Bundessozialgericht Urteil, 09. Dez. 2016 - B 8 SO 15/15 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2016:091216UB8SO1515R0
09.12.2016

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. April 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind nicht zurückzuzahlende Leistungen (im Folgenden: Zuschuss) der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.6.2007 anstelle eines gewährten Darlehens.

2

Die 1949 geborene Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum Alleineigentümerin eines aus drei Parzellen bestehenden Grundstücks von 1054, 39 und 146 m² Größe. Im Grundbuch eingetragen waren ein lebenslänglicher Nießbrauch zugunsten der 1996 verstorbenen Mutter sowie verschiedene Grundpfandrechte. Das Grundstück war bebaut mit einem 1959 errichteten Einfamilienhaus (Wohnfläche von 118 m²), in dem die Klägerin selbst wohnte. Ab 1998 bezog sie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

3

Der Beklagte gewährte der Klägerin "ab dem 1.1.2005" Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII (Bescheid vom 16.12.2004). Später verfügte der Beklagte, dass die Klägerin Grundsicherungsleistungen "ab dem 1.1.2005 bis auf Weiteres" erhalte; die Leistungen würden unverändert zunächst bis einschließlich Juni 2006 gezahlt, solange die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nicht änderten (bestandskräftiger Bescheid vom 1.8.2005; Änderungsbescheid vom 23.9.2005, Widerspruch eingelegt). Danach bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen in geänderter Höhe nunmehr "ab dem 1.7.2005 bis auf Weiteres"; die erhöhten Beträge bewillige er allerdings "zunächst bis zum 30.4.2006" (Bescheid vom 26.9.2005). Zur Berücksichtigung von Einkommen errechnete der Beklagte die Leistungen rückwirkend bis Dezember 2005 neu (Änderungsbescheid vom 4.1.2006, Widerspruch eingelegt).

4

Im Oktober 2006 setzte der Beklagte dann die Grundsicherungsleistungen der Klägerin für die Zeit ab 2005 bis einschließlich Juni 2007 neu fest und verfügte (erstmals), dass die Hilfe gemäß § 91 SGB XII als Darlehen gewährt werde; alle vorhergehenden Bescheide über die Gewährung bzw Änderung von laufenden Leistungen würden zurückgenommen (Bescheid vom 6.10.2006). Dem hiergegen erhobenen Widerspruch gab der Beklagte insoweit statt, als er an der darlehensweisen Leistungsgewährung für die Zeit von Anfang 2005 bis Oktober 2006 (einschließlich) nicht mehr festhielt (Abhilfebescheid vom 2.1.2007); im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 7.2.2007). In der Folge änderte der Beklagte die bewilligten Grundsicherungsleistungen der Höhe nach erneut für die Zeiten ab Dezember 2006 ab (Bescheide vom 12.2., 5.3., 8.5., 8.6. und 9.7.2007).

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Auf die Klage gegen den Bescheid vom 6.3.2006 hat das Sozialgericht (SG) Berlin diesen "in der Gestalt des Abhilfebescheids vom 2.1.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2007 [...] aufgehoben, soweit hiermit die der Klägerin gewährten Leistungen nur darlehnsweise und nicht als Zuschuss bewilligt worden sind" (Urteil vom 7.12.2010). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.4.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin begehre die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.6.2007 als Zuschuss. Richtige Klageart sei die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage; mit einer reinen Anfechtungsklage könne die Klägerin ihr Klageziel nicht erreichen, weil der Beklagte für den streitbefangenen Zeitraum vor Erlass des Bescheids vom 6.10.2006 noch gar keine Leistungen bewilligt habe. In der Sache habe der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen zu Recht lediglich als Darlehen gewährt. Die Klägerin verfüge über Vermögen in Form ihres Hausgrundstücks. Dass das Grundstück aus wirtschaftlichen Gründen nicht verwertbar gewesen sei, also keinen Markt gefunden hätte, sei nicht erkennbar; jedenfalls komme eine Beleihung in Betracht. Das Hausgrundstück zähle auch nicht zum Schonvermögen nach § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII; für eine Einzelperson seien weder eine Wohnfläche von über 80 m² noch eine Grundstücksgröße von über 1000 m² angemessen. Eine Verwertung des Hausgrundstücks durch Beleihung stelle für die Klägerin auch keine besondere Härte iS des § 90 Abs 2 SGB XII dar. Diese sei aufgrund einer psychischen Erkrankung zwar gehindert gewesen, ihr Hausgrundstück zu verlassen. Soweit aber das SG noch angenommen habe, dass auch eine Beleihung eine besondere Härte iS des § 90 Abs 2 SGB XII bedeute, weil die Klägerin bei Nichtzahlung von Darlehensraten das Hausgrundstück unter Umständen räumen müsse, könne dem nicht gefolgt werden; denn sie könne sich im Falle einer Beleihung ein Wohnrecht sichern lassen. Ihre Behauptung, die Aufnahme eines Darlehens sei ihr gar nicht möglich gewesen, erfolge "ins Blaue hinein". Leistungen stünden der Klägerin nur als Darlehen zu, weil die sofortige Verwertung des Hausgrundstücks für sie eine Härte iS von § 91 Satz 1 SGB XII bedeute.

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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts sowie das Vorliegen von Verfahrensfehlern. Das von ihr bewohnte Hausgrundstück sei nicht gemäß § 90 Abs 1 SGB XII verwertbar; seiner Verwertung stehe nicht nur ein vorübergehendes, sondern ein dauerhaftes Hindernis entgegen. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung sei ein Verkauf nicht in Betracht gekommen, weil sie jedwede Gefährdung ihrer Möglichkeit, auf dem Hausgrundstück zu leben, habe vermeiden müssen. Aber auch eine Verwertung ihres Vermögens durch Aufnahme eines Kredits und Belastung ihres Hausgrundstücks sei nicht möglich gewesen; in ihrer konkreten Situation wäre ihr ein Kredit nicht gewährt worden. Ihre Beweisanträge zur Verwertbarkeit des Vermögens hätte das LSG daher nicht ohne Weiteres übergehen dürfen; sie seien nicht "ins Blaue hinein" gestellt. Im Übrigen sei die Verwertung für sie krankheitsbedingt eine besondere Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII gewesen.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 6.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2007 und der Bescheide vom 12.2., 5.3., 8.5., 8.6. und 9.7.2007 auf die Anschlussberufung zu verurteilen, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.11.2006 bis zum 30.6.2007 als nicht rückzahlbare Leistung zu bewilligen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen (§ 163 SGG) kann der Senat nicht entscheiden, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum vom 1.11.2006 bis 30.6.2007 Leistungen der Grundsicherung als Zuschuss statt als Darlehen zu bewilligen waren.

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 6.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2007, bei dessen Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 SGB XII iVm dem Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 7.9.2005 , Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 467). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind ebenfalls die Bescheide vom 12.2.2007 für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007, vom 5.3.2007 für den Monat Februar 2007, vom 8.5.2007 für die Monate März und April 2007, vom 8.6.2007 für den Monat Mai 2007 und vom 9.7.2007 für den Monat Juni 2007. Diese haben den Bescheid vom 6.10.2006 bzw den jeweils vorausgegangenen Änderungsbescheid ersetzt. Dabei kann dahinstehen, wann der Widerspruchsbescheid vom 7.2.2007 sowie die einzelnen Änderungsbescheide der Klägerin jeweils genau bekanntgegeben worden sind. Soweit die Änderungsbescheide vor Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen sind, sind sie gemäß § 86 SGG Gegenstand des dann noch nicht beendeten Vorverfahrens, soweit sie nach Klageerhebung ergangen sind, gemäß § 96 SGG(in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung) unmittelbar Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Selbst wenn Änderungsbescheide zwischen Erlass des Widerspruchsbescheids und der Klageerhebung ergangen sein sollten, wären sie auch nach altem Recht Gegenstand des Klageverfahrens geworden (BSGE 47, 28, 30 = SozR 1500 § 86 Nr 1 S 1; zur Neuregelung siehe BT-Drucks 16/7716, S 19). Das LSG hat über diese Änderungsbescheide auch befunden. Die vom Bescheid vom 6.10.2006 ursprünglich auch umfassten Monate Januar bis einschließlich Oktober 2006 sind nicht streitbefangen. Insoweit hat der Beklagte die bloß darlehensweise Leistungserbringung bereits mit dem Teilabhilfebescheid vom 2.1.2007 "zurückgenommen" und - soweit keine Bewilligungsentscheidung vorlag - konkludent eine zuschussweise Neubewilligung vorgenommen.

12

Da sich die Klägerin gegen diese Bescheide mit dem Ziel wendet, statt der gewährten Darlehen einen Zuschuss zu erhalten, ohne die Beträge zu beziffern, ist ihre Klage als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs 1, 56 SGG), gerichtet auf ein Grundurteil (§ 130 Abs 1 SGG analog), zu verstehen. Sie ist auch insoweit zulässig.

13

Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin ihr Klagebegehren mit einer isolierten Anfechtungsklage nicht erreichen kann. Die Anordnung eines Darlehens durch den Sozialhilfeträger ist keine bloße Nebenbestimmung, bei deren isolierter Aufhebung eine (dann zuschussweise) Leistungsbewilligung verbliebe; vielmehr ist die zuschussweise im Verhältnis zur darlehensweise gewährten Sozialhilfe ein Aliud (BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 11). Der Beklagte muss deshalb verpflichtet werden auszusprechen, die Leistungen als Zuschuss zu gewähren (vgl BSGE 102, 68 ff RdNr 13 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1). Vorliegend gilt auch nicht deshalb ausnahmsweise etwas anderes, weil der Beklagte für den Streitzeitraum ursprünglich bereits zuschussweise Leistungen bewilligt hätte und die entsprechenden Bewilligungsbescheide vor Erlass einer bloß darlehensweisen Bewilligung zunächst hätte aufheben müssen (§§ 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -). Der Bescheid vom 1.8.2005, mit dem der Beklagte die ursprünglich unbefristete Leistungsbewilligung erstmals zeitlich befristet hat (die Leistungen würden unverändert zunächst "bis einschließlich Juni 2006" gewährt), ist bestandskräftig geworden. Erst gegen den nachfolgenden Bescheid vom 26.9.2005 hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Der Leistungszeitraum des hier angegriffenen Bescheids vom 6.10.2006 beginnt im November 2006 und damit deutlich nach Ablauf des zuvor bestandskräftig verfügten Endes des Bewilligungszeitraums im Juni 2006.

14

Da der Beklagte bereits geleistet und die Klägerin noch nicht zurückgezahlt hat, muss lediglich der Rechtsgrund der Zahlung (Zuschuss) geändert werden (BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9; Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R - RdNr 12; SozR 4-5910 § 88 Nr 3). Der Beklagte kann nicht nochmals zur Leistung verurteilt werden (BSG aaO). Der erneuten Zahlung aufgrund der zuschussweisen Bewilligung stünden Rückzahlungsansprüche des Sozialhilfeträgers gemäß § 50 Abs 2 SGB X entgegen, aufgrund der ein erneutes Zahlungsbegehren im Rahmen der zuschussweisen Bewilligung gegen den Sozialhilfeträger gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) treuwidrig wäre(vgl dazu nur Becker in juris PraxisKommentar SGB XII, 2. Aufl 2014, § 37 RdNr 73 ff).

15

Die Klägerin verfolgt ihre Verpflichtungsklage zulässigerweise mit einer Klage, die gerichtet ist auf ein Grundurteil. § 130 Abs 1 SGG kommt hier analog zur Anwendung(in BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 10 noch nicht ausdrücklich entschieden). Eine Analogie, also die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und damit dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (vgl: BSGE 116, 80 ff = SozR 4-5910 § 89 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 38 Nr 2 S 10). Daneben muss eine planwidrige Regelungslücke vorliegen (BVerfGE 82, 6, 11 ff mwN; BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3; BSGE 89, 199, 202 f = SozR 3-3800 § 1 Nr 21 S 95 f mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

16

Die Konstellation des vorliegenden Falles, in der Leistungen darlehensweise bewilligt und bereits ausgezahlt worden sind, ohne schon zurückgezahlt worden zu sein, ist mit den von § 130 Abs 1 SGG unmittelbar erfassten Fallkonstellationen - wie einer vollständigen Ablehnung der Leistungsgewährung durch die Behörde oder einer nur darlehensweisen Bewilligung, ohne dass der Betrag bereits ausgezahlt wurde, oder einer nur darlehensweisen Bewilligung, auf die das Darlehen zwischenzeitlich zurückbezahlt wurde(letzteres unabhängig davon, ob der Bescheid bereits bestandskräftig geworden ist und die Klage zur Leistung im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X erfolgt; vgl dazu BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R) - vergleichbar. Kommt es dem Kläger auf die Höhe der Leistungen im Gerichtsverfahren (noch) nicht an, sondern nur auf den Erhalt bzw das endgültige Behaltendürfen einer Leistung dem Grunde nach, entsprechen die Interessenlagen einander in allen genannten Sachverhaltskonstellationen. Der mit § 130 Abs 1 SGG verfolgte Zweck der Beschleunigung des Verfahrens und einer Entlastung des Gerichts von den notwendigen Feststellungen über die Höhe des Anspruchs, die der Beklagte besser treffen kann(vgl BSGE 13, 178 ff = SozR Nr 3 zu § 130 SGG), wird daher auch in der vorliegenden Fallkonstellation erreicht. Dass diese gleichwohl nicht von § 130 Abs 1 SGG erfasst ist, hatte der Gesetzgeber nicht und noch weniger vor Augen, dass in diesen Fällen bei noch nicht erfolgter Darlehensrückzahlung dem Erfolg einer Leistungsklage (nur) der Treuwidrigkeitsgedanke des § 242 BGB(siehe oben) entgegensteht (vgl nur die kurze Begründung zu § 78 des Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit, BT-Drucks I/4357, S 30).

17

Das kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren ist auch in vollem Umfang Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, obwohl das SG nur über eine isolierte Anfechtungsklage entschieden hat. Denn die Klägerin hat im Berufungsverfahren das weitergehende Verpflichtungsbegehren im Wege einer Anschlussberufung weiterverfolgt, über die das LSG in der Sache entschieden hat. Sie hat im Berufungsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass erstrebtes Klageziel die Verpflichtung des Beklagten zur zuschussweisen Leistung sei, ihre Klageschrift daher auch einen Verpflichtungsantrag enthalte und dass sie im Berufungsverfahren - wenn auch "lediglich vorsorglich und hilfsweise" - beantrage, den Beklagten zu zuschussweisen Leistungen zu verurteilen (Schriftsatz vom 27.5.2011). Darin ist eine konkludente zulässige Anschlussberufung gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 524 Zivilprozessordnung (ZPO) zu sehen(vgl BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85).

18

Der Zulässigkeit der Anschlussberufung steht nicht entgegen, dass die Klägerin diese nur "hilfsweise" eingelegt hat; denn die Anschlussberufung darf auch in dem Sinne bedingt eingelegt werden, dass eine Entscheidung über sie von der Beurteilung einer Rechtsfrage abhängig gemacht wird (innerprozessuale Bedingung; vgl: BSGE 24, 247, 249 = SozR Nr 9 zu § 521 ZPO; vgl auch BGH, Urteil vom 10.11.1983 - VII ZR 72/83 -, NJW 1984, 1240 ff). Das LSG hat die Zurückweisung der Anschlussberufung zwar verfahrensfehlerhaft (vgl § 136 Abs 1 Nr 4 SGG) nicht in den Tenor übernommen; den Entscheidungsgründen, die zur Ergänzung oder Konkretisierung der Urteilsformel heranzuziehen sind (vgl BSG, Urteil vom 8.2.2007 - B 9b SO 5/05 R; vgl auch Hauck in Hennig, SGG, § 136 RdNr 35, Stand Februar 2016), ist aber zu entnehmen, dass über den Verpflichtungsantrag entschieden werden sollte und entschieden worden ist. Das LSG hat nämlich zutreffend ausgeführt, der Klageantrag der Klägerin sei entgegen der Auffassung des SG dahin auszulegen gewesen, dass eine Anfechtungs- verbunden mit einer Verpflichtungsklage erhoben worden sei (vgl zur Möglichkeit der Konkretisierung des Tenors bei fehlender Tenorierung zur Widerklage BSGE 6, 97 ff).

19

Verfahrensfehler, die einer Sachentscheidung entgegenstünden, liegen nicht vor. Der Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage steht insbesondere nicht ein fehlerhaftes Widerspruchsverfahren entgegen. Die hinsichtlich des Bescheids vom 6.10.2006 erforderliche Prozessvoraussetzung eines durchgeführten Widerspruchsverfahrens (§ 78 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGG) ist erfüllt, auch wenn der Bescheid vom 6.10.2006 bereits Gegenstand eines zuvor anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden ist, ohne dass der Beklagte dies erkannt hat. Die Klägerin hatte schon gegen den Bescheid vom 23.9.2005 Widerspruch eingelegt und (nach Erlass des Bescheids vom 4.1.2006) diesen mit Schreiben vom 17.1.2006 entweder aufrechterhalten oder - soweit der Bescheid vom 4.1.2006 als Abhilfebescheid zu werten ist - erneut eingelegt, was hier dahinstehen kann. Der Bescheid vom 6.10.2006 ist daher, soweit er die hier streitbefangenen Zeiträume betrifft, analog § 86 SGG(vgl zur analogen Einbeziehung von Folgezeiträumen ins Widerspruchsverfahren BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R) Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens geworden. Dass der Widerspruchsbescheid vom 7.2.2007 dies nicht berücksichtigt, steht der Zulässigkeit der Klage aber nicht entgegen. Das Prozesserfordernis des Vorverfahrens nach § 78 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGG ist selbst dann gewahrt, wenn nur über einen Teil der streitigen Verwaltungsakte entschieden worden ist (vgl dazu BSG, Beschlüsse vom 31.1.2008 - B 13 R 43/07 B - und vom 13.6.2013 - B 13 R 454/12 B). Richtiger Beklagter ist das Land Berlin; das AG-SGB XII (in der hier gültigen Fassung vom 7.9.2005, aaO) sieht eine Beteiligtenfähigkeit von Behörden (§ 70 Nr 3 SGG) nicht vor.

20

Der Senat kann auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen, ob der Klägerin die gewährten Leistungen als Zuschuss zustehen. Es fehlen Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen.

21

Grundsicherungsleistungen sind gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB XII(in der bis 31.12.2010 geltenden Normfassung) iVm § 41 SGB XII(ursprünglich in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003 - aaO -, ab 7.12.2006 in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670) auf Antrag Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland zu leisten, die das 65. Lebensjahr bzw die angehobene Altersgrenze oder das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Hierzu enthalten die §§ 82 ff SGB XII konkretisierende Vorschriften. Ob danach - wie vom LSG angenommen - die Gewährung der Leistungen als Zuschuss bereits daran scheitert, dass die Klägerin einsetzbares Vermögen in Form von Alleineigentum an dem von ihr bewohnten Hausgrundstück hat, vermag der Senat - abgesehen von den sonstigen fehlenden Feststellungen insbesondere zur Erwerbsminderung und zu möglichen Einkünften - aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen.

22

Einzusetzen ist nach § 90 Abs 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen. Hierzu zählen alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld und Geldeswert (BSG, Urteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - RdNr 13; BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3), folglich auch das Alleineigentum der Klägerin an dem Hausgrundstück. Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (BSG, Urteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - RdNr 17; vgl entsprechend zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende: BSGE 115, 148 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 23; BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 20; SozR 4-4200 § 12 Nr 24 RdNr 15; stRspr). Ob Vermögensgegenstände verwertbar sind, beurteilt sich dabei unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss also über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Beide Aspekte verlangen eine Berücksichtigung der zeitlichen Dimension, innerhalb der das Vermögen voraussichtlich verwertet werden kann (BSG, Urteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R RdNr 14; BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3). Von einer generellen Unverwertbarkeit iS des § 90 Abs 1 SGB XII ist auszugehen, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der zwölfmonatige Bewilligungszeitraum des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB XII aF(BSG, Urteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - RdNr 15). Eine bestimmte Art der Verwertung ist nicht vorgeschrieben; sie wird ggf durch die Natur des Vermögensgegenstands vorgeprägt (vgl dazu Mecke in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 90 RdNr 38).

23

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass rechtliche Verwertungshindernisse weder hinsichtlich eines Verkaufs noch hinsichtlich einer Beleihung des Hausgrundstücks bestehen. Das Alleineigentum der Klägerin an dem Hausgrundstück ist rechtlich grundsätzlich verwertbar. Es kann sowohl übertragen als auch belastet werden (§ 873 Abs 1 BGB). Die Klägerin ist in ihrer Verfügungsbefugnis auch nicht beschränkt. Nach den Feststellungen des LSG sind im Grundbuch lediglich ein - mit dem Tod der Mutter als Nießbraucherin bereits im Jahr 1996 erloschener (§ 1061 Satz 1 BGB) - Nießbrauch sowie Grundpfandrechte ("dingliche Belastungen") eingetragen.

24

Der Senat kann jedoch nicht abschließend beurteilen, ob im streitbefangenen Zeitraum einer Verwertbarkeit - und zwar sowohl im Wege des Verkaufs wie auch der Beleihung - nicht jeweils tatsächliche Hindernisse entgegen standen. Es fehlen die dafür erforderlichen Feststellungen sowohl zur gesundheitlichen Situation der Klägerin als auch zur Marktgängigkeit des Grundstücks.

25

Eine Beurteilung der tatsächlichen Verwertbarkeit verlangt eine Betrachtung des Einzelfalls (vgl BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3). Faktische Verwertungshindernisse können sich insbesondere aufgrund von Besonderheiten des Vermögensgegenstands selbst ergeben; so kann ein Verwertungsausschluss insbesondere bei Gegenständen oder Rechten vorliegen, für die sich in absehbarer Zeit kein Käufer finden lassen wird, etwa weil diese aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls nicht marktgängig sind und gleichzeitig auch keine andere Verwertung möglich ist (vgl Mecke, aaO, RdNr 39). Er kann aber auch aus Besonderheiten in der Person des Vermögensinhabers oder anderen Umständen folgen. So kann sich eine hohe Überschuldung des Hauseigentümers, aber möglicherweise auch eine vertraglich gesicherte Verpflichtung zur Pflege der Eltern, gebunden an eine bestimmte Wohnstätte, als faktisches Verwertungshindernis auswirken (vgl BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3).

26

Vorliegend darf für die Beurteilung der tatsächlichen Veräußerbarkeit wie auch der Beleihbarkeit des Hausgrundstücks die besondere gesundheitliche Situation der Klägerin nicht außer Acht gelassen werden. Eine gesundheitsbedingt fehlende Möglichkeit, aus einem selbst bewohnten Hauseigentum auszuziehen, kann sich nämlich je nach prognostischer Dauer der Unmöglichkeit auf die Marktgängigkeit des Grundstücks ebenso wie auf die Bereitschaft von Kreditinstituten zu dessen Beleihung auswirken.

27

Dabei beurteilt sich die Frage nach der tatsächlichen Unmöglichkeit des Auszugs, wenn wie hier eine psychische Erkrankung im Vordergrund steht, nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Innerhalb der Verwertbarkeitsprüfung sind daher für die Frage eines tatsächlichen Verwertungshindernisses diejenigen Kriterien maßstabsbildend heranzuziehen, die grundsätzlich bei Prüfung eines Härtefalls iS von § 90 Abs 3 SGB XII eine Rolle spielen(vgl: BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3 für den Fall einer Pflegeverpflichtung gegenüber den Eltern; SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15 und SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 22 zu den Maßstäben einer Härte; BVerfG, Beschluss vom 6.7.2016 - 2 BvR 548/16 - RdNr 11 f; BVerfGE 52, 214, 219 ff zur Berücksichtigung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit bei einer Härteprüfung im Rahmen des § 765a ZPO). Dies schließt allerdings eine erneute Berücksichtigung auch im Rahmen der Härtefallprüfung nicht aus.

