Bundessozialgericht Urteil, 15. Nov. 2016 - B 2 U 19/15 R

bei uns veröffentlicht am15.11.2016

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Überweisung durch die Berufsgenossenschaft (BG) Rohstoffe und chemische Industrie (Beklagte) an die BG Nahrungsmittel und Gastgewerbe (Beigeladene).

2

Die in P ansässige Klägerin, die K Bonbon GmbH & Co. KG, ist ein rechtlich selbständiges Tochterunternehmen der KF GmbH & Co. KG (im Folgenden: KF) aus E, die bislang der Beklagten zugewiesen ist. Die Klägerin produziert Bonbons, Zuckerwaren und Hartkaramellen mit den Roh- und Hilfsstoffen Zucker, Glukose, Aromen, Fruchtsäfte, Fruchtmark, verwendet werden ferner Folien und Kartonagen.

3

Im Februar 2006 teilte die KF der Beklagten mit, dass sie beabsichtige, die Produktionskapazitäten durch die Gründung eines neuen Produktionsstandortes in P zu erweitern. Es handele sich um eine eigenständige Personengesellschaft mit dem Namen der Klägerin. Alle administrativen Belange würden von ihr, der KF durchgeführt, die auch künftig Ansprechpartner der Beklagten bleibe. Die Beklagte stellte ihre Zuständigkeit für die Klägerin fest (Bescheid vom 21.2.2006) und veranlagte sie zu einer Gefahrklasse (Bescheid vom 24.3.2006).

4

Die Beigeladene stellte sodann mit Bescheid vom 23.3.2006 ebenfalls ihre Zuständigkeit für die Klägerin fest und veranlagte sie mit weiterem Bescheid vom selben Tage zu den Gefahrklassen. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, weil sie bereits Mitglied der Beklagten sei. Es folgte ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen den Beteiligten. Klägerin und Beklagte vertraten die Auffassung, dass eine Mitgliedschaft des Mutter- und des Tochterunternehmens bei derselben BG gewünscht sei. Die Beigeladene wies darauf hin, dass die Klägerin keine "chemisch-pharmazeutischen Produkte" herstelle, denn das Unternehmen bezeichne sich selbst als drittgrößten Zuckerwarenhersteller Deutschlands.

5

Die Beigeladene wandte sich 2009 an die Schiedsstelle für Katasterfragen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung eV (DGUV) und beantragte festzustellen, dass sie der sachlich zuständige Unfallversicherungsträger für die Klägerin und alle weiteren Unternehmen der KF, die bei der Beklagten eingetragen sind, sei. Die bisherige Zuordnung zur Beklagten begründe sich nur damit, dass sich durch Lakritz auch eine medizinische Wirkung auf den menschlichen Körper nachweisen lasse und zur Zeit der Firmengründung die Herstellung von Lakritz für das gesundheitliche Wohlbefinden im Vordergrund gestanden habe. Die Schiedsstelle stellte mit Votum vom 4.5.2009 die Zuständigkeit der Beigeladenen für die Klägerin fest. In dem Votum wird ausgeführt, die Feststellung der Zuständigkeit durch die Beklagte sei von Anfang an unrichtig gewesen (§ 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII). Diese Zuständigkeit widerspräche iS des § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII eindeutig den Zuständigkeitsregelungen, weil es sich hier um ein Unternehmen der Süßwarenindustrie handele, für das die Zuständigkeit der Beigeladenen gegeben sei. Dies ergebe sich schon aus dem Namen der Beigeladenen, ihrer Satzung, in der die Herstellung von Süßwaren aufgeführt sei, und den Zuständigkeitsregelungen im Bundesratsbeschluss vom 21.5.1885 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung 1885, 143) sowie dem Alphabetischen Verzeichnis des Reichsversicherungsamtes (RVA) und des vormaligen Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften.

6

Im Mai 2009 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des Schiedsverfahrens mit. Durch an die KF in E adressierten Bescheid vom 12.6.2009 überwies sie die Klägerin unter Nennung ihres Namens und ihrer Anschrift in P mit Ablauf des 31.12.2009 an die Beigeladene. Den hiergegen von der Klägerin als "Widerspruchsführerin" erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 7.7.2010 zurück.

7

Mit Urteil vom 18.10.2013 hat das SG Potsdam nach Beiladung der BG Nahrungsmittel und Gastgewerbe die Klage abgewiesen. Das LSG Berlin-Brandenburg hat durch Beschluss vom 23.11.2015 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Klägerin an die Beigeladene überwiesen, weil die ursprüngliche Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig gewesen sei. Nach dem Votum der Schiedsstelle sei nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene zuständig, was von den Beteiligten auch nicht angezweifelt werde. Auch aus § 131 Abs 1 SGB VII ergebe sich nicht die Zuständigkeit der Beklagten. § 131 Abs 1 Satz 1 SGB VII habe in der bis 10.8.2010 geltenden Fassung noch nicht den Zusatz gehabt "die demselben Rechtsträger angehören". Zur alten Rechtslage habe das BSG in seinem Urteil vom 2.4.2009 (B 2 U 20/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 5) entschieden, dass ein Gesamtunternehmen nicht die rechtliche Identität in der Person des Unternehmers voraussetze. Da vorliegend eine isolierte Anfechtungsklage erhoben worden sei, sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgeblich. Der Gesetzgeber habe ausweislich seiner Begründung zum Dritten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010 (3. SGB IV-ÄndG, BGBl I 1127) lediglich eine Klarstellung "im Sinne der bisherigen Praxis" und entgegen der zitierten BSG-Entscheidung vorgenommen. Die Beklagte sei im maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids nicht gemäß § 131 Abs 1 SGB VII zuständiger Unfallversicherungsträger für die Klägerin gewesen, nur weil sie auch für die KF zuständig gewesen sei. Denn bei der Klägerin und der KF handele es sich nicht um ein einheitliches Gesamt-, sondern um zwei eigenständige Unternehmen. Eine Unternehmeridentität, die Voraussetzung für ein Gesamtunternehmen iS des § 131 Abs 1 SGB VII mit der Folge der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers des Hauptunternehmens sei, liege nicht vor, weil es sich bei ihnen um rechtlich selbständige juristische Personen handele. Die Revision sei zuzulassen, weil die gesetzliche Neuregelung erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids in Kraft getreten sei und somit für den entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG vorliege.

8

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung der §§ 37 SGB X, 131 Abs 1, 136 Abs 1 Satz 4 und Abs 2 SGB VII und des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots aus Art 20 GG. Der angegriffene Bescheid vom 12.6.2009 sei an die KF adressiert gewesen, so dass es an einer wirksamen Bekanntgabe gerade gegenüber der Klägerin fehle. Aus der früheren Fassung des § 131 SGB VII (vor dem 11.8.2010) iVm der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 2.4.2009, aaO) folge, dass die Beklagte auch für die Klägerin zuständig gewesen sei. Die Neufassung des § 131 SGB VII entfalte nach Art 12 des 3. SGB IV-ÄndG keine Rückwirkung.

9

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 15.11.2016 hat die Beklagte den Bescheid vom 12.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.7.2010 aufgehoben, soweit als Zeitpunkt der Überweisung der Klägerin an die Beigeladene der Ablauf des 31.12.2009 festgesetzt wurde.

10

Die Klägerin beantragt ,
den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23.11.2015 und das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18.10.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.7.2010 (in der Fassung der Erklärung vom 15.11.2016) aufzuheben.

11

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

12

Die Beklagte trägt ergänzend vor, sie habe den Bescheid vom 12.6.2009 an die KF zustellen dürfen, weil diese als Bevollmächtigte der Klägerin aufgetreten sei.

13

Die Beigeladene macht geltend, es lägen bereits die übrigen Voraussetzungen für eine Unternehmeridentität nicht vor, weil schon kein betriebstechnischer Zusammenhang zwischen der Klägerin und der KF bestehe. Die Entfernung zwischen den Produktionsstandorten betrage mehrere hundert Kilometer.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Regelung über die Zuweisung in dem Bescheid der Beklagten vom 12.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.7.2010 und der Erklärung vom 15.11.2016 rechtmäßig ist. Die Klägerin wurde von der Beklagten gemäß § 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII zu Recht an die Beigeladene überwiesen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG am 15.11.2016 ihre Bescheide insoweit zurückgenommen, als sie die Regelung enthielten, dass die Klägerin mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2009 an die Beigeladene überwiesen werde. Diese Regelung hätte in Widerspruch zu der gesetzlichen Bestimmung des § 137 Abs 1 SGB VII gestanden, nach der die Überweisung erst wirksam wird, wenn der Bescheid der Klägerin gegenüber "bindend" geworden ist. Da maßgeblich hierfür die Bestandskraft iS des § 77 SGG ist, hätte sich die Regelung über einen Überweisungszeitpunkt mit Ablauf des 31.12.2009 als rechtswidrig erwiesen.

15

Verwaltungsverfahrensrechtliche Bedenken gegen den Ausgangsbescheid mit seinem die Überweisung regelnden Verwaltungsakt bestehen nicht. Dieser war inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X. Aus seinem Wortlaut wird für den Empfänger hinreichend deutlich (zur Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts vgl zuletzt BSG vom 26.4.2016 - B 2 U 13/14 R - UV-Recht Aktuell 2016, 456, juris RdNr 14 mwN), dass die Klägerin (unter Nennung ihrer Anschrift) an die Beigeladene überwiesen werden soll. Der Verwaltungsakt vom 12.6.2009 wurde der Klägerin auch bekannt gegeben iS des § 37 SGB X. Zwar ist für den Vollzug der Bekanntgabe nicht allein die tatsächliche Kenntnisnahme durch die Klägerin maßgebend (vgl Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 37 RdNr 4 mwN), die hier unstreitig erfolgte. Für eine wirksame Bekanntgabe ist notwendig, aber auch ausreichend, dass die Beklagte der Klägerin willentlich vom Inhalt des Verwaltungsakts Kenntnis verschafft hat (BSG vom 14.4.2011 - B 8 SO 12/09 R - BSGE 108, 123 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7, juris RdNr 12). Die Beklagte konnte hier davon ausgehen, dass die KF als Bevollmächtigte der Klägerin handelte, weil diese sich den Anschein gegeben hatte, für die Klägerin handeln zu dürfen. Die KF hat insofern der Beklagten gegenüber den Rechtsschein gesetzt, von der Klägerin beauftragt zu sein und für diese handeln zu dürfen. Die Grundsätze der sog Anscheinsvollmacht beruhen auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, denjenigen, der den Rechtsschein einer Vollmacht gesetzt hat, daran festzuhalten, wenn ein Dritter darauf berechtigterweise vertraut (vgl grundlegend BGH vom 12.2.1952 - I ZR 96/51 - BGHZ 5, 111, 116, und BGH vom 28.3.1962 - VIII ZR 187/60 - NJW 1962, 1003). Sie gelten entsprechend im Sozialrecht (insbesondere BSG vom 15.10.1981 - 5b/5 RJ 90/80 - BSGE 52, 245 = SozR 2200 § 1303 Nr 22; vgl auch BSG vom 21.2.2002 - B 3 KR 4/01 R - SozR 3-2500 § 60 Nr 6 sowie vom 23.4.2009 - B 9 VJ 1/08 R - SozR 4-3851 § 60 Nr 3 und vom 29.5.1980 - 9 RVi 3/79 - BSGE 50, 136, 139 = SozR 3850 § 51 Nr 6 S 32). Nach den Feststellungen des LSG und dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens ist die KF seit 2006 fortlaufend für die Klägerin aufgetreten und hat selbst vorgetragen, für diese handeln zu dürfen. Die Beklagte konnte folglich davon ausgehen und darauf vertrauen, dass die als Vertreter auftretende KF Vollmacht habe. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Klägerin (also der Geschäftsherr) das Verhalten der KF kannte und nicht dagegen eingeschritten ist, obwohl ihr das möglich gewesen wäre.

16

Die mithin formell korrekt ergangenen Verwaltungsakte der Beklagten vom 12.6.2009 und 7.7.2010 erweisen sich auch materiell als rechtmäßig. Entgegen der Rechtsansicht des LSG ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit jedoch nicht der Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Verwaltungsakte, sondern die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG. Zwar handelt es sich bei dem prozessualen Begehren der Klägerin um eine reine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG, bei der, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsakte abzustellen ist(vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 33 mwN; Urteil des Senats vom 22.9.2009 - B 2 U 32/08 R - SozR 4-2700 § 168 Nr 2). Der Überweisungsbescheid der Beklagten stellte hier jedoch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar.

17

Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich ändert (vgl nur Schütze, aaO, § 45 RdNr 63 mwN). Der Senat hat insofern in ständiger Rechtsprechung die statusbegründenden Verwaltungsakte im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung betrachtet (vgl für den sog Aufnahmebescheid BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2 RdNr 23 f; für Veranlagungsbescheide Urteile des BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 8/12 R - BSGE 113, 192 = SozR 4-2700 § 157 Nr 5, RdNr 21 und - B 2 U 4/12 R - NZS 2013, 745, juris RdNr 21). Auch der auf § 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII gestützte Überweisungsbescheid erschöpft sich nicht in der einmaligen Zuweisung eines Unternehmens an einen anderen Unfallversicherungsträger(vgl BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 8/04 R - BSGE 94, 258, 261 = SozR 4-2700 § 136 Nr 1). Vielmehr folgt aus dieser Zuweisung eine Dauerrechtsbeziehung zu dem neuen Träger mit zahlreichen Rechten und Pflichten. Dies unterstreicht schließlich insbesondere die Regelung des § 136 Abs 2 Satz 2 SGB VII, die für die Frage der Änderung der Zuständigkeit ausdrücklich auf den die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung regelnden § 48 SGB X verweist(vgl hierzu schon BSG vom 12.4.2005, aaO).

18

Für die rechtliche Überprüfung eines solchen Verwaltungsakts mit Dauerwirkung ist maßgeblich der Sach- und Rechtszustand zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (BSG vom 11.3.1987 - 10 RAr 5/85 - BSGE 61, 203, 205 = SozR 4100 § 186a Nr 21; vgl auch Urteil des Senats vom 22.9.2009 - B 2 U 2/08 R - BSGE 104, 170 = SozR 4-2700 § 168 Nr 3, RdNr 17; Keller, aaO, RdNr 5c nach § 54 SGG). Es kommt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überweisung der Klägerin in die Zuständigkeit der Beklagten mithin auf die Rechtslage zum 23.11.2015 (Datum des Beschlusses des LSG) an. Ausgehend hiervon bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

19

§ 136 Abs 1 Satz 4 SGB VII in der hier maßgeblichen Fassung des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes(UVEG vom 7.8.1996, BGBl I 1254) lautet: "War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger." Die Beklagte war von Anfang an unzuständig für die Klägerin. Dies folgt aus dem eingehend begründeten Beschluss des Schiedsamts für Katasterfragen der DGUV, dessen inhaltliche Richtigkeit von keinem der Beteiligten am Rechtsstreit ernsthaft in Zweifel gezogen wird. Die Zuständigkeit der Beklagten widerspricht iS des § 136 Abs 2 Satz 1 SGB VII eindeutig den Zuständigkeitsregelungen. Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen der Süßwarenindustrie, das ua Bonbons herstellt. Aus der Satzung der Beigeladenen, der Selbstbezeichnung der Klägerin und schon aus dem alphabetischen Verzeichnis des RVA (vom 1.7.1903, AN 1903, 57) folgt die Zuständigkeit der Beigeladenen für Bonbonfabriken und damit für die Klägerin.

20

An der auch zwischen den Beteiligten insofern unstreitigen Zuständigkeit der Beigeladenen für die Klägerin ändert sich auch nichts unter Berücksichtigung des § 131 Abs 1 SGB VII. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist § 131 Abs 1 SGB VII hier in der Fassung anzuwenden, die er durch das 3. SGB IV-ÄndG vom 5.8.2010 (BGBl I 1127, 1130) mit Wirkung zum 11.8.2010 (vgl Art 12 Satz 1 dieses Gesetzes) erhalten hat. Dies folgt daraus, dass der Überweisungsbescheid - wie ausgeführt - einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt.

