Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2012 - B 4 AS 26/10 R

bei uns veröffentlicht am22.03.2012

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. November 2009 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Schleswig vom 29. Januar 2009 wird klarstellend wie folgt gefasst: Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 4. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2008 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 31. August 2008 SGB II-Leistungen in der im Bewilligungsbescheid vom 4. März 2008 genannten Höhe ohne Tilgung zu leisten.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, Tilgungsraten für ein Mietkautionsdarlehen von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 1.3.2008 bis 31.8.2008 einzubehalten.

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Der laufend SGB II-Leistungen beziehende Kläger teilte dem Beklagten am 25.2.2008 seinen Umzug zum 1.3.2008 in eine am 22.2.2008 angemietete Wohnung mit. Er beantragte die Übernahme einer Mietkaution für die neue Wohnung in Höhe von 639 Euro als rückzahlbares Darlehen und unterzeichnete einen von dem Beklagten vorformulierten Vordruck, wonach er seine Rechte aus dem Anspruch aus der Mietkaution gegenüber seinem Vermieter an den Beklagten abtrete. Ferner heißt es in der "Abtretungserklärung" vom 25.2.2008: "Das Darlehen ist in Anlehnung an § 23 Abs 1 SGB II durch monatliche Tilgung in Höhe von mindestens 10 % der für die Bedarfsgemeinschaft zu zahlenden Regelleistung zu tilgen. Sollte diese monatliche Tilgung nicht geleistet werden, wird der Gesamtbetrag in einer Summe fällig."

3

Der Beklagte bewilligte die Mietkaution in Höhe von 639 Euro als Darlehen und teilte mit, das Darlehen sei gemäß der unterzeichneten Abtretungserklärung durch monatliche Raten in Höhe von 35 Euro zu tilgen. Sollte diese monatliche Tilgung nicht geleistet werden, werde der Gesamtbetrag in einer Summe fällig. Der Betrag von 35 Euro werde ab 1.3.2008 zur Tilgung des Darlehens einbehalten (Bescheid vom 4.3.2008). Mit weiterem Bescheid vom 4.3.2008 bewilligte der Beklagte SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.8.2008 und behielt ab 1.3.2008 monatlich 35 Euro ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.4.2008 änderte er den Bescheid vom 4.3.2008 für die Zeit ab 1.6.2008 durch Ermäßigung der Tilgungsrate auf 17 Euro monatlich und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Einbehaltung von 10 % - während des Erhalts eines Zuschlags nach § 24 SGB II - bzw 5 % der laufend gewährten Leistungen sei angemessen und verhältnismäßig, weil der belastenden Wirkung der Einbehaltung das Interesse des Sozialleistungsträgers an einer möglichst zeitnahen Rückführung von Darlehen und der Grundsatz der steuersparsamen Mittelverwendung gegenüberstünden. Würde ganz von einer Einbehaltung abgesehen, käme dies in einigen Fällen der Bewilligung einer Mietkaution als Zuschuss gleich, weil der Leistungsträger zwar durch die Abtretung einen Anspruch gegen den Vermieter auf Auszahlung der Mietkaution bei Beendigung des Mietverhältnisses habe, er sich aber auch etwaige Ansprüche des Vermieters aus dem privatrechtlichen Schuldverhältnis zwischen Vermieter und Mieter entgegenhalten lassen müsse, die teilweise zum Erlöschen des Auszahlungsanspruchs führten. Der Mieter habe es in der Hand, ob die Mietkaution wieder an ihn ausgezahlt werde oder nicht.

4

Das SG hat der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, die mit Bewilligungsbescheid vom 4.3.2008 für den Zeitraum 1.3.2008 bis 31.8.2008 zuerkannten monatlichen Leistungen ohne Einbehaltung von Teilbeträgen zur Tilgung des Darlehens zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 29.1.2009). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 25.11.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, richtige Klageart sei die echte Leistungsklage. Einer Aufhebung der Bescheide vom 4.3.2009 habe es nicht bedurft, weil die angegriffenen Einbehaltungen zur Tilgung des Mietkautionsdarlehens nicht durch Verwaltungsakt erfolgt seien. Die auf die Erklärung des Klägers vom 25.2.2008 gestützte Entscheidung des Beklagten, Teile der laufenden Leistungen nach dem SGB II zur Tilgung des Darlehens einzubehalten, sei als Aufrechnung anzusehen. Die Aufrechnungserklärung sei unwirksam, weil die gesamte Grundsicherungsleistung in Höhe von monatlich 760 Euro bis einschließlich 30.4.2008, 746,67 Euro für Mai 2008 und 680 Euro für die Zeit von Juni 2008 bis August 2008 unpfändbar gewesen sei und deshalb auch keine Aufrechnung habe erklärt werden können. Auch § 23 Abs 1 S 3 SGB II gebe dem Beklagten nicht das Recht zur Aufrechnung, weil die im Streit stehende Mietkaution keine Regelleistung im Sinne von § 20 SGB II sei, sondern zu den in § 22 SGB II geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung gehöre. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Gesetzesmaterialien, der Gesamtzusammenhang der §§ 20 ff SGB II mit ihren unterschiedlichen Regelungszwecken und die bereits unter Geltung des BSHG von der Rechtsprechung beanstandete Praxis der örtlichen Sozialhilfeträger, Mietkautionsdarlehen ohne explizite gesetzliche Grundlage durch regelmäßigen Einbehalt zu tilgen, sprächen dafür, dass der Gesetzgeber von einem tilgungsfreien (und zinsfreien) Darlehen ausgegangen sei. Der Beklagte könnte sich auch nicht auf die Erklärung vom 25.2.2008 als Rechtsgrund für eine Aufrechnung berufen. Ihm sei es in Anwendung des in § 242 BGB geregelten und über § 61 S 2 SGB X anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine solche Erklärung als Rechtsgrundlage für eine Aufrechnung zu berufen, wenn er selbst die rechtswidrige Rückzahlungsvereinbarung veranlasst habe. Dies stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Auch wenn man in der Tilgungsvereinbarung einen Verzicht iS des § 46 Abs 1 1. Halbs SGB I sehe, liege eine unzulässige Rechtsausübung vor, wenn dieser vom Leistungsträger rechtswidrig herbeigeführt worden sei. Der Beklagte habe die Mietkaution vorliegend unter der Bedingung gewährt, dass sich der Kläger zur Unterzeichnung der entsprechenden Erklärung verpflichte. Diese Tatsache stehe einer Berufung auf die Erklärung entgegen.

5

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, der Bescheid lasse sich auf § 22 Abs 3 S 3 SGB II iVm § 23 Abs 1 S 3 SGB II stützen. § 22 Abs 3 S 3 SGB II sei zu entnehmen, dass ein Zuschuss seitens des Gesetzgebers nicht gewollt sei. Die Norm enthalte keine Bestimmung darüber, dass lediglich eine Sicherung in Form einer Abtretung des Rückzahlungsanspruchs zu erfolgen habe. Da die Regelungen des SGB II den Leistungsbezug möglichst kurz halten sollten, erscheine es für die Leistungsverwaltung äußerst unökonomisch und praktisch kaum zu bewältigen, beim - ggf ehemaligen - Leistungsberechtigten regelmäßig nachzufragen, ob das Mietverhältnis gekündigt und die Mietkaution ausgezahlt worden sei. Die konkrete Form der Darlehensgewährung stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers. Die zum 1.4.2011 in Kraft getretene Regelung des § 42a SGB II belege, dass in dem streitigen Zeitraum eine Regelungslücke vorgelegen habe.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. November 2009 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 29. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er trägt vor, aus dem Willen des Gesetzgebers ergebe sich lediglich, dass dieser keinen Zuschuss gewollt habe. Ein Darlehen werde nicht dadurch zu einem Zuschuss, dass es nicht während des Leistungsbezugs zwangsweise zurückgeführt werde. Die Abtretungserklärung habe er nicht freiwillig unterschrieben, sondern sich in einer Zwangslage befunden. Leistungsbezieher würden nicht darüber belehrt, dass die Mietkautionsdarlehen freiwillig zurückgeführt würden und gemäß § 46 Abs 1 SGB I der Verzicht auf Sozialleistungen jederzeit widerrufen werden könne.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet.

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1. Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst der die Mietkaution bewilligende Bescheid vom 4.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2008, den der Kläger nur angefochten hat, soweit der Beklagte einen monatlichen Betrag zur Tilgung der Mietkaution von den laufenden SGB II-Leistungen einbehalten hat. Der am gleichen Tag erlassene Bewilligungsbescheid vom 4.3.2008, mit dem der Beklagte um 35 Euro monatlich gekürzte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den streitigen Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.8.2008 bewilligt hat, ist ebenfalls Gegenstand des Verfahrens, weil beide Bescheide eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheids zur Höhe der SGB II-Leistungen in dem streitigen Zeitraum darstellen (vgl zB BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 78; BSGE 95, 8 ff = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 6; BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1, RdNr 5; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 4 mwN). Dies macht auch der Widerspruchsbescheid vom 17.4.2008 in seinem Verfügungssatz mit einem Bezug zwischen der "Tilgungsverfügung" in dem Mietkautionsbescheid vom 4.3.2008 und dem Bewilligungsbescheid vom 4.3.2008 deutlich, wenn dort "in Abänderung des Bewilligungsbescheids vom 4.3.2008" für die Zeit ab 1.6.2008 anstelle von 35 Euro nunmehr 17 Euro von den laufenden Leistungen zur Tilgung des Mietkautionsdarlehens einbehalten werden.

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Hiergegen ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage die zulässige Klageart, weil nicht nur die Bewilligung der Mietkaution, sondern auch die Regelung zur Tilgung in dem Bescheid vom 4.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2008 ein Verwaltungsakt ist. Entgegen der Ansicht des LSG hat der Beklagte die Einbehaltung von Teilen der Regelleistung, die das LSG als Aufrechnung angesehen hat, hier in der Handlungsform eines Verwaltungsaktes vorgenommen. Insofern ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, ob sich den gewählten Formulierungen unter Berücksichtigung des maßgebenden rechtlichen Gesichtspunktes des "Empfängerhorizonts" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSGE 67, 104 ff, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11; BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 18), entnehmen lässt, dass eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt getroffen werden sollte. Eine Befugnis, das Vorliegen und den Inhalt von Verwaltungsakten selbstständig - und damit auch abweichend von den Vorinstanzen - auszulegen, ergibt sich für das Revisionsgericht insbesondere, soweit es um die Berücksichtigung der maßgebenden Umstände und die Beachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln geht (stRspr des BSG, vgl etwa Urteil vom 29.2.2012 - B 12 KR 19/09 R - RdNr 21; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3b mwN). Wie die Bezugnahme auf § 23 Abs 1 S 3 SGB II in der formulierten Erklärung vom 25.2.2008 zeigt, wollte der Beklagte die Einbehaltung von Teilen der Regelleistung im Ergebnis auf mehrere Rechtsgrundlagen, also nicht nur auf die Erklärung des Klägers, stützen. Zudem war der Bescheid vom 4.3.2008 auch hinsichtlich der Tilgungsentscheidung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Weiter hat der Beklagte den "Bescheid vom 4.3.2008" mit dem Widerspruchsbescheid vom 17.4.2008 abgeändert und eine neue Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Tilgung getroffen, die er in seiner Rechtsbehelfsbelehrung erneut als anfechtbar mit der Klage zum SG angesehen hat. Insofern hat der Senat den Tenor des erstinstanzlichen Urteils klarstellend gefasst.

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Die angefochtene Verfügung des Beklagten war aufzuheben und dieser zur Auszahlung der einbehaltenen Beträge zu verurteilen. Die vorgenommene Tilgung ist rechtswidrig, weil ein Rechtsgrund hierfür zumindest in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.3.2008 bis 31.8.2008 nicht vorhanden ist. Der Beklagte kann sich weder auf die Regelungen zur Aufrechnung nach § 51 SGB I noch auf eine analoge Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II berufen. Auch aus der von ihm erwirkten Erklärung des Klägers vom 25.2.2008 ergibt sich keine Berechtigung zur Tilgung des Mietkautionsdarlehens durch Kürzung der laufenden Regelleistung.

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2. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 51 SGB I nicht vorliegen. Nach § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. § 54 Abs 4 SGB I bestimmt, dass Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Insofern ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass es schon unter Berücksichtigung der Höhe der gesamten SGB II-Leistungen des Klägers im streitigen Zeitraum und des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach § 850c Abs 1 S 1 ZPO an einer Pfändbarkeit unter Beachtung der für Arbeitseinkommen nach den §§ 850 ff ZPO geltenden Bestimmungen fehlt.

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3. Auf die Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II kann der Beklagte sich gleichfalls nicht stützen. Nach dieser Vorschrift wird das Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vH der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Diese Tilgungsregelung bezieht sich ausdrücklich nur auf Darlehen nach § 23 Abs 1 S 1 SGB II, die erbracht werden, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Mietkautionsdarlehen werden von dieser Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut nicht erfasst.

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Auch eine analoge Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II auf den vorliegenden Sachverhalt ist nicht möglich, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Ob eine planwidrige Regelungslücke innerhalb des Regelungszusammenhangs eines Gesetzes - im Sinne des Fehlens rechtlicher Regelungen dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden - anzunehmen ist, bestimmt sich ausgehend von den gesetzlichen Regelungen selbst, den ihr zugrunde liegenden Regelungsabsichten, den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (vgl zB BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 ff = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 24 mwN). § 22 Abs 3 SGB II in seiner bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung sieht ua vor, dass eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen Träger übernommen werden kann. Mit der Anfügung des S 3 in § 22 Abs 3 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558) hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass Leistungen für Mietkautionen als Darlehen erbracht werden, ohne gleichzeitig eine Tilgungsregelung aufzunehmen. Aus dem Gesamtzusammenhang mit den weiteren Darlehensregelungen im SGB II nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 ergibt sich, dass die Tilgung einer den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnenden Leistung aus der laufenden Regelleistung nicht erfolgen konnte. Dies folgt insbesondere aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Einfügung des § 22 Abs 3 S 3 SGB II in § 23 Abs 1 SGB II bereits eine Tilgungsregelung enthalten war, ohne dass § 22 Abs 3 S 3 SGB II auf diese Vorschrift verweist oder deren entsprechende Anwendung angeordnet hat.

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Da der Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II und einer analogen Anwendung auf Darlehen für Mietkautionen andere Tatbestände zugrunde liegen, kann auch nicht von einem unbewussten Unterlassen des Gesetzgebers ausgegangen werden, der die Gerichte zu einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung berechtigen würde(vgl BSG Urteil vom 25.8.2011 - B 11 AL 30/10 R - jurisRdNr 19 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit der Tilgung eines Darlehens für unabweisbare Bedarfe des laufenden Lebensunterhalts nach § 23 Abs 1 S 3 SGB II vor dem Hintergrund erfolgt ist, dass in der pauschalierten Regelleistung seit der Neuordnung der Leistungen zur Deckung des Existenzminimums auch einmalige Bedarfe enthalten sind. Wegen ihrer Höhe können diese einmaligen Bedarfe nicht aus der jeweiligen monatlichen Regelleistung, sondern nur aus dem laufend anzusparenden und nach § 12 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB II geschützten Freibetrag für notwendige Anschaffungen erfolgen(vgl zB Behrend in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 23 RdNr 24). Nur vor diesem Hintergrund enthält § 23 Abs 1 S 3 SGB II - als Ausnahmeregelung - ein über § 51 SGB I hinausgehendes Aufrechnungsrecht des Sozialleistungsträgers, das sich ausschließlich auf eine Darlehenstilgung bei den Regelbedarfen bezieht und seine Rechtfertigung in der "Vorfinanzierung" einmaliger Bedarfe bei (noch) fehlendem Ansparbetrag findet. Die von dem Grundsicherungsträger darlehensweise übernommene Mietkaution wird dem Leistungsberechtigten aber erst nach Beendigung des Mietverhältnisses von dem Vermieter erstattet. Er hat keine Möglichkeit, hierüber zu verfügen und auftretende Bedarfe zu decken. Eine Rechtfertigung für eine vor diesem Zeitpunkt einsetzende Rückzahlungspflicht des Leistungsberechtigten gegenüber dem SGB II-Träger ist daher nicht erkennbar (vgl bereits zur Sozialhilfe: OVG Lüneburg Beschluss vom 27.3.2003 - 12 ME 52/03, FEVS 54, 526 ff, 528). Die mit Wirkung zum 1.4.2011 eingefügte Neuregelung des § 42a Abs 2 SGB II, wonach Rückzahlungsansprüche aus Darlehen (ua für Mietkautionen) ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs getilgt werden, stellt vor diesem Hintergrund eine echte Rechtsänderung dar(ungenau ist die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 17/3404 S 51, 116, wenn dort - für die auch erfasste Tilgung von Mietkautionsdarlehen, also für sämtliche Darlehensarten - darauf abgestellt wird, dass - bisher nur für einmalige Bedarfe des Lebensunterhalts - geschütztes Vermögen dem Hilfebedürftigen ja gerade belassen werde, um besondere Bedarfe zu decken und notwendige Anschaffungen zu tätigen).

