Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie von der Beklagten zu der neuen Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 veranlagt wurde.

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Die Klägerin betreibt eine Konditorei in F. und ist Mitglied der Beklagten. Durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 war die Klägerin ab 1.1.1999 nach dem Gefahrtarif 1999 noch in die Gefahrtarifstelle 2 "Konditoreien" mit der Gefahrklasse 3,7 veranlagt worden. Der Gefahrtarif 1999 der Beklagten enthielt ua die Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 6,7 für Bäckereien und die Gefahrtarifstelle 2 mit der Gefahrklasse 3,7 für Konditoreien. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. In dem ab 1.1.2005 gültigen Gefahrtarif 2005 wurden die Bäckerei- sowie Konditoreibetriebe in der Gefahrtarifstelle 1 unter "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11, mit der Gefahrklasse 6,0 zusammengeführt. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

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Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit dem Unternehmensbereich Bäckereien/Konditoreien zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 6,0 des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) und der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

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Die Klägerin hat Klage zum SG Frankfurt am Main erhoben, das eine Auskunft des BVA vom 9.6.2006 eingeholt hat, der diverse Anlagen beigefügt waren und in der der Gefahrtarif 2005 im Ergebnis nicht beanstandet wurde. Durch Urteil vom 19.5.2008 hat das SG sodann den Veranlagungsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (insgesamt) aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Konditoreibetriebe könnten nach Anzahl und Größe unschwer eine eigene Tarifstelle bilden. Es sei weiterhin von einem ungleichen Gefahrenrisiko bei Bäckern und Konditoren auszugehen, wobei nur auf die Nachtarbeit, Schichtdienst, Hitzeeinwirkungen, Bäckerasthma und Mehlallergien speziell bei Bäckern hinzuweisen sei.

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Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Hessische LSG hat durch Urteil vom 30.8.2011 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Gefahrtarif sei unabhängig von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit als gesetztes objektives Recht des Unfallversicherungsträgers nur daraufhin überprüfbar, ob er mit dem Gesetz und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sei. Ähnlich wie dem Gesetzgeber sei den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung, somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzten. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung treffe, sei nicht Aufgabe der Gerichte. Die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkten und die daraus folgende Entscheidung obliege dem Unfallversicherungsträger, der eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten habe.

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Zu der Frage, bis zu welcher Differenz Gefahrengemeinschaften etwa gleiche Gefährdungsrisiken aufweisen, würden in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Grenzbereiche formuliert. Bei größeren Gewerbezweigen könnten bereits Belastungsunterschiede von 15 vH nicht mehr als annähernd gleich angesehen werden, während bei kleineren sogar Unterschiede von über 200 vH statistisch-mathematisch als annähernd gleich anzusehen seien. Ein fester Prozentsatz könne danach nicht angegeben werden. Letztlich sei das Spannungsverhältnis zwischen einer möglichst homogenen Gefahrengemeinschaft einerseits und dem erforderlichen versicherungsmäßigen Ausgleich zu lösen, der nach dem Gesetz der großen Zahl eine gewisse Größe der Gefahrengemeinschaft fordere, damit es sich um eine "Versicherung" handele. Die Frage einer ausreichenden Zahl von Betrieben zur Bildung einer eigenen Tarifstelle stelle sich zur Überzeugung des Senats für die Konditoreibetriebe nicht, da die Beklagte im ersten Entwurf zum Gefahrtarif 2005 vom 29.4.2004 selbst von 2800 Nur-Konditoreien ausgegangen sei, für die sie eine Gefahrklasse von 5,9 errechnet hatte. Ansonsten sei der Maßstab des annähernd gleichen Risikos an Art 3 Abs 1 GG zu messen, wonach vergleichbare Unfallgefahren sowohl für die der Gefahrtarifstelle angehörigen Gewerbezweige als auch für die in die Gewerbezweige aufgenommenen Unternehmensarten zu fordern seien. Insoweit dürften kleinere Gewerbezweige nicht mit den Risiken großer Gewerbezweige überbelastet werden. Der Senat folge Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung, nach denen eine Abweichung eines Gewerbezweigs von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Gefahrtarifstelle von bis zu 30 vH noch tolerierbar sei. Eine Beitragsdifferenz der Konditoreibetriebe zum Gefahrklassendurchschnitt von einem Drittel sei mithin im konkreten Fall noch hinnehmbar. Denn die Handwerke der Konditoren und Bäcker seien artverwandt, näherten sich einander immer mehr an und seien über die jeweils gefertigten Produkte kaum auseinanderzuhalten. Eine mit vertretbarem Verwaltungsaufwand zu leistende sachgerechte und valide Gewinnung von Zahlen zur Gefahrklassenberechnung sei bei getrennter Veranlagung beider Handwerke unter Beibehaltung einer großen Zahl von Mischbetrieben nicht möglich. Die Beklagte sei gehalten, durch Typisierung den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen, womit für die Klägerin eine Beitragsmehrbelastung von einem Drittel gegenüber der durchschnittlichen Gefahrtarifstelle hinzunehmen sei. Diese Belastung erreiche kein Ausmaß, das als unvertretbare, die Klägerin in schwerwiegender oder gar existenzbedrohender Weise treffende und von ihr nicht hinzunehmende Härte zu werten wäre.

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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung insbesondere des § 157 SGB VII. Zwar stehe dem Unfallversicherungsträger bei der Erstellung des Gefahrtarifs ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, jedoch mangele es an tatsächlichen Feststellungen, die die Entscheidung des LSG rechtfertigen könnten. Bei der Bildung von Gefahrtarifstellen sei zu unterscheiden zwischen der Zusammenfassung einzelner Unternehmen zu Gewerbezweigen und der Zuordnung von Gewerbezweigen zu einer Gefahrtarifstelle. Die Bildung von Gefahrengemeinschaften bei einer Gefahrtarifstelle stelle die zweite Stufe dar. Bei der Bildung von Gewerbezweigen sei ein Belastungsunterschied von mehr als 15 vH nicht hinnehmbar (Hinweis auf Schulz, Der Gefahrtarif im SGB VII, SGb 1996, 572). Das LSG habe hingegen die für die zweite Stufe (Bildung von Gefahrengemeinschaften) geltende 30 vH-Grenze bereits auf die Zusammenfassung von Unternehmen zu einem Gewerbezweig angewandt. Doch auch diese Grenze werde im vorliegenden Verfahren überschritten, wenn das LSG noch eine Abweichung von einem Drittel (33,3 vH) billige. Das LSG habe zudem grundsätzlich verkannt, dass die Beklagte für die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihr erlassenen Verwaltungsakte aufgrund des Gefahrtarifs darlegungs- und beweispflichtig sei. Weiterhin sei es unschwer möglich, Bäckerei- und Konditoreibetriebe verwaltungsmäßig sauber zu trennen.

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Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.8.2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19.5.2008 zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

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Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

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Soweit die Klägerin davon ausgehe, dass eine Differenzierung zwischen Konditoreien und Bäckereien in der Prüfpraxis vorgenommen werden könne, könne von dem Betriebsprüfdienst doch nicht ernsthaft verlangt werden, dass dieser in den Betrieben jeweils die genaue Zahl der hergestellten Brötchen und Torten ermittele.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

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1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

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2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

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Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 f; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

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Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 SGB VII Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

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Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

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Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-Info 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

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3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

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a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

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Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

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Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

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b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

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Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

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Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

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Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

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b) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die auch getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Zudem hat das erkennende LSG in seinem Urteil für den Senat gemäß § 163 SGG bindend festgestellt, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist. Nach den Feststellungen des LSG ist "eine mit vertretbarem Verwaltungsaufwand zu leistende sachgerechte und valide Gewinnung von Zahlen zur Gefahrklassenberechnung bei getrennter Veranlagung beider Handwerke unter Beibehaltung einer großen Zahl von Mischbetrieben nicht möglich" (Urteil des LSG, aaO, S 23). Auch diese Feststellung spricht dafür, dass die Beklagte bei der Zusammenlegung der Gruppen in einer Tarifstelle ihren Beurteilungsspielraum in zulässiger Weise ausgeschöpft hat.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012, 88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 VwGO. Der Streitwert wurde in einem gesonderten Beschluss festgesetzt (vgl aber zu den Kriterien der Festsetzung BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 8/12 R).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


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Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 157 Gefahrtarif


(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenscha

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 150 Beitragspflichtige


(1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die nach § 2 versicherten Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 121 Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften


(1) Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind für alle Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit sich nicht aus dem Zweiten und Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenos

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 159 Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen


(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten. (2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buc

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Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 34 Satzung


(1) Jeder Versicherungsträger gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde. (2) Die Satzung und sonstiges autonomes Recht sind öffentlich bekannt

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bei uns veröffentlicht am 27.06.2012

Tenor Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 29. Feb. 2012 - B 12 KR 7/10 R

bei uns veröffentlicht am 29.02.2012

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. März 2010 geändert.

Bundessozialgericht Urteil, 14. Dez. 2011 - B 6 KA 6/11 R

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. September 2010 wird zurückgewiesen.

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 10. März 2011 - 1 BvR 2891/07

bei uns veröffentlicht am 10.03.2011

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Beitragsrecht in der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 09. März 2011 - 1 BvR 2326/07

bei uns veröffentlicht am 09.03.2011

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 11. Apr. 2013 - B 2 U 4/12 R.

Bundessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2016 - B 2 U 19/15 R

bei uns veröffentlicht am 15.11.2016

Tenor Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2015 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 11. Apr. 2013 - B 2 U 8/12 R

bei uns veröffentlicht am 11.04.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die nach § 2 versicherten Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 6 Abs. 1 Versicherten sind selbst beitragspflichtig. Für Versicherte nach § 6 Absatz 1 Satz 2 ist die jeweilige Organisation oder der jeweilige Verband beitragspflichtig. Entsprechendes gilt in den Fällen des § 6 Absatz 1 Satz 3.

(2) Neben den Unternehmern sind beitragspflichtig

1.
die Auftraggeber, soweit sie Zwischenmeistern und Hausgewerbetreibenden zur Zahlung von Entgelt verpflichtet sind,
2.
die Reeder, soweit beim Betrieb von Seeschiffen andere Unternehmer sind oder auf Seeschiffen durch andere ein Unternehmen betrieben wird.
Die in Satz 1 Nr. 1 und 2 Genannten sowie die in § 130 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 genannten Bevollmächtigten haften mit den Unternehmern als Gesamtschuldner.

(3) Für die Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung gilt § 28e Abs. 2 und 4 des Vierten Buches, für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe gilt § 28e Absatz 3a bis 3f des Vierten Buches und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages durch Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und im Auftrag eines anderen Unternehmers adressierte Pakete befördern, gilt § 28e Absatz 3g des Vierten Buches entsprechend. Der Nachunternehmer oder der von diesem beauftragte Verleiher hat für den Nachweis nach § 28e Absatz 3f des Vierten Buches eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers vorzulegen; diese enthält insbesondere Angaben über die bei dem Unfallversicherungsträger eingetragenen Unternehmensteile und diesen zugehörigen Lohnsummen des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers sowie die ordnungsgemäße Zahlung der Beiträge.

(4) Bei einem Wechsel der Person des Unternehmers sind der bisherige Unternehmer und sein Nachfolger bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Wechsel angezeigt wurde, zur Zahlung der Beiträge und damit zusammenhängender Leistungen als Gesamtschuldner verpflichtet.

(1) Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nicht etwas anderes ergibt, der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen.

(2) Das Arbeitsentgelt der Versicherten wird bis zur Höhe des Höchstjahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt.

(3) Die Satzung kann bestimmen, daß der Beitragsberechnung mindestens das Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestjahresarbeitsverdienstes für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zugrunde gelegt wird. Waren die Versicherten nicht während des ganzen Kalenderjahres oder nicht ganztägig beschäftigt, wird ein entsprechender Teil dieses Betrages zugrunde gelegt.

(4) Soweit Rentenlasten nach § 178 Abs. 2 und 3 gemeinsam getragen werden, bleiben bei der Beitragsberechnung Unternehmen nach § 180 Abs. 2 außer Betracht. Soweit Rentenlasten nach § 178 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 gemeinsam getragen werden, werden sie auf die Unternehmen ausschließlich nach den Arbeitsentgelten der Versicherten in den Unternehmen unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 180 Abs. 1 umgelegt.

(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten.

(2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Unternehmer auch auf Angaben und Unterlagen über die betrieblichen Verhältnisse erstreckt, die für die Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen erforderlich sind. Soweit die Unternehmer ihrer Auskunftspflicht nicht nachkommen, nimmt der Unfallversicherungsträger die Veranlagung nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse vor.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Die Vertreterversammlung beschließt die Satzung und sonstiges autonomes Recht des Versicherungsträgers sowie in den übrigen durch Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht vorgesehenen Fällen. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund wird der Beschluss über die Satzung von der Bundesvertreterversammlung nach § 31 Absatz 3b gefasst; der Beschluss wird gemäß § 64 Absatz 4 gefasst, soweit die Satzung Regelungen zu Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung oder zu gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung trifft. Im Übrigen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der durch Wahl der Versicherten und Arbeitgeber der Deutschen Rentenversicherung Bund bestimmten Mitglieder.

(2) Die Vertreterversammlung vertritt den Versicherungsträger gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern. Sie kann in der Satzung oder im Einzelfall bestimmen, dass das Vertretungsrecht gemeinsam durch die Vorsitzenden der Vertreterversammlung ausgeübt wird.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für den Verwaltungsrat nach § 31 Absatz 3a. Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für den Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden. Dem Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden obliegen auch die Aufgaben des Vorstandes oder dessen Vorsitzenden nach § 37 Absatz 2, § 38 und nach dem Zweiten Titel.

(4) Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für die Bundesvertreterversammlung oder deren Vorsitzenden entsprechend. Für den Beschluss über die Satzung gilt Absatz 1 Satz 2 und 3.

(1) Jeder Versicherungsträger gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde.

(2) Die Satzung und sonstiges autonomes Recht sind öffentlich bekannt zu machen. Sie treten, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Die Art der Bekanntmachung wird durch die Satzung geregelt.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Gefahrtarifs der Aufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen mitzuteilen. Wird der Gefahrtarif in einer von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht aufgestellt oder wird er nicht genehmigt, stellt ihn die Aufsichtsbehörde auf. § 89 des Vierten Buches gilt.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars für das Quartal II/2005, insbesondere die Rechtmäßigkeit des der Honorarberechnung zugrunde gelegten Honorarverteilungsvertrages (HVV).

2

Der Kläger nahm im streitbefangenen Zeitraum als Facharzt für Chirurgie im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 31.10.2005 setzte die Beklagte das dem Kläger für das Quartal II/2005 zustehende Honorar auf 40 644,20 Euro fest. Dabei vergütete sie die von ihm erbrachten Leistungen nach Maßgabe eines durch den HVV vorgegebenen individuellen Punktzahlvolumens. Die Punktzahlanforderung betrug 1.133.475,0 Punkte und überstieg damit das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen (960.936,3 Punkte) um 172.538,7 Punkte. Die Fachgruppenquote betrug 66,8653 %, die praxisindividuelle Quote 56,6870 %.

3

Widerspruch und Klage, mit denen der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht hat, HVV und Honorarbescheid seien rechtswidrig, da der HVV entgegen der Gesetzeslage weiterhin die Bildung von Individualbudgets vorgebe, sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2006, Urteil des SG vom 5.12.2007). Das LSG hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, unter Aufhebung des Honorarbescheides für das Quartal II/2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2006 über das vertragsärztliche Honorar des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Urteil des LSG vom 8.9.2010 - juris).

4

Zur Begründung hat es ausgeführt, der HVV entspreche nicht den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V und erfülle auch nicht die Voraussetzungen der im Beschluss des Bewertungsausschusses (BewA) zur Festlegung von Regelleistungsvolumina (RLV) durch die KÄV gemäß § 85 Abs 4 SGB V vom 29.10.2004 (BRLV - DÄ 2004, A 3129 ff) in dessen Teil III. Nr 2.2 normierten Übergangsregelung. Der ab dem 1.4.2005 geltende HVV genüge diesen Vorgaben insofern nicht, als er wie der zuvor maßgebliche HVV für das Gros der vom Kläger erbrachten Leistungen ein Individualbudget in Form eines Punktzahlgrenzwerts auf der Basis der Abrechnungswerte der Quartale III/1997 bis II/1998 vorsehe. Nach dem Mechanismus des HVV floate der Punktwert im Ergebnis. Diese Regelungen seien nicht mit dem nach § 85 Abs 4 SGB V vorgegebenen System der RLV vereinbar und stellten auch keine zulässige Ausnahme dar. Sie seien ein Aliud, denn ihnen lägen keine arztgruppenspezifischen Grenzwerte zugrunde, bis zu denen die Leistungen des Vertragsarztes mit einem festen Punktwert zu vergüten seien. Die umstrittenen Bestimmungen entsprächen auch nicht der Übergangsregelung. Zwar liege eine Fortführung vorheriger Regelungen bzw Steuerungsinstrumente vor, da das Steuerungsinstrument "Individualbudgetierung" ohne grundlegende Änderung aus dem bis zum 31.3.2005 geltenden HVV übernommen worden sei, jedoch habe dieser HVV entgegen der Übergangsvorschrift keine Steuerungsinstrumente enthalten, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V vergleichbar wären.

5

Zwar seien die Ziele der Steuerungsinstrumente "RLV" und "Individualbudgetierung" weitgehend identisch, nämlich dem Arzt eine gewisse Kalkulationssicherheit zu verschaffen, jedoch komme es entscheidend auf die Vergleichbarkeit der Auswirkungen an. Das Steuerungsinstrument "Individualbudget" sei in seinen "Auswirkungen" mit den normativen Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V und damit jenen des RLV nicht vergleichbar. Soweit der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen RLV zugrunde lägen, stehe vor Leistungserbringung fest, wie die jeweilige ärztliche Leistung vergütet werde; demgegenüber bewirke des Steuerungsinstrument Individualbudget lediglich, dass der Vertragsarzt die Höhe des zu erwartenden Honorars sicherer abschätzen könne. Die Fachgruppen-Quote nach dem HVV entspreche dem sich aus der Topfbildung für jede Arztgruppe ergebenden Punktwert und erweise sich daher nur als ein - vom Leistungsverhalten der Arztgruppe abhängiger - Berechnungsfaktor. Da der Vertragsarzt unter der Geltung von RLV angesichts fester Punktwerte grundsätzlich Kenntnis von der Höhe der Vergütung für jede einzelne ärztliche Leistung habe, könne er dort sein Leistungsverhalten, soweit es dem Grunde nach steuerbar sei, situationsadäquat anpassen. Die Auswirkungen seien auch insoweit unterschiedlich, als durch die Individualbudgetierung der Umsatz gesteuert werde, während das RLV-System entscheidend bei den Fallzahlen ansetze. Schließlich lasse sich die Regelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung rechtfertigen, da sie schon von ihrer Struktur her in Widerspruch zu höherrangigen Vorgaben stehe.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Mit der Einführung der RLV habe allein die Kalkulationssicherheit für den einzelnen Arzt im Vordergrund stehen sollen. Damit orientiere sich die Feststellung der Vergleichbarkeit der Auswirkungen von RLV und Individualbudget daran, ob das Ziel "Kalkulationssicherheit" erreicht sei. Da das LSG dies bejaht habe, sei die Vergleichbarkeit der Auswirkungen beider Steuerungsinstrumente gegeben. Der Vertragsarzt könne unter Geltung beider Steuerungsinstrumente sein Leistungsgeschehen im jeweils aktuellen Abrechnungsquartal ausschließlich über das Punktzahlvolumen anpassen. Ausschließlich der abgerechnete bzw anerkannte Gesamtleistungsbedarf in Punkten führe bei einem Mehr an Leistungsmenge zu einem floatenden individuellen Punktwert (praxisindividuelle Quote). Ebenso wenig könne aber eine Steigerung der Fallzahl im aktuellen Abrechnungsquartal Auswirkungen auf das RLV haben; auch hier sei ausschließlich das Punktzahlvolumen maßgebender Parameter für die tatsächliche Vergütung im RLV.

7

Gedeckelte Gesamtvergütung und feste Vergütungspunktwerte schlössen sich allerdings aus. Mithin könne die Vergleichbarkeit der Auswirkungen der Steuerungsinstrumente auch nicht mit der Begründung verneint werden, die Steuerung des Leistungsverhaltens erfolge abweichend. Letzteres gelte umso mehr, als die Entwicklung gezeigt habe, dass nicht die gesamte Abrechnung von RLV dirigiert werde, sondern diese vielmehr nur einen Bestandteil des Honorars darstellten. Im Ergebnis sei eine (relative) Kalkulierbarkeit beim Individualbudget und RLV gleichermaßen gegeben.

8

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Fortführung der Individualbudgets den Vorgaben der Übergangsregelung entspreche, sei auf den Empfängerhorizont des Vertragsarztes abzustellen. Erklärte Ziele des Gesetzgebers seien die Etablierung einer Leistungsbeschränkung bei gleichzeitiger Garantie von Kalkulationssicherheit gewesen. Diese gesetzlichen Ziele würden durch die in § 7 HVV normierte Individualbudgetierung für den Adressaten, den Vertragsarzt, mindestens ebenso erreicht, wie sie bei Einführung von RLV im Quartal II/2005 hätten erreicht werden können. Nach Einschätzung der Beklagten hätten diese Ziele sogar ausschließlich bei Fortführung der Individualbudgetierung erreicht werden können, denn die Vertragspartner des HVV seien sich darüber einig gewesen, dass die Transcodierungsliste zur Simulation von Abrechnungsergebnissen nach dem neu zum 1.4.2005 eingeführten Einheitlichen Bewertungsmaßstab keine gesicherte Datenlage ermöglicht habe. Daher seien deutliche Honorarverwerfungen zu erwarten gewesen. Bei beiden Steuerungsinstrumenten könne der Bescheidadressat die Leistungsgrenze erkennen.

9

Die Mengenbegrenzung durch die Individualbudgetierung in Nordrhein habe bundesweit eine der rigidesten Begrenzungsmechanismen dargestellt. Mit den RLV habe der Normgeber nicht eine bloße Beschränkung der Leistung, sondern gleichzeitig eine Ausrichtung des Leistungsverhaltens auf den Kern der arztgruppentypischen Leistungen erreichen wollen. Der Kern der ärztlichen Leistungen zur Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten habe durch die gesetzliche Regelung über RLV so weit als möglich geschützt werden sollen. Gerade dieser Gedanke sei auch der Individualbudgetierung immanent.

10

Auch bei RLV werde aus Sicht des Normadressaten der feste Punktwert nur rechnerisch realisiert. Sowohl Individualbudgetierung als auch RLV könnten nur einen festen Punktwert vortäuschen, solange die Gesamtvergütung begrenzt sei und das Leistungsgeschehen durch das Morbiditätsrisiko bestimmt werde. Die streitbefangene HVV-Regelung erfülle auch das Erfordernis, dass sie von der Zielrichtung der RLV nicht wegführe. Es stelle sich die Frage, welches Steuerungsinstrument vergleichbar sei, wenn nicht diese Regelung. Schließlich habe eine Neubescheidung und Neuverteilung des Honorars unter Anwendung von RLV weitreichende Konsequenzen.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8.9.2010 abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5.12.2007 zurückzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Das LSG habe zu Recht festgestellt, dass RLV und Individualbudget hinsichtlich der "Auswirkungen" nicht vergleichbar seien. Im Rahmen eines Individualbudgets habe der Vertragsarzt nur Kenntnis von einer Punktsumme, nicht jedoch von dem Vergütungsbetrag in Euro. Es fehle auch ein arztgruppenspezifischer Grenzwert, denn die Individualbudgets bauten auf ganz unterschiedlichen individuellen Entwicklungen in den Referenzquartalen auf. Der entscheidende Unterschied zwischen Individualbudget und RLV sei, dass die Vergütung im Rahmen des RLV in einem Betrag ausgewiesen werde und vor dem Quartal feststehe, während sich im Rahmen des Individualbudgets die Vergütung erst im Nachhinein und abhängig von der Fachgruppenquote ergebe. Der Punktwert im Rahmen eines Individualbudgets sei floatend; es sei zu keinem Zeitpunkt der kalkulatorische Punktwert von 5,11 Cent gezahlt worden, sondern eine floatende Vergütung zwischen 65 % und 100 %.

14

Die Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

16

Das LSG hat die Beklagte zu Recht zur erneuten Entscheidung über den Honoraranspruch des Klägers für das Quartal II/2005 verpflichtet; denn dem Honorarbescheid fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Honorarverteilungsregelungen, auf deren Grundlage der Honorarbescheid erging, verstoßen gegen höherrangiges Recht. Der HVV, den die Beklagte und die Krankenkassen mit Wirkung ab dem 1.4.2005 vereinbart hatten, entsprach nicht den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V(unten 1.). Er erfüllte auch nicht die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III. Nr 2.2 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004 (DÄ 2004, A 3129) (unten 2.).

17

1. Die Regelungen des HVV waren nicht mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V vereinbar, wie das LSG zutreffend festgestellt hat.

18

a. Nach § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V sind in der Honorarverteilung "insbesondere … arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte; gemäß § 85 Abs 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind(BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 40).

19

Das Erfordernis der Festlegung fester Punktwerte (anstelle sog floatender Punktwerte) stellt eine zentrale und strikte Vorgabe dar (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 40). Nicht im selben Maße strikt ist die Vorgabe der Festlegung "arztgruppenspezifischer Grenzwerte": Dies muss nicht als arztgruppen"einheitliche" Festlegung ausgelegt werden in dem Sinne, dass der gesamten Arztgruppe dieselben RLV zugewiesen werden müssten. Vielmehr kann dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung genügen, die eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgibt, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsieht und so zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 15). Die zentrale Bedeutung der Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V hat der Gesetzgeber dadurch zusätzlich deutlich gemacht, dass er die bis dahin bestehenden bloßen Soll- und Kann-Vorschriften(Satz 6: "… soll sicherstellen …" und Satz 7: "Insbesondere kann …" sowie Satz 8: "… kann …") mit Wirkung ab 1.1.2004 zu verbindlichen Regelungen umgestaltet hat ("… hat … vorzusehen" und "… sind … festzulegen …" sowie "… ist vorzusehen …"). Diese Änderung wird in den Begründungen zum Gesetzentwurf auch ausdrücklich hervorgehoben (BT-Drucks 15/1170 S 79 und BT-Drucks 15/1525 S 101). Die Formulierung "insbesondere" in § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V relativiert die Verbindlichkeit nicht etwa im Sinne eines lediglich möglichen Regelungsinhalts; wie der Kontext ergibt, wird damit vielmehr die Notwendigkeit solcher Festlegungen nochmals hervorgehoben und zugleich klargestellt, dass darüber hinaus auch noch weitere Steuerungsinstrumente vorgesehen werden können, die allerdings das System aus RLV und abgestaffelten Punktwerten nicht schwächen, sondern nur ergänzen dürften (BSG aaO RdNr 15 aE).

20

b. Von den beiden Elementen des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V - arztgruppenspezifische Grenzwerte (im Sinne eines RLV) und feste Punktwerte - wich der HVV ab, den die Beklagte und die Verbände der Krankenkassen mit Wirkung ab dem 1.4.2005 vereinbart hatten.

21

Der HVV sah - nach den Ausführungen des LSG gemäß seiner Zuständigkeit für die Feststellung des Inhalts von Landesrecht (vgl § 162 SGG und dazu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27 mwN) - ebenso wie der zuvor maßgebende HVV in § 7 Ziff 1 HVV ein Individualbudget in Form eines Punktzahlengrenzwertes für das Gros der vom einzelnen Vertragsarzt erbrachten Leistungen auf der Basis der Abrechnungswerte der Quartale III/1997 bis II/1998 vor. Davon ausgenommen waren Notfall-, Präventions-, Impf-, Methadon- und psychotherapeutische Leistungen, die hausärztliche Grundvergütung, die übrigen Vorwegzahlungen nach § 6 Ziff 3 HVV (zB Fremdkassenausgleich, Dialyse-Kostenerstattungen) sowie bestimmte Labor-Kostenanteile(§ 7 Ziff 1 Abs 3 HVV). Nach dem Mechanismus des HVV wurde der Punktzahlengrenzwert aus den um die vorgenannten Leistungen bereinigten individuellen Honorarumsätzen der Quartale III/1997 bis II/1998 bezogen auf Primär- und Ersatzkassen ermittelt, wovon gemäß § 7 Ziff 1 Abs 4 HVV für die Finanzierung von Neuniederlassungen 3 % abgezogen wurden. Der sich so ergebende Umsatz wurde mit dem Faktor 10 multipliziert. Darüber hinausgehende Leistungen unterlagen einer Kürzung auf das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen. Die nach Kürzung gemäß § 7 HVV verbleibenden punktzahlbewerteten Leistungen wurden mit einem rechnerischen Punktwert von 5,11 Cent gemessen an der zur Verfügung stehenden Höhe der Gesamtvergütung bewertet mit der Folge, dass sich quartalsweise eine Fachgruppenquote ergab, die auf das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen anzuwenden war(§ 7 Ziff 2 Abs 1 HVV).

22

Nach den Feststellungen des LSG floatete damit im Ergebnis der Punktwert bzw der vergütete Leistungsbedarf. Dies stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V. Das LSG hat zudem festgestellt, dass den Regelungen des HVV auch keine arztgruppenspezifischen Grenzwerte im Sinne des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V bzw von RLV im Sinne der Vorgaben des BewA zugrunde liegen. Ob der HVV dieselben Ziele wie die Regelung in § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V verfolgt, ist nicht maßgeblich. Allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung kann nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen - feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte - fehlt(s schon BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 18).

23

2. Die Bestimmungen des HVV können auch nicht aufgrund der Übergangsregelung in Teil III. Nr 2.2 des BLRV Geltung beanspruchen. Zwar ist diese Übergangsregelung dem Grunde nach von der Ermächtigung des § 85 Abs 4a Satz 1 iVm Abs 4 Satz 4 bis 8 SGB V gedeckt und somit wirksam(s hierzu BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 20 ff), doch werden die dort festgelegten Voraussetzungen - Fortführung von Steuerungsinstrumenten, die mit der gesetzlichen Regelung in ihren Auswirkungen vergleichbar sind - nicht erfüllt.

24

a. Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54)entschiedenen Fall fehlt es allerdings nicht bereits an einer Fortführung bisheriger Steuerungsinstrumente in dem Sinne, dass etwaige Änderungen nicht von den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V wegführen dürfen(BSG aaO RdNr 22, 25). Denn nach den Feststellungen des LSG haben die Vertragsparteien den bis zum 31.3.2005 geltenden HVV im Grundsatz nicht verändert, sondern lediglich modifiziert bzw nicht systemrelevant ergänzt. Soweit der Senat im Urteil vom 17.3.2010 (aaO RdNr 22) offengelassen hat, ob der Austausch einzelner Bestimmungen zulässig ist, ergänzt er diese Ausführungen dahingehend, dass einzelne Änderungen des HVV der Annahme einer "Fortführung" nicht entgegenstehen, sofern die wesentlichen Grundzüge des Steuerungsinstruments unverändert bleiben.

25

b. Nach dem Inhalt der maßgeblichen Regelungen des HVV ist - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - nicht erkennbar, dass der fortgeführte HVV den Anforderungen der Übergangsregelung entsprach. Nach Teil III. Nr 2.2 BRLV konnten in einer KÄV zum 31.3.2005 bereits vorhandene Steuerungsinstrumente im Einvernehmen mit den Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene für eine Übergangszeit fortgeführt werden, wenn sie "in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind". Die Auswirkungen der fortgeführten Steuerungsinstrumente waren jedoch nicht mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar.

26

aa. Das in der Übergangsregelung normierte Tatbestandsmerkmal der "vergleichbaren Auswirkungen" bedarf der Auslegung bzw Konkretisierung.

27

(1) Bei dieser Auslegung ist zunächst der Umfang der Regelungskompetenz des BewA in den Blick zu nehmen, da er die Grenzen einer ermächtigungskonformen Auslegung bestimmt. Nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V bestimmt der BewA "den Inhalt" der nach § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V zu treffenden Regelungen. Bei der Konkretisierung des Inhalts dieser Regelungen ist dem BewA Gestaltungsfreiheit eingeräumt (vgl hierzu BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 20 unter Hinweis auf BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26).