21

§ 131 Abs 1 Satz 1 SGB VII lautet in der hier entscheidungserheblichen Fassung(wobei die maßgebliche Änderung des § 131 Abs 1 SGB VII zum 11.8.2010 auch über die späteren Änderungen der Norm hinaus jeweils erhalten geblieben ist): "Umfaßt ein Unternehmen verschiedenartige Bestandteile (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen), die demselben Rechtsträger angehören, ist der Unfallversicherungsträger zuständig, dem das Hauptunternehmen angehört". Nach dem Normzweck des § 131 Abs 1 SGB VII sollen unter den dort aufgeführten Voraussetzungen Unternehmen mit verschiedenartigen Unternehmensbestandteilen nur dem UV-Träger angehören, der für deren wirtschaftlichen Schwerpunkt (Hauptunternehmen) fachlich zuständig ist. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, ein Unternehmen im Rechtssinne auch dann einem UV-Träger zuzuordnen, wenn dessen Unternehmensbestandteile selbst Unternehmen im unfallversicherungsrechtlichen Sinne darstellen würden (vgl Quabach in juris-PK SGB VII § 131 RdNr 12, 2. Aufl 2014).

22

Die Klägerin ist als GmbH & Co. KG ein rechtlich selbständiges Unternehmen und gehört gerade nicht demselben Rechtsträger - der KF - an, die ihrerseits ein rechtlich selbständiges Unternehmen darstellt. Allein aufgrund dieser - durch die Neufassung des § 131 Abs 1 SGB VII ab 11.8.2010 hervorgehobenen Tatsache - scheidet eine Zugehörigkeit der Klägerin zur Beklagten aus. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einfügung des Zusatzes "die demselben Rechtsträger angehören" das Ziel, den "sog. Grundsatz der Unternehmeridentität" als Voraussetzung für das Vorliegen eines Gesamtunternehmens festzuschreiben (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12.5.2010, BT-Drucks 17/1684, S 14 zu Nr 14). In dem Gesetzentwurf heißt es weiter: "Um die rechtliche Selbständigkeit von Unternehmen als eindeutig definierten Anknüpfungspunkt einer eigenständigen Zuordnung zu einem Unfallversicherungsträger zu erhalten, damit Rechtsunsicherheiten auszuschließen …, wird die Rechtslage im Sinne der bisherigen Praxis klargestellt".

23

Somit kann aus dem eindeutigen Wortlaut des § 131 Abs 1 SGB VII idF des 3. SGB IV-ÄndG (aaO) und dem in den Materialien zum Ausdruck kommenden Regelungswillen abgeleitet werden, dass jedenfalls rechtlich verselbständigte, dh in je eigener Rechtspersönlichkeit betriebene Unternehmen kein Gesamtunternehmen bilden können (zur Kritik an der Verwendung des Begriffs "Rechtsträger" vgl Diel in Hauck/Noftz, SGB VII K § 131 RdNr 15 f, Stand 3/2016).

24

Folglich ist auch eine genaue Feststellung der tatsächlichen betriebstechnischen Zusammenhänge und Abläufe zwischen der Klägerin und der KF entbehrlich (hierzu etwa BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2). Die Beigeladene weist zu Recht darauf hin, dass aufgrund der räumlichen Distanz zwischen den Standorten E und P erst noch festzustellen wäre, wie sich der tatsächliche Zusammenhang der beteiligten Unternehmen darstellt. Erst hiernach könnte aufgrund einer Gesamtschau beurteilt werden, ob es sich um Hilfsunternehmen, Nebenunternehmen oder ein Gesamtunternehmen handelt (vgl hierzu nur Diel, aaO, RdNr 8 ff oder Ricke in KasselerKomm § 131 RdNr 6, Stand 12/2014). Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Klägerin schon nicht demselben Rechtsträger iS des § 131 Abs 1 SGB VII angehört wie die KF.

25

Entgegen dem Vorbringen der Beteiligten kommt es auf die Entscheidung des Senats vom 2.4.2009 (B 2 U 20/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 5) nicht mehr an, weil diese zum Rechtszustand vor dem 11.8.2010 ergangen ist. § 131 Abs 1 SGB VII enthielt - wie ausgeführt - bis zum 10.8.2010 gerade nicht den Zusatz "die demselben Rechtsträger angehören" und der erkennende Senat hatte hieraus in seinem Urteil vom 2.4.2009 (aaO) die Schlussfolgerung gezogen, dass ein Gesamtunternehmen keine rechtliche Identität in der Person des Unternehmers voraussetze. Unabhängig davon, ob diese Entscheidung angesichts der eingehenden Kritik in der Literatur (vgl nur Quabach, SGb 2010, 180) weiter aufrecht zu erhalten gewesen wäre, ist jedenfalls aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Norm, der insoweit auch den gesetzgeberischen Willen klar zum Ausdruck bringt, ab 11.8.2010 als maßgebliches rechtliches Kriterium auf die sog "Unternehmeridentität" abzustellen. Gehören die Unternehmensbestandteile nicht demselben Rechtsträger an - wie hier -, so kann ein Gesamtunternehmen in der Regel nicht vorliegen.

26

Soweit die Klägerin die Zulässigkeit einer Korrektur der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch den Gesetzgeber grundsätzlich in Zweifel zieht, ist dem nicht zu folgen. Nach der Ordnung des Grundgesetzes (Art 20 Abs 2 GG) steht dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber insofern der Vorrang zu. Bedenken könnten allenfalls dann bestehen, wenn der Gesetzgeber mit seiner Korrektur des § 131 SGB VII seinerseits gegen Grundrechte verstoßen und damit einen verfassungswidrigen Rechtszustand herbeigeführt hätte. Hierfür bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte.

27

Die Kostenentscheidung, nach der die Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens und damit der beiden anderen Beteiligten zu tragen hat, beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

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Tenor I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Juni 2014 wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen und die außergerichtlichen Kosten der B

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(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.

(2) Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist. Eine Änderung gilt nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient. Satz 3 gilt nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt.

(3) Unternehmer ist

1.
die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung oder -gemeinschaft, der das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,
2.
bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 15 Buchstabe a bis c versicherten Rehabilitanden der Rehabilitationsträger, bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 15 Buchstabe d versicherten Teilnehmern an Präventionsmaßnahmen der Maßnahmeträger,
3.
bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger,
4.
beim Betrieb eines Seeschiffs der Reeder,
5.
bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a oder b Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird,
6.
bei einem freiwilligen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einem Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der zugelassene Träger oder, sofern eine Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes getroffen ist, die Einsatzstelle,
7.
bei einem Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz die Einsatzstelle.

(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

(1) Umfaßt ein Unternehmen verschiedenartige Bestandteile (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen), die demselben Rechtsträger angehören, ist der Unfallversicherungsträger zuständig, dem das Hauptunternehmen angehört. § 129 Absatz 4 bleibt unberührt.

(2) Das Hauptunternehmen bildet den Schwerpunkt des Unternehmens. Hilfsunternehmen dienen überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensbestandteile. Nebenunternehmen verfolgen überwiegend eigene Zwecke.

(3) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Neben- und Hilfsunternehmen, die Seefahrt betreiben, welche über den örtlichen Verkehr hinausreicht,
2.
landwirtschaftliche Nebenunternehmen mit einer Größe von mehr als fünf Hektar, Friedhöfe sowie Nebenunternehmen des Wein-, Garten- und Tabakbaus und anderer Spezialkulturen in einer Größe von mehr als 0,25 Hektar. Die Unfallversicherungsträger können eine abweichende Vereinbarung für bestimmte Arten von Nebenunternehmen oder für bestimmte in ihnen beschäftigte Versichertengruppen treffen.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Umfaßt ein Unternehmen verschiedenartige Bestandteile (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen), die demselben Rechtsträger angehören, ist der Unfallversicherungsträger zuständig, dem das Hauptunternehmen angehört. § 129 Absatz 4 bleibt unberührt.

(2) Das Hauptunternehmen bildet den Schwerpunkt des Unternehmens. Hilfsunternehmen dienen überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensbestandteile. Nebenunternehmen verfolgen überwiegend eigene Zwecke.

(3) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Neben- und Hilfsunternehmen, die Seefahrt betreiben, welche über den örtlichen Verkehr hinausreicht,
2.
landwirtschaftliche Nebenunternehmen mit einer Größe von mehr als fünf Hektar, Friedhöfe sowie Nebenunternehmen des Wein-, Garten- und Tabakbaus und anderer Spezialkulturen in einer Größe von mehr als 0,25 Hektar. Die Unfallversicherungsträger können eine abweichende Vereinbarung für bestimmte Arten von Nebenunternehmen oder für bestimmte in ihnen beschäftigte Versichertengruppen treffen.

(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.

(2) Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist. Eine Änderung gilt nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient. Satz 3 gilt nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt.

(3) Unternehmer ist

1.
die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung oder -gemeinschaft, der das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,
2.
bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 15 Buchstabe a bis c versicherten Rehabilitanden der Rehabilitationsträger, bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 15 Buchstabe d versicherten Teilnehmern an Präventionsmaßnahmen der Maßnahmeträger,
3.
bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger,
4.
beim Betrieb eines Seeschiffs der Reeder,
5.
bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a oder b Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird,
6.
bei einem freiwilligen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einem Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der zugelassene Träger oder, sofern eine Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes getroffen ist, die Einsatzstelle,
7.
bei einem Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz die Einsatzstelle.

(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

(1) Geht die Zuständigkeit für Unternehmen nach § 136 Abs. 1 Satz 4 von einem Unfallversicherungsträger auf einen anderen über, bleibt bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Entscheidung über das Ende der Zuständigkeit des bisherigen Unfallversicherungsträgers gegenüber dem Unternehmen bindend wird, dieser Unfallversicherungsträger für das Unternehmen zuständig. Die Unfallversicherungsträger können Abweichendes vereinbaren.

(2) Geht die Zuständigkeit für ein Unternehmen oder einen Unternehmensbestandteil von einem Unfallversicherungsträger auf einen anderen über, ist dieser auch hinsichtlich der Versicherungsfälle zuständig, die vor dem Zuständigkeitswechsel eingetreten sind; die Unfallversicherungsträger können Abweichendes vereinbaren. Satz 1 gilt nicht, wenn die Zuständigkeit für ein Unternehmen von der Zuständigkeit der Unfallversicherung Bund und Bahn nach § 125 Absatz 1 auf einen anderen Unfallversicherungsträger übergeht.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Juli 2014 abgeändert und die Klage gegen den Bescheid vom 20. Juli 2009 wegen Unzulässigkeit abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klagen gegen den Bescheid vom 8. Juni 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2009 unzulässig sind.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Einbehaltung eines Teils seiner Verletztenrente.

2

Der Kläger wurde am 30.7.1996 von einem Geschäftspartner niedergeschossen und erlitt dadurch schwere Verletzungen. Ihm wurden Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), ua ab Juli 1996 eine Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE - nunmehr Grad der Schädigungsfolgen - GdS) von 100 vH und eine Schwerstbeschädigtenzulage, bewilligt. Die beklagte Berufsgenossenschaft gewährte ihm mit Bescheid vom 3.4.2001 "wegen der Folgen" des "Versicherungsfalles vom 30.07.1996" ab 27.1.1998 eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE um 100 vH. Daraufhin stellte die Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 26.11.2001 das Ruhen der Versorgungsbezüge nach dem OEG ab dem 1.2.1998 in voller Höhe fest. Der Kläger und der Beigeladene, sein Bruder, vereinbarten am 5.12.2006 schriftlich, dass der Kläger alle eventuell pfändbaren Ansprüche gegen die Beklagte auf die gegenwärtige und zukünftige Verletztenrente an den Beigeladenen zur Sicherung eines dem Kläger gewährten Darlehens in Höhe von 160 000 Euro abtrete.

3

In einem Bescheid vom 16.7.2008 entschied die Beklagte, dass ab 1.9.2008 von der Verletztenrente des Klägers ein monatlicher Betrag in Höhe von 250 Euro einbehalten, aufgrund einer Abtretungsvereinbarung mit der G.-Bank an diese ausgekehrt und bis zur Tilgung der abgetretenen Forderung an den Kläger die Verletztenrente in Höhe von monatlich 2536 Euro ausgezahlt werde. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück. Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben. Das Verfahren vor dem SG Konstanz - S 11 U 3107/08 - ist aufgrund der mit Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg vom 23.3.2009 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers ausgesetzt.

4

Die Beklagte führte in einem weiteren Bescheid vom 8.6.2009 aus, dass sie nach Tilgung der vom Kläger an die G.-Bank abgetretenen Forderung von der Verletztenrente des Klägers ab 1.7.2009 einen monatlichen Betrag in Höhe von 250 Euro einbehalten, an den Beigeladenen auskehren und einen monatlichen Rentenbetrag in Höhe von 2630,17 Euro an den Kläger auszahlen werde. Im Monat Juni 2009 würden 211,62 Euro an die Bank und 38,38 Euro an den Beigeladenen ausgekehrt. Bei der Festsetzung dieser Beträge habe sie unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für die Ehefrau des Klägers einen nach § 850c ZPO grundsätzlich pfändbaren Betrag in Höhe von 712,05 Euro zugrunde gelegt sowie entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 850f Abs 1 Buchst b ZPO einen verletzungsbedingten Mehrbedarf berücksichtigt. Mit weiterem Bescheid vom 20.7.2009 legte die Beklagte "in Ergänzung unseres Bescheides vom 16.07.2008" dar, zur Befriedigung der Ansprüche der G.-Bank würden für den Monat September 2009 250 Euro sowie für den Monat Oktober 2009 244,10 Euro von der Verletztenrente einbehalten und an diese ausgezahlt. Zugunsten des Beigeladenen würden für den Monat Oktober 2009 5,90 Euro sowie ab November 2009 monatlich 250 Euro einbehalten und an diesen ausgekehrt. Da diese Regelung den Bescheid vom 16.7.2008 ergänze, gelte sie gemäß § 96 SGG als in dem laufenden, gegen diesen Bescheid gerichteten Klageverfahren mitangefochten. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8.6.2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 zurück.

5

Der Kläger hat Klage erhoben und geltend gemacht, bei der Berechnung des pfändungsfreien Einkommens aus der Unfallrente seien die ihm zuerkannten OEG-Leistungen abzusetzen. Nach Abzug verbliebe kein pfändbarer Anteil der Verletztenrente. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt hat mit Schreiben vom 9.10.2009 mitgeteilt, dass er den Rechtsstreit aus der Masse freigegeben habe. Ab Mai 2011 kehrte die Beklagte von der Verletztenrente einen Betrag in Höhe von 792,05 Euro an den Insolvenzverwalter aus.

6

Mit Gerichtsbescheid vom 12.1.2010 hat das SG Konstanz die Klage abgewiesen. Die Klagen gegen den Bescheid vom 8.6.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 seien "unzulässig, jedenfalls unbegründet". Der Bescheid vom 20.7.2009 sei Gegenstand des ebenfalls anhängigen Klageverfahrens S 11 U 3107/08. Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers, mit der er nunmehr die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 8.6.2009 und 20.7.2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 30.7.2009 begehrt hat, mit Urteil vom 29.7.2014 zurückgewiesen. Die Anfechtungsklage sei zulässig. Der Bescheid vom 20.7.2009 sei nur insoweit Gegenstand des Vorverfahrens geworden, als die Beklagte den Beginn der mit Bescheid vom 8.6.2009 verfügten Auskehrung an den Beigeladenen auf Oktober 2009 verschoben habe. Dadurch sei der Kläger aber nicht zusätzlich beschwert. Die Beklagte sei aufgrund der gemäß § 53 Abs 3 SGB I wirksamen Abtretung verpflichtet gewesen, die Zahlungen an den Beigeladenen zu leisten, und habe die Pfändungsvorschriften nach § 850 Abs 1 ZPO hinreichend berücksichtigt. Eine weitergehende Einschränkung der Pfändbarkeit der Verletztenrente habe sich weder aus den Vorschriften der ZPO noch aus den Pfändungsschutzvorschriften des § 54 SGB I ergeben. Weder sehe das Gesetz für den Fall, dass Ansprüche auf Leistungen nach dem OEG wegen der Zahlung der Verletztenrente ruhen würden, eine abweichende Regelung vor noch sei von Verfassungs wegen eine einschränkende Auslegung dergestalt zulässig und geboten, dass der Pfändungsschutz nach § 54 Abs 3 Nr 3 SGB I auf die Verletztenrenten etwa in Höhe der Grundrente nach dem BVG ausgedehnt werde.

