, 224 <245> m.w.N.).

74

(2) Die zu überprüfenden Regelungen sind jedoch nur teilweise zur Verwaltungsvereinfachung geeignet.

75

(a) Geeignet ist die Steuermaßstabsbildung anhand von fünf (Zweitwoh-nungsteuersatzung 1989) beziehungsweise acht (Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006) pauschalierenden Steuerstufen. Eine gewisse Verwaltungsvereinfachung bewirkt die Zusammenfassung der Steuerpflichtigen in Steuergruppen hier dadurch, dass nicht in jedem Einzelfall behördlicherseits die Jahresnettokaltmiete exakt ermittelt und in Zweifelsfällen verifiziert werden muss.

76

(b) Nicht zur Verwaltungsvereinfachung geeignet ist hingegen der insgesamt, das heißt über verschiedene Steuerstufen hinweg, degressiv gestaltete Verlauf des Steuertarifs. Eine Verwaltungsvereinfachung wird zwar durch die Bildung von Steuerstufen erreicht. Ein durch immer flacher werdende Stufen gekennzeichneter degressiver Steuertarif ist jedoch für die Steuerverwaltung nicht einfacher zu handhaben als ein linearer oder progressiver Steuertarif.

77

(3) Auch soweit die Ausgestaltung zur Verwaltungsvereinfachung geeignet ist, stehen die mit den Degressionseffekten verbundenen Ungleichbehandlungen hier außer Verhältnis zu der damit zu erzielenden Verwaltungsvereinfachung.

78

Die Rechtfertigung einer durch die Stufenbildung hervorgerufenen Ungleichbehandlung setzt voraus, dass die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler ein gewisses Maß nicht übersteigt und die Vorteile der Vereinfachung im rechten Verhältnis hierzu stehen (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 116, 164 <182 f.>; 117, 1 <31>; 120, 1 <30>). Das ist hier nicht mehr der Fall. Bereits die Differenz zwischen der höchsten und niedrigsten Steuerbelastung auf einer Stufe erreicht ein beträchtliches Ausmaß, das angesichts des insgesamt degressiven Tarifverlaufs nicht hinnehmbar ist. So ist etwa die bei rund 13 (Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006) und etwa 14 (Zweitwohnungsteuersatzung 1989) Prozentpunkten liegende Differenz zwischen der höchsten und niedrigsten Steuerbelastung auf der zweiten Stufe hoch. Dies gilt erst recht für die gebildete Höchstbetragsgruppe, die eine Spreizung von 25 Prozentpunkten (Zweitwohnungsteuersatzung 1989) respektive 15 Prozentpunkten (Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006) vorsieht, wenn man von einer absoluten monatlichen Mietobergrenze von 2.000 € ausgeht; bei noch höherem Mietaufwand geht die Spreizung darüber noch hinaus. Hinzu treten die Effekte der Degression zwischen den einzelnen Stufen. So kommt es hier über alle Stufen hinweg nach der Zweitwohnungsteuersatzung 1989 zu einer Differenz von 29 Prozentpunkten zwischen der Zweitwohnungsteuer bei einem Mietaufwand von 1.200 € (Steuerbelastung von 34 %) und einem Mietaufwand von 24.000 € (Steuerbelastung von 5 %) und nach den Zweitwohnungsteuersatzungen 2002/2006 zu einer Differenz von 27 Prozentpunkten zwischen der Zweitwohnungsteuer bei einem Mietaufwand von 1.200 € (Steuerbelastung von 33 %) und einem Mietaufwand von 24.000 € (Steuerbelastung von 6 %). Dem steht zwar ein Vereinfachungseffekt gegenüber, der durch die Tarifstufung erreicht wird und grundsätzlich umso größer ist, je geringer die Zahl der Stufen ist. Dieser Effekt ist hier jedoch nicht hinreichend gewichtig, weil die Verwaltungsvereinfachung, die durch die Stufung der Zweitwohnungsteuer erzielt wird, lediglich darin besteht, dass nicht in jedem Einzelfall die exakte Jahresnettokaltmiete ermittelt und in Zweifelsfällen verifiziert werden muss.

79

bb) Die durch den degressiven Steuersatz hervorgerufene Ungleichbehandlung kann auch nicht mit der Absicht gerechtfertigt werden, höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Der degressive Steuertarif dient bereits nicht der Erzielung höherer Einnahmen. Ungleiche Belastungen durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerrechtlichen Grundentscheidungen können nicht schon allein mit dem Finanzbedarf des Staates oder einer knappen Haushaltslage gerechtfertigt werden (BVerfGE 116, 164 <182> m.w.N.).

80

cc) Verfolgt der Gesetzgeber mit der Tarifdegression zulässige Lenkungszwecke, kann dies Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip unter bestimmten Voraussetzungen rechtfertigen (1). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt (2).

81

(1) Der Steuergesetzgeber darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden (vgl. BVerfGE 98, 106 <117>; 117, 1 <31 f.>). Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten der Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (BVerfGE 117, 1 <32> m.w.N.).

82

Will der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern, das ihm etwa aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist, hat er eine große Gestaltungsfreiheit. In der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei (BVerfGE 117, 1 <32> m.w.N.). Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm aber in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt, insbesondere soweit der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 110, 274 <293>; 117, 1 <32>).

83

Der Lenkungszweck muss von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein (vgl. BVerfGE 99, 280 <296>; 105, 73 <112 f.>; 117, 1 <31 ff.>; stRspr). Dabei genügt es, wenn diese anhand der üblichen Auslegungsmethoden festgestellt werden kann (vgl. BVerfGE 99, 280 <296 f.>). Lenkungszwecke können sich etwa aus den Gesetzesmaterialien ergeben (vgl. BVerfGE 116, 164 <191 ff.>; vgl. aber BVerfGE 130, 131 <144>). Möglich ist außerdem, den Zweck aus einer Gesamtschau der jeweils vom Gesetzgeber normierten Steuervorschriften zu erschließen (vgl. BVerfGE 110, 274 <296 f.>). Ziele des Gesetzgebers können sich darüber hinaus aus dem Zusammenhang ergeben, in dem das Gesetz mit dem zu regelnden Lebensbereich steht (vgl. BVerfGE 62, 169 <183 f.>). Stets müssen sich die so erkannten Lenkungsziele jedoch auf eine Entscheidung des Gesetzgebers zurückführen lassen.

84

(2) Die durch die Degression hervorgerufene Ungleichbehandlung ist nicht durch die verfolgten Lenkungszwecke gerechtfertigt. Zwar sind die Lenkungszwecke grundsätzlich zulässig (a) und zum Teil von einer erkennbaren Entscheidung des Normgebers getragen (b). Sie können jedoch die Ungleichbehandlung durch den degressiven Tarif nicht rechtfertigen (c).

85

(a) Die Veranlassung zur Ummeldung des Nebenwohnsitzes in einen Hauptwohnsitz nach den Maßgaben des Melderechts stellt ein legitimes Ziel einer Zweitwohnungsteuer dar (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Mai 2013 - 1 BvL 1/08 -, juris Rn. 65, NJW 2013, S. 2498 <2502>, Rn. 66). Ein weiterer zulässiger Lenkungszweck liegt in der Erhöhung des Wohnungsangebots für die einheimische Bevölkerung und insbesondere für Studierende der Hochschulen vor Ort.

86

(b) Der Lenkungszweck, mit Nebenwohnsitz gemeldete Personen zur Anmeldung eines Hauptwohnsitzes zu bewegen, ist von einer erkennbaren Entscheidung des Normgebers getragen. Er ergibt sich aus einer objektiven Auslegung der Satzungen. Zwar enthalten die Satzungsvorschriften selbst und die Materialien zu ihrer Entstehung keine einschlägigen Hinweise. Der Lenkungszweck folgt jedoch aus einer Gesamtschau der Satzungsregelungen unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem die Satzungen mit dem zu regelnden Lebensbereich stehen. Er ist für den Satzungsgeber erkennbar wesentlich, da die finanziellen Zuwendungen aus dem kommunalen Finanzausgleich ihrer Höhe nach von der Einwohnerzahl und damit von der Zahl der gemeldeten Hauptwohnsitzinhaber abhängig sind (vgl. § 4, § 6 Abs. 4, § 7 Abs. 1 und 2, § 11 Abs. 1 Nr. 3, § 30 des baden-württembergischen Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich).