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Zudem ist die Regelung des § 23 Abs 3 SGB II eng auszulegen, weil das verfassungsrechtliche Existenzminimum nach Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG betroffen ist. Der vom BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 31 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - juris RdNr 136) betonte Grundsatz, dass die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein muss, betrifft - als Kehrseite der Anspruchsgewährung - auch den Eingriff in das gesetzlich geregelte Existenzminimum, wie sich auch weiteren Regelungen des SGB II, etwa § 31 SGB II, entnehmen lässt. Eine analoge Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II auf andere Darlehen als solche nach § 23 Abs 1 S 1 SGB II beinhaltet die Gefahr einer Bedarfsunterdeckung bei den laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die zumindest einer gesetzlichen Regelung bedarf.

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4. Der Beklagte kann sich bei der Tilgung des Mietkautionsdarlehens durch Einbehaltung von 10 vH der Regelleistung auch nicht auf die von ihm veranlasste und formulierte "Abtretungserklärung" berufen. Selbst wenn man in dieser Erklärung einen Verzicht auf den streitigen Teil der Regelleistung sehen würde (vgl auch zur Auslegung von "typischen Erklärungen" im Kindergeldrecht durch das Revisionsgericht: BSGE 63, 167 ff = SozR 1500 § 54 Nr 85; BSGE 76, 203 ff = SozR 3-5870 § 10 Nr 7),wäre dieser unwirksam.

19

Gemäß § 46 Abs 1 SGB I kann auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Bei Annahme einer Verzichtserklärung wäre deren Widerruf - insofern fehlen weitergehende Feststellungen des LSG - ggf bereits in dem Inhalt des vom LSG in Bezug genommenen Widerspruchs vom 8.4.2008 zu sehen. Hierin hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das ihm "zumindest als verbindlich dargelegte" Einverständnis mit der Tilgung nicht vorlägen und die "Rückzahlungsvereinbarung" ausdrücklich angefochten. Der Senat kann weiter offenlassen, ob ein in der Erklärung vom 25.2.2008 ggf zu sehender Verzicht wegen Anfechtung (§§ 119 ff BGB, § 123 BGB) von Anfang an unwirksam wäre (§ 142 BGB), weil ein Verzicht auf Teile der Regelleistung in der hier von dem Beklagten veranlassten Form jedenfalls unwirksam wäre.

20

Nach § 46 Abs 2 SGB I ist der Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Eine ausdrückliche Bestimmung dazu, wann eine Umgehung von Rechtsvorschriften vorliegt, existiert nicht (Gitter in: Bochumer Kommentar zum SGB, Allgemeiner Teil, 1979, § 46 RdNr 14). Den Gesetzesmaterialien zu § 46 SGB I ist - für die ersten beiden Alternativen des § 46 Abs 2 SGB I - lediglich zu entnehmen, dass § 46 Abs 2 SGB I "insbesondere" verhindern will, dass durch einen Verzicht auf Sozialleistungen Unterhaltsverpflichtete und Leistungsträger stärker als gesetzlich vorgesehen belastet werden(BT-Drucks 7/868 S 31). Zur Unwirksamkeit eines Verzichts durch Umgehung von Rechtsvorschriften finden sich keine Ausführungen. Gleichzeitig wird deutlich, dass weitere Umstände ("insbesondere") eine Unwirksamkeit des Verzichts begründen können. Ob eine Umgehung von Rechtsvorschriften vorliegt, ist anhand des Sinns und Zwecks der das konkrete Sozialrechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigten und Sozialleistungsträger prägenden Rechtsvorschriften zu beurteilen. Hierbei ist zu prüfen, ob mit diesen Rechtsvorschriften (auch) ein objektiver Rechtswert verfolgt wird, der durch einen Verzicht tangiert würde (Lilge in SGB I, 3. Aufl 2012, § 46 SGB I RdNr 32; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2012, § 46 RdNr 17). Abzustellen ist darauf, ob durch den Verzicht die Systematik der rechtlichen Regelungen (vgl Wannagat, Sozialgesetzbuch, § 46 SGB I RdNr 18, Stand Mai 2007) und die ihnen zugrunde liegenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers beeinträchtigt würden (vgl zum nicht wirksamen Verzicht auf eine Befreiung von der Versicherungspflicht BSGE 34, 277, 278 und auf Berechnungselemente der Rentenversicherungsgesetze: BSG Urteil vom 8.3.1979 - 12 RK 32/78 - juris RdNr 15). Dies ist hier der Fall.

21

Es handelt sich um den Versuch des Grundsicherungsträgers, unter Absehen von den speziellen Voraussetzungen und Grenzen des SGB I und des SGB II das grundsätzliche Verbot der Aufrechnung bzw Einbehaltung von existenzsichernden Leistungen zu umgehen (vgl zur Unwirksamkeit eines "erwirkten Verzichts" durch den Sozialhilfeträger: Krahmer in LPK-SGB I, 2. Aufl 2007, § 46 SGB I RdNr 12). Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Beklagte die Mietkaution hier nur unter der Voraussetzung bewilligt, dass sich der Kläger zur Unterzeichnung der Erklärung vom 25.2.2008 verpflichtet und die Abgabe der Erklärung selbst veranlasst. Wie oben bereits dargelegt, ergibt sich jedoch weder aus der Aufrechnungsregelung des § 51 SGB I noch aus einer analogen Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II eine Berechtigung des Beklagten zur Einbehaltung von Teilen der Regelleistung zur Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens. Mit diesem Verzicht würden daher die für den streitigen Zeitraum geltenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen zur Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unterlaufen.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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(1) Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, kann nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i gepfändet werden. (2) Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift sind die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder u

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 23 Besonderheiten beim Bürgergeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte


Beim Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 gelten ergänzend folgende Maßgaben:1.Als Regelbedarf wird bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 6, vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahre

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 51 Aufrechnung


(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind. (2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht e

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 54 Pfändung


(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden. (2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 42a Darlehen


(1) Darlehen werden nur erbracht, wenn ein Bedarf weder durch Vermögen nach § 12 Absatz 2 und 4 Satz 1 noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Darlehen können an einzelne Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften oder an mehrere gemeinsam vergeben werd

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 61 Ergänzende Anwendung von Vorschriften


Soweit sich aus den §§ 53 bis 60 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzbuches. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend.

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 46 Verzicht


(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. (2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn and

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Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2012 - B 4 AS 26/10 R zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2012 - B 4 AS 26/10 R zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 29. Feb. 2012 - B 12 KR 19/09 R

bei uns veröffentlicht am 29.02.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2009 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 25. Aug. 2011 - B 11 AL 30/10 R

bei uns veröffentlicht am 25.08.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. August 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Apr. 2011 - B 4 AS 119/10 R

bei uns veröffentlicht am 06.04.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld II und Übernahme der tatsäc

Bundessozialgericht Urteil, 18. Jan. 2011 - B 4 AS 108/10 R

bei uns veröffentlicht am 18.01.2011

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. April 2010 wird zurückgewiesen.
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2012 - B 4 AS 26/10 R.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2014 - B 4 AS 3/14 R

bei uns veröffentlicht am 18.11.2014

Tenor Auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung u

Landessozialgericht NRW Beschluss, 27. März 2014 - L 19 AS 332/14 B

bei uns veröffentlicht am 27.03.2014

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.02.2014 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ohne Kostenbeteiligung bewilligt und Rechtsanwalt L, C, beigeordnet. 1

Landessozialgericht NRW Urteil, 30. Jan. 2014 - L 6 AS 1154/13

bei uns veröffentlicht am 30.01.2014

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2013 abgeändert. Der Bescheid vom 15.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2012 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen auße

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. März 2013 - L 6 AS 623/11

bei uns veröffentlicht am 12.03.2013

1. Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.09.2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 20.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2011 abgeändert. 2. Der Beklagte wird verpflichtet, den.

Referenzen

(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.

(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Bürgergeld bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.

(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Leistungen nach Satz 2 werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.

(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Soweit sich aus den §§ 53 bis 60 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzbuches. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Darlehen werden nur erbracht, wenn ein Bedarf weder durch Vermögen nach § 12 Absatz 2 und 4 Satz 1 noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Darlehen können an einzelne Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften oder an mehrere gemeinsam vergeben werden. Die Rückzahlungsverpflichtung trifft die Darlehensnehmer.

(2) Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 5 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt. § 43 Absatz 3 gilt entsprechend. Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Satz 1 gilt nicht, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden oder soweit bereits gemäß § 43 in Höhe von mehr als 20 Prozent des für die Darlehensnehmer maßgebenden Regelbedarfs gegen deren Ansprüche auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgerechnet wird.

(3) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 24 Absatz 5 sind nach erfolgter Verwertung sofort in voller Höhe und Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 22 Absatz 6 bei Rückzahlung durch den Vermieter sofort in Höhe des noch nicht getilgten Darlehensbetrages fällig. Deckt der erlangte Betrag den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht, soll eine Vereinbarung über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.

(4) Nach Beendigung des Leistungsbezuges ist der noch nicht getilgte Darlehensbetrag sofort fällig. Über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags soll eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.

(5) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 27 Absatz 3 sind abweichend von Absatz 4 Satz 1 erst nach Abschluss der Ausbildung fällig. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(6) Sofern keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen wird, werden Zahlungen, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, zunächst auf das zuerst erbrachte Darlehen angerechnet.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld II und Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. November 2007 bis 31. März 2008 als endgültige Leistungen begehrt. Im Übrigen wird das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die endgültige, hilfsweise vorläufige Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 unter Berücksichtigung eines höheren Bedarfs an Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) und ohne die Berücksichtigung von Einkommen.

2

Die 1947 geborene Klägerin bezieht seit 1.1.2005 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnte bis Mai 2008 alleine eine 81,83 qm große Dreizimmerwohnung in Berlin. Für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 30.11.2006 gewährte ihr der Beklagte Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen monatlichen Aufwendungen (monatliche Bruttowarmmiete 663,53 Euro, ab 1.4.2005 684,78 Euro).

3

Mit dem Antrag vom 24.4.2007 auf Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum ab 1.5.2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich zum 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojektes beim Förderverein H eV (wieder) aufnehmen werde. Den voraussichtlichen Betriebseinnahmen von monatlich 500 Euro im Zeitraum 1.9.2007 bis 31.3.2008 würden 100 Euro Betriebsausgaben gegenüberstehen. Für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 bewilligte der Beklagte monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 387 Euro einschließlich eines Betrags von 360 Euro für Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 5.10.2007) und eines monatlichen Regelbedarfs von 347 Euro, dem er monatliches Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 320 Euro gegenüberstellte. Auf Seite 2 des Bescheides heißt es ua: "Die Bewilligung ist nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III nur vorläufig aufgrund des unterschiedlichen Einkommens Ihrer Honorartätigkeit." Dem Bescheid war zudem ein Erläuterungsschreiben vom selben Tag zur vorläufigen Leistungsgewährung beigefügt, in dem ua ausgeführt wird, dass auf den Antrag der Klägerin vom 5.10.2007 die Leistung wegen der Unklarheit der Einkommenshöhe nur vorläufig in Bezug auf die Leistungshöhe bewilligt werde und eine abschließende Entscheidung zur Höhe des Leistungsanspruches erst nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids erfolgen könne.

4

Gegen den Bescheid vom 5.10.2007 legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie Leistungen für KdU in Höhe von 513,59 Euro, den Abzug von Betriebsausgaben vom Einkommen und die Nichtanrechnung von Einkommen für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 begehrte, da ihre berufliche Tätigkeit zum 31.3.2008 ende. Von Januar bis Oktober 2007 habe sie monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro gehabt.

5

Auf den Antrag der Klägerin verpflichtete das SG den Beklagten durch Beschluss vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - im Wege einstweiliger Anordnung, der Klägerin für den Monat Oktober 2007 unter Anrechnung bereits gezahlter Leistungen insgesamt 707 Euro zu zahlen und für den Zeitraum vom 1.11. bis zum 31.12.2007 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 504,78 Euro zu gewähren. Dies führte der Beklagte durch Bescheid vom 9.11.2007 aus.

6

Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2008 gewährte der Beklagte der Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5.10.2007 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für
den Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2007 in Höhe von 740,44 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 504,78 Euro für KdU,
für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2008 in Höhe von 595,66 Euro, hiervon einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU und
für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.4.2008 in Höhe von 707 Euro, hiervon ebenfalls einen Betrag in Höhe von 360 Euro für KdU.
Dabei berücksichtigte der Beklagte im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 als Betriebsausgaben 260,83 Euro und ging von einem laufenden Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 239,17 Euro aus, von dem ein Betrag in Höhe von 111,34 Euro als Einnahme iS des § 11 SGB II zu berücksichtigen sei. Zudem berücksichtigte er das Auslaufen des Honorarvertrages der Klägerin zum 31.3.2008 mit der Folge, dass für April 2008 kein Einkommen berücksichtigt wurde. Auch in diesem Bescheid hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Bewilligung vorläufig erfolge, weil die Höhe des Einkommens nicht hinreichend bekannt sei. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22.1.2008 unter Hinweis auf die Vorläufigkeit der Bewilligung und der Entscheidung des SG vom 25.10.2007 - S 100 AS 524/07 ER I - sowie seiner bisherigen Berechnungen zum Einkommen zurück.

7

Hiergegen hat die Klägerin am 21.2.2008 Klage zum SG Berlin "wegen Kosten der Unterkunft" erhoben und ausgeführt, ihr würden höhere Leistungen für KdU zustehen. Mit am 16.5.2008 beim SG eingegangenem Schriftsatz hat sie zudem die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen, hilfsweise unter Berücksichtigung der Kosten ihres Arbeitszimmers als Betriebsausgabe geltend gemacht. Durch Gerichtsbescheid vom 6.8.2008 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit die Klägerin die Gewährung höherer Regelleistungen geltend gemacht habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung nicht angemessen seien.

8

Auf die Berufung der Klägerin hiergegen hat das LSG Berlin-Brandenburg in der mündlichen Verhandlung vom 22.4.2010 darauf hingewiesen, dass Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Bescheide eine vorläufige Leistungsbewilligung sei, woraufhin die Klägerin erklärt hat, eine endgültige, hilfsweise vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II zu erstreben. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 22.4.2010). Im Hinblick auf die Gewährung höherer Regelleistungen hat es die Klage als unzulässig angesehen, weil sie nicht fristgerecht erhoben sei. Das auf die Gewährung höherer Regelleistungen gerichtete Begehren sei nicht bereits Gegenstand der Klageschrift vom 21.2.2008 gewesen. Die Klägerin habe den Streitgegenstand auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzt. Auch die endgültige Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat es als unzulässig - in Ermangelung einer Klagebefugnis der Klägerin - bewertet. Es fehle insoweit an einem Verwaltungsakt, der über die von ihr begehrten endgültigen Leistungen entschieden habe. Der Beklagte habe durch die streitgegenständlichen Bescheide nur vorläufige Leistungen bewilligt. Die auf vorläufige Leistungen gerichtete Klage sei jedoch ebenfalls unzulässig. Insoweit sei der angegriffene Bescheid bestandskräftig geworden, denn dieses Begehren sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem SG gewesen. Die Klage sei von Anfang an eindeutig auf eine endgültige Leistungsgewährung gerichtet gewesen. Hierin sei nicht (als Minus) ein auf die vorläufige Bewilligung von Leistungen gerichtetes Begehren enthalten. Die erstmals im Berufungsverfahren (hilfsweise) begehrte vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III sei ihrer Rechtsnatur nach etwas anderes als eine endgültige Leistungsbewilligung, ein so genanntes aliud.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III, § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, §§ 95, 123 SGG und Art 19 Abs 4 GG. Die Klagebefugnis könne nicht verneint werden. Außerdem sei der Vorläufigkeitsvorbehalt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, weshalb von einer endgültigen Bewilligung auszugehen sei. Eine nur vorläufige Bewilligung unterstellt, hätten die Klaganträge, ausgehend vom Klagebegehren, gemäß § 123 SGG von Anfang an dahingehend ausgelegt werden müssen, dass die Klage auf die vorläufige Gewährung höherer Leistungen gerichtet gewesen sei. Eine Beschränkung des Streitgegenstands auf die Leistungen der KdU sei nicht erfolgt. In der Sache bestehe ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Für die Zeit von April 2007 bis Januar 2008 sei ihr zudem aus familiären Gründen eine gesteigerte Wohnungssuche nicht zumutbar gewesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung sei nicht erfolgt.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen und unter Berücksichtigung eines Bedarfs für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 675,78 Euro zu gewähren,

11

hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. April 2010 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehrt. Der Beklagte hat insoweit zu Recht zwischen dem 1.11.2007 und dem 31.3.2008 die Leistungen vorläufig bewilligt (2.). Im Hinblick auf die vorläufige Leistungsgewährung im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG)(3.). Entgegen der Rechtsauffassung des LSG erstreckt sich die Klage insoweit nicht alleine auf die Gewährung endgültiger Leistungen. Auch im Hinblick auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April 2008 ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet. Es kann nicht abschließend festgestellt werden, ob in diesem Monat - trotz der Beendigung des Honorarvertrags der Klägerin zum 31.3.2008 - die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung noch rechtmäßig war (4.).

14

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

15

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).

16

2. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 keinen Anspruch auf endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung der Klägerin ab dem 1.11.2007 nur vorläufige Leistungen bewilligt (a). Ihre gleichwohl auf endgültige Leistungen gerichtete Klage ist jedoch im Gegensatz zur Auffassung des LSG nicht unzulässig (b). Die angefochtenen Bescheide sind jedoch im Hinblick auf die Bewilligung vorläufiger Leistungen rechtmäßig (c).