28

Feststellungen des LSG fehlen schon zum Gesundheitszustand der Klägerin und zur Bewertung der Unmöglichkeit des Auszugs in zeitlicher Hinsicht. Das LSG ist zwar selbst davon ausgegangen, dass der Klägerin seinerzeit ein Umzug aus der vertrauten Wohnung "nicht möglich" gewesen sei. Auf ein tatsächliches Verwertungshindernis läuft dies aber regelmäßig nur bei Unzumutbarkeit eines Auszugs innerhalb eines Jahres hinaus (BSG, Urteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - RdNr 15).

29

Ergibt sich für den streitbefangenen Zeitraum die Unzumutbarkeit eines Umzugs für eine relevante Dauer, käme eine Veräußerbarkeit nur bei Marktgängigkeit eines Grundstücks mit Wohnrecht in Betracht. Es fehlen aber auch Feststellungen zu der insoweit vom LSG selbst aufgeworfenen Frage, ob überhaupt "eine Übertragung des Eigentums durch Verkauf unter Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchrechts möglich" ist, ob für ein solches Grundstück auf dem Markt also ein Käufer gefunden werden könnte.

30

Diese Feststellungen zur Veräußerbarkeit sind nur verzichtbar, wenn eine Verwertung durch Beleihung in Betracht kommt. Auch dies kann der Senat jedoch nicht abschließend beurteilen, denn es fehlen Feststellungen dazu, ob die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen und finanziellen Situation das Hausgrundstück zur Sicherung eines Darlehens hätte belasten können. Dass Kreditinstitute die Klägerin als nicht kreditwürdig angesehen hätten, weil sie aus den Grundsicherungsleistungen kaum in der Lage gewesen wäre, ein Darlehen zu tilgen und entsprechende Zinsen zu tragen, ist gut denkbar (vgl dazu schon BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3; vgl zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen nunmehr ausdrücklich §§ 491 Abs 3 Satz 1 Nr 1, 505a Abs 1 Satz 2, 505b Abs 2 Satz 2 und 3 BGB idF des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016 - BGBl I 396). Dies gilt umso mehr, wenn die Klägerin sich auch im Fall einer Beleihung "ein Wohnrecht hätte sichern lassen" müssen. Dass ein dingliches und damit gegenüber jedermann wirksames Wohnrecht die Akzeptanz des Hausgrundstücks auch als Sicherheit am Kreditmarkt spürbar beeinträchtigt, ist ebenfalls gut denkbar. Sollte eine Verwertung des Grundstücks aus den genannten Gründen faktisch nicht möglich sein, scheiterte eine endgültige Entscheidung des Senats daran, dass die Beurteilung des § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII grundsätzlich dem Tatrichter unterliegt und das Revisionsgericht bei der Subsumtion unter Berücksichtigung des festgestellten Sachverhalts einen tatrichterlichen Entscheidungsspielraum zu respektieren hat.

31

Nach § 90 Abs 2 Nr 8 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs 1 bis 3 SGB XII genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll(Satz 1); die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zB behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes (Satz 2).

32

Es handelt sich um ein selbst bewohntes Hausgrundstück; die Klägerin hatte im streitbefangenen Zeitraum dort tatsächlich ihren Wohnsitz und hielt sich dauerhaft dort auf (zum umgekehrten Fall einer nicht nur vorübergehenden Abwesenheit vgl BVerwG, Urteil vom 5.12.1991 - 5 C 60.88). Unerheblich ist, ob die Klägerin Angehörige iS des § 90 Abs 2 Nr 8 Satz 1 SGB XII hat, die ihr Hausgrundstück nach ihrem Tod bewohnen sollen. Der Schutz der Wohnstatt ist nicht für Hilfesuchende ohne Angehörige ausgeschlossen (ebenso BGH, Beschluss vom 6.2.2013 - XII ZB 582/12 -, FamRZ 2013, 620 ff). Zwar ist die Formulierung "und nach ihrem Tod bewohnt werden soll" dem Wortlaut nach als gleichrangige, kumulative Voraussetzung neben dem Erfordernis des Bewohnens des Hausgrundstücks durch den Hilfesuchenden oder eine andere einsatzpflichtige Person selbst ausgestaltet. So verstanden wäre der Schutz des angemessenen Hausgrundstücks eines Hilfesuchenden ohne Angehörige, die nach seinem Tod das Hausgrundstück zur Wohnstatt nehmen könnten, ausgeschlossen (vgl Mecke in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 90 RdNr 76). Eine solche Auslegung stünde jedoch im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift, die Wohnung zur Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" zu erhalten (vgl dazu oben). Da sich auch aus der Gesetzeshistorie keine Anhaltspunkte für den Hintergrund einer entsprechenden Tatbestandseingrenzung ergeben (vgl ausführlich zur Historie dieser Formulierung zurückgehend auf die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4.12.1924 Mecke, aaO), wäre eine entsprechende Eingrenzung willkürlich und ohne sachliches Differenzierungskriterium.

33

Seiner daraus resultierenden Aufgabe, die Angemessenheit des Grundstücks der Klägerin zu beurteilen, ist das LSG nicht nachgekommen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit ist von Fall zu Fall im Wege einer Gesamtbetrachtung und unter Abwägung aller in § 90 Abs 2 Nr 8 Satz 2 SGB XII aufgeführten personen-, sach- und wertbezogenen Kriterien zu beurteilen; anstelle einer starren Wertgrenze ist die Angemessenheit des Hausgrundstücks insgesamt maßgeblich (sog Kombinationstheorie - vgl BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 16; zu § 88 Abs 2 Nr 7 Bundessozialhilfegesetz vgl BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 16 f; BVerwGE 87, 278, 281). Das Revisionsgericht hat bei der Subsumtion unter Berücksichtigung des festgestellten Sachverhalts einen tatrichterlichen Entscheidungsspielraum zu respektieren; es ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 15).

34

Vorliegend hat das LSG diese Abwägung nicht getroffen. Es hat das Ergebnis fehlender Angemessenheit allein auf die Unangemessenheit von Haus- und Grundstücksgröße, folglich lediglich auf zwei der nach § 90 Abs 2 Nr 8 Satz 2 SGB XII sechs abzuwägenden Einzelkriterien gestützt, ohne dass es zugleich begründet hätte, dass diese beiden alle anderen Kriterien verdrängten. Ohne Weiteres kann eine solche Prominenz zweier Kriterien nicht unterstellt werden. Das LSG wird daher ggf eine umfassende Kriterienabwägung nachzuholen haben.

35

Schließlich kann aufgrund der Feststellungen des LSG auch nicht beurteilt werden, ob das Hausgrundstück dem Schutz der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII unterfällt. Da Härtegesichtspunkte infolge der gesundheitlichen Situation der Klägerin bereits im Rahmen der Verwertbarkeit zu prüfen sind, käme dem Bedeutung ggf aber nur bei Vorhandensein weiterer Härteaspekte zu.

36

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

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Soweit nach § 90 für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für die, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde, soll die

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Soweit nach § 90 für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für die, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde, soll die Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden. Die Leistungserbringung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Soweit nach § 90 für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für die, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde, soll die Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden. Die Leistungserbringung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Soweit Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt, sind vor dem Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften sozial erfahrene Dritte zu hören, insbesondere aus Vereinigungen, die Bedürftige betreuen, oder aus Vereinigungen von Sozialleistungsempfängern.

(2) Soweit Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt, sind vor dem Erlass des Verwaltungsaktes über einen Widerspruch gegen die Ablehnung der Sozialhilfe oder gegen die Festsetzung ihrer Art und Höhe Dritte, wie sie in Absatz 1 bezeichnet sind, beratend zu beteiligen.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.

(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Gewährung von Sozialhilfe für die Zeit von Februar 1992 bis Juni 1995 als Zuschuss statt als Darlehen.

2

Die Klägerin bezog vom 24.2.1992 bis 30.9.2004 - davon bis 30.6.1995 darlehensweise (bestandskräftiger Bescheid vom 29.6.1992) - Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sie war im Februar 1992 Eigentümerin einer Wohnung, deren Wert nach Auffassung des Beklagten die maßgebliche Angemessenheitsgrenze um 33 100 DM überstieg. Deshalb bewilligte der Beklagte zunächst Sozialhilfe nur darlehensweise bis zum fiktiven Verbrauch dieser Summe. Für den Beklagten war zur Sicherung des Darlehens samt darauf zu zahlender Zinsen eine Sicherungsgrundschuld im Grundbuch eingetragen worden. Seit August 2004 erhält die Klägerin Altersrente. Im Februar 2007 beglich sie das Darlehen samt Zinsen (insgesamt 42 194,37 Euro; davon 16 923,76 Euro Darlehenssumme und 25 270,61 Euro Zinsen), nachdem sie die Wohnung verkauft hatte. Der Beklagte hat jedoch aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Freiburg die auf die Zinsforderung geleisteten Zahlungen wieder an die Klägerin zurückbezahlt.

3

Im Juli 2008 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 29.6.1992, weil ihr zu Unrecht Hilfe zum Lebensunterhalt nur als Darlehen gewährt worden sei. Die Rücknahme des Bescheids lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 13.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009). Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bereits die Frist von vier Jahren zur rückwirkenden Leistungserbringung nach § 44 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) stehe dem geltend gemachten Begehren entgegen(Urteil vom 21.9.2010). Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.6.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, § 44 SGB X finde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorliegend wegen des sog Gegenwärtigkeitsprinzips der Sozialhilfe keine Anwendung, weil die Bedürftigkeit der Klägerin durch den Bezug bedarfsdeckender Altersrente entfallen sei. Ob Hilfe zum Lebensunterhalt zu Unrecht darlehensweise gewährt worden sei, könne deshalb offen bleiben.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 44 SGB X. Sie ist der Ansicht, die vom LSG herangezogene Rechtsprechung des BSG finde vorliegend keine Anwendung.

5

Sie beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 29.6.1992, soweit darin die Gewährung eines nichtrückzahlbaren Zuschusses abgelehnt worden ist, Sozialhilfe für die Zeit vom 24.2.1992 bis 30.6.1995 als Zuschuss zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen; die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf "Umwandlung" der darlehensweisen Bewilligung von Sozialhilfe in einen Zuschuss und (erneuter) Zahlung der Leistung, nachdem das Darlehen bereits beglichen ist.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 (§ 95 SGG), bei dessen Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - iVm § 9 Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534) und mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 29.6.1992 insoweit aufzuheben, als darin die nicht rückzahlbare zuschussweise Gewährung von Sozialhilfe (konkludent) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG, auf die auch bei Anwendung des § 44 SGB X ein Grundurteil(§ 130 Abs 1 SGG) ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 8 RdNr 9). Mit dem Überprüfungsantrag kann - neben der Anfechtung - nicht die bloße Verpflichtung des Beklagten zur "Umwandlung" der darlehensweise gewährten Leistung in eine solche als Zuschuss begehrt werden; dem steht die Rechtsprechung zur Korrektur einer darlehensweisen Bewilligung außerhalb des Verfahrens nach § 44 SGB X nicht entgegen(siehe zu dieser Rechtsprechung: BSGE 102, 68 ff RdNr 13 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1; BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 13; SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 16; SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 10; BSG, Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 5/09 R -, juris RdNr 10). Denn das Klageziel kann auch im Rahmen des § 44 SGB X mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage allein jedenfalls dann nicht erreicht werden, wenn - wie vorliegend - die darlehensweise gewährte Leistung bereits zurückgezahlt worden ist(Becker in juris PraxisKommentar SGB XII, § 37 SGB XII RdNr 72.6; zur Korrektur im Rahmen einer Klage gegen den noch nicht bestandskräftigen Darlehensbescheid BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 10).

10

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids und eine nachträgliche Zahlung von Sozialhilfe liegen nicht vor. Nach § 44 Abs 1 SGB X, der auch im Sozialhilferecht Anwendung findet(vgl nur BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 19), ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht sind. Die Rücknahme steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X noch zu erbringen sind.

11

Der Klägerin sind für die streitbefangene Zeit zwar Sozialleistungen iS des § 44 Abs 1 SGB X "nicht erbracht" worden. Denn Maßstab dafür ist, welche Sozialleistung (§ 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -) tatsächlich gewollt war, hier also Sozialhilfe als Zuschuss. Diese Leistung ist im Verhältnis zur darlehensweisen gewährten Sozialhilfe ein Aliud (vgl: BVerwG Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr 15; BSGE 68, 180, 183 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 4) und vom Beklagten im Bescheid vom 29.6.1992 konkludent neben der die Klägerin begünstigenden, hier nicht im Streit stehenden Darlehensbewilligung abgelehnt worden (vgl BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 2; siehe zur Rückabwicklung insgesamt Becker in jurisPK-SGB XII, § 37 SGB XII RdNr 72.1 ff).

12

Ob die Entscheidung des Beklagten, Sozialhilfe nicht als Zuschuss zu erbringen, rechtswidrig war, kann jedoch dahinstehen. Eine Rücknahme ist jedenfalls, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, durch die im vorliegenden Fall zwingend (vgl BSGE 60, 158, 160 f = SozR 1300 § 44 Nr 23 S 53) und uneingeschränkt anwendbare (vgl: BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 2; BSG, Urteil vom 31.3.1992 - 9b RAr 17/90; BVerwG, Beschluss vom 1.2.1993 - 11 B 91/92 -, juris RdNr 9) Regelung des § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Danach werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Abs 4 Satz 2). Für die Berechnung tritt nach Satz 3 an die Stelle der Rücknahme der Antrag, wenn dieser zur Rücknahme führt. Dass die Klägerin das Darlehen erst im Jahr 2007 zurückbezahlt hat, ist deshalb ohne Belang (BSG aaO; BVerwG aaO).

13

Da § 44 Abs 1 SGB X im Ergebnis auf die Ersetzung eines rechtswidrigen ablehnenden Verwaltungsakts durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt abzielt, kann die Klägerin, die Leistungen für den weit außerhalb der Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X liegenden Zeitraum (Februar 1992 bis Juni 1995) begehrt, keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beanspruchen; Folge davon ist, dass sie auch kein rechtliches Interesse mehr an der Rücknahme iS des § 44 Abs 1 SGB X geltend machen kann(vgl dazu BSGE 104, 213 ff RdNr 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) und kein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids besteht. Auf die Frage der fortbestehenden Bedürftigkeit der Klägerin (vgl dazu: BSGE 99, 137 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 11; BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15), auf die das LSG seine Entscheidung vorrangig und die Klägerin ihre Revision gestützt hat, kommt es damit nicht an.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Gewährung von Sozialhilfe für die Zeit von Februar 1992 bis Juni 1995 als Zuschuss statt als Darlehen.

2

Die Klägerin bezog vom 24.2.1992 bis 30.9.2004 - davon bis 30.6.1995 darlehensweise (bestandskräftiger Bescheid vom 29.6.1992) - Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sie war im Februar 1992 Eigentümerin einer Wohnung, deren Wert nach Auffassung des Beklagten die maßgebliche Angemessenheitsgrenze um 33 100 DM überstieg. Deshalb bewilligte der Beklagte zunächst Sozialhilfe nur darlehensweise bis zum fiktiven Verbrauch dieser Summe. Für den Beklagten war zur Sicherung des Darlehens samt darauf zu zahlender Zinsen eine Sicherungsgrundschuld im Grundbuch eingetragen worden. Seit August 2004 erhält die Klägerin Altersrente. Im Februar 2007 beglich sie das Darlehen samt Zinsen (insgesamt 42 194,37 Euro; davon 16 923,76 Euro Darlehenssumme und 25 270,61 Euro Zinsen), nachdem sie die Wohnung verkauft hatte. Der Beklagte hat jedoch aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Freiburg die auf die Zinsforderung geleisteten Zahlungen wieder an die Klägerin zurückbezahlt.

3

Im Juli 2008 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 29.6.1992, weil ihr zu Unrecht Hilfe zum Lebensunterhalt nur als Darlehen gewährt worden sei. Die Rücknahme des Bescheids lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 13.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009). Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bereits die Frist von vier Jahren zur rückwirkenden Leistungserbringung nach § 44 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) stehe dem geltend gemachten Begehren entgegen(Urteil vom 21.9.2010). Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.6.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, § 44 SGB X finde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorliegend wegen des sog Gegenwärtigkeitsprinzips der Sozialhilfe keine Anwendung, weil die Bedürftigkeit der Klägerin durch den Bezug bedarfsdeckender Altersrente entfallen sei. Ob Hilfe zum Lebensunterhalt zu Unrecht darlehensweise gewährt worden sei, könne deshalb offen bleiben.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 44 SGB X. Sie ist der Ansicht, die vom LSG herangezogene Rechtsprechung des BSG finde vorliegend keine Anwendung.

5

Sie beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 29.6.1992, soweit darin die Gewährung eines nichtrückzahlbaren Zuschusses abgelehnt worden ist, Sozialhilfe für die Zeit vom 24.2.1992 bis 30.6.1995 als Zuschuss zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen; die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf "Umwandlung" der darlehensweisen Bewilligung von Sozialhilfe in einen Zuschuss und (erneuter) Zahlung der Leistung, nachdem das Darlehen bereits beglichen ist.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 (§ 95 SGG), bei dessen Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - iVm § 9 Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534) und mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 29.6.1992 insoweit aufzuheben, als darin die nicht rückzahlbare zuschussweise Gewährung von Sozialhilfe (konkludent) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG, auf die auch bei Anwendung des § 44 SGB X ein Grundurteil(§ 130 Abs 1 SGG) ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 8 RdNr 9). Mit dem Überprüfungsantrag kann - neben der Anfechtung - nicht die bloße Verpflichtung des Beklagten zur "Umwandlung" der darlehensweise gewährten Leistung in eine solche als Zuschuss begehrt werden; dem steht die Rechtsprechung zur Korrektur einer darlehensweisen Bewilligung außerhalb des Verfahrens nach § 44 SGB X nicht entgegen(siehe zu dieser Rechtsprechung: BSGE 102, 68 ff RdNr 13 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1; BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 13; SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 16; SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 10; BSG, Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 5/09 R -, juris RdNr 10). Denn das Klageziel kann auch im Rahmen des § 44 SGB X mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage allein jedenfalls dann nicht erreicht werden, wenn - wie vorliegend - die darlehensweise gewährte Leistung bereits zurückgezahlt worden ist(Becker in juris PraxisKommentar SGB XII, § 37 SGB XII RdNr 72.6; zur Korrektur im Rahmen einer Klage gegen den noch nicht bestandskräftigen Darlehensbescheid BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 10).

10

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids und eine nachträgliche Zahlung von Sozialhilfe liegen nicht vor. Nach § 44 Abs 1 SGB X, der auch im Sozialhilferecht Anwendung findet(vgl nur BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 19), ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht sind. Die Rücknahme steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X noch zu erbringen sind.

11

Der Klägerin sind für die streitbefangene Zeit zwar Sozialleistungen iS des § 44 Abs 1 SGB X "nicht erbracht" worden. Denn Maßstab dafür ist, welche Sozialleistung (§ 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -) tatsächlich gewollt war, hier also Sozialhilfe als Zuschuss. Diese Leistung ist im Verhältnis zur darlehensweisen gewährten Sozialhilfe ein Aliud (vgl: BVerwG Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr 15; BSGE 68, 180, 183 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 4) und vom Beklagten im Bescheid vom 29.6.1992 konkludent neben der die Klägerin begünstigenden, hier nicht im Streit stehenden Darlehensbewilligung abgelehnt worden (vgl BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 2; siehe zur Rückabwicklung insgesamt Becker in jurisPK-SGB XII, § 37 SGB XII RdNr 72.1 ff).

12

Ob die Entscheidung des Beklagten, Sozialhilfe nicht als Zuschuss zu erbringen, rechtswidrig war, kann jedoch dahinstehen. Eine Rücknahme ist jedenfalls, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, durch die im vorliegenden Fall zwingend (vgl BSGE 60, 158, 160 f = SozR 1300 § 44 Nr 23 S 53) und uneingeschränkt anwendbare (vgl: BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 2; BSG, Urteil vom 31.3.1992 - 9b RAr 17/90; BVerwG, Beschluss vom 1.2.1993 - 11 B 91/92 -, juris RdNr 9) Regelung des § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Danach werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Abs 4 Satz 2). Für die Berechnung tritt nach Satz 3 an die Stelle der Rücknahme der Antrag, wenn dieser zur Rücknahme führt. Dass die Klägerin das Darlehen erst im Jahr 2007 zurückbezahlt hat, ist deshalb ohne Belang (BSG aaO; BVerwG aaO).

13

Da § 44 Abs 1 SGB X im Ergebnis auf die Ersetzung eines rechtswidrigen ablehnenden Verwaltungsakts durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt abzielt, kann die Klägerin, die Leistungen für den weit außerhalb der Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X liegenden Zeitraum (Februar 1992 bis Juni 1995) begehrt, keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beanspruchen; Folge davon ist, dass sie auch kein rechtliches Interesse mehr an der Rücknahme iS des § 44 Abs 1 SGB X geltend machen kann(vgl dazu BSGE 104, 213 ff RdNr 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) und kein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids besteht. Auf die Frage der fortbestehenden Bedürftigkeit der Klägerin (vgl dazu: BSGE 99, 137 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 11; BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15), auf die das LSG seine Entscheidung vorrangig und die Klägerin ihre Revision gestützt hat, kommt es damit nicht an.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist, ob der Kläger in dem Zeitraum vom 1.5.2007 bis 28.4.2008 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss hat.

2

Durch notariellen Überlassungsvertrag vom 28.4.2005 übertrug die 1922 geborene Mutter des Klägers ihrem Sohn W (Erwerber) drei im Grundbuch des Amtsgerichts K eingetragene Grundstücke. Dieser verpflichtete sich, dem im Februar 1953 geborenen Kläger 55 000 Euro zu zahlen, fällig bei dessen Eintritt in die gesetzliche Rente, spätestens jedoch innerhalb von 13 Jahren ab dem 24.8.2005. Für den Kläger wurde eine Sicherungshypothek an einem der übertragenen Grundstücke (Gebäude und Freifläche mit 756 qm) eingetragen. Der Erwerber verpflichtete sich ferner, dem weiteren Bruder M innerhalb von vier Wochen 50 000 Euro zu zahlen.

3

Der Kläger verfügte zum Zeitpunkt seines ersten Antrags auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 2.10.2004 über Vermögen in Form eines Guthabens auf seinem Girokonto in Höhe von 6164,43 Euro und seinem Wertpapierdepot in Höhe von 1225,66 Euro sowie einer Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung, deren Rückkaufswert zum 1.6.2005 in Höhe von 8951,20 Euro sich aus einer Rückgewährleistung in Höhe von 5728,40 Euro und einer Überschussbeteiligung in Höhe von 3222,80 Euro zusammensetzte. Bis 1.6.2016 sollte die Ablaufleistung der Unfallversicherung bei einer Beitragsfreistellung zum 1.6.2005 auf 18 851,70 Euro ansteigen (Rückgewährleistung in Höhe von 7525,60 Euro, Überschussbeteiligung in Höhe von 11 326,10 Euro). Bei Auflösung der Unfallversicherung durch Rückkauf zum 1.6.2008 ergab sich ein tatsächlicher Auszahlungsbetrag in Höhe von 10 639,28 Euro. Zum Zeitpunkt des Antrags des Klägers vom 5.4.2007 auf Leistungen für den hier streitigen Zeitraum ab 1.5.2007 hatten sich das Wertpapierguthaben sowie das Guthaben des Klägers aus der Unfallversicherung nach seinen eigenen Angaben nicht verändert.