87

Ob der weitere Lenkungszweck, mit der Zweitwohnungsteuer das Halten von Zweitwohnungen - insbesondere kleinerer und preiswerter Wohnungen - einzudämmen, um dadurch das Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung - insbesondere für Studierende - zu erhöhen, von einer erkennbaren Entscheidung des Satzungsgebers getragen ist, kann hier offen bleiben (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Dezember 1992 - 2 S 1557/90 -, NVwZ-RR 1993, S. 509 <510>).

88

(c) Die steuerliche Differenzierung durch einen degressiven Tarifverlauf erweist sich allerdings auch unter Berücksichtigung des dem Normgeber insoweit zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs (vgl. BVerfGE 103, 293 <307>; 115, 276 <308 f.>) zur Erreichung der Lenkungszwecke weder als geeignet noch als erforderlich.

89

Zwar mag die Erhebung der Zweitwohnungsteuer insgesamt geeignet sein, Zweitwohnungsinhaber zur Anmeldung des Hauptwohnsitzes zu bewegen; die degressive Ausgestaltung des Steuertarifs selbst fördert diesen Lenkungszweck jedoch nicht. Dieses Lenkungsziel würde in gleicher Weise durch einen linearen oder gar progressiven Steuertarif erreicht, bei dem die hier festgestellte Ungleichbehandlung nicht vorläge. Gleiches gilt für den Lenkungszweck, das Halten von Zweitwohnungen einzudämmen.

90

Die Degression ist auch deshalb ungeeignet, weil die gerade mit ihr verbundenen zusätzlichen Belastungen so gering sind, dass ihre Lenkungswirkung angesichts der mit dem Halten einer Zweitwohnung einhergehenden sonstigen Kosten auch dann zweifelhaft ist, wenn Steuerpflichtige Kenntnis von ihr haben.

91

dd) Der Gedanke der Aufwands- und Nutzenproportionalität als Ausprägung des Äquivalenzprinzips scheidet als Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung durch einen degressiven Steuertarif bei der Zweitwohnungsteuer als kommunaler Aufwandsteuer ebenfalls aus.

92

Die Gründe, die bei einigen Steuern ausnahmsweise eine Rechtfertigung mit dem Äquivalenzprinzip erlauben mögen (vgl. BVerfGE 120, 1 <37 ff.>), treffen auf die Zweitwohnungsteuer nicht zu. Sie stellt keine wie auch immer geartete Gegenleistung für einen Sonderaufwand des Staates dar, weil sie nicht auf eine staatliche Leistung gestützt werden kann, die einem bestimmten kostenträchtigen Verhalten des Steuerschuldners zurechenbar ist. Der jährliche Mietaufwand als Bemessungsgrundlage der Steuer steht zudem nicht im Verhältnis zur Inanspruchnahme gebührenfreier kommunaler Leistungen.

D.

93

Die Verfassungswidrigkeit der Satzungen führt zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG).

94

Die angegriffenen Entscheidungen der Beklagten und der Ausgangsgerichte sind gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist wegen der Kostenentscheidung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

95

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

96

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

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Gesetz über den Lastenausgleich


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

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(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

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(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 95


(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 105


(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole. (2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen diese

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93


(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 02. Mai 2016 - 4 BV 15.2778

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 02. Mai 2016 - 4 BV 15.2777

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Referenzen

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.

(2) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.

(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.

(4) Ist ein Gesetz vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum 1. April 1952 erhoben werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

10
Sie rügt lediglich, das Berufungsgericht habe gehörswidrig unberücksichtigt gelassen, dass der Faxanschluss des Gerichts zunächst nicht erreichbar gewesen sei und es Sache der Justiz sei, ausreichende Kapazitäten zu schaffen ; das Berufungsgericht habe insoweit auch unter Verstoß gegen das Willkürverbot unterstellt, dass es in den Stunden vor Mitternacht einen ungewöhnlichen Andrang an Faxübersendungen gebe. Auch hiermit sind zulässigkeitsrelevante Rechtsfehler nicht dargetan. Eine Partei muss vielmehr nach ständiger Rechtsprechung bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze Verzögerungen einkalkulieren , mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu - insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden - die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört (BVerfG, NJW 2000, 574; BFH, BFH/NV 2010, 919 Rn. 5). Die Belegung des gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen ist eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, die verschiedentlich Gegenstand der Rechtsprechung war und der der Anwalt im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung tragen muss (BVerfG, NJW 2000, 574 mwN und NJW 2007, 2838). Dass das Empfangsgerät eines Gerichts in den Abend- und Nachtstunden für eine Zeit von zwanzig Minuten belegt ist, ist - wie auch die Rechtsbeschwerde an anderer Stelle zutreffend sieht - daher kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Ab- sender des Telefax nicht rechnen muss (BFH, BFH/NV 2010, 919 Rn. 5 mwN). Angesichts dieser Rechtsprechung war auch - anders als die Rechtsbeschwerde meint - kein Hinweis des Berufungsgerichts geboten, dass es seiner Entscheidung diese Grundsätze zugrunde legen wollte.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

§ 6 Satz 1 des Bremischen Studienkontengesetzes vom 18. Oktober 2005 - BremStKG - (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Seite 550) in Verbindung mit § 3 Absatz 1 und § 2 Absatz 1 BremStKG, soweit Studierende mit Wohnung außerhalb der Freien Hansestadt Bremen vom dritten bis zum 14. Semester zu einer Studiengebühr in Höhe von 500 € pro Semester herangezogen wurden, ist mit Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Gründe

A.

1

Das konkrete Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob eine landesrechtliche Regelung, nach der auswärtige Studierende anders als Studierende mit Wohnsitz oder - bei mehreren Wohnungen - Hauptwohnsitz im betreffenden Bundesland vom dritten bis zum 14. Semester zu einer allgemeinen Studiengebühr in Höhe von 500 € pro Semester herangezogen werden, gegen das Grundgesetz verstößt.

I.

2

1. In Bremen galt zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine Studiengebührenregelung, die Studierenden ein Studienguthaben von 14 Semestern zubilligte und sie danach zu Gebühren heranzog. Dies betraf jedoch nur "Landeskinder" mit Wohnung oder, soweit mehrere Wohnungen bestehen, Hauptwohnung in Bremen; demgegenüber erhielten Auswärtige ein Studienguthaben von lediglich zwei Semestern, zahlten also ab dem dritten Semester Gebühren.

3

2. Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 des Bremischen Hochschulgesetzes vom 11. Juli 2003 (BremHG; BremGBl S. 295) war das Studium bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss, bei nicht weiterbildenden Studiengängen bis zu einem zweiten berufsqualifizierenden Abschluss nach Maßgabe des § 109a BremHG und des Bremischen Studienkontengesetzes vom 18. Oktober 2005 (BremStKG; BremGBl S. 550), das mit dem Wintersemester 2005/2006 in Kraft trat, gebührenfrei. Für einheimische Studierende garantierte der damalige § 2 Abs. 1 Satz 1 BremStKG ein gebührenfreies Studium von 14 Semestern. Demgegenüber begrenzte der Gesetzgeber das gebührenfreie Studium durch § 3 BremStKG, in Kraft vom 25. Oktober 2005 bis zum 30. Juni 2010, für auswärtige Studierende auf zwei Semester. § 6 BremStKG regelte die Erhebung von Gebühren in Höhe von 500 € pro Semester nach dem Verbrauch des Studienguthabens. Die dort vorgesehene Zahlungspflicht konnte allerdings auf Antrag aus sozialen oder hochschulpolitischen Gründen erlassen werden. Ein solcher Grund war die Pflege und Erziehung von Kindern von bis zu zwölf Jahren. Zudem verabschiedete der Gesetzgeber mit § 7 BremStKG eine Härtefallregelung. Auf Antrag konnten die Gebühren gestundet, ermäßigt oder ganz erlassen werden, wenn ihre Entrichtung zu einer unbilligen Härte führen würde, die der Gesetzgeber für Regelfälle definierte. Ein Regelfall war nach § 7 Nr. 1 BremStKG etwa eine Behinderung oder schwere Erkrankung, die eine Hauptwohnung außerhalb der Freien Hansestadt Bremen erforderte.