17

a) Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5.10.2007 idF des Änderungsbescheides vom 2.1.2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.1.2008, mit welchem der Beklagte eine vorläufige Entscheidung iS des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III getroffen hat. Die Auslegung des Bescheides vom 5.10.2007 durch das LSG insoweit ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

18

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass bei der Auslegung eines Bescheids maßgebend ist, wie der Empfänger ihn verstehen durfte (§ 133 BGB). Auszugehen ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). Der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn sie objektiv - unter Berücksichtigung aller Umstände - nicht so verstanden werden konnte (zur Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungswertes vgl BSG Urteil vom 1.3.1979 - 6 RKa 3/78 = BSGE 48, 56 <58 f> = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10). Die Regelung der Vorläufigkeit für sich hat Verfügungscharakter (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 30; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301, vgl auch BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr 1 S 5). Es ist deshalb erforderlich, dass sich aus dem Verwaltungsakt eindeutig ergibt, ob und inwieweit die Verwaltung eine vorläufige Bewilligung verfügt hat (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <110 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12 f; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 46). Die "Typus prägenden Merkmale" der vorläufigen Entscheidung müssen unzweifelhaft erkennbar sein (vgl BSG Urteil vom 29.4.1997 - 4 RA 46/96 - SozR 3-1200 § 42 Nr 9 S 37 mwN; Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 20, 30; Gagel/Pilz, SGB III, § 328 RdNr 34 f; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 301). Das ist hier der Fall.

19

Selbst wenn man annehmen wollte, die Verfügung der Vorläufigkeit der Bewilligung in dem Bescheid vom 5.10.2007 sei nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen, weil der Beklagte den Verfügungssatz insoweit nicht dem Bescheidtext voran-, sondern an das Ende des Verwaltungsaktes gestellt hat, konnte die Klägerin durch das dem Bescheid beigefügte Erläuterungsschreiben die Vorläufigkeit der Leistungsgewährung erkennen. Das Erläuterungsschreiben des Beklagten und der Bewilligungsbescheid vom 5.10.2007 bilden zusammen eine rechtliche Einheit im Sinne eines Verwaltungsaktes (vgl BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 11 AL 19/09 R, zur Erläuterung der Vorläufigkeit einer Entscheidung auf einem Anlagenblatt zum Bescheid; s auch BSG Urteile vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 2; 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R = BSGE 95, 191 <193> = SozR 4-4300 § 37b Nr 2 S 3; 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06 R - SozR 4-4300 § 37b Nr 6 S 20). In dem Schreiben des Beklagten vom 5.10.2007 ist unter Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom selben Tag klar und eindeutig ausgeführt, dass und warum und in Bezug auf welchen Inhalt der Leistungsbewilligung eine Vorläufigkeitsregelung getroffen wird. In der Gesamtschau der im Bescheid vom 5.10.2007 enthaltenen Verfügungen und den darauf bezogenen Ausführungen im Erläuterungsschreiben vom 5.10.2007 sind die "Typus prägenden Merkmale der vorläufigen Entscheidung" für den an Treu und Glauben orientierten Adressaten unzweifelhaft erkennbar.

20

b) Die Klage auf endgültige Leistungen ist im Gegensatz zur Auffassung des LSG gleichwohl nicht unzulässig. Zwar ist die vorläufige Leistung - wie vom LSG zutreffend ausgeführt - eine Leistung sui generis und ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung (stRspr, vgl BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 = SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 = BSGE 67, 104 <109 f> = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 = SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R = SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25 mwN; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 56). Materiell-rechtlich handelt es sich mithin um zwei verschiedene Ansprüche. Soweit das LSG die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen eine die vorläufige Bewilligung von Leistungen verfügende Entscheidung der Verwaltung jedoch in Ermangelung einer Klagebefugnis für unzulässig hält, verkennt es die Grenzen der Rechtsschutzgewährung gegen vorläufige Entscheidungen. Unabhängig von der jeweils zutreffenden Klageart ist auch gegen vorläufige Entscheidungen grundsätzlich gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren. Im Falle einer den Kläger im Verhältnis zur vorläufigen Bewilligung belastenden endgültigen Entscheidung kann er im Klageverfahren gegen die endgültige Entscheidung nicht mehr damit gehört werden, die Verwaltung habe nicht vorläufig bewilligen dürfen. Ist die vorläufige Bewilligung bestandskräftig geworden, ist sie auch im Rahmen eines Erstattungsbescheides nach § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III hinsichtlich der Vorläufigkeit nicht mehr überprüfbar(BSG Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 24/01 R, SozR 3-4100 § 147 Nr 1). Der eine vorläufige Leistung bewilligende Bescheid ist mithin ebenso wie ein solcher über die Bewilligung von endgültigen Leistungen mit der Begründung anfechtbar, die Verwaltung habe rechtswidrig gehandelt, hier zu Unrecht vorläufige Leistungen anstatt endgültige bewilligt. Die zutreffende Klageart ist dann zu förderst die Anfechtungsklage (vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92).

21

Gleichwohl ist ein auf endgültige Leistungen gerichtetes Begehren in Gestalt der Leistungsklage nicht grundsätzlich unzulässig ( § 54 Abs 2 SGG - vgl BSG Urteil vom 21.7.2009 - B 7 AL 49/07 R, BSGE 104, 76 = SozR 4-4300 § 22 Nr 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315; aA Düe in Niesel/Brand, SGB III, 6. Aufl 2010, § 328 RdNr 30 f, der nur die Anfechtung für rechtlich zulässig hält ) - ein Kläger ist wegen der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht ausschließlich gehalten, ebenfalls nur Leistungen in vorläufiger Höhe zu beantragen, wenn die Verwaltung eine endgültige Leistungsgewährung durch gesonderten Verfügungssatz zumindest konkludent ablehnt. Die Entscheidung der vorläufigen Bewilligung einer Leistung ist nach § 328 Abs 1 SGB III eine Ermessensentscheidung, wobei der Verwaltungsträger einen Entscheidungsfreiraum im Sinne von Entschließungs- und Auswahlermessen hat(vgl Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42). Die grundsätzlich richtige Klageart im Falle nicht gebundener Entscheidungen ist damit zwar die Verpflichtungsklage (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b; so auch Eicher in Eicher/Schlegel, § 328 SGB III, RdNr 92 im Hinblick auf vorläufige Leistungen wegen der Entscheidungsfreiräume der Verwaltung). Sie hält auch der erkennende Senat für die zutreffende Klageart im Falle der vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach § 328 Abs 1 SGB III, um der Einebnung der Verschiedenartigkeit der Ansprüche auf endgültige und vorläufige Leistungen entgegenzuwirken. Geht der Kläger jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung nicht vorliegen oder das Ermessen der Behörde sowohl im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entscheidung selbst, als auch der Höhe der zu bewilligenden Leistungen auf Null reduziert sei, ist die Beantragung der Leistung selbst (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 315 - kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage)und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig. Die Verpflichtungsklage ist dann jedoch ggf als ein Minus (Hilfsantrag) in der Leistungsklage enthalten (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IV, RdNr 18). Im Hinblick auf die Verpflichtung des Richters nach § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG, den erhobenen Anspruch festzustellen und auf eine entsprechende Antragstellung hinzuwirken(BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1), hätte sich das LSG in dieser Hinsicht mit dem klägerischen Vortrag auseinandersetzen und seinen prozessualen Hinweispflichten nachkommen oder die Klage insoweit ggf als unbegründet behandeln müssen.

22

c) Gleichwohl vermag die Klägerin mit ihrem Begehren auf endgültige Leistungen nicht durchzudringen. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der Klägerin die Leistungen als vorläufige und nicht in Gestalt endgültiger Leistungen erbracht hat.

23

Gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III kann der Leistungsträger über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruches eines Hilfebedürftigen auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Hilfebedürftige die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

24

Die Klägerin hat bereits bei Antragstellung am 24.4.2007 mitgeteilt, dass sie ab dem 1.9.2007 eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojekts beim Förderverein H eV aufnehmen und voraussichtliche Betriebseinnahmen von 500 Euro haben werde, denen vom 1.9.2007 bis 31.3.2008 voraussichtlich Betriebsausgaben von 100 Euro monatlich entgegenstehen würden. Da somit zum Entscheidungszeitpunkt nicht eindeutig festzustellen war, in welcher Höhe Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen sein werde, was nach § 9 SGB II wiederum Einfluss sowohl auf das "Ob" des Bestehens eines Leistungsanspruchs, als auch auf die endgültige Leistungshöhe hat, entspricht die Ausfüllung des Ermessensfreiraums durch Bewilligung vorläufiger Leistungen pflichtgemäßer Ermessensbetätigung(vgl zum grundsätzlichen Verbot, einen Geldleistungsanspruch durch "endgültigen" Verwaltungsakt - von Sonderfällen und speziellen gesetzlichen Regelungen abgesehen - anzuerkennen, bevor die Sach- und Rechtslage vollständig geklärt ist: BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 126/95 R, BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2; BSGE 62, 32 , 39 = SozR 4100 § 71 Nr 2; BSGE 67, 104 , 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; SozR 3-1300 § 32 Nr 4).

25

Mit Rücksicht auf den hier vorliegenden Streitgegenstand brauchte sich der Senat nicht mit der Frage zu befassen, inwieweit die Voraussetzungen des § 3 Abs 6 Alg II-V idF vom 17.12.2007 (BGBl I 2942), der hier nach § 9 Satz 3 Alg II-V für den Zeitraum ab dem 1.1.2008 zur Anwendung gelangen könnte, gegeben sind.

26

3. Im Hinblick auf die Höhe der vorläufigen Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vermochte der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG keine abschließende Entscheidung zu treffen. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG ist die Klage auf höhere vorläufige Regelleistungen und Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ebenfalls nicht bereits unzulässig.

27

a) Die Klage ist im Hinblick auf die Gewährung vorläufig höherer Leistungen nicht verfristet. Wenn auch die Klägerin erst auf die Hinweise des LSG hilfsweise ausdrücklich vorläufige Leistungen beantragt hat, war die Bewilligung vorläufiger Leistungen gleichwohl von Anfang an Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens.

28

Streitgegenstand ist nach der herrschenden prozessualen Theorie (vgl BSG Urteil vom 25.10.1995 - 5 RJ 40/93 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 4 S 7) der prozessuale Anspruch, nämlich das von der Klägerin aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine - bestimmte oder bestimmbare - Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (stRspr, vgl hierzu nur BSG Beschluss vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B = SozR 3-1500 § 96 Nr 9 S 18 f und Urteil vom 25.2.2004 - B 5 RJ 62/02 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 2 S 20; ebenso BVerwG vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 = BVerwGE 96, 24, 25).

29

Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl hierzu nur: BSG Urteil vom 4.2.1999 - B 7 AL 120/97 R = SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 57; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93, BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f, jeweils mwN; s auch BVerfG vom 29.10.1975 - 2 BvR 630/73 = BVerfGE 40, 272 <275>, das auf eine "dem Beschwerdeführer günstige Auslegung" abstellt) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen (§ 123 SGG), dass das Begehren der Klägerin möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren, was als Klageantrag zulässig ist, sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG Urteil vom 17.2.2005 - B 13 RJ 31/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 3 S 17; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R = SozR 4-1500 § 92 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <219> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 2 f; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 123 RdNr 8). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anzuwenden(BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94> = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = SozR 3-2500 § 95 Nr 1). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für das Gericht und die übrigen Beteiligten erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87, BSGE 63, 93 <94 f> = SozR 2200 § 205 Nr 65; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 92 RdNr 12).

30

Die Klägerin hat, wie oben dargelegt, den Bescheid vom 5.10.2007, mit dem Leistungen vorläufig bewilligt worden sind, angefochten und höhere Leistungen begehrt. Damit ist die Gewährung höherer vorläufiger Leistungen zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden, unabhängig von der konkreten Formulierung ihres Antrags. Die Neufassung des Antrags der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG stellte mithin keine Klageänderung iS des § 99 SGG dar. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufgrund des rechtlichen Hinweises der Vorsitzenden gemäß § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG erfolgte Konkretisierung des Klageantrags und die Differenzierung in einen Haupt- und einen Hilfsantrag ist eine Klarstellung des schon ursprünglich Gewollten(vgl BSG Urteil vom 13.3.1991 - 6 RKa 20/89, BSGE 68, 190 <191> = BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 1 S 3 f).

31

b) Ebenso wenig ist die Klage im Hinblick auf die Gewährung auch einer höheren Regelleistung verfristet. Die Klägerin hat den Streitgegenstand nicht auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Die Regelleistung ist von Anfang an im Streit gewesen. Die Klägerin hat den streitgegenständlichen Bescheid nicht nur teilweise angefochten und auch die Klage zu keinem Zeitpunkt teilweise zurückgenommen.

32

Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R = BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 S 10 mwN; BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7 S 37). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X) enthält (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 mwN). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich zwar bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes insoweit zulässig ist(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 <223 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 9 S 74). Es bedarf aber hierfür einer eindeutigen und ausdrücklichen Erklärung (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 <224> = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R = BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 10.3.1994 - 7 RAr 38/93 = BSGE 74, 77 <79> = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47 f; BVerwG vom 9.7.1997 - 1 B 209/96; Behrend in Hennig, SGG, § 95 RdNr 27a; Jansen/Humpert, SGG, § 123 RdNr 4a), an der es vorliegend fehlt. Allein aus fehlenden Äußerungen zu abtrennbaren Teilen eines Verwaltungsakts kann nicht geschlossen werden, dass die betreffende Teilregelung nicht angefochten sei, sondern in Bestandskraft erwachsen solle.

33

c) Statthafte Klageart betreffend den Hilfsantrag der Klägerin auf Gewährung höherer vorläufiger Leistungen ist - wie oben bereits dargelegt - die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage, da der Verwaltung hinsichtlich der Höhe der Leistung grundsätzlich ein - wenn auch eng begrenzter - Ermessensspielraum verbleibt (Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 92; Wehrhahn in Estelmann, SGB II, § 40 RdNr 109; LSG Berlin-Brandenburg vom 15.2.2008 - L 28 B 1869/07 AS PKH). Ob der Beklagte die vorläufige Leistung hier in zutreffender Höhe bewilligt hat, vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Es mangelt an Feststellungen des LSG zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, sodass bereits aus diesem Grunde die Rechtmäßigkeit der Höhe der vorläufigen Leistungen nicht überprüft werden konnte. Nicht zu beanstanden ist hingegen die prognostische Entscheidung des Beklagten im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens.

34

§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 SGB III räumt der Verwaltung zwar grundsätzlich sowohl hinsichtlich des "Ob" als des "Wie" (Art, Höhe, Dauer) der Leistung Ermessen ein, also ein Entschließungs- und Auswahlermessen. Allerdings verbleibt dem Beklagten im Bereich der Leistungen nach dem SGB II nur ein sehr eng begrenzter Entscheidungsfreiraum. So ist zunächst die Höhe der Leistung ohne das zu berücksichtigende Einkommen auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei sind alle Leistungsbestandteile in zutreffender Höhe zu ermitteln, hier Regelleistung und Leistung für Unterkunft und Heizung. Erst im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens, das sodann die zuvor ermittelte Leistungshöhe senkt, ist das Vorhandensein eines Ermessensspielraums im Sinne eines Auswahlermessens denkbar (vgl dazu Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 42 ff), der gerichtlich gemäß § 54 Abs 2 Satz 2 SGG überprüft werden kann. Zu beachten ist jedoch auch dabei, dass die Leistungen nach dem SGB II der Gewährleistung des Existenzminimums dienen, weshalb die Ermessensspielräume sich verengen, soweit es um die Sicherung der physischen Existenz (Nahrung, Kleidung, Wohnung) des Leistungsempfängers geht (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175). Eine zweckentsprechende Ermessensbetätigung hat im Rahmen des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III deshalb regelmäßig zur Folge, dass die Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen voraussichtlich auch endgültig zu leisten sein wird. Ein "vorsorglicher" Abschlag aufgrund der Vorläufigkeit scheidet im Regelungskreis des SGB II wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen regelmäßig aus (Niesel/Brand/Düe, SGB III, 5. Aufl 2010, § 328 RdNr 18; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <246>; Leopold, info also 2008, 104 <106>; im Ergebnis ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 328 RdNr 189; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 44; vgl auch BT-Drucks 13/2440, S 32 zu Art 4 Nr 3 , wonach die vorläufige Bewilligung gerade den Zweck habe, den Bezug von Sozialhilfe zu vermeiden).

35

Unter Berücksichtigung dessen hat der Beklagte den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung zunächst nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu bemessen, also festzustellen, ob und in welcher Höhe die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit setzt dabei eine Einzelfallprüfung voraus (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 <238> = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 S 23; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = BSGE 97, 254 <258 f> = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 S 30 f). Diese wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren unter Beachtung der nachfolgenden Erwägungen vorzunehmen haben:

36

Die Angemessenheit von Unterkunfts- und Heizkosten ist (getrennt voneinander vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der so genannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (vgl grundsätzlich zum schlüssigen Konzept: BSG Urteile vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30; 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27). Insoweit wird auf die Rechtsprechung des 14. Senats des BSG zu den angemessenen Unterkunftskosten in der Stadt Berlin verwiesen, der sich der erkennende Senat anschließt (Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R). Kosten für ein Arbeitszimmer, welches die Klägerin als Betriebsausgabe in Abzug bringen will, sind nicht als Kosten der Unterkunft anzusehen, da § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur Leistungen für privaten Wohnraum umfasst(BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 1 Satz 3 mwN).