4

Der Kläger bezog seit dem 1.1.2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, für die Zeit vom 1.9.2005 bis 30.4.2007 aufgrund mehrerer Bescheide nur noch als Darlehen. Die Beklagte forderte ihn mit einem Zusatz im Bewilligungsbescheid vom 16.12.2005 und mit Schreiben vom 14.3.2006 auf, Bemühungen um den Zugriff auf die vereinbarte Zahlung seines Bruders nachzuweisen. Er legte Bestätigungen zweier Banken von März 2006 vor, nach denen ein Darlehen in Höhe von 55 000 Euro, abgesichert durch eine Sicherungshypothek, nicht gewährt werden könne. Erstmals mit Schreiben vom 19.12.2006 forderte die Beklagte den Kläger auf, eine Abtretungserklärung zu unterschreiben, wonach er den Anspruch gegen seine Mutter und seinen Bruder W auf Zahlung von 55 000 Euro bis zur Höhe der bis zum Fälligkeitstag an ihn gezahlten Sozialleistungen an die Beklagte abtreten solle. Er solle sich ferner damit einverstanden erklären, dass die bestehende Sicherungshypothek gelöscht und statt dessen eine solche zu Gunsten der Beklagten eingetragen werde. Nachdem der Kläger dies verweigert hatte, lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 1.5.2007 ab (Bescheid vom 8.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 8.11.2007).

5

Das SG Augsburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.7.2008). Der Anspruch des Klägers gegen seinen Bruder auf Auszahlung von 55 000 Euro sei verwertbares Vermögen, das die Vermögensfreibeträge übersteige. Er könne den Auszahlungsanspruch "versilbern", indem er ihn an interessierte Geldgeber abtrete oder sich von seinem Bruder einen Vorschuss geben lasse. Die Beklagte habe die darlehensweise Hilfe zu Recht verwehrt, weil der Kläger die Stellung von Sicherheiten abgelehnt habe und damit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege.

6

Nachdem sich die Beteiligten in einem Erörterungstermin vor dem LSG vom 27.4.2009 darüber geeinigt hatten, dass dem Kläger dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) in Form eines Darlehens für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 28.4.2008 zustehe, hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 28.5.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss. Er sei nicht hilfebedürftig gewesen, weil er über ausreichendes Vermögen verfügt habe. Von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung des Guthabens aus der Unfallversicherung könne nicht ausgegangen werden. Ein Vergleich der Auszahlungsbeträge zum 1.6.2005 und 1.6.2016 zeige, dass die Überschussbeteiligung bereits zum 1.6.2005 deutlich über dem Zuwachs der Rückgewährleistung bis zum Vertragsende gelegen habe. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ergebe sich auch nicht daraus, dass für die vorzeitige Auszahlung der Unfallversicherung zum 1.7.2008 Zinsen in Höhe von 779,08 Euro fällig geworden seien, weil dieser Betrag deutlich unter 10 vom Hundert des Auszahlungsbetrags liege. Da die Auszahlungssumme bis zur tatsächlichen Auszahlung zum 1.6.2008 auf 10 639,28 Euro angewachsen sei, werde davon ausgegangen, dass der Wert der Unfallversicherung mehr als 8000 Euro betragen habe. Unabhängig hiervon handele es sich bei dem Anspruch des Klägers gegen seinen Bruder auf Auszahlung in Höhe von 55 000 Euro um Vermögen, das bereits mit dessen Entstehung ein Wertzuwachs sei, den der Kläger "versilbern" könne. Er könne die mit einer Sicherungshypothek gesicherte Forderung bei Banken zu Geld machen. Die von ihm vorgelegten Bestätigungen vom März 2006, nach denen die Banken ihm kein Darlehen in Höhe von 55 000 Euro geben wollten, widerlegten dies nicht. Selbstverständlich sei, dass diese einem Bezieher von Alg II kein Darlehen in der Höhe geben wollten, die derjenigen der in maximal 13 Jahren zu erwartenden Zahlung entspreche. Angesichts der dinglichen Sicherung würden die Banken jedoch einen abgezinsten Betrag von 30 000 Euro (bei 12 bis 13 Jahren Laufzeit und einem in der streitigen Zeit marktüblichen Zins von etwa 5 vom Hundert) als Darlehen gewähren. Sie hätten kein Zins- und nur das übliche Darlehensrisiko bei dinglicher Sicherung. Das lediglich mit Grundschulden von 7670 Euro belastete Grundstück von 756 qm in K sei eine ausreichende Sicherheit. Bei ernsthaften Verhandlungen sei die Verwertung der Forderung auch innerhalb von sechs Monaten möglich. Diese abgezinste Verwertung sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich, weil die künftige Forderung von 55 000 Euro nur einen abgezinsten Verkehrswert habe.

7

Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Weder die Beteiligten noch das LSG hätten in irgendeiner Form problematisiert, ob die Unfallversicherung ebenfalls als Vermögen anzusehen sei. Obwohl der Beklagten die vorhandene Versicherung bereits bei Antragstellung unter Vorlage aller Unterlagen bekannt gewesen sei, habe sie Leistungen erbracht. Bei entsprechendem Hinweis durch das LSG hätte er unter Vorlage seines Versicherungsverlaufs in der gesetzlichen Rentenversicherung dargelegt, in welchen Zeiten er selbstständig tätig gewesen sei und keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt habe, welche Art von Alterssicherung er in dem Zeitraum seiner selbstständigen Tätigkeit getroffen habe und welche Beträge von ihm in die streitgegenständliche Unfallversicherung einbezahlt worden seien. Der Kläger rügt weiter eine Verletzung des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 1. Alt SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG habe das LSG die Unwirtschaftlichkeit der Verwertung der Unfallversicherung durch Gegenüberstellung der eingezahlten Beträge sowie des gegenwärtigen Rückkaufswerts ermitteln müssen. Das LSG habe jedoch keinerlei Feststellungen zur Höhe seiner Beträge an die Versicherung getroffen. Es liege auch ein Verstoß gegen § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II vor, den das LSG ersichtlich nicht geprüft habe. Da er von August 1980 bis Juni 1990 selbstständig tätig gewesen sei, weise sein Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Lücke auf, wegen der er sich durch Abschluss einer Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückerstattung abgesichert habe. Das LSG habe § 12 SGB II auch unzutreffend angewandt, indem es die im notariellen Vertrag verbriefte Forderung als tatsächlich verwertbares Vermögen angesehen habe. Das LSG habe lediglich unterstellt, dass die Banken ihm ein Darlehen in Höhe von 30 000 Euro gegeben hätten, hierzu aber keine Ermittlungen angestellt. Bei Ermittlungen zur Verwertbarkeit der im notariellen Vertrag aufgeführten Forderung hätte es herausgefunden, dass diese nicht verwertbar sei. Anlässlich seiner Vorsprache bei verschiedenen Banken hätten ihm deren Sachbearbeiter nach kurzer Einsichtnahme in die notarielle Urkunde mitgeteilt, dass man ihm kein Geld leihen werde. Des weiteren hätte das LSG Ermittlungen zum Wert des Grundstücks und zu dessen Verwertbarkeit anstellen müssen.

8

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 2009 und des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis 28. April 2008 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Zuschuss zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie verweist auf das Urteil des LSG.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Mangels ausreichender Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II zustanden, insbesondere ob es sich bei der Forderung aus dem notariellen Überlassungsvertrag vom 24.8.2005 und seiner Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückerstattung um verwertbares Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II handelte, das ihn in die Lage versetzte, im streitigen Zeitraum seinen Lebensunterhalt ohne Leistungen nach dem SGB II zu sichern.

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 8.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.11.2007, mit dem sie die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 28.4.2008 abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zu Recht mit der (nunmehr) kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 5/09 R, RdNr 10). Die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruchs ist trotz der zunächst vollständigen Versagung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 28.4.2008 beschränkt, weil die Beklagte auf einen Folgeantrag des Klägers vom 29.4.2008 mit einem weiteren Bescheid vom 29.5.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen bewilligt und die Leistungsbewilligung als Zuschuss (damit) abgelehnt hat. Mit der Erteilung dieses Bescheides endet der Zeitraum, für den der ablehnende Bescheid vom 8.10.2007 Wirkung entfalten konnte (BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R, RdNr 13). Die Einbeziehung von Folgebescheiden in analoger Anwendung des § 96 SGG kommt nicht in Betracht(BSG aaO). Darüber hinaus hat sich die Beklagte auch für Folgezeiträume der rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits unterworfen. Nach Anerkennung eines Anspruchs des Klägers auf darlehensweise Leistungen durch die Beklagte im Erörterungstermin vor dem LSG vom 27.4.2009 streiten die Beteiligten (noch) darüber, ob er Leistungen als Zuschuss beanspruchen kann.

13

2. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(hier idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ) Personen, 1. die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Hilfebedürftig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II ist, wer ua seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern kann, und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass als monatlicher Bedarf des Klägers im streitigen Zeitraum neben der für ihn nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und den Kosten für Unterkunft und Heizung auch Kosten einer freiwilligen Krankenversicherung (116,18 Euro monatlich) und der sozialen Pflegeversicherung (15,08 Euro monatlich) zu berücksichtigen sind. Er verfügt über kein Einkommen. Ob sein Bedarf durch Vermögen iS des § 12 SGB II gedeckt war, kann der Senat anhand der Feststellungen des LSG jedoch nicht abschließend beurteilen.

14

3. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Zum einzusetzenden Vermögen können neben beweglichen Sachen und Immobilien auch verbriefte oder nicht verbriefte Forderungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten aus Versicherungen gehören (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 12 RdNr 41, Stand September 2008; Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 12 SGB II RdNr 18 f, Stand April 2010). Nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II sind als Vermögen allerdings nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Als Vermögen des Klägers kommen die erst künftig fällig werdende Forderung gegen seinen Bruder aus dem notariellen Überlassungsvertrag vom 24.8.2005 (s unter 4), seine Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückerstattung (s unter 5) sowie die Guthaben auf dem Girokonto und dem Wertpapierdepot (s unter 6) in Betracht. Sowohl die Forderung aus dem Überlassungsvertrag als auch der Rückkaufswert aus der Unfallversicherung könnten - jeweils für sich betrachtet - dazu führen, dass die Grundfreibeträge für das Vermögen nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II im streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis 28.4.2008 in Höhe von 8850 Euro bzw 9000 Euro überschritten wurden.

15

4. a) Die dinglich gesicherte Forderung des Klägers aus dem notariellen Überlassungsvertrag ist jedenfalls im hier streitigen Zeitraum Vermögen iS des § 12 SGB II und nicht Einkommen(§ 11 SGB II). Nach § 11 Abs 1 SGB II sind nur Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen; dagegen ist die Berücksichtigung als Vermögen nach den Regelungen des § 12 SGB II auch dann möglich, wenn weitere Verwertungshandlungen "zwischengeschaltet" sind. Vermögensgegenstände können daher neben beweglichen Sachen und Immobilien auch (künftig fällig werdende) Forderungen und Rechte sein. Insofern haben die für die Grundsicherung nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG im Zusammenhang mit der Differenzierung zwischen Einkommen und Vermögen im SGB II in grundsätzlicher Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG zur Sozialhilfe ua ausgeführt, dass - unabhängig von dem rechtlichen Schicksal einer Forderung - für deren Berücksichtigung als Einkommen ausschließlich auf die Erzielung von Einkünften in Geld oder Geldeswert im Sinne eines tatsächlichen Zuflusses abzustellen ist (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 18; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 24; vgl auch BVerwG Urteil vom 18.2.1999 - 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 ff; so auch Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 12 SGB II RdNr 23 f, Stand April 2010). Da die Forderung hier erst mit dem "Eintritt des Klägers in die gesetzliche Rente, spätestens jedoch innerhalb von 13 Jahren ab dem 24.8.2005" (dh im Jahre 2018) fällig wird, kann der Kläger sie nicht als tatsächlich zufließende Mittel unmittelbar zum Lebensunterhalt nutzen. Auch nicht bereite Mittel sind jedoch, wenn es sich um verwertbares Vermögen handelt, zur Existenzsicherung einzusetzen.

16

Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können (BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, jeweils RdNr 28; Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 12 SGB II RdNr 28 Stand April 2010; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 31). Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzfristig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie - wie beispielsweise Grundstücke in Folge sinkender Immobilienpreise - über den Marktwert hinaus belastet sind. Eine generelle Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II liegt vor, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt(BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R - BSGE 99, 248 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 6 RdNr 15). Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II(vgl BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 23). Für diesen Zeitraum muss im vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Eine Festlegung für darüber hinausgehende Zeiträume ist demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten (BSG aaO). Als Möglichkeit der Verwertung der dinglich gesicherten Forderung kommen hier deren Umwandlung in Geld durch Verkauf oder - so wohl das LSG - die Beleihung dieser Forderung gegen Aufnahme eines Darlehens in Betracht.

17

b) Ausgehend von den zuvor dargelegten rechtlichen Maßstäben vermag der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen, ob die streitige Forderung im Wege ihrer Umwandlung in Geld durch Verkauf oder Belastung tatsächlich verwertbar war. Zwar steht fest, dass der Kläger die dinglich gesicherte Geldforderung zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft tatsächlich beanspruchen kann. Die Annahmen des LSG, dass die Banken für die Forderung einen Betrag in Höhe von 30 000 Euro als "Darlehen" zahlen würden und eine Verwertung auch innerhalb von sechs Monaten möglich sei, sind nicht als Nachweis der Verwertbarkeit der Forderung geeignet. Der Kläger hat insofern zulässige und begründete Revisionsrügen erhoben (§ 163 SGG iVm § 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Soweit Verfahrensmängel gerügt werden - hier eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG - muss die Revisionsbegründung die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben(§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Erforderlich sind konkrete Angaben dazu, welche zusätzlichen Ermittlungen das Gericht hätte anstellen, welche Beweismittel es hätte einsetzen müssen und zu welchen Ergebnissen diese Ermittlungen geführt hätten (vgl zB BSG Urteil vom 24.11.1987 - 3 RK 7/87 - RdNr 15; BSG Urteil vom 26.4.2005 - B 5 RJ 6/04 R - SozR 4-2600 § 4 Nr 2 RdNr 35). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers, weil er unter Bezugnahme auf die Erfolglosigkeit eigener Bemühungen vorträgt, das LSG habe bei Banken ermitteln müssen, ob in absehbarer Zeit ein Käufer für die dinglich gesicherte Forderung zu finden gewesen sei und die Banken ihm unter Berücksichtigung des Grundstücks und dessen Verwertbarkeit ein Darlehen gewährt hätten.

18

Die Feststellungen des LSG zur Verwertbarkeit sind auch unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) zustande gekommen, weil es zur Klärung der Frage, ob und ggf mit welchem Gegenwert der Kläger die Verwertungsmöglichkeiten der Veräußerung und Beleihung perspektivisch innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab Antragstellung hätte realisieren können, nicht von den Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen (BSGE 30, 192, 205; BSG Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 26). Insofern ist zu berücksichtigen, dass zwar auch (noch) nicht fällige Forderungen abgetreten werden können (MünchKomm-Busche, BGB, 2005, § 398 RdNr 63; BGH Urteil vom 21.4.1988 - IX ZR 191/87 - NJW 1988, 3204). Der empfangende Gläubiger (Zessionär) darf noch nicht fällige Ansprüche jedoch ebenso wenig wie der Zedent (übertragender Gläubiger) einziehen (BGH Urteil vom 11.7.1995 - VI ZR 409/94 - VersR 1995, 1205 f; MünchKomm-Busche, BGB, 2005, § 398 RdNr 29). Dieses mindert zumindest den Wert der Forderung und ist - bei prognostischer Betrachtung - bereits bei der Verwertbarkeit zu beachten. Ob und zu welchen Konditionen der Kläger durch Belastung der Forderung im streitigen Zeitraum ein (zunächst) zins- und tilgungsfreies Darlehen erhalten konnte (zum erforderlichen Ausschluss der Zins- und Tilgungszahlung vgl BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, jeweils RdNr 28), bedarf gleichfalls näherer Sachaufklärung.

19

c) Sollte das LSG auf der Grundlage von Ermittlungen bei prognostischer Betrachtung zu einer fristgemäßen Verwertungsmöglichkeit der Forderung gelangen, wird es alsdann zu prüfen haben, ob diese Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 1. Alt SGB II ist. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung liegt vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht. Zu ermitteln ist, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser aktuelle Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüberzustellen (vgl BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 68/08 R, BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8; Mecke in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 84). Im Hinblick auf die Verwertung durch Veräußerung sind bisher unterbliebene Ermittlungen zum Substanzwert und Verkehrswert der erst in vielen Jahren fälligen Forderung vorzunehmen. Gleiches gilt für die Verwertung durch Beleihung. Zum Verhältnis der Verwertung durch Verkauf und Belastung gilt, dass der Hilfebedürftige nur zwischen den Verwertungsarten wählen kann, die den Hilfebedarf in gleicher Weise decken (vgl BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - BSGE 98, 243 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, jeweils RdNr 28).

20

d) Ist eine nicht offensichtlich unwirtschaftliche Verwertung der dinglich gesicherten Forderung möglich, wird das LSG ferner zu prüfen haben, ob dies für den Kläger eine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II darstellt. Nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Da maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sind, die nicht schon durch die ausdrücklichen gesetzlichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden, setzt die Härteregelung solche Umstände voraus, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (vgl zB BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 68/06 R, BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, jeweils RdNr 31; BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 35/08 R - BSGE 103, 146 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 14, jeweils RdNr 20). Vor diesem Hintergrund wird das LSG dem Revisionsvorbringen des Klägers zu der durch seinen beruflichen Werdegang geprägten Alterssicherung nachgehen und ermitteln müssen, inwieweit bei ihm eine Versorgungslücke vorhanden ist, für welche die dinglich gesicherte Forderung dergestalt eingesetzt werden könnte, das Niveau seiner Altersvorsorge durch Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten oder zu verbessern. Insofern ist auch nach dem Vorbringen des Klägers unklar, welcher beruflichen Tätigkeit er nachgegangen ist. Das LSG wird bei seiner Bewertung die Erwerbsbiographie, die gesundheitliche Situation und das Lebensalter des Klägers sowie die vom BSG entwickelten Kriterien zur besonderen Härte berücksichtigen müssen. Ob eine mögliche sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen für den Kläger eine besondere Härte bedeuten würde (§ 23 Abs 5 SGB II), brauchte der Senat nicht zu prüfen, weil die Beklagte für den streitigen Zeitraum einen Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen anerkannt hat.

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5. a) Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass die dinglich gesicherte Forderung nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist, hängt das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit ferner von der Verwertbarkeit der Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückerstattung ab. Es handelt sich insoweit um eine Mischform zwischen kapitalbildender Lebens- und Unfallversicherung, bei welcher der Versicherer neben den bei einem Unfall vereinbarten Leistungen auch die bei einem unfallunabhängigen Tod oder im Erlebensfalls jeweils erreichte Rückgewährsumme in Höhe der gezahlten Beiträge leistet (Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl 2004, § 179 RdNr 3). Bezogen auf diesen Vermögenswert ist eine Zurückverweisung der Sache an das LSG jedoch nicht schon deshalb geboten - wie der Kläger offenbar meint -, weil dieses verfahrensfehlerhaft den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art 103 Abs 1 GG bzw § 62 SGG verletzt hat.

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b) Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen und ihm Gelegenheit gegeben werden muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden. § 62 SGG verpflichtet das Gericht aber nicht generell, seine Rechtsauffassung zum Prozessstoff vorab mitzuteilen oder bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen(BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3 mwN). Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligen durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen und Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - NZS 2004, 660, 661). Streitig ist hier jedoch lediglich die rechtliche Bewertung von bekannten Tatsachen, insbesondere eines Vermögenswertes, der den Beteiligten bekannt war. Da die Hilfebedürftigkeit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist, gilt dies auch für die Berücksichtigung von Vermögen in Gestalt der hier in den Anträgen auf SGB II-Leistungen laufend angegebenen Unfallversicherung.

23

c) Die Unfallversicherung ist nicht bereits deshalb von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen, weil sie von der in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II enthaltenen - speziell die Verschonung von Altersvorsorgewerten bei der Feststellung von Vermögen betreffenden - Regelung erfasst wird. Hiernach sind vom Vermögen abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, höchstens jedoch 16 250 Euro, nicht übersteigt. Der Vereinbarung eines Verwertungsverbots steht bereits tatbestandlich entgegen, dass der Kläger die Versicherung zum 1.6.2008 tatsächlich gekündigt hat (s auch § 180 Versicherungsvertragsgesetz, der für die private Unfallversicherung ausdrücklich nur die Anwendbarkeit der §§ 166 bis 168 VVG anordnet).

24

d) Offen ist aber, ob der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu Gunsten des Klägers eingreift. Hiernach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Da das LSG schon keine Feststellungen zum beruflichen Werdegang des Klägers getroffen hat, kann nicht beurteilt werden, ob er nach den §§ 6, 231, 231a SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen ist. Ist der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen, ist er allerdings auch nicht aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten den in § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II genannten Personen gleichzustellen. Der Senat schließt sich insofern der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an, der bereits mehrfach entschieden hat, dass die Privilegierung des für die Altersvorsorge bestimmten Vermögens eines von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Befreiten gegenüber sonstigen Sicherungsformen von Personen, die mit der von ihnen ausgeübten Tätigkeit niemals der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlagen, wegen der unterschiedlichen Ausgangssituationen beider Gruppen keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung iS des Art 3 Abs 1 GG darstellt (BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 35/08 R - BSGE 103, 146 = SozR 4-4200 § 12 Nr 14 - RdNr 18; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 68/06 R - BSGE 100, 196 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, jeweils RdNr 23).

25

e) Ist die Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung kein generell geschütztes Vermögen, wird das LSG nach Maßgabe der oben dargelegten Gesichtspunkte (4c) weiter zu prüfen haben, ob deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 1. Alt SGB II ist. Ebenso wie bei einem Lebensversicherungsvertrag ergibt sich bei der hier vorliegenden Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückerstattung der Substanzwert aus der Höhe der eingezahlten Beiträge und der Verkehrswert aus dem Rückkaufswert der Versicherung. Es kann dahinstehen, welche Verlustgrenze im Einzelnen zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit führt (vgl hierzu BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 68/06 R - BSGE 100, 196 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, jeweils RdNr 38),weil der konkrete Wertverlust wegen fehlender Feststellungen des LSG zur Höhe der eingezahlten Beiträge (noch) nicht feststeht. Insofern wird das LSG zunächst den Wert dieses Vermögensgegenstandes im Antragszeitpunkt bzw bei Veränderungen im streitigen Zeitraum zu ermitteln haben. Zu prüfen ist auch, zu welchem Zeitpunkt überhaupt eine Möglichkeit zur Kündigung der Versicherung (vgl hierzu bis zum 31.12.2007 - § 8 Abs 1 VVG bzw - ab 1.1.2008 - § 11 Abs 1 VVG)bestand, der Kläger also über diese uneingeschränkt verfügen konnte.

