Bundessozialgericht Urteil, 03. Apr. 2014 - B 2 U 25/12 R

bei uns veröffentlicht am03.04.2014

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 3. November 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2010 aufgehoben und festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 17. Mai 2008 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für alle drei Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines am 17.5.2008 erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall.

2

Der 1946 geborene Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger und übte in den Niederlanden bis zur Insolvenz seines Unternehmens eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit als Bauunternehmer aus. Neben seinem Wohnsitz in den Niederlanden verfügte er seit Mai 2002 in der Gemeinde I. bei T. über einen weiteren Wohnsitz. Zusammen mit einer anderen Person pachtete der Kläger im Jahre 2003 den Jagdbezirk I. I, sowie im Jahre 2005 den angrenzenden Jagdbezirk V. Durch Bescheid vom 28.7.2005 wurde die Jagdgemeinschaft "H./K." ab 1.4.2005 in das Unternehmerverzeichnis aufgenommen. Dort heißt es: "Als Jagdpächter sind sie ab dem vorgenannten Zeitpunkt Pflichtmitglied der Berufsgenossenschaft und unterliegen ab der Beitragsumlage 2005 der Beitragspflicht." Der Aufnahmebescheid ist an die Adresse des Klägers in I. adressiert; beigefügt war ein Merkblatt, in dem ausgeführt wird: "Gemäß § 2 SGB VII umfasst die gesetzliche Unfallversicherung zunächst alle Beschäftigten. Als versicherte Personen in den Jagden kommen hauptsächlich Berufsjäger, Treiber, bestätigte Jagdaufseher usw., also alle Personen in Frage, die für Rechnung und im Auftrage des Jagdunternehmers bei der Jagd und Hege beschäftigt werden. Als Besonderheit der LUV erstreckt sich der Versicherungsschutz außerdem auch auf den Unternehmer (Eigenjagdbesitzer oder Jagdpächter)." Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagten unbekannt, dass der Kläger noch über einen niederländischen Wohnsitz verfügte sowie in den Niederlanden eine selbständige Tätigkeit als Bauunternehmer ausübte.

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Bei Reparaturarbeiten an seinem Hochsitz im Jagdbezirk stürzte der Kläger am 17.5.2008 aus mehreren Meter Höhe ab und zog sich hierbei Verletzungen zu. Die Beklagte gewährte bis Oktober 2009 die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung. Durch Bescheid vom 23.3.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als von ihr zu entschädigenden Arbeitsunfall ab, weil der Kläger nach den Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in der deutschen Unfallversicherung versichert gewesen sei. Da sich nach seinen Angaben der Hauptwohnsitz in den Niederlanden befunden habe und er dort selbständig tätig gewesen sei, seien auf der Basis des EG-Vertrages (EGV) die Regelungen der VO (EWG) 1408/71 einschlägig.

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Durch Urteil vom 3.11.2011 hat das SG Trier die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger unterliege aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit und seines gewöhnlichen Aufenthalts in den Niederlanden ausschließlich dem dortigen Sozialversicherungssystem. Seine hiergegen erhobene Berufung hat der Kläger im Wesentlichen darauf gestützt, dass es gemäß § 3 SGB IV für die Beurteilung seines Versicherungsschutzes allein auf die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit als Jagdpächter in der Bundesrepublik Deutschland ankomme.

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Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung durch Urteil vom 6.9.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es komme nicht alleine auf die inländische unternehmerische Tätigkeit als Jagdpächter an. Der Vorrang des Wohnsitzstaats werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die entsprechende selbständige Tätigkeit in den Niederlanden versicherungsfrei sei. Dies gelte auch bei Anwendung der Neuregelung der Art 11 Abs 1 iVm 13 Abs 2 VO (EG) 883/2004. Auch unter dem Gesichtspunkt der Formalversicherung könne der Kläger keine Leistungsansprüche geltend machen. Aus der Beitragszahlung für das Unternehmen folge kein Vertrauensschutz, weil sich der Beitrag für Jagden gemäß § 47 der Satzung der Beklagten nach dem Veranlagungswert in Form der bejagbaren Fläche richte und mithin keine Beiträge konkret für einzelne Versicherte - auch nicht für den Kläger als Unternehmer - erhoben würden.

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Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision vertritt der Kläger die Auffassung, dass seine Versicherungspflicht insbesondere in dem Aufnahmebescheid vom 28.7.2005 festgestellt worden sei. Das LSG verkenne die Grundsätze der sog Formalversicherung. Die Beklagte dürfe nach der Rechtsprechung des BVerfG auch nicht ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung wechseln. Zudem habe die Jagdpacht keinerlei Bezugspunkt zu den Niederlanden und dem dort geltenden Sozialversicherungssystem. Insofern liege keine Kollisionslage vor, die durch die Anwendung der besonderen europarechtlichen Kollisionsvorschriften auf seine Leistungsansprüche gelöst werden müsste.

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Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 3. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 17. Mai 2008 ein Arbeitsunfall ist.

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Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Die angefochtenen Urteile und Bescheide beruhen auf einer Rechtsverletzung. Der Kläger stand nach dem Gesamtzusammenhang der in dem Bescheid vom 28.7.2005 getroffenen Regelungen bei der Beklagten in einem formalen Versicherungsverhältnis (dazu unter 1.) und hat als bei der Beklagten Versicherter am 17.5.2008 einen Arbeitsunfall erlitten (hierzu unter 2.). Dem Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls nach deutschem Recht stehen europarechtliche Regelungen nicht entgegen (vgl unter 3.).

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Der Kläger begehrt mit der zulässigen Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage die Feststellung, dass der Unfall vom 17.5.2008, als er beim Reparieren eines Hochsitzes auf dem Gelände der von ihm betriebenen Jagdpacht abstürzte und verschiedene Verletzungen erlitt, ein Arbeitsunfall ist. Die Anfechtungsklage ist begründet, weil die Ablehnung der Feststellung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte rechtswidrig war und der Kläger dadurch in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Er hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil ein Arbeitsunfall iS von § 8 SGB VII vorliegt. Damit ist auch die Feststellungsklage begründet, weil das umstrittene Rechtsverhältnis besteht.

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1. Der Kläger stand bei der Beklagten zum Zeitpunkt des Unfallereignisses in einem (formalen) Versicherungsverhältnis. Der Bescheid vom 28.7.2005 beinhaltet bei objektiver Betrachtung die Feststellung des Bestehens einer Pflichtversicherung des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer bei der Beklagten (dazu a). Dieser auf eine bestehende Befugnisnorm (dazu b) gestützte Bescheid ist zwar rechtswidrig (dazu c). Die in dem Bescheid getroffenen Regelungen beruhen auf einer Ermächtigungsgrundlage (dazu d), ihre Wirksamkeit scheitert weder an europarechtlichen Kollisionsnormen (dazu e), noch sind sie nach deutschem Sozialverwaltungsrecht nichtig (dazu f). Dahinstehen kann, ob darüber hinaus die Voraussetzungen einer Formalversicherung bestehen, weil bereits ein formales Versicherungsverhältnis vorliegt (dazu g).

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a) Nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII sind Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sowie ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner kraft Gesetzes unfallversichert. Hierzu zählen auch Jagdpächter iS von § 11 Bundesjagdgesetz(BJgdG, idF der Bekanntmachung vom 29.9.1976 , zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29.5.2013 ) und zwar ohne Rücksicht darauf, ob mit der Ausübung des Jagdrechts ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird (BSG Urteil vom 20.12.1961 - 2 RU 136/60 - BSGE 16, 79 = SozR Nr 24 zu § 537 RVO).

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Unabhängig von der Frage, ob für den Kläger aufgrund europarechtlicher Kollisionsnormen (§ 6 SGB IV iVm Art 13 ff VO 1408/71) wegen seiner selbständigen Tätigkeit und seines Wohnsitzes in den Niederlanden die Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts ausgeschlossen ist und dementsprechend die gesetzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII auf ihn keine Anwendung finden(vgl hierzu im Einzelnen unter 1 c), war er jedenfalls aufgrund des bestandskräftigen Verwaltungsakts vom 28.7.2005 gegen Unfälle, die seiner Jagdpacht zuzurechnen sind, versichert. Die Feststellung des Bestehens der Pflichtmitgliedschaft ist ein Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X, weil sie die Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts beinhaltet und auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist(vgl BSG Urteil vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2 zum Versicherungsschein; BSG Urteil vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 23 f).

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Der Senat legt den Bescheid vom 28.7.2005 nach dem Gesamtzusammenhang seiner Verfügungssätze so aus, dass der Kläger als Empfänger diesen nur so verstehen konnte, dass ihm persönlich Versicherungsschutz bei seiner Tätigkeit als Jagdpächter zustehen soll. Zwar beziehen sich die in dem Bescheid vom 28.7.2005 ausdrücklich formulierten Verfügungssätze lediglich auf die Eintragung in das Unternehmerverzeichnis, die Feststellung der Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundene Beitragspflicht sowie die Größe des Jagdreviers als Berechnungsgrundlage für den zu zahlenden Beitrag. Bei der Auslegung von Verfügungssätzen iS des § 31 SGB X ist jedoch vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten(§ 133 BGB) auszugehen, wobei alle Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - juris RdNr 13; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSG Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 - SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). Maßgebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung (BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 8/07 R - juris RdNr 12; BSG Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 33/07 R - SozR 4-1500 § 77 Nr 1 RdNr 15; vgl BSG Urteil vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R - BSGE 89, 90, 99 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 12 f; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 56) bzw das objektivierte Empfängerverständnis (BSG Urteil vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 14 RdNr 25; vgl BSG Urteil vom 1.3.1979 - 6 RKa 3/78 - BSGE 48, 56, 58 f = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10). Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes kommt es mithin darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten bzw durften (vgl BVerwG Urteil vom 7.6.1991 - 7 C 43/90 - NVwZ 1993, 177, 179; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl 2012, § 35 RdNr 54). Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (BVerwG Urteil vom 18.6.1980 - 6 C 55/79 - BVerwGE 60, 223, 228).

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Unter Zugrundelegung dieser Kriterien durfte der Kläger davon ausgehen, dass mit der Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis und der Feststellung der Pflichtmitgliedschaft eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung in einem an ihn persönlich adressierten und unter Erwähnung der von ihm selbst ausgeübten Jagdpacht gefassten Bescheid, er persönlich gegen Unfälle im Zusammenhang mit der Jagdpacht künftig versichert werden sollte (vgl BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 AL 1/05 R - SozR 4-2400 § 27 Nr 2). Dies folgt zum einen daraus, dass in dem Begründungstext des Bescheids vom 28.7.2005 auf § 123 SGB VII verwiesen wird, aus dem sich iVm § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII die Versicherungspflicht für Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens als zwingende Rechtsfolge ergibt. Auch wenn sich die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts iS des § 77 SGG grundsätzlich auf den Verfügungssatz beschränkt(BSG Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21), kann einem Satz der Begründung eines Verwaltungsakts nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht eine solche Bedeutung zukommen, dass er unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten als selbständige Feststellung im Sinne eines (weiteren) Verfügungssatzes zu werten ist (BSG Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21; BSG Urteil vom 30.1.1990 - 11 RAr 47/88 - BSGE 66, 168, 173 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1). Verstärkt wird dies im vorliegenden Fall durch den Umstand, dass nach den Feststellungen des LSG, die seitens der Beteiligten nicht in Zweifel gezogen werden, dem Bescheid als Anlage ein "Merkblatt über die gesetzliche Unfallversicherung der Jagden" beigefügt war, welches unter Nennung des § 2 SGB VII ausdrücklich ausführt, dass sich der Versicherungsschutz in der LUV auch auf den Unternehmer (Eigenjagdbesitzer oder Jagdpächter) erstrecke.Diese Erklärung kann von einem objektiven Empfängerhorizont aus nur so verstanden werden, dass dem Kläger gegenüber das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, festgestellt wird (BSG Urteil vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2).

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Der Kläger musste zudem davon ausgehen, dass der an ihn persönlich gerichtete Bescheid nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch eine Berufsgenossenschaft in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - von Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist(BSG Urteil vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2), und daher alle rechtlichen Aspekte geprüft wurden. Bei Irrtum der erlassenden Behörde über rechtliche Voraussetzungen oder tatsächliche Umstände bleibt bis zum Eintritt des Versicherungsfalls allenfalls das Rücknahmeinstrumentarium der §§ 44 ff SGB X, von dem die Beklagte vorliegend gerade keinen Gebrauch gemacht hat(vgl BSG Urteil vom 5.7.1994 - 2 RU 33/93 - juris; BSG Urteil vom 26.9.1986 - 2 RU 54/85 - mwN in HV-Info 1987, 33).