4

a) Die einschlägigen damals geltenden Regelungen lauteten:

5

§ 109a BremHG

Studienkonten

Die Studierenden erhalten mit der Einschreibung ein Studienkonto mit einem gebührenfreien Studienguthaben in Form von gebührenfreien Studiensemestern. Die Höhe des Studienguthabens, Art und Umfang der Berücksichtigung besonderer Lebens- und Studienumstände der Studierenden, die Gebührenhöhe nach Verbrauch des Studienguthabens und die Nutzung von nicht verbrauchten Studienguthaben werden durch gesondertes Gesetz bestimmt.

6

§ 2 BremStKG

Studienkonten und Studienguthaben für Studierende mit Wohnung in der Freien Hansestadt Bremen

(1) Die Studierenden mit Wohnung oder, soweit mehrere Wohnungen bestehen, mit Hauptwohnung in der Freien Hansestadt Bremen erhalten mit der Einschreibung nach den §§ 34 oder 35 des Bremischen Hochschulgesetzes ein einmaliges Studienguthaben von 14 Semestern.

7

§ 3 BremStKG

Studienkonten und Studienguthaben
für Studierende mit Wohnung außerhalb
der Freien Hansestadt Bremen

(1) Die Studierenden mit Wohnung oder, soweit mehrere Wohnungen bestehen, mit Hauptwohnung außerhalb der Freien Hansestadt Bremen erhalten mit der Einschreibung nach den §§ 34 oder 35 des Bremischen Hochschulgesetzes ein Studienkonto mit einem einmaligen Studienguthaben von zwei Semestern.

(2) Wird zu einem späteren Zeitpunkt ein Studienguthaben nach § 2 gewährt, erfolgt eine vollständige Anrechnung.

(3) Nach Vollendung des 55. Lebensjahres wird ein Studienguthaben nicht gewährt.

8

§ 6 BremStKG

Verbrauch des Studienguthabens

Von Studierenden, die ihr Studienguthaben nach den §§ 2 oder 3 verbraucht haben, ohne das Studium abzuschließen, oder ein Zweitstudium absolvieren, das nicht die Voraussetzungen des § 2 Absatz 4 erfüllt, erheben die Hochschulen Studiengebühren in Höhe von 500 € für jedes Semester. Auf Antrag werden hiervon ausgenommen:

1. Beurlaubte Studierende für die Dauer der Beurlaubung,

2. Studierende, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten,

3. Doktoranden, soweit sie ausschließlich nach § 34 Abs. 3 Bremisches Hochschulgesetz immatrikuliert sind, und Meisterschüler sowie Studierende mit dem Ziel des Konzertexamens an der Hochschule für Künste,

4. Studierende, denen aufgrund überregionaler Abkommen ein gebührenfreies Studium zusteht,

5. Studierende, die bereits an einer anderen Hochschule zum Studium in einem gemeinsamen Studiengang eingeschrieben sind und dort Studiengebühren bezahlen,

6. Studierende, die während ihres Studiums mindestens ein Kind im Alter von bis zu zwölf Jahren pflegen und erziehen, für die Dauer von bis zu sechs Semestern,

7. Studierende, die während ihres Studiums als gewählte Vertreter in Organen der Hochschule, der Studierendenschaft oder des Studentenwerks mitwirken oder das Amt einer Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten wahrnehmen, für die Dauer von bis zu insgesamt zwei Semestern.

9

§ 7 BremStKG

Stundung, Ermäßigung und Erlass

Die Studiengebühren können auf Antrag des Studierenden im Einzelfall gestundet, ermäßigt oder ganz erlassen werden, wenn die Entrichtung der Studiengebühren zu einer unbilligen Härte führen würde. Eine unbillige Härte liegt in der Regel insbesondere vor, wenn

1. eine Behinderung oder schwere Erkrankung Studienzeit verlängernde Auswirkungen hat oder die Begründung oder Beibehaltung der Wohnung oder, soweit mehrere Wohnungen bestehen, der Hauptwohnung außerhalb der Freien Hansestadt Bremen erfordert,

2. sich die Folgen als Opfer einer Straftat Studienzeit verlängernd auswirken, oder

3. eine wirtschaftliche Notlage während des Ablegens der Abschlussprüfungen aufgetreten ist.

In den Fällen der Nummern 2 und 3 kann eine Stundung, Ermäßigung oder ein Erlass von Studiengebühren nur erfolgen, wenn ein Studienguthaben nach § 2 verbraucht worden ist.

10

b) Das Land Bremen verfolgte mit diesen Regelungen ausweislich der Gesetzesbegründung (Bürgerschafts-Drucks 16/758, S. 5 f.) mehrere Zwecke: Sie dienten zunächst dazu, die Studierenden zu einem effizienten und zügigen Studium anzuhalten. Weiterhin zielten sie darauf, das Land Bremen in die finanzielle Lage zu versetzen, eine angemessene und wettbewerbsfähige Ausstattung der Hochschulen des Landes sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht zu gewährleisten. Dies könne im Wege der direkten Finanzierung durch die Studierenden per Studiengebühren bei einem Wohnsitz außerhalb Bremens geschehen oder über den Zuzug von Studierenden nach Bremen, da dies die Einnahmen des Landes im Rahmen des Länderfinanzausgleichs erhöhe. Die hochschulpolitische Zielsetzung werde dadurch unterstrichen, dass die über die Studiengebühren eingenommenen Mittel insbesondere zur Verbesserung der Lehre verwendet werden. Die Studiengebühren waren nach Auffassung der gesetzgebenden Körperschaft notwendig, um diese Ziele zu erreichen. Die melderechtlichen Bestimmungen verpflichteten nicht zum Erstwohnsitz am Studienort. In der Bevorzugung von Studierenden mit Wohnsitz in Bremen liege kein Eingriff in die freie Wahl der Ausbildungsstätte sowie in das Recht auf Freizügigkeit. Eine etwaige Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sei gerechtfertigt, weil es sich nicht um eine willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung handele. Etwaige Härtefälle seien in gesetzlichen Ausnahmeregelungen berücksichtigt worden.

11

In der Einzelbegründung zu § 3 BremStKG (Bürgerschafts-Drucks 16/758, S. 7) geht der Gesetzgeber ebenfalls davon aus, dass eine Differenzierung zwischen Ansässigen und Auswärtigen hinsichtlich des Studienguthabens zulässig sei. Im Übrigen befinde sich der Studienwohnsitz bei einem ernsthaft betriebenen Studium sowieso am Studienort.

12

c) Im Jahr 2010 wurde durch Art. 13 Nr. 1 und 2 des Zweiten Hochschulreformgesetzes vom 22. Juni 2010 (BremGBl S. 375) die Landeskinderregelung des § 3 BremStKG aufgehoben und § 2 Abs. 1 Satz 1 BremStKG dem angepasst. Seit dem Wintersemester 2010/2011 erhalten alle Studierenden in Bremen mit der Einschreibung ein einmaliges Studienguthaben von 14 Semestern, das ein gebührenfreies Erststudium gewährleisten soll. Diese Gesetzesänderung sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen das hier zur Entscheidung stehende Vorlageverfahren eingeleitet hatte und das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Überprüfung abgewartet werden sollte (Bürgerschafts-Drucks 17/1309, S. 7).

13

d) Für die Finanzierung der staatlichen Hochschulen in Bremen ist der Wohnsitz der Studierenden seit 2007 von Bedeutung. Nach § 106 Abs. 2 Satz 3 BremHG in der Fassung des Hochschulreformgesetzes vom 27. Februar 2007 (BremGBl S. 157) erhalten die Hochschulen von den Einnahmen des Landes aus den Steuereinnahmen nach Länderfinanzausgleich 1.000 € jährlich für Studierende, die als Einheimische ein Studienguthaben in Anspruch nehmen.