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f) Nach den Feststellungen des LSG ist auch offen, ob die Härtefallregelung des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 2. Alt SGB II der Berücksichtigung der Unfallversicherung als Vermögen entgegensteht. Das LSG hat hierzu keine Ausführungen gemacht. Nach den Gesetzesmaterialien soll eine Härte iS dieser Vorschrift gegeben sein, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweise (BT-Drucks 15/1749 S 32). Unter Bezug hierauf hat der 14. Senat des BSG betont, dass bei langjährig Selbstständigen eine Pflicht zur Verwertung von Vermögen (Lebensversicherungen) ausscheiden könne, wenn im Einzelfall eine Kumulation von Härtegesichtspunkten gegeben sei (BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 35/08 R - BSGE 103, 146 ff RdNr 23, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Dabei spricht nicht allein der Umstand, dass die Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist nach § 8 VVG bzw § 11 VVG verwertet werden kann, gegen die Annahme eines Härtefalls. Anders als nach der Regelung des § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II ist für die Nichtberücksichtigung von Vermögen aus Härtefallgründen ein Ausschluss der Verwertbarkeit nicht erforderlich, weil eine solche Auslegung die vom Gesetzgeber beabsichtigte Auffangfunktion der Härteklausel für atypische Fälle gerade wieder aufheben würde(BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 35/08 R - BSGE 103, 146 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 14, jeweils RdNr 24). Im Rahmen des Härtefalls ist vielmehr lediglich entsprechend der früheren Rechtsprechung des BSG zum Recht der Arbeitslosenhilfe darauf abzustellen, ob der Hilfebedürftige das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich verwenden will und eine dieser Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (BSG aaO, RdNr 25; so bereits BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 56/06 R - RdNr 36; vgl auch BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2; Spellbrink, ZfS 2000, 193, 201 ff).

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6. Als weiteres Vermögen, das die Hilfebedürftigkeit des Klägers mindern könnte, hat das LSG zu Recht sein Wertpapier- und Girokontoguthaben herangezogen. Der Senat vermag nach den Feststellungen des LSG jedoch keine Aussage darüber zu treffen, in welchem Umfang es im streitigen Zeitraum als Vermögen zu berücksichtigen ist. Das LSG hat zwar ausgeführt, dass sich auf dem Girokonto des Klägers am 5.7.2006 ein Guthaben iHv 4005,30 Euro und am 5.3.2008 noch ein solches iHv 1645,22 Euro befunden habe, es ist jedoch - ebenso wie beim Wertpapierguthaben - ggf noch im Einzelnen festzustellen, welche Höhe das Girokontoguthaben des Klägers in dem nach § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II maßgebenden Zeitpunkt bei Antragstellung(vgl § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II) am 5.4.2007 hatte und wie sich diese Vermögenswerte im streitigen Zeitraum entwickelt haben.

28

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.

(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Gewährung von Sozialhilfe für die Zeit von Februar 1992 bis Juni 1995 als Zuschuss statt als Darlehen.

2

Die Klägerin bezog vom 24.2.1992 bis 30.9.2004 - davon bis 30.6.1995 darlehensweise (bestandskräftiger Bescheid vom 29.6.1992) - Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sie war im Februar 1992 Eigentümerin einer Wohnung, deren Wert nach Auffassung des Beklagten die maßgebliche Angemessenheitsgrenze um 33 100 DM überstieg. Deshalb bewilligte der Beklagte zunächst Sozialhilfe nur darlehensweise bis zum fiktiven Verbrauch dieser Summe. Für den Beklagten war zur Sicherung des Darlehens samt darauf zu zahlender Zinsen eine Sicherungsgrundschuld im Grundbuch eingetragen worden. Seit August 2004 erhält die Klägerin Altersrente. Im Februar 2007 beglich sie das Darlehen samt Zinsen (insgesamt 42 194,37 Euro; davon 16 923,76 Euro Darlehenssumme und 25 270,61 Euro Zinsen), nachdem sie die Wohnung verkauft hatte. Der Beklagte hat jedoch aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Freiburg die auf die Zinsforderung geleisteten Zahlungen wieder an die Klägerin zurückbezahlt.

3

Im Juli 2008 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 29.6.1992, weil ihr zu Unrecht Hilfe zum Lebensunterhalt nur als Darlehen gewährt worden sei. Die Rücknahme des Bescheids lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 13.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009). Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bereits die Frist von vier Jahren zur rückwirkenden Leistungserbringung nach § 44 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) stehe dem geltend gemachten Begehren entgegen(Urteil vom 21.9.2010). Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.6.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, § 44 SGB X finde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorliegend wegen des sog Gegenwärtigkeitsprinzips der Sozialhilfe keine Anwendung, weil die Bedürftigkeit der Klägerin durch den Bezug bedarfsdeckender Altersrente entfallen sei. Ob Hilfe zum Lebensunterhalt zu Unrecht darlehensweise gewährt worden sei, könne deshalb offen bleiben.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 44 SGB X. Sie ist der Ansicht, die vom LSG herangezogene Rechtsprechung des BSG finde vorliegend keine Anwendung.

5

Sie beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 29.6.1992, soweit darin die Gewährung eines nichtrückzahlbaren Zuschusses abgelehnt worden ist, Sozialhilfe für die Zeit vom 24.2.1992 bis 30.6.1995 als Zuschuss zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen; die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf "Umwandlung" der darlehensweisen Bewilligung von Sozialhilfe in einen Zuschuss und (erneuter) Zahlung der Leistung, nachdem das Darlehen bereits beglichen ist.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 13.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 (§ 95 SGG), bei dessen Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - iVm § 9 Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534) und mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 29.6.1992 insoweit aufzuheben, als darin die nicht rückzahlbare zuschussweise Gewährung von Sozialhilfe (konkludent) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4, § 56 SGG, auf die auch bei Anwendung des § 44 SGB X ein Grundurteil(§ 130 Abs 1 SGG) ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 8 RdNr 9). Mit dem Überprüfungsantrag kann - neben der Anfechtung - nicht die bloße Verpflichtung des Beklagten zur "Umwandlung" der darlehensweise gewährten Leistung in eine solche als Zuschuss begehrt werden; dem steht die Rechtsprechung zur Korrektur einer darlehensweisen Bewilligung außerhalb des Verfahrens nach § 44 SGB X nicht entgegen(siehe zu dieser Rechtsprechung: BSGE 102, 68 ff RdNr 13 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1; BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 13; SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 16; SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 10; BSG, Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 5/09 R -, juris RdNr 10). Denn das Klageziel kann auch im Rahmen des § 44 SGB X mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage allein jedenfalls dann nicht erreicht werden, wenn - wie vorliegend - die darlehensweise gewährte Leistung bereits zurückgezahlt worden ist(Becker in juris PraxisKommentar SGB XII, § 37 SGB XII RdNr 72.6; zur Korrektur im Rahmen einer Klage gegen den noch nicht bestandskräftigen Darlehensbescheid BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 10).

10

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids und eine nachträgliche Zahlung von Sozialhilfe liegen nicht vor. Nach § 44 Abs 1 SGB X, der auch im Sozialhilferecht Anwendung findet(vgl nur BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 19), ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht sind. Die Rücknahme steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X noch zu erbringen sind.

11

Der Klägerin sind für die streitbefangene Zeit zwar Sozialleistungen iS des § 44 Abs 1 SGB X "nicht erbracht" worden. Denn Maßstab dafür ist, welche Sozialleistung (§ 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -) tatsächlich gewollt war, hier also Sozialhilfe als Zuschuss. Diese Leistung ist im Verhältnis zur darlehensweisen gewährten Sozialhilfe ein Aliud (vgl: BVerwG Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr 15; BSGE 68, 180, 183 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 4) und vom Beklagten im Bescheid vom 29.6.1992 konkludent neben der die Klägerin begünstigenden, hier nicht im Streit stehenden Darlehensbewilligung abgelehnt worden (vgl BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 2; siehe zur Rückabwicklung insgesamt Becker in jurisPK-SGB XII, § 37 SGB XII RdNr 72.1 ff).

12

Ob die Entscheidung des Beklagten, Sozialhilfe nicht als Zuschuss zu erbringen, rechtswidrig war, kann jedoch dahinstehen. Eine Rücknahme ist jedenfalls, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, durch die im vorliegenden Fall zwingend (vgl BSGE 60, 158, 160 f = SozR 1300 § 44 Nr 23 S 53) und uneingeschränkt anwendbare (vgl: BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1 S 2; BSG, Urteil vom 31.3.1992 - 9b RAr 17/90; BVerwG, Beschluss vom 1.2.1993 - 11 B 91/92 -, juris RdNr 9) Regelung des § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Danach werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Abs 4 Satz 2). Für die Berechnung tritt nach Satz 3 an die Stelle der Rücknahme der Antrag, wenn dieser zur Rücknahme führt. Dass die Klägerin das Darlehen erst im Jahr 2007 zurückbezahlt hat, ist deshalb ohne Belang (BSG aaO; BVerwG aaO).

13

Da § 44 Abs 1 SGB X im Ergebnis auf die Ersetzung eines rechtswidrigen ablehnenden Verwaltungsakts durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt abzielt, kann die Klägerin, die Leistungen für den weit außerhalb der Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X liegenden Zeitraum (Februar 1992 bis Juni 1995) begehrt, keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beanspruchen; Folge davon ist, dass sie auch kein rechtliches Interesse mehr an der Rücknahme iS des § 44 Abs 1 SGB X geltend machen kann(vgl dazu BSGE 104, 213 ff RdNr 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) und kein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids besteht. Auf die Frage der fortbestehenden Bedürftigkeit der Klägerin (vgl dazu: BSGE 99, 137 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 11; BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15), auf die das LSG seine Entscheidung vorrangig und die Klägerin ihre Revision gestützt hat, kommt es damit nicht an.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.

(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

(1) Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung sind der Gegenpartei zuzustellen.

(2) Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung und dem Berufungskläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Berufungserwiderung setzen. § 277 gilt entsprechend.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 17.2.2012 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der Zeit vom 17.12.1985 bis 31.3.1986 als Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI verneint.

2

Die im Jahre 1955 geborene Klägerin legte am 9.12.1985 die Erste juristische Staatsprüfung ab. Das Zeugnis des Landesjustizprüfungsamtes Baden-Württemberg datiert vom 16.12.1985. Die Exmatrikulation durch die Universität Heidelberg erfolgte zum 31.3.1986. Ab 1.3.1986 absolvierte sie ihre Referendarausbildung im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes. Im Zeitraum vom 1.9.1985 bis 28.2.1986 war sie bei einem Rechtsanwalt geringfügig beschäftigt.

3

Im Kontenklärungsverfahren stellte die Beklagte mit Bescheid vom 6.12.1991 die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten der Klägerin verbindlich bis zum 31.12.1984 fest: Im Zeitraum vom 1.4.1980 bis 16.12.1985 wurden Zeiten der Hochschulausbildung als Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 AVG vorgemerkt. Für die Zeit vom 1.10.1985 bis einschließlich März 1986 wurden auch Pflichtbeitragszeiten für die Tätigkeit bei dem Rechtsanwalt gespeichert. Der im Kontenklärungsverfahren ergangene weitere Bescheid der Beklagten vom 24.8.2005, mit dem die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten der Klägerin bis zum 31.12.1998 verbindlich festgestellt wurden, enthielt hinsichtlich der Feststellung des Zeitraums vom 17.12.1985 bis 31.3.1986 keine geänderten Daten.

4

Mit Vormerkungsbescheid vom 9.7.2010 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf der Klägerin bis zum 31.12.2003 verbindlich fest. In der Zeit vom 1.9.1985 bis 28.2.1986 wurde keine Pflichtbeitragszeit mehr vorgemerkt, weil nach dem seinerzeit geltenden Recht keine Versicherungs- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung wegen der geringfügigen Beschäftigung bestanden habe. Mit dem Widerspruch vom 9.8.2010 erhob die Klägerin Einwände, weil Zeiten der Hochschulausbildung nur bis zum 16.12.1985 anerkannt worden seien. Mit Schreiben vom 26.8.2010 teilte die Beklagte mit, dass insoweit die im Bescheid vom 6.12.1991 festgestellten Daten betroffen seien. Die Einwände seien daher nach § 44 SGB X zu überprüfen.

5

Mit Bescheid vom 24.9.2010 lehnte die Beklagte den Antrag vom 9.8.2010 auf Rücknahme des Bescheids vom 6.12.1991 ab. Die Überprüfung gemäß § 44 SGB X habe ergeben, dass dieser Bescheid nicht unrichtig ergangen sei. Das Studium der Rechtswissenschaften sei mit Ablegen der Ersten juristischen Staatsprüfung am 16.12.1985 beendet worden, sodass darüber hinaus keine Anrechnungszeit in Betracht komme. Im Widerspruchsverfahren teilte die Klägerin erneut mit, dass die bei dem Rechtsanwalt im Zeitraum vom 1.9.1985 bis 28.2.1986 ausgeübte Tätigkeit keine versicherungspflichtige Beschäftigung gewesen sei. Vielmehr habe es sich um eine zulässige geringfügige Beschäftigung zur Überbrückung der Wartezeit bis zum Beginn des Vorbereitungsdienstes für Referendare am 1.3.1986 gehandelt. Die Hochschulausbildung habe bis zur Exmatrikulation gedauert, sodass der Zeitraum bis 28.2.1986 als Zeit der Hochschulausbildung anzuerkennen sei. Im März 1986 habe lediglich eine Überschneidung mit dem am 1.3.1986 begonnenen Referendariat vorgelegen. § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI sei daher unzutreffend angewendet worden.

6

Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.1.2011). Die Beklagte führte aus, dass die Klägerin mit dem Widerspruch die Anerkennung der Zeit vom 17.12.1985 bis 31.3.1986 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI) begehre. Der Endzeitpunkt der Hochschulausbildung sei grundsätzlich das Datum der Abschlussprüfung (Hinweis ua auf BSG vom 25.3.1998 - B 5 /4 RA 85/97 R; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 13; BSG SozR 2200 § 1259 Nr 92).

7

Auch das Klage- und Berufungsverfahren blieb erfolglos; die Urteile ergingen jeweils ohne mündliche Verhandlung (SG Karlsruhe vom 13.7.2011; LSG Baden-Württemberg vom 17.2.2012). In der Berufungsschrift vom 19.7.2011 hat die Klägerin ihren im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag wiederholt: "Die Beklagte wird verpflichtet, die Zeit vom 17.12.1985 bis 31.03.1986 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI bei der Rentenermittlung mit einzubeziehen". Sie hat erneut eingewandt, dass die Beklagte die Beschäftigungszeit bei dem Rechtsanwalt versehentlich als versicherte Beschäftigungszeit berücksichtigt habe. "Unter dieser falschen Prämisse" habe die Beklagte die Hochschulausbildung in der Zeit vom 17.12.1985 bis 31.3.1986 gemäß § 58 Abs 4a SGB VI nicht berücksichtigt. Bei Wegfall "dieser Prämisse" müsse daher die Hochschulausbildung auch als solche anerkannt werden. Der vom SG formulierte Antrag entspreche weder ihrem Willen noch den Gesetzen noch berücksichtige er den tatsächlichen Sachverhalt. Ähnlich wie bereits in der Klageschrift hat sie ferner vorgetragen, dass sie hinsichtlich der Beschäftigungszeit bei dem Rechtsanwalt eine Anwendung des § 44 SGB X für falsch halte. Vielmehr liege insofern ein begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X vor. Auf Vertrauensschutz nach dieser Norm berufe sie sich. Die Frist nach § 149 Abs 5 SGB VI sei ebenfalls abgelaufen.

8

Das LSG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Gegenstand des Rechtsstreits sei der Bescheid der Beklagten vom 24.9.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.1.2011. Zutreffend habe die Beklagte im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens (§ 44 SGB X) die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 6.12.1991 und damit die Anerkennung der Zeit vom 17.12.1985 bis 31.3.1986 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung abgelehnt. Die Vormerkungsbescheide der Beklagten vom 24.8.2005 und 9.7.2010 seien hingegen nicht streitgegenständlich, weil sie keine Neufeststellungen im Hinblick auf die Anerkennung von Hochschulzeiten enthielten. Im vorliegenden Rechtsstreit gehe es nicht um die Frage der Aberkennung der Pflichtbeitragszeiten. Auch wenn die Beklagte mit Bescheid vom 9.7.2010 entschieden habe, dass der Zeitraum vom 1.9.1985 bis 28.2.1986 nicht mehr als Beitragszeit vorgemerkt werden könne, habe die Klägerin ihren Widerspruch lediglich mit der fehlenden Anerkennung der Hochschulausbildung als Anrechnungszeit begründet und der Auslegung ihres Widerspruchs als Überprüfungsantrag durch die Beklagte mit Schreiben vom 26.8.2010 nicht widersprochen.

9

Die Klägerin könne nicht die teilweise Rücknahme des Vormerkungsbescheids vom 6.12.1991 und die Anerkennung des Zeitraums vom 17.12.1985 bis 31.3.1986 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI verlangen; dahingehend habe der Senat den Antrag der Klägerin nach § 123 SGG gefasst. Die Hochschulausbildung ende grundsätzlich mit dem Tag des Bestehens der Abschlussprüfung (Hinweis auf stRspr, zB BSG vom 27.11.1991 - 4/1 RA 65/90 -; vom 16.12.1997 - 4 RA 67/97). Schließlich habe das LSG auch nicht über einen hilfsweisen Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits wegen Amtspflichtverletzung zu entscheiden gehabt, weil ein solcher Antrag nicht gestellt worden sei.

10

Die Klägerin macht mit der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vom 21.2.2013 ausschließlich Verfahrensfehler geltend. Das LSG habe gegen § 123 SGG verstoßen, weil es nicht über alle geltend gemachten Ansprüche entschieden habe. Für ihren Anspruch sei auf die rentenrechtliche Berücksichtigung des Zeitraums vom 1.9.1985 bis 28.2.1986 abzustellen, entweder durch Anerkennung der Anrechnungszeit oder der Pflichtbeitragszeiten. Die Widerspruchsbegründung sei so zu verstehen gewesen, dass die Hochschulausbildung dann zu berücksichtigen sei, wenn die Pflichtbeiträge aberkannt werden. Das LSG habe bewusst einen von der Klägerin erhobenen Anspruch übergangen. Daher könne sie nicht auf das Urteilsergänzungsverfahren nach § 140 SGG verwiesen werden. Über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9.7.2010, mit dem die Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten im streitigen Zeitraum abgelehnt worden sei, sei bislang nicht entschieden worden. Die Aberkennung von Pflichtbeitragszeiten hätte nur über einen Bescheid gemäß § 45 SGB X erfolgen dürfen; die Jahresfrist für die Rücknahme sei aber abgelaufen. Im Übrigen beruft sich die Klägerin auf Vertrauensschutz. Schließlich habe das LSG in unzulässiger Weise nicht über den hilfsweise gestellten Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits wegen Amtspflichtverletzung entschieden.

11

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

12

1. Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerdebegründung vom 21.2.2013 den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG)genügt (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Selbst dann wäre die Revision nicht zuzulassen.

13

2. Der gerügte Verfahrensfehler der Verletzung von § 123 SGG liegt nicht vor. Das LSG hat zutreffend über den von der Klägerin erhobenen Anspruch entschieden. Nach dieser Norm entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Hieraus ergibt sich, dass sich die Bindung des Gerichts auf den erhobenen Anspruch, auf das sog Klagebegehren bezieht. Unter dem Klagebegehren ist der prozessuale Streitgegenstand zu verstehen, also der Lebenssachverhalt und dasjenige, was der Kläger auf dieser Grundlage als gerichtliche Entscheidung anstrebt (vgl Senatsbeschluss vom 20.10.2010 - BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 22 mwN).

14

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 24.9.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.1.2011, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 6.12.1991 teilweise zurückzunehmen und die Zeiten vom 17.12.1985 bis 31.3.1986 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI vorzumerken. Die Auslegung dieser Bescheide durch das LSG ist insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

15

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin am 9.8.2010 einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt hat und mit ihrer Klage eine Entscheidung darüber anstrebt, dass die Zeit über das Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung hinaus bis zum Zeitpunkt der Exmatrikulation durch die Universität zum 31.3.1986 rentenrechtlich als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung in ihrer Versicherungsbiografie berücksichtigt wird. Dies ließe sich über die Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen (Hoch)Schulausbildung nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI erreichen. Dieses Klageziel hat das LSG richtig erfasst.

16

Nach § 149 Abs 5 S 1 Halbs 2 SGB VI(vormals § 103 Abs 3 AVG) stellt der Rentenversicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (zur Regelungswirkung von Vormerkungsbescheiden vgl Senatsurteil vom 19.4.2011 - BSG SozR 4-2600 § 58 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 10 mwN). Die Beklagte hat die Zeiten der Hochschulausbildung als Anrechnungszeit (vormals Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 AVG)durch Bescheid vom 24.8.2005 verbindlich festgestellt. Auch wenn der Bescheid vom 6.2.1991 noch keine verbindliche Feststellung der hier streitigen Hochschulzeiten enthielt, müssen auch solche Vormerkungsbescheide inhaltlich zutreffend sein (vgl BSGE 68, 171, 174 = SozR 3-2200 § 1227a Nr 7 S 14). Der nachfolgende Bescheid vom 9.7.2010 enthielt hinsichtlich der Vormerkung der Hochschulausbildung (bis 16.12.1985) als Anrechnungszeit keinen anderslautenden Eintrag.

17

Der Vormerkungsbescheid vom 9.7.2010 hat für die Klägerin eine belastende Regelung getroffen, als der Zeitraum vom 1.9.1985 bis 28.2.1986 nicht mehr (zusätzlich) als Pflichtbeitragszeit vorgemerkt wurde, weil nach den nachgewiesenen Angaben der Klägerin eine Beschäftigung in nur geringem Umfang ausgeübt wurde, die keine Versicherungs- und Beitragspflicht nach damaliger Rechtslage begründete. Die Klägerin hat auf die Korrektur dieser Daten in ihrem Versicherungsverlauf selbst hingewirkt. In ihrem Widerspruchsschreiben vom 9.8.2010 hat sie sich folgerichtig nicht gegen diese Änderung gewandt. Selbst nachdem die Beklagte sie auf diesen Umstand mit Schreiben vom 26.8.2010 ausdrücklich hingewiesen hatte, hat die Klägerin erneut bestätigt, dass sie bis dahin eine nur geringfügige Beschäftigung bei dem Rechtsanwalt ausgeübt habe.

18

Sowohl im Widerspruchs- als auch im Klage- und Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Begehren lediglich auf die Vormerkung der Hochschulzeiten als Anrechnungszeit über den 16.12.1985 hinaus gerichtet. Dies ergibt sich deutlich aus den im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren von ihr selbst formulierten Anträgen in der Klage- bzw Berufungsschrift, die SG und LSG in ihren Entscheidungen, die im Einverständnis der Klägerin ohne mündliche Verhandlung getroffen wurden, zugrunde gelegt haben. Wenn die Klägerin jetzt einwendet, dass es ihr mit der Klage auch um die zuvor festgestellte Pflichtbeitragszeit im Zeitraum vom 1.9.1985 bis 28.2.1986 gegangen sei, hat sie dieses Begehren erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde formuliert, selbst wenn ihr Vortrag in der Klage- und der Berufungsschrift im Rahmen ihrer Rechtserläuterungen diese Problematik am Rande erwähnt.

19

Damit aber kann der Senat offenlassen, ob die Klägerin einen derartigen Klageanspruch überhaupt erhoben hat. Denn aus dem geschilderten Ablauf ergibt sich, dass das LSG entgegen der Ansicht der Klägerin den fraglichen Anspruch erkennbar nicht bewusst ausgeklammert hat (vgl dazu Senatsurteil vom 26.8.1994 - 13 RJ 9/94 - Juris RdNr 32 mwN). Wenn aber das LSG einen Anspruch der Klägerin allenfalls versehentlich übergangen hat, so liegt jedenfalls kein Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor. Vielmehr wäre lediglich die nachträgliche Ergänzung des Berufungsurteils gemäß § 140 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG in Betracht gekommen. Diese hätte innerhalb der Monatsfrist nach seiner Zustellung beantragt werden müssen. Das ist hier nicht geschehen.