7

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision sinngemäß die Verletzung des § 54 Abs 3 Nr 3 SGB I und des Art 3 GG. Zwar sei die Verletztenrente nach § 56 SGB VII keine Leistung, deren Pfändbarkeit in § 54 Abs 3 Nr 3 SGB I ausgeschlossen sei. Soweit die Verletztenrente jedoch das Ruhen der Ansprüche nach dem OEG bewirke, sei diese Vorschrift verfassungskonform dahin auszulegen, dass die für die OEG-Ansprüche geltenden Pfändungsvorschriften Anwendung finden müssten. Es erscheine willkürlich, Personen, deren Ansprüche auf OEG-Leistungen wegen einer Verletztenrente ruhen würden, von dem Pfändungsschutz des § 54 Abs 3 Nr 3 SGB I auszunehmen. Auch der 14. Senat des BSG habe in seinem Urteil vom 17.10.2013 - B 14 AS 58/12 R - zum Recht der Grundsicherung nach dem SGB II festgestellt, dass für die Anrechnung einer Verletztenrente als Einkommen zu berücksichtigen sei, ob wegen ihres Bezugs ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem OEG ruhe.

8

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Juli 2014, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Januar 2010, die Bescheide der Beklagten vom 8. Juni 2009 und 20. Juli 2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

11

Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das LSG die Unzulässigkeit der vom Kläger gegen den Bescheid vom 8.6.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 erhobenen Anfechtungsklagen verkannt und hinsichtlich des im Berufungsverfahren erstmals angefochtenen Bescheides vom 20.7.2009 keine Entscheidung getroffen hat. Die Klagen gegen diese Bescheide waren wegen anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig abzuweisen, weil sie Gegenstand eines bereits anhängigen anderen Klageverfahrens vor dem SG geworden waren.

13

1. Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren wie bereits im Berufungsverfahren die Aufhebung der Bescheide vom 8.6.2009 und vom 20.7.2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 30.7.2009. Die im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Leistungsklage, mit der der Kläger die Auszahlung der einbehaltenen Verletztenrente an ihn verfolgt hat, hat er im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten und das LSG dementsprechend hierüber nicht entschieden.

14

2. Die vom Kläger erhobenen Anfechtungsklagen sind gemäß § 54 Abs 1 SGG statthaft. Gemäß § 54 Abs 1 SGG ist die Anfechtungsklage statthaft, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird. Ob eine Regelung durch Verwaltungsakt vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Sowohl der Inhalt als auch das äußere Erscheinungsbild des Bescheides können Aufschluss darüber geben, wie die Erklärung unter Berücksichtigung des objektivierten Empfängerhorizonts nach den Umständen des Einzelfalls verstanden werden muss. Für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes kann sprechen, dass ein solcher nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen zu ergehen hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, Anhang § 54 RdNr 3a mwN). Die Auslegung der Bescheide vom 8.6.2009 und 20.7.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 30.7.2009 ergibt hier, dass die Beklagte durch Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger die Höhe des an ihn auszuzahlenden Betrages der Verletztenrente regelte. Der Sozialleistungsträger hat über die Auswirkungen von Abtretungen auf die monatlichen Zahlungsansprüche gegenüber dem Sozialleistungsberechtigten als Anspruchsinhaber und Zedent zu entscheiden. Die Aufhebung und Neufeststellung des von der Festsetzung des Höchstwertes des Stammrechts infolge der Abtretung abweichenden Wertes des monatlichen Einzelanspruchs und damit der Höhe des Rentenzahlbetrages hat deshalb durch Verwaltungsakt zu erfolgen, gegen den sich der Sozialleistungsberechtigte mit einer Anfechtungsklage wenden kann (vgl BSG vom 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R - SGb 2015, 45 mwN; BSG vom 23.10.2003 - B 4 RA 25/03 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 1). Dem entsprechend hat die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden die Höhe der dem Kläger aus seinem zuerkannten Recht auf Unfallrente zustehenden monatlichen Zahlungsansprüchen für die Zeit ab Juni 2009 unter Berücksichtigung der Abtretungen an die G.-Bank sowie an den Beigeladenen durch Verwaltungsakt geregelt.

15

3. Der Prozessführungsbefugnis des Klägers und damit der Zulässigkeit der Anfechtungsklagen stand nicht entgegen, dass bereits vor der Erhebung der Klagen gegen die Bescheide vom 8.6.2009 und vom 20.7.2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden war. Der Insolvenzverwalter hatte die in dem anhängigen Rechtsstreit verfolgten Ansprüche freigegeben. In einer solchen Freigabeerklärung liegt die Entlassung des Vermögensgegenstandes aus der Insolvenzmasse iS von § 36 InsO. Der Schuldner erhält die gemäß § 80 Abs 1 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergegangene Verwaltungs- und Verfügungsmacht zurück und ist damit prozessführungsbefugt (vgl BGH vom 21.4.2005 - IX ZR 281/03 - BGHZ 163, 32 mwN; Hergenröder, DZWIR 2013, 251, 253).

16

4. Es kann dahinstehen, ob der Kläger eine mit den Anfechtungsklagen kombinierte Leistungsklage hätte erheben müssen (dazu unten a). Jedenfalls sind die Anfechtungsklagen gegen die Bescheide vom 8.6.2009 und vom 20.7.2009 sowie gegen den Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 17 Abs 1 Satz 2 GVG unzulässig(dazu unten b). Darüber hinaus hat das LSG zu Unrecht nicht über die erst im Berufungsverfahren erhobene Klage gegen den Bescheid vom 20.7.2009 entschieden (dazu unten c). Der Senat hat daher den Tenor des SG dahingehend klargestellt, dass die Klagen gegen den Bescheid vom 8.6.2009 sowie gegen den Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden, und hat die Klage gegen den Bescheid vom 20.7.2009 als unzulässig abgewiesen (dazu unten d).

17

a) Wendet sich im Falle der Abtretung einer Sozialleistung der Sozialleistungsberechtigte gegen den die Höhe des (noch) auszuzahlenden Betrages regelnden Verwaltungsakt und die Einbehaltung durch den Sozialleistungsträger, so sind die Anfechtungs- und Leistungsklage die statthaften Klagearten (vgl BSG vom 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R - SGb 2015, 45 mwN; BSG vom 23.10.2003 - B 4 RA 25/03 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 1). Eine isolierte Anfechtungsklage ist bei einem Leistungsbegehren zwar grundsätzlich unzulässig. Wenn der Versicherte jedoch mit dieser Klageart sein Ziel allein erreichen kann, ist sie zulässig (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 4a mwN).

18

b) Die Bescheide vom 8.6.2009 und vom 20.7.2009 sowie der Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 waren zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits Gegenstand des Klageverfahrens gegen den Bescheid der Beklagten vom 16.7.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 vor dem SG Konstanz (S 11 U 3107/08). Gemäß § 96 Abs 1 SGG in der hier anwendbaren, seit 1.4.2008 geltenden Fassung des SGGArbGGÄndG vom 26.3.2008 (BGBl I 444) wird ein nach Klageerhebung ergangener Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich der in diesem Verfahren angefochtenen Bescheide vor.

19

In dem dem Kläger gegenüber erlassenen Bescheid vom 16.7.2008 regelte die Beklagte unter Berücksichtigung der an die G.-Bank erfolgten Abtretung für die Zeit ab 1.9.2008 die Höhe seines Zahlungsanspruchs, der ihm aus seinem mit Bescheid vom 3.4.2001 zuerkannten Recht auf eine Unfallrente zustand. Sie setzte die Höhe des an ihn auszuzahlenden Betrages für die Zeit ab 1.9.2008 mit 2536 Euro fest und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück. Nachdem der Kläger hiergegen vor dem SG Konstanz im Verfahren S 11 U 3107/08 Klage erhoben hatte, änderte die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 8.6.2009 den Bescheid vom 16.7.2008 insoweit ab, als sie unter Berücksichtigung der erfolgten Abtretungen den auszuzahlenden Betrag nunmehr ab 1.7.2009 mit 2630,17 Euro festsetzte. Mit seinem Erlass wurden damit der Bescheid vom 8.6.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 Gegenstand des Klageverfahrens S 11 U 3107/08 vor dem SG Konstanz und gelten als in diesem Verfahren angefochten. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage im vorliegenden Verfahren am 27.8.2009 waren die Klagen gegen diese Bescheide damit bereits rechtshängig und damit die Klagen unzulässig.

20

Der Bescheid vom 20.7.2009 änderte die Bescheide vom 16.7.2008 und 8.6.2009 hinsichtlich der an die Bank sowie den Beigeladenen auszukehrenden Beträge ab. Unabhängig davon, ob die Beklagte Regelungen zur Person, an die Beträge auszukehren waren, und zur Höhe der an sie auszukehrenden Beträge durch Verwaltungsakt treffen durfte (vgl BSG vom 23.10.2003 - B 4 RA 25/03 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 1; BSG vom 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R - SGb 2015, 45 mwN), waren die Höhe der an die Bank sowie den Beigeladenen auszukehrenden Beträge bereits Gegenstand der Bescheide vom 16.7.2008 und 8.6.2009, die als mit der Klage im Klageverfahren S 11 U 3107/08 angefochten galten. Der deren Inhalt insoweit abändernde Bescheid vom 20.7.2009 wurde mit seinem Erlass deshalb ebenfalls gemäß § 96 SGG Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens S 11 U 3107/08. Eine weitere Klage gegen diesen Bescheid war damit wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) unzulässig.

21

c) Allerdings haben weder das SG noch das LSG über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20.7.2009 entschieden. Das SG musste mangels entsprechender Klageerhebung hierüber nicht entscheiden, sondern hat lediglich klargestellt, dass dieser Bescheid nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens sei. Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren auch den Bescheid vom 20.7.2009 mit einer Klage angefochten hat, hätte das LSG insoweit hierüber entscheiden müssen. Da es als zweitinstanzliches Gericht nicht sachlich zuständig war, über die Klage zu entscheiden, hätte es diese ggf an das insoweit gemäß § 8 SGG als erstinstanzliches Gericht sachlich zuständige SG verweisen müssen(§ 98 SGG).

22

d) Zutreffend hat damit das SG die Klage gegen den Bescheid vom 8.6.2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 30.7.2009 abgewiesen und das LSG die Berufung insoweit zurückgewiesen. Der Tenor war allerdings dahin klarzustellen, dass die Klagen als unzulässig abgewiesen werden. Die Klage gegen den Bescheid vom 20.7.2009 war durch den Senat als unzulässig abzuweisen. Zwar entscheidet das BSG grundsätzlich nicht über Klagen als erstinstanzliches Gericht. In entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 170 Abs 1 Satz 1 SGG(vgl zB BSG vom 14.9.1994 - 3/1 RK 36/93 - BSGE 75, 74 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12)konnte jedoch hier der Senat ausnahmsweise selbst über die Klage entscheiden, um eine Zurückverweisung an das LSG und eine Weiterverweisung an das SG zu vermeiden, die für den Kläger im Ergebnis nicht zu der von ihm begehrten Aufhebung des Bescheides führen könnten. Die Zurückverweisung an das LSG könnte allein dem Zweck dienen, die Klage durch das LSG an das sachlich zuständige SG zu verweisen. Dieses müsste die Klage gegen den Bescheid vom 20.7.2009 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig abweisen. Da der Kläger mit der Anfechtungsklage keinen Erfolg haben kann, ist es aus prozessökonomischen Gründen entsprechend dem Rechtsgedanken des § 170 Abs 1 Satz 2 SGG gerechtfertigt, dass der Senat selbst die Klage als unzulässig abweist.

23

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 183 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, keinen Erfolg hatte. Eine Erstattung der Kosten des Beigeladenen erscheint nicht angemessen, weil er sich im Rechtsstreit nicht beteiligt hat.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20. Mai 2009 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind zusätzliche Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.7.2006 bis zum 30.6.2008 in Höhe von 48,14 Euro monatlich und vom 1.7. bis 31.10.2008 in Höhe von 52,50 Euro monatlich.

2

Der 1935 geborene Kläger bezog bis zum 31.12.2004 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz, bei denen zuletzt ein monatlicher Freibetrag von 149,10 Euro aus erzieltem Erwerbseinkommen berücksichtigt worden war. Für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.2005 bewilligte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid Grundsicherungsleistungen nur noch unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 30 % des Einkommens (100,96 Euro). Auch in der Folgezeit gewährte die Beklagte dem Kläger weiterhin Grundsicherungsleistungen unter Einräumung eines Freibetrags von nur 100,96 Euro für die Zeit vom 1.7.2005 bis 31.10.2005 (insgesamt 265,50 Euro monatliche Grundsicherungsleistungen), vom 1.7.2006 bis 30.6.2007 (Bescheid vom 21.6.2006, Widerspruchsbescheid für die Zeit ab 1.4.2007 vom 12.6.2008: insgesamt 265,50 Euro monatliche Grundsicherungsleistungen) und vom 1.7.2007 bis 30.6.2008 (Bescheid vom 21.6.2007, derselbe Widerspruchsbescheid vom 12.6.2008: insgesamt 266,50 Euro monatliche Grundsicherungsleistungen) sowie für die Zeit ab 1.7.2008 unter Einräumung eines Freibetrags in Höhe von 96,60 Euro (Bescheid vom 11.7.2008, Widerspruchsbescheid vom 21.8.2008: insgesamt 280,67 Euro monatliche Grundsicherungsleistungen).

3

Die auf höhere Leistungen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20.5.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ua ausgeführt, dass der Kläger seine Klage nach § 99 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz(SGG) zulässigerweise erweitert habe, soweit sie den Bescheid vom 11.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.8.2008 betreffe. Es könne dahinstehen, ob gegen alle einzelnen Bescheide fristgerecht Widerspruch eingelegt worden sei; die Beklagte habe als Herrin des Widerspruchsverfahrens die Widersprüche - einen davon allerdings erst in der mündlichen Verhandlung - in der Sache beschieden und damit eine eventuelle Bestandskraft wieder beseitigt. Der Kläger habe keinen höheren Leistungsanspruch unter Zugrundelegung eines Freibetrags von mehr als 30 %, wie in § 82 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) vorgesehen, des Erwerbseinkommens; hohes Lebensalter sei allein kein einen höheren Freibetrag rechtfertigender atypischer Umstand im Sinne eines begründeten Falls (§ 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII). Das Gesetz schaffe außerdem keinen Anreiz zur Erwerbsarbeit auf Kosten der Gesundheit.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII. Die Vorschrift müsse zu seinen Gunsten Anwendung finden, weil ihm in seinem Alter eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar sei. Nach der unzutreffenden Ansicht des SG könne selbst ein voll Erwerbsgeminderter keinen begründeten Fall geltend machen, wenn er sich überobligationsmäßig verhalte, weil der Bezug von SGB-XII-Leistungen seinen Grund typischerweise im individuellen Gesundheitszustand des Hilfesuchenden finde. Nach der Gesetzesbegründung spreche nichts dafür, als überobligationsmäßig zwar die Ferienbeschäftigung eines 14-Jährigen anzusehen und diese dem Begriff des begründeten Falls zu unterstellen, demgegenüber aber die Tätigkeit eines 73-Jährigen anders zu beurteilen. Der in der Vergangenheit zuerkannte Freibetrag in Höhe von 149,10 Euro sei weiterhin der richtige Wert.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 21.6.2005 in der Gestalt des "Widerspruchsbescheids vom 20.5.2009", die Bescheide der Beklagten vom 21.6.2006 und 21.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.6.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 11.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm zusätzliche Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.7.2006 bis 30.6.2008 monatlich in Höhe von 48,14 Euro und für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.2008 von 52,50 Euro zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

8

In der mündlichen Verhandlung beim SG hat der Bevollmächtigte der Beklagten auf die Anregung durch den Kammervorsitzenden, dass eine Aussetzung zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid vom 21.6.2005 nicht mehr stattfinden solle, zu Protokoll erklärt, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.6.2005 werde ebenfalls zurückgewiesen und es verbleibe diesbezüglich bei der früheren Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig (§ 161 Abs 1 SGG) und im Sinne der Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das SG (§ 170 Abs 2 Satz 2 und Abs 4 Satz 1 SGG) begründet. Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und 1.7.2006 bis 31.3.2007 müssen noch Widerspruchsverfahren durchgeführt werden; für die übrigen streitbefangenen Zeiträume fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) dazu, ob dem Kläger die geforderten höheren Grundsicherungsleistungen zustehen.