28

Hierzu hat der Senat mit Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21)ausgeführt: "Welches Maß an Gestaltungsfreiheit dem BewA zukommt, ist nach der Wesensart der Ermächtigungsvorschrift des § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V und der ihr zugrunde liegenden Zielsetzung zu bestimmen. Sinn dieser Ermächtigung war und ist es, dass der BewA den Weg zur Anpassung der Honorarverteilungsregelungen in den verschiedenen KÄV-Bezirken an die Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V vorzeichnet. Bei der Auslegung der Ermächtigung ist zu berücksichtigen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Ärzte an einer Kontinuität des Honorierungsumfangs und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen wäre, eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 SGB V erreichen zu wollen. Vielmehr ist es bei solchen Anpassungen sachgerecht, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren. Nicht hinnehmbar wäre es indessen, zu gestatten, dass sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen - sei es auch nur vorübergehend - weiter von den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V entfernt." Der Senat hat in der genannten Entscheidung weiter dargelegt, dass die Übergangsvorschrift in Teil III. Nr 2.2 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004 diesen Anforderungen bei ermächtigungskonformer Auslegung gerecht wurde und es nach dem Wortlaut der Ermächtigungsvorschrift gestattet war, dass bisherige Steuerungsinstrumente, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind, fortgeführt werden(BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 22).

29

Diese Ausführungen des Senats sind aber nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der BewA die KÄVen zu einer - Wortlaut und Intention des Gesetzes entgegenstehenden - beliebigen Fortführung vorhandener Steuerungsinstrumente ermächtigen durfte, auch wenn diese nicht den Mindestanforderungen an eine Vergleichbarkeit der Steuerungsinstrumente entsprechen. Damit ist eine Auslegung der Übergangsvorschrift ausgeschlossen, die faktisch zu einer vollständigen Suspendierung der gesetzlichen Vorgaben - überdies für einen weit über eine Übergangsphase hinausgehenden Zeitraum - führen würde.

30

Bereits der Wortlaut der in § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V getroffenen Regelung zielt auf eine Inhaltsbestimmung im Sinne einer "Konkretisierung" und nicht einer (auch nicht vorübergehenden) "Suspendierung" der gesetzlichen Vorgaben ab. Dies gilt umso mehr, als dem Wortlaut der in § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V in ihren Grundzügen vorgegebenen Regelungen, deren Inhalt der BewA zu bestimmen hat, nur bei eher weiter Auslegung entnommen werden kann, dass auch die Normierung von Übergangsregelungen vorgesehen ist. Unabhängig davon ist ein dahingehender Wille des Gesetzgebers, dass die nähere Ausgestaltung des Inhalts der Regelungen durch den Bewertungsausschuss auch eine großzügige Übergangslösung bis hin zu einer - zeitlich nicht klar befristeten - vollständigen Suspendierung der gesetzlichen Vorgaben umfassen sollte, nicht erkennbar. Auch der dem BewA zustehende Gestaltungsspielraum (vgl hierzu BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26 ua) berechtigt diesen nicht dazu, gesetzliche Regelungen faktisch weitgehend leerlaufen zu lassen, da ein Gestaltungsspielraum untergesetzlicher Normgeber nur innerhalb der ihnen erteilten Normsetzungsermächtigung besteht. Nichts anderes gilt schließlich für die Aussage des Senats, dass dem BewA das Recht zuzugestehen ist, eine allmähliche Anpassung an die Vorgaben des § 85 SGB V genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren(vgl BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 52). Ziel der zulässigen Übergangsregelung ist nämlich die "Annäherung" an die Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V(BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 22). Dies setzt entweder voraus, dass die zu prüfende Honorarverteilungsregelung dem gesetzlichen Ziel deutlich näher steht als die Vorgängerregelung, oder, dass die Regelung bereits - ohne dass es einer Änderung bedurfte - eine ausreichende Nähe zu den gesetzlichen Vorgaben besitzt.

31

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen vergleichbare Zielsetzungen "vergleichbaren Auswirkungen" nicht gleich. Zum einen stellt die Übergangsregelung nach ihrem klaren Wortlaut nicht auf vergleichbare Ziele, sondern auf vergleichbare Auswirkungen ab. Zum anderen steht einer maßgeblichen Berücksichtigung vergleichbarer Zielsetzungen entgegen, dass die Ziele der hier in Rede stehenden gesetzlichen Regelung derart allgemein gefasst sind, dass sie den Zielen einer Vielzahl anderer Regelungen entsprechen. Durch die Vorgabe von RLV soll erreicht werden, dass die von den (Vertrags-)Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben wird; durch die Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen und zum anderen der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Leistungsausweitung begrenzt werden (vgl Begründung zum Gesetzentwurf-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 101 zu Art 1 Nr 64 Buchst h Doppelbuchst cc = § 85 SGB V; dies entspricht im Wesentlichen der ursprünglichen Begründung bei Einfügung der Norm durch das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz , vgl Ausschussbericht zum GKV-SolG, BT-Drucks 14/157 S 34 zu Art 1 Nr 13 Buchst b Doppelbuchst cc).

32

Das Ziel, den Vertragsärzten Kalkulationssicherheit zu geben, charakterisiert (und rechtfertigt) jedoch unter der Geltung einer Budgetierung der Gesamtvergütungen jegliche Form von Honorarbegrenzungsregelungen (vgl zu Individualbudgets: BSGE 83, 52, 56 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 205; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 29; zu Praxisbudgets: BSGE 86, 16, 17 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 116 sowie BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 26; zu Teilbudgets: BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 17/10 R - RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zu Fallzahlzuwachs-Begrenzungsregelungen: BSGE 89, 173, 182 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 378; zu progressiven Honorareinbehalten: BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 14; zu Richtgrößen- und Umsatzregelungen: BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 28 ff; zur Vorgabe gleich hoher Budgets für alle (Zahn-)Ärzte: BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 24). Würde man daher (allein) auf eine vergleichbare Zielsetzung abstellen, hätte die Übergangsregelung des BRLV eine (nahezu) uneingeschränkte Fortführung vorhandener Steuerungsinstrumente in den Honorarverteilungsregelungen ermöglicht.

33

Schon mit Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 18)hatte der Senat ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, ob die vorhandene Regelung dieselben Ziele wie § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V verfolge; allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung könne nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen - feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte - fehle. Diese Ausführungen betreffen zwar die Frage, ob der HVV die gesetzlichen Vorgaben eingehalten hat, lassen sich jedoch auch auf die Prüfung übertragen, ob die Vorgaben der Übergangsregelung eingehalten worden sind. Denn wenn eine ggf gleichwertige Zielsetzung nicht das Fehlen wesentlicher Bestandteile der Regelung ersetzen kann, ist sie auch nicht geeignet, die Vergleichbarkeit verschiedener Regelungen zu belegen.

34

(3) Die somit allein als Prüfungs- bzw Vergleichsmaßstab heranzuziehenden konkreten "Auswirkungen" der honorarbegrenzenden Regelungen des HVV der Beklagten waren mit den "Auswirkungen" der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V nicht vergleichbar. Wie bereits oben (unter 1.a.) dargelegt, sind deren Kernpunkte die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte sowie fester Punktwerte nebst abgestaffelter Punktwerte für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen. Wesentliche "Auswirkung" der gesetzlichen Regelung ist mithin, dass ein definiertes RLV gebildet wird, innerhalb dessen die erbrachten Leistungen mit einem festen Punktwert vergütet werden.

35

(a) An einer hinreichenden Vergleichbarkeit der "Auswirkungen" fehlt es in Bezug auf den vorliegend maßgeblichen HVV schon deswegen, weil dort der Grenzwert bzw das Vergütungsvolumen nicht anhand arztgruppenspezifischer (Durchschnitts-)Werte bestimmt wird, sondern ihm - im Sinne eines klassischen Individualbudgets - arztindividuelle Werte aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen zugrunde liegen. § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V setzt jedoch ein RLV voraus, das auf arztgruppendurchschnittlichen Werten beruhen muss; diesem strukturell vergleichbare Auswirkungen haben nur Grenzwerte, die ebenfalls auf Durchschnittswerten beruhen. Dies ist eine Mindestvoraussetzung der Vergleichbarkeit; ihr Fehlen führt zur Rechtswidrigkeit der HVV-Regelung.

36

Der Gesetzgeber ist mit der Vorgabe arztgruppenspezifischer Grenzwerte erkennbar von der in den KÄVen weit verbreiteten und von der Rechtsprechung grundsätzlich gebilligten Praxis abgewichen, Honorarbegrenzungsregelungen in Form von Individualbudgets zu normieren. Dass es sich bei der arztgruppenbezogenen Bestimmung des Grenzwerts bzw des Vergütungsvolumens um eine grundlegende Richtungsentscheidung des Gesetzgebers handelt, zeigt sich zudem daran, dass auch für die vom 1.1.2009 bis 31.12.2011 geltenden RLV die Werte nach Arztgruppen festzulegen waren (§ 87b Abs 3 Satz 1 SGB V). Arztgruppenspezifische Werte liegen weiterhin den Richtgrößen im Arzneimittelbereich (vgl § 84 Abs 6 Satz 1 SGB V) und letztlich auch der Degressionsregelung im vertragszahnärztlichen Bereich (vgl § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V) zugrunde.

37

Hinzu kommt, dass es für die vom Gesetzgeber mit der Einführung von RLV - neben dem Aspekt der Kalkulationssicherheit - verfolgten Ziele der Berücksichtigung von Kostendegression und Mengenbegrenzung sehr wohl von Bedeutung ist, anhand welcher Kriterien der maßgebliche Grenzwert bzw das "privilegierte" Vergütungsvolumen bestimmt wird. Durch die Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten - und damit im Ergebnis schon durch die Bestimmung des hierfür maßgeblichen Grenzwerts - soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen und zum anderen der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Leistungsausweitung begrenzt werden (vgl Begründung zum Gesetzentwurf-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 101 zu Art 1 Nr 64 Buchst h Doppelbuchst cc = § 85 SGB V). Im Hinblick auf diese Ziele ist es sehr wohl von Bedeutung, ob zur Bestimmung des "privilegierten" Vergütungsvolumens arztgruppenspezifische Durchschnittswerte herangezogen werden oder ob diesem das - ggf "übermäßige" - individuelle Abrechnungsverhalten des Vertragsarztes in der Vergangenheit zugrunde gelegt wird. Es liegt auf der Hand, dass sich das Ziel einer Mengenbegrenzung sachgerechter anhand von arztgruppenspezifischen Durchschnittswerten als durch eine Fortschreibung vorhandener Besitzstände erreichen lässt. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass Durchschnittswerte den Versorgungsbedarf der Versicherten zuverlässiger widerspiegeln als arztindividuelle Werte.

38

Der erkennende Senat hat bereits in seinen Urteilen zum Hessischen HVV eine auf der Grundlage praxisindividueller Punktzahl-Obergrenzen geregelte Honorarverteilung (die in Hessen bis I/2005 galt) als eine Regelungsstruktur bezeichnet, deren Auswirkungen nicht mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar seien(vgl BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 21 ff). Auch in seinen Urteilen vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 39 ua)hat er ausgeführt, dass ohne normative Grundlage die ggf mit der Einführung von RLV für die Vertragsärzte verbundenen Vorteile nicht so begrenzt werden dürften, dass anstelle der RLV faktisch praxisindividuelle Budgets - bezogen auf die von den einzelnen Praxen im Referenzquartal erreichten Vergütungen - zur Anwendung kommen; konkret hat der Senat beanstandet, dass ungeachtet der in Hessen formal bestehenden RLV mit festen Punktwerten als Folge der korrigierenden Ausgleichsregelung die abgerechneten Leistungen in einer Form vergütet wurden, die einem praxisindividuellen Individualbudget weitgehend vergleichbar waren (aaO RdNr 42).

39

(b) Da bereits die arztindividuelle Bezogenheit des Vergütungsvolumens im HVV einer Vergleichbarkeit der Auswirkungen entgegensteht, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Vergleichbarkeit der Auswirkungen zumindest hinsichtlich der Vorgabe fester Punktwerte gegeben ist. Das ist jedenfalls entgegen der Auffassung des Klägers nicht von vornherein ausgeschlossen.

40

Die HVV-Regelung setzt nicht beim Preis, sondern bei der Menge der mit festen Preisen vergüteten Leistungen an, indem sie zwar für einen bestimmten Teil der erbrachten Leistungen einen festen Punktwert von 5,11 Cent garantiert, das derart vergütete Punktzahlvolumen allerdings mit der Quote der Fachgruppe in Prozent multipliziert und damit - im Regelfall - faktisch reduziert. Die in § 7 Ziff 2 HVV geregelte Fachgruppen-Quote entspricht dem prozentualen Anteil der Leistungen, die tatsächlich aus den zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen mit einem Punktwert von 5,11 Cent vergütet werden können. Zwar ließe sich einwenden, dass diese Fachgruppen-Quote (spiegelbildlich) dazu führt, dass es an der Vorgabe eines festen Punktwerts fehlt, weil der angegebene rechnerische Punktwert von 5,11 Cent durch seine Bindung an das Gesamtvergütungsvolumen und die Bildung einer Fachgruppen-Quote relativiert wird und sich die Quotierung faktisch so auswirkt, als würde der Punktwert floaten (vgl dazu bereits BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411). Wirtschaftlich macht es für den Vertragsarzt keinen Unterschied, ob er seine Leistungen vollständig vergütet erhält, aber der Preis von der Menge der insgesamt abgerechneten Leistungen abhängig ist, oder ob ihm feste Preise zugesichert werden, dies aber nur für eine erst im Nachhinein feststehende Menge gilt. Allerdings macht die Beklagte zu Recht geltend, dass die Festlegung "absolut" fester Punktwerte unter der Geltung einer gedeckelten Gesamtvergütung von vornherein ausgeschlossen ist. Denn bei gedeckelter Gesamtvergütung wird die Vorgabe fester Punktwerte nur dadurch ermöglicht, dass entweder die RLV bzw Grenzwerte so (niedrig) bemessen werden, dass die gezahlten Gesamtvergütungen ausreichen, um alle erfassten Leistungen mit dem vorgesehenen Punktwert zu vergüten, oder dass dies zu Lasten der "freien Leistungen" geht. So hat auch der Senat eingeräumt, dass ein gewisses Floaten der Punktwerte nicht zu vermeiden ist, das System der RLV bei begrenzter Gesamtvergütung vielmehr eine Quotierung voraussetze (BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 16).

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Auf Antrag ist über die Gültigkeit von Satzungen oder anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden sind, zu entscheiden.

(2) Den Antrag kann jede natürliche Person stellen, die geltend macht, durch die Anwendung der Rechtsvorschrift in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Er ist gegen die Körperschaft zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Landessozialgericht kann der obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle Gelegenheit zur Äußerung binnen einer bestimmten Frist geben. § 75 Absatz 1 und 3 sowie Absatz 4 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.

(3) Das Landessozialgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, dass die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Landessozialgericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen ist.

(5) Das Landessozialgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluss. Kommt das Landessozialgericht zu der Überzeugung, dass die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner oder der Antragsgegnerin ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(6) Das Landessozialgericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene und der Beklagte tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Der klagende Spitzenverband Bund der Krankenkassen wendet sich gegen zwei vom erweiterten Bewertungsausschuss für die vertragsärztliche Versorgung (eBewA) im Jahr 2009 gefasste Beschlüsse zur "Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen".

2

Mit Einführung des neuen Vergütungssystems für vertragsärztliche Leistungen durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) zum 1.1.2009 (vgl § 87a Abs 1, § 87b Abs 1 SGB V aF)- insbesondere verbunden mit einer einheitlichen Gebührenordnung in Euro auf der Grundlage bundeseinheitlicher Orientierungspunktwerte - erließ der beklagte eBewA eine Reihe von Beschlüssen, die ua die hier streitgegenständlichen Regelungen enthielten. Bereits mit Beschluss vom 27./28.8.2008 (Teil H Nr 5, DÄ 2008, A 1988, 1998) hatte der eBewA den Partnern der Gesamtverträge "empfohlen, die Höhe der nach der Neubewertung dieser Leistungen zu zahlenden Vergütung auch unter Berücksichtigung der bisherigen gesamtvertraglichen Regelungen zu überprüfen und festzustellen, ob zur Sicherung einer angemessenen Vergütung ergänzende Regelungen erforderlich sind. Hierfür können leistungsbezogene Zuschläge zum Orientierungswert vereinbart werden".

3

Mit Beschluss vom 17.3.2009 ("Beschluss zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen mit Wirkung vom 01. April 2009" - DÄ 2009, A 726) wurden die Partner der Gesamtverträge verpflichtet, durch leistungsbezogene Zuschläge zum Punktwert sicherzustellen, dass die Vergütung der belegärztlichen Leistungen sowie der Leistungen des ambulanten Operierens mindestens die Vergütung des Jahres 2008 erreicht. Teil H Nr 5 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 wurde wie folgt neu gefasst:

        

"Die Partner der Gesamtverträge überprüfen zur Sicherstellung einer ausreichenden und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten der GKV je Gebührenordnungsposition die Höhe der für die besonders förderungswürdigen Leistungen nach Beschluss Teil A 2.4 und Beschluss Teil B 1.3 zu zahlenden Vergütung unter Berücksichtigung der gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008. Unterschreitet die für das Jahr 2009 ermittelte zu zahlende Vergütung je Gebührenordnungsposition für belegärztliche (kurativ-stationäre) Leistungen (Leistungen des Kapitels 36, die Gebührenordnungspositionen 13311, 17370 und Geburtshilfe), Leistungen des Kapitels 31.2 und 31.5, die Gebührenordnungspositionen 13421 bis 13431, 04514, 04515, 04518 und 04520, die gemäß den gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008 hierfür zu zahlende Vergütung, vereinbaren die Partner der Gesamtverträge zum Ausgleich der festgestellten Unterschreitungen für die betroffenen Gebührenordnungspositionen leistungsbezogene Zuschläge zum Regelfallpunktwert der Euro-Gebührenordnung.

        

[…]     

        

Die Vergütung der nach Satz 2 vereinbarten Zuschläge erfolgt aus den Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste nach Beschluss Teil G 1. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung und diese Rückstellungen sind durch die betroffenen Krankenkassen hierzu zweckgebunden fortlaufend um das Vergütungsvolumen für die je abgerechneter Gebührenordnungsposition für besonders förderungswürdige Leistungen nach Satz 2 zum Ansatz kommende Zuschläge nach Satz 2 zusätzlich zu erhöhen."

4

Gegen diesen Beschluss hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen am 15.4.2009 Klage erhoben (L 7 KA 62/09 KL). Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ließ diesen Beschluss unbeanstandet, erteilte jedoch die Auflage, die regionalen leistungsbezogenen Zuschläge als Übergangsregelung bis zum 31.12.2009 zu befristen und zu überprüfen. Am 2.9.2009 fasste der Beklagte einen weiteren Beschluss "zur Weiterentwicklung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010", in dessen Teil C mit Wirkung ab 1.1.2010 "Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" für das Jahr 2010 festgelegt wurden (DÄ 2009, A 1907,1912 f). Dieser Beschluss enthält in Ziff 3.1 Satz 2, 5 und 6 unter der Überschrift "Leistungsbezogene Indikatoren für regionale Besonderheiten der Versorgungsstrukturen" Regelungen, die - soweit hier relevant - denen des vorangegangenen Beschlusses vom 17.3.2009 entsprechen. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger ebenfalls Klage erhoben (L 7 KA 135/09 KL). Das LSG hat beide Verfahren verbunden und mit Urteil vom 15.12.2010 den Klagen stattgegeben. Es hat den Beschluss des Beklagten vom 17.3.2009 (idF des Beschlusses vom 20.5.2009) hinsichtlich der Sätze 2, 5 und 6 sowie den Beschluss des Beklagten vom 2.9.2009, Teil C, Ziff 3.1, Sätze 2 und 6 sowie Satz 5, soweit dieser die Vergütung nach Satz 2 betrifft, aufgehoben.

5

Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Beklagte habe die dort normierten Vergütungsbestimmungen nicht beschließen dürfen, weil er hierzu nicht gesetzlich ermächtigt gewesen sei und die genannten Bestimmungen darüber hinaus im Widerspruch zu höherrangigem Recht stünden. Die angefochtenen Beschlüsse könnten insbesondere nicht auf § 87b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 7 und Abs 3 Satz 5 SGB V aF gestützt werden. Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen sei der Beklagte nicht zum Erlass von Regelungen über leistungsbezogene Zuschläge ermächtigt. Darüber hinaus überschreite er mit der Bestimmung der außerbudgetären Vergütung konkreter vertragsarztrechtlicher Gebührenordnungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) seine Berechtigung aus § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF, hierzu Vorgaben zu beschließen; die vom Beklagten getroffenen Entscheidungen bedürften keiner Umsetzung durch die Partner der Gesamtverträge mehr, weil sie schon abschließend alle Regelungen selbst enthielten. Dasselbe gelte für die Anordnung einer zweckbestimmten Nachschusspflicht der Krankenkassen zur morbiditätsbedingten Gesamtvergütung. Bei der Bestimmung von Grundsätzen zur Bildung von Rückstellungen sei der eBewA darauf beschränkt, einen allgemeinen Rahmen für die Bildung von Rückstellungen vorzugeben; ins Einzelne gehende Bestimmungen über die Summe der Rückstellungen sowie eine zusätzlich zu der vereinbarten Gesamtvergütung zu entrichtende Nachzahlung der Krankenkassen zur Auffüllung der Rückstellungen gingen darüber hinaus.

6

Die angefochtenen Beschlüsse stünden auch im Widerspruch zu höherrangigem Recht. Das Recht, die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung zu vereinbaren, stehe den Gesamtvertragsparteien auf Landesebene zu. Dies schließe es aus, dass der Beklagte die Gesamtvergütung ganz oder auch nur teilweise an Stelle der Gesamtvertragspartner festsetze. Zudem sei die "befreiende Wirkung" iS des § 85 Abs 1 SGB V ein zentrales und unverzichtbares Element des gegenwärtigen vertragsärztlichen Vergütungssystems; Nachschusspflichten für länger zurückliegende Zeiträume seien in diesem System Fremdkörper.

7

Die angefochtenen Beschlüsse verstießen auch gegen die den Vertragspartnern der Gesamtverträge eingeräumte Berechtigung, die außerhalb der Regelleistungsvolumina (RLV) zu vergütenden Leistungen selbst zu bestimmen; es gebe keine Möglichkeit eines Gesamtvertragspartners, eine solche Regelung - ggf durch eine Schiedsamtsentscheidung - zu erzwingen. Das Gleiche gelte für die Entscheidung der Gesamtvertragspartner nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF, ob und in welcher Höhe sie Rückstellungen zB zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste bilden wollten, sowie, ob sie einen Zuschlag auf die Orientierungswerte nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V vereinbarten, um regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Bei der Vereinbarung von Zuschlägen seien die Gesamtvertragspartner im Übrigen durch § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF zwingend an die Vorgaben des Bewertungsausschusses (BewA) nach § 87 Abs 2f SGB V aF gebunden; der Beklagte habe jedoch in seinen Beschlüssen vom 27./28.8.2008 bzw 2.9.2009 entschieden, dass keine Indikatoren zu regionalen Besonderheiten in der Versorgungsstruktur sowie in der Kostenstruktur definiert werden könnten; für das Jahr 2009 seien die in § 87c Abs 2 SGB V aF angeführten Indikatoren nicht anzuwenden. Damit habe er den Gesamtvertragspartnern die Möglichkeit genommen, Zuschläge zu vereinbaren und stattdessen selbst eine Entscheidung über Zuschläge zu den Orientierungswerten getroffen.

8

Mit ihrer Revision rügt die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) die Verletzung von Bundesrecht. Es liege ein absoluter Revisionsgrund nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO vor, da der eBewA seinen Beschluss für das Jahr 2010 auf der Grundlage des § 87 Abs 2f SGB V gefasst habe, diese Rechtsgrundlage in den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils aber nicht berücksichtigt werde. Das LSG habe zudem die Vorgaben in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF nicht gesetzeskonform ausgelegt. Dem eBewA stehe ein weiter Regelungsspielraum zu, da er als Schiedsorgan die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen und Kompromisse zu schließen habe; er habe sich bei den streitgegenständlichen Beschlüssen im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums gehalten. Der eBewA könne detaillierte inhaltliche Festlegungen dazu treffen, wie die Partner der Gesamtverträge mit besonders förderungswürdigen Leistungen umzugehen hätten. Der Begriff "Vorgaben" enthalte keine Einschränkung hinsichtlich der Reichweite und des Umfangs der zu beschließenden Regelungen. Es bleibe den Partnern der Gesamtverträge unbenommen, weitere Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten, so dass deren Regelungsspielraum nicht eingeschränkt worden sei.

9

Der eBewA sei auch berechtigt gewesen, Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V iVm § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF zu bestimmen. Um sicherzustellen, dass Zuschläge aus Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste zu finanzieren seien, habe er darüber hinaus geregelt, dass die morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen um den Betrag für diese Zuschläge insgesamt zu erhöhen seien. Damit habe der eBewA nicht den Rahmen der "Grundsätze" überschritten und sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gehalten. Eine Erhöhung der Rückstellungen ohne damit einhergehende Erhöhung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung führe unweigerlich zu einer Reduzierung der Vergütung der anderen Vertragsärzte. Der mit den RLV ausgewiesene Bedarf dürfe durch die leistungsbezogenen Zuschläge nicht gekürzt werden. Es sei daher notwendig gewesen, auch Regelungen darüber zu treffen, auf welche Weise eingetretene Honorarverluste ausgeglichen werden könnten, ohne dass sich weitere Honorarverwerfungen für andere Ärzte ergäben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass das vertragsärztliche Vergütungssystem durch die Vorgaben des GKV-WSG vollständig neu geregelt worden sei und sich damit in einer Erprobungsphase befunden habe. In einer solchen Phase müsse der BewA berechtigt sein, auf eingetretene, nicht gewollte Folgen seiner Beschlüsse reagieren zu können und ein möglichst stabiles und rechtssicheres System für die Vergütung der Vertragsärzte zu schaffen.

10

Der Beklagte sei mit den Beschlüssen zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen seiner Beobachtungs- und Reaktionspflicht nachgekommen. Er habe bei der Prüfung der Folgen seiner Beschlüsse vom 27./28.8.2008 und vom 23.10.2008 festgestellt, dass es gerade bei ambulanten Operationen und bestimmten belegärztlichen Leistungen zu ungewollten Honorarverlusten gekommen sei. Daher sei er selbst verpflichtet gewesen, dem entgegenzuwirken, und habe sich nicht auf die Vereinbarungen der Gesamtvertragspartner verlassen dürfen, zumal die entsprechenden Vereinbarungen zu § 87b Abs 3 Satz 7 SGB V aF mangels Schiedsfähigkeit nicht durchsetzbar seien. Schließlich sei der eBewA berechtigt gewesen, für das Jahr 2010 auf der Grundlage von § 87 Abs 2f SGB V aF Zuschläge in der beschriebenen Weise festzulegen. Im Bescheid des BMG vom 13.5.2009 werde darauf hingewiesen, dass eine unbefristete Regelung zu regionalen Zuschlägen auf der Grundlage von § 87 Abs 2f SGB V aF getroffen werden könne und dass dem BewA auch die Befugnis zustehe, die für bestimmte Gebührenpositionen gemäß den gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008 zu zahlende Vergütung als Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur festzulegen. An dieser Rechtsauffassung des BMG habe sich der eBewA orientiert.

11

Die Beschlüsse stünden auch nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht. Der eBewA habe nicht gegen § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V verstoßen, denn die Partner der Gesamtverträge hätten weiterhin die Möglichkeit, Zuschläge nach dieser Norm zu vereinbaren; die Wahrnehmung dieser Ermächtigung habe keinen Beschluss des BewA nach § 87 Abs 2f SGB V aF zur Voraussetzung. Der Beklagte habe auch nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Vereinbarung und Zahlung der Gesamtvergütungen verstoßen. Durch die Einführung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung mit dem Übergang des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen habe sich die Bedeutung des Grundsatzes, dass die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung gezahlt werde, relativiert. Die Krankenkassen müssten nunmehr aufgrund der geänderten Rechtslage selbst entsprechende Rücklagen für Nachvergütungen vorhalten. Das BSG habe zudem bereits anerkannt, dass der Grundsatz der befreienden Wirkung nicht ausnahmslos gelte und die Notwendigkeit einer nachträglichen Anpassung der Gesamtvergütungen bestehen könne, wenn die Krankenkassen in Ausnahmefällen über ihre Spitzenverbände unmittelbaren Einfluss auf Vergütungsentscheidungen genommen hätten oder wenn das Vergütungsniveau einer Gruppe von Leistungserbringern maßgeblich durch für die einzelne Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) verbindliche Vorgaben des BewA beeinflusst werde. Eine solche Situation habe auch hier vorgelegen. Es sei eine Gruppe von Vertragsärzten betroffen, die Leistungen des ambulanten Operierens und belegärztliche Leistungen erbrächten. Diesen Vertragsärzten sei - unter Mitwirkung des Klägers - durch die Beschlüsse des eBewA vom 27./28.8.2008 ein erheblicher Anteil der Vergütung für diese Leistungen entzogen worden. Damit seien die für diese Leistungen zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungsanteile zu niedrig veranschlagt worden mit der Folge, dass diese auch nachträglich anzupassen seien.

12

Der Beklagte schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen an.

13

Die Beigeladene und der Beklagte beantragen übereinstimmend,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15.12.2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Die Entscheidung des LSG leide nicht unter einem Begründungsmangel. § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO sei nicht einschlägig, wenn das Gericht - wie vorliegend - in den Urteilsgründen einen Anspruch erörtert und lediglich davon abgesehen habe, eine von mehreren Anspruchsgrundlagen zu behandeln, die im Ergebnis nicht durchgriffen. § 87 Abs 2f SGB V aF komme als Rechtsgrundlage offensichtlich nicht in Betracht, da die Norm dem BewA lediglich die Aufgabe übertrage, Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten festzulegen. Die streitgegenständlichen Beschlüsse enthielten schon begrifflich keine Indikatoren im Sinne dieser Norm und träfen im Übrigen weit über die Festlegung eines Indikators hinausgehende Vorgaben. An der Festlegung von Indikatoren fehle es schon deshalb, weil die Vergütung für die erfassten Leistungen konkret und abschließend festgelegt worden sei. Zudem sei die Höhe der regionalen Vergütung auch inhaltlich kein Indikator für regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur. Es laufe dem gesetzlichen Ziel zuwider, nicht gerechtfertigte regionale Preisunterschiede abzubauen, wenn das regionale Preisniveau aus dem Jahr 2008 pauschal als Indikator für regionale Besonderheiten anzusehen sei, denn auf diese Weise würden die ungerechtfertigten regionalen Unterschiede nicht abgebaut, sondern perpetuiert.

16

Auch § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF sei als Rechtsgrundlage ungeeignet. § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF erlaube zwar, bestimmte Leistungen von der Geltung der RLV auszunehmen mit der Folge, dass sie nicht der Steuerungsfunktion der RLV unterlägen und die vorgesehene Abstaffelung keine Anwendung finde, doch seien die Leistungen gemäß § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF auf der Grundlage der regionalen Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Die in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF festgelegte Kompetenz des BewA, Vorgaben zu § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF zu beschließen, solle es ihm nach der Gesetzesbegründung ermöglichen, festzulegen, für welche Leistungen eine solche Ausnahme sinnvoll sei. Die angefochtenen Beschlüsse beschränkten sich jedoch nicht darauf, Vorgaben zu einer Vergütung von Leistungen außerhalb der RLV zu treffen, sondern sähen vielmehr leistungsbezogene regionale Punktwertzuschläge vor. Die streitgegenständlichen Beschlüsse seien auch nicht aus Sicherstellungsgründen erforderlich gewesen, sondern zur Vermeidung überproportionaler Honorarverluste.