20

Ein Verfahrensfehler liegt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht deshalb vor, weil die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 18.1.2011 nicht über die Aufhebung der Pflichtbeitragszeiten entschieden hat. Das Prozesserfordernis des Vorverfahrens nach § 78 Abs 1 SGG ist selbst dann gewahrt, wenn nur über einen Teil der belastenden Regelungen des angefochtenen Verwaltungsakts entschieden worden ist(vgl Senatsbeschluss vom 31.1.2008 - B 13 R 43/07 B - Juris RdNr 7 mwN).

21

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 123 SGG schließlich nicht deshalb verletzt, weil das LSG nicht über die von ihr beantragte Verweisung des Rechtsstreits wegen Amtspflichtverletzung entschieden hat. Selbst wenn die Klägerin erstinstanzlich einen solchen Antrag gestellt hätte, wäre der Rechtsstreit, soweit er - aus nicht näher dargelegten Gründen - einen Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte betreffen sollte, nicht zu verweisen gewesen. Wie der Senat bereits entschieden hat, darf ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Teilverweisung an das Zivilgericht vornehmen. Denn einerseits kennt das GVG keine Teilverweisung, andererseits steht der Verweisung des gesamten Rechtsstreits (Streitgegenstands) der Grundsatz entgegen, dass eine solche nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist (wie hier für den Anspruch auf Vormerkung von Hochschulzeiten). Deshalb ist auch von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte gemäß § 17a Abs 2 GVG abzusehen(vgl Senatsbeschlüsse vom 31.10.2012 - B 13 R 437/11 B - Juris RdNr 10; vom 20.10.2010 - BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 23 mwN).

22

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
nichtrechtsfähige Personenvereinigungen,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt,
4.
gemeinsame Entscheidungsgremien von Leistungserbringern und Krankenkassen oder Pflegekassen.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.

(2) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:


für den Geburtsjahrgangerfolgt eine Anhebung um Monateauf Vollendung eines Lebensalters von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(3) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

(3a) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für den Zeitraum, in dem sie

1.
in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 57 des Neunten Buches) oder bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60 des Neunten Buches) das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder
2.
in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung (§ 61a des Neunten Buches) erhalten.

(4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab 5.8.2005.

2

Der 1947 geborene Kläger bezieht eine Erwerbsminderungsrente. Er ist Inhaber einer Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert zum 1.10.2005 in Höhe von 7938,60 Euro, für die Beiträge in Höhe von 8911,23 Euro eingezahlt wurden. Mit dem Versicherungsunternehmen wurde ab 12.9.2005 ein unwiderruflicher Verwertungsausschluss vereinbart, wonach eine "Verwertung der Ansprüche aus dem Vertrag vor dem Ruhestand in Höhe von zurzeit 11 600 Euro, maximal 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens 13 000 Euro pro Person, vertraglich ausgeschlossen" sei. Noch vor der Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses, am 5.8.2005, hatte er bei dem Beklagten (ergänzend) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragt. Der Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf den Rückkaufswert der Lebensversicherung mangels Bedürftigkeit ab (Bescheid vom 20.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 6.12.2005).

3

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4.9.2006; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21.5.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger könne seinen notwendigen Lebensunterhalt neben der zu berücksichtigenden Erwerbsminderungsrente durch die Verwertung der Lebensversicherung decken. Der Verwertung der Lebensversicherung stehe, soweit der Rückkaufswert über den Freibetrag in Höhe von 2600 Euro hinausgehe, § 90 Abs 2 SGB XII nicht entgegen, und sie bedeute für den Kläger auch keine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII. Eine solche werde nicht durch die von dem Kläger behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung begründet, weil kein hierzu erforderlicher atypischer Lebenssachverhalt vorliege. Auch die Höhe des Rückkaufswertes im Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen rechtfertige nicht die Annahme einer Härte. Der Rückkaufswert zum 1.10.2005 bleibe um knapp 11 % hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurück. Der damit verbundene wirtschaftliche Verlust sei nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sei zu entnehmen, dass eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit noch nicht erreicht sei, wenn der Rückkaufswert um 12,9 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe. Ohnedies bestehe im Rahmen des SGB XII eine weiter gehende Verwertungsobliegenheit. Ob der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu folgen sei, wonach eine Härte selbst dann nicht vorliege, wenn der Rückkaufswert um mehr als die Hälfte hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe, könne offen bleiben. Soweit der Kläger mit dem Versicherungsunternehmen einen zivilrechtlich wirksamen Verwertungsausschluss vereinbart habe, rechtfertige dies nur eine darlehensweise Gewährung von Leistungen, die der Kläger indes ausdrücklich abgelehnt habe. Das danach einzusetzende Vermögen stehe der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegen, bis es verbraucht sei. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs sei mit der Rechtsnatur der Sozialhilfe nicht vereinbar.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 90 Abs 3 SGB XII. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Rahmen des SGB II sei eine Härte zu bejahen. Ein Härtefall liege vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, weil seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweise. Er habe angesichts seiner Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben können.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.12.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 5.8.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Zuschuss zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG), die es dem Senat ermöglichen, die Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB XII zu prüfen. Das LSG hat sich in seiner Entscheidung allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Kläger verwertbares Vermögen besitzt. Auch die hierzu getroffenen Feststellungen genügen allerdings nicht, um einen Leistungsanspruch zu verneinen.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG)vom 6.12.2005 - einer Beteiligung sozial erfahrener Dritter (§ 116 Abs 2 SGB XII) bedurfte es insoweit nach § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (HAG/SGB XII) vom 20.12.2004 (GVBl I, 488, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Hessischen OFFENSIV-Gesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 10.6.2011 - GVBl I 302) nicht -, mit dem Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgelehnt wurden. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Streitbefangen ist (nur) der Zeitraum ab Antragstellung am 5.8.2005. Über den Zeitraum vom 1. bis zum 4.8.2005 ist trotz der Vorschrift des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wonach bei der Erstbewilligung der Bewilligungszeitraum am Ersten des Monats beginnt, in dem der Antrag gestellt worden ist, nicht zu befinden, weil der Kläger seinen Klageantrag ausdrücklich auf die Zeit ab 5.8.2005 beschränkt hat. Wird eine Leistung - wie hier - ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt, ist über die gesamte bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu befinden (BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8 mwN), und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen (etwa des mit dem Versicherungsunternehmen vereinbarten Verwertungsausschlusses ab 12.9.2005, dazu s unten), es sei denn, der Kläger hat zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII gestellt. Dann hätte sich der angefochtene Bescheid für die von einem auf diesen Antrag ergangenen neuen Bescheid (der nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG würde) erfasste Zeit erledigt(BSG aaO).

10

Nach § 19 Abs 2 SGB XII(ursprünglich idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) iVm § 41 SGB XII(ursprünglich in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003 - aaO -, ab 7.12.2006 in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes vom 20.4.2007 - aaO - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes vom 24.3.2011 - aaO) können Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 65. Lebensjahr bzw die angehobene Altersgrenze vollendet haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhalten.

11

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist schon nicht zu entnehmen, ob der Kläger, der im maßgebenden Zeitraum die für eine Leistungsberechtigung erforderliche Altersgrenze nicht erreicht hat, dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Entsprechende Feststellungen sind auch nicht im Hinblick auf den Bezug der Erwerbsminderungsrente entbehrlich. Allein aus dem Leistungsbezug kann weder geschlossen werden, dass das Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich gesunken ist (§ 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI), noch dass die Erwerbsminderung auf Dauer besteht. Selbst wenn der Rentenversicherungsträger nach § 45 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB XII(ursprünglich idF des Gesetzes vom 27.12.2003, aaO, und ab 1.1.2008 des Gesetzes vom 20.4.2007, aaO) bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 1 und 2 SGB XII(idF des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 24.9.2008 - BGBl I 1856 - und ab 1.1.2011 in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 - BGBl I 1112) mit Bindungswirkung für den Sozialhilfeträger auf dessen Ersuchen die medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung prüft oder - was ein Ersuchen des Rentenversicherungsträgers entbehrlich macht (§ 45 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB XII bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 3 Nr 1 SGB XII) - schon im Rahmen eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente entsprechende Feststellungen getroffen wurden, ist daran das Gericht nicht gebunden (BSGE 106, 62 ff RdNr 14 ff, insbesondere 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; Blüggel in juris PraxisKommentar SGB XII , § 45 SGB XII RdNr 40). Soweit Leistungen (allein) mangels Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung ausscheiden sollten, kommt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen allerdings nachrangig (§ 19 Abs 2 Satz 3 bzw ab 1.1.2011 § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1).

12

Ob der Kläger seinen notwendigen Lebensunterhalt aus Einkommen (§§ 82 bis 84 SGB XII)und Vermögen (§ 90 SGB XII)beschaffen kann, kann der Senat anhand der Feststellung des LSG ebenfalls nur eingeschränkt prüfen. Die Erwerbsminderungsrente ist jedenfalls als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen. Mangels entsprechender Feststellungen des LSG kann aber keine Aussage darüber getroffen werden, ob und in welcher Höhe Absetzbeträge nach § 82 Abs 2 SGB XII (hier insbesondere nach Nr 3) Berücksichtigung finden können.

13

Ob die Kapitallebensversicherung als Vermögen zu berücksichtigen ist, lässt sich ebenso wenig abschließend beurteilen. Nach § 90 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, aaO) ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw Ansprüche gegen Dritte (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3), soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind. Vermögen des Klägers ist damit zum einen sein Hauptleistungsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen aus der Kapitallebensversicherung zum Zeitpunkt ihres Ablaufs am 1.8.2012, zum anderen sind Vermögen auch alle aus dieser vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung dieses Vertrags, etwa durch eine Kündigung (zum maßgebenden Zeitpunkt s unten).

14

Ob diese Ansprüche im Sinne der gesetzlichen Regelung verwertbar sind, beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Beide Aspekte verlangen darüber hinaus eine Berücksichtigung der zeitlichen Dimension, innerhalb der das Vermögen (voraussichtlich) verwertet werden kann (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3; Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 36 und § 91 SGB XII RdNr 11; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 90 SGB XII RdNr 17; Brühl/Geiger in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII § 90 SGB XII RdNr 10). Kann der Vermögensinhaber das Vermögen nicht in angemessener Zeit verwerten, verfügt er nicht über bereite Mittel (vgl auch zum SGB II BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 21 f). Feststellungen des LSG zu der Frage der Verwertbarkeit der Lebensversicherung fehlen. Das LSG ist wegen des vereinbarten Verwertungsausschlusses offensichtlich davon ausgegangen, dass die Lebensversicherung zwar nicht sofort verwertet werden kann, dies aber im Hinblick auf die Regelung des § 91 SGB XII nichts an ihrer Berücksichtigung ändert, sondern nur zu einer darlehensweisen Gewährung der Leistungen führt. Dem ist im Hinblick auf das genannte zeitliche Moment nur dann zu folgen, wenn eine Verwertung in absehbarer Zeit erfolgen kann.

15

Nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG ist von einer generellen Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II auszugehen, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist danach im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II(BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 23), mit der Folge, dass nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts eine neue Prognoseentscheidung ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu treffen ist (BSG aaO). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat mit der Maßgabe an, dass wegen der gesteigerten Verwertungsobliegenheit für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf den gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB XII) abzustellen ist, der dann allerdings auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt den Maßstab bilden muss, etwa wenn wegen eines Leistungsausschlusses nach § 41 Abs 4 SGB XII nur diese Leistung in Betracht kommt(dazu siehe unten). Darüber hinaus greift das Zeitmoment nicht nur in den Fällen, in denen völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, sondern auch dann, wenn zwar konkret feststeht, wann über den Vermögenswert verfügt werden kann (Fälligkeit, Kündigung …), der Zeitpunkt aber außerhalb eines angemessenen Zeitrahmens liegt, in welchem noch der Einsatz bereiter Mittel angenommen werden kann. Ob in diesen Fällen ebenfalls ein Zeitraum von zwölf Monaten oder - wofür einiges spricht - abhängig vom Einzelfall ein in der Regel deutlich längerer Zeitabschnitt zugrunde zu legen ist, bedarf erst nach Feststellung entsprechender Umstände einer Entscheidung.

16

Angesichts des vereinbarten Verwertungsausschlusses ist bei der Frage der Verwertbarkeit und des maßgebenden Zeitrahmens jedenfalls zwischen dem Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss und dem sich daran anschließenden Zeitraum ab 12.9.2005 zu unterscheiden. Bis zum 11.9.2005 kommt als Verwertungsalternative insbesondere die Kündigung des Versicherungsvertrages, bei der der Rückkaufswert von der Versicherung ausgekehrt wird, oder die Beleihung der Lebensversicherung in Betracht. Die Verwertung hätte insoweit wohl auch in absehbarer Zeit erfolgen können; das LSG mag dies ggf verifizieren.

17

Für die Zeit ab 12.9.2005 scheidet eine Kündigung des Versicherungsvertrages aus. Der Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz(VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; jetzt § 168 VVG) erfasst aber nur die vorzeitige Kündigung der Kapitallebensversicherung vor dem Eintritt in den Ruhestand und rechtfertigt nicht den Schluss einer (generellen) Unverwertbarkeit iS des § 90 Abs 1 SGB XII; denn das Vermögen ist auch dann verwertbar, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 20). Der Vereinbarung zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Kläger ist nicht zu entnehmen, dass auch eine Verwertung Dritten gegenüber - etwa durch Verkauf (privatrechtliche Abtretung der Forderung gegen die Versicherung) oder Beleihung der Lebensversicherung - ausgeschlossen ist, der Kläger also in der Verfügung über seine Forderung generell und nicht nur gegen das Versicherungsunternehmen beschränkt ist und er eine etwaige Aufhebung der Beschränkung auch nicht erreichen könnte. Das LSG wird deshalb weitere von dem Verwertungsausschluss nicht erfasste Verwertungsmöglichkeiten zu prüfen haben. Ob allerdings für solche Verwertungsmöglichkeiten die Prognose getroffen werden kann, dass die Verwertung in einem angemessenen Zeitraum (siehe oben) möglich ist, bleibt den weiteren Ermittlungen des LSG vorbehalten.

18

Das Verwertungsverbot führt - anders als im Recht des SGB II (§ 12 Abs 2 Nr 3 SGB II) -auch nicht zu einer Privilegierung des der Altersvorsorge dienenden Vermögens. § 90 SGB XII kennt keine entsprechende Regelung. Es bedarf insoweit auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen zum Zwecke der Harmonisierung der beiden Grundsicherungssysteme einer Heranziehung der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 SGB XII(vgl etwa zu diesem Gesichtspunkt BSGE 100, 139 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4). Sinn und Zweck der Verschonung solchen Vermögens im SGB II ist es, erwerbsfähige Hilfebedürftige, die sich nur für einen (in der Regel) überschaubaren Zeitraum im Leistungsbezug befinden, davor zu schützen, dass sie Vermögen, das sie (nachweislich) für ihre Altersvorsorge bestimmt haben, vorher zum Bestreiten des Lebensunterhalts einsetzen müssen (BT-Drucks 15/1749, S 31; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 47). Die Situation im SGB XII gestaltet sich schon deshalb anders, weil der Sozialhilfe - insbesondere die hier im Streit stehenden Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII - beziehende Personenkreis wegen Alters oder Behinderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und schon deshalb (typisierend) keine Rechtfertigung existiert, gerade für solche Lebensabschnitte angespartes Vermögen zu verschonen.

19

Soweit das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der mit dem Versicherungsunternehmen getroffenen Vereinbarung eine Verwertung der Lebensversicherung ausgeschlossen ist und das Vermögen auch nicht nach § 90 Abs 3 SGB XII privilegiert wäre(dazu unten), wird es zu prüfen haben, ob - unterstellt, die Voraussetzungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung liegen im Übrigen vor - ein Leistungsanspruch nach § 41 Abs 4 SGB XII ausscheidet. Die Regelung sieht einen Leistungsausschluss für Personen vor, die in den letzten zehn Jahren die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. Der vom LSG festgestellte Sachverhalt könnte es nahelegen, diese Voraussetzungen zu bejahen. Ein etwaiger Leistungsausschluss erstreckt sich allerdings nicht auf die dann ggf zu erbringende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Hier wäre dann nur zu prüfen, ob der Anspruch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nach § 26 Abs 1 Nr 1 SGB XII einzuschränken ist ("soll"). Ggf kann auch Kostenersatz nach § 103 SGB XII verlangt werden.

20

Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass das Vermögen rechtlich und tatsächlich verwertbar ist, unterfällt es - unabhängig davon, in welcher Form eine Verwertung erfolgen kann - nicht dem Katalog geschützter Vermögensgüter des § 90 Abs 2 SGB XII. Nach § 90 Abs 2 Nr 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes dient. Die Regelung setzt schon ihrem Wortlaut nach voraus, dass das Vermögen aus öffentlichen Mitteln stammt. Hierzu zählen zB Aufbaudarlehen nach dem Lastenausgleichsgesetz. Aus öffentlichen Mitteln ist eine Zuwendung dann gewährt, wenn ihre Zahlung den Haushalt des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts belastet (vgl nur Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 50). Hieran fehlt es.

21

Die Lebensversicherung ist auch kein Schonvermögen nach § 90 Abs 2 Nr 2 SGB XII. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Kapitals einschließlich seiner Erträge abhängig gemacht werden, das der zusätzlichen Altersvorsorge iS des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Das Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient, ist nur insoweit geschützt, als es aus staatlich geförderten Beiträgen im Sinne des Altersvermögensgesetzes gebildet wurde. Zusätzliche Kapitalanlagen folgen den allgemeinen Regelungen, dh, der Sozialhilfeträger hat zu prüfen, ob der Einsatz des Vermögens eine Härte darstellen würde (BT-Drucks 14/4595, S 72 zu Art 8 Nr 4; zur Härte siehe im Folgenden). Bei der von dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherung handelt es sich jedenfalls nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich zur Altersvorsorge gefördertes Vermögen. Erforderlich ist insoweit nach geltendem Recht zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz(AltZertG vom 26.6.2001 - BGBl I 1322) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R - juris RdNr 20).

22

Ob die Verwertung der Lebensversicherung eine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII darstellen würde, lässt sich wiederum nicht abschließend beurteilen. Auch hier wird das LSG zwischen den Zeiträumen vor und nach Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss sowie der Form der Verwertung der Lebensversicherung unterscheiden müssen. Nach § 90 Abs 3 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Der Begriff der Härte ist zunächst im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen nach § 90 Abs 2 SGB XII zu sehen, dh, das Ziel der Härtevorschrift muss in Einklang mit den Bestimmungen über das Schonvermögen stehen, nämlich dem Sozialhilfeempfänger einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten(BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15), um ihn soweit wie möglich auch zu befähigen, unabhängig von Sozialhilfeleistungen zu leben (vgl § 1 Satz 2 SGB XII). Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es als unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regelt § 90 Abs 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 90 Abs 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen(BSG aaO; BVerwGE 23, 149, 158 f). Eine Härte liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (BSG aaO; BVerwGE 32, 89, 93).

23

Der Einsatz einer Kapitallebensversicherung zur Bestreitung des Lebensunterhalts ist jedoch ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände kein derartiger atypischer Sachverhalt im Sinne von § 90 Abs 3 SGB XII. Hierfür genügt nicht schon der Umstand, dass die Kapitallebensversicherung der Altersvorsorge zu dienen bestimmt ist (subjektive Zweckbestimmung). Hätte der Gesetzgeber Kapitallebensversicherungen, die der Altersversorgung dienen, von einer Verwertung ausnehmen wollen, hätte er dies in § 90 Abs 2 SGB XII geregelt. Demnach sind nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen. Bei einer Kumulation von Risiken und Belastungen kann es naheliegen, vom Vorliegen einer Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII auszugehen(so zum Recht des SGB II BSGE 103, 146 RdNr 21 = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei genügt es aber nicht - wie der Kläger meint - darauf hinzuweisen, dass er wegen der Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben könne; denn dies ist für den Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII beansprucht und noch nicht die maßgebende Altersgrenze erreicht hat, nicht nur typisch, sondern sogar zwingend. Ob darüber hinaus Umstände vorliegen, die bei einer Gesamtschau den Schluss auf eine Härte zulassen, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Insbesondere kann bei einem langjährig Selbstständigen, der von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist und privat Vorsorge betreiben und die mit den Not- und Wechselfällen des Lebens verbundenen Risiken selbst absichern muss, der Zwang zur Verwertung der Lebensversicherung bei Häufung belastender Umstände (Versorgungslücke, Behinderung, gesundheitliche Leistungsfähigkeit, Lebensalter, Ausbildung, atypische Erwerbsbiografie) eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII darstellen(BSGE 103, 146 ff RdNr 20 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei ist im Einzelfall auch die Höhe der ggf nur ergänzend zu erbringenden Sozialhilfe, deren voraussichtliche Dauer und eine etwa bestehende Möglichkeit, von Sozialhilfeleistungen unabhängig zu sein, mit einzubeziehen (Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 105).

24

Soweit es den Ertrag aus der zu verwertenden Lebensversicherung betrifft, kann auf deren Rückkaufswert nur für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss abgestellt werden. Insoweit ist das LSG auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Härte nicht allein dadurch begründet wird, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung geringer ist als die eingezahlten Beiträge. Es ist zwar kein Grund ersichtlich, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte bei der Härteregelung gänzlich außen vor zu lassen (BSGE 100, 131 RdNr 25 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3); diese rechtfertigen aber - jedenfalls bezogen auf den Rückkaufswert - vorliegend nicht die Annahme einer Härte. Ob hierbei die Kriterien, die zum Arbeitslosenhilferecht und zum SGB II für die Verwertung von Lebensversicherungen entwickelt worden sind (BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2 RdNr 13; SozR 4-4200 § 12 Nr 5 RdNr 12, 20, 21 und 23 mwN), zu übernehmen sind, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung, weil der Verlust bei Verwertung der Lebensversicherung durch Auszahlung des Rückkaufswertes nach den Feststellungen des LSG von etwas über 10 vH - bezogen auf die eingezahlten Beträge - liegt, sodass die für die Annahme einer Härte erforderliche Schwelle auch nach der Rechtsprechung zum SGB II nicht überschritten wird. Der 14. Senat des BSG hat die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II bei einem Verlust von 12,9 % noch nicht als erreicht angesehen(BSGE 100, 196 ff RdNr 34 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8). Zudem ist im Rahmen des SGB XII - wovon das LSG zu Recht ausgeht - ein strengerer Maßstab beim Vermögenseinsatz als im SGB II anzulegen, weil - anders als dort - typisierend davon auszugehen ist, dass der Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII bezieht, angesichts fehlender Erwerbsmöglichkeiten im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nicht nur vorübergehend auf die Leistungen angewiesen ist und von ihm - wie bereits ausgeführt - deshalb der Einsatz von Vermögen in gesteigertem Maß erwartet werden kann. Dies zeigen auch die im SGB II gegenüber § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII deutlich höheren Freibeträge. Deshalb hat die Rechtsprechung des BVerwG unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das die Unwirtschaftlichkeit der Verwertung in § 88 Abs 3 BSHG wie auch § 90 Abs 3 SGB XII nicht ausdrücklich erwähnte, einen besonders strengen Maßstab angelegt(BVerwGE 106, 105, 110; 121, 34, 35 ff).