10

Richtiger Klagegegner iS von § 70 Nr 1 SGG ist seit 1.1.2011 die Stadt Aachen als (örtlich zuständiger) Träger der Sozialhilfe (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 SGB XII und §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt NRW 816 - iVm der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom 16.12.2004 - GVBl NRW 817). Seit 1.1.2011 gilt in NRW nicht mehr das Behördenprinzip (vgl: Art 2 Nr 29 Gesetz zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land NRW vom 26.1.2010 - GVBl NRW 30; Senatsurteil vom 14.4.2011 - B 8 SO 19/09 R), sodass § 70 Nr 3 SGG keine Anwendung mehr findet.

11

Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 21.6.2006 und 21.6.2007, deren Zugang - wann der Bescheid vom 21.6.2006 bekannt gegeben wurde, ist allerdings offen (dazu unten) - nicht bestritten wird, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2008, soweit die Beklagte damit höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.7.2006 bis 30.6.2008 abgelehnt hat. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 11.7.2008, der den Bescheid vom 24.6.2008 unter Zuerkennung einer höheren Leistung ersetzt und diesen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -), in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.8.2008, soweit die Beklagte auch höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2008 abgelehnt hat. Dieser den Leistungszeitraum ab 1.7.2008 betreffende Bescheid wird zwar nach der Rechtsprechung des Senats nicht von § 96 Abs 1 SGG (abändernder oder ersetzender Verwaltungsakt) erfasst, weil er einen Folgebewilligungszeitraum betrifft. Allerdings hat der Kläger insoweit die Klage nach § 99 Abs 1 SGG rechtzeitig und auch ansonsten zulässig erweitert; die Beklagte hat sich rügelos darauf eingelassen. Der Bescheid vom 21.6.2007 über den Folgezeitraum ab 1.7.2007 ist demgegenüber - unabhängig davon, wann er zugegangen ist - in analoger Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens(dazu später) geworden (Senatsurteil vom 14.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - RdNr 10).

12

Ob Gegenstand des Verfahrens ein Bescheid vom 21.6.2005 geworden ist, soweit auch dieser die Ablehnung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.2005 - betrifft, kann indes nicht beurteilt werden. Das SG hat nicht festgestellt, ob das entsprechende Schreiben dem Kläger überhaupt bekannt gegeben (§ 37 Abs 1 SGB X) und ihm gegenüber damit wirksam eine Verfügung ausgesprochen worden ist. Die Kenntnisnahme durch eine spätere Akteneinsicht im Gerichtsverfahren ersetzt jedenfalls nicht die Bekanntgabe; diese erfordert vielmehr, dass die Behörde dem Adressaten willentlich den Inhalt vermittelt (vgl nur Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 37 RdNr 3 mwN). Sollte ein Zugang zu verneinen sein, wären in den jeweiligen monatlichen Zahlungen konkludente Bewilligungen und gleichzeitig konkludente Ablehnungen höherer Leistungen zu sehen, die Gegenstand des Verfahrens wären. Auf die Frage der Beweislast für den Zugang käme es nicht an.

13

Gegen sämtliche Bescheide wendet sich der Kläger mit kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG). Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um einen Höhenstreit, bei dem Grund und Höhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang zu überprüfen sind (stRspr; vgl: BSGE 95, 8 ff RdNr 6 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1; BSGE 95, 191 ff RdNr 13 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2; BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 3 RdNr 9).

14

Für zwei Zeiträume fehlt es jedoch noch an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (§ 78 Abs 1 SGG); das SG hätte vor seiner Entscheidung deshalb noch ein Widerspruchsverfahren nachholen lassen müssen (stRspr; vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3a mwN). Der Senat darf dies trotz des Verbots der Überprüfung von Verfahrensmängeln im Verfahren der Sprungrevision berücksichtigen, weil § 161 Abs 4 SGG von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmängeln nicht entgegensteht(vgl: BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 10; BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 13/06 R - RdNr 12), der fehlende Widerspruchsbescheid die Klage unzulässig machen würde und die Zulässigkeit einer Klage ohne Rüge zu prüfen ist.

15

Die vom SG veranlasste Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 20.5.2009 für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 stellt keine Widerspruchsentscheidung dar. Das SG hat dieses Vorgehen vielmehr ausdrücklich zur Vermeidung eines entsprechenden, zeitraubenden Verfahrens vorgeschlagen, bei dem insbesondere nach § 116 Abs 2 SGB XII auch sozial erfahrene Dritte zu hören und der Widerspruchsbescheid nach § 85 Abs 3 Satz 1 SGG schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekannt zu geben gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund kann die bezeichnete Erklärung nicht als notwendiger Widerspruchsbescheid auf einen vom Kläger erhobenen Widerspruch verstanden werden. Zwar hat der Kläger sein Rechtsmittel im April 2007 nicht ausdrücklich als Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.6.2005 bzw die konkludenten monatlichen Verfügungen (siehe oben) nach seiner Akteneinsicht in dem Verfahren, das die Zeit vom 1.1. bis 30.6.2005 betraf, bezeichnet; jedoch hat er "bis auf weiteres" einen höheren Freibetrag beansprucht (Schreiben vom 4.4.2007) und deutlich gemacht, dass dieses Begehren auch die früheren Zeiträume betreffen solle (Schreiben vom 2.5.2007).

16

Nachzuholen ist außerdem das Widerspruchsverfahren für die Zeit vom 1.7.2006 bis 31.3.2007. Der Kläger hat sich mit seinem als Widerspruch zu bewertenden Begehren (Schreiben vom 4.4.2007 und 2.5.2007) für den gesamten Zeitraum gegen den Bescheid vom 21.6.2006 gewandt, selbst wenn die Beklagte zu Unrecht den Widerspruch als auf die Zeit ab 1.4.2007 beschränkt angesehen und deshalb im Widerspruchsbescheid vom 12.6.2008 ausdrücklich nur hierüber entschieden hat. Von der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens kann auch nicht Abstand genommen werden, weil die Beklagte durch diese fehlerhafte Auslegung des Widerspruchs letztlich (abschlägig) über die Zeit davor mitbefunden habe. Dies mag zugunsten des Klägers anzunehmen sein, wenn der Widerspruchsbescheid nicht seine verfahrensrechtliche Situation beeinflussen könnte. Gerade dies ist hier aber der Fall, weil nicht feststeht, wann dem Kläger der Bescheid vom 21.6.2006 zugegangen ist, und weil, falls der Widerspruch verfristet war, die Beklagte gleichwohl die Befugnis besäße, in der Sache zu entscheiden und damit eine eventuelle Bestandskraft aufzuheben.

17

Im Hinblick auf diese Befugnis der Beklagten ist die Klage nicht bereits wegen Bestandskraft des Bescheids vom 21.6.2006 für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2007 unbegründet. Zwar hat das SG - wie bereits ausgeführt - nicht festgestellt, wann dieser Bescheid dem Kläger zugegangen und ob der von diesem erhobene Widerspruch rechtzeitig eingelegt worden ist; die Beklagte hat aber mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 12.6.2008 für diesen Zeitraum in der Sache entschieden und damit die gerichtliche Überprüfung wiedereröffnet, sodass eine eventuelle Bindungswirkung nicht mehr entgegensteht (vgl nur BSGE 49, 85 ff = SozR 2200 § 1422 Nr 1).

18

Ob der Kläger durch die angefochtenen Bescheide, soweit bereits Widerspruchsbescheide ergangen sind, beschwert ist (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG), ihm also zusätzliche 48,14 Euro bzw ab 1.7.2008 52,50 Euro an Grundsicherungsleistungen insgesamt zustehen, kann der Senat aber nicht abschließend beurteilen, weil sich das SG - wenn auch unter Feststellung des Alters des Klägers - ausschließlich mit der Frage eines höheren Freibetrags bei der Einkommensanrechnung befasst hat, und zwar ohne Ausführungen zum genauen monatlichen Einkommen. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 19 Abs 2(in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - bzw ab 1.1.2008 durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung und Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 41 SGB XII(in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz vom 27.12.2003 bzw ab dem 1.1.2008 durch das Gesetz vom 20.4.2007 erhalten hat). Danach ist - zusammengefasst formuliert - ua Personen, die das 65. Lebensjahr erfüllt bzw ab 1.1.2008 die Altersgrenze (Anhebung der 65 Jahre für Geburtsjahrgänge ab 1947 um je einen Monat für jeden Jahrgang über dem Geburtsjahr 1946) erreicht haben, mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten, soweit sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen können.

19

Zu Recht ist das SG - wie die Beklagte - davon ausgegangen, dass gemäß § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht - Verwaltungsvereinfachungsgesetz - vom 21.3.2005 - BGBl I 818 - bzw durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670 - erhalten hat) bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung lediglich ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten, ab 7.12.2006 begrenzt auf 50 vom Hundert des Eckregelsatzes, abzusetzen ist.

20

Ein höherer Freibetrag nach § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII ist nicht gerechtfertigt. Danach kann abweichend von Abs 3 Satz 1 in begründeten Fällen ein anderer Betrag vom Einkommen abgesetzt werden. Einen begründeten Fall hat der Senat für ein nach § 104 Abs 1 Nr 3 iVm § 107 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung -(SGB III) geleistetes Ausbildungsgeld mit Rücksicht auf die besondere Situation behinderter Menschen in Werkstätten aus Gleichheitsgründen angenommen (BSGE 106, 62 ff RdNr 29 ff = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 15/08 R - RdNr 18). Darüber hinaus soll eine Erhöhung des Freibetrages insbesondere als zusätzliche Motivation bei schweren gesundheitlichen oder persönlichen Beeinträchtigungen dienen (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 82 SGB XII RdNr 50; Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 82 RdNr 76, Stand Juni 2008; ähnlich wohl auch Brühl in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII , 8. Aufl 2008, § 82 SGB XII RdNr 78). Es kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist, weil vorliegend keine besondere Beeinträchtigung zu bejahen ist.

21

Nach Sinn und Zweck der Regelung ist es jedenfalls nicht zulässig, allein aufgrund des Alters einen erhöhten Freibetrag für Einkünfte aus einer ausgeübten Tätigkeit einzuräumen. Die Funktion des § 82 Abs 3 SGB XII besteht zwar allgemein darin, einen Anreiz zu schaffen, (trotz des Alters bzw einer vollen Erwerbsminderung) Arbeit aufzunehmen, die Arbeitsleistung zu steigern und den Arbeitswillen zu erhalten(vgl: BSGE 106, 62 ff RdNr 35 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; Lücking, aaO, K § 82 RdNr 76, Stand Juni 2008; Brühl, aaO, § 82 SGB XII RdNr 75). Abs 3 Satz 3 selbst soll allerdings dem Hilfeträger nur die Möglichkeit eröffnen, gegenüber der typisierenden Regelung des Abs 3 Satz 1 flexibel zu reagieren (BT-Drucks 15/1514, S 65 zu § 77 des Entwurfs; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 82 SGB XII RdNr 88; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 82 SGB XII RdNr 82 f, Stand Mai 2007; Schmidt in juris PraxisKommentar SGB XII § 82 SGB XII RdNr 68 SGB XII). Ein anderer Freibetrag ist damit im Rahmen einer Ermessensentscheidung (BSG, aaO, RdNr 35) nur zulässig, wenn kein Regelfall vorliegt.

22

Die Situation des Klägers entspricht jedoch gerade dem Regelfall des § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII. Anders als im früheren Recht des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) - § 76 Abs 2a (Absetzung in angemessener Höhe für Einkünfte bestimmter Personen) - werden vom SGB XII bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nämlich ohnedies lediglich noch Personen erfasst, die voll erwerbsgemindert, also nicht mindestens drei Stunden täglich unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein können(§ 21 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 7 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -), oder noch nicht bzw - wie der Kläger - nicht mehr im erwerbsfähigen Alter sind (vgl hierzu: Hohm, aaO, § 82 SGB XII RdNr 47; Schmidt, aaO, RdNr 66; Eicher in jurisPK-SGB XII, § 21 SGB XII RdNr 1, 9, 15 f). Ob das Beispiel des Ferienjobs eines Schülers in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1514, S 65 zu § 77 des Entwurfs) für die Annahme eines begründeten Falls iS des § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII geglückt ist, mag bezweifelt werden; denn Schüler dürften regelmäßig als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft unter das SGB II fallen. Das Beispiel in der Gesetzesbegründung rechtfertigt jedenfalls nicht die vom Kläger für seinen Fall gewünschte Auslegung der Norm. Die Anwendung des § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII generell auf Einkommen aus Tätigkeiten von über 65-Jährigen ohne zusätzliche Umstände, wäre geradezu systemwidrig. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit der Neuregelung des Sozialhilferechts ab 1.1.2005 als einfache, praktikable und einheitliche Lösung eine prozentuale Einkommensfreistellung für den Regelfall gewählt (vgl BT-Drucks 15/1514, S 65 zu § 77 Abs 3).

23

Das SG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 5.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten umstritten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Wiesengrundstücks von 0,4163 ha, das zwei Mal jährlich gemäht wird. Das Schnittgut dient allein der Heugewinnung. Mit Bescheid der Lippischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG; Rechtsvorgängerin der Beklagten) vom 18.4.1980 wurde er in deren Unternehmerverzeichnis (Kataster) aufgenommen. Seinen im August 2006 gestellten Antrag, den Aufnahmebescheid zurückzunehmen und das Ende der Mitgliedschaft festzustellen, lehnte die Beklagte ab, weil das Grünland zur Erhaltung des Kulturzustandes gepflegt werde (Bescheid vom 13.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006).

3

Das SG Detmold hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 26.9.2008). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 2.6.2010). Der Kläger habe seit 1.1.1980 ein Unternehmen der Landwirtschaft betrieben. Zwar liege eine planmäßige Aufzucht und Aberntung von Bodengewächsen nicht vor. Die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer entfalle aber erst dann, wenn entweder die Bodenfläche im Wesentlichen Ödland sei und landwirtschaftlich nicht genutzt werden könne oder die Bodenbewirtschaftung auf Dauer eingestellt werde. Eine zeitliche Geringfügigkeitsgrenze habe unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht bestanden. Die mit dem SGB VII mit Wirkung ab 1.1.1997 eingeführten Bagatellgrenzen seien überschritten.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 776 Abs 1 Nr 1 RVO und 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Er sei kein landwirtschaftlicher Unternehmer, da es an einer Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse fehle. Das Grundstück würde allein gemäht, um im Sinne landschaftspflegerischer Aktivitäten den Kulturzustand zu erhalten, Beeinträchtigungen Dritter durch Samenflug zu vermeiden und für Fahrzeugführer die Sicht auf angrenzende Straßen freizuhalten. Das Schnittgut sei für ihn unerwünschter Abfall.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juni 2010 und des Sozialgerichts Detmold vom 26. September 2008 sowie die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten im Bescheid vom 13. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 18. April 1980, hilfsweise dessen Aufhebung für die Zeit ab 1. Januar 1997 festzustellen, dass er nicht Mitglied der Beklagten ist.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Bodenbewirtschaftung umfasse alle Bestellungs-, Pflege-, und Aberntungstätigkeiten einschließlich der Bearbeitung und Düngung des Bodens. Der nur geringe Arbeitsaufwand des Klägers sei unerheblich.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten im Bescheid vom 13.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme oder Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 18.4.1980 und Feststellung seiner Nicht-Mitgliedschaft bei der Beklagten.