17

§ 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF gelte nur für Rückstellungen, die bei den KÄVen aus den mit befreiender Wirkung gezahlten Gesamtvergütungen gebildet würden. Die für die betroffenen Leistungen zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungsanteile seien nicht zu niedrig veranschlagt worden, da diese Leistungen nach den Beschlüssen vom 27./28.8.2008 bzw 2.9.2009 ohnehin extrabudgetär, dh außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, zu vergüten gewesen seien. Die Möglichkeit, Zu- und Abschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren, stelle eine Kann-Bestimmung dar und sei daher nicht schiedsfähig. Den Gesamtvertragspartnern werde durch die angefochtenen Beschlüsse die Freiheit genommen, von der Vereinbarung von Zuschlägen abzusehen. Ein rechtlicher Hinweis des BMG stelle keine Weisung dar und könne auch kein schützenswertes Vertrauen begründen. Die nur auf einzelne Leistungen bezogenen Zuschläge zum Orientierungswert verstießen gegen § 87a Abs 2 Satz 2 bis 4 SGB V, da danach auf einzelne Leistungen bezogene Zuschläge nicht zulässig seien. Zudem verschiebe die Vereinbarung regionaler leistungsbezogener Zuschläge entgegen § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V das wertmäßige Verhältnis der mit Zuschlägen versehenen Leistungen zu den übrigen Leistungen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision der Beigeladenen ist nicht begründet. Das - nach § 29 Abs 4 Nr 1 SGG erstinstanzlich zuständige - LSG hat die Beschlüsse des Beklagten, soweit sie im Streit stehen, zu Recht aufgehoben. Der Beklagte war mangels einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung nicht berechtigt, diese Beschlüsse zu fassen.

19

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

20

a. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ist als eine der den BewA tragenden Organisationen befugt, Klage gegen dessen Beschlüsse zu erheben, da diese - ungeachtet der darin liegenden Normsetzung durch Vertrag (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 65) - gegenüber den an der Normsetzung beteiligten Institutionen als Verwaltungsakte ergehen (BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202). Dies gilt nicht allein für Beschlüsse des eBewA, die Regelungen zum einheitlichen Bewertungsmaßstab beinhalten, sondern für alle Entscheidungen des eBewA im Bereich der Normsetzung. Da die in § 87 Abs 4 SGB V vorgesehene Erweiterung des BewA um unparteiische Mitglieder und einen unparteiischen Vorsitzenden ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren darstellt, können die beteiligten Körperschaften - ebenso wie die an einem Schiedsverfahren nach § 89 SGB V Beteiligten Entscheidungen der Schiedsämter - die schiedsamtsähnlichen Entscheidungen des eBewA im Klagewege angreifen(BSG aaO).

21

Sachgerechte Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG. Die Klage ist gegen den eBewA zu richten (BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202). Dieser ist berechtigt, seine Beschlüsse im gerichtlichen Verfahren zu verteidigen und ist - als gemeinsames Entscheidungsgremium von Leistungserbringern und Krankenkassen - nach § 70 Nr 4 SGG beteiligtenfähig(BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 203; vgl auch BGHZ 150, 172, 179). Eines Vorverfahrens bedarf es wegen der mit einem Schiedsamt vergleichbaren Stellung des eBewA nicht.

22

b. Die Rüge der Beigeladenen, das Berufungsurteil leide an dem formellen Fehler unzureichender Entscheidungsgründe (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO), greift nicht durch. Zwar trifft der Vorhalt der Beigeladenen zu, dass das LSG als Rechtsgrundlage ausdrücklich nur § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF und nicht § 87 Abs 2f SGB V aF geprüft hat. Ein Urteil ist jedoch nicht als fehlerhaft aufzuheben, solange ungeachtet dessen noch eine Auseinandersetzung mit dem Kern des Vorbringens erkennbar sowie die Argumentation noch nachvollziehbar und verständlich ist (BSG MedR 2007, 614 = USK 2007-26). Dies ist vorliegend der Fall.

23

Das LSG hat - wie schon das Wort "insbesondere" verdeutlicht - in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF zwar die vorrangig in Frage kommende, jedoch nicht die alleinige Rechtsgrundlage gesehen. Auch hat es am Ende der Urteilsgründe Ausführungen zu § 87 Abs 2f SGB V aF gemacht, indem es dargelegt hat, dass der BewA bzw der eBewA den Gesamtvertragspartnern die Möglichkeit genommen habe, selbst Zuschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren, indem er gerade keine Indikatoren bestimmt habe; diese Ausführungen hat es mit dem Satz beschlossen, der eBewA habe ohne eine entsprechende Kompetenz "nach dem SGB V" selbst eine Entscheidung über Zuschläge getroffen. Damit hat es hinreichend deutlich gemacht, dass es diese Norm zwar gesehen, jedoch nicht ansatzweise als Rechtsgrundlage für geeignet angesehen hat.

24

2. In materieller Hinsicht hat das LSG zu Recht entschieden, dass die vom eBewA im Teil H Nr 5 Sätze 2, 5 und 6 seines Beschlusses vom 17.3.2009 (DÄ 2009, A 726) für das Jahr 2009 sowie im Teil C Nr 3.1 - Sätze 2 und 6 sowie Satz 5, soweit er die Vergütung nach Satz 2 aaO betrifft - seines Beschlusses vom 2.9.2009 (DÄ 2009, A 1907, 1913) für das Jahr 2010 beschlossenen Regelungen rechtswidrig und als Rechtsnormen daher nichtig sind.

25

Die Beschlüsse beinhalten inhaltlich gleichlautend

        

-       

eine Verpflichtung der Partner der Gesamtverträge, die Höhe der für besonders förderungswürdige Leistungen (belegärztliche Leistungen und ambulante Operationen) zu zahlenden Vergütung zu überprüfen und Zuschläge zum Regelfallpunktwert der Euro Gebührenordnung zu beschließen, wenn die für 2009 zu zahlende Vergütung die für 2008 zu zahlende Vergütung unterschreitet,

        

-       

die Vorgabe, dass die Vergütung der so vereinbarten Zuschläge aus den Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste erfolgt,

        

-       

die Verpflichtung "der betroffenen Krankenkassen", die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung und diese Rückstellungen zweckgebunden fortlaufend um das Vergütungsvolumen der vereinbarten Zuschläge zusätzlich zu erhöhen.

Zum Erlass dieser Regelungen war der eBewA jedoch nicht befugt, da es insoweit an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung fehlt.

26

a. Die generelle Befugnis des BewA (bzw des eBewA) zum Erlass des Bewertungsmaßstabs (§ 87 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 SGB V)scheidet als Ermächtigungsgrundlage von vornherein aus. Die strittigen Regelungen - insbesondere die Vorgabe einer Nachschusspflicht der Krankenkassen - bewegen sich so weit außerhalb der nach der gesetzlichen Systematik dem BewA in Abgrenzung zu den Kompetenzen der Gesamtvertragspartner zugewiesenen Aufgaben, dass er hierfür einer ausdrücklichen gesonderten gesetzlichen Ermächtigung bedarf.

27

Das Gesetz hat dem BewA durch § 87 SGB V bestimmte originäre Aufgaben übertragen und sie damit der - ansonsten nach § 82 SGB V bestehenden - Zuständigkeit der Bundesmantelvertragspartner entzogen; ihm kommt mithin ein spezieller Aufgabenbereich zu (BSG Beschluss vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/08 B - juris RdNr 11). Schon dieser "spezielle" Aufgabenbereich des BewA lässt es nicht zu, in § 87 SGB V eine Art Generalermächtigung zur Regelung vertragsärztlicher Vergütungstatbestände auf Bundesebene zu sehen. Im Übrigen ließe selbst bei Vorliegen einer Generalermächtigung - wie dies das BSG zu § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V für den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) angenommen hat - die Verteilung der Normsetzungskompetenzen im Vertragsarztrecht nicht zu, dass ein Normgeber Regelungen zu Gegenständen der vertragsärztlichen Versorgung trifft, die gesetzlich anderen Normgebern zugewiesen sind(vgl BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 37 - zum GBA).

28

Eine Normsetzungskompetenz des eBewA kann auch nicht ("originär") aus dem ihm grundsätzlich zustehenden weiten Gestaltungsspielraum (vgl hierzu BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26 ua)hergeleitet werden. Zwar ist dem BewA - wie auch dem eBewA - bei der Konkretisierung des Inhalts gesetzlicher Regelungen Gestaltungsfreiheit eingeräumt, wie dies der Senat für die Konkretisierungen nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V aF entschieden hat(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27). Diese Gestaltungsfreiheit ist jedoch durch den Umfang der dem BewA gesetzlich eingeräumten Kompetenzen begrenzt, da ein Gestaltungsspielraum untergesetzlicher Normgeber nur innerhalb der ihnen erteilten Normsetzungsermächtigung besteht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 30).

29

b. Der eBewA kann sich bezüglich der strittigen Regelungen auch nicht auf spezielle gesetzliche Ermächtigungen berufen; die Regelungen sind weder durch § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF(s hierzu aa) noch - für das Jahr 2010 - durch § 87 Abs 2f SGB V aF(s hierzu bb) gedeckt.

30

aa. § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V(in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung) kommt als Rechtsgrundlage für die strittigen Regelungen nicht in Betracht.

31

§ 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF gehört systematisch zu den Regelungen über die Vergütung der Ärzte durch arzt- und praxisbezogene RLV, und dort zu den in Abs 4 aaO aF geregelten Aufgaben des BewA. Nach § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V aF hatte der BewA zum einen Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Abs 2 Satz 3, 6 und 7 SGB V aF zu bestimmen(§ 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V aF), dh einerseits zur Abstaffelung der Preise bei einer das RLV überschreitenden Leistungsmenge (Abs 2 Satz 3 aaO), andererseits zu den außerhalb der RLV zu vergütenden Leistungen, zu denen obligatorisch die psychotherapeutischen Leistungen (Abs 2 Satz 6 aaO) sowie fakultativ weitere Leistungen gehören (Abs 2 Satz 7 aaO). Zum anderen hatte er gemäß § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V aF Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF zu bestimmen.

32

Diese Vorschriften ermächtigen den eBewA weder dazu, die Partner der Gesamtverträge zu verpflichten, Zuschläge auf die Orientierungswerte gemäß § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF für bestimmte besonders förderungswürdige Leistungen zu vereinbaren(dazu <(1)>), noch dazu, die Finanzierung der Zuschläge aus Rückstellungen vorzugeben (dazu <(2)>). Erst recht berechtigen sie ihn nicht dazu, die "betroffenen Krankenkassen" zu verpflichten, die Gesamtvergütungen zum Zwecke der Auffüllung der Rückstellungen und damit zur Finanzierung der Zuschläge zu erhöhen (hierzu <(3)>).

33

(1) Der eBewA war nicht berechtigt, den regionalen Vertragspartnern die Vereinbarung von Zuschlägen auf die Orientierungswerte für besonders förderungswürdige Leistungen verpflichtend vorzugeben. Die Verpflichtung zur Vereinbarung von Zuschlägen stellt keine zulässige "Vorgabe" zur Umsetzung von § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF dar(s <(a)>). Der eBewA ist - auch in seiner Eigenschaft als "Schiedsorgan" - nicht berechtigt, die regionalen Vertragspartner zum Abschluss einer (fakultativen) Vereinbarung zu verpflichten (dazu <(b)>).

34

Nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF können die KÄV und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bei der Festlegung der Punktwerte einen Zuschlag auf die oder einen Abschlag von den Orientierungswerten gemäß § 87 Abs 2e Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB V aF(nF: von dem Orientierungswert nach § 87 Abs 2e SGB V)vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die Vertragspartner hatten dabei gemäß dem hier maßgeblichen, bis zum 31.12.2011 geltenden Recht (§ 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF) zwingend die Vorgaben des BewA gemäß § 87 Abs 2f SGB V aF anzuwenden, um eine bundeseinheitliche Anwendung dieser Regelung sicherzustellen(FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129). Sowohl § 87 Abs 2f SGB V aF als auch § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF sind durch das GKV-Versorgungstrukturgesetz aufgehoben worden. Die Aufhebung des § 87 Abs 2f SGB V aF dient der Stärkung der regionalen Kompetenzen bei den Vereinbarungen(RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 61 zu § 87 Abs 2f SGB V aF); die Aufhebung des § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF ist eine Folgeänderung zur Aufhebung des § 87 Abs 2f SGB V aF(RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 62 zu § 87a Buchst b Doppelbuchst cc ).

35

(a) Bereits nach dem Wortlaut des § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF haben die regionalen Vertragspartner bei der Vereinbarung von Zuschlägen (nur) die Vorgaben des BewA "gemäß § 87 Abs 2f SGB V" (aF) - also die Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten - anzuwenden. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass für die Vereinbarung von Zuschlägen auch die Vorgaben nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF relevant werden könnten, hätte es nahegelegen, auch diese Norm mit aufzuführen.

36

Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die regionalen Vertragspartner alle (wirksamen) Vorgaben des (e)BewA zu beachten haben, handelt es sich bei der Verpflichtung zur Vereinbarung von Zuschlägen für besonders förderungswürdige Leistungen nicht um "Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Abs 2 S 7 SGB V" (aF). Der Begriff "Vorgaben" (Duden: "Richtlinie") ist prinzipiell sehr weit und ermöglicht insbesondere auch Detailregelungen (Engelhard in Hauck/Noftz, Stand Mai 2012, SGB V, K § 87b RdNr 67). Allerdings kann daraus, dass das Gesetz in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF den Begriff "Vorgaben", an anderer Stelle(§ 84 Abs 7 Satz 1 SGB V) hingegen den Begriff "Rahmenvorgaben" verwendet, nicht generell abgeleitet werden, dass der dem (e)BewA durch § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF eingeräumte Gestaltungsspielraum besonders weit ist. Denn welches Maß an Gestaltungsfreiheit dem BewA zukommt, ist nach der Wesensart der Ermächtigungsvorschrift und der ihr zugrunde liegenden Zielsetzung zu bestimmen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 28 unter Hinweis auf BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21).

37

Im Rahmen einer "Vorgabe" ist der (e)BewA berechtigt, insoweit konkrete Regelungen zu treffen, als er einzelne Leistungen bezeichnet, die er als in jedem Fall förderungswürdig ansieht (in diesem Sinne Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand März 2012, § 87b SGB V RdNr 11). Insoweit wird der Rahmen der "Vorgaben" jedenfalls dann noch nicht verlassen, sofern damit lediglich festgelegt wird, welche Leistungen für eine entsprechende vertragliche Vereinbarung in Frage kommen, aber keine Verpflichtung der Vertragspartner verbunden ist, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Ob eine verbindliche Vorgabe mit § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V kompatibel wäre, welcher die Entscheidung darüber, ob überhaupt und welche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden sollen, in das Ermessen ("können") der Gesamtvertragspartner stellt, kann hier offenbleiben. Zu beachten ist allerdings, dass die regionalen Vertragspartner bei ihrer - mit einer Vergütung der Leistungen außerhalb der RLV in engem Zusammenhang stehenden - Entscheidung, ob und für welche Leistungen sie eine Vergütung außerhalb der Gesamtvergütungen vereinbaren wollen (§ 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V), an keinerlei Vorgaben des BewA gebunden sind. Wenn die regionalen Vertragspartner keine Vereinbarung über die extrabudgetäre Vergütung einer bestimmten Leistung treffen, geht eine Vorgabe des BewA, diese Leistung außerhalb der RLV zu vergüten, weitgehend ins Leere.

38

Inhaltlich stehen die Vorgaben des eBewA jedenfalls nicht mit der Ermächtigungsvorschrift in Einklang. § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF bestimmt, dass weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden können, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist. Nach dem Sachzusammenhang liegt es nahe, dass sich die Vorgaben des BewA nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF auf die Kriterien beziehen, anhand derer sich bestimmen lässt, welche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden sollen, etwa auf die Anforderungen an eine besondere Förderungswürdigkeit einer Leistung oder auf die Erforderlichkeit einer extrabudgetären Vergütung; dies schließt - wie dargelegt - auch das Recht ein, konkrete Leistungen zu benennen. Derartige Regelungen enthält der Beschluss des eBewA jedoch nicht. Dieser hat weder derartige Kriterien benannt noch bestimmt, dass die in Rede stehenden Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten sind, sondern dass ihre Vergütung exakt dem Niveau des Jahres 2008 zu entsprechen hat, ganz unabhängig davon, wie sich die Vergütung der einzelnen Arztgruppen nach der Neuausrichtung des Vergütungssystems zum 1.1.2009 darstellt.

39

Verbindliche Festlegungen zur Höhe der für diese Leistungen gezahlten Vergütung sind - selbst wenn der BewA berechtigt wäre, die außerhalb der RLV zu vergütenden Leistungen verbindlich vorzugeben - keine "Vorgaben" an die Vertragspartner zur Vergütung von Leistungen außerhalb der RLV. Dass zu diesen Vorgaben auch die Festsetzung der für diese Leistungen zu zahlenden Vergütung gehört, ist schon deswegen eher fernliegend, weil das Gesetz selbst hierzu Regelungen enthält. Denn jedenfalls dann, wenn die besonders zu fördernden Leistungen zugleich außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden, sind diese Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten (vgl § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V). Insbesondere aber gilt, dass selbst dann, wenn der (e)BewA verbindliche Vorgaben zur Höhe der Vergütung für die außerhalb der RLV vergüteten Leistungen machen dürfte, dies lediglich die Ebene des § 87b SGB V aF und damit die Ebene der Honorarverteilung betreffen könnte. Demgegenüber handelt es sich bei der Frage, ob Zuschläge auf den Orientierungswert gezahlt werden, um eine Regelung, die die Ebene der (Gesamt-)Vergütung nach § 87a SGB V betrifft. Zu diesem Regelungsbereich darf der (e)BewA jedoch - unabhängig von der Auslegung des § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF - keinerlei Vorgaben machen, da das Gesetz solche für eine Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung gerade nicht vorsieht.

40

(b) Darüber hinaus ist der eBewA nicht berechtigt, den Inhalt der Vereinbarung festzusetzen, wenn die regionalen Vertragspartner über die Vereinbarung von Zuschlägen keine Einigung erzielt haben. Eine entsprechende Kompetenz steht ihm - auch in seiner Eigenschaft als "Schiedsorgan" - nicht zu.

41

(aa) Dass die Berechtigung des eBewA, Vorgaben zu bestimmten Regelungen zu machen, nicht auch das Recht umfasst, die Vereinbarung von Zuschlägen verpflichtend vorzugeben, ergibt sich bereits daraus, dass der eBewA andernfalls in die gesetzlich bestimmten Kompetenzen der Partner der Gesamtverträge bzw der Landesschiedsämter nach § 89 SGB V eingreifen würde. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ermächtigt die regionalen Vertragspartner zur Vereinbarung von Zuschlägen, gibt deren Vereinbarung aber nicht verpflichtend vor. Nach der Rechtsprechung des Senats hat eine Vertragspartei zwar auch bei fakultativen Vergütungsregelungen grundsätzlich die rechtliche Möglichkeit, das Schiedsamt anzurufen (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 27, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen); dies gilt auch für Vereinbarungen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V. Die Festsetzung solcher Zuschläge wäre jedoch Aufgabe der jeweiligen Schiedsämter auf Landesebene, nicht des allein auf Bundesebene tätigen eBewA.

42

(bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der besonderen Funktion des eBewA als Schiedsorgan.

43

Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich sowohl beim "einfachen" wie auch beim eBewA um ein "Vertragsorgan" (stRspr des BSG: BSGE 73, 131, 133 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 20; BSGE 90, 61, 64 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 203; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 65; BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 26); das Handeln der Bewertungsausschüsse wird den Partnern der Bundesmantelverträge als eigenes zugerechnet (BSGE 89, 259, 263 = SozR 3-2500 § 87 Nr 34 S 191; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 RdNr 65). Dass der Bewertungsmaßstab bzw die sonstigen vom Bewertungsausschuss zu treffenden Entscheidungen ggf in einem schiedsamtsähnlichen Verfahren durch den eBewA festgesetzt wird, ändert nichts daran, dass es sich dabei um vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der KÄBV handelt (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66). Die in § 87 Abs 4 SGB V vorgesehene Erweiterung des BewA um unparteiische Mitglieder und einen unparteiischen Vorsitzenden stellt ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren dar(BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66, 75). Der eBewA tritt dabei an die Stelle des ansonsten bei Nichtzustandekommen von Verträgen über die vertragsärztliche Versorgung auf Bundesebene zuständigen Schiedsamtes nach § 89 Abs 4 SGB V, dessen Funktionen er insoweit wahrnimmt(BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202 f; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66, 75).

44

Weder aus seinem Charakter als Vertragsorgan noch aus der schiedsamtsähnlichen Funktion des eBewA kann jedoch dessen Berechtigung abgeleitet werden, den regionalen Vertragspartnern den Abschluss von solchen Vereinbarungen vorzuschreiben, die nach der gesetzlichen Verteilung der Normsetzungskompetenzen allein in deren Zuständigkeit fallen. Der Regelungsspielraum des eBewA ist auf die Materie beschränkt, die auch der BewA einvernehmlich regeln könnte. Das Gesetz hat dem BewA bestimmte originäre Aufgaben übertragen; er hat einen "speziellen Aufgabenbereich" (vgl BSG Beschluss vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/08 B - juris RdNr 11). Darüber hinausgehende Gestaltungsmacht steht ihm nicht zu. Aus seinem Charakter als "Vertragsorgan" ergibt sich nichts anderes. Diese Bezeichnung umschreibt lediglich die Funktion des BewA innerhalb der ihm übertragenen Aufgaben. Selbst dann, wenn man - unter Umgehung der Kompetenzen des Bundesschiedsamtes - dem eBewA dieselbe Gestaltungsmacht wie den ihn tragenden Organisationen - also den Bundesmantelvertragspartnern KÄBV und Spitzenverband Bund der Krankenkassen - einräumen würde, er also (grundsätzlich) das regeln könnte, was auch diese Vertragspartner regeln dürften, besäße er ebenso wenig wie diese die Kompetenz, Materien zu regeln, die nach der gesetzlich vorgegebenen Aufgabenverteilung ausschließlich den regionalen Vertragspartnern zugewiesen worden sind.

45

(2) Mangels entsprechender gesetzlicher Ermächtigung durfte der eBewA auch nicht vorgeben, dass die Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF gebildeten Rückstellungen zu finanzieren sind. Die in § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V aF enthaltene Ermächtigung des BewA, Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen zu bestimmen, trägt dies nicht.

46

(a) Gemäß § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF können Anteile der Vergütungssumme nach § 87b Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB V aF - dh der nach § 87a Abs 3 SGB V insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen - für die Bildung von Rückstellungen verwendet werden. Die Norm richtet sich allein an die KÄVen, von denen die Rückstellungen zu bilden sind. Der Annahme, dass auch die Krankenkassen zur Bildung von Rückstellungen verpflichtet werden sollten, steht schon entgegen, dass die Rückstellungen - wie sich eindeutig aus dem Gesetz ergibt - aus Anteilen der von ihnen zu zahlenden Gesamtvergütungen zu bilden sind.

47

In die sich aus § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF ergebenden Kompetenzen der KÄVen greift der eBewA - ohne hierzu ermächtigt zu sein - ein, wenn er vorgibt, dass die Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den Rückstellungen zu finanzieren sind. Zum einen steht es den KÄVen (grundsätzlich) frei, ob sie überhaupt Rückstellungen bilden, wie sich schon daraus ergibt, dass nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF Anteile der Gesamtvergütungen zur Bildung von Rückstellungen verwendet werden "können". Das Gesetz enthält also keine zwingende Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen, sondern räumt dem Normunterworfenen ein (Handlungs-)Ermessen ein. Die Entscheidung hierüber kann nicht von einem Dritten - dem eBewA - vorgegeben werden. Zum anderen entscheiden auch über die Verwendung der Rücklagen grundsätzlich allein die KÄVen (in diesem Sinne auch Rompf in Liebold-Zalewski, Kassenarztrecht, Stand Mai 2012, § 87b SGB V RdNr C 87b-16), da dies Teil ihrer Honorarverteilungsautonomie ist. Ob insoweit nach dem bis zum 31.12.2011 geltenden Recht ein Mitentscheidungsrecht der in die Regelung der Honorarverteilung eingebundenen Krankenkassen bestand, bedarf hier keiner Entscheidung.

48

(b) Eine rechtliche Grundlage für die Verpflichtung, die Zuschläge aus den Rückstellungen zu finanzieren, ergibt sich auch nicht daraus, dass der (e)BewA gemäß § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V aF Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen zu bestimmen hat.

49

(aa) Dem steht schon entgegen, dass dem eBewA insoweit - abweichend von den übrigen Regelungen ("Vorgaben") - lediglich die Bestimmung von "Grundsätzen" übertragen worden ist. Auch in der Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/4247 S 43 zu § 87b Abs 4)wird ausdrücklich betont, dass "die Vorgaben" des BewA insoweit "auf Grundsätze beschränkt" bleiben. Damit obliegt es ihm allein, einen allgemeinen rechtlichen Rahmen für die Bildung von Rückstellungen vorzugeben. Der BewA kann zur Bildung angemessener Rückstellungen anregen und Hinweise für eine sachgerechte Ausrichtung eines Rückstellungsfonds geben; er darf aber weder den Umfang der zu bildenden Rückstellungen noch deren Verwendung im Einzelnen vorgeben. Dieser Rahmen wird durch die strittige Regelung überschritten.

50

(bb) Auch inhaltlich hat der eBewA den Rahmen von "Grundsätzen zu Rückstellungen" verlassen, wenn er vorgibt, gerade die Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den Rückstellungen zu finanzieren. Zum einen hat der eBewA im Ergebnis überhaupt keine Regelung zur Bildung bzw zur Verwendung der Rückstellungen getroffen, weil er zugleich vorgeschrieben hat, dass die Gesamtvergütungen zur Auffüllung der Rückstellungen und damit zur (endgültigen) Finanzierung der Zuschläge entsprechend zu erhöhen sind. Für den Rückstellungsfonds bilden die Zuschläge damit lediglich einen "durchlaufenden Posten"; die Finanzierung der Zuschläge über die Rückstellungen erweist sich als ein Umweg zur Erreichung des Ziels höherer Zahlungen der Krankenkassen für bestimmte belegärztliche und operative Leistungen.

51

Zum anderen betrifft § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF die Bildung von Rückstellungen aus "Anteile(n) der Vergütungssumme nach Satz 2 Nr 1", also aus Anteilen an den vereinbarten Gesamtvergütungen. Es wäre kaum nachvollziehbar, Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den Gesamtvergütungen bzw aus daraus gebildeten Rückstellungen zu finanzieren, weil die Vergütung dieser Leistungen gerade außerhalb der Gesamtvergütungen erfolgt. Es würden also Mittel zur Finanzierung der Zuschläge herangezogen, die überhaupt nicht zur Vergütung der hiervon betroffenen Leistungen gezahlt worden sind.

52

Der eBewA hat nicht nur bestimmt, dass belegärztliche Leistungen sowie Leistungen des ambulanten Operierens außerhalb der RLV vergütet werden (vgl Teil F Nr 2.2 iVm Teil B Nr 1.3 Nr 1 iVm Teil A Nr 1.2 Nr 3 und 4 des Beschlusses vom 27./28.8.2008, DÄ 2008, A 1988, 1989, 1992), sondern zugleich geregelt, dass ua belegärztliche Leistungen sowie Leistungen des ambulanten Operierens bei der Ermittlung des für die Bestimmung des Orientierungswertes maßgeblichen Finanzvolumens unberücksichtigt bleiben (Teil A Nr 1.2 Nr 3 und 4 aaO). Damit hat er berücksichtigt, dass die betroffenen Leistungen zugleich auch außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden. Auch wenn das bis zum 31.12.2008 geltende Recht keine § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V in der ab 2009 geltenden Fassung entsprechende Regelung enthielt, entsprach es auch zuvor gerade für die vorliegend in Rede stehenden Leistungen gängiger Praxis, dass die regionalen Vertragspartner für Leistungen, die besonders gefördert werden sollen, eine Vergütung außerhalb der Gesamtvergütungen vereinbart hatten.

53

Bezüglich der belegärztlichen Leistungen gab es hierzu eine "Bundesempfehlung gemäß § 86 SGB V der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Finanzierung der Einführung eines Kapitels für belegärztliche Leistungen (Kapitel 36) in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM)", die mit Wirkung vom 1.4.2007 getroffen wurde (bekanntgemacht als CD-Beilage zu DÄ 2007 Heft 12, vgl DÄ 2007, A 806). Diese sah unter Ziff 2 Satz 1 vor, dass eine Finanzierung der belegärztlichen Leistungen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung auf der Grundlage fester, angemessener Punktwerte erfolgt.

54

Dass der eBewA davon ausgeht, dass die in Rede stehenden Leistungen nicht allein außerhalb der RLV, sondern auch außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden, ergibt sich auch aus Teil C Ziff 3.1 Satz 5 seines Beschlusses vom 2.9.2009 (DÄ 2009, A 1913), in dem er - insoweit abweichend von seinem vorangegangenen Beschluss - ausdrücklich bestimmt hat, dass die Vergütung der nach Satz 2 bis 4 vereinbarten Zuschläge "für außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung finanzierten Leistungen" aus den Rückstellungen erfolgt. Auch der Senat ist in seinem Urteil vom 21.3.2012 (B 6 KA 21/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) davon ausgegangen, dass der eBewA mit seinen Vorgaben zur Ermittlung des Finanzvolumens und der Leistungsmenge zugleich auch - wenn auch nicht abschließend - die Leistungen benannt hat, die außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet werden (aaO RdNr 25, 26).

55

(3) Schließlich fehlt dem eBewA eine gesetzliche Grundlage dafür, die Krankenkassen zu verpflichten, zur Finanzierung der Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen die morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen zu erhöhen, indem die Rückstellungen aufgefüllt werden.

56

(a) Soweit der eBewA die Krankenkassen damit (auch) zur Erhöhung "dieser Rückstellungen" - dh zum Ausgleich der für die Finanzierung der Zuschläge entnommenen Teile der Rückstellungen - verpflichtet hat, ist dies schon deshalb nicht gesetzeskonform, weil die Bildung der Rückstellungen nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF (wie auch deren Auffüllung) nicht in den Aufgabenbereich der Krankenkassen fällt, sondern allein den KÄVen obliegt.

57

(b) Der Verpflichtung, zur Finanzierung der Zuschläge die Gesamtvergütungen zu erhöhen, steht entgegen, dass die in Rede stehenden Leistungen gerade nicht aus den Gesamtvergütungen vergütet werden. Das Gesetz selbst enthält keine Bestimmungen dazu, wie die nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V vereinbarten Zuschläge zu finanzieren sind. Dies legt nahe, dass ihre Finanzierung sich nach denjenigen Regelungen richtet, die für die Leistungen gelten, für die die Zuschläge gezahlt werden; mithin erfolgt die Finanzierung im Regelfall aus den Gesamtvergütungen, bei extrabudgetär vergüteten Leistungen aus den dazu vereinbarten Beträgen. Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die Finanzierung der Zuschläge nicht aus den Mitteln erfolgen sollte, die gemäß den gesetzlichen Bestimmungen von den Krankenkassen zur Vergütung der betreffenden Leistungen zu zahlen sind, hätte er dies ausdrücklich regeln können und müssen. Da die in Rede stehenden Leistungen - wie dargestellt (s unter RdNr 52 ff) - aus den hierfür außerhalb der Gesamtvergütungen entrichteten Zahlungen der Krankenkassen vergütet werden, folgt daraus, dass auch etwaige Zuschläge für diese Leistungen aus den extrabudgetären Zahlungen zu finanzieren sind. Daher geht auch das Argument fehl, dass eine "Nachschusspflicht" der Krankenkassen zur Finanzierung der Zuschläge schon deswegen erforderlich sei, um weitere Honorarverwerfungen zu Lasten der übrigen Vertragsärzte zu vermeiden.

58

(c) Zudem widerspricht die Verpflichtung "der Krankenkassen", (nachträglich) höhere Gesamtvergütungen zu leisten, den für die Vereinbarung und Entrichtung der Gesamtvergütungen maßgeblichen Grundsätzen.

59

§ 87a Abs 3 Satz 1 SGB V verpflichtet die regionalen Vertragspartner, die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die KÄV zu zahlenden (morbiditätsbedingten) Gesamtvergütungen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV zu vereinbaren. Damit werden insoweit die klassischen Elemente des bisherigen Vergütungsrechts übernommen, nämlich die Vereinbarung einer die Gesamtheit der vertragsärztlichen Leistungen abgeltenden Vergütung, die befreiende Wirkung der Zahlung sowie die Geltung des Wohnortprinzips (Engelhard in Hauck/Noftz, Stand Mai 2012, SGB V, K § 87a RdNr 24). Die Regelung entspricht inhaltlich weitgehend § 85 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V. Mit diesen gesetzlichen Vorgaben ist eine Verpflichtung der Krankenkassen zu einer nachträglichen Erhöhung der Gesamtvergütungen nicht vereinbar (s unter ); erst recht gilt dies für entsprechende Vorgaben durch die Normgeber auf Bundesebene (s unter ).