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b) Ermächtigungsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII, wonach der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer feststellt(BSG Urteil vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen (BSG Urteil vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 31).

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c) Der Verwaltungsakt der Beklagten vom 28.7.2005 ist jedoch, was das LSG zutreffend erkannt hat, rechtswidrig, weil der Kläger kraft europäischer Kollisionsnormen ausschließlich dem gesetzlichen Regelungsregime der Niederlanden unterlag. Dies ändert jedoch nichts an der Wirksamkeit der in dem Bescheid aus der Sicht des Empfängerhorizonts (vgl soeben b) getroffenen Regelungen über einen Versicherungsschutz des Klägers als Jagdpächter (sogleich unter d ff).

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Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der VO (EWG) 1408/71 vom 14.6.1971 (ABl L 149 vom 5.7.1971, S 2-50) Anwendung und nicht die VO (EG) 883/2004, die die VO (EWG) 1408/71 erst zum 1.5.2010 - mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung VO (EG) 987/2009 - abgelöst hat (Art 91 VO 883/2004; Art 97 VO 987/2009). Aus Art 87 Abs 1 VO (EG) 883/2004, der nach Art 93 VO (EG) 987/2009 für Sachverhalte im Anwendungsbereich der Durchführungsverordnung gilt, ergibt sich, dass das neue Recht keinen Anspruch für den Zeitraum vor Beginn seiner Anwendung begründet (vgl EuGH Urteil vom 19.7.2012 - C-522/10 - "Reichel-Albert" - EuGHE I 2012, 518, RdNr 26). Zum einen begehrt der Kläger vorliegend nur die Feststellung eines Versicherungsfalls, nicht hingegen die Zahlbarmachung einer konkreten Leistung. Aber selbst wenn man diese Feststellung als (notwendige) Vorstufe für den Leistungsfall ansieht, stellt sie die Grundlage für die bereits seitens der Beklagten unmittelbar nach dem Unfallereignis erbrachten Sachleistungen dar, weshalb Gegenstand des Rechtsstreits nicht alleine Leistungen für die Zeit nach Inkrafttreten der VO (EG) 883/2004 sind. Der Fall ist daher umfassend nach der VO (EWG) 1408/71 zu prüfen.

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Der Kläger unterlag hier den Vorschriften des niederländischen Rechts. Nach Art 13 Abs 1 Satz 1 VO (EWG) 1408/71 unterliegen, vorbehaltlich der Art 14c und 14f, Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Art 13 Abs 2 lit b VO (EWG) 1408/71 bestimmt näher, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Abweichend hiervon sieht Art 14a Nr 2 und 3 der VO (EWG) 1408/71 vor, dass eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt. Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit in einem Unternehmen ausübt, das seinen Sitz im Gebiet eines Mitgliedstaats hat und durch dessen Betrieb die gemeinsame Grenze von zwei Mitgliedstaaten verläuft, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Unternehmen seinen Sitz hat (Nr 3). Keine dieser Varianten liegt hier vor. Vielmehr verfügt der Kläger nach den Feststellungen des LSG über zwei Wohnsitze und übt zwei verschiedene selbständige Tätigkeiten in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten isoliert nebeneinander aus. Der EuGH hat hierzu durch Beschluss vom 20.10.2000 klargestellt, dass der in Art 13 VO (EWG) 1408/71 verankerte Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts gebiete, auch in solchen Fällen auf den "Wohnort" abzustellen (EuGH Urteil vom 20.10.2000 - C-242/99 - "Vogler" - EuGHE I 2000, 9083, RdNr 24 und RdNr 27; in diesem Sinne auch EuGH Urteil vom 18.4.2013 - C-548/11 - "Mulders" - vgl dazu Fuchs, NZS 2014, 121, 124).

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Der Kläger hatte seinen Wohnort in diesem Sinne in den Niederlanden. Als Wohnort bestimmt Art 1 lit h VO (EWG) 1408/71 den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts. Kommen zwei Aufenthaltsorte (Art 1 lit i VO 1408/71) in Betracht, bestimmt sich der Wohnort nach objektiven und subjektiven Umständen. Entscheidend ist, wo sich der gewöhnliche Mittelpunkt der Interessen des Einzelnen befindet (Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 1 RdNr 31). Der EuGH hat darauf hingewiesen, dass der Begriff des Mitgliedstaats, in dem die Person wohnt, den Staat bezeichnet, in dem die Person gewöhnlich wohnt und in dem sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet (EuGH Urteil vom 16.5.2013 - C-589/10 - "Wencel" - ZESAR 2013, 456; EuGH Urteil vom 25.2.1999 - C-90/97 - "Swaddling" - EuGHE I 1999, 1075, RdNr 29). Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG hielt sich der Kläger zeitlich überwiegend an seinem Wohnort in den Niederlanden auf, wo er eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit als Bauunternehmer ausübte. Die rechtliche Schlussfolgerung des LSG, den gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers und damit seinen Wohnort iS von Art 1 lit h und i VO (EWG) 1408/71 als in den Niederlanden liegend zu bestimmen, ist daher nicht zu beanstanden. Ein anderes Ergebnis würde sich im Übrigen wohl auch nicht unter Anwendung der VO (EG) 883/2004 ergeben.

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d) Trotz seiner Rechtswidrigkeit ist der Verwaltungsakt vom 28.7.2005 gleichwohl wirksam. Der Verwaltungsakt vom 28.7.2005 wurde dem Kläger ordnungsgemäß bekannt gegeben (§ 37 Abs 1 SGB X; BSG Urteil vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 128 = SozR 2200 § 253 Nr 2). Die Ermächtigung des § 136 Abs 1 SGB VII gilt nämlich auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um durch den Aufnahmebescheid den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer gesetzlichen Versicherung des Unternehmers nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII festzustellen(BSG Urteil vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2; s zum Aufnahmebescheid Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5).

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e) Die Wirksamkeit der Feststellung des Versicherungsschutzes scheitert nicht an europarechtlichen Kollisionsnormen, die lediglich das anzuwendende materielle Recht (Statut), nicht hingegen - wie Sachnormen - unmittelbar das zugrunde liegende Lebensverhältnis und damit auch das Verfahrensrecht regeln (von Maydell, Sach- und Kollisionsnormen, 1967, S 22 ff). Zwar genießen unmittelbar geltende Vorschriften des Unionsrechts im Kollisionsfall Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht (s EuGH Urteil vom 15.7.1964 - C-6/64 - "Costa./. E.N.E.L" - EuGHE 1964, 1251; EuGH Urteil vom 7.2.1991 - C-184/89 - "Nimz" - EuGHE I 1991, I-297, RdNr 19; BVerfGE 75, 223, 244; BVerfGE 85, 191, 204).Jedoch beeinflusst der Grundsatz vom "Vorrang des Unionsrechts" nicht die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl 2011, Einführung II RdNr 38), wonach diese berechtigt und verpflichtet sind, das Unionsrecht ebenso wie das nationale Recht nach den Regelungen des nationalen (Verwaltungs-) Verfahrensrechts unter Berücksichtigung der allgemeinen Verfahrensgrundsätze der EU zu vollziehen, soweit nicht unmittelbar geltende Verfahrensbestimmungen der EU ausnahmsweise vorgehen (vgl EuGH Urteil vom 21.9.1983 - C-205/82 - "Milchkontor" - EuGHE 1983, 2633, 2665; vgl BVerwG Urteil vom 29.11.1990 - 3 C 77.87 - BVerwGE 87, 154, 158). Art 48 AEUV sieht wie zuvor Art 42 EGV gerade eine Koordinierung und keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vor, weshalb im Übrigen die materiellen und formellen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und folglich zwischen den Ansprüchen der dort Versicherten durch diese Bestimmung nicht berührt werden. Somit bleibt jeder Mitgliedstaat dafür zuständig, im Einklang mit dem Unionsrecht in seinen Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt werden (vgl EuGH Urteil vom 30.6.2011 - C-388/09 - "da Silva Martins" - EuGHE I 2011, 5737). Ebenso wenig wie die VO (EWG) 1408/71 gemäß § 6 SGB IV gegenüber § 3 SGB IV vorrangige Regelungen zum Bestehen der Versicherungspflicht nach nationalem Recht sowie einer Pflichtmitgliedschaft bei einem nationalen Sozialversicherungsträger enthält, sondern diese nur ergänzt(BSG Urteil vom 26.1.2005 - B 12 P 4/02 R - SozR 4-2400 § 3 Nr 1; vgl BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 1 KR 5/98 R - BSGE 84, 98, 100 = SozR 3-2400 § 3 Nr 6 S 8), kann sie demgemäß ein nach nationalem Verwaltungsverfahrensrecht entstandenes (formales) Versicherungsverhältnis beseitigen. Eine europarechtliche Norm, die bestimmt, dass ein materiell europarechtswidriger Verwaltungsakt grundsätzlich nichtig ist, existiert ersichtlich nicht.

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f) Der das Versicherungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten feststellende Verwaltungsakt vom 28.7.2005 ist auch nicht gemäß § 40 SGB X nichtig. Die in § 40 Abs 2 SGB X genannten Tatbestände liegen nicht vor. Nach § 40 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Auch wenn aufgrund europarechtlicher Kollisionsnormen der Kläger alleine dem niederländischen Sozialversicherungsrecht unterfällt und die Feststellung eines Sozialversicherungsverhältnisses nach deutschem Recht mithin objektiv rechtswidrig war, war dieser Fehler nach den Kriterien des § 40 Abs 1 SGB X nicht "offensichtlich". Maßstab für die "Offensichtlichkeit" eines Fehlers ist der Durchschnittsbürger, der ohne besondere Sachkenntnis den Fehler erkennen können muss (vgl nur Roos in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl 2014, § 40 RdNr 10 mwN). Dass ein Jagdpächter, der zumindest auch über einen Wohnsitz im Gebiet des Geltungsbereichs des SGB X verfügt, hinsichtlich seiner in Deutschland betriebenen Jagdpachten deutschem Sozialversicherungsrecht nicht unterliegt, ist nicht in diesem Sinne offenkundig (vgl BSG Beschluss vom 23.2.2005 - B 2 U 409/04 B - juris). Selbst bei groben Zuständigkeitsverstößen ist ein Feststellungsbescheid daher zwar rechtswidrig aber nicht nichtig (BSG Urteil vom 28.11.1961 - 2 RU 36/58 - BSGE 15, 282, 285 = SozR Nr 1 zu § 666 RVO; BSG Urteil vom 30.10.1974 - 2 RU 42/73 - BSGE 38, 187, 192 = SozR 2200 § 664 Nr 1; s auch Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 136 RdNr 3). Schließlich führt auch der (oben unter e> bereits zitierte) Grundsatz vom "Vorrang des Europarechts" nicht dazu, dass jeder Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht binnenstaatlich als Nichtigkeitsgrund zu behandeln ist (BVerwG Beschluss vom 11.5.2000 - 11 B 26/00 - NVwZ 2000, 1039; BVerwG Urteil vom 18.4.1997 - 3 C 3.95 - BVerwGE 104, 289, 295 f; vgl EuGH Urteil vom 19.9.2006 - C-392/04, C-422/04 - "i-21 Germany und Arcor" - EuGH I 2006, 8559 ff).

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g) Der Senat konnte es aufgrund des durch Verwaltungsakt vom 28.7.2005 festgestellten formalen Versicherungsverhältnisses dahinstehen lassen, ob auch die Voraussetzungen einer Formalversicherung vorliegen, weil die Beklagte den Kläger ohne dessen Verschulden auch vom Beitragsjahr 2005 an regelmäßig zu Beiträgen veranlagt hat. Während das hier vorliegende formale Versicherungsverhältnis durch einen rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt begründet wird (vgl grundlegend BSG Urteil vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2), stellt die Rechtsprechung des BSG zur Formalversicherung im Wesentlichen auf den Vertrauensschutz desjenigen ab, der (wegen der Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis als Mitglied und zugleich als Versicherter) unbeanstandet Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung entrichtet hat (s BSG Urteil vom 30.3.1988 - 2 RU 34/87 - SozR 2200 § 539 Nr 126 mwN; BSG Urteil vom 26.11.1987 - 2 RU 7/87 - SozR 2200 § 776 Nr 8 mwN; BSG Urteil vom 26.6.1973 - 8/7 RU 34/71 - BSGE 36, 71 = SozR Nr 40 zu § 539 RVO). Die Formalversicherung kann sich auch auf Fälle erstrecken, in denen einzelne nicht versicherungspflichtige Personen in den Lohnnachweis aufgenommen und bei der Bemessung der Beiträge berücksichtigt worden sind (BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - juris; vgl BSG Urteil vom 27.7.1972 - 2 RU 193/68 - BSGE 34, 230, 233 = SozR Nr 1 zu § 664 RVO mwN).