25

Welchen Ertrag der Kläger für die Zeit ab 12.9.2005 im Falle einer möglichen Verwertung erzielen kann sowie in welcher Form eine solche Verwertung ab diesem Zeitpunkt realistischerweise erwartet werden kann, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob jedenfalls beginnend mit der Vereinbarung des Verwertungsausschlusses eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII anzunehmen ist. Dies gilt auch deshalb, weil bei der Härtefallprüfung auch die Umstände eine Rolle spielen, die ggf zur Anwendung des § 90 Abs 3 SGB XII führen (hier der Verwertungsausschluss), und deshalb die Gewährung von Leistungen erst ermöglichen. Wie bereits erwähnt, führt das vorsätzliche bzw grob fahrlässige Herbeiführen der Leistungsvoraussetzungen (§ 103 Abs 1 SGB XII) anders als bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht zu einem Entfallen des Leistungsanspruchs, sondern nur zu einer Erstattungspflicht (aufgrund eines Bescheids). Wenn der Kläger den Verwertungsausschluss allerdings in der Absicht (direkter Vorsatz) vereinbart hätte, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, muss die § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII innewohnende Wertung des Gesetzes in die Prüfung der Härte mit einfließen, ohne dass es - wie ansonsten für eine Absenkung erforderlich - eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedürfte(vgl dazu BSGE 100, 131 ff RdNr 23 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, auch zur Berücksichtigung des § 103 SGB XII im Rahmen der Unwirtschaftlichkeit als Härtefall). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (ohne die notwendigen tatsächlichen Feststellungen) ist es untunlich, darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Härte unter Berücksichtigung eines (im Vergleich zum SGB II) im Recht des SGB XII anzulegenden strengeren Maßstabs beim Vermögenseinsatz vorliegt und inwieweit unter der Geltung des SGB XII ggf der Rechtsprechung des BVerwG zu folgen ist.

26

Der Verwertbarkeit der Lebensversicherung wird allerdings - unabhängig in welcher Form sie erfolgt - durch § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII eine Grenze gesetzt. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Nach § 96 Abs 2 SGB XII kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (, heute das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Höhe der Barbeträge oder sonstigen Geldwerte im Sinne dieser Vorschrift bestimmen. Hiervon hat das BMGS mit der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des SGB XII(DV § 90 SGB XII; BGBl I 1988, 150, hier idF des Art 15 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) Gebrauch gemacht und nach § 1 DV § 90 SGB XII Grundfreibeträge vorgesehen.

27

Nur soweit der (Rückkaufs-)Wert der Lebensversicherung den für den Kläger geltenden Grundfreibetrag übersteigt, unterfällt das Vermögen der Verwertung. Maßgebender Stichtag ist dabei der 5.8.2005, der Tag, ab dem Sozialhilfe geltend gemacht wird, nicht aber - wovon das LSG ausgegangen ist - der Rückkaufswert zum 1.10.2005. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben. Steht der konkrete Wert der Lebensversicherung zum Stichtag und damit auch der über den Schonbetrag des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII hinausgehende Betrag fest, scheidet für die Folgezeit nach dem 5.8.2005 ein fiktiver Verbrauch von Vermögenswerten in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage aus (BVerwGE 106, 105 ff); dies bedeutet, dass das Vermögen so lange zu berücksichtigen ist, als es noch vorhanden und nicht bis zur Grenze des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII verbraucht wurde. Spätere Änderungen (etwa das Verwertungsverbot ab 12.9.2005), die eine Verwertung erschweren oder einen geringeren bzw höheren Ertrag bei der Verwertung des Vermögens zur Folge haben, also Einfluss auf den Wert des Vermögens nehmen, sind dabei allerdings zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt im Übrigen nur, wenn im Bedarfszeitraum Sozialhilfe als Darlehen erbracht wird; dann muss die Gewährung der Sozialhilfe in Form eines Darlehens ein Ende finden, wenn die Belastungen den Verkehrswert des Vermögensgegenstandes erreichen (BVerwGE 47, 103, 113). Denn anderenfalls stünde der Darlehensnehmer schlechter als derjenige, der sein Vermögen verwertet und im Anschluss daran Hilfe zum Lebensunterhalt erhält. Ein Darlehen hat der Kläger aber nicht in Anspruch genommen, sondern ausdrücklich abgelehnt.

28

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

(1) Leistungen nach diesem Kapitel werden auf Antrag erbracht. Gesondert zu beantragen sind Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 Nummer 2 in Verbindung mit den §§ 31 und 33 sowie zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 in Verbindung mit § 34 Absatz 5 und nach § 42 Nummer 5.

(2) Ein Antrag nach Absatz 1 wirkt auf den Ersten des Kalendermonats zurück, in dem er gestellt wird, wenn die Voraussetzungen des § 41 innerhalb dieses Kalendermonats erfüllt werden. Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden vorbehaltlich Absatz 4 Satz 2 nicht für Zeiten vor dem sich nach Satz 1 ergebenden Kalendermonat erbracht.

(3) Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 werden in der Regel für einen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten bewilligt. Sofern über den Leistungsanspruch nach § 44a vorläufig entschieden wird, soll der Bewilligungszeitraum nach Satz 1 auf höchstens sechs Monate verkürzt werden. Bei einer Bewilligung nach dem Bezug von Bürgergeld nach dem Zweiten Buch, der mit Erreichen der Altersgrenze nach § 7a des Zweiten Buches endet, beginnt der Bewilligungszeitraum erst mit dem Ersten des Monats, der auf den sich nach § 7a des Zweiten Buches ergebenden Monat folgt.

(4) Leistungen zur Deckung von wiederkehrenden Bedarfen nach § 42 Nummer 1, 2 und 4 werden monatlich im Voraus erbracht. Für Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 42 Nummer 3 sind die §§ 34a und 34b anzuwenden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab 5.8.2005.

2

Der 1947 geborene Kläger bezieht eine Erwerbsminderungsrente. Er ist Inhaber einer Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert zum 1.10.2005 in Höhe von 7938,60 Euro, für die Beiträge in Höhe von 8911,23 Euro eingezahlt wurden. Mit dem Versicherungsunternehmen wurde ab 12.9.2005 ein unwiderruflicher Verwertungsausschluss vereinbart, wonach eine "Verwertung der Ansprüche aus dem Vertrag vor dem Ruhestand in Höhe von zurzeit 11 600 Euro, maximal 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens 13 000 Euro pro Person, vertraglich ausgeschlossen" sei. Noch vor der Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses, am 5.8.2005, hatte er bei dem Beklagten (ergänzend) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragt. Der Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf den Rückkaufswert der Lebensversicherung mangels Bedürftigkeit ab (Bescheid vom 20.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 6.12.2005).

3

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4.9.2006; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21.5.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger könne seinen notwendigen Lebensunterhalt neben der zu berücksichtigenden Erwerbsminderungsrente durch die Verwertung der Lebensversicherung decken. Der Verwertung der Lebensversicherung stehe, soweit der Rückkaufswert über den Freibetrag in Höhe von 2600 Euro hinausgehe, § 90 Abs 2 SGB XII nicht entgegen, und sie bedeute für den Kläger auch keine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII. Eine solche werde nicht durch die von dem Kläger behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung begründet, weil kein hierzu erforderlicher atypischer Lebenssachverhalt vorliege. Auch die Höhe des Rückkaufswertes im Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen rechtfertige nicht die Annahme einer Härte. Der Rückkaufswert zum 1.10.2005 bleibe um knapp 11 % hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurück. Der damit verbundene wirtschaftliche Verlust sei nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sei zu entnehmen, dass eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit noch nicht erreicht sei, wenn der Rückkaufswert um 12,9 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe. Ohnedies bestehe im Rahmen des SGB XII eine weiter gehende Verwertungsobliegenheit. Ob der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu folgen sei, wonach eine Härte selbst dann nicht vorliege, wenn der Rückkaufswert um mehr als die Hälfte hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe, könne offen bleiben. Soweit der Kläger mit dem Versicherungsunternehmen einen zivilrechtlich wirksamen Verwertungsausschluss vereinbart habe, rechtfertige dies nur eine darlehensweise Gewährung von Leistungen, die der Kläger indes ausdrücklich abgelehnt habe. Das danach einzusetzende Vermögen stehe der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegen, bis es verbraucht sei. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs sei mit der Rechtsnatur der Sozialhilfe nicht vereinbar.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 90 Abs 3 SGB XII. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Rahmen des SGB II sei eine Härte zu bejahen. Ein Härtefall liege vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, weil seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweise. Er habe angesichts seiner Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben können.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.12.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 5.8.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Zuschuss zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG), die es dem Senat ermöglichen, die Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB XII zu prüfen. Das LSG hat sich in seiner Entscheidung allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Kläger verwertbares Vermögen besitzt. Auch die hierzu getroffenen Feststellungen genügen allerdings nicht, um einen Leistungsanspruch zu verneinen.

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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG)vom 6.12.2005 - einer Beteiligung sozial erfahrener Dritter (§ 116 Abs 2 SGB XII) bedurfte es insoweit nach § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (HAG/SGB XII) vom 20.12.2004 (GVBl I, 488, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Hessischen OFFENSIV-Gesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 10.6.2011 - GVBl I 302) nicht -, mit dem Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgelehnt wurden. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Streitbefangen ist (nur) der Zeitraum ab Antragstellung am 5.8.2005. Über den Zeitraum vom 1. bis zum 4.8.2005 ist trotz der Vorschrift des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wonach bei der Erstbewilligung der Bewilligungszeitraum am Ersten des Monats beginnt, in dem der Antrag gestellt worden ist, nicht zu befinden, weil der Kläger seinen Klageantrag ausdrücklich auf die Zeit ab 5.8.2005 beschränkt hat. Wird eine Leistung - wie hier - ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt, ist über die gesamte bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu befinden (BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8 mwN), und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen (etwa des mit dem Versicherungsunternehmen vereinbarten Verwertungsausschlusses ab 12.9.2005, dazu s unten), es sei denn, der Kläger hat zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII gestellt. Dann hätte sich der angefochtene Bescheid für die von einem auf diesen Antrag ergangenen neuen Bescheid (der nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG würde) erfasste Zeit erledigt(BSG aaO).

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Nach § 19 Abs 2 SGB XII(ursprünglich idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) iVm § 41 SGB XII(ursprünglich in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003 - aaO -, ab 7.12.2006 in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes vom 20.4.2007 - aaO - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes vom 24.3.2011 - aaO) können Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 65. Lebensjahr bzw die angehobene Altersgrenze vollendet haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhalten.

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Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist schon nicht zu entnehmen, ob der Kläger, der im maßgebenden Zeitraum die für eine Leistungsberechtigung erforderliche Altersgrenze nicht erreicht hat, dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Entsprechende Feststellungen sind auch nicht im Hinblick auf den Bezug der Erwerbsminderungsrente entbehrlich. Allein aus dem Leistungsbezug kann weder geschlossen werden, dass das Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich gesunken ist (§ 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI), noch dass die Erwerbsminderung auf Dauer besteht. Selbst wenn der Rentenversicherungsträger nach § 45 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB XII(ursprünglich idF des Gesetzes vom 27.12.2003, aaO, und ab 1.1.2008 des Gesetzes vom 20.4.2007, aaO) bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 1 und 2 SGB XII(idF des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 24.9.2008 - BGBl I 1856 - und ab 1.1.2011 in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 - BGBl I 1112) mit Bindungswirkung für den Sozialhilfeträger auf dessen Ersuchen die medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung prüft oder - was ein Ersuchen des Rentenversicherungsträgers entbehrlich macht (§ 45 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB XII bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 3 Nr 1 SGB XII) - schon im Rahmen eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente entsprechende Feststellungen getroffen wurden, ist daran das Gericht nicht gebunden (BSGE 106, 62 ff RdNr 14 ff, insbesondere 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; Blüggel in juris PraxisKommentar SGB XII , § 45 SGB XII RdNr 40). Soweit Leistungen (allein) mangels Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung ausscheiden sollten, kommt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen allerdings nachrangig (§ 19 Abs 2 Satz 3 bzw ab 1.1.2011 § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1).

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Ob der Kläger seinen notwendigen Lebensunterhalt aus Einkommen (§§ 82 bis 84 SGB XII)und Vermögen (§ 90 SGB XII)beschaffen kann, kann der Senat anhand der Feststellung des LSG ebenfalls nur eingeschränkt prüfen. Die Erwerbsminderungsrente ist jedenfalls als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen. Mangels entsprechender Feststellungen des LSG kann aber keine Aussage darüber getroffen werden, ob und in welcher Höhe Absetzbeträge nach § 82 Abs 2 SGB XII (hier insbesondere nach Nr 3) Berücksichtigung finden können.

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Ob die Kapitallebensversicherung als Vermögen zu berücksichtigen ist, lässt sich ebenso wenig abschließend beurteilen. Nach § 90 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, aaO) ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw Ansprüche gegen Dritte (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3), soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind. Vermögen des Klägers ist damit zum einen sein Hauptleistungsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen aus der Kapitallebensversicherung zum Zeitpunkt ihres Ablaufs am 1.8.2012, zum anderen sind Vermögen auch alle aus dieser vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung dieses Vertrags, etwa durch eine Kündigung (zum maßgebenden Zeitpunkt s unten).

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Ob diese Ansprüche im Sinne der gesetzlichen Regelung verwertbar sind, beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Beide Aspekte verlangen darüber hinaus eine Berücksichtigung der zeitlichen Dimension, innerhalb der das Vermögen (voraussichtlich) verwertet werden kann (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3; Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 36 und § 91 SGB XII RdNr 11; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 90 SGB XII RdNr 17; Brühl/Geiger in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII § 90 SGB XII RdNr 10). Kann der Vermögensinhaber das Vermögen nicht in angemessener Zeit verwerten, verfügt er nicht über bereite Mittel (vgl auch zum SGB II BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 21 f). Feststellungen des LSG zu der Frage der Verwertbarkeit der Lebensversicherung fehlen. Das LSG ist wegen des vereinbarten Verwertungsausschlusses offensichtlich davon ausgegangen, dass die Lebensversicherung zwar nicht sofort verwertet werden kann, dies aber im Hinblick auf die Regelung des § 91 SGB XII nichts an ihrer Berücksichtigung ändert, sondern nur zu einer darlehensweisen Gewährung der Leistungen führt. Dem ist im Hinblick auf das genannte zeitliche Moment nur dann zu folgen, wenn eine Verwertung in absehbarer Zeit erfolgen kann.

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Nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG ist von einer generellen Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II auszugehen, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist danach im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II(BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 23), mit der Folge, dass nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts eine neue Prognoseentscheidung ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu treffen ist (BSG aaO). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat mit der Maßgabe an, dass wegen der gesteigerten Verwertungsobliegenheit für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf den gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB XII) abzustellen ist, der dann allerdings auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt den Maßstab bilden muss, etwa wenn wegen eines Leistungsausschlusses nach § 41 Abs 4 SGB XII nur diese Leistung in Betracht kommt(dazu siehe unten). Darüber hinaus greift das Zeitmoment nicht nur in den Fällen, in denen völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, sondern auch dann, wenn zwar konkret feststeht, wann über den Vermögenswert verfügt werden kann (Fälligkeit, Kündigung …), der Zeitpunkt aber außerhalb eines angemessenen Zeitrahmens liegt, in welchem noch der Einsatz bereiter Mittel angenommen werden kann. Ob in diesen Fällen ebenfalls ein Zeitraum von zwölf Monaten oder - wofür einiges spricht - abhängig vom Einzelfall ein in der Regel deutlich längerer Zeitabschnitt zugrunde zu legen ist, bedarf erst nach Feststellung entsprechender Umstände einer Entscheidung.

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Angesichts des vereinbarten Verwertungsausschlusses ist bei der Frage der Verwertbarkeit und des maßgebenden Zeitrahmens jedenfalls zwischen dem Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss und dem sich daran anschließenden Zeitraum ab 12.9.2005 zu unterscheiden. Bis zum 11.9.2005 kommt als Verwertungsalternative insbesondere die Kündigung des Versicherungsvertrages, bei der der Rückkaufswert von der Versicherung ausgekehrt wird, oder die Beleihung der Lebensversicherung in Betracht. Die Verwertung hätte insoweit wohl auch in absehbarer Zeit erfolgen können; das LSG mag dies ggf verifizieren.

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Für die Zeit ab 12.9.2005 scheidet eine Kündigung des Versicherungsvertrages aus. Der Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz(VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; jetzt § 168 VVG) erfasst aber nur die vorzeitige Kündigung der Kapitallebensversicherung vor dem Eintritt in den Ruhestand und rechtfertigt nicht den Schluss einer (generellen) Unverwertbarkeit iS des § 90 Abs 1 SGB XII; denn das Vermögen ist auch dann verwertbar, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 20). Der Vereinbarung zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Kläger ist nicht zu entnehmen, dass auch eine Verwertung Dritten gegenüber - etwa durch Verkauf (privatrechtliche Abtretung der Forderung gegen die Versicherung) oder Beleihung der Lebensversicherung - ausgeschlossen ist, der Kläger also in der Verfügung über seine Forderung generell und nicht nur gegen das Versicherungsunternehmen beschränkt ist und er eine etwaige Aufhebung der Beschränkung auch nicht erreichen könnte. Das LSG wird deshalb weitere von dem Verwertungsausschluss nicht erfasste Verwertungsmöglichkeiten zu prüfen haben. Ob allerdings für solche Verwertungsmöglichkeiten die Prognose getroffen werden kann, dass die Verwertung in einem angemessenen Zeitraum (siehe oben) möglich ist, bleibt den weiteren Ermittlungen des LSG vorbehalten.

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Das Verwertungsverbot führt - anders als im Recht des SGB II (§ 12 Abs 2 Nr 3 SGB II) -auch nicht zu einer Privilegierung des der Altersvorsorge dienenden Vermögens. § 90 SGB XII kennt keine entsprechende Regelung. Es bedarf insoweit auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen zum Zwecke der Harmonisierung der beiden Grundsicherungssysteme einer Heranziehung der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 SGB XII(vgl etwa zu diesem Gesichtspunkt BSGE 100, 139 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4). Sinn und Zweck der Verschonung solchen Vermögens im SGB II ist es, erwerbsfähige Hilfebedürftige, die sich nur für einen (in der Regel) überschaubaren Zeitraum im Leistungsbezug befinden, davor zu schützen, dass sie Vermögen, das sie (nachweislich) für ihre Altersvorsorge bestimmt haben, vorher zum Bestreiten des Lebensunterhalts einsetzen müssen (BT-Drucks 15/1749, S 31; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 47). Die Situation im SGB XII gestaltet sich schon deshalb anders, weil der Sozialhilfe - insbesondere die hier im Streit stehenden Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII - beziehende Personenkreis wegen Alters oder Behinderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und schon deshalb (typisierend) keine Rechtfertigung existiert, gerade für solche Lebensabschnitte angespartes Vermögen zu verschonen.

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Soweit das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der mit dem Versicherungsunternehmen getroffenen Vereinbarung eine Verwertung der Lebensversicherung ausgeschlossen ist und das Vermögen auch nicht nach § 90 Abs 3 SGB XII privilegiert wäre(dazu unten), wird es zu prüfen haben, ob - unterstellt, die Voraussetzungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung liegen im Übrigen vor - ein Leistungsanspruch nach § 41 Abs 4 SGB XII ausscheidet. Die Regelung sieht einen Leistungsausschluss für Personen vor, die in den letzten zehn Jahren die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. Der vom LSG festgestellte Sachverhalt könnte es nahelegen, diese Voraussetzungen zu bejahen. Ein etwaiger Leistungsausschluss erstreckt sich allerdings nicht auf die dann ggf zu erbringende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Hier wäre dann nur zu prüfen, ob der Anspruch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nach § 26 Abs 1 Nr 1 SGB XII einzuschränken ist ("soll"). Ggf kann auch Kostenersatz nach § 103 SGB XII verlangt werden.

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Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass das Vermögen rechtlich und tatsächlich verwertbar ist, unterfällt es - unabhängig davon, in welcher Form eine Verwertung erfolgen kann - nicht dem Katalog geschützter Vermögensgüter des § 90 Abs 2 SGB XII. Nach § 90 Abs 2 Nr 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes dient. Die Regelung setzt schon ihrem Wortlaut nach voraus, dass das Vermögen aus öffentlichen Mitteln stammt. Hierzu zählen zB Aufbaudarlehen nach dem Lastenausgleichsgesetz. Aus öffentlichen Mitteln ist eine Zuwendung dann gewährt, wenn ihre Zahlung den Haushalt des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts belastet (vgl nur Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 50). Hieran fehlt es.

21

Die Lebensversicherung ist auch kein Schonvermögen nach § 90 Abs 2 Nr 2 SGB XII. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Kapitals einschließlich seiner Erträge abhängig gemacht werden, das der zusätzlichen Altersvorsorge iS des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Das Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient, ist nur insoweit geschützt, als es aus staatlich geförderten Beiträgen im Sinne des Altersvermögensgesetzes gebildet wurde. Zusätzliche Kapitalanlagen folgen den allgemeinen Regelungen, dh, der Sozialhilfeträger hat zu prüfen, ob der Einsatz des Vermögens eine Härte darstellen würde (BT-Drucks 14/4595, S 72 zu Art 8 Nr 4; zur Härte siehe im Folgenden). Bei der von dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherung handelt es sich jedenfalls nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich zur Altersvorsorge gefördertes Vermögen. Erforderlich ist insoweit nach geltendem Recht zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz(AltZertG vom 26.6.2001 - BGBl I 1322) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R - juris RdNr 20).

22

Ob die Verwertung der Lebensversicherung eine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII darstellen würde, lässt sich wiederum nicht abschließend beurteilen. Auch hier wird das LSG zwischen den Zeiträumen vor und nach Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss sowie der Form der Verwertung der Lebensversicherung unterscheiden müssen. Nach § 90 Abs 3 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Der Begriff der Härte ist zunächst im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen nach § 90 Abs 2 SGB XII zu sehen, dh, das Ziel der Härtevorschrift muss in Einklang mit den Bestimmungen über das Schonvermögen stehen, nämlich dem Sozialhilfeempfänger einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten(BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15), um ihn soweit wie möglich auch zu befähigen, unabhängig von Sozialhilfeleistungen zu leben (vgl § 1 Satz 2 SGB XII). Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es als unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regelt § 90 Abs 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 90 Abs 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen(BSG aaO; BVerwGE 23, 149, 158 f). Eine Härte liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (BSG aaO; BVerwGE 32, 89, 93).