60

(aa) Eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütungen sieht das Gesetz - grundsätzlich - nicht vor; die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nicht einschlägig.

61

Die Gesamtvergütung ist nach der gesetzlichen Definition des § 85 Abs 2 Satz 2 SGB V das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen. Sie ist als die Summe der Vergütungen zu verstehen, die eine Krankenkasse für sämtliche zur vertragsärztlichen Versorgung gehörenden Leistungen zu entrichten hat, die in einem Kalendervierteljahr von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden zugelassenen Ärzten (einschließlich der Psychotherapeuten) und zugelassenen medizinischen Versorgungszentren, ermächtigten Ärzten und ermächtigten Einrichtungen und in Notfällen auch von sonst nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen im Geltungsbereich des SGB V erbracht wurden. Der Begriff "Gesamtvergütung" stellt klar, dass die Krankenkassen mit dieser Vergütung die Gesamtheit der von den KÄVen gemäß § 75 Abs 1 SGB V sicherzustellenden vertragsärztlichen Versorgung abgelten(vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 40 S 323; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 25). Eine Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung ist nur zulässig, soweit dies das Gesetz ausdrücklich vorsieht (Engelhard in Hauck/Noftz, Stand Mai 2012, SGB V, K § 87a RdNr 25).

62

Ungeachtet dessen, dass bereits der Begriff "Gesamtvergütung" diese Konsequenz nahelegt, ist im Gesetz zudem ausdrücklich bestimmt, dass die Zahlung der Gesamtvergütung "mit befreiender Wirkung" erfolgt (vgl § 85 Abs 1 SGB V, § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V). Damit ist klargestellt, dass mit der Zahlung der Gesamtvergütung (grundsätzlich) alle Vergütungsansprüche aus den im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen für den jeweiligen Vergütungszeitraum abgegolten sind und die Krankenkasse von ihren finanziellen Lasten für die vertragsärztliche Versorgung befreit wird (s schon BSGE 19, 270, 272 = SozR Nr 2 zu § 368 d RVO, S Aa4). Daraus folgt, dass Nachforderungen der KÄVen, etwa im Hinblick auf einen Anstieg der Leistungsmenge oder der zugelassenen Ärzte, regelmäßig ausgeschlossen sind (stRspr des BSG, vgl BSGE 80, 48, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 123; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 120; BSGE 95, 141 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2, RdNr 23), weil die Krankenkassen ihrerseits von den Versicherten nachträglich keine höheren Beiträge einziehen können (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 30 S 228/229)und daher Nachforderungen von einem anders zusammengesetzten Versichertenkollektiv zu finanzieren wären (BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 17). Diese Befreiungswirkung ist ein zentrales und unverzichtbares Element des (gegenwärtigen) vertragsärztlichen Vergütungssystems (BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 17).

63

Daran hat sich - soweit vorliegend relevant - auch unter der Geltung des neuen Vergütungssystems nichts geändert. Zwar sieht § 87a Abs 3a Satz 4 SGB V die nachträgliche Berücksichtigung von Veränderungen bei der Zahl der Versicherten vor; zudem führt der Übergang des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen dazu, dass Leistungen nachträglich zu vergüten sind, die über den vereinbarten Behandlungsbedarf hinausgehen, sofern sie sich aus einem unvorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs ergeben. Auch der letztgenannte Gesichtspunkt ist jedoch nicht geeignet, die vom eBewA vorgegebene nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütungen zu rechtfertigen. Dies würde - neben der Frage der Vorhersehbarkeit - zunächst voraussetzen, dass überhaupt ein (medizinisch begründeter) Anstieg des Behandlungsbedarfs gegeben war. Schon hieran fehlt es. Ein derartiger Anstieg lag weder vor noch war ein solcher Veranlassung für die (strittige) Beschlussfassung des eBewA; diesem ging es vielmehr allein darum, die Vergütung der ohnehin erbrachten Leistungen zu erhöhen. Eine Aufrechterhaltung des bisherigen Vergütungsniveaus der Vertragsärzte sieht das Gesetz als Grund für nachträgliche Erhöhungen jedoch nicht vor.

64

Schließlich liegt auch keine Ausnahme vor, wie sie der Senat in seinem Urteil vom 28.1.2004 (B 6 KA 52/03 R - BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 35)für bestimmte psychotherapeutische Leistungen angenommen hat. Dort hat er ausgeführt, dass "in der hier bestehenden besonderen Konstellation, dass nämlich das Vergütungsniveau einer Gruppe von Leistungserbringern maßgeblich durch für die einzelne KÄV verbindliche Vorgaben des Bewertungsausschusses beeinflusst" werde, auch die Notwendigkeit einer Anpassung der Gesamtvergütungen bestehen könne. Die Partner der Gesamtverträge müssten berücksichtigen, dass die auf der Grundlage eines nunmehr als rechtswidrig erkannten Beschlusses des BewA zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungsanteile zu niedrig veranschlagt worden seien. Auf der Basis einer geänderten Rechtsgrundlage, wie sie vom BewA zu schaffen sei, könne sich die Notwendigkeit ergeben, auch die Höhe der Gesamtvergütung zu modifizieren.

65

Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass bezüglich des Beschlusses des eBewA vom 27./28.8.2008 eine vergleichbare Situation vorliegt. Nachschusspflichten der Krankenkassen - außerhalb der im Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle - müssen auf besondere Ausnahmesituationen beschränkt bleiben (vgl BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 17: "Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen …"). Die vom BSG für eine ausnahmsweise Abweichung aufgezeigten Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Beschluss des eBewA weder die vom BSG beschriebenen Folgen hatte noch überhaupt rechtswidrig war.

66

Dass aufgrund des Beschlusses des eBewA vom 27./28.8.2008, dessen Folgen nach dem Vortrag der Beigeladenen korrigiert werden sollten, die zur Verfügung gestellten "Gesamtvergütungsanteile" zu niedrig veranschlagt worden sind, trifft schon deswegen nicht zu, weil die belegärztlichen Leistungen und die Leistungen des ambulanten Operierens außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden und deshalb bei der Ermittlung des für die Bestimmung des Orientierungswerts maßgeblichen Finanzvolumens außer Betracht gelassen wurden (vgl Teil A Nr 1.2 des Beschlusses des eBewA vom 27./28.8.2008, DÄ 2008, A 1988). Soweit es ab dem Jahr 2009 in bestimmten KÄV-Bezirken zu geringeren Zahlungen der Krankenkassen für die betreffenden Leistungen gekommen sein sollte, wäre dies darauf zurückzuführen, dass die Preise der Euro-Gebührenordnung niedriger sind als die sich im Jahr 2008 aus den Punktzahlen des EBM-Ä und dem vertraglich vereinbarten Punktwert ergebende Vergütung. Dies ist aber keine Folge des Beschlusses des eBewA, sondern der gesetzlichen Vorgabe, dass auch die Vergütung der extrabudgetären Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu erfolgen hat (§ 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V). Darüber hinaus war der Beschluss des eBewA vom 27./28.8.2008 - in Bezug auf die Vergütung besonders förderungswürdiger Leistungen - nicht rechtswidrig, sondern entsprach sowohl inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben als auch in seiner Wirkung der vom Gesetzgeber angestrebten und vorgegebenen (grundsätzlichen) Nivellierung von Vergütungsunterschieden zwischen den KÄV-Bezirken.

67

(bb) Im Übrigen resultierte selbst dann, wenn in der Sache eine ausnahmsweise Verpflichtung der Krankenkassen zur nachträglichen Erhöhung der Gesamtvergütungen bestünde, hieraus nicht das Recht des eBewA, "den Krankenkassen" eine entsprechende Erhöhung vorzugeben. Die Vorgabe des eBewA stellt zum einen einen Eingriff in die Kompetenz und die Autonomie der regionalen Gesamtvertragspartner dar, denn nach den gesetzlichen Vorgaben steht allein ihnen - nicht den Vertragspartner bzw Normgebern auf Bundesebene - das Recht zu, die Höhe der Gesamtvergütungen zu vereinbaren. Daran hat sich im Kern auch dadurch nichts geändert, dass die Höhe der Gesamtvergütungen nicht mehr - unter Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität - "frei" ausgehandelt werden kann, sondern sich (weitgehend) aus den Vorgaben des Gesetzes und - jedenfalls in der Zeit zwischen 2009 bis Ende 2011 - des BewA (vgl § 87a Abs 5 SGB V aF)ergibt, denn ungeachtet dessen sieht das Gesetz weiterhin eine "Vereinbarung" der Gesamtvergütung vor (vgl § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V).

68

Zum anderen gilt (weiterhin) die gesetzliche Vorgabe, dass die "Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen" durch Gesamtverträge geregelt werden (§ 82 Abs 2 Satz 1 SGB V) und die Gesamtvergütungen "nach Maßgabe der Gesamtverträge" entrichtet werden (§ 85 Abs 1 SGB V). Auch für den vertragsärztlichen Bereich hat sich durch § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V hieran nichts geändert. Die vertragliche Vereinbarung in der normativen Form einer gesamtvertraglichen Regelung ist Rechtsgrundlage für die Zahlung der Gesamtvergütung. Bestünde - materiell-rechtlich - eine Nachschusspflicht der Krankenkassen, hätte die KÄV Anspruch auf eine Änderung der Gesamtvergütungsvereinbarung und könnte dies ggf über das Schiedsamt oder gerichtlich durchsetzen.

69

bb. Eine rechtliche Grundlage für die strittigen Vorgaben in den Beschlüssen des eBewA vom 17.3. und 2.9.2009 ergibt sich auch nicht aus § 87 Abs 2f SGB V aF.

70

§ 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF verpflichtete den BewA, jährlich Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V festzulegen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten nach § 87 Abs 2e Satz 1 SGB V aF abgewichen werden konnte. Diese Bestimmung korrespondierte mit der Regelung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V, welche die Vertragspartner auf regionaler Ebene ermächtigt, bei der Festlegung der Punktwerte einen Zuschlag auf oder einen Abschlag von den Orientierungswerten gemäß § 87 Abs 2e Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB V aF(nF: von dem Orientierungswert nach § 87 Abs 2e SGB V)zu vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die regionalen Vertragspartner hatten dabei gemäß § 87a Abs 2 S 3 SGB V aF zwingend die Vorgaben des BewA nach § 87 Abs 2f SGB V aF anzuwenden. Dies sollte sicherstellen, dass bei der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen bundeseinheitliche Vorgaben angewandt werden, und zugleich, dass regionale Preisunterschiede, welche sachlich nicht gerechtfertigt sind, abgebaut werden (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2). Als herausgehobene Beispiele ("insbesondere") von Indikatoren für das Vorliegen regionaler Besonderheiten nennt das Gesetz hinsichtlich der Versorgungsstruktur Indikatoren, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen, hinsichtlich der Kostenstruktur solche, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen (§ 87 Abs 2f Satz 3 und 4 SGB V aF).

71

Für das Jahr 2009 kann aus dieser Vorschrift schon deswegen nichts hergeleitet werden, weil der (e)BewA solche Indikatoren nicht festgelegt hat. Aber auch für das Jahr 2010 ermächtigte § 87 Abs 2f SGB V aF den Beklagten nicht dazu, die strittigen Regelungen zu erlassen, auch wenn er in seinem Beschluss vom 2.9.2009 (Teil C unter 2. und 3.2) diese als "Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur" bezeichnet hat. Dem steht schon entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF "auf der Grundlage" dieser Indikatoren "in den regionalen Punktwertvereinbarungen" von den Orientierungswerten abgewichen werden kann. Damit wird zum einen verdeutlicht, dass die Entscheidung über eine Abweichung vom Orientierungswert Gegenstand der regionalen Vereinbarungen und damit Aufgabe der regionalen Vertragspartner ist, und dies nicht auf Bundesebene vorgegeben wird. Zum anderen wird damit klargestellt, dass die Indikatoren lediglich die "Grundlage" für die Vereinbarung von Zuschlägen auf regionaler Ebene darstellen. Daraus folgt, dass die Indikatoren zwar Vorgaben für regionale Vereinbarungen enthalten können, diese aber nicht in der Art ersetzen bzw vorwegnehmen dürfen, dass den Gesamtvertragspartnern keine Handlungsspielräume mehr verbleiben. Dies ist jedoch vorliegend der Fall, weil der eBewA den regionalen Vertragspartnern die Vereinbarung von Zuschlägen für die in Rede stehenden Leistungen sowohl dem Grunde nach vorgeschrieben als auch deren Höhe verbindlich vorgegeben hat.

72

Zudem hat der eBewA mit den streitigen Teilen seines Beschlusses keine Indikatoren bestimmt. Der Begriff "Indikator" bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch "ein Merkmal, das etwas anzeigt" (Duden); dem entspricht, dass der BewA Indikatoren "zur Messung" regionaler Besonderheiten zu bestimmen hat. Derartige Angaben enthält der Beschluss des eBewA jedoch nicht. Er zeigt nichts an, was von den Vertragsparteien beachtet und umgesetzt werden kann, sondern er verpflichtet unmittelbar. Darüber hinaus bestehen schon Zweifel, ob die vom eBewA für die in Rede stehenden Leistungen angestrebte einheitliche Absicherung des Vergütungsniveaus des Jahres 2008 in allen Regionen unter den Begriff der "Versorgungsstruktur" im Sinne von § 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF subsumiert werden kann. Schon nach dem Gesetzeswortlaut geht es dabei ausschließlich um Indikatoren zur Kosten- und Versorgungsstruktur und nicht um die regionale Honorarhöhe. Der Begriff "Versorgungsstruktur" bezeichnet die strukturellen Gegebenheiten der ambulanten ärztlichen Versorgung der Patienten und damit das Leistungsangebot sowie dessen Inanspruchnahme, wie das gesetzliche Beispiel der "Fallzahlentwicklung" belegt.

73

c. Schließlich rechtfertigen sich die strittigen Beschlussteile auch nicht aus sonstigen Erwägungen.

74

aa. Ein Recht des eBewA, die strittigen Regelungen zu erlassen, ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht. Zwar trifft den eBewA als Normgeber grundsätzlich eine entsprechende Verpflichtung, wenn sich im Vollzug von ursprünglich gerechtfertigten Regelungen herausstellt, dass die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen oder die Auswirkungen für einzelne Normadressaten unzumutbar geworden sind (stRspr des BSG, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 60/61; BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 42). Diese Pflicht erweitert jedoch nicht die Kompetenzen des Normgebers; vielmehr ist dieser allein verpflichtet (wie auch berechtigt), Korrekturen innerhalb dem ihm zustehenden Kompetenzen vorzunehmen.

75

bb. Die strittigen Regelungen rechtfertigen sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung, weil eine Regelung, die schon von ihrer Richtung oder Struktur prinzipiell systemfremd ist oder nicht mit höherrangigen Vorgaben übereinstimmt, auch unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung nicht hingenommen werden kann (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 16 S 107; BSGE 88, 126, 137 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 157; BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31; BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 29). Nichts anderes gilt für eine Regelung, die ein untergesetzlicher Normgeber erlässt, ohne hierzu durch Gesetz ermächtigt worden zu sein.

76

3. Im Ergebnis stellt sich die vom eBewA gewählte Lösung einer Vorgabe von zusätzlich von den Krankenkassen zu finanzierenden Zuschlägen als ein - wenn auch ggf vom BMG empfohlener - technischer Umweg zu Erreichung des Ziels einer den Krankenkassen verbindlich vorgegebenen Erhöhung der von den Krankenkassen geleisteten Zahlungen zur Sicherung des Vergütungsniveaus für belegärztliche Leistungen und solche des ambulanten Operierens dar. Hierfür besteht - wie dargelegt - jedoch keine rechtliche Grundlage, aber auch keine Notwendigkeit, weil der Gesetzgeber den Partnern der Gesamtverträge hinreichende Instrumente zur Verfügung gestellt hat, um eine angemessene Höhe der für diese Leistungen gezahlten Vergütung zu gewährleisten.

77

Eine verbindliche bundesweite Regelung durch den eBewA war schon deswegen nicht zwingend erforderlich, weil auch auf Seiten der Krankenkassen Bereitschaft bestand, an einer - vom Gesetzgeber im Übrigen durch § 121 Abs 4 SGB V für die Ebene des Bewertungsmaßstabs vorgegebenen - angemessenen Vergütung der belegärztlichen Leistungen mitzuwirken. Denn diese haben - jedenfalls auf Spitzenverbandsebene - an der bereits erwähnten Bundesempfehlung zur Finanzierung der belegärztlichen Leistungen mitgewirkt. Danach erfolgt eine Finanzierung der belegärztlichen Leistungen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung auf der Grundlage fester, angemessener Punktwerte (vgl Ziff 2 Satz 1 der Empfehlung s RdNr 53). Anhaltspunkte dafür, dass es auf regionaler Ebene zu Defiziten bei der Umsetzung dieser Bundesempfehlung gekommen ist, liegen nicht vor. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Bahr ua ergibt sich vielmehr, dass bereits mit Stand 22.10.2007 - also 1½ Jahre vor der Beschlussfassung durch den eBewA - in 10 von 17 KÄV-Bezirken Vereinbarungen zur Umsetzung der extrabudgetären Vergütung belegärztlicher Leistungen getroffen worden waren; in zwei der verbliebenen KÄV-Bezirke war das Schiedsamt angerufen worden, in den übrigen liefen noch Verhandlungen (BT-Drucks 16/6848 S 4). Die auf der Grundlage der Bundesempfehlung geschlossenen regionalen Vereinbarungen über die extrabudgetäre Vergütung bestimmter Leistungen haben durch die Einführung des neuen Vergütungssystems ab dem Jahr 2009 nicht ihre Grundlage verloren. Dem steht schon entgegen, dass das Gesetz - anders als das bisherige Recht - die Vereinbarung extrabudgetärer Vergütungen ausdrücklich zulässt (vgl § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V).

78

Außer Frage steht zwar, dass die gesetzliche Vorgabe, auch diese Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten (vgl § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V), dann Probleme aufwerfen kann, wenn die Preise der Euro-Gebührenordnung niedriger sind als die sich im Jahr 2008 aus den Punktzahlen des EBM-Ä und dem vertraglich vereinbarten Punktwert ergebende Vergütung. Die regionalen Vertragspartner haben jedoch gemäß § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V die Möglichkeit, einen Zuschlag auf den Orientierungswert (bzw auf die Orientierungswerte) zu vereinbaren. Der Vereinbarung von Zuschlägen für besonders förderungswürdige Leistungen durch die regionalen Vertragspartner steht nicht entgegen, dass diese damit Zuschläge für einzelne Leistungen vereinbaren; dies ist zulässig, wie der Senat bereits entschieden hat (s hierzu BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 35 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Vereinbarung von Zuschlägen ist auch nicht auf den - nur exemplarisch aufgeführten - Gesichtspunkt der regionalen Besonderheiten beschränkt, sondern auch aus anderen Gründen zulässig (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 34, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl auch Hess in Kasseler Komm, Stand April 2012, SGB V, § 87a RdNr 6; Rompf in Liebold-Zalewski, Kassenarztrecht, Stand Mai 2012, § 87a SGB V RdNr C 87a-7). In diesem Zusammenhang hat der Senat bereits entschieden, dass die regionalen Vertragspartner bei der Vereinbarung von Zuschlägen berücksichtigen dürfen, dass ein Absinken der Vergütung für besonders förderungswürdige Leistungen zu Sicherstellungsproblemen führen könnte (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 37, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Schließlich steht auch der Umstand, dass der BewA überhaupt keine Vorgaben nach § 87 Abs 2f SGB V aF gemacht hat, der Vereinbarung von Zuschlägen nicht entgegen, da die gesetzlichen Regelungen dem BewA lediglich die Befugnis geben, bundesweit geltende Vorgaben für die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu machen, das Fehlen solcher Vorgaben aber regionale Zuschlagsvereinbarungen nicht ausschließt(BSG aaO RdNr 34).

79

Im Übrigen hätte der (e)BewA dann, wenn es aus seiner Sicht infolge der Anwendung der Euro-Gebührenordnung zu einer unangemessen niedrigen Vergütung namentlich der belegärztlichen Leistungen gekommen ist, die Möglichkeit gehabt, die Bewertung dieser Leistungen im Kapitel 36 des EBM-Ä entsprechend anzupassen. Sofern es hierdurch - im Vergleich zu 2008 - dennoch zu regionalen Honorarverlusten gekommen wäre, dürfte dies in Anbetracht der vom Gesetzgeber gewollten Beseitigung sachlich nicht gerechtfertigter Honorarunterschiede hinzunehmen sein, sofern nicht regionale Besonderheiten - namentlich in der Kostenstruktur - eine Abweichung gebieten.

80

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Beigeladene und der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 2 iVm § 159 Satz 1 VwGO).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. März 2010 geändert.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Juni 2006 wird mit der nachfolgenden Maßgabe zurückgewiesen.

Die Bescheide der Beklagten vom 4. Oktober 2004, 27. Januar 2005, 19. Januar 2006, 5. Januar 2007, 10. Januar 2008, 4. März 2009, 26. Juni 2009 und 6. Januar 2010, sämtlich in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2010, werden aufgehoben, soweit darin für die Zeit ab 1. Januar 2004 ein höherer Beitrag festgesetzt worden ist als er sich nach der Beitragsklasse ergibt, welcher der Kläger ohne Berücksichtigung seiner Beteiligung an der L. GmbH zuzuordnen ist.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge des Klägers zur Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) insoweit, als der Beitragsbemessung auch landwirtschaftlich genutzte Flächen einer GmbH zugrunde gelegt worden sind, an der der Kläger beteiligt ist, ohne hauptberuflich in diesem Unternehmen tätig zu sein.

2

Der Kläger war seit 1.7.1992 als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherungspflichtiges Mitglied der Sächsischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse (SLKK), deren Rechtsnachfolgerin seit 1.4.2004 die Beklagte ist. Er führte die Geschäfte der M. GbR, die mit kleineren Schwankungen rund 920 ha landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftete. An dieser war er zu 50 % beteiligt; nach deren Umwandlung in eine KG zum 23.9.2008 hielt er als Komplementär 88 % der Anteile. Seit 1.1.2000 war er außerdem zu 24 % an einem weiteren landwirtschaftlichen Unternehmen, der L. GmbH (im Folgenden L GmbH) beteiligt, ohne entscheidenden Einfluss auf das operative Tagesgeschäft zu haben.

3

Erstmals mit Bescheid vom 18.8.2003 berücksichtigte die SLKK rückwirkend ab 1.12.1998 24 % der Flächen der L GmbH bei der Beitragsbemessung, setzte die vom Kläger zu zahlenden Beiträge neu fest und forderte die Nachzahlung der Differenz zu den bereits entrichteten Beiträgen. Dem Widerspruch des Klägers (allein) gegen die Berücksichtigung der Flächen der L GmbH half die Beklagte für die Zeit vor dem 1.1.2000 ab (Bescheide vom 16.6.2004 und 1.8.2005) und wies den Widerspruch im Übrigen mit am 10.12.2004 abgesandten Widerspruchsbescheid vom 16.6.2004 zurück. Bereits mit Bescheid vom 4.10.2004 setzte die Beklagte die Beiträge des Klägers ab 1.12.1999 neu fest, wobei sie ab 1.1.2000 die Flächen der L GmbH anteilig berücksichtigte. Während des Verfahrens vor dem SG und LSG erfolgten jeweils zukunftsbezogen weitere Neufestsetzungen der Krankenversicherungsbeiträge des Klägers durch Bescheide vom 27.1.2005, 19.1.2006, 5.1.2007, 10.1.2008, 26.6.2009 und 6.1.2010. Mit Bescheid vom 4.3.2009 setzte die Beklagte die Beiträge ausschließlich aufgrund der Veränderung der Unternehmensanteile des Klägers nach Gründung der M. KG rückwirkend ab 23.9.2008 neu fest. Nachdem das LSG das Berufungsverfahren ausgesetzt und der Beklagten Gelegenheit zum Nachholen des Vorverfahrens bezüglich des Bescheides vom 4.10.2004 sowie sämtlicher während des gerichtlichen Verfahrens ergangener Neufestsetzungsbescheide gegeben hatte, wies die Beklagte den Widerspruch auch insoweit zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.2.2010).

4

Das SG hat die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide verurteilt, die Beitragsberechnung zur KVdL ohne Berücksichtigung der Beteiligung an der L GmbH durchzuführen (Urteil vom 15.6.2006), worauf der Kläger sein Begehren ausdrücklich beschränkt hatte. Das SG hat § 31 S 4 der Satzung des SLKK als nicht vereinbar mit §§ 39, 40 KVLG 1989 angesehen; eine Beitragsbemessung aufgrund der Beteiligung des Klägers an der L GmbH sei nicht statthaft, da diese Beteiligung keine Versicherungspflicht nach dem KVLG 1989 auslöse. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG unter Zurückweisung der Berufung und Abweisung der Klage im Übrigen neu gefasst: Die Bescheide der Beklagten vom 18.8.2003 und 16.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16.6.2004 sowie der Bescheid vom 4.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.2.2010 wurden aufgehoben, soweit bei der Berechnung des Beitrags zur KVdL für die Zeit bis 31.12.2003 die Beteiligung des Klägers an der L GmbH berücksichtigt worden ist. Bis 31.12.2003 habe der Satzung der SLKK eine Grundlage für die Berücksichtigung der - keine Versicherungspflicht in der KVdL begründenden - Beteiligung des Klägers an der L GmbH bei der Beitragsbemessung gefehlt. Es sei aber mit §§ 39, 40 KVLG 1989 vereinbar, dass ab 1.1.2004 nach der Satzung der SLKK und der Beklagten bei der Beitragsbemessung auch der Beziehungswert bzw Einstufungswert eines landwirtschaftlichen Unternehmens (anteilig) zugrunde zu legen sei, das von Personengesellschaften oder juristischen Personen betrieben wird, an denen ein landwirtschaftlicher Unternehmer beteiligt ist, ohne in Bezug auf dieses Unternehmen selbst als Unternehmer zu gelten. Diese gesetzlichen Regelungen schrieben weder vor, dass bei der Beitragsbemessung nur Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft berücksichtigt werden dürfe, das aus einer die Versicherungspflicht in der KVdL begründenden Tätigkeit erzielt werde, noch, dass sich die Bewertung solchen Einkommens am EStG ausrichten müsse (Urteil vom 10.3.2010).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 39 Abs 1 KVLG 1989 und des Art 3 Abs 1 GG. Die Satzungen der SLKK und der Beklagten seien hiermit nicht vereinbar. § 39 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 knüpfe an die Legaldefinition der Einkommensarten des EStG an. Anders als sog Fiktivunternehmer iS von § 2 Abs 3 S 2 KVLG 1989 erlöse der bloße Anteilseigner allenfalls Kapitalerträge, die in keinerlei Zusammenhang zum Flächenwert stünden. Die Auslegung des LSG führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ua von Landwirten mit Kapitaleinkünften aus Beteiligungen an Landwirtschaftsbetrieben im Vergleich zu Landwirten mit Kapitaleinkünften aus Anteilsbeteiligungen in anderen Sparten, deren Einkünfte nicht der Beitragspflicht unterlägen. Es sei nicht gerechtfertigt, dieselbe Beitragsbemessungsmethode auf selbstständig Tätige und Anteilseigner von Kapitalgesellschaften anzuwenden. Die Krankenversicherungspflicht als solche sei nach Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 ohnehin rechtswidrig, ebenso die Beitragsfestsetzung anhand des Flächenmaßstabs. Unzulässig sei darüber hinaus die durch den Flächenmaßstab bewirkte Schätzung, da das konkrete Einkommen leicht nachgewiesen werden könne. Schließlich habe der Gesetzgeber die Grundlagen der Beitragsbemessung selbst ausformen müssen und nicht den LKKn überlassen dürfen.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. März 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Juni 2006 mit der Maßgabe zurückzuweisen, die Bescheide der Beklagten vom 4. Oktober 2004, 27. Januar 2005, 19. Januar 2006, 5. Januar 2007, 10. Januar 2008, 4. März 2009, 26. Juni 2009 und 6. Januar 2010, sämtlich in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2010, aufzuheben, soweit darin für die Zeit ab 1. Januar 2004 ein höherer Beitrag festgesetzt worden ist, als er sich ohne Berücksichtigung seiner Beteiligung an der L. GmbH ergibt.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Wortlaut und Zweck des § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 zeigten ebenso wie die Verknüpfung mit § 40 Abs 1 KVLG 1989, dass eine Bestimmung des Einkommens iS dieser Norm nach den Maßstäben des Einkommensteuerrechts nicht in Betracht komme. Die Beitragsbemessung in der KVdL erfolge generell nicht einkommensbezogen, sondern nach einem unternehmensbezogenen Maßstab.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.

10

Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage für die noch streitige Zeit nach dem 31.12.2003 abgewiesen. Auch für die Zeit ab 1.1.2004 sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten insoweit rechtswidrig, als darin ein höherer Beitrag festgesetzt worden ist, als er sich nach der Beitragsklasse ergibt, welcher der Kläger ohne eine Berücksichtigung seiner Beteiligung an der L GmbH zuzuordnen ist. Für die Berücksichtigung dieser Beteiligung bei der Beitragsbemessung fehlt es an einer Rechtsgrundlage, denn § 31 S 5 Satzung der SLKK (idF des 8. Nachtrages vom 3.12.2003) und § 46 Abs 3 Satzung der Beklagten(in der seither unveränderten Fassung vom 2.3.2004) verstoßen gegen § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989(in den hier anzuwendenden Fassungen der Norm durch Gesetz vom 14.11.2003 bis einschließlich durch Gesetz vom 26.3.2007 ) iVm § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989(in der bisher unveränderten Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477).

11

1. Der Senat hat aufgrund der ausschließlich vom Kläger eingelegten Revision über die Bescheide der Beklagten nur noch insoweit zu entscheiden, als der Kläger darin für die Zeit ab dem 1.1.2004 zum Zwecke der Beitragsbemessung in der KVdL in eine höhere Beitragsklasse eingestuft worden ist, als sie sich allein aufgrund des aus seinem Anteil an der M. GbR bzw KG zu errechnenden Beziehungs- bzw Einstufungswert ergeben würde. Denn der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die - nach Beitragsklassen gestaffelte - Höhe seiner Beiträge zur KVdL beschränkt, soweit diese auf einer Berücksichtigung seiner Beteiligung an der L GmbH beruht. Soweit der Bescheid vom 4.10.2004 Beitragsfestsetzungen auch für die Zeit vor dem 1.1.2004 enthalten hat, ist er bereits durch das insoweit nicht angefochtene Urteil des LSG aufgehoben worden. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Beklagte die Beiträge des Klägers mit Bescheid vom 4.3.2009 rückwirkend zum 23.9.2008 neu festsetzen durfte. Die rückwirkende Änderung der Beitragsfestsetzung durch den genannten Bescheid beruhte ausschließlich auf dem veränderten Anteil des Klägers an der M. GbR bzw nunmehr KG, die geänderte Beitragshöhe somit nicht auf der Berücksichtigung der Beteiligung des Klägers an der L GmbH.

12

2. Die Revision des Klägers ist bezüglich des Zeitraums vor dem 1.1.2005 nicht etwa deshalb unbegründet, weil die Satzung der zum 1.4.2004 in der Beklagten aufgegangenen SLKK, deren Beitragsstaffelung bis zum Geschäftsjahr 2005 weitergalt (§ 60 Satzung der Beklagten), kein revisibles Recht im Sinne des § 162 SGG ist. Zwar hat sich die Zuständigkeit der SLKK auf das Gebiet des Freistaates Sachsen beschränkt (§ 3 der Satzung der SLKK) und der Kläger nicht dargetan, dass Satzungen anderer landwirtschaftlicher Krankenkassen bewusst gleichlautende Regelungen enthielten (zu diesem Erfordernis zB Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R - SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 29 mwN). Dies hat jedoch nur zur Folge, dass der Senat an die Auslegung der Satzung der SLKK, insbesondere ihres § 31 durch das LSG gebunden ist. Dennoch ist er nicht gehindert, die Vereinbarkeit des vom LSG festgestellten Regelungsinhalts mit Bundesrecht - hier insbesondere mit §§ 39, 40 KVLG 1989 - zu überprüfen(vgl allgemein BSGE 3, 77, 80; BSGE 3, 180, 187; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 13; BSGE 106, 110 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27, RdNr 30 ff; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 302; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 7a).