27

Durch den materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt vom 28.7.2005 (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X), der dem Kläger ordnungsgemäß bekanntgegeben wurde (§ 37 Abs 1 SGB X)ist somit ein formales Versicherungsverhältnis begründet worden (BSG Urteil vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2; s auch Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5). Damit war der Kläger kraft der Regelungswirkung des Verwaltungsakts und unabhängig von dem anwendbaren Rechtsstatut zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Ereignisses gegen im wesentlichen Zusammenhang mit seiner Jagdpacht stehende Unfälle versichert, weil die Beklagte das versicherungsrechtliche Wagnis, gegen das die Unfallversicherung schützt, rechtsverbindlich übernommen hat (vgl BSG Urteil vom 30.6.1965 - 2 RU 175/63 - BSGE 23, 139, 141 = SozR Nr 1 zu § 555 RVO; BSG Urteil vom 27.7.1989 - 2 RU 54/88 - SozR 2200 § 551 Nr 3).

28

2. Das Ereignis vom 17.5.2008 stellte auch einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs 1 SGB VII dar. Hiernach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17; vgl BSG Urteil vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 9 mwN).

29

Der Unfall in Form des Sturzes vom Hochsitz ereignete sich bei einer Verrichtung des Klägers, die sowohl objektiv (BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) als auch subjektiv auf Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet war. Im Bereich der Unternehmerversicherung sind alle Tätigkeiten, die im inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen, versichert (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 2 RdNr 10.3.), und daher auch alle Nebentätigkeiten, die dem Erhalt des Jagdreviers dienen, somit auch die Reparatur eines Hochsitzes (Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 123 RdNr 13). Der Kläger hat zudem rechtlich wesentlich durch das angeschuldigte Unfallereignis verursacht Gesundheitsschäden in Form von Frakturen zweier Lendenwirbelkörper und des Handgelenks erlitten.

30

3. Aus dem formalen Versicherungsverhältnis folgt der Anspruch des Klägers, den Versicherungsfall festzustellen. Die Anerkennung eines Versicherungsfalls nach deutschem Unfallversicherungsrecht führt auch nicht zu Wirkungsverlusten des Unionsrechts. Zum einen wird dadurch keine verfahrensrechtliche Schlechterstellung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten im Sinne des Diskriminierungsverbots bewirkt (s EuGH Urteil vom 21.9.1983 - C-205/215/82 - "Milchkontor" - EuGHE I 1983, 2633) noch wird zum anderen die effektive Durchsetzung des Unionsrechts dadurch behindert (sog Effektivitätsgebot, EuGH Urteil vom 15.9.1998 - C-231/96 - "Edis" - EuGHE I 1998, 4951, RdNr 19 und 34). Die Bestimmungen der VO (EWG) 1408/71 sind im Lichte des Art 48 AEUV so auszulegen, dass sie die Freizügigkeit der Arbeitnehmer erleichtern sollen (EuGH Urteil vom 30.6.2011 - C-388/09 - "da Silva Martins" - EuGHE I 2011, 5737, RdNr 70). Dies impliziert, dass Wanderarbeitnehmer nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlieren oder geringere Leistungen erhalten dürfen, weil sie ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben. Eine Auslegung dieser Bestimmungen, die es einem Mitgliedstaat verbietet, Arbeitnehmern sowie deren Familienangehörigen einen weitergehenden sozialen Schutz zu gewähren, als sich aus der Anwendung europarechtlicher Normen ergibt, liefe dem Ziel der VO (EWG) 1408/71 und Art 48 AEUV zuwider (vgl EuGH Urteil vom 16.7.2009 - C 208/07 - "von Chamier-Gliszinski" - EuGHE I 2009, 6097, RdNr 56). Entscheidend ist, ob bei unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der Art 13 ff der VO (EWG) 1408/71 gewährten Leistungen des nicht zuständigen Mitgliedstaates (hier Deutschlands) ein Arbeitnehmer in Folge der Wahrnehmung seines Rechts auf Freizügigkeit einen Rechtsnachteil erleidet (s EuGH Urteil vom 12.6.2012 - C-611/10 ua - "Hudzinski" - juris RdNr 26 ff).Dies gilt auch für die Freiheit der Selbständigen als Teil der Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV), da die Freizügigkeit auch diesbezüglich oberster Leitgedanke der Koordinierung ist (s Art 48 Abs 1 AEUV; vgl Fuchs in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 1 Aufl 2009, VO 1408/71 RdNr 4 zu Art 39 ff; Langer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Vorbemerkungen zu Art 39 EG RdNr 1).

31

Durch die vom Kläger begehrte Feststellung des Versicherungsfalls in Deutschland sind indes keinerlei Nachteile oder gar ein Verlust etwaiger Leistungsansprüche im zuständigen Mitgliedstaat Niederlande zu befürchten. Das BSG ist nicht durch § 162 SGG gehindert, insoweit auch ausländisches Recht zu prüfen(BSG Urteil vom 18.12.2008 - B 11 AL 32/07 R - BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4; vgl auch BSG Urteil vom 6.3.1991 - 13/5 RJ 39/90 - BSGE 68, 184, 187 = SozR 3-2400 § 18a Nr 2 mwN; BSG Urteil vom 24.7.1997 - 11 RAr 95/96 - BSGE 80, 295, 299 = SozR 3-4100 § 142 Nr 1; BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 25; BSG Urteil vom 31.8.1977 - 1 RA 155/75 - BSGE 44, 221, 222 = SozR 5050 § 15 Nr 8), weil das LSG - aus seiner Sicht konsequent - das niederländische Recht nicht erörtert hat (vgl BSG Urteil vom 18.12.2008 - B 11 AL 32/07 R - BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4; BSG Urteil vom 13.10.1992 - 4 RA 24/91 - BSGE 71, 163 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSG Urteil vom 8.7.1993 - 7 RAr 64/92 - BSGE 73, 10 = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; BSG Urteil vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 20/06 R - BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1).

32

Eine gesetzliche Unfallversicherung existiert in den Niederlanden nicht (Fuchs in Europäisches Sozialrecht, 4 Aufl 2005, Art 61 RdNr 2). Ansprüche wegen Arbeitsunfähigkeit oder Invalidität werden dort unabhängig von der Entstehungsursache durch verschiedene Arbeitnehmerversicherungen (werknemersverzekeringen) entschädigt, die im Unterschied zu den wohnsitzabhängigen Volksversicherungen (volksverzekeringen) alleine abhängig Beschäftigten, nicht aber Selbständigen offenstehen (vgl Pabst, BPUZ 11/2002, 580; Walser, ZFSH/SGB 2008, 195; s auch http://www.svb.nl/int/de sowie http://www.government.nl/documents-and-publications/leaflets/2012/08/02/short-survey-of-social-security-in-the-netherlands-1-july-2012.html). Der Senat hat keine Zweifel, dass der Kläger als Bauunternehmer in den Niederlanden eine selbständige Berufstätigkeit ausgeübt hat, in deren Rahmen er Leistungen erhielt, die es ihm ermöglichten, ganz oder teilweise seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (EuGH Urteil vom 23.10.1986 - C-300/84 - "van Roosmalen" - EuGHE I 1986, 3097). Nach den Angaben des Klägers hat dieser auch von der im niederländischen Recht vereinzelt bestehenden Möglichkeit, sich freiwillig in einem Zweig der gesetzlichen Arbeitnehmerversicherung gegen Krankheit oder Invalidität zu versichern, keinen Gebrauch gemacht. Im Ergebnis ist somit das Eingreifen nationaler Antikumulierungsvorschriften iS von Art 12 Abs 2 VO (EWG) 1408/71, die zu einem Rechtsnachteil für den Kläger führen könnten, wenn Versicherungsschutz (und Leistungen) nach deutschem Recht gewährt werden, nicht denkbar. Der Senat konnte dabei dahinstehen lassen, ob der Kläger eine private Unfallversicherung zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfallereignisses abgeschlossen hatte, weil diese nicht zu den in Art 4 VO (EWG) 1408/71 vorausgesetzten Zweigen der sozialen Sicherheit zählt (vgl Fuchs in Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 4 RdNr 5) und dementsprechend bei etwaigen Antikumulierungsnormen keine Berücksichtigung findet.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

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(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

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Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

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(1) Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft ist für folgende Unternehmen (landwirtschaftliche Unternehmen) zuständig, soweit sich nicht aus dem Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt:

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 8 Begriff des Verwaltungsverfahrens


Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzbuches ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlic

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Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten, 1. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder sel

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(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten,

1.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind,
2.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts auch den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2009 aufgehoben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 454,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger vom 1.1.2008 bis zum 30.11.2008 bei der beklagten BG freiwillig versichert war, sie ihn zu Recht zu der entsprechenden Gefahrklasse veranlagte und Beiträge für diese Zeit festsetzte.

2

Der Kläger war, wie etwa 251.000 andere Kleinunternehmer im Gaststätten- und Nahrungsmittelbereich aufgrund einer Satzung der Beklagten, die auf § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII gestützt war, pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 beschloss die Beklagte eine Satzungsänderung, durch welche für diese Unternehmer die Pflichtversicherung kraft Satzung mit Ende des Jahres 2007 entfiel. Zugleich wurde in § 50 Abs 2 der Satzung eine Regelung getroffen, nach der die Mitgliedschaft ohne Antrag als freiwillige Versicherung ab dem 1.1.2008 fortbestehe, falls die davon unterrichteten Betroffenen nicht zuvor kündigten. Der Übergang zur freiwilligen Versicherung, über den im Oktober 2007 unterrichtet wurde, führte häufig zu einer höheren Beitragsbelastung.

3

Der Kläger betrieb seit August 1999 eine Gaststätte in dem Sportheim des FC C. e.V. Der Ausschank erfolgte bei Heimspielen wöchentlich für die Dauer von fünf bis sechs Stunden. Bis zum 31.12.2007 war der Kläger als Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) bei der BGN kraft Satzung pflichtversichert. Als Jahresbeitrag wurde der Mindestbeitrag in Höhe von zuletzt 50 € erhoben. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte ihm die BG mit, seine kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung werde zum 31.12.2007 enden. Alle Unternehmer, die zum 31.12.2007 bei der BGN pflichtversichert seien, blieben aber weiter versichert, wenn sie dies wünschten. Ihre Pflichtversicherung laufe automatisch als freiwillige Versicherung weiter, ohne dass ein Antrag nötig sei. Sofern der Kläger keine Fortführung des Versicherungsschutzes als freiwillige Versicherung wünsche, "genüge ein kurzes Schreiben". Bei Eingang einer Kündigung bei der BGN bis zum 31.12.2007 ende die Versicherung. Bei Kündigungen nach dem 1.1.2008 ende die eingetretene freiwillige Versicherung mit Ablauf des Monats des Kündigungseingangs. Für alle freiwillig Versicherten gelte einheitlich eine Mindestversicherungssumme von 24.000 € und eine Gefahrklasse von 5,2. Beigefügt war auch ein Antragsformular auf freiwillige Versicherung. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.

4

Mit Bescheid vom 22.10.2008, der in drei Abschnitte gegliedert war, erhielt der Kläger einen "Versicherungsschein über die freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII i.V.m. der Satzung" ab dem 1.1.2008, einen "Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen (§ 159 SGB VII)" mit Veranlagung unter dem Gewerbezweig freiwillige Versicherung zur Gefahrklasse 5,2 sowie einen "Vorauszahlungsbescheid" für das laufende Jahr über 531,65 €. Im Abschnitt "Versicherungsschein" ist ausgeführt, die satzungsmäßige Pflichtversicherung des Klägers sei zum 1.1.2008 in eine freiwillige Versicherung überführt worden, die Versicherungssumme betrage 24.000 €.