9

Die angefochtene Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Aufnahmeentscheidung vom 18.4.1980 wegen anfänglicher Unrichtigkeit und das hierauf gerichtete Verpflichtungsbegehren des Klägers beurteilen sich nach § 44 Abs 2 SGB X. Der hierzu nachrangige Anspruch auf Aufhebung der Aufnahmeentscheidung wegen einer im Nachhinein eingetretenen nachträglichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse richtet sich hingegen nach § 48 Abs 1 SGB X. Diese Vorschriften werden nicht durch die Regelungen des § 136 Abs 1 Satz 4 iVm Abs 2 SGB VII als leges speciales verdrängt, die lediglich die Überweisung von Unternehmen und damit die Beziehungen der Unfallversicherungsträger zueinander betreffen.

10

Nach § 44 Abs 2 SGB X ist ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist; er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist weder geltend gemacht worden noch erkennbar, dass die Beklagte bei der Aufnahme des Klägers in das Unternehmerverzeichnis von einem Sachverhalt ausgegangen sein könnte, der sich (nachträglich) als unrichtig erweist. Sie hat auch das Recht nicht unrichtig angewandt. Ihre Entscheidung im Bescheid vom 18.4.1980, den Kläger als landwirtschaftlichen Unternehmer im Kataster zu führen, entsprach der damaligen Sach- und Rechtslage.

11

Der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, muss von Anfang an rechtswidrig sein. Maßgeblich ist daher das Recht, das für den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes vom 18.4.1980 gilt, hier das der RVO. Nach § 792 iVm § 658 Abs 1 RVO war jeder Unternehmer Mitglied der sachlich zuständigen BG, dessen Unternehmen seinen Sitz im örtlichen Zuständigkeitsbereich der BG hatte. Unternehmer war gemäß § 658 Abs 2 Nr 1 RVO derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) ging. Von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung waren nach § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaus umfasst, es sei denn, es handelte sich um Haus-, Zier- oder andere Kleingärten, die weder regelmäßig noch in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet wurden und deren Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienten(§ 778 RVO). Auf der Grundlage dieser Vorschriften ist der Kläger zu Recht zum 1.1.1980 selbst versichertes und beitragspflichtiges Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten geworden.

12

Sein unfallversicherungsrechtlicher Rechtsstatus als landwirtschaftlicher Unternehmer war nicht von vornherein deswegen ausgeschlossen, weil er unter die Spezialvorschrift des § 778 RVO, einer Ausnahmeregelung für Ziergärten, Hausgärten und andere Kleingärten, gefallen wäre. Bei dem Wiesengrundstück von 0,4163 ha handelt es sich offenkundig nicht um einen der Verschönerung dienenden Ziergarten. Da seine Nutzung nicht auf den häuslichen Bedarf ausgerichtet ist, stellt es auch keinen Hausgarten dar. Schließlich scheidet ein anderer Kleingarten aus, denn selbst die ursprünglich vom Reichsversicherungsamt angenommene Obergrenze von 2.500 m² (vgl hierzu BSG vom 31.1.1989 - 2 RU 30/88 - BSGE 64, 252, 254 = SozR 2200 § 778 Nr 2 S 7) ist überschritten.

13

Durch das Mähen des Wiesengrundstücks wurde ein "Unternehmen" im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung begründet. Der Begriff des Unternehmens ist durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30.4.1963 (BGBl I, 241) als Sammelbegriff für Betriebe, Einrichtungen und Tätigkeiten ausgestaltet worden. Die Aufzählung im Klammerzusatz des § 658 Abs 2 Nr 1 RVO macht deutlich, dass unter einem Unternehmen nicht nur ein Betrieb im herkömmlichen wirtschaftlichen Sinne zu verstehen ist. Der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens knüpft nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer organisatorischen Einheit an und setzt weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit voraus (BSG vom 5.8.1976 - 2 RU 189/74 - BSGE 42, 126, 128 = SozR 2200 § 539 Nr 24 S 68; BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 40/98 R - SozR 3-2200 § 776 Nr 5 S 12 f). Anders als nach § 1 Abs 3 des bis zum 31.12.1994 geltenden Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) kommt es auch nicht darauf an, dass das Unternehmen nach seiner Art und Größe eine Existenzgrundlage bilden kann. Vielmehr ist in der gesetzlichen Unfallversicherung jede Tätigkeit geeignet, ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen. Dieser weite unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens gilt auch für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. § 792 RVO bestimmt ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 658 RVO. Ein landwirtschaftliches "Unternehmen" im weiten unfallversicherungsrechtlichen Sinn liegt schon deshalb nicht nur dann vor, wenn der Unternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb oder eine landwirtschaftliche Einrichtung führt.

14

Der Kläger betreibt das Unternehmen und ist damit "Unternehmer". Es geht für seine Rechnung (vgl § 658 Abs 2 Nr 1 RVO), denn ihm gereicht es unmittelbar zum wirtschaftlichen Vor- oder Nachteil (vgl BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 42/99 R - juris RdNr 16 mwN). Nach seinem eigenen Vorbringen wird das Grundstück gemäht, um nachteilige Einwirkungen auf Dritte zu vermeiden. Dass er die Wiese durch Dritte mähen lässt, berührt seine Eigenschaft als Unternehmer, dem dies zum Vorteil gereicht, nicht (vgl BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 30/97 R - BSGE 82, 132, 135 = SozR 3-2200 § 802 Nr 1 S 5).

15

Dieses Unternehmen des Klägers ist "landwirtschaftlicher" Natur. Der Begriff der "landwirtschaftlichen" Unternehmen ist im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gesetzlich definiert. Er erfasst nach dem Gesetz nicht nur bodenbewirtschaftende Unternehmen. Soweit er sich auf solche bezieht, verlangt er schon nach seiner alltagssprachlichen Bedeutung, dass der Unternehmer, der, wie der Kläger, keinen Betrieb und keine Einrichtung führt, wirtschaftende Tätigkeiten am "Land" durchführen lässt oder durchführt. Daher ist landwirtschaftlicher Unternehmer, wer als Besitzer von Grundstücken (Eigentümer, Pächter, Nießbraucher oder sonstige Nutzer) auf eigene Rechnung Tätigkeiten verrichtet oder verrichten lässt, die mit dem Boden in irgendeiner Art wirtschaften (vgl BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 42/99 R - juris RdNr 16 mwN). Hingegen reicht es nicht aus, dass jemand Eigentümer, Besitzer oder Nutzungsberechtigter an einem Grundstück ist, ohne eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit zu entfalten (oder einen landwirtschaftlichen Betrieb, eine solche Einrichtung oder eine darauf bezogene Verwaltung zu führen).

16

Das Abmähen der auf einem Grundstück gewachsenen Pflanzen ist (wie deren Anbau und die Bearbeitung des Bodens zwecks Pflanzenanbaus) eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Zur Bodenbewirtschaftung zählt nicht nur die Bestellung des Bodens durch Säen oder Pflanzen und seine Bearbeitung durch zB Pflügen, Düngen oder Bewässern. Sie umfasst vielmehr sämtliche Tätigkeiten, die - wie hier - dem Abschneiden von Bodengewächsen oder der Gewinnung von Bodenerzeugnissen dienen. Unerheblich ist, ob die Bodenerzeugnisse auf einer Aufzucht beruhen und zu welchem Zweck sie gewonnen werden. Auch das Mähen von Gras zur Heugewinnung ohne weitere Verwendung des Heus gehört damit zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten (vgl BSG vom 17.2.1971 - 7/2 RU 124/67 - BSGE 32, 211, 212 = SozR Nr 1 zu § 815 RVO). Der bloße Besitz eines Grundstücks mit Pflanzenbewuchs macht also den Eigentümer, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten noch nicht zum landwirtschaftlichen Unternehmer. Die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung wird, soweit kein Betrieb, keine Einrichtung und keine Verwaltung geführt wird, erst durch die Verrichtung einer bodenbewirtschaftenden Tätigkeit begründet, die ihrer Art nach eine unfallversicherte Tätigkeit sein kann.

17

Anderes ergibt sich nicht aus § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Danach ist Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße erreicht (Abs 2 Satz 1). Zur erforderlichen Bodenbewirtschaftung gehören diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen ausübt (Abs 4 Satz 2 Halbs 1). Es kann dahingestellt bleiben, wie der Begriff "Aufzucht" zu verstehen ist, ob er ein aktives Tun durch Eingriff in das natürliche Geschehen voraussetzt und das bloße wilde Wachsen nicht gesäten Grases nicht erfasst. Die Vorschrift des § 1 Abs 2 Satz 1 und Abs 4 Satz 2 Halbs 1 ALG ist bei der Feststellung eines landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht anwendbar.

18

Das ALG ist durch Art 1 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) vom 29.7.1994 (BGBl I, 1890) mit Wirkung zum 1.1.1995 eingeführt worden. Eine § 1 Abs 2 Satz 1 und Abs 4 Satz 2 Halbs 1 ALG entsprechende Regelung sah das GAL nicht vor. Obwohl durch Art 8 ASRG 1995 zugleich auch das Dritte Buch der RVO über die Gesetzliche Unfallversicherung geändert worden ist, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, ausdrücklich oder durch Verweisung auf das ALG jene Definition des Begriffs der Bodenbewirtschaftung in das Unfallversicherungsrecht des Dritten Buches der RVO zu übernehmen.

19

Auch nach der Gesetzessystematik wurden nach § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO grundsätzlich sämtliche Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einbezogen. Lediglich Haus-, Zier- und andere Kleingärten gelten nach § 778 RVO nicht als landwirtschaftliche Unternehmen. Dieses Regelungskonzept bestätigt, dass sich die landwirtschaftliche Unfallversicherung mangels zumindest begrifflicher Erläuterung des landwirtschaftlichen Unternehmens auf sämtliche bodenbewirtschaftenden Unternehmen mit Ausnahme von Haus-, Zier- und anderen Kleingärten erstreckt. Damit wird dem Anliegen Rechnung getragen, die betrieblichen Risiken der Landwirtschaft so weit wie möglich abzudecken.

20

Die Mitgliedschaft des landwirtschaftlichen Unternehmers in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung begründet seinen eigenen Versicherungsschutz bei Verrichtung einer Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer sowie den seiner Beschäftigten und "Wie-Beschaftigten" in dieser Versicherung. Nach § 539 Abs 1 Nr 5 RVO waren Unternehmer gegen Arbeitsunfall versichert, solange und soweit sie als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen BG waren. Für diesen Personenkreis wurde entgegen der Regel, dass Unternehmer nicht versichert sind, ein berechtigtes Interesse an einem Unfallversicherungsschutz angenommen (vgl BT-Drucks IV/120 S 51 zu § 539). Dieses berechtigte Interesse besteht unabhängig von der Größe des landwirtschaftlichen Unternehmens und der Art der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Auch solche bodenbewirtschaftende Tätigkeiten, die nicht der Aufzucht von Bodengewächsen dienen, kann der Gesetzgeber in die Unfallversicherung einbeziehen, da ihnen ein nicht unwesentliches Unfallrisiko eigen ist. § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO stellt auf die umfassende Organisationseinheit "Unternehmen" iS des § 658 Abs 2 Nr 1 RVO ab, ohne Grenzen oder Einschränkungen festzulegen. Nur Tätigkeiten in Haus-, Zier- oder anderen Kleingärten sind nach § 778 RVO unter den dort genannten Voraussetzungen von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ausgenommen worden(vgl BSG vom 12.6.1980 - 2 BU 175/88 - juris RdNr 8).

21

Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der Senat nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Es ist zwar zutreffend, dass in früheren Urteilen solche (regelmäßigen) Tätigkeiten als von einem landwirtschaftlichen Unternehmen umfasst bezeichnet wurden, die von nicht ganz kurzer Dauer und dazu bestimmt waren, Bodengewächse überwiegend planmäßig aufzuziehen und abzuernten (vgl zuletzt BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 51/02 R - juris RdNr 17; BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 37/02 R - juris RdNr 16; BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 28/99 R - juris RdNr 16 und B 2 U 42/99 R - juris RdNr 19, jeweils mwN). Damals waren aber nur Fallgestaltungen zu beurteilen, in denen die planmäßige Aufzucht und das regelmäßige Abernten von Bodengewächsen festgestellt oder die landwirtschaftliche Fläche verpachtet war. Diese tatsächlichen Feststellungen wurden lediglich als eine hinreichende Bedingung für ein "landwirtschaftliches Unternehmen" angesehen. Hingegen wurde nicht gesagt, dass dies eine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens wäre. Notwendig ist allein eine im genannten Sinn mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Deshalb kommt es nach den abschließenden Ausnahmeregelungen des Gesetzes für Zier-, Haus- und andere Kleingärten, bei denen dieser Aspekt berücksichtigt wird, grundsätzlich auch nicht darauf an, ob die Bodenbewirtschaftung nur einen geringfügigen Arbeitsaufwand erfordert. Gleichwohl kann offen bleiben, ob bei Tätigkeiten an anderen Grundstücken als Zier-, Haus- und Kleingärten bezogen auf den Arbeitsaufwand bei der Bodenbewirtschaftung eine allgemeine Geringfügigkeits- oder Bagatellgrenze für ganz geringfügige Tätigkeiten besteht (zuletzt auch offen gelassen in BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 51/02 R - juris RdNr 21 und vom 6.5.2003 - B 2 U 37/02 R - juris RdNr 17). Der mit dem (hier zweimaligen) Mähen der 0,4163 ha großen Fläche verbundene Arbeitsaufwand kann jedenfalls nicht mehr als ganz geringfügig bezeichnet werden.

22

Zwar hat der Senat im Beschluss vom 25.10.1989 (2 BU 99/89) ausgeführt, dass das gelegentliche Mähen einer Wiese zur Abwehr eventueller Beschwerden der Nachbarn über Unkrautsamenflug ohne weitere Nutzung des abgemähten Grases nicht geeignet ist, ein landwirtschaftliches Unternehmen zu begründen. Zu entscheiden war aber über ein verwahrlostes Wiesengrundstück von nur 0,35 ha, das lediglich hin und wieder durch den fünfzehnjährigen Enkelsohn des Klägers gemäht wurde. Ob das Abmähen von Gras auf einer Wiese für sich allein eine landwirtschaftliche unternehmerische Tätigkeit darstellt, hat der Senat jedoch wegen des vom LSG tatsächlich und bindend festgestellten geringfügigen Arbeitsaufwandes des Enkels ausdrücklich offen gelassen. Soweit der Beschluss in eine von diesem Urteil abweichende Richtung weisen kann, wird an ihm nicht festgehalten.

23

Die Ablehnung des erhobenen Anspruchs auf Aufhebung der Aufnahmeentscheidung im Bescheid vom 18.4.1980 ist mangels einer wesentlichen nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Abs 1 Satz 2 Nr 1). Eine Änderung in diesen Verhältnissen ist wesentlich, wenn der Verwaltungsakt, so wie er ursprünglich nach der damaligen Sach- und Rechtslage zu Recht erlassen wurde, nach der neuen Sach- und Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte (BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 21/06 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 11 RdNr 11 mwN).