13

3. Die Revision des Klägers ist begründet. Zwar erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 31 S 5 der Satzung der SLKK und des § 46 Abs 3 der Satzung der Beklagten(hierzu a). Doch verletzt das angegriffene Urteil Bundesrecht, soweit es diese Regelungen für vereinbar mit § 39 Abs 1 S 1 Nr 1, § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 erachtet(hierzu b). Da diese Satzungsregelungen gesetzwidrig sind, fehlt eine Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung der Beteiligung des Klägers an der L GmbH bei der Beitragsbemessung, weshalb das Urteil des LSG zu ändern und die angefochtenen Bescheide auch für die Zeit ab 1.1.2004 insoweit aufzuheben sind.

14

a) Die Beklagte stützt die Berücksichtigung der Beteiligung des Klägers an der L GmbH bei der Ermittlung der für die Beitragshöhe maßgeblichen Beitragsklasse für das Jahr 2004 auf § 31 der Satzung der SLKK. Danach wird "das der Beitragsberechnung bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legende Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft … auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt", die sich aus dem Wirtschaftswert und dem fünfjährigen Durchschnitt der Gewinne bestimmter für den Agrarbericht der Bundesregierung ausgewerteter landwirtschaftlicher Testbetriebe ergeben. Darüber hinaus bestimmt S 5: "Erfüllt ein versicherungspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer als Gesellschafter oder Mitglied einer juristischen Person in einem weiteren Unternehmen die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht eines Fiktivunternehmers i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 KVLG 1989 nicht, ist das auf ihn entfallende aus dem Wirtschaftswert des Unternehmens der Landwirtschaft ermittelte Arbeitseinkommen entsprechend seiner Gewinnbeteiligung zusätzlich in Ansatz zu bringen." Für die Zeit ab dem 1.1.2005 bestimmt § 46 Abs 3 der Satzung der Beklagten, dass unter den gleichen Voraussetzungen der auf den Unternehmer entfallende anteilige Flächenwert aus der Gesellschaft zusätzlich in Ansatz zu bringen ist. Auch nach der Satzung der Beklagten werden die Beiträge der landwirtschaftlichen Unternehmer nach Beitragsklassen erhoben. Maßgeblich für die Zuordnung eines landwirtschaftlichen Unternehmers zu einer Beitragsklasse ist der Einstufungswert des Unternehmens, der sich aus dem Flächenwert des Unternehmens errechnet (§ 46 Abs 1 iVm § 45 Abs 9 der Satzung der Beklagten).

15

Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt der Kläger die in diesen Bestimmungen genannten Voraussetzungen, da er aufgrund seiner Unternehmerstellung in der M. GbR bzw KG versicherungspflichtig in der KVdL ist und als Gesellschafter der L GmbH nicht die Voraussetzungen der Versicherungspflicht als Fiktivunternehmer nach § 2 Abs 3 S 2 KVLG 1989 erfüllt, weil er - was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist - nicht hauptberuflich in diesem Unternehmen tätig ist. Dabei sind beide Unternehmen bereits aufgrund ihrer jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Eigenständigkeit getrennt zu betrachten. Anhaltspunkte für eine derart enge Verflechtung beider Gesellschaften, dass sie ausnahmsweise als einheitliches Unternehmen zu gelten hätten (vgl BSG SozR 3-5868 § 1 Nr 6), bestehen nicht.

16

b) Die Beklagte kann jedoch die Berücksichtigung der Beteiligung des Klägers an der L GmbH bei der Beitragsbemessung nicht auf die genannten Satzungsregelungen stützen, obwohl der Kläger deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt. Denn diese Regelungen verletzen höherrangiges Recht.

17

Zutreffend ist das LSG zunächst davon ausgegangen, dass Satzungen der Krankenversicherungsträger autonom gesetztes Recht sind, das durch die Gerichte nur daraufhin zu prüfen ist, ob es mit der gesetzlichen Ermächtigung und höherrangigem Recht vereinbar ist (BSGE 68, 111, 112 mwN = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Nicht zu prüfen haben die Gerichte, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat (vgl BSGE 68, 111, 115 mwN = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Entgegen der Ansicht des LSG werden jedoch durch § 31 S 5 der Satzung der SLKK und § 46 Abs 3 der Satzung der Beklagten die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung aus § 39 Abs 1 S 1 Nr 1, § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 nicht eingehalten. Denn das bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern der Beitragsbemessung zugrunde zu legende Einkommen wird abschließend durch § 39 Abs 1 S 1 KVLG 1989 festgelegt(hierzu aa), weshalb dieses Einkommen im Regelfall unter Rückgriff auf § 13 EStG zu bestimmen ist(hierzu bb). Gleichzeitig ist der Kreis der für die Beitragsbemessung nach § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 heranzuziehenden Einnahmen auf diejenigen beschränkt, die aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielt werden(hierzu cc). Dem steht weder die mögliche Vielfalt der beim Betrieb eines landwirtschaftlichen Unternehmens anfallenden Einkünfte noch die Regelung über die Pflichtversicherung der Fiktivunternehmer nach § 2 Abs 3 S 2 KVLG 1989 entgegen(hierzu dd).

18

aa) Nach § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 wird der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern - neben einer gesetzlichen Rente, Versorgungsbezügen und daneben erzieltem Arbeitseinkommen aus außerland- und außerforstwirtschaftlicher Tätigkeit(§ 39 Abs 1 S 1 Nr 2 bis Nr 4 KVLG 1989) - "Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft" zugrunde gelegt. Ergänzend ordnet § 40 Abs 1 S 1 KVLG 1989 für die Beitragsberechnung bei Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft an, dass die Beiträge nach § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 nach Beitragsklassen festgesetzt werden. Nach § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 bestimmt die Satzung die Beitragsklassen für die versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer nach dem Wirtschaftswert, dem Arbeitsbedarf oder einem anderen angemessenen Maßstab. Danach legt ausschließlich § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 fest, was als Einkommen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden darf, nämlich nur solches aus Land- und Forstwirtschaft. Demgegenüber ermächtigt § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 die landwirtschaftlichen Krankenkassen allein dazu, die Beitragsklassen und den Maßstab für die Zuordnung der Versicherten aufgrund ihres Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft zu den jeweiligen Beitragsklassen durch Satzung festzulegen. Zwar hat dabei an die Stelle des tatsächlichen individuellen Einkommens ein die abstrakte Ertragskraft des Unternehmens abbildender Maßstab zu treten (vgl BSGE 50, 179, 182 = SozR 5420 § 65 Nr 4), der das hieraus potentiell zu erzielende Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft widerspiegelt. Ein "Bemessungsgrundlagen-Findungsrecht" im Sinne einer Ermächtigung, über die begrifflichen Grenzen des in § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 genannten Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft hinaus auch anderes Einkommen für die Beitragsbemessung heranzuziehen, enthält § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 jedoch schon seinem Wortlaut nach nicht. Vielmehr bleibt Grund der Beitragserhebung einzig, dass der landwirtschaftliche Unternehmer aus dem Unternehmen Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft erzielt bzw erzielen kann, wenn es auch für die Zuordnung zu den Beitragsklassen nicht auf das konkret erzielte, sondern auf das potentiell zu erzielende Einkommen ankommt. Dies verkennt das LSG, wenn es die Ermächtigungskonformität der streitigen Satzungsregelungen wesentlich darauf zu stützen sucht, der Gesetzgeber überlasse es in § 40 Abs 1 KVLG 1989 den Trägern der KVdL, in ihrer Satzung zu bestimmen, was als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen sei.

19

bb) Ob (potentielles) Einkommen aus einem Unternehmen als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 zu bewerten ist und deshalb nach Maßgabe der nach § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 zu erlassenden Satzungsbestimmungen Beiträge zu erheben sind, ist im Regelfall unter Rückgriff auf § 13 EStG zu bestimmen.

20

Allerdings wird der Begriff des Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft weder im KVLG 1989 noch an anderer Stelle mit unmittelbarer Geltung für das KVLG 1989 gesetzlich definiert. Zudem ist der Wortlaut des § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 unergiebig für die hier maßgebliche Frage, ob auch Einkünfte aus land- oder forstwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit einer Kapitalgesellschaft, die dem Versicherungspflichtigen aufgrund einer Kapitalbeteiligung außerhalb der die Versicherungspflicht begründenden eigenen landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit zufließen, der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Soweit das LSG seine Rechtsauffassung mit einer wortlautgetreuen Auslegung des § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 begründet, ist ihm zuzugestehen, dass ein - vom LSG nicht konkret festgestelltes - Einkommen des Klägers aus seiner Beteiligung an der L GmbH mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit dieser GmbH erwirtschaftet würde. Indem es das Einkommen der L GmbH unmittelbar zum Anknüpfungspunkt für eine (erweiterte) Beitragspflicht des Kläger macht, übersieht das LSG jedoch die in § 39 Abs 1 S 1 KVLG 1989 notwendig vorausgesetzte personelle Zuordnung des Einkommens zum landwirtschaftlichen Unternehmer als dem maßgeblichen Objekt der Beitragspflicht. Es verkennt die nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in Anknüpfung an die bürgerlich-rechtliche Ordnung auch im Sozialrecht grundsätzlich zu beachtende Trennung von juristischer Person einerseits und den als Gesellschaftern dahinter stehenden natürlichen Personen andererseits (vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN). Zugleich übersieht das LSG, dass der Wortlaut des § 39 Abs 1 S 1 KVLG 1989 allein wegen seiner deutlichen sprachlichen Nähe zu § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG, wonach "Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft" der Einkommensteuer unterliegen, auf § 13 EStG verweist, der diese Einkunftsart für die Zwecke des Steuerrechts definiert.

21

Dass § 39 Abs 1 S 1 KVLG 1989 nicht nur im Wortlaut an § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG anknüpft, ist systematisch aus der Wendung "Arbeitseinkommen aus außerland- und außerforstwirtschaftlicher Tätigkeit" in § 39 Abs 1 S 1 Nr 4 KVLG 1989 herzuleiten, die das "Arbeitseinkommen" nach Nr 4 gegenüber solchem nach Nr 1 abgegrenzt, das gerade aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit erzielt wird. Das BSG hat bereits entschieden, dass der Begriff "Arbeitseinkommen" auch mit Geltung für das KVLG 1989 in § 15 Abs 1 S 1 SGB IV definiert ist(BSGE 99, 284 = SozR 4-2400 § 15 Nr 6, RdNr 18 f mwN; BSG SozR 4-5420 § 2 Nr 1; stRspr für alle Zweige der Sozialversicherung vgl nur Urteil des Senats vom 28.9.2011 - B 12 KR 23/09 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 240 Nr 15 vorgesehen, RdNr 11 mwN). Danach ist Arbeitseinkommen "der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit". Diese Vorschrift nimmt also schon ihrem Wortlaut nach Bezug auf das EStG und verweist auf den Gewinn, wie er nach dem EStG (§ 2 Abs 2 Nr 1, §§ 4 bis 7k und 13a EStG) ermittelt wird (vgl hierzu BSGE 79, 133, 137 ff = SozR 3-2500 § 240 Nr 27 S 102 ff und BSGE 104, 153 = SozR 4-2500 § 240 Nr 12, RdNr 15). Bereits vor Schaffung des GRG, durch das § 39 Abs 1 S 1 KVLG 1989 in der bis zum hier entscheidungserheblichen Zeitraum unveränderten Fassung eingeführt worden ist(BGBl I 1988, 2477), hatte das BSG wiederholt entschieden, dass das Steuerrecht das maßgebende Bezugssystem für den Begriff des Arbeitseinkommens im Sinne des § 15 Abs 1 S 1 SGB IV ist und dass dieser neben anderen Einkünften, für die der steuerrechtliche Gewinnbegriff gilt, auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1, § 13 EStG umfasst(BSG SozR 2200 § 180 Nr 30 S 121 mwN). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass auch die Verfasser des GRG in § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 an das EStG anknüpfen wollten. Dem steht die Verwendung des Begriffs "Einkommen" an Stelle von "Arbeitseinkommen" in § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 nicht entgegen, denn die Unterscheidung beider Begriffe, wie sie sich nunmehr aus § 15 Abs 1 S 2 SGB IV ergibt, wurde erst mit der ab 1.1.1995 geltenden Fassung des § 15 SGB IV durch Art 3 Nr 2 Agrarsozialreformgesetz 1995 vom 29.7.1994 (BGBl I 1890) eingeführt.

22

Entscheidend ist jedoch die bewusste Anlehnung des § 39 Abs 1 KVLG 1989 an den zeitgleich eingeführten § 226 Abs 1 SGB V(hierzu Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, zum GRG, BT-Drucks 11/2237 S 247 zu § 38), nach dessen Satz 1 Nr 4 ebenfalls das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird, der Beitragsbemessung zugrunde gelegt wird. Da § 39 KVLG 1989 im Unterschied zur Beitragsbemessung bei versicherungspflichtig Beschäftigten nach § 226 Abs 1 S 1 SGB V die Beitragsbemessung für selbstständig Tätige regelt, bedurfte es in § 39 Abs 1 S 1 Nr 4 KVLG 1989 gegenüber § 226 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V der Ergänzung um die Worte "aus außerland- und außerforstwirtschaftlicher Tätigkeit", um klarzustellen, dass nicht auch das bereits nach damaliger Rechtsprechung unter den Begriff des Arbeitseinkommens fallende(BSG SozR 2200 § 180 Nr 30 S 121 mwN) - nunmehr in § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 erfasste - Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft nur bei gleichzeitigem Bezug einer Rente oder von Versorgungsbezügen der Beitragsbemessung in der KVdL zugrunde zu legen ist.

23

Die parallele Ausgestaltung der Beitragsbemessungsvorschriften des § 39 Abs 1 KVLG 1989 und des § 226 Abs 1 SGB V spricht zugleich gegen den vom LSG und der Beklagten für die Einbeziehung auch von Kapitaleinkünften aus landwirtschaftlich tätigen Kapitalgesellschaften herangezogenen Gedanken, die Beitragserhebung bei versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern solle die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers erfassen. Dieser Gedanke ist seit Schaffung des GRG in § 240 Abs 1 S 2 SGB V, also der Regelung über die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder, normiert und stellt sicher, dass alle Einnahmen, die ein Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden(Gesetzentwurf, aaO, BT-Drucks 11/2237 S 225 zu § 249 Abs 1). Er ist kennzeichnend für die freiwillige Versicherung in der GKV, die bei der Beitragsgestaltung einerseits ua durch Erfassen weiterer Einnahmearten wie zB Einkünfte aus Kapitalvermögen (vgl zB BSGE 76, 34 = SozR 3-2500 § 240 Nr 19; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 40) eine Benachteiligung der Pflichtversicherten gegenüber den freiwillig Versicherten und andererseits eine übermäßige Beitragsbelastung der freiwilligen Mitglieder zu vermeiden hat. Demgegenüber sind in §§ 226 ff SGB V für die einzelnen Gruppen versicherungspflichtiger Personen die beitragspflichtigen Einnahmen in der Regel gruppentypisch geregelt und auf bestimmte Einnahmearten begrenzt(vgl Peters in KassKomm, Stand der Einzelkommentierung Oktober 2011, § 240 SGB V RdNr 4, 6). Diesem Regelungskonzept folgt auch die Beitragsbemessung des ebenfalls durch das GRG eingeführten KVLG 1989, indem § 46 KVLG 1989 für die Satzungsregelungen über die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder einer landwirtschaftlichen Krankenkasse auf § 240 SGB V verweist, während § 39 KVLG 1989 - wie § 226 SGB V - nur bestimmte Einnahmen versicherungspflichtiger Mitglieder der Beitragsbemessung unterwirft.

24

Ebensowenig trägt der Hinweis des LSG und der Beklagten auf das Solidarprinzip, wonach die Versicherten an der Finanzierung der Leistungen und sonstigen Ausgaben der Krankenkassen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beteiligen sind (vgl § 3 S 2, § 223 Abs 2 S 1 SGB V). Denn zugleich beschränkt das SGB V - in Anknüpfung an die ursprüngliche Struktur der GKV als Beschäftigtenversicherung - die Heranziehung der zu verbeitragenden Einkünfte durch ein System der Einzelanknüpfung auf eine Liste von solchen Einkunftsarten, die typischerweise mit einer Berufstätigkeit in Zusammenhang stehen (BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 9/08 R, Die Beiträge Beilage 2009, 179). Dies gilt auch für das KVLG 1989, das die KVdL einerseits als teilweise beitragsfinanzierte (§ 37 KVLG 1989) Solidargemeinschaft (§ 1 S 1 KVLG 1989) begreift, andererseits aber die Beitragsbemessungsgrundlagen für Versicherungspflichtige in den §§ 39 ff KVLG 1989 gruppenspezifisch ausgestaltet. Dabei beschränkt es in § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 die Beitragsbemessung in Anknüpfung an den die Versicherungspflicht auslösenden Tatbestand einer selbstständigen Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer(§ 2 Abs 1 Nr 1, Abs 3 S 1 KVLG 1989) auf die Einnahmeart, die - vergleichbar der Anknüpfung des § 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V an das aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt - aus dieser Tätigkeit zu erzielen ist. Dem Solidarausgleich zwischen den Versicherten mit geringem Einkommen und denen mit höherem Einkommen wird dabei durch die Beitragserhebung nach Beitragsklassen Rechnung getragen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KVLG, BT-Drucks VI/3012 S 35 zu § 57 Abs 1 und 5).

25

cc) Gerade die Parallele zu § 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V gebietet es auch, entgegen der Ansicht des LSG und der Beklagten die für die Beitragsbemessung nach § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 heranzuziehenden Einnahmen auf diejenigen zu beschränken, die aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit oder mehreren parallel ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeiten erzielt werden. Die Kapitaleinkünfte des Klägers aus seiner Beteiligung an der L GmbH gehören nicht hierzu, da diese Beteiligung - wie oben unter a) dargelegt - keinen Status als landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 1, Abs 3 KVLG 1989 begründet. Soweit § 31 S 5 der Satzung der SLKK und § 46 Abs 3 der Satzung der Beklagten darüber hinaus für die Beitragserhebung auch an Einkommen aus Unternehmensbeteiligungen anknüpfen, die keine Versicherungspflicht begründen, werden die durch § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 gezogenen Grenzen der Regelungsermächtigung des § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 überschritten.

26

dd) Einer Beschränkung des nach § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden (potentiellen) Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft, das den Anknüpfungspunkt für die konkrete Beitragserhebung nach Maßgabe der nach § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 zu erlassenden Satzung bildet, auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1, § 13 EStG steht zunächst nicht entgegen, dass im Zusammenhang mit dem Betrieb eines landwirtschaftlichen Unternehmens auch Einkünfte anderer Einnahmearten, zB aus Verpachtung, anfallen können. In diesem Fall ist zu prüfen, ob diese Einnahmen nicht den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen sind (vgl BSG SozR 4-5420 § 2 Nr 1 RdNr 27 mwN).

27

Das LSG weist jedoch zutreffend darauf hin, dass die strikte Bindung des Einkommensbegriffs nach § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 KVLG 1989 an das Einkommensteuerrecht zu einer beitragsfreien Pflichtversicherung der Fiktivunternehmer nach § 2 Abs 3 S 2 KVLG 1989 führen könnte, wenn die Einnahmen beschränkt haftender Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder der Mitglieder einer juristischen Person aufgrund ihrer Beteiligung an der Gesellschaft oder juristischen Person einkommensteuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb(§ 2 Abs 1 S 1 Nr 2, § 15 EStG) bzw als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs 1 S 1 Nr 5, § 20 EStG) zu bewerten sind. Welche Vorstellungen sich die Verfasser des Agrarsozialreformgesetzes 1995 von den beitragsrechtlichen Folgen dieser Regelung machten, ist aus den Materialien nicht zu erschließen: So wurde mit der Neufassung des § 2 Abs 3 KVLG 1989 durch dieses Gesetz lediglich eine Regelung über die Existenzgrundlage des ebenfalls neu gefassten § 1 Abs 5 ALG übernommen(Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Agrarsozialreformgesetz 1995, BR-Drucks 508/93 S 94 zu Art 9 Nr 1 Buchst b und c), die dort der Ausgrenzung zB als Genosse in einer Genossenschaft oder als Gesellschafter einer GmbH abhängig beschäftigter Personen aus den berufsständischen Einrichtungen mit ihrer Ausrichtung auf selbstständige Landwirte dienen sollte (BR-Drucks 508/93, aaO, S 69 zu Art 1 § 1 Abs 2). Angesichts des Fehlens besonderer beitragsrechtlicher Regelungen in Bezug auf diese Fiktivunternehmer spricht - ohne dass dies hier abschließend entschieden werden müsste - vieles dafür, die Fiktion des § 2 Abs 3 S 2 KVLG 1989 in einem weiten Sinne auszulegen, indem mit der Fiktion der Unternehmereigenschaft des Gesellschafters oder des Mitglieds zugleich - bezogen auf den Unternehmensanteil der Betroffenen - die an sich bürgerlich-rechtlich bzw steuerrechtlich gebotene Unterscheidung zwischen der natürlichen Person und der juristischen Person bzw Gesellschaft hinwegfingiert wird. Der Fiktivunternehmer tritt vollständig in deren Unternehmerstellung ein. Die damit verbundene Zurechnung der Einnahmen der juristischen Person bzw Gesellschaft aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens zu der natürlichen Person ließe bei dieser fiktiv Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft anfallen, die Anknüpfungspunkt für eine Beitragserhebung nach § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 iVm § 40 KVLG 1989 wären.

28

           

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da die Beigeladene im Revisionsverfahren und entgegen der Ansicht des LSG auch im Berufungsverfahren kein eigenes Rechtsmittel eingelegt und keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, sie nicht neben der Beklagten an der Kostenerstattung gegenüber dem Kläger zu beteiligen.

                 

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Gefahrtarifs der Aufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen mitzuteilen. Wird der Gefahrtarif in einer von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht aufgestellt oder wird er nicht genehmigt, stellt ihn die Aufsichtsbehörde auf. § 89 des Vierten Buches gilt.

(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten.

(2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Unternehmer auch auf Angaben und Unterlagen über die betrieblichen Verhältnisse erstreckt, die für die Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen erforderlich sind. Soweit die Unternehmer ihrer Auskunftspflicht nicht nachkommen, nimmt der Unfallversicherungsträger die Veranlagung nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse vor.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Die Vertreterversammlung beschließt die Satzung und sonstiges autonomes Recht des Versicherungsträgers sowie in den übrigen durch Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht vorgesehenen Fällen. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund wird der Beschluss über die Satzung von der Bundesvertreterversammlung nach § 31 Absatz 3b gefasst; der Beschluss wird gemäß § 64 Absatz 4 gefasst, soweit die Satzung Regelungen zu Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung oder zu gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung trifft. Im Übrigen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der durch Wahl der Versicherten und Arbeitgeber der Deutschen Rentenversicherung Bund bestimmten Mitglieder.

(2) Die Vertreterversammlung vertritt den Versicherungsträger gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern. Sie kann in der Satzung oder im Einzelfall bestimmen, dass das Vertretungsrecht gemeinsam durch die Vorsitzenden der Vertreterversammlung ausgeübt wird.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für den Verwaltungsrat nach § 31 Absatz 3a. Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für den Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden. Dem Verwaltungsrat oder dessen Vorsitzenden obliegen auch die Aufgaben des Vorstandes oder dessen Vorsitzenden nach § 37 Absatz 2, § 38 und nach dem Zweiten Titel.

(4) Soweit das Sozialgesetzbuch Bestimmungen über die Vertreterversammlung oder deren Vorsitzenden trifft, gelten diese für die Bundesvertreterversammlung oder deren Vorsitzenden entsprechend. Für den Beschluss über die Satzung gilt Absatz 1 Satz 2 und 3.

(1) Jeder Versicherungsträger gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde.

(2) Die Satzung und sonstiges autonomes Recht sind öffentlich bekannt zu machen. Sie treten, wenn kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Die Art der Bekanntmachung wird durch die Satzung geregelt.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Gefahrtarifs der Aufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen mitzuteilen. Wird der Gefahrtarif in einer von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht aufgestellt oder wird er nicht genehmigt, stellt ihn die Aufsichtsbehörde auf. § 89 des Vierten Buches gilt.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für allgemeine Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 655 200 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist eine vom beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossene Mindestmenge für die Versorgung mit Kniegelenk-Totalendoprothesen (im Folgenden: Kniegelenk-TEP).

2

1. Dem GBA ist zum 1.1.2004 im Zuge der Neufassung seiner Kompetenzen ua die bis dahin von den Verbänden der Krankenkassen und Krankenhäuser wahrgenommene Aufgabe übertragen worden, die Qualitätssicherung in der stationären Versorgung näher auszugestalten (vgl zuvor § 137 S 4, § 112 Abs 1 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477, und sodann § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, BGBl I 1999, 2626, nachfolgend: GKVRefG2000). Seither ist er beauftragt, unter Beteiligung der betroffenen Verbände in Beschlüssen und Richtlinien Maßnahmen der Qualitätssicherung in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 104 Buchst a DBuchst aa GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; sinngemäß ebenso seit der Umgestaltung von § 137 Abs 1 S 1 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378).

3

2. Eine Maßnahme zur Qualitätssicherung in der stationären Versorgung in diesem Sinne ist seit dem 30.4.2002 auch die Steuerung über sog Mindestmengen. Begründet durch das Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (FPG) vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) sollen danach Beschlüsse gefasst werden über einen "Katalog planbarer Leistungen ..., bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände" (anfangs: § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG, seit dem 1.7.2008 inhaltsgleich fortgeführt durch § 137 Abs 3 Nr 2 SGB V in der Neufassung von § 137 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-WSG; im Folgenden jeweils in dieser Neufassung zitiert). In Ergänzung dazu dürfen nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V entsprechende Leistungen nicht erbracht werden, wenn die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen "voraussichtlich nicht erreicht wird". Ausnahmen kann die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde vorsehen, wenn diese Begrenzung "die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte" (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V). Leitend hierfür war die Einschätzung, durch verschiedene Studien werde ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen. Daher sollten Operationen oder Prozeduren gesucht und bestimmt werden, bei denen ein solcher Zusammenhang in besonderem Maße vorliegt (vgl BT-Drucks 14/6893 S 28 und 31).

4

3. Hierauf gestützt haben zunächst die damals noch zuständigen Verbände der Krankenkassen und Krankenhäuser im Dezember 2003 erste Mindestmengen festgesetzt und eine Verfahrensordnung zu deren Weiterentwicklung beschlossen (Vereinbarung gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - Mindestmengenvereinbarung - zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband der Privaten Krankenversicherung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat vom 3.12.2003 - im Folgenden: MMV 2003 - nebst Anlage 1 - Katalog der Prozeduren und Leistungen in der OPS-301 Version 2004 - und Anlage 2 - Allgemeine Ausnahmetatbestände gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V). Danach waren Mindestmengen bestimmt für fünf Leistungsbereiche, nämlich für Transplantationen von Leber (jährlich 10), Niere (jährlich 20) und Stammzellen (jährlich 12 ± 2) sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt) und Bauchspeicheldrüse (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt). Als Ausnahmetatbestand war festgelegt, dass beim Aufbau neuer Leistungsbereiche bzw bei personeller Neuausrichtung bereits bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 bzw 24 Monaten eingeräumt werden (Ziffern 4 und 5 der Anlage 2 der MMV 2003).

5

Diesen Katalog von Mindestmengen hat der GBA nach dem Übergang der Zuständigkeit auf ihn weiter fortentwickelt und um den Bereich der Kniegelenk-TEP sowie die Versorgung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm ergänzt; die zunächst ebenfalls geplante Einbeziehung koronarchirurgischer Eingriffe hat er hingegen zwischenzeitlich aufgegeben. Insoweit hat sich der Gang der Beratungen über die Einführung einer Mindestmenge für kniegelenksersetzende Eingriffe wie folgt vollzogen:

6

a) Eingeleitet worden ist die Beschlussfassung auf Antrag des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen und des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes vom 7.5.2004 mit Erhebungen über den Stand der Literatur sowie Auskünfte und Stellungnahmen, die der GBA von dritter Seite eingeholt hat. Ausgangspunkt dafür war eine Literaturrecherche, die von der Geschäftsstelle des GBA selbst vorgenommen worden ist und zu einer näheren Auswertung von 10 Publikationen aus dem anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren in Kliniken mit Kniegelenk-TEP bei Fallzahlen zwischen 15 und 200 pro Jahr geführt hat. Zeitgleich hat der GBA durch das Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) die Verteilung der Häufigkeit von Kniegelenk-TEP in Deutschland und die Auswirkungen von entsprechenden Mindestmengenvorgaben auf die stationären Versorgungsstrukturen unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Verteilungswirkungen ermitteln lassen. Ebenfalls in diesem zeitlichen Rahmen hat er schließlich bei der von der DKG, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Bundesärztekammer unter Einbeziehung des Deutschen Pflegerats getragenen Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) eine Sonderauswertung der dort erhobenen Daten nach der "Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern" vom 15.8.2006 (QSKH-RL, BAnz Nr 178 S 6361 vom 20.9.2006, zuletzt geändert am 20.10.2011, BAnz Nr 19 S 402 vom 2.2.2012) erbeten. Zusätzliche Stellungnahmen haben abgegeben die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV sowie die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie eV. Nach Auswertung aller Unterlagen hat der GBA die Festsetzung eines Schwellenwertes für Kniegelenk-TEP für das Jahr 2005 noch zurückgestellt und sie zunächst nur dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog für die stationäre Versorgung einbezogen (Beschluss vom 21.9.2004, BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210).

7

b) In der weiteren Folge sind die Beratungen fortgesetzt worden mit Erörterungen zur Methodik der Festlegung von Schwellenwerten und insbesondere dem dabei zu beachtenden Evidenzgrad (Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 26.10.2004 und 11.2.2005). Parallel sind Gespräche mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) über dessen Beteiligung an der Schwellenwertbestimmung geführt worden (Beschlüsse des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 18.3. und 14.7.2004, Sitzungen der "AG Mindestmengen" vom 29.11.2004 sowie 24.2. und 27.4.2005, Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4., 23.5. und 5.7.2005, Sitzungen und Beschlüsse des GBA § 91 abs 7 sgb v> vom 21.12.2004 sowie 17.5. und 21.6.2005). Im Hinblick darauf fand ein von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gestellter Antrag auf vorläufige Festsetzung eines Schwellenwertes von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus mit der Option der Korrektur nach Vorlage eines Schlussberichts des IQWiG zunächst keine Zustimmung (Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4.2005). Stattdessen ist das IQWiG im Juni 2005 formell beauftragt worden, Rechenmodelle für die Indikation Kniegelenk-TEP zu entwickeln und diese zur Ermittlung von Schwellenwerten anzuwenden.

8

c) Nachdem sich im weiteren Verlauf abzeichnete, dass das IQWiG seine Bewertung mutmaßlich nicht vor November 2005 würde abschließen können, hat der GBA im Hinblick auf die nach seiner Verfahrensordnung jeweils spätestens bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffende Entscheidung über die Einführung von Mindestmengen (§ 3 Abs 2 der MMV 2003) am 16.8.2005 beschlossen, einen konkreten Schwellenwert für den Bereich der Kniegelenk-TEP bereits vor der Vorlage des Schlussberichts des IQWiG festzulegen und den Wert nach dessen Erhalt ggf nochmals zu korrigieren. Demgemäß ist der Schwellenwert für Kniegelenk-TEP ab dem 1.1.2006 auf 50 pro Jahr und Krankenhaus bestimmt worden (Beschluss vom 16.8.2005, Anlage 1 Nr 6 der MMV 2003, BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864).