II.

14

1. Die Klägerinnen und der Kläger des Ausgangsverfahrens wehren sich gegen die Studiengebührenpflicht als auswärtige Studierende. Mit Gebührenbescheiden vom 16. Mai 2006 wurden sie für das Wintersemester 2006/2007 zur Zahlung einer Studiengebühr nach § 6 BremStKG in Höhe von 500 € aufgefordert, weil sie bereits nach einem Studium von zwei Semestern über kein Studienguthaben mehr verfügten, das ein gebührenfreies Studium ermöglichte. Die Universität Bremen wies ihre Widersprüche dagegen als unbegründet zurück und lehnte die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ab. Im nachfolgenden Klageverfahren ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche und der Klagen an.

15

2. Sodann hat das Verwaltungsgericht das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 6 Satz 1 BremStKG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 BremStKG, soweit danach auswärtige Studierende - anders als Studierende mit Wohnung beziehungsweise Hauptwohnsitz in Bremen - vom dritten bis zum 14. Semester zu einer Studiengebühr in Höhe von 500 € pro Semester herangezogen werden, gegen Art. 11 GG sowie gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

16

Die Verfassungsmäßigkeit der zur Überprüfung vorgelegten Vorschriften sei entscheidungserheblich, da das Gericht bei Gültigkeit der Vorschriften anders entscheiden würde als im Falle ihrer Ungültigkeit. Wäre die Regelung in § 6 Satz 1 BremStKG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 BremStKG verfassungsgemäß, seien die zulässigen Anfechtungsklagen als unbegründet abzuweisen. Wäre die Heranziehung zur Zahlung von Studiengebühren für auswärtige Studierende hingegen verfassungswidrig, wären die Gebührenbescheide mangels erforderlicher Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig, und den Klagen müsste stattgegeben werden.

17

Die vorgelegte Regelung verstoße gegen Art. 11 GG und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Eine verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich.

18

Es liege ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG vor, der das Recht gewährleiste, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnung zu nehmen. Zwar hindere die zur Überprüfung gestellte Regelung Studierende nicht unmittelbar an der freien Wahl ihres Wohnortes; gleichwohl werde aber an diese Wahl eine nachteilige Rechtsfolge geknüpft. Die Studiengebührenpflicht für auswärtige Studierende ziele auf eine Einschränkung der Freizügigkeit und sei nicht nur eine melderechtliche Formalität. Wollten Studierende von einem Studienguthaben nach § 2 BremStKG profitieren, seien sie gezwungen, ihre Wohnung und melderechtlich auch ihren Lebensmittelpunkt nach Bremen zu verlegen. Die vorgelegten Regelungen knüpften an die Ausübung des Grundrechts der Freizügigkeit auch einen - gemessen an den typisierten wirtschaftlichen Verhältnissen von Studierenden - wirtschaftlich spürbaren Nachteil. Sie stellten damit eine mittelbare, zielgerichtete Beeinträchtigung des Grundrechts der Freizügigkeit dar. Dieser Eingriff in das Grundrecht der Freizügigkeit sei nicht zu rechtfertigen, da keiner der in Art. 11 Abs. 2 GG genannten Fälle vorliege.

19

Die Regelung in § 6 Satz 1 BremStKG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 BremStKG verstoße auch gegen das in Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf diskriminierungsfreien Hochschulzugang. Die drohende Exmatrikulation bei Nichtzahlung stelle einen Eingriff in die Ausbildungsfreiheit dar. Dieser Eingriff in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG lasse sich verfassungsrechtlich nicht mit den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen rechtfertigen. Soweit einheimische und auswärtige Studierende ungleich behandelt würden, verstießen die Studiengebührenregelungen des Bremischen Studienkontengesetzes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Landeskinderklausel sei weder mit der Einwohnerprivilegierung auf kommunaler Ebene noch mit der Erhebung von Gastschulbeiträgen von auswärtigen Schülern und Schülerinnen im Rahmen der Subventionierung von Privatschulen vergleichbar. Da die nach Art und Umfang gleiche Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung regelmäßig ohne Berücksichtigung persönlicher Eigenschaften der Nutzenden in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit gleich hohe Gebühren auslöse, könne ferner niemand zu einer höheren Abgabe herangezogen werden, nur weil er oder sie nicht vor Ort wohne. Auch im Hinblick auf den Gebührenzweck der Kostendeckung sei kein Differenzierungsgrund ersichtlich. Soweit der Zweck darin liege, höhere Mittel aus dem Länderfinanzausgleich zu erhalten, fehle es an einem ausreichenden Zusammenhang zwischen dessen Zweck und dem Benutzungsverhältnis. Die Ausgleichszahlungen aus dem Finanzausgleich seien kein sachnahes Surrogat für Studiengebühren.

20

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Satz 1 BremStKG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 BremStKG komme nicht in Betracht. Sie scheitere daran, dass die ausdrückliche, in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Bremischen Studienkontengesetzes, Studierende zur Wohnsitznahme in Bremen zu bewegen, nicht so verstanden werden könne, dass damit lediglich oder vorrangig eine effektive Durchsetzung des Melderechts bezweckt werde.

III.

21

Zu der Vorlage haben der Senat der Freien Hansestadt Bremen, die Niedersächsische Landesregierung, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, die Hochschulrektorenkonferenz, der Deutsche Hochschulverband, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, das Deutsche Studentenwerk, der Verband Hochschule und Wissenschaft im Deutschen Beamtenbund, der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften e.V. und die Klägerinnen und der Kläger des Ausgangsverfahrens Stellung genommen.

22

1. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der zur Prüfung vorgelegten Normen.

23

Art. 11 Abs. 1 GG sei von den vorgelegten Regelungen nicht berührt. Das Bremische Studienkontengesetz sei auch mit Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip vereinbar. Der Gesetzgeber habe das daraus folgende Teilhaberecht im Kern - den Zugang zur Hochschule - nur unter den Vorbehalt des Möglichen als Folge der Knappheit der Haushaltsmittel gestellt. Die Gebührenpflicht sei nach den Vorgaben des Sozialstaatsprinzips ausgestaltet und verhältnismäßig, insbesondere zumutbar. Bremen verfolge das legitime Ziel, sich gegen eine finanzielle Überlastung seiner Hochschulen durch auswärtige Studierende zu schützen, indem auch von diesen ein finanzieller Beitrag zu den Kosten ihres Studiums verlangt werde. Studiengebühren in Höhe von 500 € pro Semester seien zumutbar (Hinweis auf BVerfGE 112, 226 <245>). Auf Antrag könnten Studierende zudem von der Gebührenpflicht ausgenommen werden; § 7 BremStKG ermögliche Stundung, Ermäßigung oder Erlass bei einer unbilligen Härte.

24

Die Regelungen in § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 BremStKG seien mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Sie behandelten Studierende mit Wohnung in Bremen in Bezug auf das ihnen eingeräumte Studienguthaben zwar anders als Studierende mit Wohnung außerhalb Bremens. Dies sei jedoch gerechtfertigt. Anders als bei der Zulassung zum Studium sei das Hochschulwesen in Deutschland nicht als ein zusammenhängendes System anzusehen, das im Interesse länderübergreifender Nutzung der Ausbildungskapazitäten grundsätzlich eine bundesweite Reglementierung erfordere. Vielmehr entsprächen unterschiedliche Regelungen der bundesstaatlichen Ordnung. Zudem sei die Differenzierung sachlich begründet. In Bremen sollten alle Studierenden zu den erforderlichen Finanzmitteln für die Bereithaltung der Ausbildungskapazität bei angemessener Qualität beitragen (Bürgerschafts-Drucks 16/758, S. 5). Studierende mit Wohnung in Bremen täten dies indirekt über den Länderfinanzausgleich; Auswärtige zahlten Studiengebühren.