5

Der Kläger legte mit Schreiben vom 17.11.2008 Widerspruch ein. Mit der Überführung in eine freiwillige Versicherung erkläre er sich nicht einverstanden. Er sehe nicht ein, dass der Beitrag nahezu auf das elffache des bisherigen Beitrags festgesetzt worden sei. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Kündigung der freiwilligen Versicherung zum 30.11.2008. Mit Bescheid vom 28.7.2009 setzte sie den Beitrag für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.2008 auf 454,28 € fest.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009). Die Überführung in die freiwillige Versicherung beruhe auf § 50 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags vom 28.6.2007. Die Regelung diene dem Schutz der Unternehmer, die evtl auf die Fortdauer des Versicherungsschutzes vertrauten. Die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung sei rechtswirksam. Die Veranlagung sei nach dem seit 1.1.2008 gültigen Gefahrtarif mit Gefahrklasse 5,2 erfolgt. Der Beitrag sei im Bescheid vom 28.7.2009 zutreffend berechnet worden.

7

Dagegen hat der Kläger beim SG Aachen Klage erhoben. Eine freiwillige Versicherung komme nicht durch Schweigen eines Versicherten zustande. Die späte Übersendung des Versicherungsscheines im Oktober 2008 deute darauf hin, dass man die Adressaten bewusst habe in die Irre leiten wollen. Mit Urteil vom 31.3.2010 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, da keine freiwillige Unternehmerversicherung zustande gekommen sei. Es fehle der erforderliche Antrag des Unternehmers auf Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung, so dass auch Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 50 der Satzung sei nach dem Gesamtzusammenhang so auszulegen, dass ein Antrag erforderlich sei. Eine andere Auslegung von § 50 Abs 2 der Satzung - im Sinne einer Überführung ohne Antrag - verstoße gegen § 6 Abs 1 SGB VII als höherrangiges Recht und könne keine rechtswirksame Grundlage für Erteilung eines Versicherungsscheines und die Erhebung von Beiträgen sein. Die Beklagte hat beim SG Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt. Sie hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten beigefügt, mit dem dieser mitgeteilt hat, dass er "die Zustimmung zum beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Revision" erteile. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

8

Die Beklagte hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 50 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sowie der §§ 6, 3 und 213 SGB VII. § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung regle rechtswirksam, dass für den Fall der Überführung der zum 31.12.2007 pflichtversicherten Unternehmer in die freiwillige Versicherung ausnahmsweise kein Antrag erforderlich sei, so dass die Beitragspflicht des Klägers entstanden sei. Dass die Vorschrift einen Antrag nicht voraussetze, ergebe sich schon aus dem Begriff "Überführung" sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Normgebers. Die Satzungsregelung orientiere sich an dem Entwurf zur Neufassung von § 213 SGB VII(§ 213 SGB VII-E), die in dem Referentenentwurf des "Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVRG)" als Übergangsregelung erwogen worden sei. § 213 SGB VII idF des Referentenentwurfs habe gelautet: "Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, die am 31.12.2008 nach § 3 Abs 1 Nr 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung in Verbindung mit der Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert waren, bleiben versichert. Die Versicherung wird als freiwillige Versicherung weitergeführt; eines Antrags nach § 6 Abs 1 bedarf es nicht. […]" Zudem habe die Beklagte bestehende Übergangsregelungen für vergleichbare Fälle berücksichtigt, wie § 1149 Abs 2 RVO und § 213 Abs 1 SGB VII. Die Regelung sei in enger Abstimmung mit dem BVA getroffen worden, das die Satzungsänderung genehmigt und in späteren Stellungnahmen als rechtmäßig bestätigt habe. § 50 Abs 2 Satz 1 SGB VII verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei ein Antrag nach § 6 SGB VII nur erforderlich, wenn ein bislang nicht Versicherter erstmals "in den Kreis der freiwillig Versicherten" eintrete. Die Beklagte sei auch durch § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu einer solchen Regelung ermächtigt. Der weitreichende Entscheidungsspielraum für die Regelung einer Pflichtversicherung von Unternehmern kraft Satzung erstrecke sich auf deren Abschaffung und ermächtige zu Übergangsregelungen.

9

Hilfsweise sei § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung im Falle seiner Rechtswidrigkeit entsprechend der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4.12.2007 (B 2 U 36/06 R) aus "zwingenden Gründen" weiter anzuwenden.

10

Dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Versicherung 2008 deutlich höher sei als der Beitrag zur Pflichtversicherung 2007, beruhe auf der vorherigen Sonderregelung des § 44 Abs 4 der Satzung idF des 8. Nachtrags und der geringen Arbeitsstundenzahl des Klägers.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

13

Die mit dem Übergang auf eine freiwillige Versicherung verbundene Erhöhung der Beiträge sei unverhältnismäßig.

14

Das BSG hat Anfragen zur Zahl der betroffenen Unternehmer und zur Gestaltung von Satzungsregelungen beim Übergang von der Satzungspflichtversicherung auf die freiwillige Versicherung bei anderen BGen an das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Beklagte gerichtet. Das BVA hat mit Schreiben vom 22.2.2011, die Beklagten mit Schreiben vom 28.2.2011 geantwortet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet.

16

A. Die Revision ist zulässig.

17

Die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig, denn das SG hat diese durch gesonderten Beschluss vom 21.7.2010 zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat die Beklagte die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG). Auch ergibt sich aus der Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten hinreichend deutlich, dass er nicht nur der Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, was aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsschutz des Revisionsgegners erforderlich ist (vgl BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 28.11.1990 - 4 RA 19/90 - SozR 3-2200 § 1304a Nr 1 S 3). Die Erklärung ist vom rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers in Kenntnis des vollständig zugestellten Urteils abgegeben worden. Sie umfasst auch die Zustimmung zur Einlegung der Revision durch die Beklagte (vgl zur Auslegung einer Erklärung nach Urteilszustellung ua BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252, 253 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 9; BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 8/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 2 - Juris RdNr 14; BSG vom 22.4.1998 - B 9 SB 7/97 R - SozR 3-1500 § 161 Nr 13 - Juris RdNr 17). Auch im Übrigen ist die Revision zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

18

B. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

19

Das SG hat zu Recht die angefochtenen Verwaltungsakte in dem Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 sowie in dem Bescheid vom 28.7.2009, diese jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Beklagte war nicht ermächtigt, den bei ihr bis Ende 2007 kraft Satzung als Unternehmer pflichtversicherten Kläger ohne dessen Antrag ab 1.1.2008 als freiwilliges Mitglied zu versichern (1.). Die Beklagte war auch nicht ermächtigt, das Unternehmen zu veranlagen und den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten (2.).

20

1. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 aufgehoben, soweit dieser die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als freiwillig versicherter Unternehmer feststellt. Der "Versicherungsschein" in dem Bescheid ist als Feststellung des Beginns einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu verstehen (a). Dem Erlass eines solchen Verwaltungsakts stand nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegen, mit dem die Beklagte festgestellt hatte, der Kläger sei pflichtversichertes Mitglied kraft Satzung (b). Der Verwaltungsakt über die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist zwar formell rechtmäßig ergangen (c), er ist aber materiell rechtswidrig, da die Satzungsregelung, auf die die Beklagte den Verwaltungsakt gestützt hat, mit § 6 Abs 1 SGB VII nicht vereinbar ist (d).

21

a) Die Feststellung des Bestehens der freiwilligen Versicherung des Klägers in dem Versicherungsschein im Bescheid vom 22.10.2008 ist ein Verwaltungsakt.

22

Diese an den Kläger gerichtete behördliche Erklärung im sogenannten Versicherungsschein, dass seine satzungsmäßige Pflichtversicherung in eine freiwillige Versicherung mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2008 und einer Versicherungssumme von 24.000 € überführt wurde, ist aus objektivem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Die Verwaltungserklärung ist so zu verstehen, dass sie dem Kläger gegenüber das Bestehen eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, feststellen und so eine Regelung (siehe § 31 SGB I) im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X treffen sollte(vgl § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII; dazu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 136 Anm 3.1; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 10). Denn ein Empfänger des Versicherungsscheins, der zuvor mit Schreiben der Beklagten vom 10.10.2007 über die Beendigung der Pflichtversicherung und die "Überführung" in die freiwillige Versicherung informiert worden war, musste davon ausgehen, dass der an ihn individuell gerichtete Versicherungsschein nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch die BG in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - vom Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist. Der Abschluss dieses Verfahrens durch ein (Bestätigungs-)Schreiben der BG, hier Versicherungsschein genannt, ist aus Sicht eines objektiven Empfängers die Feststellung des Versicherungsverhältnisses im konkreten Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8; Wiester in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand Dezember 2001, § 6 RdNr 48).

23

b) Dieser Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil ihm die Bindungswirkung des Verwaltungsakts entgegensteht, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber die Pflichtmitgliedschaft kraft Satzung festgestellt hat.

24

Zwar hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt vom 10.12.1999 dem Kläger gegenüber bindend festgestellt, sie sei der für dessen Unternehmen zuständige Unfallversicherungsträger; die Pflichtversicherung des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Ehegattin kraft Satzung werde hiermit festgestellt. Die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt aber seinerseits durch Verwaltungsakt aufgehoben (§ 48 SGB X), als sie dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10.10.2007 über die anstehende Änderung seiner Versicherung informiert und unmittelbar im ersten Absatz dieses Schreibens erklärt hat: "Wir informieren Sie heute über die Änderung Ihres Versicherungsschutzes … zum 1.1.2008. Die kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten wird zum 31.12.2007 aufgehoben."

25

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl BSG vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24 f). Die Regelung eines aufhebenden Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X besteht darin, den früheren Verwaltungsakt aufzuheben.

26

Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2007 ist darauf gerichtet und vom Kläger so zu verstehen gewesen, dass die frühere Regelung einer Pflichtversicherung kraft Satzung, die im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger noch Bestand hatte, zum 31.12.2007 beseitigt werde. Zwar hat die Beklagte den aufzuhebenden Verwaltungsakt nicht ausdrücklich genannt, sondern nur geregelt, dass seine Pflichtversicherung als Unternehmer und diejenige seiner Ehefrau zum 31.12.2007 enden werde. Die Erklärung vom 10.10.2007, die bestehende Pflichtversicherung kraft Satzung werde beendet, ist eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar gewesen, dass die früher durch Verwaltungsakt festgestellte Pflichtversicherung kraft Satzung beseitigt werden soll. Der Inhalt der Regelung ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und eindeutig, was die Beklagte geregelt hat. Es ist nicht konkret bestimmt, welcher frühere Verwaltungsakt in welchem Umfang aufgehoben wird (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 mwN; von "Klarstellungsfunktion" spricht BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13). Die Regelung der Aufhebung ist mangels Nennung des aufzuhebenden Bescheids zwar rechtswidrig, sie ist aber nicht nichtig iS des § 40 SGB X und damit wirksam(§ 39 Abs 2, 3 SGB X). Da der aufhebende Verwaltungsakt nicht binnen Jahresfrist angefochten worden ist, ist er zudem bindend geworden.

27

c) Der angegriffene Verwaltungsakt (Versicherungsschein vom 22.10.2008) ist nicht formell rechtswidrig und nicht aufzuheben, obwohl eine Anhörung des Klägers unterblieben war, denn von dieser konnte abgesehen werden.

28

Insoweit ist schon umstritten, ob vor Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung der Zuständigkeit (§ 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII) oder Bestätigung einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer, dem gegenüber die Regelung getroffen wird, zuvor nach § 24 SGB X anzuhören ist(für das Erfordernis einer Anhörung: Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand April 2009, § 136 RdNr 10; gegen Anhörung: Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Januar 2009, § 136 SGB VII RdNr 5). Ob vor Erlass eines auf § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII gestützten Verwaltungsakt eine Anhörung des Adressaten zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb nicht rechtswidrig, da eine Anhörungspflicht vorliegend nach § 24 Abs 2 Nr 4 Alt 2 SGB X nicht bestanden hat. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung angesehen werden, wenn gleichartige Verwaltungsakte in großer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass bei ihr Ende 2007 ca 251.000 Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert waren, deren Versicherungsverhältnisse zum 1.1.2008 auf freiwillige Versicherungen überführt werden sollten. Die Beklagte hatte gegenüber einer Vielzahl von Adressaten zum 1.1.2008 Regelungen zu treffen, die nach Art, Form und Inhalt gleich waren. In dieser Situation konnte sie von einer Anhörung absehen (vgl zur Umsetzung einer Satzungsregelung auch BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13, 14; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 24 SGB X RdNr 28).