24

Gegenüber den Verhältnissen, die bei Erlass des Aufnahmebescheids vom 18.4.1980 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht eingetreten. Dass das Wiesengrundstück mittlerweile nicht mehr gemäht würde, ist weder vom LSG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist nicht darin zu erblicken, dass das Dritte Buch der RVO zum 1.1.1997 durch das SGB VII abgelöst worden ist. An die Stelle der bis zum Jahre 1996 geltenden §§ 792 iVm 658 Abs 2 Nr 1, § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und § 778 RVO sind zum 1.1.1997 die inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 121 Abs 1, 123 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 sowie § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII getreten. Auch danach ist die Nutzung des Grundstücks durch den Kläger als landwirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren und er als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGB VII).

25

Gemäß § 121 Abs 1 SGB VII umfasst der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten. Diese Vorschrift betrifft nicht nur die gewerblichen BGen, obwohl der Begriff des Unternehmens in der die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen BGen regelnden Bestimmung des § 123 Abs 1 SGB VII als "landwirtschaftliches Unternehmen" beschrieben wird. Nach § 123 Abs 2 SGB VII sind von den landwirtschaftlichen Unternehmen aber nur Haus-, Zier- und andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes ausgeschlossen, es sei denn, sie werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet oder ihre Erzeugnisse dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt. Daher ist auch nach dem Recht des SGB VII jede den Boden bewirtschaftende Tätigkeit geeignet, ein Unternehmen zu begründen. Eine Begrenzung des landwirtschaftlichen Unternehmens auf Betriebe, Verwaltungen und Einrichtungen war mit der Einführung des SGB VII nicht verbunden (vgl BT-Drucks 13/2204 S 104 zu § 123 Abs 1).

26

Unternehmer ist nach § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Die Abweichung vom Wortlaut des § 658 Abs 2 Nr 1 RVO bedeutet ebenso keine sachliche Änderung, sondern die Übernahme der dazu ergangenen Rechtsprechung(vgl BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 42/99 R - juris RdNr 22; BT-Drucks 13/2204 S 108 zu § 136 Abs 3). Auch der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmers wird im SGB VII unverändert verwendet (vgl BT-Drucks aaO S 104 zu § 123 Abs 1). Allerdings räumt § 5 SGB VII den Unternehmern landwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,12 ha (1.1.1997 bis zum 29.3.2005) oder 0,25 ha (seit 30.3.2005) das Recht ein, die Befreiung von der Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 5 SGB VII zu beantragen. Die Größe der hier bewirtschafteten Fläche liegt indes erheblich über dieser Grenze. Eine Befreiung des Klägers ist auch nicht verfügt worden.

27

Da der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme oder Aufhebung des Aufnahmebescheids vom 18.4.1980 hat, ist auch für die begehrte Feststellung kein Raum.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

29

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und war für die Vorinstanzen abzuändern.

30

In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen in einem Rechtszug - wie hier - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, werden nach § 197a Abs 1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben. Nach § 52 Abs 1 GKG ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 GKG). Ein Streitwert von über 2.500.000 Euro darf nicht angenommen werden (§ 52 Abs 4 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro (Auffangstreitwert) anzunehmen (§ 52 Abs 2 GKG).

31

Für Rechtsstreitigkeiten um den zuständigen Unfallversicherungsträger hat der Senat den Streitwert auf das Dreifache des bei dem bisherigen Unfallversicherungsträger angefallenen Jahresbeitrags, mindestens jedoch den vierfachen Auffangstreitwert beziffert. Begründet wurde dies mit der erheblichen Bedeutung der Zuordnung eines Unternehmens zu einem bestimmten Unfallversicherungsträger aufgrund der sich daraus ergebenden Beitragsbelastung, der zu erbringenden Präventionsleistungen nebst der damit einhergehenden Überwachung und Beratung sowie der relativ hohen Voraussetzungen für eine Überweisung von einem Unfallversicherungsträger zu einem anderen (Beschluss vom 28.2.2006 - B 2 U 31/05 R - SozR 4-1920 § 52 Nr 3 RdNr 10). Diese Gesichtspunkte sind jedenfalls im vorliegenden Verfahren, in dem sich der Kläger allein gegen seine Heranziehung als (landwirtschaftlicher) Unternehmer durch die Beklagte wendet, nicht geeignet, einen höheren Streitwert als 5.000 Euro zu begründen.

32

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses. Eventuelle, nicht vorhersehbare mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Ob Präventionsleistungen erbracht werden und sich im Nachhinein die anfängliche Unrichtigkeit der die Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers feststellenden Verwaltungsentscheidung herausstellt oder sich die tatsächlichen unternehmerischen Verhältnisse grundlegend ändern, ist völlig ungewiss. Auch die mit der Zuständigkeit zu einem Unfallversicherungsträger regelmäßig verbundene Beitragsbelastung ist kein geeignetes Beurteilungskriterium, wenn Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Frage der Mitgliedschaft ist. Bereits bindend gewordene Beitragsbescheide werden nicht durch die gerichtliche Aufhebung eines die Zuständigkeit bei einem Unfallversicherungsträger feststellenden Verwaltungsaktes beseitigt. Sind Beitragsbescheide eigenständig angegriffen, bestimmt deren Höhe den Streitwert (§ 52 Abs 3 GKG). Zudem hängt die Beitragshöhe von verschiedenen Faktoren ab und lässt sich eine Beitragsstabilität nicht vorhersagen. Für die Festsetzung des Streitwerts fehlt es vorliegend an hinreichenden Anhaltspunkten. Dem trägt § 52 Abs 2 GKG Rechnung, der für solche Fälle einen Auffangstreitwert von 5.000 Euro vorsieht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 792 999,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Wege der industriellen Fertigung Tiefkühltorten und -kuchen, Feingebäck, aber auch Brötchen, Baguette und Desserts herstellt. Sie ist Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

3

Im Gefahrtarif 1999 der Beklagten, der von 1999 bis Ende 2004 Gültigkeit besaß, waren zwei getrennte Gefahrtarifstellen für Bäckereien (Gefahrtarifstelle 1 - Gewerbegruppe 11 - Gefahrklasse 6,7) und für Konditoreien (Gefahrtarifstelle 2 - Gewerbegruppe 12 - Gefahrklasse 3,7) festgestellt. Damals war die Klägerin mit wesentlichen Teilen ihres Unternehmens durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 zur Gefahrtarifstelle 2 (Konditoreien) veranlagt worden. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. Der Gefahrtarif 2005 sah eine gemeinsame Gefahrtarifstelle 1 für die "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11 mit der Gefahrklasse 6,0 vor. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

4

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin ab 1.1.2005 mit dem Unternehmensteil "Produktion" zur Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) sowie der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

5

Die Klägerin hat Klage beim SG Osnabrück erhoben, das den Veranlagungsbescheid der Beklagten mit Urteil vom 12.5.2010 (insgesamt) aufgehoben hat. Die Gewerbezweige Bäckerei und Konditorei seien durch ein relevant abweichendes Gefährdungsrisiko geprägt, so dass ein Anspruch der Unternehmen des Konditoreigewerbes auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig in dem Gefahrtarif bestehe.

6

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, den Unfallversicherungsträgern sei bezüglich des Gefahrtarifs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Das SG habe in seinem Urteil unzutreffend eigene Überlegungen zur Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Gefahrtarifänderung angestellt. Das LSG hat durch Urteil vom 22.3.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gliederung des Gefahrtarifs 2005 mit einer einzigen Gefahrtarifstelle für Bäckereien und Konditoreien sei nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden. Ein Gewerbezweigtarif basiere auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufwiesen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrengemeinschaften darstelle. Eine erheblich abweichende Unfallgefahr in Konditoreien gegenüber Bäckereien sei nicht festzustellen. Dies folge bereits aus der Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte. Auch handele es sich bei Bäckern und Konditoren um verwandte Handwerke iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Handwerksordnung. Ein wesentlicher Unterschied in den Produktionsweisen liege nicht mehr vor. Insbesondere habe die Klägerin selbst darauf hingewiesen, dass sie einen Mischbetrieb führe. Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt.

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Die Beklagte sei für die Voraussetzungen des Veranlagungsbescheids, der einen belastenden Verwaltungsakt darstelle, darlegungs- und beweispflichtig. Sie habe nicht hinreichend durch Tatsachen belegen können, dass eine gemeinsame Veranlagung von Bäckereien und Konditoreien gerechtfertigt sei. In einer Gefahrtarifstelle dürften nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst werden. Nach der Rechtsprechung sei eine auffällige Abweichung der Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt bereits bei einer Abweichung von 36,2 vH anzunehmen. In solchen Fällen sei für verschiedene Gewerbezweige jeweils eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Abweichung der Belastungsziffer der Konditoreien (3,7) von der Belastungsziffer der Bäckereien bzw von gemeinsamen Belastungsziffern der Unternehmen der Gefahrtarifgruppe 1 (Gefahrklasse 6,0) sei erheblich, sie betrage 38,3 vH. Die Heraufsetzung der Gefahrklasse für Konditoreien von 3,7 auf 6,0 verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, denn die daraus resultierende Beitragssteigerung von 62 vH überschreite die zulässigen Belastungsgrenzen.

8

Für die Bestimmung der Gefährdungsrisiken seien nicht - wie vom LSG angenommen - die Vielzahl der Produkte oder die den Produkten gegebenen Namen maßgeblich. Unerheblich sei auch, ob mehr gemeinsame oder mehr getrennte Produkte von Konditoreien und Bäckereien hergestellt würden. Für die gewerbetypische Gefahr könne nur die aufgewendete Zahl an Arbeitsstunden für gemeinsam bzw getrennt hergestellte Waren maßgebend sein. Belege hierfür fehlten. Das LSG habe hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen - etwa der Arbeitszeit an computergesteuerten Backöfen - nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter in beiden Handwerkszweigen zu mehr als 50 vH ihrer Arbeitszeit mit derartigen Backöfen arbeiteten. Vielmehr habe es nur pauschal festgestellt, dass das Konditoreigewerbe in einigen Arbeitsbedingungen (Maschinen, Öfen, Kontakt mit Mehl, Hitze und Kälte usw) mit denen der Bäckereien übereinstimme.

9

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 12. Mai 2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 ff; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

bb) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Dahinstehen kann hier, dass das Hessische LSG in seinem Urteil vom 30.8.2011 (L 3 U 147/08), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage (11.4.2013 - B 2 U 4/12 R) zugrunde lag, für den Senat dort gemäß § 163 SGG bindend festgestellt hat, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist, was ebenfalls für eine Zusammenfassung der beiden Gewerbe in einer Gefahrtarifstelle spricht.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 11.4.2013 - B 2 U 4/12 R). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012,88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

58

Der Streitwert war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) mit 792 999,25 Euro festzusetzen.

59

Gemäß § 52 Abs 1 GKG ist die Höhe des Streitwerts nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Rechtssache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert ist nicht nach § 52 Abs 2 GKG mit dem Auffangstreitwert von 5000 Euro festzusetzen, wie es der Senat ua für Entscheidungen über Fragen der Mitgliedschaft angenommen hat(vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2; BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18), weil der Sach- und Streitstand hier hinreichende Anhaltspunkte bietet, um das wirtschaftliche Interesse der Klägerin anhand der sich aus dem angefochtenen Veranlagungsbescheid mittelbar ergebenden Beitragsmehrbelastung beziffern zu können. Die Geltungsdauer des streitigen Gefahrtarifs endete bereits am 31.12.2007. Eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Veranlagungsjahre ist daher ausgeschlossen (BSG vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 67; zum Streitwert bei Veranlagungsbescheid nach der Differenz der tatsächlichen und zu erwartenden Beitragslast: Becker/Spellbrink, NZS 2012, 283, 286).

60

Das Interesse der Klägerin bemisst sich nach der Differenz der innerhalb der streitigen drei Jahre voraussichtlich geschuldeten Beiträge bei Veranlagung nach getrennten Gefahrklassen für Konditoreien und Bäckereien, die - wie vom LSG festgestellt - 4,0 betragen hätte, zu den Beiträgen bei Veranlagung nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gefahrklasse von 6,0. Diese Differenz beträgt für den hier streitigen Zeitraum 792 999,25 Euro. Die von der Klägerin vorgeschlagene Festsetzung des Streitwerts nach der Differenz zwischen einem Beitrag "Null" und dem von ihr in drei Jahren gezahlten Gesamtbeitrag ist dagegen nicht zugrunde zu legen, weil die begehrte Teilaufhebung des angefochtenen Veranlagungsbescheids auch bei Nichtigkeit der mittelbar angegriffenen Satzungsregelung wirtschaftlich nur zu einer geringeren Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einem Beitrag "Null" der Klägerin hätte führen können.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie von der Beklagten zu der neuen Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 veranlagt wurde.

2

Die Klägerin betreibt eine Konditorei in F. und ist Mitglied der Beklagten. Durch Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999 war die Klägerin ab 1.1.1999 nach dem Gefahrtarif 1999 noch in die Gefahrtarifstelle 2 "Konditoreien" mit der Gefahrklasse 3,7 veranlagt worden. Der Gefahrtarif 1999 der Beklagten enthielt ua die Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 6,7 für Bäckereien und die Gefahrtarifstelle 2 mit der Gefahrklasse 3,7 für Konditoreien. Zur Vorbereitung eines neuen Gefahrtarifs ermittelte die Verwaltung der Beklagten als Vorlage für die Beschlussfassung im April 2004 aus dem Beobachtungszeitraum 1999 bis 2003 eine Gefahrklasse von 4,0 für Konditoreien und von 6,3 für Bäckereien. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss allerdings später bei Erlass des Gefahrtarifs 2005, die Gefahrtarifstellen für Bäckereien und Konditoreien zusammenzuführen. In dem ab 1.1.2005 gültigen Gefahrtarif 2005 wurden die Bäckerei- sowie Konditoreibetriebe in der Gefahrtarifstelle 1 unter "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren", Gewerbegruppe 11, mit der Gefahrklasse 6,0 zusammengeführt. Der neue Gefahrtarif wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) genehmigt.

3

Mit Verwaltungsakt vom 20.8.2005 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit dem Unternehmensbereich Bäckereien/Konditoreien zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 6,0 des Gefahrtarifs 2005. Der Bürobereich (Gefahrklasse 0,8) und der Vertrieb (Gefahrklasse 3,0) wurden jeweils eigenen Gefahrtarifstellen zugeordnet. Die Klägerin erhob gegen den Veranlagungsbescheid vom 20.8.2005 Widerspruch, soweit Teile ihres Unternehmens zu der Gefahrtarifstelle 1 veranlagt wurden. Die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien in einer einheitlichen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005).

4

Die Klägerin hat Klage zum SG Frankfurt am Main erhoben, das eine Auskunft des BVA vom 9.6.2006 eingeholt hat, der diverse Anlagen beigefügt waren und in der der Gefahrtarif 2005 im Ergebnis nicht beanstandet wurde. Durch Urteil vom 19.5.2008 hat das SG sodann den Veranlagungsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (insgesamt) aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Konditoreibetriebe könnten nach Anzahl und Größe unschwer eine eigene Tarifstelle bilden. Es sei weiterhin von einem ungleichen Gefahrenrisiko bei Bäckern und Konditoren auszugehen, wobei nur auf die Nachtarbeit, Schichtdienst, Hitzeeinwirkungen, Bäckerasthma und Mehlallergien speziell bei Bäckern hinzuweisen sei.

5

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Hessische LSG hat durch Urteil vom 30.8.2011 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Gefahrtarif sei unabhängig von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit als gesetztes objektives Recht des Unfallversicherungsträgers nur daraufhin überprüfbar, ob er mit dem Gesetz und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sei. Ähnlich wie dem Gesetzgeber sei den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung, somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzten. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung treffe, sei nicht Aufgabe der Gerichte. Die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkten und die daraus folgende Entscheidung obliege dem Unfallversicherungsträger, der eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten habe.