25

Der Landesgesetzgeber dürfe bei der Belastung mit Abgaben für die Benutzung von Einrichtungen des Landes zwischen Personen mit Wohnsitz innerhalb und Personen mit Wohnsitz außerhalb des Landes unterscheiden. Die Regelung sei zudem mit der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Erhebung einer Zweitwohnungsteuer (BVerfGE 65, 325) vereinbar. Der Gesetzgeber könne auch entscheiden, welche über die Kostendeckung hinausgehenden Zwecke er mit einer Gebühr verfolge. Dazu gehörten Zwecke "einer begrenzten Verhaltenssteuerung". Es sei ein sachlicher Grund für differenzierte Abgaben, dass Auswärtige für eine Gebietskörperschaft keine Teilhabe an Steuern beziehungsweise Schlüsselzuweisungen bewirkten. Die Ausgleichszuweisungen aus der primären Steuerverteilung und aus dem Finanzausgleich seien ein sachnahes Surrogat für Studiengebühren.

26

2. Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat mitgeteilt, dass er sich bislang zwar grundsätzlich zur Vereinbarkeit von Studienbeiträgen beziehungsweise Studiengebühren mit Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG geäußert habe (BVerwGE 134, 1). Die Besonderheit einer an den Wohnsitz anknüpfenden Studienabgabe habe dort jedoch keine Rolle gespielt. Der Senat bezweifelt, dass die bremische Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

27

3. Die Hochschulrektorenkonferenz macht sich hinsichtlich der Vereinbarkeit der vorgelegten Normen mit Art. 12 Abs. 1 GG die Ausführungen des vorlegenden Gerichts zu eigen. Mit der Erhebung eines Studienbeitrags in Höhe von 500 € pro Semester sei jedoch kein spürbarer wirtschaftlicher Nachteil im Sinne eines Eingriffs in Art. 11 GG verbunden.

28

4. Der Deutsche Hochschulverband hält § 6 Satz 1 BremStKG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 BremStKG für verfassungswidrig. Zwar stehe das Grundgesetz der bislang praktizierten Erhebung von Studienbeiträgen mit gesetzlich ausgestalteten Sicherungen wie in §§ 6 und 7 BremStKG, durch die insbesondere einkommensschwachen Bevölkerungsschichten ein gleichberechtigter Hochschulzugang ermöglicht wird, nicht entgegen. Doch sei die Landeskinderregelung ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG. Studiengebühren in Höhe von 500 € für ein Semester seien ein wirtschaftlich spürbarer Nachteil. Schließlich stehe der primäre Gesetzeszweck der Einwohnergewinnung zur zusätzlichen Einnahmenerzielung nicht in unmittelbarem Zusammenhang zur Inanspruchnahme der Hochschulen Bremens.

29

5. Das Deutsche Studentenwerk, der Verband Hochschule und Wissenschaft im Deutschen Beamtenbund, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften e.V. folgen im Wesentlichen dem vorlegenden Gericht. Studiengebühren stellten die Chancengleichheit beim Hochschulzugang und im Studium in Frage und seien unsozial, insofern sie ein Studium von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Einzelnen abhängig machten. Die bestehenden Ungleichheiten im Bildungssystem würden durch sie noch verstärkt. Die Länder seien der Forderung des Bundesverfassungsgerichts (Hinweis auf BVerfGE 112, 226) nach Sozialverträglichkeit von Studiengebühren nicht nachgekommen.

30

6. Die Klägerinnen und der Kläger des Ausgangsverfahrens halten die zur Prüfung gestellte Regelung für verfassungswidrig. Auch sie teilen im Wesentlichen die Auffassung des vorlegenden Gerichts. Die bremische Regelung sei mit Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar, da der Gesetzgeber seiner Regelungspflicht im Hinblick auf soziale Ausgleichsmaßnahmen zur Vermeidung faktischer Diskriminierung wegen der sozialen Herkunft Studierwilliger nicht nachkomme. Das Land Bremen sehe keine Darlehenslösung vor und habe Studierende nicht bereits dadurch ausreichend von der Erhebung von Studiengebühren befreit, indem es Empfänger von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz von der Studiengebührenpflicht ausgenommen habe. Allgemeine Studiengebühren seien darüber hinaus mit Art. 3 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 13 Abs. 1 und 2 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 (IPwskR; in Kraft getreten am 3. Januar 1976, UNTS Bd. 993, S. 3, BGBl II S. 428) und Art. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952 (ZP I EMRK; in Kraft getreten am 13. Februar 1957, ETS Nr. 9, BGBl II S. 226) in Verbindung mit Art. 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK; in Kraft getreten am 3. September 1953, ETS Nr. 5, BGBl II 1954 S. 14) unvereinbar.

B.

31

Die Vorlage ist zulässig.

32

§ 3 BremStKG in der Fassung der Bekanntmachung des Bremischen Studienkontengesetzes vom 18. Oktober 2005 (BremGBl S. 550) wurde zwar durch Art. 13 Nr. 2 des Zweiten Hochschulreformgesetzes vom 22. Juni 2010 (BremGBl S. 375) aufgehoben. Doch ist eine Vorlage im Rahmen des Art. 100 GG weiter zulässig, solange sich die Ausgangsverfahren mit dem Außerkrafttreten nicht erledigt haben (vgl. BVerfGE 16, 6 <15>; 29, 325 <326>; 47, 46 <64>). Eine Erledigung ist hier nicht eingetreten, denn die in den Ausgangsverfahren angegriffenen Bescheide stützen sich auf die vom Verwaltungsgericht vorgelegten Normen.

33

Die Anforderungen aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG an die Begründung einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG sind erfüllt.

C.

34

Die in Bremen ehemals geltende Regelung, nach der auswärtige Studierende - im Unterschied zu Studierenden mit Wohnung in der Freien Hansestadt Bremen - zur Zahlung von allgemeinen Studiengebühren in Höhe von 500 € vom dritten bis zum 14. Semester herangezogen wurden, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Zwar ergibt sich aus der Verfassung kein grundsätzliches Verbot der Erhebung allgemeiner Studiengebühren, wenn diese tatsächlich den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine sozial zumutbare Ausgestaltung gerecht werden (I). Doch ist die Belastung allein auswärtiger Studierender mit solchen Gebühren verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen (II).

I.

35

Die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren ist im Ausgangspunkt mit dem Grundgesetz vereinbar, solange und soweit die Gebühren nicht prohibitiv wirken und sozial verträglich ausgestaltet sind.

36

1. Schafft der Staat mit öffentlichen Mitteln Studienangebote, so muss er den freien und gleichen Zugang zu ihnen gewährleisten (vgl. BVerfGE 85, 36 <53>). Aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG ergibt sich für diejenigen, die dafür die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, im Rahmen der vom Staat geschaffenen Ausbildungseinrichtungen ein Recht auf freien und gleichen Zugang zum Hochschulstudium ihrer Wahl (vgl. BVerfGE 85, 36 <53 f.>; grundlegend BVerfGE 33, 303 <331 f.>; vgl. auch BVerwGE 134, 1 <7 f.>).

37

a) Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, die Ausbildungsstätte frei zu wählen (BVerfGE 85, 36<53>). Dieses steht in engem Zusammenhang mit dem Recht der freien Berufswahl, da die Ausbildung in der Regel die Vorstufe einer Berufsaufnahme ist, beide also integrierende Bestandteile eines zusammengehörenden Lebensvorganges darstellen (vgl. BVerfGE 33, 303 <329 f.>, unter Hinweis auf BVerfGE 7, 377 <401, 406>). Der verfassungsrechtliche Grundrechtsschutz zielt dabei nicht nur auf die Abwehr von Eingriffen der öffentlichen Gewalt, sondern auch auf Teilhabe an staatlichen Leistungen (vgl. BVerfGE 33, 303 <330 f.>).

38

b) Aus diesem Teilhaberecht resultiert kein Anspruch auf Kostenfreiheit des Hochschulstudiums, doch dürfen Gebühren für ein Studium nicht prohibitiv wirken (aa) und müssen sozial verträglich ausgestaltet sein (bb).

39

Die Inanspruchnahme staatlicher Ressourcen durch einen eingeschränkten Nutzerkreis kann eine Abgabepflicht auslösen. Daher ist der Gesetzgeber nicht daran gehindert, bestimmte öffentliche Leistungen der Berufsausbildung, auch soweit diese bisher abgabenfrei waren, künftig nicht mehr kostenlos anzubieten (vgl. BVerwGE 134, 1 <8> m.w.N.).