9

d) Die Ergebnisse seiner Studien legte das IQWiG mit Vorbericht vom 17.10.2005 und Ab-schlussbericht vom 5.12.2005 vor: Es habe für die untersuchten Risiken "Unbeweglichkeit" und "Infektion" ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachgewiesen werden können. Die Auswertung unterstütze die Hypothese, dass es bei Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität gebe. Jedoch zeige der Zusammenhang zwischen dem primären Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" und der Fallzahl unerwartet einen U-förmigen Verlauf, der das Konzept einer Mindestmengenregelung für dieses Risiko infrage stelle. Eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Ergebnisqualität scheine hier eher die Definition eines mittleren Leistungsmengenbereichs zu sein, für den indes weitere Untersuchungen notwendig seien. Die Volume-Outcome-Beziehung für den sekundären Qualitätsindikator "Infektion" habe eine sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve gezeigt, die die Hypothese unterstütze, dass High-Volume-Krankenhäuser eine bessere Qualität aufwiesen als Low-Volume-Krankenhäuser. Der Erklärungswert der Fallzahlen sei jedoch zu gering gewesen, um aus dieser Beziehung einen klaren eindeutigen Schwellenwert abzuleiten. Eine Assoziation mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung habe sich nur für Mindestmengen in höheren Qualitätsbereichen ergeben, was jedoch in Zusammenhang zu den weiteren Qualitätsindikatoren zu sehen sei. Zusammengefasst sei ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine Mindestmengenregelung für Patienten mit Kniegelenk-TEP eine Verbesserung der Ergebnisqualität bewirke, nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen (Abschlussbericht S 44 f).

10

e) Nach Veröffentlichung der Berichte des IQWiG hat der GBA mit Beschluss vom 20.12.2005 eine von der DKG im Hinblick auf den Vorbericht des IQWiG beantragte Aussetzung der Mindestmengenfestsetzung für die Kniegelenk-TEP mehrheitlich abgelehnt. Jedoch wurde ein Verfahren für weitere Ausnahmebestimmungen für das Jahr 2006 beschlossen, das es Kliniken mit sehr guter Versorgungsqualität auch unterhalb der Mindestmengen-Schwelle erlaubte, an der Versorgung mit künstlichen Kniegelenken weiter teilzuhaben (Protokoll der Sitzung des GBA vom 20.12.2005). In Einzelfällen ist davon Gebrauch gemacht worden (vgl etwa Beschluss des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 27.9.2006).

11

f) Im weiteren Verlauf hat der GBA die getroffenen Mindestmengen-Festsetzungen in jährlichen Beschlüssen redaktionell der aktuellen Fassung der jeweils maßgeblichen OPS-Klassifikation angepasst und teilweise auch die Fallzahl geändert; im Bereich der Kniegelenk-TEP blieb der Schwellenwert von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus allerdings unverändert (Beschluss vom 19.12.2006, BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; Beschluss vom 22.11.2007, BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; Beschluss vom 17.12.2009, BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; Beschluss vom 11.11.2010, BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Ergänzend hat er eine Studie zu den Auswirkungen der Mindestmengen-Festsetzungen in den verschiedenen Leistungsbereichen in Auftrag gegeben, die im Dezember 2007 vorgelegt worden ist (Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 bis 30.11.2007).

12

4. Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten zugelassenen Krankenhauses mit medizinischem, psychiatrischem und operativem Zentrum mit insgesamt 816 Betten im Jahr 2010. Im Bereich der Chirurgie betreibt sie neben Einrichtungen für weitere Teilbereiche eine Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie, in der auch kniegelenksersetzende Operationen ausgeführt werden. Damit erreichte sie nach anfänglich geringeren Fallzahlen in den Jahren 2008, 2009 und 2010 Fallzahlen von 29, 40 bzw 50 Eingriffen pro Jahr; im ersten Halbjahr 2011 setzte sie 15 Kniegelenk-TEP ein; bei 50 Operationen im Jahr 2011 hätte sie daraus eigener Angabe zufolge Erlöse von etwa 364 000 Euro erzielen können. 2010 erzielte sie bei einem Umsatz aus Krankenhausleistungen von 91,7 Millionen Euro und einem Gesamtumsatz von 104,9 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 2,8 Millionen Euro (Jahresabschluss der R. Kliniken GmbH zum 31.12.2010, vgl https://www.unternehmensregister.de/ , recherchiert am 13.8. 2012).

13

Im September 2008 hat die Klägerin Klage beim LSG mit dem Ziel erhoben, die Teilnichtigkeit der Mindestmengen-Regelung im Bereich der Kniegelenk-TEP feststellen zu lassen. Sie werde durch sie in unverhältnismäßiger Weise in ihrer ärztlichen Therapiefreiheit eingeschränkt. Die Regelung sei verfassungswidrig. Auch sei von ihr nicht in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht worden. Der Schwellenwert von 50 Operationen im Jahr sei willkürlich und nicht wissenschaftlich belegt.

14

Das LSG hat entschieden, dass die Mindestmengenvereinbarung idF des Beschlusses vom 16.8.2005, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11.11.2010, nichtig sei, soweit für Kniegelenk-TEP eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus festgelegt werde (Urteil vom 17.8.2011): Als verbindliche untergesetzliche Norm sei der angefochtene Beschluss zur Vermeidung nicht hinnehmbarer Rechtsschutzlücken im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG überprüfbar. Auch unter Berücksichtigung der gebotenen Zurückhaltung gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten habe sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses bei Kniegelenk-TEP iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sei. Schon verfahrensrechtlich bestünden erhebliche Bedenken, weil der GBA bei der Einführung der Mindestmengen das Ergebnis der IQWiG-Beauftragung nicht abgewartet habe. Jedenfalls lägen für eine in besonderem Maße gegebene Abhängigkeit von Leistungsmenge und Leistungsqualität keine belastbaren wissenschaftlichen Belege vor. Insbesondere habe der Abschlussbericht des IQWiG lediglich die Hypothese bestätigt, dass ein solcher Zusammenhang bestehe. Ein belastbarer, gerichtlich nachprüfbarer wissenschaftlicher Nachweis sei dem IQWiG-Bericht zufolge aber nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen.

15

5. Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Mindestmengenregelung auf weitere Umsetzungsakte entweder über gesonderte Planungsentscheidungen der Landeskrankenhausplanungsbehörde oder im Rahmen der Pflegesatzvereinbarungen nach § 18 KHG angelegt und Rechtsschutz jeweils in diesem Rahmen zu erlangen sei. Unbegründet seien die Bedenken im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Beschlussfassung und die Ausführungen zu dem Verhältnis zwischen GBA und IQWiG. Das LSG habe auch den Begriff der planbaren Leistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V fehlerhaft ausgelegt und zudem zu Unrecht wissenschaftlich belastbare Belege für eine besondere Kausalität zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität gefordert. Das nach der gesetzlichen Vorschrift erforderliche besondere Maß zwischen Menge und Qualität sei nicht Voraussetzung für die Festlegung der konkreten Mindestmenge, sondern ausschließlich zur Bestimmung des jeweiligen Leistungsbereichs, für den eine Mindestmenge in Betracht zu ziehen sei. Zumindest aber hätte das LSG nicht die Nichtigkeit der Mindestmengenregelung feststellen dürfen; dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage.

16

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision des GBA ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG); ob die angefochtenen Mindestmengenbeschlüsse rechtmäßig sind, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

19

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 3. Senat des BSG als Spruchkörper für das (allgemeine) Leistungserbringerrecht der GKV, nicht aber der für Vertragsarztangelegenheiten gebildete 6. Senat des BSG (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG). Streitigkeiten über die Befugnis zur Erbringung von Krankenhausleistungen nach dem SGB V sind entgegen der Auffassung des LSG auch dann der (allgemeinen) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung iS von § 10 Abs 1 SGG und nicht dem Vertragsarztrecht iS von § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen, wenn sie unmittelbar eine Entscheidung des GBA zum Gegenstand haben.

20

Schon in der Vergangenheit sind der erkennende 3. sowie der 1. Senat des BSG in Abgrenzung zur damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats (vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; fortgeführt von BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff) davon ausgegangen, dass eine vertragsarztrechtliche Streitigkeit jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn - wie hier - eine vertragsärztliche Leistungserbringung gar nicht in Rede steht (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f; vgl auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 10 ff). Dies hat nunmehr der Gesetzgeber mit der zum 1.1.2012 in Kraft getretenen Konkretisierung von § 10 Abs 2 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze(4. SGB IV-ÄndG) vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) ausdrücklich bekräftigt. Dem Vertragsarztrecht explizit zugeordnet sind danach Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA nur, soweit diese die vertragsärztliche Versorgung betreffen (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG), auf solche Entscheidungen und Regelungen bezogene Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem GBA (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 2 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG) sowie weitere im Einzelnen aufgeführte Streitigkeiten, zu denen die hier maßgebliche Regelungsmaterie ebenfalls nicht zählt (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG).

21

Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass alle sonstigen leistungserbringungsrechtlichen Streitigkeiten der GKV weiterhin den iS von § 10 Abs 1 SGG für die (allgemeine) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung zuständigen Spruchkörpern zuzuordnen sind(zu dem Regel-Ausnahme-Verhältnis vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 5; Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 12). Ebenso ist nach den Materialien auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei sektorenübergreifenden oder spezifisch den Krankenhausbereich betreffenden Richtlinien und Beschlüssen des GBA von einer Zuordnung zu den Spruchkörpern für die (allgemeine) Krankenversicherung auszugehen ist. Als solche sind in den Materialien ausdrücklich die hier im Streit stehenden Beschlüsse nach § 137 Abs 3 SGB V aufgeführt(vgl BT-Drucks 17/6764 S 26). Diese Interpretation des Gesetzes haben sich zwischenzeitlich die betroffenen Senate des BSG übereinstimmend zu eigen gemacht (vgl SGb 2012, 495 ff), sodass eine Vorlage an den Großen Senat des BSG zu dieser Frage nicht mehr veranlasst ist (vgl hierzu im Weiteren auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 17).

22

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Einbeziehung der Kniegelenktotalendoprothetik in die Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ab dem 1.1.2006. Erfasst sind damit alle insoweit maßgeblichen Beschlüsse, nämlich zunächst die Aufnahme der Kniegelenk-TEP in den Katalog planbarer Leistungen dem Grunde nach durch Beschluss vom 21.9.2004 (BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210), sodann die Festlegung der Mindestmenge auf jährlich 50 Operationen pro Krankenhaus mit Beschluss vom 16.8.2005 (BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864) sowie desweiteren die wiederholenden Beschlüsse vom 19.12.2006, 22.11.2007, 18.12.2008, 17.12.2009 und 11.11.2010 (BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Zu Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der Beschluss vom 21.9.2004 unmittelbare Rechtsfolgen für die an der GKV-Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser noch nicht gehabt hat. Allerdings tritt die Sperrwirkung des § 137 Abs 3 S 2 SGB V nur ein, sofern die betreffende Leistung - hier die Kniegelenk-TEP - auch dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V aufgenommen worden ist. Dies war Gegenstand bereits des Beschlusses vom 21.9.2004, der durch den Beschluss vom 16.8.2005 auch dem Wortlaut nach lediglich um die Mindestmenge von 50 Operationen jährlich ergänzt worden ist. Dementsprechend versteht der Senat das Klagebegehren dahin, dass über die Mindestmengenbestimmung für Kniegelenk-TEP durch die Beschlüsse vom 21.9.2004 sowie 16.8.2005 in der jeweils zu Jahresbeginn aktualisierten Fassung befunden werden sollte und vom LSG auch entschieden worden ist, zuletzt also in Gestalt des Beschlusses vom 11.11.2010.

23

3. Die mit diesem Rechtsschutzziel erhobene Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA hat das LSG zu Recht als zulässig erachtet; dagegen wendet sich der Beklagte ohne Erfolg.

24

a) Nach ständiger und zwischenzeitlich vom Gesetzgeber ebenfalls aufgegriffener Rechtsprechung des BSG gebietet die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG die Anerkennung der Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Wie der 6. Senat des BSG bereits eingehend dargelegt hat, leitet das BVerfG aus Art 19 Abs 4 GG ab, dass die Fachgerichte Feststellungsklagen als Rechtsschutzmittel gegen untergesetzliche Rechtsnormen anerkennen müssen (vgl BVerfGE 115, 81, 92 iVm S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 41 iVm 49 ff). Auch ohne eine § 47 VwGO entsprechende Regelung ist danach in der Sozialgerichtsbarkeit gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA vergleichbarer Rechtsschutz im Wege der Feststellungsklage zu gewähren. Das hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber bekräftigt, wie insbesondere die durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) eingeführte Regelung des § 29 Abs 4 SGG unter Verzicht auf die Einfügung einer § 47 VwGO entsprechenden Regelung im SGG erweist. Die Zuständigkeitsbestimmung für Klagen ua gegen Richtlinien des GBA nach § 92 SGB V(§ 29 Abs 4 Nr 3 SGG) ist ausdrücklich von der Erwartung getragen, dass nach der Rechtsprechung des BSG Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtssätze weiterhin durch Feststellungsklage zu gewähren und deshalb die Einführung eines allgemeinen Normenkontrollverfahrens wie nach § 47 VwGO für das SGG entbehrlich ist(vgl BT-Drucks 16/7716 S 16). Diese Motivation des Gesetzgebers wird mittelbar dadurch bestätigt, dass das durch Art 4 Nr 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) mit Wirkung vom 1.4.2011 eingeführte Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG ausschließlich Rechtsvorschriften nach oder in Zusammenhang mit § 22a Abs 1 SGB II betrifft.

25

b) Die Mindestmengenbestimmungen des GBA sind untergesetzliche Rechtsnormen in diesem Sinne. Wie die Richtlinien nach § 92 SGB V entfalten sie unmittelbare Bindungswirkung für Versicherte, Krankenkassen sowie Leistungserbringer und sind wie diese dem GBA als Normsetzungsgremium übertragen. Sie ergehen als "Beschluss" (§ 137 Abs 3 S 1 SGB V) und damit wie gemäß § 91 SGB V alle Entscheidungen des GBA in seiner Funktion als rechtsetzende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Als solche nehmen sie neben der partiellen Verbindlichkeitsanordnung nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V(bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF Art 1 Nr 54 GKVRefG2000) ebenfalls an der generellen Regelung des § 91 Abs 6 SGB V teil, wonach mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V alle Beschlüsse des GBA für Versicherte und Leistungserbringer verbindlich sind. Auch für Zuständigkeit und Verfahren gelten die Maßgaben des § 91 SGB V genauso wie für Richtlinien nach § 92 SGB V. Zuständig für die Mindestmengenbestimmung ist danach das Beschlussgremium des GBA in seiner Besetzung mit von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der DKG und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Trägerorganisationen des GBA benannten sowie unparteiischen Mitgliedern (§ 91 Abs 2 SGB V). Nach Maßgabe der von ihm zu beschließenden Verfahrensordnung (§ 91 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB V)und nach Anhörung der zu beteiligenden Verbände hat dieses Beschlussgremium jeweils mit Mehrheit zu entscheiden (§ 91 Abs 7 SGB V). Diese konkrete Ausgestaltung - die Delegation der Entscheidungsverantwortung auf die gemeinsame Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen, die Regeln für die Entscheidungsfindung sowie die Verbindlichkeit für Versicherte und Krankenhäuser - weist die Mindestmengenbeschlüsse des GBA als Gegenstand untergesetzlicher Normgebung aus. Systematisch entspricht dies den in der Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Kriterien und wird bekräftigt durch die Entstehungsgeschichte.

26

In systematischer Hinsicht hat das BSG schon in früheren Entscheidungen zu den durch das GMG zum GBA zusammengeführten Bundesausschüssen bei der Qualifizierung von Richtlinien als untergesetzliche Normen wesentlich auf deren allseitige Bindungswirkung für Versicherte und Leistungserbringer und das zugrunde liegende Regelungskonzept abgestellt, die leistungs- und leistungserbringungsrechtlichen Einzelheiten der GKV-Versorgung auf gesetzlicher Grundlage von Gremien der funktionalen Selbstverwaltung konkretisieren zu lassen (zum Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG grundlegend BSGE 78, 70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 f; BSGE 81, 54, 63 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 18 ff; BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 55 ff; BSGE 81, 182, 187 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; zum Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG BSGE 81, 207, 210 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 10; zum Ausschuss Krankenhaus nach § 137c Abs 2 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 57 des GKVRefG2000 BSGE 90, 289, 291 ff = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 7 ff). Diese Prinzipien gelten nunmehr genauso für die Richtlinien des GBA (vgl grundlegend BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28, 58 ff; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 40; ebenso BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 32 - 33). Dies lässt nur den Schluss zu, dass die demselben Verfahren unterstellten Mindestmengenbeschlüsse ebenfalls Normeigenschaft besitzen und nicht als Behördenentscheidung mit Verwaltungsaktcharakter zu qualifizieren sind.

27

Das wird auch durch die Historie der Mindestmengenregelung bekräftigt. Die Zusammenführung der verschiedenen (Bundes-)Ausschüsse zum GBA hatte zum Ziel, eine sektorenübergreifende Rechtsetzungseinrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung zu etablieren (vgl BT-Drucks 15/1525 S 106). Dieser funktionalen Zuordnung entsprach die Mindestmengenregelung bereits in der ursprünglichen Fassung mit der Zuständigkeit der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbands der privaten Krankenversicherung sowie der DKG und dem Auftrag zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen als normativ wahrzunehmender Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung (vgl § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG iVm Abs 2 S 1 idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Auch das Zustandekommen dieser Vereinbarungen war ungeachtet ihrer Bezeichnung bereits als Beschlussverfahren mit der Möglichkeit der Hinzuziehung unparteiischer Dritter ausgestaltet (vgl § 137 Abs 3 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Insofern hat zwar mit der Übertragung der Zuständigkeit auf den zum 1.1.2004 neu gebildeten GBA die formale Verantwortung für die Umsetzung der Mindestmengenregelung gewechselt; unberührt davon geblieben ist aber der Rechtscharakter als einer von Anfang an durch untergesetzliche Rechtsetzung zu erfüllenden Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Krankenhäusern.

28

c) Vorrangig wahrzunehmende andere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Mindestmengenentscheidung stehen der Klägerin nicht offen. Auf sonstige Klagen gegen die Rechtsfolgen untergesetzlicher Rechtsnormen sind die Normbetroffenen nach der Rechtsprechung des BSG nur verwiesen, wenn effektiver Rechtsschutz auch ohne eine Feststellungsklage zu erlangen ist (vgl etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dass eine solche anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestanden hätte, ist entgegen der Auffassung des GBA nicht ersichtlich.

29

Mindestmengenbeschlüsse nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V sind gemäß § 91 Abs 6, § 137 Abs 3 S 6 SGB V ohne weiteren Vollzugsakt für Versicherte, Krankenhäuser und Krankenkassen unmittelbar verbindlich und stehen daher der Leistungserbringung nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V in der Regel ab dem 1. Geltungstag entgegen, wenn die Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird. Daran können sich zwar im Gefolge zusätzliche und gesondert angreifbare Rechtsfolgen ergeben, etwa die Versagung der Vergütung einer gleichwohl erbrachten Krankenhausleistung. Eine solche Möglichkeit inzidenten Rechtsschutzes gegen die im Streit stehenden Mindestmengenbeschlüsse ist hier jedoch nicht ersichtlich.

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Das gilt auch, soweit der GBA auf mögliche Rechtsschutzverfahren im Zusammenhang mit den Pflegesatzverhandlungen nach § 18 KHG verweist. Dabei kann offenbleiben, ob in diesem Rahmen für die Klärung der hier im Streit stehenden Frage überhaupt Raum wäre, was die Klägerin in Zweifel zieht. Denn anders als vom Gesetz vorgesehen (§ 18 Abs 3 S 1 KHG)waren diese Verhandlungen - wie regelmäßig auch sonst - in keinem der hier maßgeblichen Leistungszeiträume bereits vor Leistungserbringung abgeschlossen; sie wurden regelmäßig im laufenden Kalenderjahr überhaupt erst aufgenommen. Selbst wenn also in Rahmen der Pflegesatzverhandlung eine inzidente Prüfung der beanstandeten Mindestmengenbestimmung möglich wäre, hätte auf diesem Weg kein ausreichend effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden können. Denn jedenfalls beim vollständigen Ausschluss auch nur mit einzelnen Leistungen aus der GKV-Versorgung ist es einem Leistungserbringer ständiger Rechtsprechung zufolge nicht zuzumuten, seine Teilnahmebefugnis erst nach Leistungserbringung klären zu können und deshalb - von etwaigen daraus resultierenden Verstößen gegen berufsrechtliche Vorgaben oder Obhutspflichten im Verhältnis zu Patienten sowie möglichen sonstigen Folgen ganz abgesehen (vgl zu den Konsequenzen einer Teilnahme an der Krankenhausversorgung ohne Zulassung BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 43 ff) - zumindest das Risiko zu tragen, die gleichwohl erbrachten Leistungen nicht vergütet zu erhalten (vgl etwa BSGE 109, 9 = SozR 4-2500 § 126 Nr 3, RdNr 8; BSGE 103, 78 = SozR 4-3300 § 71 Nr 1, RdNr 9). Dieses unwägbare Risiko rechtfertigt deshalb eine Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA, wenn - wie hier - die Rechtmäßigkeit der Mindestmengenbestimmung dem Grunde nach im Streit steht; ob das auch gilt, wenn ausschließlich um ihre Anwendbarkeit im Einzelfall - etwa wegen schwankender Leistungsmengen in den Vorjahren - gestritten wird, kann hier offenbleiben.

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4. Rechtsgrundlage der Mindestmengenbeschlüsse ist § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Danach fasst der GBA für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände. Die in Wahrnehmung dieses Auftrags erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Beschlüsse sind nach der Rechtsprechung des BSG formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (stRspr, vgl nur BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26 - Arzneimittelfestbeträge; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). Uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt deshalb, ob die fragliche Versorgung - hier die Kniegelenk-TEP - zu Recht der Mindestmengenbegrenzung unterworfen worden ist, weil sie eine "planbare Leistung" darstellt, bei der iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V "die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist"; insoweit sind dem GBA Gestaltungsspielräume nicht belassen. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl nur BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68 - Therapiehinweise). Daran gemessen ist die Annahme des GBA nicht zu beanstanden, dass die Versorgungsqualität bei Kniegelenk-TEP im Sinne der Mindestmengenregelung in besonderem Maße von der Leistungsmenge abhängig und deshalb ein entsprechender Normsetzungsspielraum eröffnet ist; insoweit folgt der erkennende Senat dem LSG nicht. Keine abschließende Entscheidung vermag der Senat dagegen auf Grundlage der Feststellungen des LSG zu treffen, ob der GBA von seinem Gestaltungsspielraum rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

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5. Keinen Bedenken unterliegt die Mindestmengenbestimmung, soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Einwände gegen die gesetzliche Regelung erhebt.

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a) Nicht zweifelhaft ist zunächst, dass der Gesetzgeber die Beteiligung an der GKV-Versorgung im Rahmen des Verhältnismäßigen an besondere Anforderungen zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit knüpfen darf. Solche Anforderungen verbleiben auf der Ebene der Berufsausübungsregelung und lassen den Status des Leistungserbringers unberührt, sofern sie nur die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen zu Lasten der GKV ausschließen und weder seinen Zugang zu einem Versorgungsbereich überhaupt begrenzen noch ihn im Kernbereich seines Fachgebiets einschränken (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22). Ungeachtet der vom BVerfG offengelassenen Frage, ob grundsätzlich immer der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG tangiert ist, sind hierdurch bewirkte Abgrenzungen zwischen Gruppen verschiedener Leistungserbringer mit unterschiedlicher Qualifikation jedenfalls dann zumutbar, wenn sie vom fachlich medizinischen Standpunkt aus sachgerecht sind und der betroffene Leistungserbringer in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit weiterhin eine ausreichende Lebensgrundlage finden kann (BVerfGE 106, 181, 196 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 175 - Gebietsbezeichnung). Von diesem Maßstab ausgehend hat das BVerfG es zB nicht beanstandet, dass Fachärzten für Orthopädie oder für Kardiologie ohne zusätzliche Weiterbildung die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen an gesetzlich Versicherten versagt worden ist (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats> BVerfGK 17, 381 = SozR 4-2500 § 135 Nr 16). Demgemäß begegnen Versorgungsbeschränkungen infolge der Mindestmengenregelung - wenn sie nicht den gesamten Kernbereich eines Fachgebiets betreffen und deshalb an den strengeren Anforderungen der subjektiven Berufswahlregelung zu messen sind - ebenfalls keinen Bedenken, sofern sie entsprechend der mit der Regelung verfolgten Zielsetzung rechtlich erhebliche Qualitätsvorteile erwarten lassen und diese Vorteile durch weniger belastende Vorgaben der Qualitätssicherung nicht ebenso erreichbar erscheinen. Ob dem in der Umsetzung genügt wird, ist keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm, sondern ihrer Auslegung und Anwendung im Einzelfall; jedenfalls die Vorschrift selbst unterliegt den von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken ersichtlich nicht.

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b) Das gilt auch, soweit zur Konkretisierung des gesetzlichen Regelungsprogramms der GBA als Normgeber ermächtigt worden ist. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33). Zu früher kritischen Stimmen hat sich in jüngerer Zeit die Literatur gegenteilig geäußert (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Rechtlich unbedenklich ist im Fall der Mindestmengenregelung auch die von der Klägerin gerügten Weite der Vorschrift. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtend gibt die Regelung im Kontext ihrer systematischen Stellung und ihrer Entstehungsgeschichte dem GBA ein hinreichend dichtes Normprogramm vor, das dem ihm hierdurch übertragenen Konkretisierungsauftrag ausreichend klare Konturen verleiht.

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6. Eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge "in besonderem Maße" besteht bei Krankenhausleistungen von hoher Komplexität, bei denen eine regelmäßige Praxis mit gerade diesen Leistungen einen über andere Instrumente der Qualitätssicherung so nicht zu gewährleistenden Einfluss auf die Güte der Versorgung hat.

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a) Entstehungsgeschichte und Systematik weisen die Mindestmengenregelung als Teil eines Bündels von Vorschriften aus, mit denen der Gesetzgeber die Anforderungen an die Qualitätssicherung im Zuge der steigenden Wettbewerbsorientierung der GKV-Versorgung zunehmend ausgeweitet hat. So ist zunächst die Qualitätssicherung für den stationären Bereich mit dem GKVRefG2000 aus dem Anwendungsbereich der Landesverträge nach § 112 SGB V gelöst und zum Gegenstand einer bundeseinheitlichen untergesetzlichen Rechtsetzung nach § 137 SGB V gemacht worden. Zugleich sind die Krankenhäuser auf ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und auf Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach Maßgaben verpflichtet worden, die von der gemeinsamen Selbstverwaltung vorzugeben sind (§ 135a Abs 2 und § 137 Abs 1 S 1 und S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Ebenfalls bereits seit dem GKVRefG2000 müssen auf dieser Ebene nähere Bestimmungen getroffen werden ua zur indikationsbezogenen Qualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Krankenhaus, insbesondere bei aufwändigen medizintechnischen Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Mit dem FPG ist dieses Spektrum weiter um die Verpflichtung ergänzt worden, auch Mindestanforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Desgleichen ist den Krankenhäusern aufgegeben worden, regelmäßig Qualitätsberichte zu veröffentlichen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 6 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Schließlich hat der Gesetzgeber zuletzt mit Wirkung vom 1.7.2008 eine externe Qualitätsberichterstattung eingeführt, für die von den Krankenhäusern im Einzelnen festgelegte Daten zu liefern sind (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 106 Buchst b bzw Art 1 Nr 111 des GKV-WSG; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983).

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b) In diesem Regelungsgeflecht beruht die Einführung der Mindestmengenregelung auf der Einschätzung, dass in verschiedenen Studien ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen wird. Deshalb sollten die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung Operationen oder Prozeduren suchen und bestimmen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zahl der durchgeführten Eingriffe und der Qualität der Leistung in besonderem Maße vorliegt. Die hieraus abzuleitende Mindestanzahl ist - so die Intention des Gesetzgebers - als Voraussetzung für eine qualitativ gute Leistung anzusehen (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31). Im Laufe der Beratungen ist dieses zunächst nur als Empfehlung gedachte Instrumentarium (BT-Drucks aaO) einerseits zu einer rechtlich verbindlichen Vorgabe ausgestaltet worden (vgl BT-Drucks 14/7824 S 6 und BT-Drucks 14/7862 S 5), andererseits sind die rechtlichen Folgen wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf die Krankenhausplanung und die Aufrechterhaltung der Versorgung in den Ländern (vgl BR-Drucks 3/4/02 S 1 f) auf Initiative des Vermittlungsausschusses (vgl BT-Drucks 14/8362 S 2) dahin abgemildert worden, dass bei einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung Ausnahmen von einer Mindestmengenbestimmung zugelassen werden dürfen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

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c) Mit diesem Ansatz muss die Mindestmengenregelung im Gefüge der weiteren Vorschriften zur Qualitätssicherung schon verfassungsrechtlich auf Ausnahmelagen beschränkt bleiben, bei denen die Einflussnahme über die Leistungsmenge Versorgungsvorteile verspricht, die über weniger belastende andere Instrumente der Qualitätssicherung mutmaßlich nicht zu gewinnen sind. Zwar wirkt die Regelung nicht auf die Freiheit der Berufswahl zurück, solange nicht weite Teile der stationären Versorgung von ihr komplett erfasst werden. Auch ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, dass das Fallpauschalensystem wirtschaftlich zur Spezialisierung anreizt und daher nicht jede Leistung in jeder Einrichtung in gleicher Weise auskömmlich erbracht werden kann (vgl zu solchen Entwicklungen als mögliche Folge der Umstellung auf das Fallpauschalensystem BT-Drucks 14/6893 S 28); Anspruch auf Finanzierung unwirtschaftlicher Leistungsstrukturen aus den Mitteln der GKV besteht nicht (vgl zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben für vergütungsrechtliche Vorschriften BVerfGE 101, 331, 349 ff, 351). Jenseits dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Anreize für eine verstärkte Konzentration des Leistungsgeschehens greift eine nur in Grenzen selbst beeinflussbare Mindestmengenvorgabe aber intensiver in die Berufsfreiheit eines Krankenhaues ein als qualitative Anforderungen an die Leistungserbringung, über deren Erfüllung jedenfalls rechtlich jeder Träger autonom selbst entscheiden kann. Solange das angestrebte Qualitätsniveau bei vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand durch sonstige Vorgaben der Qualitätssicherung ebenso erreichbar erscheint wie über eine Mindestmengenbestimmung, ist verfassungsrechtlich der Steuerung über das mildere Mittel der verhaltensabhängigen Qualitätsanforderung der Vorzug zu geben. Raum für Mindestmengengrenzen bleibt deshalb jedenfalls aus Gründen der Qualitätssicherung nach Maßgabe von Art 12 Abs 1 GG nur, soweit sie Qualitätsvorteile zu gewährleisten versprechen, die mit vertretbarem Aufwand anderweitig nicht erreichbar erscheinen.

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d) Dasselbe folgt aus der Systematik der Qualitätssicherungsvorschriften, die beginnend mit dem GKVRefG2000 für die stationäre Versorgung eingeführt worden sind. Angefangen von der Kompetenz zur Bestimmung von allgemeinen Anforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)über die Befugnis zur Begründung von Vorgaben zur indikationsbezogenen Qualität diagnostischer und therapeutischer Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)bis zur Ausgestaltung der verpflichtenden einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (§ 135a Abs 2 S 1 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 135a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 100 des GMG iVm § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG) sind dem GBA eine Vielzahl von Instrumenten an die Hand gegeben, über die er durch verhaltens- und qualifikationsabhängige Anforderungen auf die Versorgungsqualität im stationären Bereich einwirken kann. Mit der Bündelung sämtlicher dieser Instrumente bei ihm durch das GMG ist insoweit auch funktionell sichergestellt, dass diese unterschiedlichen Ansätze inhaltlich aufeinander abgestimmt werden und jeweils an der Stelle reagiert werden kann, die den angestrebten Erfolg am wirksamsten verspricht. Dazu trägt weiter bei, dass mit der ab dem 1.7.2008 eingeführten externen Qualitätsberichterstattung (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-VStG vom 22.12.2011) zwischenzeitlich auch eine Datengrundlage für entsprechende Maßnahmen aufgebaut wird. Dieses im Laufe der Zeit immer stärker ausdifferenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze zur Qualitätssicherung lässt ebenfalls nur den Schluss zu, dass die Steuerung über Leistungsmengen Anlässen vorbehalten bleiben soll, bei denen sie Vorteile gegenüber anderen Instrumenten der Qualitätssicherung versprechen kann.