37

Sollten sich die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung dessen als unangemessen erweisen, könnten ihr gleichwohl höhere Leistungen zustehen, wenn ihr die nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II vorzunehmende Kostensenkung nicht zumutbar sein sollte. Nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, die den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Prüfung wird das LSG auf Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung durchzuführen haben.

38

Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 19.2.2009 (B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19) und 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 27) beispielhaft Umstände aufgeführt, die der Zumutbarkeit eines Umzugs entgegenstehen können. Ob vorliegend ein Fall subjektiver Unzumutbarkeit vorliegt, kann der erkennende Senat aufgrund der festgestellten Tatsachen nicht beurteilen.

39

Einer Aufforderung zur Kostensenkung bedurfte es jedenfalls ab November 2006 nicht mehr, weil der Klägerin hinreichend verdeutlicht war, dass der Beklagte ihre Aufwendungen für KdU für unangemessen hält. Offen bleiben kann insoweit, ob das Schreiben des Beklagten vom 2.5.2006 mit der darin enthaltenen Kostensenkungsaufforderung der Klägerin zuging und ob sie vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis erlangte. Denn jedenfalls mit dem Bewilligungsbescheid vom 7.11.2006 und in der Folge im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem SG um die Angemessenheit der Kaltmiete brachte der Beklagte gegenüber der Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck, welche Kaltmiete er für angemessen erachtete. Einer weiteren Kostensenkungsaufforderung bedurfte es nicht mehr, da deren Zweck der Aufklärung und Warnung erreicht war (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 8). Der Klägerin war der von dem Beklagten zugrunde gelegte angemessene Mietpreis bekannt.

40

Hinsichtlich der Höhe des zugrunde gelegten Regelleistungsbedarfs ergeben sich keine Beanstandungen. Auf Basis dessen sowie der zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist alsdann die vorläufige Höhe des Alg II unter Berücksichtigung der prognostischen Höhe des Einkommens, das die Gesamtleistung durch Anrechnung senkt, zu bestimmen.

41

Die prognostische Ermittlung des anzurechnenden Einkommens durch den Beklagten ist hier nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Prognose sind die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände und die Angaben des Antragstellers im Leistungsantrag (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 Reg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hat zunächst im Antrag vom 24.4.2007 angegeben, sie erwarte monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 100 Euro ab dem 1.9.2007 bis zum 31.3.2008. Sie hat sodann in der Begründung ihres Widerspruchs mitgeteilt, sie habe seit dem 1.1.2007 durchschnittliche monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 Euro verzeichnet. Der Beklagte hat dies im Änderungsbescheid vom 2.1.2008 der Berechnung zugrunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die erst im Klageverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen, nach denen nach Auffassung der Klägerin überhaupt kein Einkommen anzurechnen ist, können die Prognose des Beklagten nicht erschüttern, da sie die Richtigkeit der ursprünglichen Prognose nicht widerlegten (vgl zur Prognose bei beruflichen Bildungsmaßnahmen: BSGE 37, 163 = SozR 4100 § 41 Nr 1).

42

4. Ob die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung auch für den Monat April 2008 rechtmäßig war, vermochte der Senat ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen. Der vorläufige Verwaltungsakt ergeht auf Grundlage eines nicht vollständig ermittelbaren Sachverhalts und einer hierauf beruhenden Prognose (Schimmelpfennig, Vorläufige Verwaltungsakte, 1989, S 106; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240 <242>). Die Verwaltung muss die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände fehlerfrei ermitteln (BSG Urteil vom 30.8.2007 - B 10 EG 6/06 R = SozR 4-7833 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14 REg 10/96 - SozR 3-7833 § 6 Nr 15; BSG Urteil vom 16.12.1999 - B 14 EG 1/99 R - SozR 3-7833 § 6 Nr 22). Die Klägerin hatte zwar bereits im Antrag vom 24.4.2007 erklärt, dass der Honorarvertrag nur bis 31.3.2008 laufe. Ob hieraus jedoch folgt, dass sie ab dem 1.4.2008 auch keinen Einkommenszufluss aus dieser Beschäftigung mehr haben würde, ist offen. Es mangelt an Tatsachenfeststellungen des LSG hierzu. Der Beklagte hat im Hinblick auf die Beendigung der Beschäftigung zwar bereits kein Einkommen mehr bei der Berechnung der vorläufigen Leistungen berücksichtigt, ob insoweit allerdings bereits die Grundlage für die Vorläufigkeit der Bewilligung entfallen und der Beklagte eine endgültige Entscheidung hätte treffen müssen, wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren ebenso aufzuklären haben, wie es unter den oben dargelegten Gesichtspunkten auch die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat April 2008 wird überprüfen müssen.

43

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen aus laufenden Leistungen, die der Kläger aus den französischen Zusatzalterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO erhält.

2

Der 1940 geborene Kläger bezieht seit Oktober 2000 eine Rente der (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung und ist seit 1.4.2002 als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Daneben erhält er von der Alterssicherungskasse CNAV eine Rente der allgemeinen französischen Rentenversicherung sowie von den Trägerorganisationen CIRCACIC und IREPS jeweils laufende Leistungen aus den Zusatz-Alterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO (im Folgenden: französische Zusatzrenten). Die französischen Zusatzrenten machten im April 2002 (ohne die französische Rente) etwa drei Viertel seines Gesamtalterseinkommens aus.

3

Mit Bescheid vom 27.3.2002 stellte die beklagte AOK die Versicherungspflicht des Klägers als Rentner in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.4.2002 fest und führte ua aus: "Für Ihre Beitragsbelastung ab 01.04.2002 gilt Folgendes: Die Zusatzrenten von IREPS und CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht." Mit Bescheid vom 11.4.2002 setzte die Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus diesen Leistungen ab 1.4.2002 fest und übernahm die genannten Ausführungen zu deren Beitragspflicht als "betriebliche Zusatzrenten" wortgleich aus dem vorangegangenen Schreiben. Mit dem nachfolgenden Bescheid vom 26.2.2003 setzte die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen Änderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.4.2002 neu fest. Im Hinblick auf die zum 1.1.2004 wirksam werdenden, auf dem GKV-Modernisierungsgesetz beruhenden Rechtsänderungen teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2.12.2003 ua mit, dass Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen ab 1.1.2004 unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes zu berechnen seien. Unter Bezugnahme hierauf wandte sich der Kläger gegen die "Erhöhung des monatlichen Beitragssatzes um ca 100 %" für seine französischen Zusatzrenten ab 1.1.2004 und bat die Beklagte um Bestätigung, dass für diese "nur die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes" gelte. Zur Begründung führte er ua aus, dass es sich bei den französischen Zusatzrenten nicht um Betriebsrenten oder ähnliche Versorgungsbezüge handele (Schreiben des Klägers vom 21.1.2004). Die Beklagte reagierte darauf mit Schreiben vom 2.2.2004, betonte, dass es sich bei den französischen Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V handele, und fügte hinzu, dass dies "bereits seit Jahren mehrfach besprochen" sei, sich "an dieser Rechtsauslegung" auch zum 1.1.2004 "nichts geändert" habe und es deshalb bei der Beitragsberechnung … "verbleibe". Der Kläger erhob gegen die "neue Beitragsberechnung des (vollen) Beitragssatzes für die französischen Zusatzrenten" unter Bezugnahme auf dieses Schreiben Widerspruch und bat die Beklagte, von dieser "außerordentlich hohen Mehrbelastung (Verdoppelung des Beitrags …) Abstand zu nehmen" (Widerspruch vom 9.2.2004). Mit Bescheid vom 3.3.2004 setzte die Klägerin die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen Veränderungen der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2003 und unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes ab 1.1.2004 neu fest. Der Kläger wandte sich daraufhin erneut "gegen die Beitragsberechnung ab 1.1.2004" und trug ua vor, dass es sich bei seinen französischen Zusatzrenten "nicht um Versorgungsbezüge ähnlich wie in Deutschland die Betriebsrenten, sondern um gesetzliche Renten und gesetzliche Zusatzrenten …" handele (Widerspruch vom 15.3.2004).

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 wies die Beklagte den wegen der "Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz ab 1.1.2004" erhobenen Widerspruch des Klägers zurück. Bei den französischen Zusatzrenten handele es sich um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V. Das sei bereits durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt und dem Kläger mit Schreiben vom 2.2.2004 später nochmals erläutert worden. Die Krankenversicherungsbeiträge habe sie ab 1.1.2004 zutreffend nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben.

5

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 aufzuheben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mit Bescheid vom 14.4.2005 wegen Änderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2004 neu festgesetzt. Mit Urteil vom 19.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG mit Urteil vom 20.10.2009 das erstinstanzliche Urteil sowie die "Bescheide" der Beklagten vom 11.4.2002, 2.2.2004 und 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2005 und den Bescheid vom 14.4.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Weil die Beklagte unter dem 2.2.2004 über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als Versorgungsbezüge erneut entschieden habe, könne das im Gerichtsverfahren überprüft werden. Die Zusatzrenten unterlägen allerdings nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, sodass Beiträge zu diesen Sozialversicherungszweigen für die streitige Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 nicht hätten erhoben werden dürfen. Beitragspflicht bestehe deshalb nicht, weil französische Zusatzrenten, wie sie der Kläger beziehe, wegen einer Notifizierung der französischen Regierung unter Bezugnahme auf Art 1 Buchst j der EWGV 1408/71 Leistungen nach Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 und damit ihrer Art nach Renten darstellten, die in der deutschen Krankenversicherung nicht verbeitragt werden dürften.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 229 Abs 1 S 1 Nr 5, S 2 SGB V. Bei seiner Abgrenzung der Renten von den Versorgungsbezügen habe das LSG Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 fehlerhaft ausgelegt. Diese Vorschrift bezwecke lediglich die Festlegung des sachlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Für die Einordnung und Bewertung der französischen Zusatzrenten als gesetzliche Renten oder Versorgungsbezüge besage sie indessen nichts. Insoweit komme es für die Beurteilung als beitragspflichtige Einnahmen - auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH - allein auf das nationale, hier das deutsche Sozialversicherungsrecht an. Nach deutschem Recht seien aber alle Voraussetzungen für die Annahme erfüllt, dass es sich bei den Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V handele.

7

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.10.2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.12.2005 zurückzuweisen.

8

Der Kläger stellt keinen Antrag und äußert sich auch in der Sache nicht.

9

Mit Schreiben vom 7.12.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) im vorliegenden Revisionsverfahren inhaltlich (überhaupt) noch zu entscheiden ist.

10

Unter dem 14.2.2012 hat die Beklagte die angefochtenen Ausgangsbescheide aufgehoben, soweit darin auch Pflegeversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, sodass das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen war. Hierüber durfte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 165, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG) entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

12

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist der Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002, daneben das vom LSG als Bescheid angesehene - mit Widerspruch vom 9.2.2004 angefochtene - Schreiben der Beklagten vom 2.2.2004 und der - mit Widerspruch vom 15.3.2004 angefochtene - Bescheid vom 3.3.2004, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004. Nachdem der Klageantrag das Schreiben vom 2.2.2004 und den Bescheid vom 3.3.2004 ursprünglich nicht umfasst und das SG hierüber auch nicht befunden hatte, hat das Berufungsgericht diese - bei Zugrundelegung des Schreibens vom 2.2.2004 als Bescheid - zutreffend in sein Verfahren einbezogen. Der Senat kann dabei offenlassen, ob eine Einbeziehung solcher Ausgangsbescheide im Wege einer bloßen Klarstellung des Streitgegenstands erfolgt, als Erweiterung des Klageantrags nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG oder als Klageänderung. Jedenfalls hat die Beklagte in deren Einbeziehung eingewilligt, diese war auch sachdienlich.

13

Zu beurteilen ist ferner der Bescheid der Beklagten vom 14.4.2005. Dieser bereits während des Klageverfahrens ergangene, vom SG aber nicht berücksichtigte Bescheid ist nach § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung Verfahrensgegenstand geworden, weil er den vorangegangenen Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 über die Beitragsfestsetzung aus den französischen Zusatzrenten für die Zeit ab 1.1.2004 ersetzt.

14

Ob die Festsetzung von Beiträgen aus den französischen Zusatzrenten rechtmäßig ist, ist lediglich für den Zeitraum vom 1.4.2002 (Beginn der Versicherungspflicht) bis 28.2.2006 zu prüfen, nachdem sich die Beklagte in einem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren geschlossenen Teilvergleich dazu verpflichtet hat, die "ab 2006 ergangenen Beitragsbescheide" entsprechend dem Ausgang des Rechtsstreits erneut zu überprüfen, und der Kläger sein Begehren insoweit beschränkt hat. Der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt auch nur (noch) die Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge, nachdem die Beklagte im Revisionsverfahren ihre (Beitrags)Bescheide hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung aufgehoben hat.

15

2. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das SG hat die gegen die Bescheide der Beklagten erhobene Anfechtungsklage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 (dazu a) und ihr Schreiben vom 2.2.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004) (dazu b) erhobene Klage ist allerdings bereits unzulässig. Zulässig, aber unbegründet ist demgegenüber die Klage gegen den Bescheid vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und den in das Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid vom 14.4.2005 (dazu c).

16

a) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 gerichtete Anfechtungsklage ist unzulässig. Der Bescheid, der neben der (ersten) Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 1.4.2002 auch den Passus enthält: "Wie bereits bekannt, gilt für Ihre Beitragsbelastung ab 01.04.2002 Folgendes: … Die Zusatzrenten von IREPS und CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht", war im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits (formell) bestandskräftig. Gegen den Bescheid, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, wurden nämlich innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG Rechtsbehelfe nicht eingelegt.

17

Der Senat kann offenlassen, ob die Beklagte mit diesem oder bereits dem früheren - hier nicht angefochtenen - Bescheid vom 27.3.2002 oder mit beiden Bescheiden (auch) über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten entschieden hat, was zur Folge hätte, dass der Bescheid vom 11.4.2002 jenen nur wiederholte oder eine weitere neue Sachentscheidung darstellte. Denn auch der Bescheid vom 27.3.2002 war - mangels fristgerechter Einlegung eines Rechtsbehelfs - (formell) bestandskräftig. Die weiteren vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 3.3.2004 und 14.4.2005 enthielten demgegenüber nur noch Beitrags(neu)festsetzungen infolge veränderter Beitragsbemessungsgrundlagen bzw veränderten Beitragssatzes.

18

Die Beklagte hat damit dem Kläger gegenüber eigenständig und mit bindender Wirkung (§ 77 SGG) festgestellt, dass die französischen Zusatzrenten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) iS des § 229 Abs 1 SGB V anzusehen sind und deshalb der Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterliegen. Zwar hat sie sich bei dieser Feststellung insoweit auf ein einzelnes Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes beschränkt. Das ist jedoch nicht zu beanstanden. Grundsätzlich dürfen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung eine einzelne Größe zur Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags nicht für sich zum Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts machen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2006 - B 12 KR 5/05 R, juris RdNr 9). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 70, 105, 106 f = SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 2 f; ferner BSGE 58, 10 = SozR 2200 § 180 Nr 25 und SozR aaO, Nr 38)ist jedoch - in Abweichung hiervon - die Beitragspflicht von Einnahmen als Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes gesondert feststellungsfähig.

19

Die gegen den bestandskräftigen feststellenden Verwaltungsakt über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten erhobene Klage ist nicht deshalb (gleichwohl) zulässig, weil die Beklagte über einen hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 in der Sache entschieden hätte, dadurch eine "Heilung" der Fristversäumung eingetreten und ein (Rechtsbehelfs)Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht (wieder) "eröffnet" worden wäre. Ein solches - als verfristeter Widerspruch auszulegendes - Überprüfungsbegehren des Klägers ist nicht erkennbar. Es könnte allenfalls in seinem Schreiben vom 21.1.2004 gesehen werden. Mit diesem hat sich der Kläger jedoch - wenn auch unter Hinweis auf das Fehlen der Beitragspflicht als einer der (Grund)Voraussetzungen der Beitragserhebung - (explizit) nur zu der Mitteilung der Beklagten vom 2.12.2003 geäußert, dass Beiträge aus Versorgungsbezügen ab Januar 2004 nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu berechnen seien. Dieses Verständnis liegt auch dem Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 zugrunde. Denn mit ihm hat die Beklagte vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts keine Überprüfung ihrer Feststellungen zur Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten im Rechtsbehelfsverfahren vorgenommen, sondern sich allein auf den Hinweis zur Bestandskraft (ihres Bescheides vom 11.4.2002) beschränkt.

20

b) Die Anfechtungsklage ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen das vom LSG als Bescheid angesehene Schreiben der Beklagten vom 2.2.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004) richtet. Weil das Schreiben keinen Verwaltungsakt enthält und der Kläger aufgrund der Begleitumstände dieses Schreibens auch nicht davon ausgehen musste - und wie sich aus seinen Widersprüchen vom 9.2.2004 und 15.3.2004 ergibt (dazu unten) - tatsächlich auch nicht davon ausgegangen ist, dass hiermit von der Beklagten einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellungen gewollt waren (zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in solchen Fällen vgl BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Urteil des Senats vom 10.5.2006 - B 12 KR 5/05 R, juris RdNr 9), ist die Anfechtungsklage nicht statthaft. Weder handelt es sich bei dem Schreiben vom 2.2.2004 nämlich um eine weitere neue Sachentscheidung der Beklagten über die Feststellung der Beitragspflicht, die ein Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht insoweit (neu) "eröffnete", noch hat die Beklagte unter dem 2.2.2004 auf einen nach § 44 SGB X gestellten Antrag des Klägers die Aufnahme eines entsprechenden Überprüfungsverfahrens abgelehnt oder nach Aufnahme und erneuter Sachentscheidung einen für den Kläger negativen Zweitbescheid erlassen. In diesen Fällen fehlte für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage im Zweifel auch das Vorverfahren (dazu unten).