40

aa) Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip verpflichten den Gesetzgeber jedoch, auch im Bereich des Hochschulzugangs für die Wahrung gleicher Bildungschancen zu sorgen (vgl. BVerfGE 112, 226 <245>); er muss Auswahl und Zugang nach sachgerechten, auch für die Benachteiligten zumutbaren Kriterien regeln (vgl. BVerfGE 43, 291 <345>). Der Gesetzgeber darf den Zugang zu staatlich geschaffenen Ausbildungseinrichtungen nicht prohibitiv gestalten. Gebühren dürfen keine unüberwindliche soziale Barriere vor dem Hochschulzugang errichten (vgl. BVerwGE 102, 142 <147>; 115, 32 <37>; 134, 1 <8, 14>; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - BVerwG 6 C 9.09 -, juris, Rn. 19, 25). Unzulässig ist eine Gebührenregelung, wenn sie ihrer Höhe nach in einem nicht mehr hinnehmbaren Maße abschreckende Wirkung entfaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - BVerwG 6 C 9.09 -, juris, Rn. 25).

41

bb) Das bedeutet nicht, dass Erschwernisse, die mit der Erhebung von Studienabgaben verbunden sind, vollständig durch soziale Begleitmaßnahmen kompensiert werden müssen (vgl. BVerwGE 134, 1 <14>). Die Verfassung gebietet nicht den Ausgleich jeglicher sozialen, insbesondere ökonomischen, Ungleichheit, die auch in der familiären, sozialen oder individuellen Herkunft der Ausbildungswilligen ihre Ursache haben kann (vgl. BVerwGE 134, 1 <14>). Der Gesetzgeber darf diese Umstände jedoch nicht völlig unberücksichtigt lassen, soweit sie zu ungleichen Ausbildungschancen führen. Er darf Studierwillige also beispielsweise nicht schlicht auf die Möglichkeit verweisen, für die Finanzierung eines Studiums marktübliche Kredite in Anspruch zu nehmen.

42

Verfassungsrechtlich geboten ist damit ein sozial verträgliches, also entweder ein grundsätzlich für alle finanziell tragbares oder aber ein um ein Ausbildungsförderungssystem ergänztes Ausbildungsangebot, das im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten ein Studium ermöglicht und den Zugang zum Studium insbesondere nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht (vgl. BVerwGE 102, 142 <147>; 115, 32 <37>; 134, 1 <8>). Das Grundgesetz verbietet es, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel beim Hochschulzugang bevorzugt einem privilegierten Teil der Bevölkerung zu Gute kommen zu lassen (vgl. BVerfGE 33, 303 <334 f.>). Bei der Erhebung von Studiengebühren ist folglich den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 112, 226 <245>; BVerwGE 134, 1 <9 ff.>); entscheidend ist, wie schwer eine Gebührenlast unter den konkreten Bedingungen ihrer Ausgestaltung wiegt und ob sie im Ergebnis allen Betroffenen tatsächlich zumutbar ist. Der Gesetzgeber hat den Zugang zu Einrichtungen zur Ausübung grundrechtlicher Freiheit insgesamt so zu gestalten, dass die sozialen Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird (Rüfner, in: Bonner Kommentar, Bd. 1, Art. 3 Abs. 1 Rn. 63, Oktober 1992; s.a. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 119; Robbers, in: Bonner Kommentar, Bd. 5, Art. 20 Abs. 1 Rn. 1412, April 2009). Das Sozialstaatsprinzip verlangt darüber hinaus eine Ausgestaltung der Studiengebühren, die angemessen Rücksicht auf Belastungen Studierender nimmt, die aufgrund persönlicher Lebensumstände oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind (vgl. BVerfGE 45, 376 <387>). Das gilt für Menschen mit Behinderungen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) ebenso wie für Studierende mit Kindern oder Pflegeverantwortung in der Familie (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG).

43

Wie der Gesetzgeber dem Verfassungsgebot zur sozialen Ausgestaltung allgemeiner Studiengebühren im Einzelnen Rechnung trägt, ist in weitem Umfang seiner freien Gestaltung überlassen. Er kann die von der Verfassung geforderte Chancengleichheit insbesondere durch die Höhe von Studiengebühren, durch Stipendien, spezielle Studienkredite und durch Härtefall- und Ausnahmeregelungen zu wahren suchen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt (BVerwGE 134, 1 <19 ff.>; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - BVerwG 6 C 9.09 -, juris, Rn. 32), dass bei der entsprechenden Ausgestaltung von Studiengebühren die völkerrechtlichen Anforderungen zu beachten sind, hier aus Art. 10 Nr. 4 Buchstabe a der Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 (ESC; in Kraft getreten am 26. Februar 1965, ETS Nr. 35, BGBl II S. 1122), aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 Buchstabe c IPwskR (vgl. auch UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights, The right to education (Art. 13), UN Doc. E/C.12/1999/10 vom 8. Dezember 1999, Z. 19 f. zu Art. 13 Abs. 2 Buchstabe c IPwskR) und aus Art. 2 ZP I EMRK in Verbindung mit Art. 14 EMRK. Dagegen ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern.

44

2. Nach diesen Maßgaben sind Studiengebühren im Umfang von 500 € je Semester bei Bereitstellung hinreichender sozialer Ausgleichsmaßnahmen nicht schon grundsätzlich verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

45

a) Als Voraussetzung der Teilnahme am Studium beschränken Studiengebühren den grundrechtlichen Teilhabeanspruch. Diese Beschränkung stützt sich auf das legitime Ziel, eine ergänzende Einnahmequelle zur Finanzierung der Studienangebote zu schaffen, und ist hierfür auch geeignet und erforderlich.

46

b) Der Teilhabeanspruch wird durch Studiengebühren im hier in Rede stehenden Umfang nicht übermäßig beschränkt. Eine prohibitive Wirkung ist bei einer Studiengebühr in Höhe von 500 € derzeit nicht ersichtlich (vgl. BVerwGE 134, 1 <14>; BayVerfGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - Vf. 4-VII-07 -, juris, Rn. 145). Eine Gebühr in Höhe von 500 € im Semester wirkt nicht abschreckend oder sonst von vornherein unangemessen.

47

Allerdings ist eine Gebühr in dieser Höhe keine vernachlässigbare Größe. Zwar mag eine solche Gebühr in Bezug auf die Gesamtkosten des Studiums geringfügig und kompetenzrechtlich von nachrangiger Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 112, 226 <245>). Aus Sicht der Studierenden, deren Gesamtunterhaltsbedarf je nach Quelle mit zwischen circa 530 € und 812 € pro Monat angegeben wird (vgl. auch HIS, Heine/Quast, Studienentscheidung im Kontext der Studienfinanzierung, 2011, S. 26) ist auch dies als deutlich spürbar einzustufen (so für Baden-Württemberg auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - BVerwG 6 C 9.09 -, juris, Rn. 21; Urteil vom 15. Dezember 2010 - BVerwG 6 C 10.09 -, juris, Rn. 21).

48

Dass Studiengebühren in dem hier in Frage stehenden Umfang eine abschreckende Wirkung begünstigen können, ist nicht ausgeschlossen. So gaben bei einer Befragung von 5.240 Schulabgängerinnen und -abgängern im Jahr 2006 in Nordrhein-Westfalen 2,4 % beziehungsweise 6,5 % der Studienberechtigten an, aufgrund von Studiengebühren auf ein Studium zu verzichten oder es zu verzögern (HIS, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen, 2010, S. 10); im bundesweiten Vergleich lag die Quote 2006 bei 3,6 % (HIS, Heine/Quast/Spangenberg, Studiengebühren aus der Sicht von Studienberechtigten, 2008, S. 15 f.) und im Jahr 2008 bei 5,3 % (HIS, Heine/Quast, Studienentscheidung im Kontext der Studienfinanzierung, 2011, S. 58).