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Der Einsatz einer Kapitallebensversicherung zur Bestreitung des Lebensunterhalts ist jedoch ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände kein derartiger atypischer Sachverhalt im Sinne von § 90 Abs 3 SGB XII. Hierfür genügt nicht schon der Umstand, dass die Kapitallebensversicherung der Altersvorsorge zu dienen bestimmt ist (subjektive Zweckbestimmung). Hätte der Gesetzgeber Kapitallebensversicherungen, die der Altersversorgung dienen, von einer Verwertung ausnehmen wollen, hätte er dies in § 90 Abs 2 SGB XII geregelt. Demnach sind nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen. Bei einer Kumulation von Risiken und Belastungen kann es naheliegen, vom Vorliegen einer Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII auszugehen(so zum Recht des SGB II BSGE 103, 146 RdNr 21 = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei genügt es aber nicht - wie der Kläger meint - darauf hinzuweisen, dass er wegen der Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben könne; denn dies ist für den Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII beansprucht und noch nicht die maßgebende Altersgrenze erreicht hat, nicht nur typisch, sondern sogar zwingend. Ob darüber hinaus Umstände vorliegen, die bei einer Gesamtschau den Schluss auf eine Härte zulassen, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Insbesondere kann bei einem langjährig Selbstständigen, der von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist und privat Vorsorge betreiben und die mit den Not- und Wechselfällen des Lebens verbundenen Risiken selbst absichern muss, der Zwang zur Verwertung der Lebensversicherung bei Häufung belastender Umstände (Versorgungslücke, Behinderung, gesundheitliche Leistungsfähigkeit, Lebensalter, Ausbildung, atypische Erwerbsbiografie) eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII darstellen(BSGE 103, 146 ff RdNr 20 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei ist im Einzelfall auch die Höhe der ggf nur ergänzend zu erbringenden Sozialhilfe, deren voraussichtliche Dauer und eine etwa bestehende Möglichkeit, von Sozialhilfeleistungen unabhängig zu sein, mit einzubeziehen (Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 105).

24

Soweit es den Ertrag aus der zu verwertenden Lebensversicherung betrifft, kann auf deren Rückkaufswert nur für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss abgestellt werden. Insoweit ist das LSG auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Härte nicht allein dadurch begründet wird, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung geringer ist als die eingezahlten Beiträge. Es ist zwar kein Grund ersichtlich, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte bei der Härteregelung gänzlich außen vor zu lassen (BSGE 100, 131 RdNr 25 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3); diese rechtfertigen aber - jedenfalls bezogen auf den Rückkaufswert - vorliegend nicht die Annahme einer Härte. Ob hierbei die Kriterien, die zum Arbeitslosenhilferecht und zum SGB II für die Verwertung von Lebensversicherungen entwickelt worden sind (BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2 RdNr 13; SozR 4-4200 § 12 Nr 5 RdNr 12, 20, 21 und 23 mwN), zu übernehmen sind, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung, weil der Verlust bei Verwertung der Lebensversicherung durch Auszahlung des Rückkaufswertes nach den Feststellungen des LSG von etwas über 10 vH - bezogen auf die eingezahlten Beträge - liegt, sodass die für die Annahme einer Härte erforderliche Schwelle auch nach der Rechtsprechung zum SGB II nicht überschritten wird. Der 14. Senat des BSG hat die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II bei einem Verlust von 12,9 % noch nicht als erreicht angesehen(BSGE 100, 196 ff RdNr 34 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8). Zudem ist im Rahmen des SGB XII - wovon das LSG zu Recht ausgeht - ein strengerer Maßstab beim Vermögenseinsatz als im SGB II anzulegen, weil - anders als dort - typisierend davon auszugehen ist, dass der Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII bezieht, angesichts fehlender Erwerbsmöglichkeiten im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nicht nur vorübergehend auf die Leistungen angewiesen ist und von ihm - wie bereits ausgeführt - deshalb der Einsatz von Vermögen in gesteigertem Maß erwartet werden kann. Dies zeigen auch die im SGB II gegenüber § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII deutlich höheren Freibeträge. Deshalb hat die Rechtsprechung des BVerwG unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das die Unwirtschaftlichkeit der Verwertung in § 88 Abs 3 BSHG wie auch § 90 Abs 3 SGB XII nicht ausdrücklich erwähnte, einen besonders strengen Maßstab angelegt(BVerwGE 106, 105, 110; 121, 34, 35 ff).

25

Welchen Ertrag der Kläger für die Zeit ab 12.9.2005 im Falle einer möglichen Verwertung erzielen kann sowie in welcher Form eine solche Verwertung ab diesem Zeitpunkt realistischerweise erwartet werden kann, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob jedenfalls beginnend mit der Vereinbarung des Verwertungsausschlusses eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII anzunehmen ist. Dies gilt auch deshalb, weil bei der Härtefallprüfung auch die Umstände eine Rolle spielen, die ggf zur Anwendung des § 90 Abs 3 SGB XII führen (hier der Verwertungsausschluss), und deshalb die Gewährung von Leistungen erst ermöglichen. Wie bereits erwähnt, führt das vorsätzliche bzw grob fahrlässige Herbeiführen der Leistungsvoraussetzungen (§ 103 Abs 1 SGB XII) anders als bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht zu einem Entfallen des Leistungsanspruchs, sondern nur zu einer Erstattungspflicht (aufgrund eines Bescheids). Wenn der Kläger den Verwertungsausschluss allerdings in der Absicht (direkter Vorsatz) vereinbart hätte, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, muss die § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII innewohnende Wertung des Gesetzes in die Prüfung der Härte mit einfließen, ohne dass es - wie ansonsten für eine Absenkung erforderlich - eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedürfte(vgl dazu BSGE 100, 131 ff RdNr 23 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, auch zur Berücksichtigung des § 103 SGB XII im Rahmen der Unwirtschaftlichkeit als Härtefall). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (ohne die notwendigen tatsächlichen Feststellungen) ist es untunlich, darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Härte unter Berücksichtigung eines (im Vergleich zum SGB II) im Recht des SGB XII anzulegenden strengeren Maßstabs beim Vermögenseinsatz vorliegt und inwieweit unter der Geltung des SGB XII ggf der Rechtsprechung des BVerwG zu folgen ist.

26

Der Verwertbarkeit der Lebensversicherung wird allerdings - unabhängig in welcher Form sie erfolgt - durch § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII eine Grenze gesetzt. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Nach § 96 Abs 2 SGB XII kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (, heute das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Höhe der Barbeträge oder sonstigen Geldwerte im Sinne dieser Vorschrift bestimmen. Hiervon hat das BMGS mit der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des SGB XII(DV § 90 SGB XII; BGBl I 1988, 150, hier idF des Art 15 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) Gebrauch gemacht und nach § 1 DV § 90 SGB XII Grundfreibeträge vorgesehen.

27

Nur soweit der (Rückkaufs-)Wert der Lebensversicherung den für den Kläger geltenden Grundfreibetrag übersteigt, unterfällt das Vermögen der Verwertung. Maßgebender Stichtag ist dabei der 5.8.2005, der Tag, ab dem Sozialhilfe geltend gemacht wird, nicht aber - wovon das LSG ausgegangen ist - der Rückkaufswert zum 1.10.2005. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben. Steht der konkrete Wert der Lebensversicherung zum Stichtag und damit auch der über den Schonbetrag des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII hinausgehende Betrag fest, scheidet für die Folgezeit nach dem 5.8.2005 ein fiktiver Verbrauch von Vermögenswerten in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage aus (BVerwGE 106, 105 ff); dies bedeutet, dass das Vermögen so lange zu berücksichtigen ist, als es noch vorhanden und nicht bis zur Grenze des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII verbraucht wurde. Spätere Änderungen (etwa das Verwertungsverbot ab 12.9.2005), die eine Verwertung erschweren oder einen geringeren bzw höheren Ertrag bei der Verwertung des Vermögens zur Folge haben, also Einfluss auf den Wert des Vermögens nehmen, sind dabei allerdings zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt im Übrigen nur, wenn im Bedarfszeitraum Sozialhilfe als Darlehen erbracht wird; dann muss die Gewährung der Sozialhilfe in Form eines Darlehens ein Ende finden, wenn die Belastungen den Verkehrswert des Vermögensgegenstandes erreichen (BVerwGE 47, 103, 113). Denn anderenfalls stünde der Darlehensnehmer schlechter als derjenige, der sein Vermögen verwertet und im Anschluss daran Hilfe zum Lebensunterhalt erhält. Ein Darlehen hat der Kläger aber nicht in Anspruch genommen, sondern ausdrücklich abgelehnt.

28

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teil eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat.

Der Nießbrauch erlischt mit dem Tode des Nießbrauchers. Steht der Nießbrauch einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zu, so erlischt er mit dieser.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab 5.8.2005.

2

Der 1947 geborene Kläger bezieht eine Erwerbsminderungsrente. Er ist Inhaber einer Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert zum 1.10.2005 in Höhe von 7938,60 Euro, für die Beiträge in Höhe von 8911,23 Euro eingezahlt wurden. Mit dem Versicherungsunternehmen wurde ab 12.9.2005 ein unwiderruflicher Verwertungsausschluss vereinbart, wonach eine "Verwertung der Ansprüche aus dem Vertrag vor dem Ruhestand in Höhe von zurzeit 11 600 Euro, maximal 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens 13 000 Euro pro Person, vertraglich ausgeschlossen" sei. Noch vor der Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses, am 5.8.2005, hatte er bei dem Beklagten (ergänzend) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragt. Der Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf den Rückkaufswert der Lebensversicherung mangels Bedürftigkeit ab (Bescheid vom 20.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 6.12.2005).

3

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 4.9.2006; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21.5.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger könne seinen notwendigen Lebensunterhalt neben der zu berücksichtigenden Erwerbsminderungsrente durch die Verwertung der Lebensversicherung decken. Der Verwertung der Lebensversicherung stehe, soweit der Rückkaufswert über den Freibetrag in Höhe von 2600 Euro hinausgehe, § 90 Abs 2 SGB XII nicht entgegen, und sie bedeute für den Kläger auch keine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII. Eine solche werde nicht durch die von dem Kläger behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung begründet, weil kein hierzu erforderlicher atypischer Lebenssachverhalt vorliege. Auch die Höhe des Rückkaufswertes im Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen rechtfertige nicht die Annahme einer Härte. Der Rückkaufswert zum 1.10.2005 bleibe um knapp 11 % hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurück. Der damit verbundene wirtschaftliche Verlust sei nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sei zu entnehmen, dass eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit noch nicht erreicht sei, wenn der Rückkaufswert um 12,9 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe. Ohnedies bestehe im Rahmen des SGB XII eine weiter gehende Verwertungsobliegenheit. Ob der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu folgen sei, wonach eine Härte selbst dann nicht vorliege, wenn der Rückkaufswert um mehr als die Hälfte hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe, könne offen bleiben. Soweit der Kläger mit dem Versicherungsunternehmen einen zivilrechtlich wirksamen Verwertungsausschluss vereinbart habe, rechtfertige dies nur eine darlehensweise Gewährung von Leistungen, die der Kläger indes ausdrücklich abgelehnt habe. Das danach einzusetzende Vermögen stehe der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegen, bis es verbraucht sei. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs sei mit der Rechtsnatur der Sozialhilfe nicht vereinbar.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 90 Abs 3 SGB XII. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Rahmen des SGB II sei eine Härte zu bejahen. Ein Härtefall liege vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, weil seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweise. Er habe angesichts seiner Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben können.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.12.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 5.8.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Zuschuss zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG), die es dem Senat ermöglichen, die Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB XII zu prüfen. Das LSG hat sich in seiner Entscheidung allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Kläger verwertbares Vermögen besitzt. Auch die hierzu getroffenen Feststellungen genügen allerdings nicht, um einen Leistungsanspruch zu verneinen.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG)vom 6.12.2005 - einer Beteiligung sozial erfahrener Dritter (§ 116 Abs 2 SGB XII) bedurfte es insoweit nach § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (HAG/SGB XII) vom 20.12.2004 (GVBl I, 488, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Hessischen OFFENSIV-Gesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 10.6.2011 - GVBl I 302) nicht -, mit dem Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgelehnt wurden. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Streitbefangen ist (nur) der Zeitraum ab Antragstellung am 5.8.2005. Über den Zeitraum vom 1. bis zum 4.8.2005 ist trotz der Vorschrift des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wonach bei der Erstbewilligung der Bewilligungszeitraum am Ersten des Monats beginnt, in dem der Antrag gestellt worden ist, nicht zu befinden, weil der Kläger seinen Klageantrag ausdrücklich auf die Zeit ab 5.8.2005 beschränkt hat. Wird eine Leistung - wie hier - ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt, ist über die gesamte bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu befinden (BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8 mwN), und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen (etwa des mit dem Versicherungsunternehmen vereinbarten Verwertungsausschlusses ab 12.9.2005, dazu s unten), es sei denn, der Kläger hat zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII gestellt. Dann hätte sich der angefochtene Bescheid für die von einem auf diesen Antrag ergangenen neuen Bescheid (der nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG würde) erfasste Zeit erledigt(BSG aaO).

10

Nach § 19 Abs 2 SGB XII(ursprünglich idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) iVm § 41 SGB XII(ursprünglich in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003 - aaO -, ab 7.12.2006 in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes vom 20.4.2007 - aaO - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes vom 24.3.2011 - aaO) können Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 65. Lebensjahr bzw die angehobene Altersgrenze vollendet haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhalten.

11

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist schon nicht zu entnehmen, ob der Kläger, der im maßgebenden Zeitraum die für eine Leistungsberechtigung erforderliche Altersgrenze nicht erreicht hat, dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Entsprechende Feststellungen sind auch nicht im Hinblick auf den Bezug der Erwerbsminderungsrente entbehrlich. Allein aus dem Leistungsbezug kann weder geschlossen werden, dass das Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich gesunken ist (§ 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI), noch dass die Erwerbsminderung auf Dauer besteht. Selbst wenn der Rentenversicherungsträger nach § 45 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB XII(ursprünglich idF des Gesetzes vom 27.12.2003, aaO, und ab 1.1.2008 des Gesetzes vom 20.4.2007, aaO) bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 1 und 2 SGB XII(idF des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 24.9.2008 - BGBl I 1856 - und ab 1.1.2011 in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 - BGBl I 1112) mit Bindungswirkung für den Sozialhilfeträger auf dessen Ersuchen die medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung prüft oder - was ein Ersuchen des Rentenversicherungsträgers entbehrlich macht (§ 45 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB XII bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 3 Nr 1 SGB XII) - schon im Rahmen eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente entsprechende Feststellungen getroffen wurden, ist daran das Gericht nicht gebunden (BSGE 106, 62 ff RdNr 14 ff, insbesondere 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; Blüggel in juris PraxisKommentar SGB XII , § 45 SGB XII RdNr 40). Soweit Leistungen (allein) mangels Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung ausscheiden sollten, kommt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen allerdings nachrangig (§ 19 Abs 2 Satz 3 bzw ab 1.1.2011 § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1).

12

Ob der Kläger seinen notwendigen Lebensunterhalt aus Einkommen (§§ 82 bis 84 SGB XII)und Vermögen (§ 90 SGB XII)beschaffen kann, kann der Senat anhand der Feststellung des LSG ebenfalls nur eingeschränkt prüfen. Die Erwerbsminderungsrente ist jedenfalls als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen. Mangels entsprechender Feststellungen des LSG kann aber keine Aussage darüber getroffen werden, ob und in welcher Höhe Absetzbeträge nach § 82 Abs 2 SGB XII (hier insbesondere nach Nr 3) Berücksichtigung finden können.

13

Ob die Kapitallebensversicherung als Vermögen zu berücksichtigen ist, lässt sich ebenso wenig abschließend beurteilen. Nach § 90 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, aaO) ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw Ansprüche gegen Dritte (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3), soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind. Vermögen des Klägers ist damit zum einen sein Hauptleistungsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen aus der Kapitallebensversicherung zum Zeitpunkt ihres Ablaufs am 1.8.2012, zum anderen sind Vermögen auch alle aus dieser vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung dieses Vertrags, etwa durch eine Kündigung (zum maßgebenden Zeitpunkt s unten).

14

Ob diese Ansprüche im Sinne der gesetzlichen Regelung verwertbar sind, beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Beide Aspekte verlangen darüber hinaus eine Berücksichtigung der zeitlichen Dimension, innerhalb der das Vermögen (voraussichtlich) verwertet werden kann (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3; Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 36 und § 91 SGB XII RdNr 11; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 90 SGB XII RdNr 17; Brühl/Geiger in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII § 90 SGB XII RdNr 10). Kann der Vermögensinhaber das Vermögen nicht in angemessener Zeit verwerten, verfügt er nicht über bereite Mittel (vgl auch zum SGB II BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 21 f). Feststellungen des LSG zu der Frage der Verwertbarkeit der Lebensversicherung fehlen. Das LSG ist wegen des vereinbarten Verwertungsausschlusses offensichtlich davon ausgegangen, dass die Lebensversicherung zwar nicht sofort verwertet werden kann, dies aber im Hinblick auf die Regelung des § 91 SGB XII nichts an ihrer Berücksichtigung ändert, sondern nur zu einer darlehensweisen Gewährung der Leistungen führt. Dem ist im Hinblick auf das genannte zeitliche Moment nur dann zu folgen, wenn eine Verwertung in absehbarer Zeit erfolgen kann.

15

Nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG ist von einer generellen Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II auszugehen, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist danach im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II(BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 23), mit der Folge, dass nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts eine neue Prognoseentscheidung ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu treffen ist (BSG aaO). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat mit der Maßgabe an, dass wegen der gesteigerten Verwertungsobliegenheit für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf den gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB XII) abzustellen ist, der dann allerdings auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt den Maßstab bilden muss, etwa wenn wegen eines Leistungsausschlusses nach § 41 Abs 4 SGB XII nur diese Leistung in Betracht kommt(dazu siehe unten). Darüber hinaus greift das Zeitmoment nicht nur in den Fällen, in denen völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, sondern auch dann, wenn zwar konkret feststeht, wann über den Vermögenswert verfügt werden kann (Fälligkeit, Kündigung …), der Zeitpunkt aber außerhalb eines angemessenen Zeitrahmens liegt, in welchem noch der Einsatz bereiter Mittel angenommen werden kann. Ob in diesen Fällen ebenfalls ein Zeitraum von zwölf Monaten oder - wofür einiges spricht - abhängig vom Einzelfall ein in der Regel deutlich längerer Zeitabschnitt zugrunde zu legen ist, bedarf erst nach Feststellung entsprechender Umstände einer Entscheidung.

16

Angesichts des vereinbarten Verwertungsausschlusses ist bei der Frage der Verwertbarkeit und des maßgebenden Zeitrahmens jedenfalls zwischen dem Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss und dem sich daran anschließenden Zeitraum ab 12.9.2005 zu unterscheiden. Bis zum 11.9.2005 kommt als Verwertungsalternative insbesondere die Kündigung des Versicherungsvertrages, bei der der Rückkaufswert von der Versicherung ausgekehrt wird, oder die Beleihung der Lebensversicherung in Betracht. Die Verwertung hätte insoweit wohl auch in absehbarer Zeit erfolgen können; das LSG mag dies ggf verifizieren.

17

Für die Zeit ab 12.9.2005 scheidet eine Kündigung des Versicherungsvertrages aus. Der Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz(VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; jetzt § 168 VVG) erfasst aber nur die vorzeitige Kündigung der Kapitallebensversicherung vor dem Eintritt in den Ruhestand und rechtfertigt nicht den Schluss einer (generellen) Unverwertbarkeit iS des § 90 Abs 1 SGB XII; denn das Vermögen ist auch dann verwertbar, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 20). Der Vereinbarung zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Kläger ist nicht zu entnehmen, dass auch eine Verwertung Dritten gegenüber - etwa durch Verkauf (privatrechtliche Abtretung der Forderung gegen die Versicherung) oder Beleihung der Lebensversicherung - ausgeschlossen ist, der Kläger also in der Verfügung über seine Forderung generell und nicht nur gegen das Versicherungsunternehmen beschränkt ist und er eine etwaige Aufhebung der Beschränkung auch nicht erreichen könnte. Das LSG wird deshalb weitere von dem Verwertungsausschluss nicht erfasste Verwertungsmöglichkeiten zu prüfen haben. Ob allerdings für solche Verwertungsmöglichkeiten die Prognose getroffen werden kann, dass die Verwertung in einem angemessenen Zeitraum (siehe oben) möglich ist, bleibt den weiteren Ermittlungen des LSG vorbehalten.

18

Das Verwertungsverbot führt - anders als im Recht des SGB II (§ 12 Abs 2 Nr 3 SGB II) -auch nicht zu einer Privilegierung des der Altersvorsorge dienenden Vermögens. § 90 SGB XII kennt keine entsprechende Regelung. Es bedarf insoweit auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen zum Zwecke der Harmonisierung der beiden Grundsicherungssysteme einer Heranziehung der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 SGB XII(vgl etwa zu diesem Gesichtspunkt BSGE 100, 139 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4). Sinn und Zweck der Verschonung solchen Vermögens im SGB II ist es, erwerbsfähige Hilfebedürftige, die sich nur für einen (in der Regel) überschaubaren Zeitraum im Leistungsbezug befinden, davor zu schützen, dass sie Vermögen, das sie (nachweislich) für ihre Altersvorsorge bestimmt haben, vorher zum Bestreiten des Lebensunterhalts einsetzen müssen (BT-Drucks 15/1749, S 31; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 47). Die Situation im SGB XII gestaltet sich schon deshalb anders, weil der Sozialhilfe - insbesondere die hier im Streit stehenden Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII - beziehende Personenkreis wegen Alters oder Behinderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und schon deshalb (typisierend) keine Rechtfertigung existiert, gerade für solche Lebensabschnitte angespartes Vermögen zu verschonen.

19

Soweit das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der mit dem Versicherungsunternehmen getroffenen Vereinbarung eine Verwertung der Lebensversicherung ausgeschlossen ist und das Vermögen auch nicht nach § 90 Abs 3 SGB XII privilegiert wäre(dazu unten), wird es zu prüfen haben, ob - unterstellt, die Voraussetzungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung liegen im Übrigen vor - ein Leistungsanspruch nach § 41 Abs 4 SGB XII ausscheidet. Die Regelung sieht einen Leistungsausschluss für Personen vor, die in den letzten zehn Jahren die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. Der vom LSG festgestellte Sachverhalt könnte es nahelegen, diese Voraussetzungen zu bejahen. Ein etwaiger Leistungsausschluss erstreckt sich allerdings nicht auf die dann ggf zu erbringende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Hier wäre dann nur zu prüfen, ob der Anspruch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nach § 26 Abs 1 Nr 1 SGB XII einzuschränken ist ("soll"). Ggf kann auch Kostenersatz nach § 103 SGB XII verlangt werden.

20

Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass das Vermögen rechtlich und tatsächlich verwertbar ist, unterfällt es - unabhängig davon, in welcher Form eine Verwertung erfolgen kann - nicht dem Katalog geschützter Vermögensgüter des § 90 Abs 2 SGB XII. Nach § 90 Abs 2 Nr 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes dient. Die Regelung setzt schon ihrem Wortlaut nach voraus, dass das Vermögen aus öffentlichen Mitteln stammt. Hierzu zählen zB Aufbaudarlehen nach dem Lastenausgleichsgesetz. Aus öffentlichen Mitteln ist eine Zuwendung dann gewährt, wenn ihre Zahlung den Haushalt des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts belastet (vgl nur Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 50). Hieran fehlt es.

21

Die Lebensversicherung ist auch kein Schonvermögen nach § 90 Abs 2 Nr 2 SGB XII. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Kapitals einschließlich seiner Erträge abhängig gemacht werden, das der zusätzlichen Altersvorsorge iS des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Das Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient, ist nur insoweit geschützt, als es aus staatlich geförderten Beiträgen im Sinne des Altersvermögensgesetzes gebildet wurde. Zusätzliche Kapitalanlagen folgen den allgemeinen Regelungen, dh, der Sozialhilfeträger hat zu prüfen, ob der Einsatz des Vermögens eine Härte darstellen würde (BT-Drucks 14/4595, S 72 zu Art 8 Nr 4; zur Härte siehe im Folgenden). Bei der von dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherung handelt es sich jedenfalls nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich zur Altersvorsorge gefördertes Vermögen. Erforderlich ist insoweit nach geltendem Recht zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz(AltZertG vom 26.6.2001 - BGBl I 1322) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R - juris RdNr 20).