21

Der vom Berufungsgericht hierzu vertretenen Auffassung folgt der Senat nicht, weil die Bewertung des Schriftverkehrs zwischen dem Kläger und der Beklagten insoweit zu einem anderen Ergebnis führt. Zum einen wollte der Kläger mit seinem Schreiben vom 21.1.2004 keine Überprüfung - und zwar auch keine solche nach § 44 SGB X - erreichen(dazu oben a). Zum anderen befand die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 2.2.2004 vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungswerts dieses Schreibens nicht über einen solchen Überprüfungsantrag und traf auch keine neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten. Sie teilte vielmehr (nur) - unter Hinweis auf zurückliegende Korrespondenz - mit, dass sich an ihrer Auslegung "nichts geändert" habe und es deshalb bei der Beitragserhebung "verbleibe". Der Senat ist im Revisionsverfahren befugt, den Inhalt von Verwaltungsakten (und Schreiben) selbstständig - und damit auch abweichend von den Vorinstanzen - auszulegen, dh, die sich aus ihnen ergebenden Rechtsfolgen selbstständig zu bestimmen, etwa soweit es um die vollständige Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände und die Beachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln geht (stRspr des BSG, vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3b mwN; BSGE 48, 56, 58 f = SozR 2200 § 368a Nr 5).

22

Ebenso wenig hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 - was abschließend zu prüfen ist - in der Sache über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten entschieden. Sie hat also auch insoweit das Verfahren nicht (wieder) "eröffnet". Vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts ist im Widerspruchsbescheid (selbst) weder eine weitere neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht getroffen worden noch enthält dieser (selbst) eine Entscheidung im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Abgesehen davon, dass sich die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid darauf beschränkt hat, die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als bestandskräftig festgestellt zu bezeichnen, und ihr Schreiben vom 2.2.2004 als (bloßes) Erläuterungsschreiben vorgestellt hat (und solche Entscheidungen von ihr als Widerspruchsbehörde auch gar nicht getroffen werden dürften), hat sich der Kläger mit seinen Widersprüchen vom 9.2.2004 und 15.3.2004 gegen die Beitragspflicht dieser Einnahmen auch (gar) nicht gewandt. Weil er sich dort jedenfalls mit der Anwendung des halben allgemeinen Beitragssatzes auf diese Einnahmen einverstanden erklärt hat, hat er deren Beitragspflicht akzeptiert.

23

c) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und den in das Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid vom 14.4.2005 erhobene Anfechtungsklage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

24

In diesen Bescheiden hat die Beklagte, ohne sich mit der Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als (Grund)Voraussetzung der Beitragserhebung ein wiederholtes Mal - im Wege einer neuer Sachentscheidung oder in einem Überprüfungsverfahren - zu befassen, über (die) weitere(n) Elemente des Beitrags(tragungs)tatbestandes entschieden und die Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit ab 1.3.2003 bzw 1.1.2004 wegen Veränderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage und unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes neu festgesetzt. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen ab 1.1.2004 in Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes, die der Kläger im Rahmen seines um die Höhe der Beiträge geführten Rechtsstreits allein beanstandet, ist indessen rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und dem Bescheid vom 14.4.2005 die aus den französischen Zusatzrenten vom Kläger zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung der auf (beitragspflichtige) Versorgungsbezüge ab 1.1.2004 anzuwendenden Vorschrift des § 248 SGB V ermittelt. - Soweit es die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen für den vorangegangenen Zeitraum - vom 1.4.2002 bis 31.12.2002 - betrifft, ist die Beitragsfestsetzung vom Kläger (allerdings) schon deshalb hinzunehmen, weil der (Beitrags)Bescheid vom 11.4.2002 und der - hier nicht angefochtene - (Beitrags)Bescheid vom 26.2.2003 - wie bereits erörtert (dazu oben a) - (formell) bestandskräftig geworden sind.

25

Nach § 248 S 1 SGB V in der im streitigen Zeitraum maßgebenden, unverändert geltenden Fassung des Art 1 Nr 148 Buchst a des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) gilt bei Versicherungspflichtigen - und damit auch bei Rentnern (§ 237 SGB V iVm § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 und § 229 SGB V) -für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der jeweils am 1. Juli geltende allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse für das folgende Kalenderjahr. Gegen die Berechnung des Betrags aus den französischen Zusatzrenten in Anwendung dieser Vorschrift und unter Beachtung des satzungsmäßigen allgemeinen Beitragssatzes hat der Kläger Einwendungen nicht erhoben. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen aus Versorgungsbezügen nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz ist auch in Ansehung des vom Kläger behaupteten "drastischen" und "unvorhergesehenen" Eingriffs in seine Alterssicherung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

26

§ 248 S 1 SGB V hat faktisch eine Verdoppelung der bei versicherungspflichtigen Rentnern aus den Versorgungsbezügen zu zahlenden Beiträge gegenüber dem bis zum 31.12.2003 geltenden Recht bewirkt, denn nach § 248 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung galt bei Versicherungspflichtigen für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nur die Hälfte des jeweils am 1. Juli geltenden allgemeinen Beitragssatzes ihrer Krankenkasse. Weil nach § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V in seiner unveränderten Fassung die Beiträge weiterhin allein vom Mitglied zu tragen sind, trifft die Erhöhung im wirtschaftlichen Ergebnis allein das Mitglied und verdoppelt dessen Beitragslast aus Versorgungsbezügen.

27

Versorgungsbezüge sind in der Krankenversicherung bei Versicherungspflichtigen wie bei freiwillig Versicherten seit 1983 beitragspflichtige Einnahmen (vgl § 180 Abs 5 bis 8 RVO idF des Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 1.12.1981, BGBl I 1205). Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen (vgl Urteile des Senats vom 24.8.2005 - B 12 KR 29/04 R - SozR 4-2500 § 248 Nr 1, vom 10.5.2006, ua B 12 KR 5/05 R - USK 2006-25, B 12 KR 7/05 R - WzS 2007, 155 - und B 12 KR 21/05 R - WzS 2007, 155, sowie vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12) - an denen er festhält - ausgeführt hat, ist er nicht davon überzeugt, dass § 248 SGB V verfassungswidrig ist. Insbesondere hat er dargelegt, dass sich an der Zumutbarkeit der jetzigen Beitragslast auf Versorgungsbezüge nichts ändert, wenn die Belastung von Versorgungsbeziehern im Einzelfall - wie hier - aufgrund eines höheren Anteils der Versorgung am individuellen Arbeitseinkommen höher ist. Er hat auch weder eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu freiwillig versicherten Rentenbeziehern gesehen noch einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG angenommen, soweit nach § 248 S 2 SGB V für Versorgungsbezüge iS von § 229 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V, dh Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, weiterhin nur der halbe allgemeine Beitragssatz gilt. Weiter hat der Senat weder die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG als verletzt angesehen noch die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge als Verletzung des Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bewertet. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 28.2.2008 (1 BvR 2137/06 - SozR 4-2500 § 248 Nr 3) die Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Senats vom 10.5.2006 (B 12 KR 3/05 R - WzS 2007, 154, B 12 KR 5/05 R - aaO, B 12 KR 7/05 R - aaO, B 12 KR 9/05 R - WzS 2007, 153 und B 12 KR 13/05 R - WzS 2007, 153) nicht zur Entscheidung angenommen. Im Zusammenhang mit der Verdoppelung der Beitragslast einer pflichtversicherten Rentnerin mit einer Witwenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (Urteil des Senats vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12) hat das BVerfG § 248 SGB V ebenfalls nicht beanstandet(Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 2325/07 - SozR 4-2500 § 248 Nr 4; vgl außerdem BVerfG Beschluss vom 28.5.2008 - 1 BvR 2257/06 - SozR 4-2500 § 240 Nr 11: Verdoppelung der Beitragslast für beamtenrechtliche Versorgungsbezüge durch Aufhebung von § 240 Abs 3a SGB V). In diesen Entscheidungen hat das BVerfG § 248 S 1 SGB V als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen. Einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG hat es verneint und ua ausgeführt, die Belastung mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz sei auch dann hinzunehmen, wenn die Versorgungsbezüge - wie hier - ausnahmsweise einen hohen Anteil der Alterseinkünfte ausmachten. Es ist weder ersichtlich noch macht der Kläger geltend, dass in seinem Fall Besonderheiten vorliegen, die Anlass zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung geben könnten.

28

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden.

(2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Unpfändbar sind Ansprüche auf

1.
Elterngeld bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge sowie dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder,
2.
Mutterschaftsgeld nach § 19 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herrührt, bis zur Höhe des Elterngeldes nach § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, soweit es die anrechnungsfreien Beträge nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes nicht übersteigt,
2a.
Wohngeld, soweit nicht die Pfändung wegen Ansprüchen erfolgt, die Gegenstand der §§ 9 und 10 des Wohngeldgesetzes sind,
3.
Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen.

(4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt:

1.
Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht.
2.
Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.

(6) In den Fällen der Absätze 2, 4 und 5 gilt § 53 Abs. 6 entsprechend.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. April 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom 26.1. bis 30.6.2009, insbesondere, ob der Kläger die gesamten Beiträge zur privaten Krankenversicherung von dem Beklagten beanspruchen kann.

2

Der 1974 geborene und ledige Kläger war nach Beendigung seiner Referendarzeit als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Seit seiner Referendarzeit ist er durchgehend privat kranken- und pflegeversichert. Sein Beitrag für die private Krankenversicherung betrug ab 1.1.2009 207,39 Euro, derjenige für die private Pflegeversicherung 17,89 Euro. Wegen Ruhens der ihm im Jahre 2003 erteilten Anwaltszulassung hat der Kläger im streitigen Zeitraum kein Einkommen erzielt.

3

Nach einem erstmaligen Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von Juni 2006 bis Juni 2007 bewilligte ihm der Beklagte erneut für die Zeit vom 26.1. bis 31.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 16,20 Euro, für Unterkunft und Heizung in Höhe von 45,18 Euro sowie Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 25,91 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 3,56 Euro und für die Zeit vom 1.2. bis 30.6.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 351 Euro, für Unterkunft und Heizung in Höhe von 225,88 Euro sowie Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 129,54 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 Euro (vorläufiger Bescheid vom 16.3.2009; Widerspruchsbescheid vom 30.3.2009).

4

Während des sozialgerichtlichen Klageverfahrens hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20.7.2009 den Bescheid vom 16.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2009 für endgültig erklärt. Das SG hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide ua verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 26.1.2009 "nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften unter Berücksichtigung monatlicher Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 207,39 Euro und monatlicher Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,89 Euro" zu gewähren (Urteil des SG vom 20.7.2009). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 13.4.2010 hat der Beklagte anerkannt, einen Zuschuss in Höhe der tatsächlich anfallenden Beiträge zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 17,89 Euro zu erbringen. Nach Annahme dieses Angebots durch den Kläger hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 13.4.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe in verfassungskonformer Auslegung des § 26 Abs 2 SGB II zu. Nach der Konzeption des SGB II sollten Bezieher von Alg II einen umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein. Seit dem 1.1.2009 neu in den Leistungsbezug gelangende Hilfebedürftige seien von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon ausgeschlossen, ob dies ihrem Willen entspreche. Der Gesetzesbegründung sei kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber - abweichend von der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Alg II gegen ihren Willen mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge habe belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert würden. Dies sei dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der Bezahlbarkeit des Basistarifs als gewährleistet erschienen. Bei wortgetreuer Anwendung der seit 1.1.2009 geltenden gesetzlichen Regelung werde die eigentlich bezweckte Rechtsfolge verfehlt. Ein Ergebnis, wonach der Kläger aus seiner Regelleistung monatlich fast 80 Euro für seinen Krankenversicherungsschutz zuschießen müsse, belaste ihn in verfassungswidriger Weise. Es erscheine möglich und geboten, die nach ihrem Wortlaut auf freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zugeschnittene Vorschrift des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II zusammen mit § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II auszulegen und auf diese Weise der Regelungsabsicht des Gesetzgebers gerecht zu werden.

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Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine unrichtige Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II. Die Regelung lasse keinen Raum für eine über ihren Wortlaut hinausgehende (verfassungskonforme) Auslegung. Der Gesetzgeber habe das Problem der "Beitragslücke" zwar gesehen. Hieraus könne jedoch nicht zugleich geschlossen werden, dass er diese auch habe vermeiden wollen. Dies sei gerade nicht der Fall. Das gesetzgeberische Konzept laufe klar und eindeutig darauf hinaus, nur einen Teil der Beiträge zu bezuschussen. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG in Wahrheit keine materiell-begrenzende Regelung habe schaffen wollen, weil er in diesem Fall von der Einfügung dieses Halbsatzes abgesehen hätte.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. April 2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 20. Juli 2009 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 16. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2009 sowie des Bescheids vom 20.7.2009 abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtenen Bescheide teilweise rechtswidrig sind, weil der Beklagte dem Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 26.1. bis 30.6.2009 die von ihm zu tragenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe zu erstatten hat. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Zuschuss zu seinen Beiträgen zur privaten Krankenversicherung (3). Allerdings ist die Übernahme der Beiträge nach dem Wortlaut des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c VAG auf die Höhe des Beitragssatzes für Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt (4). Die verbleibende "Beitragslücke" kann nicht in Anwendung anderer Vorschriften des SGB ausgeglichen werden (5). Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Normen, des gesamten Regelungskonzepts nach den Gesetzesmaterialien und sonstigen Vorschriften zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit durch die Tragung von privaten Krankenversicherungsbeiträgen sowie verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte liegt eine gesetzesimmanente Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelungen vor (6), die durch eine analoge Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 2 SGB II zu lösen ist (7).

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1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Der Beklagte steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligten-wechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 - BSGE 62, 269, 270 f = SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R - BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

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Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944) in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl 2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f; unklar Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl 2010, Art 91e RdNr 26 ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff; Volkmann, aaO, RdNr 6 f).

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2. a) Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 16.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2009, mit dem der Beklagte für den Zeitraum vom 26.1. bis 30.6.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung ua eines Teils der Beiträge des Klägers zur privaten Krankenversicherung bewilligt hat. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger in zulässiger Weise mit einer (kombinierten) Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Der Bescheid enthält eine endgültige Regelung, nachdem der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20.7.2009 gegenüber dem anwesenden Kläger durch (mündlichen) Verwaltungsakt erklärt hat (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 50c). Dieser endgültige Bescheid ersetzt den vorläufigen Bescheid vom 16.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2009 (BSG Urteil vom 17.4.1996 - 3 RK 13/95 - SozR 3-5425 § 10 Nr 1).

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b) In inhaltlicher Hinsicht sind nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Zuschüsse zu den Krankenversicherungsbeiträgen Gegenstand des Verfahrens. Nach dem Vorbringen im Klageverfahren und der Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wendet er sich nicht gegen die Höhe der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung. Insofern hat das BSG bereits anerkannt, dass es sich bei den Verfügungen betreffend die Regelleistung einerseits und die Unterkunfts- sowie Heizkosten andererseits um abtrennbare Verfügungen handelt (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 f).

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Dagegen ist der Zuschuss nach § 26 SGB II nicht abtrennbar, sondern kann nur zusammen mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts überprüft werden. Ohne die vollständige Prüfung des Alg II-Anspruchs nach Grund und Höhe kann eine Entscheidung über den Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen nach § 26 SGB II nicht getroffen werden(vgl auch zum Zuschlag nach § 24 SGB II: BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/7b AS 42/06 R; BSG Urteil vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, jeweils RdNr 21 zur "Akzessorietät" des Anspruchs). Da nur Bezieher von Alg II nach § 26 Abs 1 Satz 1 SGB II einen Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen beanspruchen können, bestimmt sich der Anspruch zunächst danach, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung dieser Leistung erfüllt werden. Auch die Höhe des Zuschusses hängt von derjenigen des Anspruchs auf Alg II ab, weil der Umfang der Beteiligung des SGB II-Trägers an den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung - je nach Umfang der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II - unterschiedlich geregelt ist. Würde die Hilfebedürftigkeit entfallen, wenn der (hälftige) Tarif zur privaten Krankenversicherung nicht gezahlt werden müsste, käme § 12 Abs 1c Satz 5 VAG zur Anwendung. Danach beteiligt sich der zuständige Träger auf Antrag des Versicherten ohne betragsmäßige Begrenzung des Anspruchs im erforderlichen Umfang an dem Anteil der Beitragsschuld, den der Leistungsempfänger selbst nicht aus seinem anzurechnenden Einkommen oder Vermögen tragen kann. Verbliebe es bei einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II, auch wenn der Beitrag zur privaten Krankenversicherung nicht gezahlt werden müsste, fände § 12 Abs 1c Satz 6 VAG Anwendung. Der Beitrag wird dann nicht "im erforderlichen Umfang", sondern nur in "abgesenkter Höhe" desjenigen Betrags übernommen, der auch von einem Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist.