49

Aus der nicht unerheblichen Belastung von Studierenden durch Studiengebühren in Höhe von 500 € je Semester folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass diese angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Studierenden insgesamt prohibitiv wirkt. Eine "Gebührenflucht" aus Ländern mit in Länder ohne Studiengebühren ist nicht erkennbar. Nach der Einführung allgemeiner Studiengebühren sank die Wahrscheinlichkeit, im Heimatland ein Studium beginnen zu wollen, ausweislich der vorliegenden Studien in Gebührenländern lediglich um rund zwei Prozentpunkte (vgl. Deutsches Studentenwerk, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009, 19. Sozialerhebung 2010, S. 63 f.; Dwenger/Storck/Wrohlich, Do Tuition Fees Affect the Mobility of University Applicants? Evidence from a Natural Experiment, Discussion Paper Nr. 926, 2009, S. 15 f.). Eine prohibitive Wirkung von Studiengebühren auf potentielle Studienanfängerinnen und -anfänger war 2008 nicht nachzuweisen, soweit Studierquoten und Studienanfängerzahlen von Ländern mit und ohne Gebühren miteinander verglichen werden (vgl. HIS, Heine/Quast/ Spangenberg, Studiengebühren aus Sicht von Studienberechtigten, 2008, S. 15).

50

c) Studiengebühren der hier in Rede stehenden Art bedürfen allerdings flankierender Maßnahmen, die soziale Verträglichkeit und damit den Anspruch auf einen möglichst chancengleichen Zugang zum Studium gewährleisten.

51

aa) Fehlen flankierende Maßnahmen, verstärken sich aufgrund unzureichender finanzieller Mittel und in Familien ohne akademischen Bildungsabschluss bestehende Nachteile beim Zugang zum Hochschulstudium und bei der Erlangung eines entsprechenden Abschlusses. Nach der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 2009 studierten 71 % der Kinder aus Familien, in denen ein akademischer Bildungsabschluss vorhanden war, dagegen nur 24 % der Kinder aus Familien ohne einen solchen Abschluss (Deutsches Studentenwerk, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009, 19. Sozialerhebung 2010, S. 10 ff.; vgl. zur Entwicklung auch Vodafone Stiftung, Schindler, Aufstiegsangst? Eine Studie zur sozialen Ungleichheit im historischen Zeitverlauf, 2012). Bei der Entscheidung für oder gegen ein Hochschulstudium ist die finanzielle Belastung von erheblicher Bedeutung (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach, Chancengerechtigkeit? Studienfinanzierung als wichtiger Faktor der Entscheidungsfindung für die Aufnahme bzw. den Abbruch eines Hochschulstudiums, 2009, S. 13). Bei der Studienentscheidung wächst die Unsicherheit, je weniger die Finanzierung des Studiums von den Eltern geleistet werden kann, was Kinder aus ökonomisch schwächeren Familien benachteiligt. Studierende, die von ihren Eltern finanziert werden, sehen ihr Studium weit häufiger als sicher finanziert an als jene, die einen Kredit in Anspruch nehmen müssen (vgl. HIS, Heine/Quast/Spangenberg, Studiengebühren aus der Sicht von Studienberechtigten, 2008, S. 17 f.).

52

bb) Eines der zentralen Mittel zur Gewährleistung einer sozialverträglichen Absicherung von Studiengebühren ist die Bereitstellung von angemessen ausgestalteten Studiendarlehen. Maßgeblich für eine angemessene Ausgestaltung kann hierfür insbesondere sein, dass diese erst nach dem Abschluss des Studiums zurückzuzahlen und je nach persönlicher Situation Stundung, Niederschlagung oder Erlass möglich sind (vgl. BVerwGE 134, 1 <10 ff.>). Daneben kommen auch weitere Mittel in Betracht wie Ausnahme-, Ermäßigungs- und Erlasstatbestände für sozial schwächere Personen, also auch zur Rücksichtnahme auf Belange einkommensschwacher Bevölkerungskreise (vgl. BVerfGE 112, 226 <245>). Schließlich wird der Gesetzgeber auch Maßnahmen in Blick auf besondere Familiensituationen und die besonderen Gleichbehandlungsgebote des Grundgesetzes in Erwägung zu ziehen haben.

53

3. Ob die Bremer Regelung der Studiengebühren den Anforderungen an eine soziale Ausgestaltung des chancengleichen Zugangs zu einem Hochschulstudium in jeder Hinsicht entspricht, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Erhebung von Studiengebühren, wie sie mit der Bremer Regelung ins Werk gesetzt wird, ist jedoch nicht von vornherein mit der Verfassung unvereinbar. Ihr Umfang wirkt als solcher nicht prohibitiv und ist von dem Anspruch getragen, den Zugang zum Studium sozial verträglich auszugestalten.

II.

54

Die zur Prüfung gestellten Regelungen des § 6 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 BremStKG, die auswärtige Studierende anders als Landeskinder behandeln, indem sie nach dem (Haupt-)Wohnsitz in Bremen unterscheiden und nur Auswärtigen ab dem dritten Semester eine Gebührenpflicht auferlegten, verstoßen gegen das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG auf freien und gleichen Hochschulzugang in einem bundesweit zusammenhängenden System.

55

1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>; stRspr). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.).

56

Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 <157>; 93, 319 <348 f.>; 107, 27 <46>; 126, 400 <416>; 129, 49 <69> m.w.N.). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ergibt sich unter anderem aus jeweils betroffenen Grundrechten (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>). Hier folgt ein strengerer Rechtfertigungsmaßstab aus dem Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 GG für den besonderen Sachbereich des Hochschulzugangs (vgl. BVerfGE 33, 303 <329 ff., 352 f.>).

57

2. Die vorgelegten Regelungen begründen eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte.

58

Studierende, die an Hochschulen in Bremen studieren und in Bremen wohnen, und solche, die in Bremen studieren, aber außerhalb Bremens ihren Wohnsitz haben, befinden sich hinsichtlich der Ausbildung, für die in den vorgelegten Vorschriften Gebühren erhoben werden, in einer vergleichbaren Lage. Beide nehmen das Studienangebot Bremens in gleicher Weise in Anspruch. Werden nur auswärtige Studierende zwischen dem dritten und 14. Semester mit Gebühren belegt, ist dies eine an den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG zu messende Ungleichbehandlung.

59

3. Es sind keine tragfähigen Sachgründe für die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung erkennbar.

60

a) Als Rechtfertigungsgrund kann nicht allein auf den Wohnsitz oder Hauptwohnsitz und den hieraus folgenden Zugehörigkeitsstatus zum Land Bremen als solchen verwiesen werden.

61

aa) Allerdings sind unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Ländern und verschiedenen Gemeinden verfassungsrechtlich nicht nur möglich, sondern sogar gewollt. Die Ermöglichung von Vielfalt ist ein wesentliches Element des Bundesstaatsprinzips wie auch der kommunalen Selbstverwaltung. Der Gleichheitssatz ist daher nicht anwendbar, wenn es um eine Ungleichbehandlung durch Regelungen verschiedener Kompetenzträger geht (vgl. BVerfGE 10, 354 <371>; 93, 319 <351>). Innerhalb des eigenen Kompetenzbereichs ist der Landesgesetzgeber prinzipiell nicht gehindert, von der Gesetzgebung anderer Länder abweichende Regelungen zu treffen, auch wenn dadurch Landeskinder praktisch begünstigt oder auch belastet werden (vgl. BVerfGE 33, 303 <352>). Wenn insoweit in einigen Ländern Studiengebühren erhoben werden, in anderen dagegen nicht, ist dies aus Gleichheitsgesichtspunkten schon grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. aus kompetenzrechtlicher Sicht BVerfGE 112, 226 <244 f.>). Anwendbar ist der Gleichheitssatz dagegen, soweit es wie hier um die Ungleichbehandlung von Landeskindern und anderen Personen in einer Landesregelung geht.