29

d) Der die freiwillige Versicherung des Klägers ab 1.1.2008 feststellende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn entgegen der Feststellung ist keine freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten begründet worden. Die Satzungsregelung, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und bietet deshalb keine materiell-rechtliche Grundlage für die getroffene Regelung.

30

aa) Die Beklagte kann sich für den Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung nach § 6 SGB VII auf die Ermächtigung des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stützen.

31

Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest(BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen. Die Ermächtigung gilt auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass materiell-rechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber wirksam (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X). Durch einen solchen materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt wird ggf ein sog Formalversicherungsverhältnis begründet. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers festzustellen (sog Aufnahmebescheid, dazu Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5; zur Bestätigung einer freiwilligen Versicherung vgl auch Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8).

32

Der Verwaltungsakt ist aber rechtswidrig, da der Tatbestand des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht erfüllt ist, weil die Beklagte für den Kläger nicht zuständig war. Dies wäre sie nur gewesen, wenn ein freiwilliges Versicherungsverhältnis am 1.1.2008 entstanden wäre. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bb) und auch nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung (cc) ist dies aber nicht der Fall.

33

bb) Zwar ist der Kläger Unternehmer iS des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII, da ihm das Ergebnis des Unternehmens - der Gaststätte - unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII); eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl auch BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 16 mwN). Eine freiwillige Versicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 50 Abs 1 der Satzung kann aber nur durch schriftlichen Antrag begründet werden. Da der Kläger keinen schriftlichen Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beklagten gestellt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt.

34

cc) Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten wurde auch nicht nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begründet.

35

Zwar sieht diese Satzungsregelung vor, dass die Versicherung der Unternehmer, die bis 31.12.2007 kraft Satzung pflichtversichert waren, ohne Antrag als freiwillige Versicherung fortbesteht, wenn der Unternehmer nicht bis 31.12.2007 widerspricht oder kündigt.

36

Die Regelung des angegriffenen Verwaltungsakts entspricht inhaltlich der Satzungsregelung, ist also satzungskonform. Der Verwaltungsakt ist dennoch rechtswidrig, weil die Satzungsregelung, auf die er gestützt worden ist, unwirksam ist. Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Es gehörte nicht zu ihren gesetzlichen Aufgaben, eine freiwillige Versicherung ohne Antrag oder einen "Mischtyp" aus Pflichtversicherung kraft Satzung und freiwilliger Versicherung zu schaffen.

37

Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der GUV(vgl § 22 SGB I) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (vgl Rüfner in Wannagat, SGB I, Stand Juli 2000, § 31 RdNr 7; Klose in Jahn, SGB I, Stand Februar 2011, § 31 RdNr 11 f; Seewald in Kasseler Kommentar, September 2007, § 31 SGB I RdNr 8 und 13). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 SGB IV, denen das GG keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist(anders Art 28 Abs 2 GG für örtliche Angelegenheiten der Gemeinden, Allzuständigkeit), haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - UV-Recht , 1996, § 19 RdNr 5; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 34 RdNr 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 23 RdNr 42).

38

Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 18 mwN). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl aaO). Für die Regelung in § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung, die eine freiwillige Versicherung bislang pflichtversicherter Unternehmer ohne schriftlichen Antrag zum 1.1.2008 begründet, fehlt der Beklagten eine Satzungskompetenz.

39

aaa) Eine Ermächtigung, die freiwillige Versicherung kraft Satzung zu regeln, besteht nicht.

40

§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art 20 Abs 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten(vgl Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, § 34 RdNr 43, 46). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte" wie den Erlass einer Satzung nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs 1 SGB IV).

41

bbb) Der Gesetzgeber hat den nicht in der GUV pflichtversicherten Personen, die von § 6 SGB VII erfasst werden, ein subjektiv-öffentliches Gestaltungsrecht zur Begründung einer freiwilligen Versicherung eingeräumt, sofern sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Er hat darin die Unfallversicherungsträger aber nicht ermächtigt, in ihrer Satzung eine "freiwillige Versicherung" unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SGB VII zu schaffen, insbesondere unter "Verzicht" auf einen schriftlichen Antrag. Da § 6 SGB VII keine ausdrückliche Zuweisung einer Satzungskompetenz enthält, umfasst die (allgemeine) Kompetenz der Beklagten insoweit nur Regelungen über ein durch Antrag entstandenes freiwilliges Versicherungsverhältnis.

42

Dass § 6 SGB VII als Tatbestandsvoraussetzung für eine freiwillige Versicherung immer einen schriftlichen Antrag erfordert, folgt aus dem Gesetzeswortlaut und wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits zu den Vorgängerregelungen des § 6 SGB VII, nach der sich Unternehmer versichern(so § 539 RVO idF des 6. UVÄndG vom 9.3.1942 - RGBl I 107) oder freiwillig der Unfallversicherung beitreten konnten (so § 545 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30.4.1963 - BGBl I 241), hat das BSG ausgeführt, dass es zur Begründung der freiwilligen Versicherung eines Antrags, also einer auf die Begründung des Versicherungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung des Unternehmers, bedarf (vgl BSG vom 25.8.1965 - 2 RU 167/62 - BSGE 23, 248, 251; BSG vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 91 - Juris RdNr 20). Dieses Antragserfordernis hat der Gesetzgeber (vgl Art 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7.8.1996, BGBl I 1254) ausdrücklich in den Wortlaut von § 6 SGB VII, der als Nachfolgeregelung im Wesentlichen § 545 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechen soll(vgl BT-Drucks 13/2204 S 77 zu § 6), aufgenommen und zudem Schriftform vorgeschrieben.

43

§ 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung kann also nicht auf § 6 SGB VII gestützt werden.

44

ccc) Auch aus § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII ergibt sich eine Ermächtigung zu einer Satzungsnorm, wie sie § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten enthält, nicht.

45

Die Vorschrift ermächtigt die Beklagte, als Satzungsgeberin zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Pflichtversicherung in der GUV auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner erstreckt (vgl BT-Drucks 13/2204 S 76 zu § 3). Miterfasst ist die Ermächtigung, mit Wirkung für die Zukunft zu bestimmen, dass eine bisher geltende Pflichtversicherung kraft Satzung endet, sich also nicht mehr auf den bisher versicherten Personenkreis erstreckt. Die Beklagte kann durch Satzung auch bestimmte Voraussetzungen für die Pflichtversicherung festlegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte ermächtigt gewesen, Satzungsregelungen wie §§ 43 bis 48 ihrer Satzung idF vom 15.9.2006 zu erlassen, die die Pflichtversicherung von Unternehmern mit Wirkung zum 1.1.2008 beenden.

46

Soweit § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung zum 1.1.2008 für ehemals kraft Satzung pflichtversicherte Unternehmer anordnet, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen als eine freiwillige fortbesteht, liegt darin gerade keine Bestimmung über das "Ob" oder "Wie" einer Pflichtversicherung kraft Satzung im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die freiwillige Versicherung nach dem SGB VII ist nicht eine "Art" der Versicherung über die die Beklagte gemäß § 3 SGB VII kraft Satzung Regelungen treffen kann. Vielmehr sind die gesetzlichen Vorgaben beider Arten von Versicherungen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises und des Beginns der Versicherung unterschiedlich ausgestaltet. § 3 SGB VII enthält keine (stillschweigende) gesetzliche Ermächtigung für die Schaffung einer freiwilligen Versicherung durch Satzung in Abweichung oder neben dem vom Gesetz ausgestalteten Institut der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 SGB VII.

47

ddd) § 3 SGB VII verschafft der Beklagten auch keine Satzungsermächtigung, eine der getroffenen Regelung entsprechende "Übergangsregelung" im Zusammenhang mit der Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung zu treffen.

48

Zunächst hat der Gesetzgeber selbst in § 213 SGB VII für bestimmte Unternehmer und ihre Ehegatten eine Übergangsregelung als eine von § 6 Abs 1 SGB VII abweichende Sonderregelung zum Entstehen und Beginn einer freiwilligen Versicherung geschaffen. Eine Satzungskompetenz hat er dafür den Unfallversicherungsträgern aber gerade nicht eingeräumt. Aus "eigenem Recht" können diese eine solche Übergangsregelung nicht schaffen, da eine solche Satzungskompetenz den Trägern der GUV nicht durch Gesetz übertragen worden ist. § 213 SGB VII ist ua schon mangels Regelungslücke im SGB VII auch nicht im Wege der Analogie auf die untergesetzliche Ebene der Satzungsregelungen zu übertragen, weil jede Satzungskompetenz gerade eine parlamentsgesetzliche Zuweisung von Normsetzungsmacht voraussetzt.

49

§ 3 SGB VII weist der Beklagten nur die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Fortsetzung der Versicherung als freiwillige ist aber keine Regelung mehr, die sich innerhalb der Kompetenz zur Regelung von Satzungspflichtversicherungen hält, sondern geht darüber hinaus. Wie die Beklagte gezeigt hat, hat der Gesetzgeber erwogen, den Trägern der GUV eine entsprechende Satzungskompetenz zu übertragen. An diesem Gesetzentwurf hat sich die Beklagte auch orientiert. Allerdings hat - aus welchen Gründen ist weder bekannt noch erheblich - der Gesetzgeber keinen Gesetzesbeschluss gefasst, der der Beklagten die Kompetenz zur Regelung solcher "Übergänge" eingeräumt hat.

50

§ 3 SGB VII ermächtigt die Beklagte schließlich nicht dazu, einen Mischtyp von Versicherungen zu schaffen, sozusagen eine Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung unter der Bedingung der Fortführung als freiwillige Versicherung oder eine Pflichtversicherung kraft Satzung mit den Kündigungsrechten einer freiwilligen Versicherung. Das SGB VII kennt solche Mischformen nicht. § 3 SGB VII ermöglicht die Begründung einer Pflichtversicherung nur für Personengruppen, die ähnlich wie die in § 2 SGB VII genannten Gruppen des Schutzes der GUV bedürfen. Es wäre in sich widersprüchlich, eine Personengruppe nach Maßgabe des § 3 SGB VII aufgrund einer Satzung in die Versicherungspflicht einzubeziehen, da sie des Schutzes der GUV bedürfe, ihr aber zugleich die Entscheidung zu eröffnen, der Einbeziehung in die Versicherung widersprechen oder sie kündigen zu können.

51

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 SGB VII ist § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nichtig, der darauf gestützte Verwaltungsakt rechtswidrig, da er ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII in den Rechtskreis des Klägers eingreift.

52

dd) Eine "weitere Anwendung" der mit dem SGB VII nicht vereinbaren Satzungsregelung für eine Übergangszeit, ist nicht erlaubt. Ein extremer Ausnahmefall, in dem anderes gelten könnte, liegt nicht vor. Insbesondere geht es nicht darum, eine durch die Nichtanwendung drohende Situation abzuwenden, die noch weiter von den gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorgaben entfernt wäre als die durch eine Anwendung der nichtigen Satzungsnorm entstehende, sondern nur um die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung begründet worden ist.

53

Grundsätzlich sind Satzungsregelungen, wie hier § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten, bei einem Verstoß gegen höherrangiges Recht nichtig(vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19). Normen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (vgl BVerfG vom 3.11.1982 - 1 BvR 620/78 - BVerfGE 61, 319-357 - Juris RdNr 101 mwN).

54

Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, dass Satzungsregelungen, die im Falle des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig sind, ausnahmsweise aber für eine Übergangszeit (weiter) anzuwenden sind (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; ebenso BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 18 f). Voraussetzung für die Weiteranwendung ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass der Zustand bei Nichtanwendung der Norm für die Übergangszeit von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als ein Zustand, bei dem den Normunterworfenen die Anwendung der rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit zugemutet wird. Im Beitragsrecht kommt dies nur bei haushaltsrechtlich bedeutsamen Normen in Betracht, bei denen eine Rückabwicklung faktisch unmöglich ist und unkalkulierbare Haushaltsrisiken bis hin zu drohender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers vermieden werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19 f). So hat es der Senat als nicht hinnehmbar angesehen, dass bis zum Erlass einer rechtskonformen Satzung alle Beitragsbescheide als rechtswidrig angegriffen und neue Beitragsbescheide aufgrund einer neuen Satzung ggf rückwirkend hätten erteilt werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 47 RdNr 20 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 19 - Juris RdNr 31; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 21), zumal das BSG in der Vergangenheit die Satzungen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen hatte.