14

c) Die Beteiligten streiten noch über (weitere) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 77,85 Euro monatlich, weil der Kläger sich nicht mit dem ihm möglichen Rechtsmittel der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil gewandt hat. Ihm standen in dem streitigen Zeitraum Regelleistungen in Höhe von 351 Euro monatlich zu. Die Revision des Beklagten hat daher schon deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung seiner vollen Beiträge zur privaten Krankenversicherung hat, ohne dass der Beklagte aus einem anderen Rechtsgrund niedrigere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbringen muss. Der Kläger war insbesondere im streitigen Zeitraum hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil er weder über Einkommen noch über Vermögen verfügte.

15

d) In zeitlicher Hinsicht sind nur Leistungen nach dem SGB II in dem Zeitraum vom 26.1. bis 30.6.2009 im Streit. Folgebescheide für weitere Zeiträume sind nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R, RdNr 15; BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 9/09 R, RdNr 10).

16

3. Der Kläger hat nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung, ohne dass seine Hilfebedürftigkeit durch die Übernahme der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung durch den Beklagten entfallen konnte. § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) bestimmt für Bezieher von Alg II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, dass die Vorschriften zur Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung nach § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG gelten.

17

Der Kläger bezieht SGB II-Leistungen und ist nicht familienversichert. Er ist auch nicht nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V versicherungspflichtig in der GKV, weil er nach dem durch das GKV-WSG mit Wirkung vom 1.1.2009 eingefügten § 5 Abs 5a SGB V vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgenommen ist. Nach § 5 Abs 5a SGB V ist nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V ua nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert war(Satz 1). § 5 Abs 5a Satz 1 SGB V gilt nicht für Personen, die am 31.12.2008 nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V versicherungspflichtig waren für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit(§ 5 Abs 5a Satz 2 SGB V). Der Kläger war unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert. Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs 5a Satz 2 SGB V findet in seinem Fall keine Anwendung, weil er auch am 31.12.2008 nicht nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V versicherungspflichtig war.

18

4. Nach dem Wortlaut der maßgebenden Vorschriften hat der Kläger nur Anspruch auf Übernahme der Beiträge in Höhe des ermäßigten Beitragssatzes für Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 129,54 Euro, ohne dass er sich gegenüber dem privaten Krankenversicherungsunternehmen auf diese Begrenzung berufen kann. Vielmehr schuldet er diesem den vollen Beitrag in Höhe von 207,39 Euro.

19

Bezüglich der Höhe der von den privat krankenversicherten Alg II-Beziehern zu tragenden Aufwendungen finden hier die Begrenzungsregelungen des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 4 und Satz 6 VAG Anwendung. Diesem Verweis kommt nicht nur eine formale, sondern eine materiell-rechtlich begrenzende Wirkung zu, weil in § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II auch die Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Kostentragung gesetzlich fixiert ist. Nach § 12 Abs 1c Satz 1 VAG darf der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltstufen zunächst den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen, der sich aus dem allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen vom 1.1. des Vorjahres und der Beitragsbemessungsgrenze errechnet; abweichend davon wird im Jahr 2009 zur Berechnung des Höchstbeitrags der allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen vom 1.1.2009 zugrunde gelegt. Entsteht allein durch die Zahlung des Beitrags nach Satz 1 Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte (§ 12 Abs 1c Satz 4 VAG). Besteht auch bei einem nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs 1c Satz 5 VAG). Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, gilt Satz 4 entsprechend; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (§ 12 Abs 1c Satz 6 VAG). Der Verband der privaten Krankenversicherung wird damit beliehen, Art, Umfang und Höhe der Leistungen im Basistarif nach Maßgabe der Regelungen in § 12 Abs 1a VAG festzulegen(§ 12 Abs 1d VAG). Die Beiträge für den Basistarif ohne die Kosten für den Versicherungsbetrieb werden auf der Basis gemeinsamer Kalkulationsgrundlagen einheitlich für alle beteiligten Unternehmen ermittelt (§ 12 Abs 4b VAG).

20

Der Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung iS des § 12 Abs 1c Satz 1 VAG lag für die Zeit ab 1.1.2009 bei 569,63 Euro (Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung in Höhe von 3675 Euro monatlich x allgemeiner Beitragssatz in der Krankenversicherung in Höhe von 15,5 %), der hälftige Beitrag im streitigen Zeitraum betrug 284,81 Euro. Aufgrund langjähriger Zugehörigkeit des Klägers zur privaten Krankenversicherung war der von ihm zu tragende Beitrag in dem hier streitigen Zeitraum mit 207,39 Euro deutlich unterhalb des hälftigen Höchstbeitrags, sodass nicht zu entscheiden ist, ob der Zuschussbetrag generell auf die Höhe des hälftigen Basistarifs beschränkt ist. Es greift für den Kläger jedoch die weitere Begrenzungsregelung des § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG. Der ermäßigte Beitragssatz für Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 246, 243 SGB V) betrug gemäß § 2 GKV-Beitragssatzverordnung vom 29.10.2008 (BGBl I 2109) für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.2009 14,9 %. Die Bezugsgröße belief sich gemäß § 18 Abs 1 SGB IV iVm § 2 Abs 1 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009 vom 2.12.2008 (BGBl I 2336) auf 2520 Euro. Als beitragspflichtige Einnahme galt für Bezieher von Alg II gemäß § 232a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V ein Betrag von 0,345 der Bezugsgröße, sodass sich beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 869,40 Euro ergeben. Danach entsprach der ermäßigte Beitragssatz mit 129,54 Euro (869,40 Euro x 14,9 %) dem von dem Beklagten übernommenen Anteil an den privaten Krankenversicherungsbeiträgen. Es ergibt sich daher eine "Beitragslücke" in Höhe von 77,85 Euro.

21

Der Kläger ist in Höhe des - unterhalb des hälftigen Basistarifs liegenden - Betrags von 207,39 Euro auch einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung seines privaten Krankenversicherers ausgesetzt (vgl auch zB zum Erfordernis einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung für einen Freistellungsanspruch nach § 13 SGB V - BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R - BSGE 97, 6 ff = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, jeweils RdNr 24). Er kann ihm gegenüber nicht einwenden, nur in Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 6 VAG zur Zahlung verpflichtet zu sein. Dem steht der Verweis von § 12 Abs 1c Satz 6 VAG auf § 12 Abs 1c Satz 4 VAG und der abschließende Wortlaut der Regelungen zur Höhe des Beitrags im Basistarif nach § 12 Abs 1c Satz 4 VAG entgegen, nach denen der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit von dem privaten Versicherer "nur" um die Hälfte vermindert wird. Durch die betragsmäßige Begrenzung des Zuschusses des Trägers der Grundsicherung wird die Beitragsschuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsunternehmen nicht reduziert (vgl auch Bastians-Osthaus in NDV 2010, 154 ff, 156).

22

5. Die bei Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG verbleibende "Beitragslücke" zur privaten Krankenversicherung des Klägers kann nicht nach anderen Vorschriften des SGB ausgeglichen werden. Insbesondere scheidet eine Übernahme der vollen privaten Krankenversicherungsbeiträge durch den Sozialhilfeträger in direkter Anwendung des § 32 Abs 5 Satz 1 SGB XII aus. Zwar trägt der Sozialhilfeträger nach dieser Regelung die Aufwendungen für eine Krankenversicherung bei einem (privaten) Versicherungsunternehmen, soweit diese angemessen und die Voraussetzungen des § 19 Abs 1 SGB XII erfüllt sind, eine Hilfebedürftigkeit also gegeben ist. Da § 32 SGB XII anders als § 26 SGB II keinen Verweis auf die Begrenzungsregelungen des § 12 VAG enthält, könnte das SGB XII insofern eine gegenüber dem SGB II günstigere Regelung enthalten(vgl hierzu Holzhey in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 32 RdNr 49 ff), ohne dass sachliche Gründe, etwa ein Bezug zur Erwerbsfähigkeit, für die unterschiedliche Behandlung der Leistungsempfänger des SGB II und des SGB XII erkennbar sind (vgl zu diesem Gedanken bereits BSG Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R - BSGE 103, 181 ff = SozR 4-3500 § 42 Nr 2, jeweils RdNr 24). § 32 SGB XII findet sich aber im Dritten Kapitel des SGB XII, dessen Anwendbarkeit bei einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist(§ 5 Abs 2 Satz 1 SGB II). § 73 Satz 1 SGB XII kommt als Anspruchsgrundlage für die Übernahme der nicht gedeckten Beiträge zur privaten Krankenversicherung gleichfalls nicht in Betracht. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Als sonstige Lebenslagen kommen aber nur atypische, nicht bereits durch andere Vorschriften des SGB XII erfasste Bedarfslagen in Betracht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 22; BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 24).

23

6. a) Nach seinem Wortlaut enthält § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG keine Regelung dazu, wer die bei Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II trotz Anwendung des § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG ungedeckten Beiträge zur privaten Krankenversicherung übernehmen soll. Es handelt sich insofern um eine gesetzesimmanente Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelungen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit den gesetzlichen Neuregelungen des GKV-WSG der Krankenversicherungsschutz der privat versicherten Hilfebedürftigen nach dem SGB II wesentlich verschlechtert werden und bei ihnen in größerem Umfang ungedeckte Beiträge zu ihren Lasten verbleiben sollten (so auch SG Karlsruhe Urteil vom 10.8.2009 - S 5 AS 2121/09; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 16.9.2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B - info also 2010, 26 f; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 11.10.2010 - L 7 AS 4197/10 ER-B; SG Chemnitz Urteil vom 16.6.2010 - S 3 AS 450/10, RdNr 37; aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 26.2.2010 - L 15 AS 26/10 B ER, RdNr 21 Hessisches LSG Beschuss vom 22.3.2010 - L 9 AS 570/09 B ER - ZfSH/SGB 2010, 302 ff; Brünner in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 26 RdNr 21; Spekker ZfSH/SGB 2010, 212, 215).

24

b) Ob eine planwidrige Lücke innerhalb des Regelungszusammenhangs eines Gesetzes - im Sinne eines Fehlens rechtlicher Regelungsinhalte dort, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden (Engisch, Einführung in das juristische Denken, 10. Aufl 2005, S 181) - anzunehmen ist, bestimmt sich ausgehend von der gesetzlichen Regelung selbst, den ihr zugrunde liegenden Regelungsabsichten, den verfolgten Zwecken und Wertungen, auch gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 31 ff, 39, 56 f). Dabei ist zunächst der gesetzgeberische "Plan" im Wege der historischen und teleologischen Auslegung anhand der Gesetzmaterialien zu ermitteln (BSG Urteil vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R - BSGE 100, 243 ff = SozR 4-2700 § 150 Nr 3, jeweils RdNr 25; BSG Urteil vom 7.10.2009 - B 11 AL 31/08 R - BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2 RdNr 22). Da Kriterium für die Feststellung einer Planwidrigkeit und damit für die Abgrenzung gegenüber der Rechtsfindung contra legem bei der Lückenfüllung nur der Wille des geltenden Rechts sein kann, ist über die dem Gesetz immanente Teleologie hinausgehend auf die gesamte Rechtsordnung - einschließlich der zT übergesetzlichen Werte - abzustellen (Canaris, aaO, S 197). Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Regelungen (c), der Gesetzesmaterialien (d), der zur Tragung von Krankenversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II und dem SGB XII bestehenden Normen (e) und verfassungsrechtlichen Wertungen (f) ergibt sich, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.

25

c) Mit der Begrenzungsregelung des § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG ("... der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist") hat der Gesetzgeber eine Regelung übernommen, die sich bis zum 31.12.2008 in § 26 Abs 2 Satz 2 SGB II aF fand. Hiernach war für den begrenzten Personenkreis der SGB II-Leistungsempfänger, die nach § 8 Abs 1 Nr 1a SGB V idF bis zum 31.12.2008 - allerdings auf eigenen Antrag und wegen einer "gleichwertigen Versicherung" bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (vgl hierzu näher Hampel in jurisPK-SGB V § 8 RdNr 51, Stand 2008) - von der Versicherungspflicht befreit waren, gleichfalls eine Begrenzung des Zuschusses auf die Höhe des Betrags vorgesehen, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen gewesen wäre.

26

Die inhaltsgleiche Übernahme der vormaligen Begrenzungsregelung des § 26 Abs 2 Satz 2 SGB II aF geschah allerdings vor dem Hintergrund einer veränderten Ausgangslage für privat krankenversicherte Alg II-Leistungsbezieher nach Inkrafttreten des GKV-WSG zum 1.1.2009. Während privat krankenversicherte Alg II-Leistungsbezieher bis zum 31.12.2008 mit Beginn des SGB II-Bezugs automatisch gesetzlich krankenversichert waren, sind sie seit dem 1.1.2009 verpflichtet, ua für sich selbst eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen (§ 193 Abs 3 Satz 1 VVG). Gleichzeitig ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme der GKV als SGB II- Leistungsbezieher entfallen. Im Gegenzug verpflichtete § 12 Abs 1a Satz 1 VAG private Krankenversicherungsunternehmen, einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V, auf die ein Anspruch besteht, jeweils vergleichbar sind. Dabei ergab sich die genaue Höhe der Beiträge zur privaten Krankenversicherung sowie - nachfolgend der Beitragslücke - erst unter Berücksichtigung der Höhe des nach neuen Kalkulationsgrundlagen zu errechnenden Basistarifs (vgl § 12 Abs 4b VAG), für den der Gesetzgeber in § 12 Abs 1c Satz 1 VAG mit der Verkündung des GKV-WSG im Bundesgesetzblatt(vgl BGBl I 378 vom 30.3.2007) nur einen Höchstbeitrag festgesetzt hatte. Die technischen Berechnungsgrundlagen für den ab 1.1.2009 geltenden Basistarif nach der gleichfalls mit dem GKV-WSG geänderten Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung (Kalkulationsverordnung) sind nach Mitteilung des Verbandes der privaten Krankenversicherung vom 28.12.2010 erst Ende 2008 durch einen beauftragten Treuhänder für unbedenklich erklärt worden.

27

d) Die Auswertung der Gesetzesmaterialien zur Entstehung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG lässt vor diesem Hintergrund keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Gesetzgeber privat krankenversicherten Hilfebedürftigen nach dem SGB II bewusst und gewollt einen Beitrag zur privaten Krankenversicherung belassen wollte, den diese selbst nicht tragen können. Es erschien ihm im Zuge der grundsätzlichen Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlicher und privater Krankenversicherung und der Verpflichtung der privaten Krankenversicherungsunternehmen, künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anzubieten, die privat krankenversichert sind oder sein können, nicht länger erforderlich, Alg II-Bezieher auch dann in die Versicherungspflicht in der GKV einzubeziehen, wenn sie unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren (vgl Gesetzentwurf zum GKV-WSG vom 24.10.2006, BT-Drucks 16/3100 S 94 f).

28

Im Zusammenhang mit dem seit 1.1.2009 gemäß § 12 Abs 1a VAG notwendig anzubietenden Basistarif findet sich der Hinweis, dass § 12 Abs 1c VAG für diesen die bisher für den Standardtarif geltenden Regelungen zur Begrenzung der Prämienhöhe erweitere. Um die Bezahlbarkeit des Basistarifs zu gewährleisten, dürfe dieser Beitrag den durchschnittlichen GKV-Höchstbeitrag nicht überschreiten. Würde die Bezahlung eines solchen Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII auslösen, stellten weitere Regelungen sicher, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert würden (BT-Drucks 16/3100 S 207 f). Mit dem in § 12 Abs 1c Satz 6 VAG eingefügten Bezug auf § 12 Abs 1c Satz 4 VAG durch Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-WSG vom 31.1.2007 (BT-Drucks 16/4200) sollte klargestellt werden, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von Hilfebedürftigkeit greife. Es bleibe bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen (BT-Drucks 16/4247 S 69). Dass bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II in größerem Umfang bei Anwendung dieser Regelung Beiträge zur privaten Krankenversicherung verbleiben können, die sie selbst zu tragen haben, wird in diesen Gesetzesmaterialen zu § 12 VAG nicht thematisiert. Im Gegenteil formulierte der Gesetzgeber in seiner Begründung zur zeitgleich eingeführten Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung (§ 178a VVG bzw - ab 1.1.2009 - § 193 VVG) als Ziel des Gesetzgebungsvorhabens, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen herzustellen (BT-Drucks 16/4247 S 66 f). Durch die Regelungen zur Beitragsbegrenzung in § 12 Abs 1c VAG sei sichergestellt, dass niemand durch die Verpflichtung zum Abschluss oder zur Aufrechterhaltung eines Krankheitskostenversicherungsvertrags unverhältnismäßig belastet werde. Für diejenigen, die die Beiträge des Basistarifs nicht zahlen könnten, werde die Zahlungspflicht zudem abgemildert, weil der zu zahlende Beitrag zunächst halbiert werde. Reiche auch dies nicht aus, um das Existenzminimum nach Zahlung des Beitrages zu sichern, erhalte der Versicherte einen Zuschuss aus Steuermitteln (aaO).