6

Zu der Frage, bis zu welcher Differenz Gefahrengemeinschaften etwa gleiche Gefährdungsrisiken aufweisen, würden in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Grenzbereiche formuliert. Bei größeren Gewerbezweigen könnten bereits Belastungsunterschiede von 15 vH nicht mehr als annähernd gleich angesehen werden, während bei kleineren sogar Unterschiede von über 200 vH statistisch-mathematisch als annähernd gleich anzusehen seien. Ein fester Prozentsatz könne danach nicht angegeben werden. Letztlich sei das Spannungsverhältnis zwischen einer möglichst homogenen Gefahrengemeinschaft einerseits und dem erforderlichen versicherungsmäßigen Ausgleich zu lösen, der nach dem Gesetz der großen Zahl eine gewisse Größe der Gefahrengemeinschaft fordere, damit es sich um eine "Versicherung" handele. Die Frage einer ausreichenden Zahl von Betrieben zur Bildung einer eigenen Tarifstelle stelle sich zur Überzeugung des Senats für die Konditoreibetriebe nicht, da die Beklagte im ersten Entwurf zum Gefahrtarif 2005 vom 29.4.2004 selbst von 2800 Nur-Konditoreien ausgegangen sei, für die sie eine Gefahrklasse von 5,9 errechnet hatte. Ansonsten sei der Maßstab des annähernd gleichen Risikos an Art 3 Abs 1 GG zu messen, wonach vergleichbare Unfallgefahren sowohl für die der Gefahrtarifstelle angehörigen Gewerbezweige als auch für die in die Gewerbezweige aufgenommenen Unternehmensarten zu fordern seien. Insoweit dürften kleinere Gewerbezweige nicht mit den Risiken großer Gewerbezweige überbelastet werden. Der Senat folge Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung, nach denen eine Abweichung eines Gewerbezweigs von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Gefahrtarifstelle von bis zu 30 vH noch tolerierbar sei. Eine Beitragsdifferenz der Konditoreibetriebe zum Gefahrklassendurchschnitt von einem Drittel sei mithin im konkreten Fall noch hinnehmbar. Denn die Handwerke der Konditoren und Bäcker seien artverwandt, näherten sich einander immer mehr an und seien über die jeweils gefertigten Produkte kaum auseinanderzuhalten. Eine mit vertretbarem Verwaltungsaufwand zu leistende sachgerechte und valide Gewinnung von Zahlen zur Gefahrklassenberechnung sei bei getrennter Veranlagung beider Handwerke unter Beibehaltung einer großen Zahl von Mischbetrieben nicht möglich. Die Beklagte sei gehalten, durch Typisierung den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen, womit für die Klägerin eine Beitragsmehrbelastung von einem Drittel gegenüber der durchschnittlichen Gefahrtarifstelle hinzunehmen sei. Diese Belastung erreiche kein Ausmaß, das als unvertretbare, die Klägerin in schwerwiegender oder gar existenzbedrohender Weise treffende und von ihr nicht hinzunehmende Härte zu werten wäre.

7

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung insbesondere des § 157 SGB VII. Zwar stehe dem Unfallversicherungsträger bei der Erstellung des Gefahrtarifs ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, jedoch mangele es an tatsächlichen Feststellungen, die die Entscheidung des LSG rechtfertigen könnten. Bei der Bildung von Gefahrtarifstellen sei zu unterscheiden zwischen der Zusammenfassung einzelner Unternehmen zu Gewerbezweigen und der Zuordnung von Gewerbezweigen zu einer Gefahrtarifstelle. Die Bildung von Gefahrengemeinschaften bei einer Gefahrtarifstelle stelle die zweite Stufe dar. Bei der Bildung von Gewerbezweigen sei ein Belastungsunterschied von mehr als 15 vH nicht hinnehmbar (Hinweis auf Schulz, Der Gefahrtarif im SGB VII, SGb 1996, 572). Das LSG habe hingegen die für die zweite Stufe (Bildung von Gefahrengemeinschaften) geltende 30 vH-Grenze bereits auf die Zusammenfassung von Unternehmen zu einem Gewerbezweig angewandt. Doch auch diese Grenze werde im vorliegenden Verfahren überschritten, wenn das LSG noch eine Abweichung von einem Drittel (33,3 vH) billige. Das LSG habe zudem grundsätzlich verkannt, dass die Beklagte für die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihr erlassenen Verwaltungsakte aufgrund des Gefahrtarifs darlegungs- und beweispflichtig sei. Weiterhin sei es unschwer möglich, Bäckerei- und Konditoreibetriebe verwaltungsmäßig sauber zu trennen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.8.2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19.5.2008 zurückzuweisen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Das Vorbringen der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen im Bestreiten des vom LSG zugrunde gelegten Zahlenmaterials, dessen Herkunft und Richtigkeit den Gerichten nachgewiesen worden sei. Überzeugend habe das LSG dargelegt, dass eine weite Überschneidung der von beiden Handwerken hergestellten Produkte bestehe. Deswegen sei auch plausibel, dass bei der Herstellung der Produkte weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen herrschten. Zudem habe sich in den letzten Jahren die Tendenz entwickelt, dass die Zahl von Mischbetrieben, die sowohl Bäckerei- als auch Konditoreiwaren herstellten, zunehme, was dazu führe, dass eine genaue Abgrenzung zwischen Konditorei- und Bäckereibetrieben faktisch unmöglich sei.

11

Soweit die Klägerin davon ausgehe, dass eine Differenzierung zwischen Konditoreien und Bäckereien in der Prüfpraxis vorgenommen werden könne, könne von dem Betriebsprüfdienst doch nicht ernsthaft verlangt werden, dass dieser in den Betrieben jeweils die genaue Zahl der hergestellten Brötchen und Torten ermittele.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

13

1. Die von der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 20.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2005 geführte Teilanfechtungsklage bezieht sich nur auf den Teil der Regelung, der den Unternehmensbereich "Produktion" im Unternehmen der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 (Gefahrklasse 6,0) veranlagt. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

14

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

15

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs 1 SGB VII, § 33 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 11 f; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff mwN; vgl bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs 1 SGB VII).

16

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.3.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG vgl auch den sog Facharztbeschluss vom 9.5.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff; weiterhin BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 SGB VII Nr 1, jeweils RdNr 12 mwN; "weiter inhaltl Regelungsspielraum", vgl auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27).

17

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, dh im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es zB § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr 7, S 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

18

Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist(vgl insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-Info 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.4.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr 17 f; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl auch BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG vom 24.1.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 9).

19

3. Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 1 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen (a). Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden (b).

20

a) Die Beklagte war durch den vorherigen Veranlagungsbescheid vom 10.8.1999, der zum Gefahrtarif 1999 ergangen war, nicht an einer Neuveranlagung der Klägerin im Jahre 2005 gehindert.

21

Hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Unternehmen nach Maßgabe des § 159 SGB VII durch Verwaltungsakt zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt, wird dieser Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten mit der Bekanntgabe wirksam(§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Veranlagungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der, nachdem er unanfechtbar geworden ist, in Bestandskraft erwächst (§ 77 SGG; dazu Fenn, NZS 2006, 237, 238).

22

Hier steht die Bestandskraft des Veranlagungsbescheids 1999 dem Erlass des angefochtenen Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif 2005 nicht entgegen, denn der Gefahrtarif 1999 galt gesetzlich befristet für eine Dauer von höchstens sechs Jahren (§ 157 Abs 5 SGB VII). Auf die Begrenzung der Geltungsdauer wurde die Klägerin als Adressatin des früheren Veranlagungsbescheids ausdrücklich hingewiesen. Für Zeiträume nach dem 31.12.2004 traf der Veranlagungsbescheid 1999 keine Regelung. Der aufgrund des Gefahrtarifs 1999 erlassene Verwaltungsakt hatte sich deshalb mit Ablauf des Jahres 2004 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs 2 Alt 4 SGB X).

23

b) Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

24

Der Gefahrtarif 2005 der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs 1 Satz 1, § 34 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif war neu festzusetzen, weil der zuvor geltende Gefahrtarif 1999 über den 31.12.2004 hinaus keine Geltung mehr beanspruchen konnte (§ 157 Abs 5 SGB VII). Die Gefahrklasse ist nach dem Verhältnis der gezahlten Leistungen an Versicherte in den Unternehmen der Gewerbezweige zu den dort gezahlten Arbeitsentgelten berechnet worden (§ 157 Abs 3 SGB VII). Die Beklagte hat die herangezogenen Zahlen dargelegt, die die Ermittlung der Gefahrklasse belegen. Der Gefahrtarif 2005 wurde durch das BVA als Aufsichtsbehörde genehmigt (§ 158 SGB VII).

25

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Bäckereien" und "Konditoreien" zu einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zu einer Gefahrtarifstelle mit der Begründung, dass in früheren Gefahrtarifen der Beklagten über lange Zeiträume hinweg die Bäckereien einer eigenen Gefahrtarifstelle (zuletzt mit Gefahrklasse 6,7) zugeordnet waren, während die Konditoreien getrennt davon einer anderen Gefahrtarifstelle mit einer wesentlich niedrigeren Gefahrklasse (zuletzt 3,7) zugeordnet waren. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe die langfristig getrennte Zuordnung beider Gewerbezweige zu Tarifstellen im Gefahrtarif 2005 beibehalten müssen.

26

Maßstab für die Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Veranlagung beider Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle rechtlich zulässig war, ist § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Danach sind im Gefahrtarif Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden.

27

Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Gewerbezweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können(sog Gewerbezweigprinzip, dazu BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 sowie BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2; dazu auch K. Palsherm in Brandenburg jurisPK-SGB VII, § 157 RdNr 27 f; Becker, BG 2004, 528, 529 ff; Heldmann, BG 2007, 36). Nach Maßgabe dieser Vorschrift ist es alternativ möglich, einen nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif festzusetzen und darin Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammenzufassen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1).

28

Vorliegend hat die Beklagte den Gefahrtarif in der hier streitigen Teilregelung nach dem Gewerbezweigprinzip aufgestellt. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 27). Dies setzt in der Regel voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Werden in einer Tarifstelle Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige nicht auffällig (statistisch signifikant) von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der noch unschädlichen Abweichung hängt auch von der Größe der einzelnen Gewerbezweige ab (vgl Schulz, BG 1984, 657, 659). Damit ggf eine Neugliederung vorgenommen werden kann, muss die Belastung der jeweils zusammengefassten Unternehmenszweige gesondert festgehalten werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr 10).

29

Die Beklagte war von diesen Maßstäben ausgehend berechtigt, Bäckereien und Konditoreien im Gefahrtarif 2005 zu einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen. Sie hat dabei die Vorgaben des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII nicht verletzt.

30

aa) Anknüpfungspunkt für Definition und Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die Beklagte ist davon ausgegangen, die Unternehmen des Bäckerei- und Konditoreigewerbes könnten nach Produktionsweise und Art der hergestellten Produkte in der Praxis kaum noch unterschieden werden, so dass aufgrund einer vergleichbaren Risikolage die beiden Handwerke einer Tarifstelle zuzuweisen seien. Gegen die Annahme, dass bei Erlass des Gefahrtarifs 2005 nur noch ein Gewerbezweig bestand, spricht aber, dass es der Beklagten bislang immer möglich war, die Gefährdungsrisiken beider Gewerbezweige nach den oben genannten Kriterien zu unterscheiden und verschiedenen Gefahrtarifstellen zuzuordnen. Dies war auch im Jahre 2004 bei der Vorbereitung des Gefahrtarifs 2005 noch möglich, wie sich schon daraus ergibt, dass die Beklagte noch getrennte Belastungsziffern für beide Gewerbe ermitteln konnte und eine Zuordnung zu getrennten Gefahrtarifstellen zumindest als eine der möglichen Regelungen im Gefahrtarif in Betracht kam. Die Führung des Gewerbezweigs "Konditoreien" in einer eigenen Tarifstelle scheiterte auch nicht daran, dass die Zahl der dem Gewerbezweig zugehörigen Betriebe und Einrichtungen keine Größenordnung erreicht, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt.

31

Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe in der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 beide Gewerbearten als einheitlichen Gewerbezweig zusammengefasst, trifft es zwar zu, dass die Tarifstelle im Gefahrtarif 2005 von einer "Gewerbegruppe" ausgeht. Allerdings sind im Gefahrtarif der Beklagten auch sonst (zB Gewerbegruppe 18 mit Herstellung von Bonbons, Erdnussröstereien, Verarbeitung von Honig oder Gewerbegruppe 33 mit Pilzverwertung, industrielle Fertigung von Pizzen, Herstellung von Tierfutterkonserven) offensichtlich unterschiedliche Gewerbezweige in einer Gruppe zusammengefasst. Es kommt hinzu, dass der Terminus "Gewerbegruppe" kein gesetzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die rechtmäßige oder rechtswidrige Gliederung eines Gefahrtarifs ist.

32

b) Selbst wenn man aber im Folgenden zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass es sich bei den Bäckereien und Konditoreien um zwei getrennte Gewerbezweige handelte, die auch getrennt veranlagt werden konnten, war die Beklagte von Gesetzes wegen nicht gehindert, beide Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Zu Recht hat das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, dass Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Back- und Konditoreiwaren beschäftigen, nach ihren jeweiligen Gefährdungsrisiken und unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs eine Gefahrengemeinschaft iS des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII bilden können.

33

Zutreffend hat das LSG bei dieser Überprüfung der Grenzen des Regelungsspielraums der Beklagten darauf abgestellt, dass bei der Bildung einer Gefahrengemeinschaft aus mehreren Gewerbezweigen diese nur zusammengefasst werden dürfen, wenn sie nach den in den jeweiligen Unternehmen anzutreffenden Arbeits- und Produktionsbedingungen gleichartige Unfallrisiken und Präventionserfordernisse aufweisen. Aufgrund der vom LSG festgestellten technologisch zumindest verwandten Produktionsweise in Betrieben, die Back- und Konditoreiwaren herstellen, liegen zwischen beiden Gewerben keine so wesentlichen Unterschiede vor, dass diese unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs nicht zu einer Gefahrtarifstelle veranlagt werden dürfen. In Unternehmen des Konditorei- und Bäckereigewerbes kommen gleichermaßen Teig-, Rühr-, Knetmaschinen und teilweise computergesteuerte Maschinen zum Einsatz. Bei der Herstellung der Produkte herrschen weitgehend ähnliche Produktionsweisen und Arbeitsbedingungen. Schließlich hat das LSG auch anhand anderer Kriterien als der Produktionsweise und -mittel aufgezeigt, dass es Anhaltspunkte für erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gewerbezweigen gibt (Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21.4.2004, BGBl I 632; Verordnung über die Berufsausbildung zum Konditor/zur Konditorin vom 3.6.2003, BGBl I 790; Verordnung über verwandte Handwerke vom 22.6.2004, BGBl I 1314). Zudem hat das erkennende LSG in seinem Urteil für den Senat gemäß § 163 SGG bindend festgestellt, dass jedenfalls in sog Mischbetrieben eine verwaltungspraktikable Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu der Gruppe der Bäcker oder Konditoren nicht mehr möglich ist. Nach den Feststellungen des LSG ist "eine mit vertretbarem Verwaltungsaufwand zu leistende sachgerechte und valide Gewinnung von Zahlen zur Gefahrklassenberechnung bei getrennter Veranlagung beider Handwerke unter Beibehaltung einer großen Zahl von Mischbetrieben nicht möglich" (Urteil des LSG, aaO, S 23). Auch diese Feststellung spricht dafür, dass die Beklagte bei der Zusammenlegung der Gruppen in einer Tarifstelle ihren Beurteilungsspielraum in zulässiger Weise ausgeschöpft hat.

34

Ein Gebot der getrennten Zuordnung zu Gefahrklassen besteht auch nicht deshalb, weil der Gewerbezweig der Konditoreien ein vom Durchschnitt der Tarifstelle erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko hat. Der Senat hat bereits entschieden (vgl BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - RdNr 18 ff), dass namentlich bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen geprüft werden muss, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig folgen (dazu bereits BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; ferner: BSG vom 22.9.1988 - 2 RU 2/88 - HV-INFO 1988, 2215; vgl hierzu auch Spellbrink, SR 2012, 17, 25 mwN).