40

e) Systematisch kommt der Mindestmengenregelung damit eine Ausnahmestellung in doppelter Hinsicht zu. Auf der einen Seite steht sie zu den sonstigen qualitätssichernden Normen für den stationären Bereich vom Grundsatz her in dem beschriebenen Nachrangverhältnis. Auf der anderen Seite wird sich ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine vielfach auch ohne gesonderte Steuerung über Mindestmengenvorgaben einstellen. Ein entsprechendes Mindestmaß erfordern schon die berufsrechtlichen Weiterbildungsordnungen als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Wo dies nicht ausreicht, wird sich bei dem überwiegenden Teil der Krankenhausleistungen die erforderliche Erfahrung auch ohne rechtliche Regelung schon deshalb ergeben, weil die Leistungen ohnehin in großer Zahl anfallen. Anlass für eine zusätzliche rechtliche Mengensteuerung kann deshalb nach der Regelungssystematik nur bei Versorgungen bestehen, die einerseits vergleichsweise selten anfallen und andererseits wegen ihrer Komplexität, wegen sonstiger fachlicher Anforderungen oder wegen der Folgen bei Diagnose- oder Behandlungsfehlern aus medizinischer Sicht eine regelmäßige Praxis und Übung erfordern, sodass deshalb eine ausdrückliche Regelung angezeigt erscheint.

41

f) Auf diese doppelte Begrenzung der Qualitätssteuerung über Leistungsmengen und nicht auf eine besondere Augenfälligkeit des Zusammenhangs von Menge und Qualität nimmt die Mindestmengenregelung Bezug, soweit sie eine Abhängigkeit von Menge und Qualität "in besonderem Maße" voraussetzt (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V). Ohnehin ist sprachlich unklar, wann im Sinne der angefochtenen Entscheidung eine Kausalität als "besonders" zu qualifizieren ist. Jedenfalls verbietet sich ein rein kausalbezogenes Verständnis schon aus systematischen Gründen. Ob Mindestmengen einen auf andere Weise nicht zu gewinnenden Beitrag zur Qualitätssicherung leisten können, hängt nicht davon ab, wie offen die Kausalität von Menge und Leistungsqualität zu Tage liegt. Entscheidend ist vielmehr, ob ohne Mengensteuerung eine anders nicht aufzufangende Qualitätseinbuße zu besorgen ist. Ein besonderes Maß an Abhängigkeit hat die Leistungsqualität deshalb dann von der Leistungsmenge, wenn sie über die üblichen Vorteile einer jeden ("normalen") Routine und Erfahrung hinausgehend einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag für die Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bietet.

42

Hierdurch ist die Anwendung der Mindestmengenregelung bereits im Ansatz auf solche Bereiche der stationären Versorgung beschränkt, bei denen sie einen für die Versorgung substantiellen eigenständigen Beitrag zur Verwirklichung des in § 2 Abs 1 S 3 SGB V umschriebenen Versorgungsstandards der GKV gewährleisten kann. Das versteht der Senat - insoweit ebenso wie das LSG - dahin, dass nicht alle Felder der stationären Versorgung einer Qualitätssteuerung über die Leistungsmenge unterworfen sind. Vielmehr sieht er die Anwendung der Regelung auf solche Versorgungsbereiche beschränkt, bei denen vergleichsweise geringe Fallzahlen auf eine hohe medizinische Komplexität mit besonders hohen Anforderungen an die Versorgung und/oder besonders hohen medizinischen Risiken treffen. Nur in solchen Situationen kann die regelmäßige Erfahrung und Routine mit gerade dieser Leistungserbringung neben allen anderen Ansätzen der Qualitätssicherung eine so eigenständige Bedeutung für deren Qualität erlangen, dass sie im Sinne der Mindestmengenregelung als "in besonderem Maße" verantwortlich für die Versorgungsqualität angesehen werden kann. Das deckt sich im Übrigen - ohne dass dies allerdings rechtlich entscheidend wäre - mit dem Verständnis des GBA, der abgesehen von den Mindestmengen bei Kniegelenk-TEP und den ebenfalls beim BSG anhängigen Untergrenzen für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm entsprechende Vorgaben nur noch für fünf weitere Leistungsbereiche getroffen hat, nämlich für Transplantationen von Leber, Niere und Stammzellen sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse. Leistungen, die dem gegenüber nach den Fallzahlen oder den Versorgungsanforderungen der Routineversorgung zuzurechnen sind, fallen hingegen schon im Ansatz nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.

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7. Eröffnet ist der Gestaltungsspielraum des GBA danach durch die Mindestmengenregelung bei medizinischen Leistungen von hoher Komplexität, bei denen die Versorgungsqualität eine Abhängigkeit von der Leistungsmenge aufweist. Ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, unterliegt als Ausgangspunkt seiner Entscheidung uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, wie das LSG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG zutreffend entschieden hat (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26). Das bemisst sich entgegen dessen Auffassung indes nicht nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin. Entscheidend ist vielmehr, ob die Studienlage nach wissenschaftlichen Maßstäben einen solchen Zusammenhang wahrscheinlich machen kann:

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a) Das LSG hat von seinem Normverständnis ausgehend darauf abgestellt, ob im Verhältnis zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität eine "besondere Kausalität" nachzuweisen ist, und hat dazu auf Prinzipien der evidenzbasierten Medizin zurückgegriffen. Das überzeugt schon vom Wortsinn nicht: Ein Kausalzusammenhang kann bestehen oder nicht bestehen, nicht aber in gesteigerter Weise vorliegen. Auch ansonsten statuiert die Norm mit der in besonderem Maße vorausgesetzten Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie bereits dargelegt - keine gesteigerten Nachweisanforderungen. Diese Abhängigkeit ist nicht dann "besonders", wenn sie besonders augenfällig zu Tage tritt. Das Tatbestandsmerkmal beschränkt vielmehr den Anwendungsbereich der Mindestmengenregelung auf Versorgungen, bei denen Fallzahluntergrenzen einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag zur Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bieten können. Das hängt allein davon ab, ob die Qualität der konkret in Rede stehenden Behandlung - hier: Kniegelenk-TEP - mit anderen Instrumenten der Qualitätssicherung mutmaßlich ebenso beeinflusst werden könnte wie - unterstellt, ein solcher Zusammenhang bestünde - mit Erfahrung und Routine. Erforderlich dazu ist eine medizinische Bewertung unterschiedlicher Qualitätssicherungsansätze. Nicht entscheidend ist dagegen, ob der Nachweis der Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie es das LSG gefordert hat - in kontrollierten Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin geführt werden konnte.

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b) Dafür besteht im Übrigen auch aus systematischen Gründen kein Anlass. Die methodischen Anforderungen der evidenzbasierten Medizin im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht der GKV sind ausgerichtet auf und gerechtfertigt durch die materiellen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs 1 SGB V, das grundsätzlich eine Versorgung nur mit Leistungen zulässt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten. Jedenfalls neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 135 Abs 1 SGB V; vgl aber nunmehr auch etwa § 137c SGB V) dürfen deshalb von Leistungserbringern nur erbracht und von Versicherten nur beansprucht werden, wenn ihr Erfolg in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl etwa BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN). Verbleiben gemessen an diesen Anforderungen - in der Regel auf der höchsten Evidenzstufe - Zweifel, so geht dies zum Schutz der Patienten vor Gesundheitsrisiken und im Interesse der Versichertengemeinschaft zu Lasten der nicht hinreichend belegten Methode (stRspr, grundlegend BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN).

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Solche Gründe für gesteigerte Evidenzanforderungen bestehen bei der Mindestmengenregelung nicht. Sie bezweckt für einen engen Bereich medizinischer Leistungen Versorgungsvorteile, soweit die Konzentration der Leistungserbringung auf Einrichtungen mit größerer Erfahrung und Routine auf gerade diesen Feldern ein höheres Maß an Behandlungsqualität erwarten lassen kann. Die Annahme, dass der Gesetzgeber den Versicherten einen solchen Zugewinn an Versorgungssicherheit erst nach dem Abschluss vergleichender Studien der grundsätzlich höchstmöglichen Evidenzstufe zukommen lassen wollte, liegt fern. Vorgaben der Qualitätssicherung dürfen im Patienteninteresse typischerweise auf Risikoabschätzungen gestützt werden, wenn nach sachverständiger Einschätzung begründeter Anlass für die Annahme bestehen kann, dass ansonsten die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse mögliche Versorgungssicherheit (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) gefährdet ist. Das gilt insbesondere, wenn - wie mutmaßlich auch hier (vgl Geraedts, GesR 2012, 263, 264; Wenning, Aktuelle Entwicklungen im Krankenhausrecht 2011, 93, 107; ebenso die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV vom 16.7.2004, S 7) - vergleichende Studien mit unterschiedlichen Qualitätssicherungsansätzen praktisch oder aus ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar sind. Andernfalls würden den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - mit Wahrscheinlichkeit geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. Deshalb sind in der Regel ausreichend begründete Maßnahmen der Qualitätssicherung im Patienteninteresse auch dann hinzunehmen, wenn ihre Vorteile nicht durch vergleichende Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin belegt sind. Dass davon die Mindestmengenregelung - zumal angesichts der voraussetzungsgemäß besonderen gesundheitlichen Risiken im Anwendungsbereich der Versorgungen mit hoher medizinischer Komplexität - ausnahmsweise ausgenommen sein sollte, ist augenscheinlich nicht anzunehmen.

47

c) Anders als vom LSG angenommen sind mithin die Nachweisanforderungen der Mindestmengenregelung dann erfüllt, wenn es sich um eine hochkomplexe Leistungserbringung handelt und nach dem Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit die Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung auch von der Erfahrung und Routine mit der jeweiligen Versorgung beeinflusst ist. Allerdings muss dies mit wissenschaftlichen Belegen untermauert sein. Insofern hat das LSG im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, dass bloß allgemeine Überlegungen oder Expertenmeinungen eine Mindestmengenbestimmung nicht stützen können. Dem steht bereits entgegen, dass sich der Gesetzgeber bei Einführung der Mindestmengenregelung ausdrücklich auf die Studienlage zur Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität gestützt und die Selbstverwaltungspartner deshalb als verpflichtet angesehen hat, entsprechende Leistungen "zu suchen und zu bestimmen" (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31); dem kann nur durch Auswertung von qualifizierten Studien Rechnung getragen werden. Demzufolge ist der Gestaltungsspielraum des GBA bei einer Studienlage eröffnet, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Dies ist der Fall, wenn mehr für als gegen einen solchen Ursachenzusammenhang spricht; allein dessen Möglichkeit genügt dagegen nicht (vgl zum Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit stellv BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20).

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d) Dem steht anders als vom LSG erwogen auch nicht entgegen, dass der GBA den Verfahrensbeteiligten vor seiner Mindestmengenentscheidung nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes als "evidenzbasiertes Verfahren" zur Verfügung zu stellen hat (vgl § 3 Abs 2 Nr 1 der MMV vom 20.12.2005, BAnz Nr 43 vom 2.3.2006 S 1373). Durch eine solche Bezeichnung können die dargelegten Nachweisanforderungen nicht beeinflusst werden. Ungeachtet dessen liegt aber auch die Annahme fern, dass die Verfahrensordnung des GBA die gesetzlichen Vorgaben für die Mindestmengenbestimmung korrigieren könnte und dieser deshalb Maßgaben zu befolgen hätte, die über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgehen. Das wäre im Übrigen auch schwerlich von den Kompetenzen gedeckt, die dem GBA vom Gesetzgeber eingeräumt sind.

49

8. Hieran gemessen hat der GBA die tatbestandlichen Voraussetzungen der streitigen Mindestmengenbestimmung zutreffend als gegeben angesehen. Die Kniegelenkendoprothetik stellt eine planbare Versorgung von hoher Komplexität dar, bei der entgegen der Auffassung des LSG ein Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich ist.

50

a) Wie bereits das LSG kann auch der erkennende Senat offenlassen, wo im Sinne der Mindestmengenregelung im Einzelnen die Grenze zwischen "planbaren" und "nicht planbaren" Leistungen verläuft. Ersichtlich ist mit dieser erst im weiteren Gang der Beratungen hinzugefügten Einschränkung ein Ausgleich dafür bezweckt, dass die Mindestmengen anders als ursprünglich vorgesehen nicht lediglich als Empfehlung, sondern als rechtsverbindliche Leistungsuntergrenze ausgestaltet worden sind (vgl BT-Drucks 14/6893 S 3 sowie BT-Drucks 14/7824 S 6). Offenkundig sollen damit unvorhersehbare Leistungen aus dem Anwendungsbereich der Regelung ausgeschieden sein. Um eine solche Leistung handelt es sich jedenfalls bei der Kniegelenk-TEP nicht. Schon wegen der Schwere des Eingriffs und der nicht unbeträchtlichen Risiken geht ihr regelmäßig eine Entscheidungsphase voraus, die es ausschließt, sie als im Sinne der Mindestmengenregelung als "ungeplant" anzusehen.

51

b) Obwohl die Knietotalendoprothetik mit jährlich zunehmenden Fallzahlen - zuletzt im Jahre 2011 etwa 158 000 künstliche Kniegelenke und damit Rang 18 unter den häufigsten Operationen in Deutschland (Gesundheitsberichterstattung des Bundes , http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/ xs_start_neu/&p_aid=i&p_aid=79618056&nummer=666&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid= 64337088, recherchiert am 5.12.2012) - zwischenzeitlich eine Standardversorgung bei degenerativen Kniegelenkerkrankungen bildet, ist sie im Hinblick auf die operativen Anforderungen und die Folgen bei Komplikationen den hochkomplexen Versorgungen zuzurechnen, bei denen eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge als "besonders" anzusehen und deshalb die Einbeziehung in das Mindestmengenprogramm nach der Intention des Gesetzgebers gerechtfertigt ist.

52

aa) Bedingt durch die komplexen biomechanischen Verhältnisse am Kniegelenk sind schon die operativen Anforderungen der Kniegelenk-TEP hoch (vgl dazu etwa Lüring/Bäthis/Tingart/Perlick/Grifka, DÄ 2005, A 2320 ff, 2324; Heller/Matziolis/König/Taylor/Hinterwimmer/ Graichen/Hege/Bergmann/Perka/Duda, Der Orthopäde 2007, 628 ff; Briard/Witoolkollachit/Lin, Der Orthopäde 2007, 635 ff; jeweils mwN). Dies drückt sich auch in anhaltenden fachwissenschaftlichen Kontroversen zu Vor- und Nachteilen einzelner Operationstechniken aus (vgl etwa zum minimalinvasiven Eingriff und zur navigierten Kniegelenk-TEP Pietsch/Djahani/Hofmann, Der Orthopäde 2007, 1120 ff; Lüring/Tingart/Beckmann/Perlick/Grifka, Der Orthopäde 2007, 1143 ff; Kappe/Flören/Bieger/Reichel, Der Orthopäde 2011, 726 ff, 727; Bertsch/Holz/Konrad/ Vakili/Oberst, Der Orthopäde 2007, 739 ff; jeweils mwN). Besonderes Augenmerk und interdisziplinäre Anstrengungen verlangt auch die Infektionsprophylaxe (vgl etwa Wodtke/Löhr, Der Orthopäde 2008, 257 ff). Verfahren der computerbasierten Unterstützung bei der Implantatpositionierung sind mit hohen Kosten verbunden und kommen nicht überall zum Einsatz (vgl Lüring ua, ebenda A 2320 ff). Übersicht verlangt auch die Beurteilung der Implantate mit ihren Eigenschaften im Allgemeinen und für die Versorgung im Einzelfall. Besondere Anforderungen stellen sich schließlich bei der anteilsmäßig zunehmenden Versorgung jüngerer Patienten, nicht zuletzt wegen des noch immer zeitlich begrenzten Bestands künstlicher Kniegelenke (vgl Eichinger/Forst/Kindervater, Der Orthopäde 2007, 311 ff). Obwohl nicht nur in diesem Zusammenhang die korrekte Indikationsstellung als wichtiges qualitätssicherndes Merkmal angesehen wird, gelten die daraus sich ergebenden Anforderungen als nicht durchweg erfüllt; bei älteren Patienten und in Kliniken mit höheren Fallzahlen wird die Qualität der Indikationsstellung vielmehr als besser erachtet (vgl Schräder/Boy/Schleiz/Dienst/Reinert/ Sänger/Schauwecker/Siebert/Scharf, Der Orthopäde 2008, 1016 ff, 1025; erstmals für das Jahr 2009 wird über eine angemessene Indikationsstellung bei 90 % der Versorgungen berichtet, vgl Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH - AQUA - Qualitätsreport 2009, S 120). Auf Schwierigkeiten bei der Versorgung selbst deuten schließlich jüngste Erhebungen hin, nach denen die Revisionslast für Knieprothesen in Deutschland höher als in der Schweiz und den USA ist (vgl Ewerbeck, Der Orthopäde 2011, 205; Falbrede/Widmer/Kurtz/Schneidmüller/Dudda/Röder, Der Orthopäde 2011, 793 ff, 794).

53

bb) Gesteigert sind die daraus sich ergebenden Anforderungen zusätzlich im Hinblick auf die zT gravierenden Folgen bei Komplikationen, die erhebliche und nachhaltige Einschränkungen der Lebensqualität der betroffenen Patienten und darüber hinaus beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die GKV wie für die gesamte Volkswirtschaft und andere soziale Sicherungssysteme mit sich bringen können. In 1 % bis zu 3 % der versorgten Fälle treten nach medizinischer Einschätzung Kniegelenkinfektionen als Operationsfolge ein, die in Einzelfällen Knieversteifungen und Amputationen nach sich ziehen können und jedenfalls erheblich belastende, komplizierte, langwierige und deshalb auch kostenaufwändige Nachversorgungen erforderlich machen (vgl Friesecke/Wodtke, Der Orthopäde 2006, 937 mwN). Weichteildefekte und Instabilität bilden weitere schwierig zu beherrschende und die Patienten erheblich belastende Komplikationen, die in beträchtlichem Umfang Revisionseingriffe nach sich ziehen (vgl etwa Perka/Tohtz/ Matziolis, Der Orthopäde 2006, 136 ff; Kovacs/Zimmermann/Juhnke/Taskov/Papadopulos/Biemer, Der Orthopäde 2006, 162 ff; Graichen/Strauch/Katzhammer/Zichner/von Eisenhart-Rothe, Der Orthopäde 2007, 650 ff; Schnabel/Borelli, DÄ 2011, A 2598 f). Auch sonst fällt die Rate unzufriedener Patienten mit bis zu 23 % nicht gering aus, wenn sie auch teilweise durch unrealistische - und darin von den Behandlern offenbar nicht korrigierte - Erwartungen vor allem bei jüngeren Patienten mitbedingt sein mag (vgl Perka ua, ebenda S 136; Graichen ua, ebenda S 650; jeweils mwN).

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cc) Dass schließlich nicht zuletzt die Ärzteschaft selbst die Komplexität und Risiken der Knieendototalprothetik keinesfalls unterschätzt, hat sich jüngst beispielhaft an der zumindest auch von ihr maßgeblich betriebenen Gründung eines nationalen Endoprothesenregisters erwiesen. Initiiert durch die DGOOC ist unter Beteiligung des AOK-Bundesverbands, des Verbands der Ersatzkassen eV, des Bundesverbands Medizintechnologie eV und des BQS als gemeinnützige Gesellschaft die Endoprothesenregister Deutschland EPRD gGmbH gegründet worden, die auf freiwilliger Basis Referenzdaten zur Versorgungsqualität, Patientensicherheit und Wirksamkeit von Endoprothesen sammeln soll (vgl Deutsches Endoprothesenregister, Registerprotokoll S 2 f, http://www.eprd.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/eprd_registerprotokoll_1_0.pdf, recherchiert am 3.12.2012). Dieser Schritt wird als notwendig angesehen, weil derzeit verlässliche Daten über die Ursachen der mit den steigenden Fallzahlen bei Primärimplantaten zunehmenden Zahl von Wechseloperationen nicht verfügbar sind. Hierdurch soll es zudem ermöglicht werden, die aktuell erreichte Qualität in der Endoprothetik flächendeckend darzustellen (ebenda S 3). Auch dies erweist anschaulich die herausgehobene Komplexität der Knieendototalprothetik, die nach der mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Intention ihre Einbeziehung in das Mindestmengenregime jedenfalls dem Grunde nach rechtfertigt.

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c) Insoweit macht schließlich die Studienlage zur Kniegelenk-TEP, die das BSG als generelle Tatsache ohne die Beschränkung des § 163 SGG selbst zu bewerten vermag(stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19; BSG SozR 4-3851 § 60 Nr 4 RdNr 30 f), einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich. Nach den Studien von IQWiG und BQS spricht zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der Literatur und der vom GBA eingeholten Stellungnahmen mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang.

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aa) Das gilt entgegen der Auffassung des LSG in besonderem Maße zunächst für die Studie des IQWiG. Zwar konnte mit dieser Untersuchung von gut 90 000 bzw 110 000 Versorgungen mit Kniegelenk-TEP aus den Jahren 2003 und 2004 entgegen der mit dem Auftrag verbundenen Erwartungen kein klarer Mindestmengen-Schwellenwert abgeleitet werden (IQWiG, Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für die Knie-Totalendoprothese, Abschlussbericht vom 5.12.2005 S 44). Jedoch zeigten sich sowohl bei dem Risikofaktor "Unbeweglichkeit" (keine ausreichende postoperative Beweglichkeit) als auch dem Risikofaktor "Infektion" (postoperative Wundinfektion) Zusammenhänge zwischen Fallzahl und Qualität, die ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis wahrscheinlich machen. Demgemäß fand sich beim Qualitätsmerkmal Beweglichkeit eine U-förmige Beziehung von Leistungsmenge und Komplikationen, nach der das Risiko einer unzureichenden postoperativen Beweglichkeit in Einrichtungen mit mittleren Fallzahlen (zwischen 50 bis 600) geringer war als bei Kliniken mit sehr geringen (bis unter 50) oder sehr hohen (über 600) Fallzahlen (ebenda S 21 ff, S 29 ff). Ebenso zeigte sich beim Risikofaktor Infektion ein wenn auch nicht so ausgeprägter und nur sehr langsam ansteigender Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität (ebenda S 31 ff, S 29 ff); mit einer relevanten Qualitätsverbesserung in diesem Punkt wurde erst bei Fallzahlen von über 400 Versorgungen/Jahr gerechnet (ebenda S 42). Zusammenfassend gelangte das IQWiG jedoch dazu, dass für die untersuchten Risiken ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachzuweisen ist (ebenda S 44). Das unterstütze "die Hypothese, dass es bei der Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität" gibt (ebenda S 45). Zu einem vergleichbaren Ergebnis war zuvor bereits die BQS im Rahmen der vom GBA in Auftrag gegebenen Sonderauswertung für die Jahre 2002 und 2003 bei gut 71 000 Fällen gelangt. Auch sie fand signifikante Unterschiede zwischen Krankenhäusern mit unterschiedlichen Fallzahlen, nämlich für die Qualitätsindikatoren postoperative Beweglichkeit, postoperative Wundinfektion, Reintervention wegen Komplikation sowie Letalität (BQS, Sonderauswertung Knie-Totalendoprothese: Untersuchung auf Abhängigkeit von Fallzahl und Qualität der Leistung vom 9.8.2004, S 13 ff).

57

bb) Unterstützung findet dieses Ergebnis auch im Schrifttum. Schon die von der Geschäftsstelle des GBA ausgewertete Literatur für den anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren legt nahe, dass im Bereich der Knietotalendoprothetik ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität besteht (Beschlussvorlage "Ergebnisse der AG Mindestmengen" - Beratungen des Antrages "Knie TEP" vom 20.8.2004 S 7 f). Ähnlich wird die Studienlage auch von anderen Autoren bewertet (vgl etwa Schräder/Grouven/Bender, Der Orthopäde 2007, 570, 573; wenn auch verhaltener, aber im Sinne einer Tendenz zur Ergebnisverbesserung ebenfalls Geraedts/de Cruppé/Blum/Ohmann, DÄ 2008, 890, 895). Zuletzt fand ebenso das IQWiG im Rahmen einer vom GBA beauftragten Auswertung von Studien über die Auswirkungen von Mindestmengengrenzen bei drei deutschen Studien statistisch signifikante Ergebnisse bezüglich der Zielgröße Morbidität bei der Kniegelenk-TEP (IQWiG, Rapid Report V11-01 Version 1.0, Evidenz zu Auswirkungen der Mindestmengenregelung nach § 116b SGB V, Stand 29.5.2012, S 86 f, S 120 f). Darauf hat ebenso die DGOOC in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung durch den GBA verwiesen (ebenda S 4 ff).

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cc) Unbeachtlich ist der hierdurch wahrscheinlich gemachte Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität entgegen der Auffassung des LSG auch nicht deshalb, weil das IQWiG den von ihm ausgewerteten Daten selbst keine ausreichende Evidenz für eine "automatische" Qualitätsverbesserung beigemessen hat und es daraus auch keinen klaren Schwellenwert für eine Mindestmenge für die Kniegelenk-TEP ableiten konnte (IQWiG-Abschlussbericht, S 44). Ein "wissenschaftlicher Nachweis" ist - wie bereits dargelegt und anders als vom IQWiG angenommen (ebenda S 45) - eben keine Voraussetzung der Mindestmengenbestimmung. Nach dem hier maßgebenden Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit darf der GBA von einer Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge vielmehr dann ausgehen, wenn mehr für als gegen diesen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (stRspr, vgl etwa BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20). Bedenken von solchem Gewicht gegen die vom IQWiG erhobenen und auch im Schrifttum nicht grundsätzlich angezweifelten Feststellungen kann der Senat indes auch unter Berücksichtigung der vom IQWiG angeführten Einwände gegen die Datenlage (ebenda S 43) nicht erkennen.

59

dd) Das gilt ebenso für den Umstand, dass die Studienlage eine klare Ableitung von Mindestmengen-Schwellenwerten nicht erlaubt. Dies besagt nicht, dass der vom Gesetz vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Versorgungsqualität grundsätzlich nicht besteht. Darin drückt sich vielmehr nur aus, dass verschiedene Qualitätsparameter - wie etwa die Vermeidung postoperativer Infektionen - in unterschiedlichem Maße von steigenden Fallzahlen profitieren oder - wie die Einschränkung der Beweglichkeit - ab einem oberen Fallzahlvolumen auch negativ beeinflusst sein können. Dass ein solcher Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist, ist deshalb aber nicht in Zweifel zu ziehen. Daraus folgt im Gegenteil, dass die Bestimmung von Mindestmengen nicht allein Gegenstand wissenschaftlicher Ableitung sein kann. Besteht bei unterschiedlichen Qualitätsparametern mit Wahrscheinlichkeit eine jeweils anders geartete Beziehung zur Leistungsmenge, wie hier vom IQWiG angenommen, dann ist die Schwellenwertbestimmung eine Aufgabe der medizinischen Bewertung unterschiedlicher Risiken und möglicher Zielkonflikte bei unterschiedlichen Qualitätsmaßnahmen. Das aber ist keine Frage der Tatbestandsvoraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Vielmehr obliegt es später dem GBA, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechende Wertungen vorzunehmen, soweit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seines Gestaltungsspielraums eröffnet sind.

60

9. Die hierbei zu beachtenden verfahrensrechtlichen Anforderungen sind entgegen der Bedenken des LSG gewahrt.

61

a) Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, hat der GBA die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seiner eigenen Verfahrensvorgaben (vgl § 3 MMV 2003) ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte gewahrt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34). Der dargestellte Ablauf der Beratungen, die Beteiligung sowohl der BQS als auch des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich sein formal korrektes Vorgehen.

62

b) Dies gilt entgegen der Bedenken des LSG auch im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Mindestmengenentscheidung vom 16.8.2005 der Abschlussbericht des IQWiG vom 5.12.2005 noch nicht vorgelegen hat. Dabei kann offenbleiben, wie es verfahrensrechtlich zu bewerten wäre, wenn der GBA den Abschlussbericht des IQWiG im Rahmen seiner Entscheidungsfindung vollständig unberücksichtigt gelassen hätte. Dies war jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall: Die Beschlussfassung vom 16.8.2005 war dadurch bestimmt, dass die Entscheidung über die Einführung einer Mindestmenge nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung der MMV 2003 bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffen war. Sie wurde deshalb auch mit dem Vorbehalt versehen, sie im Lichte der Ergebnisse des IQWiG neu zu bewerten. Gelegenheit dazu bestand im Rahmen der Sitzung vom 20.12.2005, in der die DKG den Antrag eingebracht hatte, den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 auszusetzen. Dies ist mehrheitlich vom GBA abgelehnt worden. Der Senat geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang die Ergebnisse des IQWiG in ausreichendem Umfang gesichtet und bewertet worden sind, sodass sie zu diesem Zeitpunkt nachträglich in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sind.

63

c) Verfahrensrechtlich bedurfte es dazu entgegen der Auffassung des LSG auch keiner gesonderten Begründung. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, besteht für den Normgeber grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl nur BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29). Etwas anderes gilt hier nicht deshalb, weil der GBA - wie das LSG meint - eine Stellungnahme des IQWiG iS von § 139b Abs 4 S 2 SGB V unberücksichtigt gelassen hat. Dabei kann offenbleiben, ob hierdurch eine formelle Begründungspflicht begründet wird, wie es das LSG aus einer Entscheidung des 1. Senats des BSG abgeleitet hat (Verweis auf BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82). Denn der GBA ist nicht im Sinne dieser Vorschrift von einer Empfehlung des IQWiG abgewichen. Er konnte dessen Untersuchung vielmehr - wie bereits - dargelegt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entnehmen, dass im Bereich der Knieendoprothetik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität besteht. Dass das IQWiG weitergehende Studien als Voraussetzung für eine konkrete Mindestmengenregelung für erforderlich gehalten hat, war im Hinblick auf die Frage eines möglichen Begründungszwangs unbeachtlich.

64

10. Mangels näherer Tatsachenfeststellungen ist dem Senat in der Sache indes eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Insbesondere ist nicht ausreichend zu beurteilen, von welchen Annahmen und Erwägungen der GBA sich bei der Festlegung der im Streit stehenden Mindestmenge hat leiten lassen, warum er andere Gestaltungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen hat und ob er demgemäß von seinem Entscheidungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht hat. Feststellungen hierzu hat das LSG nachzuholen; der GBA hat dabei im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten mitzuwirken und seine Mindestmengenentscheidung ggf auch nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nachzubessern.

65

a) Ist dem GBA die Kompetenz zur Normgebung - wie hier - tatbestandlich eröffnet, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in der Sache darauf, ob die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Nach diesem Maßstab stehen dem GBA bei Bestimmung des konkreten Mindestmengenschwellenwerts Spielräume zu. Nachvollziehbar ist von Seiten des IQWiG im Vorfeld seiner Gutachtenserstellung darauf hingewiesen worden, dass bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen eher mit kontinuierlichen Entwicklungen als mit abrupten Sprüngen zu rechnen ist (vgl Tischvorlage von PD Dr. Bender für die Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" des GBA vom 11.2.2005, S 1). Bei solchen kontinuierlichen Verläufen, wie sie das IQWiG auch hier vorgefunden hat, werden an den Grenzen möglicher Mindestmengen - wenn überhaupt - allenfalls geringe Qualitätsunterschiede bestehen, hier also etwa bei Krankenhäusern mit 49 Kniegelenk-TEP einerseits und 50 solcher Operationen andererseits. Das stünde einer Regelung indes nicht grundsätzlich entgegen. Typisierungen und Generalisierungen sind vielmehr mit einer Normgebung vielfach verbunden und auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; Härten im Einzelfall könnten dabei hinzunehmen sein. Anders als es bei Beauftragung des IQWiG möglicherweise der Vorstellung des GBA entsprach, besteht die Befugnis zur Bestimmung von konkreten Mindestmengen deshalb nicht nur dann, wenn sich bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen klare Schwellenwerte mit jeweils deutlich unterschiedlichen Qualitätsstufen zeigen ("treppenförmiger Verlauf"). Im Rahmen seines Gestaltungspielraums darf der GBA vielmehr auch beim Fehlen von eindeutigen Schwellenwerten typisierend Mindestmengen festsetzen; die jeweilige Grenzziehung bedarf dann indes einer nachvollziehbaren Begründung.