29

Entsprechend ist auch das BVerfG in seiner Entscheidung zu den Verfassungsbeschwerden von Unternehmen der privaten Krankenversicherung und Privatpersonen gegen zahlreiche Vorschriften des GKV-WSG und des Gesetzes zur Reform des Versicherungsrechts vom 23.11.2007 von dem Regelungskonzept eines "bezahlbaren Basistarifs" ausgegangen (BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 - BVerfGE 123, 186 ff). Es hat die "private" Versicherungspflicht und den Kontrahierungszwang im Basistarif zwar als Eingriffe in die Handlungsfreiheit der Versicherten und Berufsausübungsfreiheit des privaten Krankenversicherungsunternehmens gewertet. Eine Rechtfertigung dieser Eingriffe des GKV-WSG hat das BVerfG jedoch in dem Anliegen des Gesetzgebers gesehen, Kostenrisiken für die Allgemeinheit durch verspätete oder unterlassene Versicherungen zu vermeiden und zum anderen darin, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen sicherzustellen. Der Versicherungsschutz sei bezahlbar, weil die Prämienhöhe im Basistarif auf den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt sei und sich im Fall des Eintritts von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII reduziere (BVerfGE 123, 186 ff, 242 f).

30

e) Auch die weiteren in § 26 SGB II enthaltenen Regelungen zur Übernahme von privaten Krankenversicherungsbeiträgen sprechen für das Vorliegen einer Regelungslücke. Insofern bestimmt zunächst § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II, dass für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen die gesamten Beiträge zur Krankenversicherung übernommen werden. Zwar handelt es sich bei der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung, die auch die freiwillige Mitgliedschaft in der GKV umfasst, um verschiedene Versicherungssysteme (Schüffner/Franck in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2010, § 43 RdNr 13). Dennoch ergäben sich bei einer nur teilweisen Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung bis zur Höhe des hälftigen Basistarifs unter Berücksichtigung des Maßstabs des allgemeinen Gleichheitssatzes Wertungswidersprüche, die auf eine planwidrige Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung hinweisen (vgl Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 71). Es handelt sich auch bei der Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung im Basistarif um eine gesetzliche Versicherungspflicht zur "substitutiven Krankenversicherung", die "ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann" (Schüffner/Franck in Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2010, § 43 RdNr 41). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger die Beitragshöhe für seinen Versicherungsschutz gegen Krankheit im Basistarif - bzw eines hier (noch) günstigeren Tarifs - ebenso wenig wie ein freiwillig in der GKV versichertes Mitglied beeinflussen kann, steht die unterschiedliche Finanzierung der GKV und der PKV der Annahme einer Regelungslücke nicht entgegen. Ausgehend von dem Sozialleistungsverhältnis zwischen dem SGB II-Träger und dem Hilfebedürftigen rechtfertigt sich keine unterschiedliche Behandlung, weil die freiwillig Versicherten in gleicher Weise wie die privat krankenversicherten SGB II-Bezieher für den Fall der Krankheit vorsorgen müssen und von der Versicherungspflicht der GKV nicht (mehr) erfasst sind, ohne hierauf Einfluss nehmen zu können (vgl auch Pilz in Gagel, SGB III/SGB II, § 26 RdNr 32, Stand April 2010).

31

Zudem sehen § 26 Abs 2 Satz 2 SGB II, § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 VAG und § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 2 SGB II zur Übernahme von Beiträgen für diejenigen privat, freiwillig oder gesetzlich krankenversicherten Personen, die allein durch den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag hilfebedürftig werden, vor, dass die Beiträge zur Krankenversicherung in vollem Umfang übernommen werden. Zwar dürften diese Regelungen auch fiskalische Gründe haben (vgl zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift auch Krauß in Hauck/Noftz/Voelzke, SGB II, § 26 RdNr 22 ff, Stand Juli 2007). Gleichwohl bringen sie in ihrer Zusammenschau den Grundgedanken zum Ausdruck, dass der Eintritt von Hilfebedürftigkeit wegen Beiträgen zur Krankenversicherung vermieden werden sollte (Klerks in info also 2009, 153 ff, 157). Gegen die Annahme einer Regelungslücke spricht auch nicht, dass der Gesetzgeber insofern erst mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) mit Wirkung zum 1.1.2009 auch für die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtigen Personen, die allein durch den Krankenversicherungsbeitrag hilfebedürftig werden, geregelt hat, dass der Beitrag im notwendigen Umfang übernommen wird, gleichzeitig aber die weitere "Beitragslücke" bei den privat krankenversicherten SGB II-Leistungsbeziehern nicht geschlossen hat. Mit der Einbeziehung der gesetzlich krankenversicherten SGB II-Bezieher sollte zunächst nur ein "redaktionelles Versehen" beseitigt werden (BT-Drucks 16/13428 vom 17.6.2009 S 88). Dieses bestand darin, dass der Gesetzgeber mit den Neuregelungen des GKV-WSG nur für den Personenkreis der freiwillig und privat krankenversicherten Personen in § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II bzw § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 5 VAG dem Inhalt nach die vormalige Regelung des § 26 Abs 3 Satz 1 SGB II aF übernommen hat, nach der die Bundesagentur auf Antrag im erforderlichen Umfang die Aufwendungen für die angemessene Kranken- und Pflegeversicherung übernahm, soweit Personen allein durch diese Aufwendungen hilfebedürftig wurden.

32

Allein aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber eine - von ihm inzwischen bezogen auf die Situation privat krankenversicherter SGB II-Empfänger eingeräumte - Regelungslücke (vgl zB BT-Drucks 16/13965 S 25, BT-Drucks 17/1342 S 42) bisher nicht geschlossen hat (vgl auch die - begrenzte - Änderung des § 12 Abs 1c VAG durch das GKV-Finanzierungsgesetz vom 22.12.2010 - BGBl I 2309), kann nicht entnommen werden, dass er die eindeutige Entscheidung (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 3.4.1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6, 12 f) getroffen hat, dass hohe Beitragsanteile zur privaten Krankenversicherung bei dem Hilfebedürftigen verbleiben sollen. Auf die Auslegung des ursprünglich von dem Gesetzgeber des GKV-WSG als historischem Gesetzgeber Gewollten haben diese Überlegungen grundsätzlich keinen Einfluss, solange dieser nicht - in den verfassungsrechtlichen Grenzen einer - je nach angedachtem Lösungsweg eventuell nur begrenzt möglichen - rückwirkenden Gesetzesänderung - eine Neufassung der Vorschriften rückwirkend in Kraft setzt (BSG Urteil vom 27.9.1989 - 11 RAr 53/88 - SozR 4100 § 168 Nr 22, RdNr 18).

33

f) Für die Annahme einer einfach-gesetzlichen Lücke spricht entscheidend auch, dass bei einer anderen Wertung - also dem Gesetzgeber unterstellter Grundentscheidung für eine generelle Tragung der über die gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge bis zur Höhe des hälftigen Basistarifs hinausgehenden Beitragsanteile durch die Hilfebedürftigen - eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung privat versicherter SGB II-Leistungsempfänger eintreten würde, die ihr verfassungsrechtlich garantiertes Existenzminimum tangiert. Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG umfasst auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff, 223; BSG Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - BSGE 100, 221 ff = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, jeweils RdNr 31; Neumann in RsDE 68, 1 ff, 5). Aus der Regelleistung in Höhe von 351 Euro kann der Kläger die dieses garantierenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung, zu deren Entrichtung er aufgrund seiner Pflicht zur Aufrechterhaltung einer privaten Krankenversicherung nach § 193 Abs 3 VVG grundsätzlich verpflichtet ist, nicht tragen. Bei der Zusammensetzung der Regelleistung wird für die Abteilung 06 (Gesundheitspflege) ab 1.7.2008 nur ein Gesamtbetrag für über Zuzahlungen hinausgehende ärztliche Leistung in Höhe von 12,88 Euro monatlich berücksichtigt (Schwabe in ZfF 2008, 145 ff, 145). Zwar endet das Ruhen der Leistungen wegen rückständiger Prämienanteile für zwei Monate, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches wird (§ 193 Abs 6 Satz 5 VVG). Ein Krankenversicherungsschutz mit sich gleichzeitig laufend erhöhender Verschuldung entspricht bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch der Sicherung des Existenzminimums durch "Darlehen". Insofern ist aber das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer Härtefallregelung zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bei einem unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs bereits davon ausgegangen, dass durch die Gewährung eines Darlehens (nach § 23 Abs 1 SGB II) nur vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs aufgefangen werden können; zur Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfs des Existenzminimums sei die Gewährung eines Darlehens hingegen ungeeignet (BVerfGE 125, 175 ff, 254; ablehnend zur Gewährung eines Darlehens für wiederkehrende besondere Bedarfe beim verfassungsrechtlich garantierten Umgangsrecht des Kindes mit einem Elternteil im Falle einer Trennung bzw Scheidung auch BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 20).

34

7. Die planwidrige Regelungslücke des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II ist durch eine analoge Anwendung der Regelung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 1 SGB II zu lösen. Hiernach wird für Bezieher von Alg II für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung ohne höhenmäßige Begrenzung übernommen (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 11.10.2010 - L 7 AS 4197/10 ER-B).

35

Grundsätzlich kann die für den normierten Tatbestand im Gesetz gegebene Regel auf einen vom Gesetz nicht bzw hier nur unzureichend geregelten Tatbestand übertragen werden, wenn beide Tatbestände infolge ihrer Ähnlichkeit in den für die gesetzliche Bewertung maßgeblichen Hinsichten gleich zu bewerten sind (BSG Urteil vom 7.10.2009 - B 11 AL 31/08 R - BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2 RdNr 25 mwN) bzw der Gesetzgeber ausgehend von den für die herangezogenen Gesetzesvorschriften maßgebenden Grundsätzen zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre (BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 36 RdNr 25; BSG Urteil vom 21.10.1998 - B 9 V 7/98 R - BSGE 83, 68, 71 = SozR 3-1500 § 84 Nr 2 S 4). Insofern kann - wie oben ausgeführt - nicht allein aus den in § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB II zur freiwilligen Krankenversicherung, sondern auch aus den weiteren in § 26 Abs 2 SGB II fixierten Regelungen zur Übernahme von Beiträgen zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne einer Rechts- bzw Gesamtanalogie(vgl zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, Einleitung RdNr 48) entnommen werden, dass Beiträge zu einer erforderlichen Krankenversicherung im Sinne der gesetzlichen Vorgaben des SGB in notwendigem Umfang von dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende übernommen werden (vgl zur sozialen Pflegeversicherung auch § 26 Abs 3 SGB II).

36

8. Da eine analoge Anwendung des § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Halbs 1 SGB II zur Lösung der verfassungsrechtlichen Problematik möglich ist, erübrigt sich für den hier streitigen Zeitraum vor Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II die Prüfung, ob sich grundsätzlich ein Anspruch auf Übernahme des nicht gedeckten Beitragsanteils aus der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (aaO) ergeben kann (vgl hierzu auch SG Bremen Urteil vom 20.4.2010 - S 21 AS 1521/09).

37

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. August 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen Eintritts einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis im Zeitraum vom 15. bis 21.5.2007 geruht hat, sich die Anspruchsdauer entsprechend gemindert hat und die Beklagte zur (nachträglichen) Aufhebung der Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum berechtigt war.

2

Die 1952 geborene Klägerin, von Beruf Altenpflegerin, bezog seit dem 2.8.2006 Alg (Bewilligungsbescheid vom 23.8.2006). Unter dem 18.4.2007 lud die Beklagte sie zu einem Termin am 14.5.2007 um 11:00 Uhr ein; Gegenstand des Termins sollten die berufliche Situation der Klägerin und ihr Bewerberangebot sein. Das Einladungsschreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung. Infolge fehlerhafter Notierung dieses Termins erschien die Klägerin nicht am 14.5.2007, sondern am Folgetag um 11:00 Uhr bei der Beklagten. An diesem Tag fand kein Gespräch zwischen ihr und der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten statt; stattdessen erhielt die Klägerin eine erneute Einladung zum 21.5.2007. Diesen Termin nahm die Klägerin pünktlich wahr.

3

Mit Bescheid vom 24.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2007 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 15. bis zum 21.5.2007 auf und stellte eine entsprechende Minderung der Anspruchsdauer fest, weil der Anspruch der Klägerin wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis für eine Woche ruhe (§ 144 Abs 1 Satz 2 Nr 6, § 128 Abs 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch).

4

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 27.8.2009). Auf die - vom SG zugelassene - Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Aufhebungsentscheidung (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) sei rechtmäßig. Nach § 309 Abs 3 Satz 2 SGB III sei zwar eine Meldung zu einer anderen als der bestimmten Tageszeit ausreichend, wenn sie "am selben Tag" erfolge und der Zweck der Meldung erreicht werden könne. Diese Bestimmung sei über ihren Wortlaut hinaus nicht iS einer erweiternden Auslegung auf Fälle einer um 24 Stunden verspäteten Meldung am Folgetag anwendbar. Einer analogen Anwendung sei die Vorschrift aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts ("zu einer anderen Zeit am selben Tag") nicht zugänglich. Daher sei auch nicht aufzuklären, ob der Zweck der Meldung iS des § 309 Abs 3 Satz 2 SGB III durch die Vorsprache der Klägerin am 15.5.2007 noch habe erreicht werden können. Der Klägerin habe kein wichtiger Grund zur Seite gestanden. Die Klägerin habe lediglich - fahrlässig - den Meldetermin unzutreffend erinnert. Die Sperrzeit führe zum Ruhen des Anspruchs auf Alg; zudem mindere sich die Anspruchsdauer um die Tage der Sperrzeit. Die Sanktionsfolge des § 144 Abs 6 SGB III sei auch nicht verfassungswidrig. oder unverhältnismäßig.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts (§ 309 Abs 2 Satz 3 SGB III; Art 3 Abs 1, Art 14 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ) und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine ausnahmslose pauschale Kürzung des Alg als unzumutbar erachtet, soweit ein Arbeitsloser aus Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge, aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen seiner Meldepflicht nicht nachgekommen sei. Auch die Sanktion von einer Woche stelle vor diesem Hintergrund einen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentum dar und müsse unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit beurteilt werden. Gemäß § 144 Abs 6 SGB II sei Folge des Meldeversäumnisses eine pauschale Sperrzeit; eine Abwägung im Einzelfall lasse das Gesetz nicht zu. Überdies sei ein versehentliches Terminversäumnis kein vorwerfbares versicherungswidriges Verhalten iS des § 144 Abs 1 iVm § 309 SGB III; die Versichertengemeinschaft werde nicht tangiert, weil der Zweck ihrer, der Klägerin, Meldung lediglich in der Besprechung ihrer beruflichen Situation und des Bewerberangebots gelegen habe. Dieser Zweck habe bei der Besprechung eine Woche später nachgeholt werden können. Im Übrigen bestehe bei der Meldung einen Tag später kein Unterschied zu dem von § 309 Abs 3 Satz 2 SGB III umfassten Fall, in dem ein Betroffener noch am selben Tag - aber nach Dienstschluss des Sachbearbeiters - die Meldung nachhole; auch in diesem Fall könne der Meldezweck erst bei dem - nachgeholten - Gespräch mit dem Sachbearbeiter erfüllt werden.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. August 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27. August 2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das LSG hat zutreffend die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids der Beklagten vom 24.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2007 bestätigt.

11

1. Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) sind die Verfügungen der Beklagten vom 24.5.2007 betreffend den Eintritt einer Sperrzeit bzw das Vorliegen eines Ruhenszeitraums vom 15. bis 21.5.2007, die Aufhebung des Alg für diesen Zeitraum und die Minderung der Anspruchsdauer (vgl ua BSG Urteil vom 14.9.2010 - B 7 AL 33/09 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 21 RdNr 10 mwN).

12

2. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24.5.2007 misst sich an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 Abs 3 SGB III. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

13

Der Bescheid der Beklagten vom 23.8.2006 war ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung; er hatte die Bewilligung von Alg ab August 2006 für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen zum Gegenstand. Wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt(vgl nur BSGE 97, 73 = SozR 4-4300 § 144 Nr 15 RdNr 15). Hier ist wegen des Eintritts einer Sperrzeit ein Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 144 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 6 SGB III eingetreten(dazu sogleich unter 3). Schließlich sind auch die subjektiven Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X gegeben. Das LSG hat dabei entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit einen subjektiven Maßstab angelegt (vgl BSGE 97, 73 = SozR 4-4300 § 144 Nr 15 RdNr 24 mwN). Soweit sich die Klägerin gegen die Feststellungen des subjektiven Verschuldens wendet, ist zu beachten, dass die Entscheidung über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nur in engen Grenzen revisionsrechtlich nachprüfbar ist. Das Revisionsgericht prüft insoweit lediglich, ob das LSG den Begriff der groben Fahrlässigkeit als solchen verkannt hat, sowie, ob es beachtet hat, dass sich die Bösgläubigkeit grundsätzlich auf den zurückzunehmenden Teil des Verwaltungsakts erstrecken muss (vgl BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 5 RdNr 14 mwN). Insofern ist die Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden. Es hat bei der Prüfung des subjektiven Verschuldens nicht nur auf den Erhalt und Inhalt des "Merkblatt 1 für Arbeitslose" und die der Klägerin im Einladungsschreiben vom 18.4.2007 übermittelte Rechtsfolgenbelehrung abgestellt, sondern sich einen eigenen Eindruck von der persönlichen Einsichtsfähigkeit der im Termin anwesenden Klägerin verschafft (vgl dazu auch Senatsurteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 44/06 R - Juris, RdNr 16, 19). Danach war es der Klägerin möglich und zumutbar, die Hinweise nachzuvollziehen und wusste sie - oder hätte zumindest im Sinne grober Fahrlässigkeit ohne Weiteres erkennen können -, welche Folgen das Meldeversäumnis haben konnte. Diese Würdigung der tatsächlichen Feststellungen durch das LSG entzieht sich der revisionsrechtlichen Überprüfung, wenn sie nicht mit zulässigen Verfahrensrügen (zB Verstoß gegen Denkgesetze) angegriffen wird (vgl § 163 SGG), was hier nicht der Fall ist.