55

Mit solchen Konstellationen ist der Fall des Klägers indes nicht vergleichbar. Denn während in den oben genannten Fällen der Satzungsgeber die notwendige Satzungskompetenz hatte, um - ggf uU sogar rückwirkend - eine rechtswirksame, mit dem Gesetz in Einklang stehende Beitragssatzung mit demselben Inhalt wie die bisherige Regelung zu erlassen und damit rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die beanstandeten Verwaltungsakte zu schaffen, ist der Beklagten der rückwirkende Erlass einer Satzung, die eine freiwillige Versicherung ohne schriftlichen Antrag vorsieht, mangels entsprechender Satzungskompetenz dauerhaft verwehrt.

56

Die Anwendung des § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung scheidet deshalb aus.

57

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das SG auch die Verwaltungsakte über die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragsfestsetzungen aufgehoben hat (vgl zum Beitragsverfahren auch Mutschler WzS 2009, 353, 354).

58

Der Verwaltungsakt vom 22.10.2008 über die Veranlagung des Klägers unter Gefahrtarifstelle 18 wegen freiwilliger Versicherung mit der Gefahrklasse 5,2 ist mangels freiwilliger Versicherung wegen unrichtiger Einordnung des Klägers rechtswidrig und beeinträchtigt ihn in seinen Rechten.

59

Soweit das SG auch den Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben hat, bedarf das Urteil der Richtigstellung. Der Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 ist durch den endgültigen Beitragsbescheid vom 28.7.2009 vollständig ersetzt worden und war daher bereits vor Klageerhebung gemäß § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 8a; BSG vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 126 und 131; BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13 mwN). Die Festsetzung des endgültigen Beitrags und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 28.7.2009 sind an die Stelle der Festsetzung der voraussichtlichen Beitragsschuld und des darauf bezogenen Zahlungsgebots getreten.

60

Zwar ist im Tenor des Urteils nur die Aufhebung des "Bescheides vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009" ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe hat das SG auch den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben. Einerseits hat es durch seinen Ausspruch deutlich gemacht, dass es den Bescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 auch hinsichtlich seiner beitragsrechtlichen Regelung beseitigen wollte. Das SG hat auch gesehen, dass der Beitragsbescheid vom 28.7.2009 die Beitragsforderung durch die endgültige Festsetzung geändert hat. Entsprechend dem Klagebegehren des Klägers, der die Bescheide vom 8.4.2009 und 28.7.2009 seiner Klagebegründung beigefügt hat, ist der Ausspruch des SG dahingehend auszulegen, dass das SG auch den ersetzenden Verwaltungsakt vom 28.7.2009 aufgehoben hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit klargestellt worden ist.

61

Die Revision der Beklagten ist auch unbegründet, soweit angefochten wird, dass das SG den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben hat. Der Beitragsbescheid durfte nicht ergehen, da der Kläger nicht bei der Beklagten freiwillig versichert und daher nicht nach § 150 Abs 1 Satz 2 SGB VII beitragspflichtig ist.

62

3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

63

Der Kläger gehört - was das SG übersehen hat - nicht zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Personen, da er mit dem Rechtsstreit keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der GUV verfolgt, sondern sich gegen die Einbeziehung in die GUV als freiwillig versicherter Unternehmer, gegen die Veranlagung und die Beitragserhebung gewandt hat(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 28; BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6; BSG vom 3.1.2006 - B 2 U 367/05 B; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B). Der Senat kann die insoweit fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24; BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

64

Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da die Klage Erfolg hatte und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des SG trotz der Maßgabe im Tenor ohne Erfolg geblieben ist.

65

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

66

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses, evtl mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich für die Beteiligten in beiden Instanzen nach den geforderten Beiträgen in Höhe von 454,28 € (§ 52 Abs 3 GKG).

67

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats mindestens der Auffangstreitwert zu Grunde zu legen, wenn die Beteiligten über die Erhebung von Beiträgen als Unternehmer streiten, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind (vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - bereits vor Klageerhebung die Mitgliedschaft unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist.

68

Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert zugleich für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 Satz 1 GKG). Zumindest bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich bleibendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie die von den Instanzgerichten getroffene Festsetzung ändern und eine ggf unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 23; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24).

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung der Rente der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung für die Monate November und Dezember 2008 wegen Hinzuverdienstes und die Erstattung der in diesen Monaten entstandenen Überzahlung von 921,80 Euro.

2

Die 1958 geborene Klägerin war Erzieherin bei der C.-U. Berlin (nachfolgend: C-U Berlin). Auf ihr Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für die C.-U. Berlin (TV-C.) vom 1.1.2007 Anwendung.

3

Mit Bescheid vom 13.10.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom März 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.10.2008 bis 31.8.2010. Seit 1.9.2010 bezieht sie Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (Bescheid vom 30.6.2010). Im Dezember 2008 wurden der Beklagten Einmalzahlungen an die Klägerin für November 2008 iHv 1082 Euro (anteilige tarifliche Jahressonderzahlung) und für Dezember 2008 iHv 3362 Euro (Urlaubsabgeltung) gemeldet.

4

Nach vorheriger Anhörung berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 24.2.2009 die Rente ab 1.11.2008 neu und stellte für November und Dezember 2008 eine zu erstattende Überzahlung von 921,80 Euro fest. Wegen Überschreitens der individuellen Hinzuverdienstgrenzen stehe der Klägerin die Rente für die Zeit vom 1.11. bis 30.11.2008 nur in Höhe von drei Vierteln und vom 1.12. bis 31.12.2008 nur in Höhe von einem Viertel zu; ab 1.1.2009 habe sie wieder Anspruch auf die volle Rente. In der Anlage 10 zum Bescheid ("Ergänzende Begründungen und Hinweise") hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 nach § 48 SGB X auf und forderte die Erstattung der entstandenen Überzahlung nach § 50 SGB X. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4.5.2009).

5

Auf die Klage hat das SG mit Urteil vom 12.2.2010 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Bescheid vom 24.2.2009 enthalte weder auf der ersten Seite noch in der Anlage 10 einen wirksamen Verwaltungsakt iS des § 31 S 1 SGB X über die Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2008.

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 23.6.2011 das SG-Urteil geändert, soweit der Bescheid vom 24.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2009 für die Zeit ab 1.1.2009 aufgehoben worden sei. Insoweit hat es die Klage abgewiesen, weil der Bescheid für die Zeit ab 1.1.2009 rechtmäßig sei. Für diese Zeit sei nach seinem Inhalt die Rente wegen voller Erwerbsminderung wieder in der ursprünglichen Höhe zuerkannt worden.

7

Im Übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zwar sei entgegen der Rechtsmeinung des SG im Bescheid vom 24.2.2009 die Regelung über die Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2008 hinreichend bestimmt. Denn ausgehend von einem verständigen, objektiven Erklärungsempfänger sei ersichtlich, dass die Beklagte an ihrer letzten Verwaltungsentscheidung über die zu leistende Rente wegen voller Erwerbsminderung hinsichtlich der Rentenhöhe nicht mehr festhalten wolle. Es sei deutlich zum Ausdruck gekommen und nicht ansatzweise zweifelhaft, dass und in welchem Umfang die Beklagte den Bescheid vom 13.10.2008 geändert habe.

8

Der Bescheid vom 24.2.2009 sei jedoch hinsichtlich der Änderung der Rentenhöhe für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 rechtswidrig, denn die von § 48 Abs 1 S 1 SGB X vorausgesetzte wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen sei durch die Zahlung der beiden einmaligen Arbeitsentgelte nicht eingetreten. Die strittigen Einmalzahlungen stammten nicht aus einer Beschäftigung iS des § 96a SGB VI. Denn eine solche habe seit dem Rentenbeginn ab 1.10.2008 nicht mehr bestanden. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Zeitrentenbewilligung ab 1.10.2008 nach dem hier maßgeblichen TV-C. habe zur Beendigung der Beschäftigung der Klägerin geführt.

9

Der Begriff der Beschäftigung iS des § 96a SGB VI sei iS des § 7 Abs 1 SGB IV zu verstehen. Er werde charakterisiert durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers bzw die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber und damit durch die Eingliederung des Beschäftigten in einen Betrieb oder eine Verwaltung. Eine solche persönliche Abhängigkeit der Klägerin ab Rentenbezug sei jedoch nicht festzustellen. Denn sie habe keine Dienste im Rahmen des Arbeitsvertrags angeboten oder erbracht. Umgekehrt habe die C-U Berlin ihr auch kein Arbeitsentgelt für eine Arbeitsleistung geschuldet.

10

Dies entspreche der arbeitsrechtlichen Situation. Denn auch im Arbeitsrecht ende die Beschäftigung bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten suspendiert seien (Hinweis auf Urteile des BAG vom 7.9.2004 - 9 AZR 587/03 - und vom 14.3.2006 - 9 AZR 312/05).

11

Nichts anderes folge aus der Rechtsprechung des BSG. Danach sei eine "funktionsdifferente Auslegung" des Begriffs des Beschäftigungsverhältnisses vorzunehmen. Insbesondere ließen sich die Merkmale des die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses nicht unbesehen auf das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis übertragen (Hinweis auf Urteile des BSG vom 9.9.1993 - 7 RAr 96/92 - und vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92). Eine Beschäftigung iS des § 96a Abs 1 SGB VI setze ein Arbeitsentgelt aus einer tatsächlichen Arbeitsleistung während des Bezugs der Rentenleistung voraus. Denn diese Norm bezwecke die Anrechnung eines Arbeitsentgelts aus einer neben dem Rentenbezug geleisteten Arbeit auf Kosten der Gesundheit. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien (Hinweis auf BT-Drucks 13/2590 S 19, 20, 23). Die Klägerin habe aber ausschließlich vor Bezug der Rente gearbeitet.

12

Entgegen der Ansicht der Klägerin komme für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Einmalzahlung als Hinzuverdienst im Rahmen des § 96a Abs 1 SGB VI zu berücksichtigen sei, die Anwendung des § 23a Abs 1 S 3 und Abs 2 SGB IV nicht in Betracht; nach dieser Vorschrift sei einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach Beendigung oder bei Ruhen der Beschäftigung gezahlt werde, dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des laufenden Kalenderjahres zuzurechnen. § 23a SGB IV sei jedoch eine rein beitragsrechtliche Regelung.

13

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 96a SGB VI. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei die Norm auch auf Arbeitsentgelt aus einer nicht tatsächlich ausgeübten Beschäftigung anzuwenden. Gegenteiliges ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des § 96a Abs 1 SGB VI oder aus den Gesetzesmaterialien. Vielmehr stelle die Bestimmung für die Berücksichtigung von Hinzuverdienst ohne weitere Einschränkungen nur auf Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung ab. Dafür spreche auch Sinn und Zweck des § 96a SGB VI, der die "Lohnersatzfunktion der Rente" stärken und eine "Übersicherung" beim Versicherten verhindern solle. Denn dieser solle aus der gezahlten Rente und einem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung kein höheres Gesamteinkommen erzielen als vor dem Rentenbezug. Da aber eine Übersicherung sowohl bei einer ausgeübten als auch bei einer nicht ausgeübten Beschäftigung eintreten könne, sei § 96a SGB VI auf beide Beschäftigungsarten anzuwenden. Denn die Lohnersatzfunktion der Rente werde in beiden Fällen verletzt. Vorliegend habe während des Rentenbezugs auch eine Beschäftigung iS des § 7 SGB IV bestanden. Zur Begriffsbestimmung könne auf Rechtsprechung des 12. Senats des BSG zurückgegriffen werden (Bezugnahme auf Urteile vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R und B 12 KR 27/07 R). Danach hindere der Wegfall der tatsächlichen Arbeitsleistung das Vorliegen einer Beschäftigung nicht. Denn die Arbeitsvertragsparteien hätten am Arbeitsverhältnis festgehalten, um es zu gegebener Zeit fortzusetzen. Dieser Sachverhalt gewährleiste eine gemeinsame Bestätigung des vertraglichen Bandes wie insbesondere ein hinreichendes Substitut für die Arbeitspflicht. Die Rente sei der Klägerin zunächst nur befristet bewilligt worden, weil nicht auszuschließen gewesen sei, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand bessere und sie dann wieder für ihre Arbeitgeberin tätig sein könne. Deshalb sei das Arbeitsverhältnis als rechtliches Band gerade nicht zerschnitten, sondern in Form des Ruhens aufrechterhalten worden. Zwar beträfen die in Bezug genommenen BSG-Urteile vom 24.9.2008 (aaO) Rechtsfragen des Versicherungs- und Beitragsrechts. Die dortigen Ausführungen zum Rechtsbegriff der Beschäftigung iS des § 7 SGB IV seien aber auch für das Leistungsrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung heranzuziehen.