22

Ob die Verwertung der Lebensversicherung eine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII darstellen würde, lässt sich wiederum nicht abschließend beurteilen. Auch hier wird das LSG zwischen den Zeiträumen vor und nach Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss sowie der Form der Verwertung der Lebensversicherung unterscheiden müssen. Nach § 90 Abs 3 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Der Begriff der Härte ist zunächst im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen nach § 90 Abs 2 SGB XII zu sehen, dh, das Ziel der Härtevorschrift muss in Einklang mit den Bestimmungen über das Schonvermögen stehen, nämlich dem Sozialhilfeempfänger einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten(BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15), um ihn soweit wie möglich auch zu befähigen, unabhängig von Sozialhilfeleistungen zu leben (vgl § 1 Satz 2 SGB XII). Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es als unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regelt § 90 Abs 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 90 Abs 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen(BSG aaO; BVerwGE 23, 149, 158 f). Eine Härte liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (BSG aaO; BVerwGE 32, 89, 93).

23

Der Einsatz einer Kapitallebensversicherung zur Bestreitung des Lebensunterhalts ist jedoch ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände kein derartiger atypischer Sachverhalt im Sinne von § 90 Abs 3 SGB XII. Hierfür genügt nicht schon der Umstand, dass die Kapitallebensversicherung der Altersvorsorge zu dienen bestimmt ist (subjektive Zweckbestimmung). Hätte der Gesetzgeber Kapitallebensversicherungen, die der Altersversorgung dienen, von einer Verwertung ausnehmen wollen, hätte er dies in § 90 Abs 2 SGB XII geregelt. Demnach sind nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen. Bei einer Kumulation von Risiken und Belastungen kann es naheliegen, vom Vorliegen einer Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII auszugehen(so zum Recht des SGB II BSGE 103, 146 RdNr 21 = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei genügt es aber nicht - wie der Kläger meint - darauf hinzuweisen, dass er wegen der Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben könne; denn dies ist für den Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII beansprucht und noch nicht die maßgebende Altersgrenze erreicht hat, nicht nur typisch, sondern sogar zwingend. Ob darüber hinaus Umstände vorliegen, die bei einer Gesamtschau den Schluss auf eine Härte zulassen, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Insbesondere kann bei einem langjährig Selbstständigen, der von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist und privat Vorsorge betreiben und die mit den Not- und Wechselfällen des Lebens verbundenen Risiken selbst absichern muss, der Zwang zur Verwertung der Lebensversicherung bei Häufung belastender Umstände (Versorgungslücke, Behinderung, gesundheitliche Leistungsfähigkeit, Lebensalter, Ausbildung, atypische Erwerbsbiografie) eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII darstellen(BSGE 103, 146 ff RdNr 20 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei ist im Einzelfall auch die Höhe der ggf nur ergänzend zu erbringenden Sozialhilfe, deren voraussichtliche Dauer und eine etwa bestehende Möglichkeit, von Sozialhilfeleistungen unabhängig zu sein, mit einzubeziehen (Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 105).

24

Soweit es den Ertrag aus der zu verwertenden Lebensversicherung betrifft, kann auf deren Rückkaufswert nur für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss abgestellt werden. Insoweit ist das LSG auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Härte nicht allein dadurch begründet wird, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung geringer ist als die eingezahlten Beiträge. Es ist zwar kein Grund ersichtlich, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte bei der Härteregelung gänzlich außen vor zu lassen (BSGE 100, 131 RdNr 25 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3); diese rechtfertigen aber - jedenfalls bezogen auf den Rückkaufswert - vorliegend nicht die Annahme einer Härte. Ob hierbei die Kriterien, die zum Arbeitslosenhilferecht und zum SGB II für die Verwertung von Lebensversicherungen entwickelt worden sind (BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2 RdNr 13; SozR 4-4200 § 12 Nr 5 RdNr 12, 20, 21 und 23 mwN), zu übernehmen sind, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung, weil der Verlust bei Verwertung der Lebensversicherung durch Auszahlung des Rückkaufswertes nach den Feststellungen des LSG von etwas über 10 vH - bezogen auf die eingezahlten Beträge - liegt, sodass die für die Annahme einer Härte erforderliche Schwelle auch nach der Rechtsprechung zum SGB II nicht überschritten wird. Der 14. Senat des BSG hat die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II bei einem Verlust von 12,9 % noch nicht als erreicht angesehen(BSGE 100, 196 ff RdNr 34 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8). Zudem ist im Rahmen des SGB XII - wovon das LSG zu Recht ausgeht - ein strengerer Maßstab beim Vermögenseinsatz als im SGB II anzulegen, weil - anders als dort - typisierend davon auszugehen ist, dass der Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII bezieht, angesichts fehlender Erwerbsmöglichkeiten im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nicht nur vorübergehend auf die Leistungen angewiesen ist und von ihm - wie bereits ausgeführt - deshalb der Einsatz von Vermögen in gesteigertem Maß erwartet werden kann. Dies zeigen auch die im SGB II gegenüber § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII deutlich höheren Freibeträge. Deshalb hat die Rechtsprechung des BVerwG unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das die Unwirtschaftlichkeit der Verwertung in § 88 Abs 3 BSHG wie auch § 90 Abs 3 SGB XII nicht ausdrücklich erwähnte, einen besonders strengen Maßstab angelegt(BVerwGE 106, 105, 110; 121, 34, 35 ff).

25

Welchen Ertrag der Kläger für die Zeit ab 12.9.2005 im Falle einer möglichen Verwertung erzielen kann sowie in welcher Form eine solche Verwertung ab diesem Zeitpunkt realistischerweise erwartet werden kann, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob jedenfalls beginnend mit der Vereinbarung des Verwertungsausschlusses eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII anzunehmen ist. Dies gilt auch deshalb, weil bei der Härtefallprüfung auch die Umstände eine Rolle spielen, die ggf zur Anwendung des § 90 Abs 3 SGB XII führen (hier der Verwertungsausschluss), und deshalb die Gewährung von Leistungen erst ermöglichen. Wie bereits erwähnt, führt das vorsätzliche bzw grob fahrlässige Herbeiführen der Leistungsvoraussetzungen (§ 103 Abs 1 SGB XII) anders als bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht zu einem Entfallen des Leistungsanspruchs, sondern nur zu einer Erstattungspflicht (aufgrund eines Bescheids). Wenn der Kläger den Verwertungsausschluss allerdings in der Absicht (direkter Vorsatz) vereinbart hätte, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, muss die § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII innewohnende Wertung des Gesetzes in die Prüfung der Härte mit einfließen, ohne dass es - wie ansonsten für eine Absenkung erforderlich - eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedürfte(vgl dazu BSGE 100, 131 ff RdNr 23 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, auch zur Berücksichtigung des § 103 SGB XII im Rahmen der Unwirtschaftlichkeit als Härtefall). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (ohne die notwendigen tatsächlichen Feststellungen) ist es untunlich, darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Härte unter Berücksichtigung eines (im Vergleich zum SGB II) im Recht des SGB XII anzulegenden strengeren Maßstabs beim Vermögenseinsatz vorliegt und inwieweit unter der Geltung des SGB XII ggf der Rechtsprechung des BVerwG zu folgen ist.

26

Der Verwertbarkeit der Lebensversicherung wird allerdings - unabhängig in welcher Form sie erfolgt - durch § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII eine Grenze gesetzt. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Nach § 96 Abs 2 SGB XII kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (, heute das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Höhe der Barbeträge oder sonstigen Geldwerte im Sinne dieser Vorschrift bestimmen. Hiervon hat das BMGS mit der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des SGB XII(DV § 90 SGB XII; BGBl I 1988, 150, hier idF des Art 15 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) Gebrauch gemacht und nach § 1 DV § 90 SGB XII Grundfreibeträge vorgesehen.

27

Nur soweit der (Rückkaufs-)Wert der Lebensversicherung den für den Kläger geltenden Grundfreibetrag übersteigt, unterfällt das Vermögen der Verwertung. Maßgebender Stichtag ist dabei der 5.8.2005, der Tag, ab dem Sozialhilfe geltend gemacht wird, nicht aber - wovon das LSG ausgegangen ist - der Rückkaufswert zum 1.10.2005. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben. Steht der konkrete Wert der Lebensversicherung zum Stichtag und damit auch der über den Schonbetrag des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII hinausgehende Betrag fest, scheidet für die Folgezeit nach dem 5.8.2005 ein fiktiver Verbrauch von Vermögenswerten in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage aus (BVerwGE 106, 105 ff); dies bedeutet, dass das Vermögen so lange zu berücksichtigen ist, als es noch vorhanden und nicht bis zur Grenze des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII verbraucht wurde. Spätere Änderungen (etwa das Verwertungsverbot ab 12.9.2005), die eine Verwertung erschweren oder einen geringeren bzw höheren Ertrag bei der Verwertung des Vermögens zur Folge haben, also Einfluss auf den Wert des Vermögens nehmen, sind dabei allerdings zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt im Übrigen nur, wenn im Bedarfszeitraum Sozialhilfe als Darlehen erbracht wird; dann muss die Gewährung der Sozialhilfe in Form eines Darlehens ein Ende finden, wenn die Belastungen den Verkehrswert des Vermögensgegenstandes erreichen (BVerwGE 47, 103, 113). Denn anderenfalls stünde der Darlehensnehmer schlechter als derjenige, der sein Vermögen verwertet und im Anschluss daran Hilfe zum Lebensunterhalt erhält. Ein Darlehen hat der Kläger aber nicht in Anspruch genommen, sondern ausdrücklich abgelehnt.

28

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für Verbraucherdarlehensverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist. Verbraucherdarlehensverträge sind Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.

(2) Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge,

1.
bei denen der Nettodarlehensbetrag (Artikel 247 § 3 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) weniger als 200 Euro beträgt,
2.
bei denen sich die Haftung des Darlehensnehmers auf eine dem Darlehensgeber zum Pfand übergebene Sache beschränkt,
3.
bei denen der Darlehensnehmer das Darlehen binnen drei Monaten zurückzuzahlen hat und nur geringe Kosten vereinbart sind,
4.
die von Arbeitgebern mit ihren Arbeitnehmern als Nebenleistung zum Arbeitsvertrag zu einem niedrigeren als dem marktüblichen effektiven Jahreszins (§ 6 der Preisangabenverordnung) abgeschlossen werden und anderen Personen nicht angeboten werden,
5.
die nur mit einem begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen werden, wenn im Vertrag für den Darlehensnehmer günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart sind,
6.
bei denen es sich um Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge oder Immobilienverzehrkreditverträge gemäß Absatz 3 handelt.

(3) Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer, die

1.
durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sind oder
2.
für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind.
Keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 4. Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 ist nur § 491a Absatz 4 anwendbar. Keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind Immobilienverzehrkreditverträge, bei denen der Kreditgeber
1.
pauschale oder regelmäßige Zahlungen leistet oder andere Formen der Kreditauszahlung vornimmt und im Gegenzug nur einen Betrag aus dem künftigen Erlös des Verkaufs einer Wohnimmobilie erhält oder ein Recht an einer Wohnimmobilie erwirbt und
2.
erst nach dem Tod des Verbrauchers eine Rückzahlung fordert, außer der Verbraucher verstößt gegen die Vertragsbestimmungen, was dem Kreditgeber erlaubt, den Vertrag zu kündigen.

(4) § 358 Abs. 2 und 4 sowie die §§ 491a bis 495 und 505a bis 505e sind nicht auf Darlehensverträge anzuwenden, die in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes gerichtliches Protokoll aufgenommen oder durch einen gerichtlichen Beschluss über das Zustandekommen und den Inhalt eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt sind, wenn in das Protokoll oder den Beschluss der Sollzinssatz, die bei Abschluss des Vertrags in Rechnung gestellten Kosten des Darlehens sowie die Voraussetzungen aufgenommen worden sind, unter denen der Sollzinssatz oder die Kosten angepasst werden können.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 582/12
vom
6. Februar 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Vergütungsanspruch des Betreuers richtet sich gegen die Staatskasse, wenn
der Betreute im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung mittellos ist.
Für den Umfang des dem Betreuer gemäß § 5 VBVG zu vergütenden Zeitaufwands
ist demgegenüber darauf abzustellen, ob der Betreute im Vergütungszeitraum
mittellos war.

b) Zum Einsatz eines Hausgrundstücks im Rahmen des § 1836 c BGB iVm § 90
Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - XII ZB 582/12 - LG Kassel
AG Kassel
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 24. September 2012 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden Betreuer) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - ihm zugestellt am 9. Januar 2012 - zum berufsmäßigen Betreuer des Betroffenen u.a. für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt.
2
Mit Schreiben vom 12. April 2012 übersandte er dem Amtsgericht das Vermögensverzeichnis zum Stichtag vom 9. Januar 2012. Nach diesem Verzeichnis verfügte der Betroffene über eine Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung von 11.056,71 € und über ein selbst genutztes Wohnhaus nebst ehemaliger Gaststätte, das nach Schätzung des Betroffenen einen Wert von ca. 60.000 € hat, den der Betreuer im Hinblick auf den gegenwärtigen Erhaltungszustand des Hauses für überhöht hält.
3
Nachdem der Betreuer den Landkreis Kassel, der dem Betroffenen seit 1. Februar 2008 Leistungen der Grundsicherung nach dem vierten Kapitel des SGB XII erbrachte, am 29. März 2012 von dem Bestehen der Lebensversicherung in Kenntnis gesetzt hatte, kündigte der Landkreis mit Schreiben vom 30. März 2012 die Rücknahme der bis dahin erbrachten Leistungen an. Mit Bescheid vom 20. April 2012, der bei dem Betreuer am 21. April 2012 einging, forderte der Landkreis die bis dahin zu Unrecht gewährten Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 17.997,80 € zurück unter Beschränkung der Rückforderung auf den aktuellen Abrechnungsbetrag der rückzukaufenden Lebensversicherung.
4
Der Betreuer beantragte am 12. April 2012 für die Zeit vom 10. Januar 2012 bis 9. April 2012 die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 1.122 €. Dabei ging er davon aus, dass der Betroffene im Vergütungszeitraum vermögend war und nicht in einem Heim lebte.
5
Das Amtsgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 (im Folgenden Staatskasse) hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG), und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
7
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Betreuer stehe für den geltend gemachten Zeitraum vom 10. Januar 2012 bis 9. April 2012 der beantragte Stundenansatz von 8,5 Stunden gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VBVG zu, da der nicht in einem Heim lebende Betroffene vermögend sei. Er habe bis zur Rückforderung des in der Lebensversicherung gebundenen Kapitals von ca. 11.000 € im April 2012 über Sparvermögen verfügt. Der Umstand, dass der Rückzahlungsanspruch des Sozialleistungsträgers bereits im Abrechnungszeitraum dem Grunde nach bestanden habe, führe nicht dazu, dass bei der Berechnung der Vergütung des Betreuers von einer Mittellosigkeit des Betreuten ausgegangen werden müsse. Denn bei der Ermittlung des Vermögensstandes finde eine Saldierung des Aktivvermögens mit den Verbindlichkeiten nicht statt.
8
Zudem unterfalle das Hausgrundstück nicht dem Schonvermögen. Gemäß § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII zähle zum Schonvermögen lediglich ein angemessenes Hausgrundstück, das vom Betroffenen selbst oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt werde und nach dem Tode des Betroffenen von seinen Angehörigen bewohnt werden solle. Für die letztgenannte Voraussetzung sei hier nichts ersichtlich.
9
Obwohl der Betroffene im Hinblick auf die Verwertbarkeit des Hausgrundstücks vermögend sei, könne der Beteiligte zu 1 seine Vergütung aus der Staatskasse verlangen. Diese habe in Vorleistung zu treten, weil die Verwertung des Vermögens noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde und es allgemeiner Meinung entspreche, dass der Staat für die zeitnahe Vergütung des von ihm eingesetzten berufsmäßigen Betreuers zu sorgen habe. Die Staatskasse könne sich im Weg des Regresses bei dem Betroffenen schadlos halten.
10
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
11
a) Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Betroffene im geltend gemachten Vergütungszeitraum vom 10. Januar 2012 bis 9. April 2012 vermögend war und dem Betreuer deshalb der geltend gemachte Stundenansatz von 8,5 Stunden pro Monat zusteht.
12
aa) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG ist der dem Betreuer zu vergütende Zeitaufwand, wenn der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat, in den ersten drei Monaten der Betreuung für einen vermögenden Betreuten mit achteinhalb Stunden und gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VBVG für einen mittellosen Betreuten mit sieben Stunden anzusetzen. Als mittellos gilt ein Betreuter, der die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 d BGB). Das einzusetzende Vermögen bestimmt sich gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nach § 90 SGB XII. Danach ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII) mit Ausnahme des in § 90 Abs. 2 SGB XII im Einzelnen aufgeführten Schonvermögens einzusetzen, soweit dies keine Härte bedeutet (§ 90 Abs. 3 SGB XII).
13
Bei der Ermittlung des danach verwertbaren Vermögens kommt es, entsprechend dem Zweck der sozialhilferechtlichen Leistungen einer tatsächlichen Notlage abzuhelfen bzw. einen tatsächlichen Bedarf abzudecken, auf die tatsächlich vorhandenen und tatsächlich verwertbaren Vermögenswerte an. Dabei ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, ob den Vermögenswerten Schulden oder Verpflichtungen des Hilfebedürftigen gegenüberstehen (BVerwG Beschluss vom 21. April 1988 - 5 B 2/88 - juris Rn. 2).
14
bb) Bei der dem Betroffenen zustehenden Lebensversicherung bzw. deren Rückkaufswert handelt es sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, um verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII (vgl. BVerwG NJW 1998, 1879, 1880 und NJW 2004, 3647 f. und Senatsbeschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 - FamRZ 2010, 1643 Rn. 10 ff.).
15
Dieses Vermögen war in dem Zeitraum für den der Betreuer Vergütung verlangt als Aktivvermögen vorhanden. Allein der Umstand, dass der Landkreis in der Vergangenheit soziale Hilfeleistungen erbracht hat, rechtfertigt es nicht, diese Leistungen vermögensmindernd zu berücksichtigen. Hierfür bedarf es zumindest einer Konkretisierung der Rückforderung durch Leistungsbescheid oder Überleitungsanzeige (BayObLG BtPrax 2002, 262; LG Koblenz FamRZ 2004, 1899, 1900; aA OLG Zweibrücken BtPrax 1999, 32).
16
Hier ist ein Leistungsbescheid erst am 21. April 2012 und damit nach dem Ende des Zeitraums, für den der Betreuer Vergütung verlangt, diesem zugegangen. Der Betroffene verfügte daher während des Vergütungszeitraums noch über verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII. Der Betreuer kann deshalb für diesen Zeitraum eine Vergütung nach dem Stundenansatz für einen vermögenden Betreuten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG) verlangen.
17
b) Das Berufungsgericht geht jedenfalls im Ergebnis auch zutreffend davon aus, dass der Betreuer die Erstattung dieser Vergütung aus der Staatskasse verlangen kann.
18
aa) Vergütungsschuldner des Berufsbetreuers ist bei Mittellosigkeit des Betreuten die Staatskasse (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG) und bei vorhandenem verwertbaren Vermögen der Betreute (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG). Mit der Übernahme der Betreuungskosten erbringt die Staatskasse eine Sozialleistung (BT-Drucks. 13/7158 S. 17), die gemäß § 1836 c BGB davon abhängt, dass der Betreute über kein einzusetzendes Vermögen im Sinne des Sozialhilferechts verfügt. Der Betreute soll durch die Kosten der Betreuung nicht in seinen vorhandenen Lebensgrundlagen wesentlich beeinträchtigt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2013 - XII ZB 478/11 - juris Rn. 10 und vom 25. Januar 2012 - XII ZB 461/11 - FamRZ 2012, 627 Rn. 17). Deshalb ist für die Feststellung, ob der Betreute mittellos oder vermögend ist, auf den Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen (MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 d Rn. 12 mwN).
19
bb) In dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung am 24. September 2012 hatte der Landkreis seinen Rückforderungsanspruch durch Erlass eines Leistungsbescheids vom 20. April 2012 bereits konkretisiert. Die Lebensversicherung konnte deshalb, wovon das Beschwerdegericht zutreffend ausgegangen ist, im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mehr als verwertbares Vermögen berücksichtigt werden.
20
cc) Die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, der Betroffene sei vermögend, weil das von ihm bewohnte Hausgrundstück zu seinem verwertbaren Vermögen gehöre, wird allerdings von den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht getragen.
21
(1) Nach § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII gehört zu dem nicht einzusetzenden Vermögen ein angemessenes Hausgrundstück, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Dabei bestimmt sich die Angemessenheit nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgrundgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes.
22
(2) Die Auslegung von § 90 Abs. 2 Ziff. 8 Satz 1 SGB XII durch das Beschwerdegericht dahin, dass ein Betroffener, der keine Angehörigen hat, von dem Schutzbereich des § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII nicht erfasst wird, steht in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie ist auch nicht durch den Wortlaut angezeigt.
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Die Vorschriften zum Schonvermögen sollen gewährleisten, dass die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen führt. Dem Sozialhilfeempfänger soll ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten bleiben. Überdies soll verhindert werden, dass die Sozialhilfe, die im Idealfall lediglich eine vorübergehende Hilfe ist, zu einem "wirtschaftlichen Ausverkauf" führt, damit den Willen zur Selbsthilfe lähmt und zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führt (BVerwGE 23, 149, 159). Daraus folgt, dass sie in erster Linie dem Schutz des Leistungsberechtigten dienen.
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§ 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII will ein Hausgrundstück vor einer Verwertung insoweit schützen, als es dem Leistungsberechtigten oder einer anderen Person der Einsatzgemeinschaft (§ 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII) oder den mit ihnen dort zusammen lebenden Angehörigen, die auch nach dem Tod des Leistungsberechtigten oder der anderen Person der Einsatzgemeinschaft dort wohnen sollen, als Wohnstatt dient (vgl. Hohm in Schellhorn/Jirasek/Seipp SGB XIISozialhilfe 18. Aufl. § 90 SGB XII Rn. 82; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf SGB XII 3. Aufl. § 90 Rn. 47; Mergler/Zink SGB XII Stand Januar 2005 § 90 Rn. 51 f. mwN). Nicht aber soll der Schutz des Hausgrundstücks davon abhängig gemacht werden, dass der Leistungsberechtigte Angehörige hat, die nach seinem Tod dort leben sollen. Der Zusatz "und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll" bezieht sich vielmehr nach Sinn und Wortlaut auf die Angehörigen, die mit dem Leistungsberechtigten oder der anderen Person der Einsatzgemeinschaft in dem Haus wohnen. Diese Angehörigen gehören dann, wenn sie nach dem Tod der genannten Personen in dem Haus wohnen sollen, ebenfalls zu dem durch § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII geschützten Personenkreis.
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(3) Andere Kriterien, die dagegen sprechen könnten, dass es sich bei dem von dem Betroffenen bewohnten Hausgrundstück um Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII handelt, sind weder vom Beschwerdegericht festgestellt noch von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht worden.
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dd) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist jedoch im Ergebnis richtig. Vergütungsschuldner des Betreuers ist, da ein verwertbares Vermögen nicht festgestellt ist und auch die Staatskasse von der Mittellosigkeit des Betroffenen ausgeht, die Staatskasse. Dose Vézina Klinkhammer Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 15.05.2012 - 780 XVII D 2314/11 -
LG Kassel, Entscheidung vom 24.09.2012 - 3 T 420/12 -

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.