14

a) Gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 SGB III in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2005 in Kraft getretenen Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Ein versicherungswidriges Verhalten liegt nach Satz 2 Nr 6 der Vorschrift ua dann vor, wenn der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis). Die Voraussetzungen für die Feststellung einer solchen Sperrzeit, dh pflichtwidriges Verhalten und Fehlen eines wichtigen Grundes, liegen vor.

15

Gemäß § 309 Abs 2 SGB III kann die Aufforderung zur Meldung ua zum Zwecke der Berufsberatung(Nr 1), der Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit (Nr 2) und der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch (Nr 5) erfolgen. An diesen Anforderungen orientiert sich die Aufforderung der Beklagten vom 18.4.2007, mit der sie die Klägerin zwecks Erörterung ihrer beruflichen Situation und ihres Bewerberangebots zum Termin am 14.5.2007 um 11:00 Uhr einlud. Es bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte für eine zweckwidrige Aufforderung (vgl dazu Düe in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 309 RdNr 10 ff). Gemäß § 309 Abs 3 Satz 1 SGB III idF des Gesetzes vom 23.12.2003 hat sich der Arbeitslose zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Nach Satz 2 des § 309 Abs 3 SGB III ist er seiner allgemeinen Meldepflicht (nur) dann auch nachgekommen, wenn diese nach Tag und Tageszeit bestimmt war und er sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Diese Voraussetzungen treffen auf das Meldeversäumnis der Klägerin nicht zu.

16

Die Meldung der Klägerin erfolgte am 15.5.2007 und damit nicht mehr "am selben Tag", der in der Meldeaufforderung bestimmt war. Der Begriff "am selben Tag" ist fest bestimmt; er ist weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und dem damit zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers kann eine Meldung am Folgetag nicht mehr als rechtzeitig angesehen werden. Demgemäß hat die Beklagte entsprechend ihrer, in § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB III zum Ausdruck gebrachten Belehrungs- und Hinweispflicht vor Eintritt einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis klargestellt, dass "vom Tag nach dem Meldeversäumnis an für die Dauer von einer Woche" Alg nicht gezahlt wird. Die Meldeaufforderung und die Rechtsfolgenbelehrung entsprechen auch im Übrigen - wie bereits das LSG ausgeführt hat - den gesetzlichen Anforderungen; insbesondere wird der Arbeitslose in verständlicher und klarer Form darüber informiert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem Meldeversäumnis resultieren (vgl Senatsurteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 44/06 R - RdNr 17; ebenso bereits BSG SozR 4100 § 132 Nr 1; vgl ferner BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 26).

17

b) Entgegen der Ansicht des SG, auf die sich die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung gestützt hat, kann die Klägerin auch nicht kraft richterlicher Rechtsfortbildung, insbesondere mittels einer analogen Anwendung des § 309 Abs 3 Satz 2 SGB III, so behandelt werden, als sei sie ihrer Rechtspflicht nachgekommen. Ein Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, er wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Analogie ist mithin die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestands auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt (vgl zuletzt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 36 RdNr 25 und Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 = demnächst in SozR 4-4300 § 132 Nr 4; vgl auch BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 16 und Nr 3 RdNr 18; BVerfGE 82, 6, 11 f; 116, 69, 83, 84; BVerfG NJW 2011, 836 unter B I 3b = RdNr 53 mwN). Sie beruht - in Anlehnung an Art 3 Abs 1 Grundgesetz - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (vgl BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 4 RdNr 15). Aus der Rechtsentwicklung sowie aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergeben sich jedoch keine Hinweise auf das Bestehen einer Gesetzeslücke.

18

§ 309 SGB III entspricht nahezu wortgleich der Vorgängerregelung in § 132 Abs 1 und 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm mit § 5 Satz 2 der Meldeanordnung vom 14.12.1972 (ANBA 1973, 245). Die Begrenzung einer sanktionslosen Nachholung der Meldung nur am selben Tag ist mithin bewusst in das SGB III übernommen worden. Im Übrigen fehlt es für eine analoge Anwendung des § 309 Abs 3 Satz 2 SGB III auch an einer Vergleichbarkeit der zu regelnden Sachverhalte; die Meldung am selben Tag ist etwas anderes als das Aufsuchen der Beklagten an einem späteren Tag.

19

Ebenso wie zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage eingeführt werden dürfen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; stRspr), können Vorschriften einzelne Personengruppen begünstigen und andere von der Begünstigung ausnehmen (vgl BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Zu prüfen ist lediglich, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl BVerfGE 80, 297 = SozR 5795 § 4 Nr 8; BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1; stRspr). Daran, dass die Datumsgleichheit ein - leicht überprüfbares - sachliches Kriterium darstellt, um den Versicherten vor Rechtsnachteilen zu bewahren, hat der Senat keinen Zweifel; eine willkürlich unterschiedliche Behandlung liegt nicht vor.

20

Es kann deshalb dahinstehen, ob der Zweck der Meldung iS des § 309 Abs 3 Satz 2 SGB III auch durch die Vorsprache der Klägerin am 15.5.2007 um 11:00 Uhr noch hätte erreicht werden können (aA Geiger, info also 2011, 22 f). Die mögliche Zweckerreichung kann allenfalls bei der Frage eine Rolle spielen, ob die festgestellte Sperrzeit von einer Woche unverhältnismäßig war (dazu unten zu 3c).

21

c) Die Klägerin kann sich für ihr pflichtwidriges Verhalten auch auf keinen wichtigen Grund iS des § 144 Abs 1 Satz 1 SGB III berufen. Ein solcher ist anzunehmen, wenn durch diesen die Meldung oder das Erscheinen unmöglich oder erschwert wurde, sodass dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen, mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden konnte (vgl BSG Urteil vom 14.9.2010 - B 7 AL 33/09 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 21 RdNr 12 mwN; Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 144 RdNr 112; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 144 SGB III RdNr 198, Stand Einzelkommentierung Juli 2009). Die Sperrzeit greift dabei Obliegenheitsverletzungen des Versicherten auf (BSG aaO; vgl auch Bieback, SR 2011, 21, 22 ff) und setzt - ebenso wie der Sperrzeittatbestand des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III (verspätete Arbeitsuchendmeldung) - ein subjektiv vorwerfbares Verhalten (mindestens leichte Fahrlässigkeit nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab) voraus(vgl ua BSG SozR 4-4300 § 37b Nr 2 RdNr 21, 22; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 446, Stand Einzelkommentierung Juni 2010). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat und die damit für den Senat bindend sind (vgl § 163 SGG), war ihr ein rechtmäßiges Verhalten objektiv möglich und subjektiv zumutbar. Seitens der Versichertengemeinschaft kann von einem Berechtigten erwartet werden, dass er Termine zur Einhaltung einer eigenen Mitwirkungsobliegenheit korrekt notiert und einhält; beides liegt allein im Verantwortungsbereich des Versicherten. Aus der Sicht eines objektiven Dritten konnte die Klägerin den Meldetermin am 14.5.2007 ohne Weiteres wahrnehmen und ist ihr, wie vom LSG festgestellt, jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last zu legen.

22

d) Die Sperrzeit führt zum Ruhen des Anspruchs auf Alg gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 SGB III. Nach § 128 Abs 1 Nr 3 SGB III mindert sich der Alg-Anspruch um die Tage der Sperrzeit. Diese Rechtsfolgen sind im angefochtenen Bescheid der Beklagten zutreffend umgesetzt worden. Nach § 144 Abs 6 SGB III idF des Gesetzes vom 23.12.2003 beträgt die Dauer der Sperrzeit bei Meldeversäumnis eine Woche. Nach § 144 Abs 2 Satz 1 SGB III begann die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das sie begründet. Zutreffend hat die Beklagte daher die Dauer der Sperrzeit vom 15. bis zum 21.5.2007 festgestellt.

23

3a) Die Sanktionsfolge des § 144 Abs 6 SGB III als Folge des Meldeversäumnisses verstößt auch im Lichte der Eigentumsgarantie des Art 14 GG nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar ist der Anspruch auf Alg - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - durch die Eigentumsgarantie geschützt (vgl nur BVerfG SozR 4100 § 104 Nr 13 S 12; SozR 3-4100 § 116 Nr 3 S 124; BVerfG Beschluss vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - SozR 4100 § 120 Nr 2, RdNr 36 mwN; BSG SozR 4-4300 § 37b Nr 5 RdNr 19 mwN). Zu Recht hat das LSG aber einen Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie verneint. Denn es fehlt bereits daran, dass eine geschützte vermögenswerte Position der Klägerin (also ihr Alg-Anspruch) durch eine Maßnahme der Beklagten beeinträchtigt worden wäre (zu diesen Voraussetzungen vgl BSG SozR 4-4300 § 37b Nr 5 RdNr 19 und SozR 4-4300 § 223 Nr 1 RdNr 13 mwN; BVerfG SozR 4-4300 § 434c Nr 6 RdNr 14). Der Klägerin ist im Sinne einer solchen geschützten vermögenswerten Rechtsposition keine stärkere konkrete Rechtsposition "genommen" worden. Denn sie hat mit ihrer letzten Beschäftigung als Altenpflegerin einen (neuen) Alg-Anspruch als Stammrecht erworben, der von vornherein mit der Möglichkeit der Sanktion in Form einer Sperrzeit auch nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB III belastet war. Die Realisierung dieser Belastung im Einzelfall ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten lediglich festgestellt worden.

24

b) Selbst wenn aber der Schutzbereich des Art 14 GG tangiert wäre, ist der dann anzunehmende "Eingriff" durch § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 6 iVm Abs 6 SGB III lediglich eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums(Art 14 Abs 1 Satz 2 GG). Insoweit kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsmöglichkeit zu, auch zur Beschneidung von Leistungsansprüchen zur Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der Sozialleistungsverwaltung (vgl BVerfGE 53, 257 ff, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 74, 203 = SozR 4100 § 120 Nr 2). Das BVerfG hat diesbezüglich - worauf das LSG zu Recht hinweist - zu der für verfassungswidrig erklärten Ruhensvorschrift des § 120 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), welche zunächst keine Härtefallregelung enthielt, entschieden, dass, soweit ein Arbeitsloser aus Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge, aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen, welche nicht als "wichtig" iS des § 120 Abs 1 AFG zu qualifizieren seien, seine Meldepflicht nicht einhalte, die ausnahmslos pauschale Kürzung des Alg unzumutbar sei. Dies gelte erst recht, wenn sich die Säumnis dieses Arbeitslosen nicht nachteilig für die Arbeitslosenversicherung auswirke (BVerfGE 74, 203 = SozR 4100 § 120 Nr 2 S 4). Im Einzelnen hat das BVerfG ausgeführt, bei missbräuchlicher Inanspruchnahme des Alg sei weder etwas gegen die zeitweise Versagung des Alg noch dagegen etwas einzuwenden, dass die Sanktion pauschal einen zweiwöchigen Wegfall des Alg anordne. Es fehlten aber hinreichend Gründe, die Rechte aus dem durch Beitragszahlung erworbenen Versicherungsschutz so weitgehend und undifferenziert einzuschränken. Nicht zu entscheiden sei, ob für Bezieher von Alg auch ein pauschales Ruhen des Alg von sechs Tagen noch hinnehmbar wäre; ein Wegfall des Alg von zwei Wochen sei diesem Personenkreis gegenüber nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil das eigentumsgeschützte Alg der Existenzsicherung des Berechtigten diene und eine auf eigenen Beiträgen beruhende lohnbezogene Versicherungsleistung sei (Hinweis auf BVerfGE 72, 9, 18 ff). In Reaktion auf diese Rechtsprechung des BVerfG ist mit Wirkung ab 1.1.1988 in § 120 Abs 3 AFG idF des Gesetzes vom 14.12.1987 (BGBl I 2602) eine Härteklausel angefügt worden, wonach sich - in Anlehnung an die für Sperrzeiten getroffene Härteregelung in § 119 Abs 2 AFG - die Säumniszeit von regelmäßig zwei Wochen auf eine Woche verkürzt. Diese Regelung ist insoweit unverändert in § 145 Abs 3 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.3.1997 (BGBl I 594) mit Wirkung vom 1.1.1998 übernommen und durch das Gesetz vom 23.12.2003 mit Wirkung vom 1.1.2005 aufgehoben worden.

25

c) Die nunmehr in § 144 Abs 6 SGB III vorgenommene pauschale Regelung ("die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis … beträgt eine Woche") ist iS der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BVerfG verhältnismäßig(vgl auch BSG SozR 4-4300 § 37b Nr 5 RdNr 21 f - zur Regelung der §§ 37b, 140 SGB III aF). Denn die Dauer der Sperrzeit von einer Woche beträgt im Vergleich zu der früheren Regelung in § 120 AFG bzw § 145 SGB III nur noch die Hälfte der Zeit und bringt mithin eine geringere Belastung des Arbeitslosen mit sich. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Wahl des geringsten Mittels nicht aus den Augen verloren hat (BSG, aaO; vgl auch Karmanski in Niesel/Brand, 5. Aufl 2010, § 144 RdNr 170; Lüdtke in LPK-SGB III, 2008, § 144 RdNr 52; Marschner in Gemeinschaftskommentar zum SGB III, § 144 RdNr 144, Stand Einzelkommentierung März 2009; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 453, Stand Einzelkommentierung März 2006; zweifelnd Geiger, info also 2011, 22 f). Die von § 144 Abs 5 SGB III vorgesehene Sanktionsfolge einer einwöchigen Sperrzeit ist auch in dieser pauschalierten Form angemessen. Denn die Sperrzeitfeststellung ist nicht Ausdruck individueller Schadensfeststellung, sondern Folge versicherungswidrigen Verhaltens (vgl BT-Drucks 15/1515 S 87 zu Nr 76 = § 144; vgl ferner BSG Urteil vom 14.9.2010 - B 7 AL 33/09 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 21 RdNr 16). Schließlich ist die pauschalierte Sperrzeit auch verhältnismäßig im engeren Sinne (= zumutbar). Sie ermöglicht einerseits der Beklagten, im Rahmen einer Massenverwaltung auf versicherungswidriges Verhalten ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand zu reagieren; andererseits setzt die Verletzung der Obliegenheit des § 309 Abs 3 Satz 1 SGB III auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab voraus und schafft damit ein Korrektiv(vgl BSG SozR 4-4300 § 37b Nr 5 RdNr 22; ebenso Coseriu in Eicher/Schlegel § 144 RdNr 446, Stand Einzelkommentierung Juni 2010). Eine unverschuldete Unkenntnis von der Obliegenheit führt damit nicht zum Eintritt einer Sperrzeit, die schuldhafte Unkenntnis führt indes - auch unter Berücksichtigung der mit der Sperrzeit verbundenen weiteren Rechtsfolge der Anspruchsminderung nach § 128 Abs 1 Nr 3 SGB III - nicht zu einer Existenzgefährdung, ist aber geeignet, den Versicherten zu einem der Versichertengemeinschaft gegenüber verantwortungsbewussten Verhalten anzuhalten. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Zweck der Belehrung durch ein Beratungsgespräch vor Ablauf des Termins hätte erreicht werden können. Denn die insoweit erforderlichen Feststellungen wären in der Regel mit einem erheblichen Verwaltungs- bzw Ermittlungsaufwand verbunden und stünden im Widerspruch zu der klaren verwaltungspraktikablen Regelung des § 309 Abs 3 Satz 2 SGB III.

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Darlehen werden nur erbracht, wenn ein Bedarf weder durch Vermögen nach § 12 Absatz 2 und 4 Satz 1 noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Darlehen können an einzelne Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften oder an mehrere gemeinsam vergeben werden. Die Rückzahlungsverpflichtung trifft die Darlehensnehmer.

(2) Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 5 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt. § 43 Absatz 3 gilt entsprechend. Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Satz 1 gilt nicht, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden oder soweit bereits gemäß § 43 in Höhe von mehr als 20 Prozent des für die Darlehensnehmer maßgebenden Regelbedarfs gegen deren Ansprüche auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgerechnet wird.

(3) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 24 Absatz 5 sind nach erfolgter Verwertung sofort in voller Höhe und Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 22 Absatz 6 bei Rückzahlung durch den Vermieter sofort in Höhe des noch nicht getilgten Darlehensbetrages fällig. Deckt der erlangte Betrag den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht, soll eine Vereinbarung über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.

(4) Nach Beendigung des Leistungsbezuges ist der noch nicht getilgte Darlehensbetrag sofort fällig. Über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags soll eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmer getroffen werden.

(5) Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 27 Absatz 3 sind abweichend von Absatz 4 Satz 1 erst nach Abschluss der Ausbildung fällig. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(6) Sofern keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen wird, werden Zahlungen, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, zunächst auf das zuerst erbrachte Darlehen angerechnet.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.