14

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juni 2011 und des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Februar 2010 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das LSG sei zutreffend davon ausgegangen, dass es allein darauf ankomme, ob während des Rentenbezugs ein Beschäftigungsverhältnis mit Hinzuverdienst bestanden habe. Zwar setze eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Bei den von der Beklagten in Bezug genommenen BSG-Entscheidungen habe jedoch eine Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden, während derer der Arbeitgeber die Vergütung weiter gezahlt habe. Hierin bestehe der wesentliche Unterschied zum vorliegenden Fall. Denn hier habe während des Rentenbezugs aufgrund des tarifvertraglich angeordneten Ruhens des Arbeitsverhältnisses keine Vergütungspflicht der Arbeitgeberin mehr bestanden. Nachträgliche Zahlungen aus einem ruhenden Arbeitsverhältnis seien nach dem Zweck des § 96a SGB VI nicht auf die laufende Rente wegen voller Erwerbsminderung anzurechnen, denn sie beruhten auf einer vor Rentenbeginn erbrachten Arbeitsleistung.

17

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

19

A. Zu Recht hat das LSG den Bescheid vom 24.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2009 (vgl § 95 SGG) aufgehoben, soweit die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2008 für den Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2008 die Höhe der Rente wegen voller Erwerbsminderung gemindert und die Erstattung von 921,80 Euro gefordert hat. Die angefochtenen Bescheide sind in diesem Umfang rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

20

Denn die im November und Dezember 2008 zugeflossenen Einmalzahlungen (Jahressonderzahlung und Urlaubsabgeltung) sind nicht gemäß § 96a Abs 1 SGB VI als Hinzuverdienst für diese Monate zu berücksichtigen, weil sie nicht aus einer während des Rentenbezugs noch bestehenden Beschäftigung der Klägerin stammen. Ihre Beschäftigung bei der C-U Berlin war vielmehr durch das tarifvertraglich bestimmte Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses ab Oktober 2008 aufgrund der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit unterbrochen. Einmalzahlungen, die einem Versicherten nach Rentenbeginn bei ruhendem Arbeitsverhältnis und einem zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis (im leistungsrechtlichen Sinne) noch zufließen, sind kein ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI. Auf deren beitragsrechtliche Zuordnung nach § 23a Abs 2 SGB IV kommt es daher im Rahmen der rentenrechtlichen Hinzuverdienstregelung nicht an.

21

B. Als Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des die befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligenden Bescheids vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate November und Dezember 2008 kommt hier (nur) § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 und S 3 SGB X iVm § 96a Abs 1 S 2 und § 100 Abs 1 SGB VI in Betracht.

22

Nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt hierbei in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs 1 S 3 SGB X).

23

Ergänzend bestimmt § 100 Abs 1 S 2 SGB VI(in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 27.12.2003, BGBl I 3019), dass im Falle des § 96a SGB VI - also bei Zusammentreffen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Hinzuverdienst - die Regelung in § 100 Abs 1 S 1 SGB VI zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Änderung der Rentenhöhe anzuwenden ist. Danach wird bei einer für die Rentenhöhe bedeutsamen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist. Bezogen auf die Anrechnung von Hinzuverdienst bedeutet dies gemäß § 96a Abs 1 S 2 SGB VI in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung iVm § 48 Abs 1 S 3 SGB X, dass bei einem Überschreiten der monatlichen Hinzuverdienstgrenzen im Laufe eines Kalendermonats die Rente bereits von Beginn des betreffenden Monats an in angepasster Höhe zu leisten ist. Denn § 96a Abs 1 S 2 SGB VI stellt auf das Arbeitsentgelt "im Monat" ab, um für diesen Monat des Zusammentreffens mit der Rente das Überschreiten der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze festzustellen. Unerheblich ist insoweit, zu welchem Zeitpunkt im Monat (am Anfang, in der Mitte oder am Ende) das Arbeitsentgelt als "rentenschädlicher" Hinzuverdienst erzielt wird. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs 1 S 3 SGB X stets der Beginn des Anrechnungszeitraums und hier somit der Monatsbeginn.

24

C. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Beklagte mit Bescheid vom 24.2.2009 die angefochtenen Regelungen durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X) getroffen und den Bescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate November und Dezember 2008 teilweise aufgehoben und die entstandene Überzahlung von 921,80 Euro zurückgefordert hat.

25

Denn ausgehend vom objektivierten Empfängerverständnis (zu diesem Auslegungsmaßstab: BSG vom 29.10.1992 - SozR 3-1300 § 50 Nr 13 S 34 mwN) war für die Klägerin eindeutig erkennbar, dass die Beklagte - wie mit der Anhörung bereits angekündigt - an ihrer letzten Verwaltungsentscheidung über die zu leistende Rente wegen voller Erwerbsminderung hinsichtlich der Rentenhöhe für die vorgenannten Monate wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen nicht mehr festhalten wollte. Unerheblich ist, dass die Beklagte die Regelung nicht (bereits) zu Beginn (auf S 1) des Bescheids getroffen (vgl BSG vom 8.12.1993 - SozR 3-1300 § 34 Nr 2 LS 2 und S 5; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 26), sondern erst in der Anlage 10 des Bescheids vom 24.2.2009 unter der Überschrift "Ergänzende Begründungen und Hinweise" verfügt hat, dass der Rentenbescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 teilweise aufgehoben wird und die entstandene Überzahlung zu erstatten ist. Denn der Klägerin ist auf S 6 unter der Überschrift "Weitere Hinweise" ausdrücklich mitgeteilt worden, dass (auch) die Anlage 10 Bestandteil des Bescheids ist. Unabhängig davon haben aber bereits die Hinweise auf S 1 des Bescheids vom 24.2.2009 mit ihrem deutlich persönlichen Bezug: "Ihre bisherige Rente wegen voller Erwerbsminderung wird ab 01.11.2008 neu berechnet" und "… Überzahlung von 921,80 EUR … ist zu erstatten" sowie auf S 2: "Unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen steht die Rente für die Zeit vom 01.11.2008 bis zum 30.11.2008 nur in Höhe von drei Vierteln, vom 01.12.2008 bis zum 31.12.2008 nur in Höhe von einem Viertel und ab 01.01.2009 in voller Höhe zu" deutlich gemacht, dass die Beklagte die frühere Bewilligung abändern, dh teilweise aufheben wollte (vgl BSG vom 21.6.2000 - B 4 RA 66/99 R - Juris RdNr 20).

26

D. Der Bescheid vom 24.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2009, der die Rentenhöhe (nur) für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2008 geändert hat, ist rechtswidrig. Die von § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X vorausgesetzte Änderung der Verhältnisse ist aufgrund der beiden Einmalzahlungen in diesen Monaten nicht eingetreten. Diese sind vielmehr als Hinzuverdienst bei der Prüfung des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs 1 S 1 und 2, Abs 1a Nr 2 und Abs 2 Nr 2 und 3 SGB VI unberücksichtigt zu lassen, weil sie nicht aus einer Beschäftigung der Klägerin im Zeitraum des Rentenbezugs stammen.

27

1. Nach § 96a Abs 1 SGB VI in seiner hier maßgeblichen, ab 1.1.2008 geltenden Fassung wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (S 1; zur Verfassungsmäßigkeit der Einführung von Hinzuverdienstgrenzen bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit s BSG vom 28.4.2004 - SozR 4-2600 § 313 Nr 3 RdNr 22 ff; BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 41 ff; BVerfG Beschluss vom 14.6.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 10). Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Abs 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt (aaO S 2). Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird gemäß § 96a Abs 1a Nr 2 SGB VI eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, der Hälfte oder in Höhe eines Viertels geleistet. Durch die Formulierung "geleistet" in der vorgenannten Norm wird klargestellt, dass ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen - anders als bei den Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze in § 34 Abs 2 und 3 SGB VI - nicht unmittelbar den Rentenanspruch selbst betrifft, sondern nur Auswirkungen auf die Rentenhöhe haben soll(vgl Senatsurteil vom 9.12.2010 - SozR 4-2600 § 96a Nr 13 RdNr 17 mwN ).

28

2. Die Jahressonderzahlung und die Urlaubsabgeltung waren kein "rentenschädlicher" Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI.

29

Zwar handelt es sich bei diesen Einmalzahlungen um Arbeitsentgelt iS des § 96a Abs 1 SGB VI, das der Klägerin nach Rentenbeginn zugeflossen ist(dazu unter a). Dennoch bleiben sie im Rahmen des § 96a Abs 1 SGB VI unberücksichtigt. Denn diese einmalig gezahlten Arbeitsentgelte stammen nicht aus einer Beschäftigung der Klägerin während des Bezugs der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Trotz (rechtlichen) Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses wurde nämlich mit dessen tarifvertraglich vereinbartem (bzw angeordnetem) Ruhen aufgrund der zeitlich befristeten Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung zum 1.10.2008 ihre Beschäftigung bei der C-U Berlin mit Ablauf des 30.9.2008 unterbrochen (dazu unter b). Einmalig gezahlte Arbeitsentgelte, die - wie hier - allein aufgrund arbeits- bzw tarifvertraglicher Regelung während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses (dh ohne tatsächliche Arbeitsleistung) dem Versicherten nach Rentenbeginn bei einem aus leistungsrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis noch zufließen, werden von § 96a Abs 1 SGB VI nicht erfasst(dazu unter c).

30

a) Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass der Begriff des "Arbeitsentgelts" in § 96a Abs 1 S 2 SGB VI durch § 14 SGB IV legal definiert ist(vgl BSG vom 17.12.2002 - SozR 3-2600 § 96a Nr 1 S 7; BSG vom 6.3.2003 - SozR 4-2600 § 313 Nr 2 RdNr 28; Senatsurteil vom 20.11.2003 - BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, RdNr 13; BSG vom 23.8.2005 - SozR 4-2600 § 313 Nr 4 RdNr 33; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a RdNr 15, Stand Einzelkommentierung Februar 2008; Brähler in Ruland/Försterling, GemeinschaftsKomm zum SGB VI, § 96a RdNr 69, Stand Einzelkommentierung November 2011; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 96a RdNr 6, Stand Einzelkommentierung März 2012; vgl auch BSG vom 4.5.1999 - SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 6; BSG vom 23.2.2000 - SozR 3-2600 § 34 Nr 3 S 21, jeweils zu § 34 Abs 2 SGB VI). Nach dessen Abs 1 S 1 sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

31

Hiernach sind sowohl die anteilige tarifliche Jahressonderzahlung als auch die Urlaubsabgeltung Arbeitsentgelt. Denn bei ihnen handelt es sich um Einmalzahlungen, die der Klägerin in ursächlichem Zusammenhang mit ihrem (früheren) Beschäftigungsverhältnis bei der C-U Berlin zugeflossen sind.

32

Die anteilige tarifliche Sonderzahlung wurde ihr nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG von der C-U Berlin im November 2008 iHv 1081,58 Euro (brutto) in Nachwirkung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund tarifvertraglicher Regelung (vgl § 20 TV-C.) bei bestehendem, aber ruhendem Arbeitsverhältnis ausgezahlt.

33

Auch die von der C-U Berlin nach Maßgabe des Tarifvertrags beim Ruhen eines Arbeitsverhältnisses (vgl § 26 Abs 2 Buchst c TV-C.) zu zahlende Urlaubsabgeltung ist Arbeitsentgelt (vgl BSG vom 29.7.1993 - 11 RAr 17/92 - Juris RdNr 15; BSG vom 23.1.1997 - SozR 3-4100 § 117 Nr 14 S 98; BAG vom 14.3.2006 - BAGE 117, 231, 243; Seewald in Kasseler Komm, § 14 SGB IV RdNr 94, Stand Einzelkommentierung April 2008). Nach den Feststellungen des LSG hat die C-U Berlin der Klägerin die Urlaubsabgeltung im Dezember 2008 iHv 3362,04 Euro (brutto) ausgezahlt.