35

Läge ein solches "erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko" im Sinne der Rechtsprechung des Senats vor, könnten die Unternehmer des Gewerbezweigs "Konditoreien" einen Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen, "passenderen" Gewerbezweig haben (s auch BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2), denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2). Weichen die Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige also auffällig voneinander ab, kann dies eine Pflicht zur Neuordnung der Gefahrtarifstellen begründen. Angesichts des Regelungsspielraums, welcher den Unfallversicherungsträgern bei der Abstufung nach Gefahrklassen eingeräumt ist, können diese allerdings auch vorgreifliche Regelungen treffen und die Entwicklung der Belastungsziffern langfristig beobachten (BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2).

36

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hätte sich bei getrennter Veranlagung für die Klägerin eine günstigere Gefahrklasse ergeben. Das Unternehmen der Klägerin hätte dann nach den Berechnungen der Verwaltung der Beklagten, die der Beschlussfassung im Jahre 2004 zunächst zugrunde lagen, ab 1.1.2005 die Gefahrklasse 4,0 statt (tatsächlich) 6,0 erhalten. Mithin bestand eine Differenz des Gefährdungsrisikos zwischen der Klägerin und dem der Gefahrengemeinschaft von 33,3 vH (4,0 im Verhältnis zu 6,0). Unter Zugrundelegung dieses Wertes hat sich der Satzungsgeber aber noch innerhalb des ihm durch § 157 SGB VII eröffneten Regelungsspielraums gehalten.

37

Der Senat hat in den bisher getroffenen Entscheidungen einen Grenzwert für das Überschreiten des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers bei der Zusammenlegung von Risiken in einer Gefahrengemeinschaft nach § 157 Abs 2 SGB VII nicht festgelegt. Die Klägerin hat insoweit zwar auf das Urteil vom 12.12.1985 (BSG - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr 2)verwiesen, nach dem eine Abweichung des Gefährdungsrisikos von plus 36,2 und minus 36,6 gegenüber der Gefahrtarifstelle nicht mehr hinnehmbar sei. Bei einer Addition lagen die Abweichungen der Gefährdungsrisiken zwischen den dortigen gemeinsam veranlagten Gewerbezweigen aber bei über 70 vH. Wenn die Klägerin im Übrigen Literaturstellen anführt, die geringere Grenzwerte für eine noch zulässige Abweichung als ca 33 vH angeben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar ist die vorliegende Abweichung durchaus erheblich, andererseits zeigt gerade die Normformulierung des § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, dass die Risiken der Gewerbezweige nicht gleich oder sehr ähnlich sein müssen, weil § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII ua auch einen versicherungsmäßigen Ausgleich der Risiken ausdrücklich fordert. Hierauf hat etwa der EuGH in seiner Entscheidung zur Europarechtskonformität des Systems der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich abgestellt und betont, dass § 157 Abs 2 SGB VII ein Ausdruck des Solidaritätsgedankens sei(vgl EuGH vom 5.3.2009 - C-350/07 - Slg 2009, I-1513 - Kattner-Stahlbau, RdNr 47 Juris; hierzu Spellbrink, SR 2012, 17, 36).

38

Daneben muss und soll ein neuer Gefahrtarif von den in der Vergangenheit aufgetretenen Belastungsziffern ausgehend die Tarifstellen der Mitgliedsunternehmen der jeweiligen Berufsgenossenschaft für die Zukunft regeln. Der Satzungsgeber darf deshalb berücksichtigen, wenn sich Gefährdungsrisiken in bestimmten Gewerbezweigen aufgrund sich ändernder Produktionsbedingungen einander annähern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dies hier so angenommen hat. Die Gewerbezweige "Bäckerei" und "Konditorei" waren früher überwiegend handwerklich geprägt. Sie haben sich inzwischen zu einer stärker industriell geprägten Herstellung von Back- und Konditoreiwaren fortentwickelt. Dadurch haben sich auch die Gefährdungsrisiken einander angenähert. Bei der Prüfung der Abweichung der Gefährdungsrisiken durfte der Satzungsgeber annehmen, dass die Zahl an Mischbetrieben zunimmt und eine Abgrenzung beider Gewerbezweige dadurch in Zukunft schwieriger vorzunehmen sein wird. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber in der beanstandeten Tarifstelle ausdrücklich zulässt, dass abgrenzbare Betriebsteile, die zB die Herstellung von Desserts, Süßwaren oder Dauerbackwaren betreiben, zu der Gefahrtarifstelle 2 (Gefahrklasse 3,4) veranlagt werden.

39

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Beklagte für die Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht darlegungs- und nachweispflichtig. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen begründungspflichtig ist (vgl hierzu auch BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - RdNr 63 mwN, für SozR 4 vorgesehen). Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung nicht. Die Rechtsprechung überprüft folglich auch nicht, ob der Satzungsgeber jeweils die vernünftigste oder gerechteste Regelung getroffen hat. Das Revisionsgericht wiederum überprüft, ob die Tatsachengerichte aufgrund der von ihnen festgestellten Tatsachen noch zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen haben, der Satzungsgeber habe noch innerhalb der ihm eröffneten Satzungsautonomie gehandelt.

40

Dieser vom LSG getroffene rechtliche Schluss war hier nicht zu beanstanden, denn eine Differenz von 33,3 vH im Gefährdungsrisiko liegt angesichts der besonderen Umstände der hier gemeinsam veranlagten Gewerbe noch innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers.

41

4. § 157 SGB VII als Ermächtigungsgrundlage für den Gefahrtarif 2005 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

42

a) In dem durch § 157 SGB VII eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers liegt kein Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG abzuleitende Wesentlichkeitstheorie. Die Satzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger besteht nicht unbegrenzt, sondern findet ihre Grenzen im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Dieses erfordert ua, dass der Gesetzgeber bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl hierzu insbesondere Papier/Möller, SGb 1998, 337, die davon ausgingen, die Regelungsermächtigung verstoße gegen die Wesentlichkeitstheorie; kritisch hierzu bereits Schulz, SGb 1999, 172; zum damaligen Streit vgl Spellbrink, SR 2012, 17, 39; vgl auch BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, 58).

43

§ 157 SGB VII verletzt diese Vorgaben nicht. Angesichts der oben dargestellten langjährigen Anwendung und Auslegung der Regelung durch Unfallversicherungsträger und Rechtsprechung konnte und kann nicht festgestellt werden, dass diese Satzungsermächtigung zur Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig ist (so auch BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3 = DVBl 2007, 1172, RdNr 19). Vielmehr ist § 157 SGB VII bei historischer Auslegung (ua auch zu den weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen der §§ 730 ff RVO) und unter Berücksichtigung seiner Anwendung durch die Fachgerichte hinsichtlich der einfachgesetzlich normierten Anforderung, "Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs" zu bilden, hinreichend bestimmt(vgl zum Zweck der Norm BT-Drucks 13/2204, S 111; zur Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz BVerfG aaO; sowie BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 29 ff).

44

b) Die Satzungsregelung ist auch im Hinblick auf die Grundrechte der Unternehmer aus Art 2 Abs 1 GG nicht zu beanstanden.

45

Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten ein Eingriff in das von Art 2 Abs 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (vgl BVerfG vom 31.5.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 244 f; BVerfG vom 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96, 109; vgl zuletzt BVerfG vom 16.7.2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535; dazu auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 5). Dies gilt besonders für Unternehmen, die wie dasjenige der Klägerin nicht zwischen verschiedenen Trägern mit unterschiedlichen Beitragssätzen wählen können, sondern kraft Gesetzes einem bestimmten Träger als beitragspflichtiges Unternehmen zugewiesen sind (§ 150 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 SGB VII).

46

Art 2 Abs 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung (BVerfG vom 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32, 38; stRspr). Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl, Art 2 RdNr 20; vgl auch BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179). Eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, dh einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen (BVerfG vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320, 345). Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme - hier der gesetzlichen Unfallversicherung - ist in einem Sozialstaat (Art 20 Abs 3 GG) ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt (zum Verhältnis von Handlungsfreiheit und Beitragszwang in der Sozialversicherung grundlegend: BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4; BVerfG vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10; vgl zu Kammerbeiträgen: BVerfG vom 29.12.2004 - 1 BvR 113/03 - BVerfGK 4, 349, 353 f mwN; vgl insbesondere zur verfassungsrechtlichen Billigung des Beitragsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung: BVerfG vom 9.3.2011 - 1 BvR 2326/07 - Bestätigung von BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R; BVerfG vom 10.3.2011 - 1 BvR 2891/07 - Bestätigung von BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 9/06 R; zur verfassungsgerichtlichen Akzeptanz des Unfallversicherungssystems auch Spellbrink, BPuVZ 2012, 88).

47

Die Beklagte ist deshalb berechtigt, durch Satzung Gefahrtarife festzusetzen und spätestens nach Ablauf des in § 157 Abs 5 SGB VII bestimmten Zeitraums neu zu regeln. Dabei kann sie auch entscheiden, ob sich für zukünftige Veranlagungszeiträume Veränderungen ergeben sollen (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

48

c) Die Satzungsregelung, die der Veranlagung der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 1 des Gefahrtarifs 2005 zugrunde liegt, verletzt auch nicht den rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutz (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG).

49

Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, in dem neuen Gefahrtarif 2005 eine Übergangsregelung vorzusehen.Das BSG hat bei Neuregelungen im Beitragsrecht bislang keinen Anlass gesehen, zu Gunsten der von einer Neuregelung in einem Gefahrtarif negativ Betroffenen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen zu fordern (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 32/03 R - BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr 2, RdNr 42). Dies folgte für das BSG insbesondere daraus, dass die Regelungen eines Gefahrtarifs nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII nur "für die Tarifzeit" gelten(vgl zur fehlenden Bindung an frühere Herabsetzungsentscheidungen: BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 7/02 R - SozR 4-2700 § 162 Nr 1 RdNr 15; zum Vertrauensschutz bei der Änderung von Veranlagungsbescheiden: BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 54/02 R - BSGE 91, 287 = SozR 4-2700 § 160 Nr 1, jeweils RdNr 15). Die betroffenen Unternehmer können daher in der Regel nicht erwarten, dass sich für zukünftige Veranlagungszeiträume keine Veränderungen ergeben werden.

50

Auch hier hatte die Klägerin eine geschützte Rechtsposition jeweils nur im Rahmen eines bestimmten Gefahrtarifs inne, der gemäß § 157 Abs 5 SGB VII von vornherein auf eine Geltungsdauer von maximal sechs Jahren begrenzt war. Ihre Rechtsposition aus dem Gefahrtarif 1999 galt mithin nur bis Ende 2004. Selbst wenn man von einer vertrauensbegründenden langen Tradition einer unterschiedlichen Zuordnung von Konditoreien und Bäckereien in früheren Gefahrtarifen der Beklagten ausgehen wollte, hatte die Klägerin jedenfalls keine formelle Rechtsposition erworben, in die durch den neuen Gefahrtarif 2005 eingegriffen wurde. Mithin lag hier keine Entwertung einer bestehenden Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft vor, so dass sich der Gefahrtarif 2005 noch nicht einmal unechte Rückwirkung beimaß (hierzu etwa BVerfG vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 - BVerfGK 14, 287). Da zudem eine Änderung der Gefahrklasse für Konditoreien im Sinne einer Zusammenfassung in einer Gefahrtarifstelle mit Bäckereien nach den Feststellungen des LSG bereits früher diskutiert worden war, durften die Unternehmer des Konditoreigewerbes ohnehin nicht auf einen dauerhaften Fortbestand der von den Bäckereien getrennten Veranlagung ihres Gewerbezweigs vertrauen. Auch ist nicht geltend gemacht oder ersichtlich, dass die Klägerin im Vertrauen auf den Fortbestand einer getrennten Veranlagung Vermögensdispositionen getätigt hätte oder gar eine existenzielle Bedrohung der Unternehmen in Frage stand (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 31).

51

d) Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

52

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 88, 87, 96 f). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl BVerfGE 55, 72, 88).

53

Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche Eigenschaften der Unternehmer anknüpfen, sondern an der Art des Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der Beklagten nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat (vgl BVerfG vom 4.3.1982 - 1 BvR 34/82 - SozR 2200 § 734 Nr 2; BVerfG vom 3.7.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr 3).

54

Für die Bildung der Gefahrtarifklasse 1 im Gefahrtarif 2005 der Beklagten sind sachfremde oder willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt eine an Sachkriterien orientierte und langfristig anerkannte Anknüpfung, indem er sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Insbesondere ist es nicht sachfremd, Gewerbezweige mit ähnlichen Versicherungsrisiken und Präventionserfordernissen zusammenzufassen.

55

Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII entspricht (vgl Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung - UVMG - vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um Unterschiede in den Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl BT-Drucks 16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl Rothe, DGUV-Forum 5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine eigene Gefahrtarifstelle anzubieten.

56

Die Beklagte hat mithin eine gemäß Art 3 Abs 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass Unternehmen, die Back- oder Konditoreiwaren herstellen, zumindest ähnliche Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare Präventionserfordernisse haben.

57

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154 Abs 2 VwGO. Der Streitwert wurde in einem gesonderten Beschluss festgesetzt (vgl aber zu den Kriterien der Festsetzung BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 8/12 R).

(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.

(2) Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist. Eine Änderung gilt nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient. Satz 3 gilt nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt.

(3) Unternehmer ist

1.
die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung oder -gemeinschaft, der das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,
2.
bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 15 Buchstabe a bis c versicherten Rehabilitanden der Rehabilitationsträger, bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 15 Buchstabe d versicherten Teilnehmern an Präventionsmaßnahmen der Maßnahmeträger,
3.
bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger,
4.
beim Betrieb eines Seeschiffs der Reeder,
5.
bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a oder b Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird,
6.
bei einem freiwilligen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einem Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der zugelassene Träger oder, sofern eine Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes getroffen ist, die Einsatzstelle,
7.
bei einem Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz die Einsatzstelle.

(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.

(2) Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist. Eine Änderung gilt nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient. Satz 3 gilt nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt.

(3) Unternehmer ist

1.
die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung oder -gemeinschaft, der das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,
2.
bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 15 Buchstabe a bis c versicherten Rehabilitanden der Rehabilitationsträger, bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 15 Buchstabe d versicherten Teilnehmern an Präventionsmaßnahmen der Maßnahmeträger,
3.
bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger,
4.
beim Betrieb eines Seeschiffs der Reeder,
5.
bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a oder b Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird,
6.
bei einem freiwilligen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einem Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der zugelassene Träger oder, sofern eine Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes getroffen ist, die Einsatzstelle,
7.
bei einem Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz die Einsatzstelle.

(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

(1) Umfaßt ein Unternehmen verschiedenartige Bestandteile (Hauptunternehmen, Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen), die demselben Rechtsträger angehören, ist der Unfallversicherungsträger zuständig, dem das Hauptunternehmen angehört. § 129 Absatz 4 bleibt unberührt.

(2) Das Hauptunternehmen bildet den Schwerpunkt des Unternehmens. Hilfsunternehmen dienen überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensbestandteile. Nebenunternehmen verfolgen überwiegend eigene Zwecke.

(3) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Neben- und Hilfsunternehmen, die Seefahrt betreiben, welche über den örtlichen Verkehr hinausreicht,
2.
landwirtschaftliche Nebenunternehmen mit einer Größe von mehr als fünf Hektar, Friedhöfe sowie Nebenunternehmen des Wein-, Garten- und Tabakbaus und anderer Spezialkulturen in einer Größe von mehr als 0,25 Hektar. Die Unfallversicherungsträger können eine abweichende Vereinbarung für bestimmte Arten von Nebenunternehmen oder für bestimmte in ihnen beschäftigte Versichertengruppen treffen.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.