62

bb) Vorliegend scheidet eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung in bloßer Anknüpfung an den Wohnsitz aufgrund der Besonderheiten des geregelten Sachbereichs aus. Landesrechtliche Regelungen im Bereich des Hochschulwesens haben eine spezifische gesamtstaatliche Dimension, die besondere Rücksichtnahme der Länder untereinander verlangt. Fällt eine Materie in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers, greift aber der zu regelnde Lebenssachverhalt seiner Natur nach über Ländergrenzen hinaus und berührt wie hier das in allen Ländern gleichermaßen anerkannte Teilhaberecht auf freien und gleichen Hochschulzugang, dann sind einseitige Begünstigungen der Angehörigen eines Landes nur unter gesteigerten Anforderungen an ihre Rechtfertigung zulässig. Das Hochschulwesen ist ein solches bundesweit zusammenhängendes System, das zwar weithin in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fällt, in dem aber nicht alle Studiengänge überall angeboten werden und eine Nutzung der Ausbildungskapazitäten über die Ländergrenzen hinweg erforderlich ist (vgl. BVerfGE 33, 303 <352>). Daher darf beim Zugang zum Studium nicht pauschal nach Ländern differenziert werden (vgl. BVerfGE 33, 303 <355 f.>; 37, 104 <119 f.>). Entsprechend hatte sich auch der Parlamentarische Rat ausdrücklich gegen Landeskinder-Privilegien beim Zugang zu universitären Studien ausgesprochen (Parlamentarischer Rat, StenBer. über die 44. Sitzung des Hauptausschusses vom 19. Januar 1949, S. 569 <575 f.>; zitiert bereits in BVerfGE 33, 303 <329>).

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b) Tragfähige Sachgründe für die Rechtfertigung der differenzierenden bremischen Gebührenregelung, die mit der Hochschulausbildung in Zusammenhang stehen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Die in der bremischen Regelung vorgenommene Gebührendifferenzierung ist nicht durch eine unterschiedliche Nutzung des Studienangebots gerechtfertigt (aa). Auch kann sich der Gesetzgeber zur Rechtfertigung nicht darauf berufen, mit der Regelung zur Wohnsitznahme in Bremen motivieren zu wollen, um so erhöhte Mittelzuweisungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zu erlangen (bb): Die Gebühr lässt sich nicht mit dem Argument rechtfertigen, die aus dem Finanzausgleich dem Land zufließenden Zuweisungen enthielten einen Betrag zur Finanzierung der Ausbildung der Studierenden mit Wohnung in Bremen; deshalb dürften auswärtige Studierende landesgesetzlich verpflichtet werden, gleichfalls - statt über den Finanzausgleich durch Gebühren - ihren bremischen Studiengang finanziell mitzutragen. Das Gleiche gilt bei einer gezielten Zuweisung im Landeshaushaltsgesetz ausschließlich für Studierende mit Wohnung in Bremen.

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aa) Die Gebührendifferenzierung dient nicht dem Ausgleich einer unterschiedlichen Inanspruchnahme des Studienangebots. Es ist nicht ersichtlich, dass Studierende mit (Haupt-)Wohnsitz außerhalb von Bremen Leistungen der bremischen Hochschulen in anderer Weise nutzten als Studierende mit (Haupt-)Wohnsitz in Bremen. Auswärtige Studierende verursachen weder höhere Kosten noch ziehen sie einen größeren Vorteil aus den von einer bremischen Hochschule angebotenen Leistungen. Der Wohnsitz, an den das Studienkontengesetz die Studiengebührenpflicht knüpft, hat keinen unmittelbaren Bezug zum Benutzungsverhältnis (so auch Kugler, Allgemeine Studiengebühren und die Grundrechte der Studierenden, 2009, S. 194).

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bb) Auch das Ziel des Landes Bremen, durch finanziellen Druck Studierende zu einer Wohnsitznahme in Bremen zu veranlassen, damit das Land erhöhte Mittel im Rahmen des Finanzausgleichs erhält, trägt die Ungleichbehandlung nicht. Zwar sind die Länder und auch Gemeinden grundsätzlich nicht gehindert, Personen, die ihre Einrichtungen nutzen wollen, durch finanzielle Anreize oder finanziellen Druck zu veranlassen, auch ihren (Haupt-)Wohnsitz in das eigene Gebiet zu verlegen. So kann bei doppeltem Wohnsitz etwa auf das Melde- oder - in Form einer Zweitwohnungsteuer - auf das Steuerrecht zurückgegriffen werden. Für die Erhebung von Studiengebühren, die (auch) dazu dienen, zur Wohnsitznahme zu motivieren, um so zusätzliche Mittel aus dem Länderfinanzausgleich zu erlangen, fehlt es jedoch an dem im Bereich des Hochschulwesens erforderlichen Sachzusammenhang.

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Das Land Bremen erhält zwar Ausgleichszuweisungen nach §§ 4 ff. Finanzausgleichsgesetz (FAG) und Bundesergänzungszuweisungen nach § 11 FAG aus dem Finanzausgleich. Sie dienen aber in der Regel der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des Landes (§§ 4 ff. und § 11 Abs. 1 und 2 FAG); die sonstigen Bundesergänzungszuweisungen nach § 11 Abs. 3 bis 4 FAG sind anderen Zwecken als der Hochschulfinanzierung gewidmet. Alle Zuweisungen fließen zudem in den Haushalt des Landes Bremen. Der bremische Haushaltsgesetzgeber entscheidet dann in eigener Verantwortung in seinem Budget über die Verwendung dieser Finanzmittel. Damit ist der Sachzusammenhang zwischen den Ausgleichszuweisungen des Finanzausgleichs und der Finanzierung der Hochschulen gelöst. Deswegen können auch keine bestimmten Beträge daraus allein den Studierenden mit Wohnung in Bremen zugeordnet werden; ebenso wenig kann ein Fehlbetrag den Studierenden ohne Wohnung in Bremen zugerechnet werden (vgl. auch BVerfGE 65, 325 <355 f.>). Eine Rechtfertigung der Studiengebühr für auswärtige Studierende vom dritten bis zum 14. Semester ist sachlich nicht möglich, denn es fehlt an einem hinreichenden Sachzusammenhang zwischen den Finanzausgleichsmitteln als allgemeinen Einnahmen des Landeshaushalts, der Verwendungsentscheidung des Landeshaushaltsgesetzgebers sowie der Studiengebühr für Auswärtige. Ein Versuch einer Rechtfertigung der Studiengebühr durch Zuordnung von Ausgleichszuweisungen zum Aufwand für Ausbildungsplätze bremischer Studierender würde außerdem zugleich den berechtigten Einwand hervorrufen, gerade diese Ausbildungsplätze seien von dritter Seite - nämlich den Geberländern des Finanzausgleichs - mitfinanziert worden; auf diese Weise würde das Land Bremen letztlich aus einer Zuwendung von außen eine Studiengebühr für auswärtige Studierende zu legitimieren versuchen.

67

Gleiches würde gelten, falls das bremische Landeshaushaltsgesetz selbst den Hochschulen Finanzmittel ausschließlich für die Finanzierung der Studierenden mit Wohnung in Bremen zuwiese, denn es besteht angesichts des bundesweiten Zusammenhangs des Hochschulsystems kein Sachgrund, auswärtige Studierende gezielt vom Studium fernzuhalten. Jedenfalls könnte eine derartige Vorschrift nicht dazu eingesetzt werden, den Aufwand für bremische Studierende als finanziert, den für auswärtige Studierende aber für ungedeckt zu betrachten, denn damit würde das Teilhabegrundrecht des Art. 12 GG, das ein bundesweit zusammenhängendes Hochschulangebot gleicher Zugangskonditionen verlangt (vgl. grundlegend dazu BVerfGE 33, 303 <329 ff.>), verkannt, indem das Land im Haushalt nur Ausgaben für Studierende mit Wohnung in Bremen vorsähe. In haushaltsrechtlicher Hinsicht würde es dann ein Hochschulangebot allein für bremische Studenten schaffen. Ob eine solche Vorschrift allein als Berechnungsmethode für die Gesamtaufwendungen der bremischen Hochschulen zulässig wäre, war vom Senat nicht zu entscheiden.

D.

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Die Entscheidung ist zu C. II. mit 6 : 2 Stimmen ergangen.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.