66

b) Im Rahmen der Feststellung von konkreten Mindestmengen-Schwellenwerten wird sodann zu ermitteln sein, welche Auswirkungen diese für die Versorgungssituation mit Kniegelenk-TEP im Allgemeinen haben; zudem ist zu prüfen, wie die zu erwartenden Versorgungsvorteile bei unterschiedlichen Mindestmengen in medizinischer Hinsicht zu bewerten sind und ob anzunehmen ist, dass diese Vorteile durch andere Instrumente der Qualitätssicherung voraussichtlich bei zumutbarem Aufwand mutmaßlich nicht zu erreichen sind. Mit Blick auf größere Divergenzen bei den infrage kommenden Schwellenwerten - wenn es etwa um 20 oder aber um 50 Operationen pro Jahr geht - wird ein höherer Schwellenwert im Allgemeinen nur zu rechtfertigen sein, wenn dem auch entsprechende Vorteile für die Versorgung gegenüber stehen. Im vorliegenden Fall dürfte deshalb zu ermitteln sein, welche statistischen Versorgungsvorteile eine höhere Mindestmenge bringt, worauf sich dies stützt und inwieweit dem medizinische Relevanz zukommt. Ist danach ein solcher Vorteil plausibel und wahrscheinlich, liegt es allerdings im Normsetzungsermessen des GBA, dies medizinisch zu bewerten. Den Gerichten ist es dagegen verwehrt, insoweit ihre eigene Einschätzung an die Stelle des GBA zu setzen, wie etwa hier das LSG in Bezug auf die Relevanz der vom GBA erwarteten Reduzierung des Infektionsrisikos bei einer Mindestmenge von 50 zu verstehen sein könnte.

67

c) Zu beachten ist weiterhin die Auswahl der "richtigen" Qualitätsparameter, die der Folgenabschätzung zu Grunde gelegt werden sollen. Der GBA hat hier mit den Kriterien "Unbeweglichkeit" und "Infektion" zwei wesentliche Parameter für die Bemessung der Versorgungsqualität bei der Kniegelenk-TEP gewählt, andere hingegen nicht berücksichtigt. Jedoch zeigt sich schon an den hierzu gefundenen Ergebnissen, dass unter verschiedenen Qualitätsparametern Zielkonflikte bestehen können, die eine divergierende Mengenbetrachtung veranlassen könnten. Deshalb werden sich sowohl die vorbereitenden Untersuchungen als auch die Mindestmengenbestimmung selbst grundsätzlich regelmäßig an der Gesamtheit aller Parameter zu orientieren haben, die aus sachverständiger medizinischer Sicht als klinisch erhebliche Qualitätszeichen anzusehen sind (vgl beispielhaft Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 - 30.11.2007, Dezember 2007, S 67 f mit Anlage 19, zur Kniegelenk-TEP S 14). Das schließt nicht aus, dass unter den in Betracht kommenden Prüfkriterien eine Auswahl getroffen wird. Diese wird regelmäßig aber nur dann der rechtlichen Überprüfung standhalten können, wenn nachvollziehbar angenommen werden kann, dass die Bandbreite der möglichen Qualitätsparameter durch die getroffene Auswahl angemessen repräsentiert wird.

68

d) Ungeachtet einer konkreten Mindestmengenbestimmung besteht bei kontinuierlichen Verläufen darüber hinaus besonderer Anlass, über die Einführung von Ausnahmetatbeständen iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V zu befinden. Diese dem GBA ausdrücklich eingeräumte Kompetenz zielt offenkundig darauf, typisierungsbedingte Härten der Mindestmengenregelung abzumildern. Deshalb kann es nahe liegen, bei Erfüllung vom GBA im Einzelnen festzulegender Qualitätsanforderungen auch Einrichtungen in einem zu bestimmenden Korridor unterhalb der festgesetzten Mindestmenge die Teilnahme an der betroffenen Versorgung zu ermöglichen. Dies könnte auch etwaigen Fehlanreizen entgegen wirken, Fallzahlen im Hinblick auf die Mindestmengenregelung möglichst auszuweiten. So ist zB zu erwägen, ob nicht solche Ausnahmeregelungen, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich vom GBA praktiziert worden sind (vgl die Zulassung von Krankenhäusern mit "guter Qualität" - BAnz Nr 204 vom 27.10.2005 S 15659), auch in Zukunft - zumindest ergänzend - als Qualitätsmarker herangezogen werden können, um eine strikte Mindestmengenbegrenzung zu vermeiden oder ihre Folgen für einzelne Krankenhäuser abzumildern.

69

e) Schließlich wird zu bedenken sein, ob eine gemäß den vorstehenden Ausführungen ermittelte Mindestmenge einrichtungs- oder arztbezogen anzuwenden ist. Die Vorschrift des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V selbst lässt beides zu. Die Entscheidung zwischen diesen Alternativen liegt weitgehend im pflichtgemäßen Gestaltungsermessen des GBA.

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11. Die weitere Aufklärung der offenen Fragen vom Revisionsgericht nachzuholen, erscheint untunlich (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Deshalb wird im wiedereröffneten Verfahren das LSG - durch einen für die allgemeine Krankenversicherung zuständigen Senat - in eigener Verantwortung zu prüfen haben, ob die Entscheidung des GBA auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruht und den aufgezeigten rechtlichen Maßstäben gerecht wird. Sollte das LSG dabei wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die im Streit stehende Mindestmengenbestimmung rechtswidrig ist, wird es zu beachten haben, dass die von ihm behauptete Normverwerfungskompetenz im sozialgerichtlichen Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs von § 55a SGG nicht besteht. Es erscheint auch kaum wahrscheinlich, dass eine im Verhältnis zwischen Leistungserbringer und GBA getroffene gerichtliche Feststellung von den übrigen GKV-Beteiligten nicht berücksichtigt wird. Die vom LSG insoweit geäußerte Befürchtung ist unbegründet, wie auch der Aussetzungsbeschluss des GBA vom 15.9.2011 (BAnz Nr 157 vom 18.10.2011 S 3637) zeigt.

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12. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

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13. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG. Ausgehend von dem von der Klägerin angegebenen Umsatz von 364 000 Euro bei 50 Kniegelenk-TEP pro Jahr bemisst der Senat ihr wirtschaftliches Interesse an ihrem Rechtsschutzziel, solche Operationen in dem bis dahin geübten Umfang auch unterhalb der Mindestmengenschwelle von 50 Operationen im Jahr durchführen zu dürfen. Bei nur 30 solcher Operationen wie zuletzt im Jahr der mündlichen Verhandlung vor dem LSG folgt daraus auf drei Jahre bemessen der Betrag von 655 200 Euro (= 364 000 : 50 x 30 x 3).

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die nach § 2 versicherten Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 6 Abs. 1 Versicherten sind selbst beitragspflichtig. Für Versicherte nach § 6 Absatz 1 Satz 2 ist die jeweilige Organisation oder der jeweilige Verband beitragspflichtig. Entsprechendes gilt in den Fällen des § 6 Absatz 1 Satz 3.

(2) Neben den Unternehmern sind beitragspflichtig

1.
die Auftraggeber, soweit sie Zwischenmeistern und Hausgewerbetreibenden zur Zahlung von Entgelt verpflichtet sind,
2.
die Reeder, soweit beim Betrieb von Seeschiffen andere Unternehmer sind oder auf Seeschiffen durch andere ein Unternehmen betrieben wird.
Die in Satz 1 Nr. 1 und 2 Genannten sowie die in § 130 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 genannten Bevollmächtigten haften mit den Unternehmern als Gesamtschuldner.

(3) Für die Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung gilt § 28e Abs. 2 und 4 des Vierten Buches, für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe gilt § 28e Absatz 3a bis 3f des Vierten Buches und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages durch Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und im Auftrag eines anderen Unternehmers adressierte Pakete befördern, gilt § 28e Absatz 3g des Vierten Buches entsprechend. Der Nachunternehmer oder der von diesem beauftragte Verleiher hat für den Nachweis nach § 28e Absatz 3f des Vierten Buches eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers vorzulegen; diese enthält insbesondere Angaben über die bei dem Unfallversicherungsträger eingetragenen Unternehmensteile und diesen zugehörigen Lohnsummen des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers sowie die ordnungsgemäße Zahlung der Beiträge.

(4) Bei einem Wechsel der Person des Unternehmers sind der bisherige Unternehmer und sein Nachfolger bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Wechsel angezeigt wurde, zur Zahlung der Beiträge und damit zusammenhängender Leistungen als Gesamtschuldner verpflichtet.

(1) Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind für alle Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit sich nicht aus dem Zweiten und Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft oder der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt.

(2) Die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation ist über § 122 hinaus zuständig

1.
für die Unternehmensarten, für die die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft bis zum 31. Dezember 2015 zuständig war,
2.
für Unternehmen der Seefahrt, soweit sich nicht aus dem Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt,
3.
für die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost,
4.
für die aus dem Sondervermögen der Deutschen Bundespost hervorgegangenen Aktiengesellschaften,
5.
für die Unternehmen, die
a)
aus den Unternehmen im Sinne der Nummer 4 ausgegliedert worden sind und von diesen überwiegend beherrscht werden oder
b)
aus den Unternehmen im Sinne des Buchstabens a ausgegliedert worden sind und von diesen überwiegend beherrscht werden
und unmittelbar und überwiegend Post-, Postbank- oder Telekommunikationsaufgaben erfüllen oder diesen Zwecken wie Hilfsunternehmen dienen,
6.
für die betrieblichen Sozialeinrichtungen und in den durch Satzung anerkannten Selbsthilfeeinrichtungen der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost,
7.
für die Bundesdruckerei GmbH und für die aus ihr ausgegliederten Unternehmen, sofern diese von der Bundesdruckerei GmbH überwiegend beherrscht werden und ihren Zwecken als Neben- oder Hilfsunternehmen überwiegend dienen,
8.
für die Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
§ 125 Absatz 4 gilt entsprechend. Über die Übernahme von Unternehmen nach Satz 1 Nummer 3 bis 8 und den Widerruf entscheidet das Bundesministerium der Finanzen.

(3) Seefahrt im Sinne dieses Buches ist

1.
die Fahrt außerhalb der
a)
Festland- und Inselküstenlinie bei mittlerem Hochwasser,
b)
seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen,
c)
Verbindungslinie der Molenköpfe bei an der Küste gelegenen Häfen,
d)
Verbindungslinie der äußeren Uferausläufe bei Mündungen von Flüssen, die keine Binnenwasserstraßen sind,
2.
die Fahrt auf Buchten, Haffen und Watten der See,
3.
für die Fischerei auch die Fahrt auf anderen Gewässern, die mit der See verbunden sind, bis zu der durch die Seeschiffahrtstraßen-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. April 1987 (BGBl. I S. 1266), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 7. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3744), bestimmten inneren Grenze,
4.
das Fischen ohne Fahrzeug auf den in den Nummern 1 bis 3 genannten Gewässern.
Die Fahrt von Binnenschiffen mit einer technischen Zulassung für die Zone 1 oder 2 der Binnenschiffs-Untersuchungsordnung vom 17. März 1988 (BGBl. I S. 238), zuletzt geändert durch Artikel 10 Abs. 1 der Verordnung vom 19. Dezember 1994 (BGBl. II S. 3822), binnenwärts der Grenzen nach Anlage 8 zu § 1 Abs. 1 der Schiffssicherheitsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3281) gilt nicht als Seefahrt im Sinne des Satzes 1. Bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehende Zuständigkeiten für Unternehmen der gewerblichen Schiffahrt bleiben unberührt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen des professionellen Basketballsports. Sie wendet sich gegen die sie betreffende Beitragsfestsetzung für das Jahr 2001.

I.

2

Die Aufbringung der Mittel der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Sechsten Kapitel des SGB VII (§§ 150 ff. SGB VII) normiert. Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung werden nachträglich als Umlage nach dem Aufwand des Vorjahres erhoben (§ 152 Abs. 1 SGB VII). Die Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind grundsätzlich der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen (§ 153 Abs. 1 SGB VII). Das Arbeitsentgelt der Versicherten wird bis zur Höhe des Höchstjahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt (§ 153 Abs. 2 SGB VII). Die Gefahrklassen ergeben sich aus dem Gefahrtarif, dessen Festsetzung als autonomes Recht durch den Unfallversicherungsträger in § 157 SGB VII geregelt ist.

3

Einfluss auf die Beitragsberechnung haben seit der Herstellung der deutschen Einheit auch die Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet (sog. "Altlasten-Ost"). Damit sind die Entschädigungsleistungen der Unfallversicherungsträger für die bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet eingetretenen Arbeitsunfälle gemeint. Nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 1 Buchstabe c Abs. 8 Nr. 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag - EinigVtr) wurden die bis zum 31. Dezember 1990 eingetretenen Arbeitsunfälle auf alle Unfallversicherungsträger nach einem Schlüssel verteilt, der sich (vereinfacht ausgedrückt) an deren Leistungsaufwendungen für Renten sowie dem der Beitragsberechnung zugrunde gelegten Entgelt und den Rentenzahlbeträgen für in den Jahren 1985 bis 1989 erstmals entschädigte Arbeitsunfälle jeweils bezogen auf das Jahr 1989 orientierte. Die Verteilung der Einzelfälle erfolgte - unabhängig vom sachlich zuständigen Gewerbezweig - numerisch nach den Geburtsdaten der Leistungsempfänger, innerhalb eines Geburtstages alphabetisch.

4

Zur Finanzierung dieser Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet ermöglichte § 1157 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) es den Trägern der Unfallversicherung - abweichend von der allgemeinen Regelung des § 725 Abs. 1 RVO - in einer Übergangszeit bis zum 31. Dezember 1994 bei der Beitragsberechnung von der Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr in den Unternehmen abzusehen. Anschließend fanden die allgemeinen Vorschriften über die Berechnungsgrundlagen für die Beiträge Anwendung (§ 725 Abs. 1 RVO bis 31. Dezember 1996, § 153 Abs. 1 SGB VII ab 1. Januar 1995). Mit Wirkung zum 1. August 2003 schuf der Gesetzgeber mit § 215 Abs. 9 SGB VII erneut die Möglichkeit, bei der Beitragsberechnung von der Berücksichtigung des Grades der Unfallgefahr in den Unternehmen abzusehen.

5

Der vorliegend streitigen Beitragsberechnung für 2001 lag der ab 1. Januar 2001 geltende Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft zugrunde, der für Sportunternehmen drei Gefahrklassen vorsah. Diese unterschieden sich danach, ob es sich bei den Beschäftigten um bezahlte Sportler aus der 1. oder 2. Fußballbundesliga oder der Fußballregionalliga (Gefahrtarifstelle 54.1: Gefahrklasse 47,75), um sonstige bezahlte Sportler (Gefahrtarifstelle 54.2: Gefahrklasse 18,01) oder um übrige Versicherte (Gefahrtarifstelle 54.3: Gefahrklasse 1,98) handelte. Die Beschwerdeführerin war in die Gefahrtarifstellen 54.2 und 54.3 eingruppiert. Die Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet flossen entsprechend der Regelung des § 153 Abs. 1 SGB VII in die Beitragsberechnung ein. Die Arbeitsentgelte der Beschäftigten wurden bis zur Höhe des Höchstjahresarbeitsverdienstes berücksichtigt. Die Rechtsbehelfe der Beschwerdeführerin gegen die Höhe des Beitrages blieben ohne Erfolg.

6

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen sowie die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften. Die "Altlasten-Ost" müssten aus Steuermitteln getragen werden, jedenfalls aber müsste die Berechnung dieser Sonderumlage unter Berücksichtigung der Arbeitsentgelte, nicht des Grades der Unfallgefahr erfolgen. Eine gleichheitswidrige Belastung entstehe ferner dadurch, dass der Beitragsberechnung auch für nicht ganzjährig beschäftigte Sportler der ungekürzte Höchstjahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt werde.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

8

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise begründet wurde. Die Vorschriften enthalten Mindestanforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde. So muss ein Beschwerdeführer innerhalb der Beschwerdefrist die Grundrechtsverletzung durch Bezeichnung des angeblich verletzten Rechts und des die Verletzung enthaltenden Vorgangs substantiiert und schlüssig vortragen. Dabei hat er auch darzulegen, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87> m.w.N.) bzw. mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (vgl. BVerfGE 108, 370 <386>). Werden gerichtliche Entscheidungen angegriffen, so muss sich der Beschwerdeführer auch mit deren Gründen auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 101, 331 <345>; 105, 252 <264>).

9

Die Auslegung einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Sie unterliegen einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nur insoweit, als Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere des Umfangs seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 19, 303 <310>; 75, 302 <313>).

10

2. Zu den "Altlasten-Ost" hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 8. Mai 2007 (BSGE 98, 229) und unter Hinweis auf seine grundlegende Entscheidung vom 24. Februar 2004 (BSGE 92, 190) dargelegt, es verstoße grundsätzlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Finanzbedarf für die Entschädigung der in der Deutschen Demokratischen Republik eingetretenen Arbeitsunfälle in gleicher Weise wie der übrige Finanzbedarf der Unfallversicherungsträger unter Berücksichtigung des für den jeweiligen Gewerbezweig ermittelten Grades der Unfallgefahr auf die Mitgliedsunternehmen umgelegt wird und wenn deshalb Unternehmen mit einer höheren Gefahrklasse anteilig stärker zur Tragung der Altlasten herangezogen werden als solche mit einer niedrigeren Gefahrklasse. Die ungleiche Belastung der Unternehmen lasse sich aufgrund des besonderen Finanzierungssystems der gesetzlichen Unfallversicherung sachlich begründen; das Gewicht der Rechtfertigungsgründe stehe zur Bedeutung dieser Belastung in einem angemessenen Verhältnis. Wenn die heutigen Unternehmen über ihr in der Gefahrklasse zum Ausdruck kommendes zeitnahes Unfallrisiko die Altlasten-West finanzierten, ohne Rücksicht darauf, inwieweit sie ihnen zurechenbar sind, so sei nicht zu erkennen, wieso bei den Altlasten-Ost etwas Anderes geboten sein sollte.

11

Auch die ungekürzte Berücksichtigung des Höchstjahresarbeitsverdienstes bei Versicherten, die nicht ganzjährig beschäftigt sind, hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 8. Mai 2007 (BSGE 98, 229) nicht beanstandet. Es hat hierzu dargelegt, dass die unterschiedliche Berücksichtigung von Mindest- und Höchstjahresarbeitsverdienst bereits aus Wortlaut und Systematik der Regelung (§ 153 Abs. 2 und 3 SGB VII) folge. Zudem bestehe zwischen der Berechnung der Beiträge und der Berechnung der Leistungen kein derart unmittelbarer Zusammenhang, dass das entsprechende Unternehmen berechtigt sei, nur einen Teil des Entgelts der Beitragsberechnung zugrunde zu legen.

12

3. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin nicht hinreichend auseinander. Sie beschränkt sich auf die Wiederholung ihrer entgegenstehenden Rechtsauffassung.

13

Soweit sie darüber hinaus hinsichtlich der Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet in Abgrenzung zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 14, 221; BVerfGE 23, 12; BVerfGE 36, 383; BVerfGE 75, 108 <157 ff.>; BVerfGE 113, 167 <203, 213 ff.>) ohne nähere Begründung behauptet, es handele sich vorliegend eben doch um "Fremdlasten" und nicht um den "Binnenbereich" der westdeutschen Unfallversicherung, genügt dies den dargestellten Anforderungen ebenfalls nicht. Soweit die Verfassungsbeschwerde eine besondere Rechtfertigung verlangt, weil es sich um die Finanzierung eines Versicherungsschutzes für Dritte handele, setzt sie sich nicht damit auseinander, dass die gesetzliche Unfallversicherung insbesondere durch die Haftungsbeschränkung der Unternehmer auch den Arbeitgebern zugute kommt und somit insgesamt nicht allein fremdnützig ist.

14

Letztlich zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf, warum die Verteilung der Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet nach den Arbeitsentgelten die bessere oder sogar einzig sachgerechte Lösung sein sollte, die nicht ihrerseits wiederum zu Ungleichbehandlungen führen würde (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 1996 - 2 RU 17/95 - BSGE 79, 23).

15

Soweit die Beschwerdeführerin eine anteilige Berücksichtigung des Höchstjahresarbeitsverdienstes bei saisonalen Beschäftigungen fordert, stellt sie die Argumentation des Bundessozialgerichts ohne Begründung in Abrede. Sie geht auch nicht auf folgende Aspekte ein: Geldleistungen des versicherten Beschäftigten aus der gesetzlichen Unfallversicherung (z.B. Verletztengeld oder -rente) berechnen sich selbst dann nach dem Jahresarbeitsverdienst (begrenzt auf den Höchstjahresarbeitsverdienst), wenn dieser Verdienst nur in einem Teil des Jahres erzielt worden ist (wobei Jahr hier - anders als bei der Beitragsberechnung - zudem nicht das Kalenderjahr ist, sondern die zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist). Darüber hinaus zählen zum Jahresarbeitsverdienst nicht nur Entgelte aus Tätigkeiten, die dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen (§ 81, § 82 Abs. 1 und 2, § 85 Abs. 2 SGB VII; vgl. Schmitt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, 4. Aufl. 2009, § 82 Rn. 9). Im Übrigen weist die Berücksichtigung der Arbeitsentgelte bei der Beitragsberechnung keinen Bezug zur Unfallgefahr auf. Letztlich fließt die Entgeltsumme in die Bildung der Gefahrklassen ein; wird sie gekürzt, erhöht sich die Gefahrklasse.

16

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Beitragsrecht in der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

I.

2

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Unternehmen des Tief- und Rohrleitungsbaus und war seit dem Jahre 1969 in das Unternehmerverzeichnis der Tiefbau-Berufsgenossenschaft, einer Rechtsvorgängerin der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (nachfolgend: Bau-BG), eingetragen. Sie wendete sich im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren gegen den Beitragsbescheid der Bau-BG für das Jahr 2002, wobei sie sich im Wesentlichen auf die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung berief.

3

Das Bundessozialgericht hat in seinem angegriffenen Urteil vom 20. März 2007 (B 2 U 9/06 R) festgestellt, dass weder die Organisation noch die Beitragsgestaltung der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung europäischem Gemeinschaftsrecht oder nationalem Verfassungsrecht widerspreche. Hierzu hat es maßgeblich auf zwei frühere Entscheidungen vom 11. November 2003 (B 2 U 16/03 R, BSGE 91, 263) und vom 9. Mai 2006 (B 2 U 34/05 R, BG 2007, 102) Bezug genommen, die sich - soweit europäisches Gemeinschaftsrecht betroffen ist - im Wesentlichen auf eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Januar 2002 zur italienischen Unfallversicherung (C-218/00, Slg 2002, I-691, "Cisal ./. INAIL") stützen. Der Gerichtshof hatte in diesem Verfahren die Unternehmenseigenschaft des italienischen Versicherungsträgers im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts verneint und dies im Wesentlichen damit begründet, dass das streitige Versicherungssystem auf Beitrags- und Leistungsseite den Grundsatz der Solidarität umsetze und die Tätigkeit des Versicherungsträgers staatlicher Aufsicht unterworfen sei. Hiervon ausgehend hat das Bundessozialgericht in allen drei genannten Entscheidungen das Vorliegen beider maßgeblichen Aspekte (Solidarität und staatliche Aufsicht) auch für das deutsche Unfallversicherungssystem bejaht, wodurch die Anwendung europäischen Wettbewerbsrechts ausgeschlossen sei. Darüber hinaus seien auch die Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht verletzt. Namentlich eine erdrosselnde Wirkung der Beiträge könne nicht festgestellt werden.

4

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die Beschwerdeführerin begehrt in erster Linie eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), da dessen bisherige Rechtsprechung nicht auf die Träger der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung übertragen werden könne. Das Bundessozialgericht hätte dem Gerichtshof zumindest die Frage nach der Unternehmenseigenschaft der Bau-BG im Zusammenhang mit der Festsetzung eines einheitlichen Mindestbeitrages vorlegen müssen. Zu der behaupteten Verletzung der Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG sowie des Rechtsstaatsprinzips verweist die Beschwerdeführerin insbesondere auf eine angeblich erdrosselnde Wirkung der Beiträge sowie auf Wettbewerbsverzerrungen. Letztlich verletze das Bundessozialgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und werde dem in § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) normierten Amtsermittlungsgrundsatz nicht gerecht, wenn es feststelle, dass hinsichtlich der Frage einer erdrosselnden Wirkung kein Anlass zu weiteren gerichtlichen Ermittlungen von Amts wegen bestanden habe.

II.

5

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Soweit diese sich auf das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter beruft, kommt ihr jedenfalls weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; hierzu unter 1.). Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig (hierzu unter 2. und 3.).

6

1. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, das Bundessozialgericht habe durch Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; ex-Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, ist jedenfalls die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht angezeigt. Grundsätzliche Bedeutung ist nicht gegeben, da die Maßstäbe zur Prüfung der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter wegen einer (Nicht-)Vorlage an den Gerichtshof in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sind (hierzu unter a)). Und spätestens nachdem der Gerichtshof sich zwischenzeitlich in seinem Urteil vom 5. März 2009 (C-350/07, Slg 2009, I-1513, "Kattner Stahlbau GmbH") mit der Unternehmenseigenschaft der deutschen gesetzlichen Unfallversicherungsträger befasst hat, ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde auch zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin nicht mehr angezeigt (hierzu unter b)).

7

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt daher einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82, 159 <192 ff.>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt allerdings nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Denn das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>).

8

Zu der Frage, wann die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV offensichtlich unhaltbar gehandhabt wird, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen drei - nicht abschließende - Fallgruppen zu unterscheiden. Neben der grundsätzlichen Verkennung der Vorlagepflicht und dem bewussten Abweichen von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft zählt hierzu auch die Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, das heißt, es liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder eine vorliegende Rechtsprechung hat die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs erscheint nicht nur als entfernte Möglichkeit. In diesem Fall wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 ff.>). Zu verneinen ist in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat (BVerfGK 10, 19 <30>).

9

b) Vorliegend lag im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 20. März 2007 noch ein solcher Fall der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs vor. Allerdings spricht bereits sehr viel dafür, dass das Bundessozialgericht seine Vorlagepflicht nach den genannten Grundsätzen in vertretbarer Weise verneint hat. Dies kann jedoch letztendlich dahinstehen, da jedenfalls eine Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht mehr angezeigt ist. Spätestens seit dem Urteil des Gerichtshofs vom 5. März 2009 (C-350/07) zur Unternehmenseigenschaft der Träger der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung, bei dem der Gerichtshof die gleichen Grundsätze herangezogen hat wie bei der Beurteilung der italienischen Unfallversicherung, besteht keine Verpflichtung mehr, die vorliegend streitgegenständlichen europarechtlichen Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Beschwerdeführerin ist auch durch die Nichtvorlage nicht beschwert, da der Gerichtshof die Vorlagefrage nicht in ihrem Sinne entschieden hat und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass das Bundessozialgericht auf der Grundlage der Entscheidung des Gerichtshofs zum deutschen Unfallversicherungssystem zu einem anderen Ergebnis als in seiner angegriffenen Entscheidung kommen könnte. Dass auch das deutsche System das vom Gerichtshof geforderte Maß an Solidarität und staatlicher Aufsicht aufweist, hatte das Bundessozialgericht damals bereits bejaht. Und namentlich die von der Beschwerdeführerin reklamierte Besonderheit des einheitlichen Mindestbeitrages nach § 161 SGB VII hatte das Bundessozialgericht in der angegriffenen Entscheidung nicht als entscheidungserheblich angesehen.

10

2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie des Rechtsstaatsprinzips behauptet, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Sie erfüllt nicht die Mindestanforderungen, die nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde gestellt werden. So muss ein Beschwerdeführer innerhalb der Beschwerdefrist die Grundrechtsverletzung durch Bezeichnung des angeblich verletzten Rechts und des die Verletzung enthaltenden Vorgangs substantiiert und schlüssig vortragen. Dabei hat er auch darzulegen, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87> m.w.N.) bzw. mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (BVerfGE 108, 370 <386>).

11

Bezogen auf Art. 12 Abs. 1 GG kann gerade noch zugestanden werden, dass die Beschwerdeführerin eine mögliche Eingriffsqualität der Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung darlegt. Allerdings fehlt es an einer substantiierten Auseinandersetzung damit, warum dieser Eingriff nicht gerechtfertigt werden kann. Zwar verweist die Beschwerdeführerin auf die "schwerwiegende, branchenspezielle Besonderheit der Bauwirtschaft" durch "weniger Arbeitnehmer, weniger Umsatz, weniger Gewinn, dafür aber kontinuierlich steigende BG-Beiträge" sowie angebliche Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Konkurrenzunternehmen, die Berufsgenossenschaften mit günstigeren Beiträgen angehören. Einen einzelfallbezogenen Vortrag hierzu bleibt sie jedoch schuldig. Allgemeine Angaben zur gesamten Branche vermögen demgegenüber keine Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführerin zu begründen. Zudem setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht mit den im streitbefangenen Zeitraum geltenden Regelungen des SGB VII zum Lastenausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften auseinander (§§ 176 ff. SGB VII a.F.).

12

Die erdrosselnde Wirkung, die nach Auffassung der Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG darstellt, lässt sich nicht allein mit dem Hinweis auf Beitragssteigerungen begründen - auch dann nicht, wenn die Steigerung gegenüber dem Vorjahr prozentual erheblich sein sollte. Im Übrigen ist eine erdrosselnde Wirkung der Beiträge, die sich auf rund 5 % der von der Beschwerdeführerin gezahlten Arbeitsentgelte belaufen, nicht zu erkennen. Im fachgerichtlichen Verfahren hat die Beschwerdeführerin selbst einen Anstieg der zu zahlenden Beiträge in den Jahren 1989 bis 2002 von 3,92 DM je 100 DM Lohnsumme auf 4,92 Euro je 100 Euro Lohnsumme vorgetragen.

13

3. Soweit die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG rügt, ist sie ebenfalls unzulässig.

14

Die Beschwerdeführerin macht einerseits geltend, das Bundessozialgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Insoweit ist bereits der Rechtsweg nicht erschöpft, da die Beschwerdeführerin keine Anhörungsrüge erhoben hat. Zugleich rügt die Beschwerdeführerin andererseits auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Amtsermittlungspflicht durch das Landessozialgericht. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde nicht ausreichend begründet. Die Behauptung, die Beschwerdeführerin sei während des Prozesses davon ausgegangen, dass ihr Vortrag hinsichtlich der erdrosselnden Wirkung ausreichend gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin wurde spätestens im erstinstanzlichen Urteil darauf hingewiesen, dass eine erdrosselnde Wirkung der Beiträge nicht überprüft werden könne, da sie ihre wirtschaftliche Lage nicht dargelegt habe. Darüber hinaus ist eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht. Hierzu hätte die Beschwerdeführerin aufzeigen müssen, welche Tatsachen sie im Falle des geforderten richterlichen Hinweises vorgetragen hätte. Dies ist jedoch weder im Revisions- noch im Verfassungsbeschwerdeverfahren erfolgt.

15

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

16

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Der Unfallversicherungsträger veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Satz 1 gilt nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten.

(2) Für die Auskunftspflicht der Unternehmer gilt § 98 des Zehnten Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Unternehmer auch auf Angaben und Unterlagen über die betrieblichen Verhältnisse erstreckt, die für die Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen erforderlich sind. Soweit die Unternehmer ihrer Auskunftspflicht nicht nachkommen, nimmt der Unfallversicherungsträger die Veranlagung nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse vor.

(1) Der Unfallversicherungsträger setzt als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen. Für die in § 121 Abs. 2 genannten Unternehmen der Seefahrt kann die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation Gefahrklassen feststellen.

(2) Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten kann eine Tarifstelle mit einer Gefahrklasse vorgesehen werden.

(3) Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

(4) Der Gefahrtarif hat eine Bestimmung über die Festsetzung der Gefahrklassen oder die Berechnung der Beiträge für fremdartige Nebenunternehmen vorzusehen. Die Berechnungsgrundlagen des Unfallversicherungsträgers, dem die Nebenunternehmen als Hauptunternehmen angehören würden, sind dabei zu beachten.

(5) Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren.

(6) (weggefallen)

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.