34

b) Mit dem tarifvertraglich angeordneten Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit (dazu unter aa) wurde die Beschäftigung der Klägerin bei der C-U Berlin für die Dauer der Zeitrentenbewilligung unterbrochen (dazu unter bb).

35

aa) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der C-U Berlin ruhte ab 1.10.2008. Dies ergibt sich aus dem nach den Feststellungen des LSG für die beiden Arbeitsvertragsparteien maßgebenden TV-Ch. In dessen § 33 Abs 2 S 1 ist bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach der Arbeitnehmer voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Nach S 5 und 6 endet das Arbeitsverhältnis (jedoch) nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers lediglich eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum der Zeitrentenbewilligung.

36

Das Ruhen eines Arbeitsverhältnisses führt zur Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien, nämlich der Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und der Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der vereinbarten Vergütung, mit der Folge, dass der jeweilige Gläubiger die Erbringung der Leistungen nicht mehr verlangen und durchsetzen kann (BAG vom 14.3.2006 - BAGE 117, 231, 236, 238 mwN).

37

Mit Bescheid vom 13.10.2008 hatte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.10.2008 bis 31.8.2010 bewilligt. Aus diesem Grunde ruhte gemäß der vorgenannten tarifvertraglichen Normen für den genannten Zeitraum ihr Arbeitsverhältnis, sodass ab Rentenbeginn die Klägerin keine Arbeitsleistung mehr anbieten oder erbringen musste und (im Gegenzug) die C-U Berlin auch kein Arbeitsentgelt mehr schuldete.

38

bb) Das tarifvertraglich (zwingend) angeordnete Ruhen des Arbeitsverhältnisses führte zur Unterbrechung der Beschäftigung der Klägerin für den Zeitraum der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit.

39

Der Begriff der "Beschäftigung" in § 96a Abs 1 SGB VI ist iS des § 7 Abs 1 SGB IV zu verstehen(vgl auch BSG vom 4.5.1999 - SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 9 f; BSG vom 23.2.2000 - SozR 3-2600 § 34 Nr 3 S 22, jeweils zu § 34 Abs 2 SGB VI). Beschäftigung ist nach S 1 der Vorschrift die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (aaO S 2).

40

Die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung in der Sozialversicherung hat nach der ständigen Rechtsprechung sowohl der für das Leistungs- als auch der für das Beitragsrecht zuständigen Senate des BSG "funktionsdifferent" zu erfolgen. Der Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne unterscheidet sich von dem Begriff der Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne (vgl zum leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung zB BSG vom 28.9.1993 - BSGE 73, 126, 128 f = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f; BSG vom 5.2.1998 - B 11 AL 55/97 R - Juris RdNr 14 f; BSG vom 3.6.2004 - SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 15; BSG vom 9.2.2006 - B 7a AL 58/05 R - Juris RdNr 14; BSG vom 21.3.2007 - SozR 4-4300 § 118 Nr 1 RdNr 27; zum beitragsrechtlichen Begriff der Beschäftigung zB BSG vom 24.9.2008 - BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 24 und SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 21). Auch das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist jedoch nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen (vgl BSG vom 24.7.1986 - BSGE 60, 168, 170 = SozR 4100 § 117 Nr 16 S 72; BSG vom 29.6.1995 - SozR 3-4100 § 101 Nr 6 S 18; BSG vom 9.2.2006 - B 7a AL 58/05 R - Juris RdNr 14 mwN).

41

Das LSG ist zu Recht bei der Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsentgelt "aus einer Beschäftigung" auf eine für den betreffenden Monat zu leistende Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als Hinzuverdienst iS von § 96a Abs 1 SGB VI anzurechnen ist, vom leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung ausgegangen. Dabei hat es zutreffend den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses beurteilt. Denn eine Beschäftigung endet trotz eines rechtlich (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits dann, wenn - wie zB bei seinem Ruhen - die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht (mehr) erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat (BSG vom 28.9.1993 - BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 15; BSG vom 5.2.1998 - B 11 AL 55/97 R - Juris RdNr 14 f; BSG vom 3.6.2004 - SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 15; BSG vom 8.7.2009 - SozR 4-4300 § 130 Nr 6 RdNr 22; vgl auch BAG vom 14.3.2006 - BAGE 117, 231, 244).

42

Dies war vorliegend der Fall. Denn mit dem Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab 1.10.2008 wurde gemäß § 33 Abs 2 S 5 und 6 TV-Ch. das zwischen der Klägerin und der C-U Berlin fortbestehende Arbeitsverhältnis zum Ruhen gebracht. Dadurch wurden die Dienstleistungspflicht der Klägerin und gleichzeitig die Vergütungspflicht der C-U Berlin suspendiert. In dieser Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten liegt auf Seiten der Arbeitgeberin ein (tarifvertraglich zwingend angeordneter) Verzicht auf ihr Direktionsrecht und damit auf ihre Verfügungsmacht über die Arbeitsleistung der Klägerin. Dies führte hier aus leistungsrechtlicher Sicht zur Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf des 30.9.2008.

43

Diesem Ergebnis stehen nicht die von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen des 12. Senats des BSG vom 24.9.2008 (SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10)entgegen. Denn zum einen ist Gegenstand der dortigen Ausführungen das Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinne, und zum anderen hat der 12. Senat in den dortigen Fallkonstellationen das (Fort-)Bestehen eines (beitragsrechtlichen) Beschäftigungsverhältnisses bei Freistellung von der Arbeit, jedoch mit fortlaufender Zahlung des Arbeitsentgelts angenommen. Letzteres war vorliegend aber für die Zeit ab 1.10.2008 nicht der Fall.

44

Nichts anderes ergibt sich entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten aus der Vorschrift des § 7 Abs 1a SGB IV. Denn die dort spezialgesetzlich erfasste Fallgruppe der Freistellung von der Arbeitspflicht bei durchgehender Entgeltzahlung auf der Grundlage von Wertguthaben liegt hier ersichtlich nicht vor.

45

c) Einmalig gezahlte Arbeitsentgelte, die dem Versicherten nach Rentenbeginn aufgrund arbeits- bzw tarifvertraglicher Regelung aus ruhendem Arbeitsverhältnis, zu diesem Zeitpunkt aber bereits unterbrochener oder beendeter Beschäftigung (nachträglich) noch zufließen, bleiben im Rahmen des § 96a Abs 1 SGB VI unberücksichtigt(vgl auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008; zum Hinzuverdienst bei ruhenden Sozialleistungen vgl die besondere Regelung in § 96a Abs 3 S 4 SGB VI).

46

aa) Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 96a SGB VI ergibt sich zwar nicht aus dessen Wortlaut. Denn Abs 1 S 2 spricht nur von "Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung". Daraus erschließt sich nicht unmittelbar, ob auch das nach Rentenbeginn gezahlte Arbeitsentgelt aus einer mit Rentenbeginn aufgegebenen Beschäftigung als Hinzuverdienst gilt.

47

bb) Aus Sinn und Zweck des § 96a SGB VI folgt aber, dass Arbeitsentgelt, das nach Rentenbeginn dem nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne stehenden Rentenempfänger nach arbeits- bzw tarifvertraglicher Regelung bei ruhendem Arbeitsverhältnis noch zufließt, nicht als ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst zu berücksichtigen ist.

48

Mit der Einführung der Hinzuverdienstgrenzen zum 1.1.1996 verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, die "Lohnersatzfunktion" der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stärken (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 11.10.1995 eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze, BT-Drucks 13/2590 S 19 f; BSG vom 17.12.2002 - SozR 3-2600 § 96a Nr 1 S 12; Senatsurteil vom 7.10.2004 - BSGE 93, 222 = SozR 4-2400 § 15 Nr 2, RdNr 20; BVerfG Beschluss vom 14.6.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 10 RdNr 9). Sie sollen verhindern, dass durch den gleichzeitigen Bezug von Erwerbseinkommen und einer als Ersatz für Erwerbseinkommen konzipierten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit möglicherweise sogar ein höheres Gesamteinkommen erzielt wird als vor Eintritt der Erwerbsminderung (vgl BVerfG aaO).

49

Dem entspricht, dass der Gesetzgeber durch die Hinzuverdienstgrenzen insbesondere die Möglichkeit des Versicherten einschränken wollte, durch Arbeit "neben einer Rente" wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - "auf Kosten seiner Gesundheit" - unbegrenzt hinzuzuverdienen. Denn mit Blick auf "die Zielsetzung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, den durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetretenen Einkommensverlust auszugleichen", sah er "keine Rechtfertigung dafür, ein Einkommen, das durch Arbeit auf Kosten der Gesundheit erzielt wird, unberücksichtigt zu lassen" (BT-Drucks 13/2590 S 20).

50

Insgesamt erschließt sich hieraus mit hinreichender Deutlichkeit, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers "rentenschädlich" grundsätzlich nur ein Hinzuverdienst aus einer "Arbeit" des Versicherten (gleichzeitig) "neben" der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sein soll, also Arbeitsentgelt, das der Versicherte durch Arbeitsleistung aus einer nach Rentenbeginn noch bestehenden Beschäftigung erzielt hat (vgl auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008; Quinten in Reinhardt, LPK-SGB VI, 2. Aufl 2010, § 96a RdNr 6). Denn in einer solchen Konstellation ist trotz des Eintritts des versicherten Risikos der Erwerbsminderung, eine finanzielle Kompensation durch die Rente aufgrund des gleichwohl weiter erzielten Arbeitsverdienstes nicht geboten. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass Arbeitsentgelte, die dem Rentenempfänger nach Aufgabe der Beschäftigung (Unterbrechung oder Beendigung) für Zeiten vor Rentenbeginn noch zufließen, nicht als ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI zu berücksichtigen sind(vgl KomGRV, § 96a SGB VI, Anm 3, Stand Einzelkommentierung April 2008; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, 3. Aufl, § 96a SGB VI RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008).

51

Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr als bei der Berechnung der anteiligen Jahressonderzahlung die Kalendermonate ohne Entgeltanspruch - hier also (auch) die des Ruhens des Arbeitsverhältnisses - nicht mitzählten (vgl § 20 Abs 4 S 1 TV-C.); entsprechendes gilt für die Urlaubsabgeltung, weil für die Zeit eines ruhenden Arbeitsverhältnisses kein Urlaubsanspruch bestand (vgl § 26 Abs 2 Buchst c TV-C.).

52

cc) Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch den systematischen Vergleich mit dem bis zum 31.12.2007 die Anrechnung von Arbeitsentgelt auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit regelnden § 94 SGB VI bestätigt. Diese Bestimmung war neben - in der Reihenfolge aber vor - § 96a SGB VI anzuwenden(§ 98 S 1 Nr 7, 7a SGB VI in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung). § 94 SGB VI hat der Gesetzgeber wegen der "Ziel- und Wirkungsgleichheit" mit § 96a SGB VI mit Wirkung vom 1.1.2008 "gestrichen". Die "sehr ähnlichen Sachverhalte" sollen nur noch im Rahmen des § 96a SGB VI beurteilt werden(vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 12.12.2006 eines RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes, BT-Drucks 16/3794 S 36).

53

Nach dessen Abs 1 war das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit anzurechnen, wenn die "Beschäftigung vor Rentenbeginn aufgenommen und solange sie danach nicht ausgeübt" worden war (S 1). Das Arbeitsentgelt war um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und um die gesetzlichen Abzüge zu mindern (S 2).

54

Übertragen auf den vorliegenden Fall wären auch nach dieser Vorschrift die Jahressonderzahlung und die Urlaubsabgeltung als einmalig gezahlte Arbeitsentgelte nicht auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung anzurechnen gewesen. Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Zusammenhang über für Zeiten des Rentenbezugs fortgezahltes laufendes Arbeitsentgelt.

55

E. War die Beklagte somit nicht berechtigt, ihren Rentenbescheid vom 13.10.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate November und Dezember 2008 teilweise aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gemäß § 50 Abs 1 S 1, Abs 3 SGB X nicht vor.

56

F. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft ist für folgende Unternehmen (landwirtschaftliche Unternehmen) zuständig, soweit sich nicht aus dem Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt:

1.
Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues, der Fischzucht, Teichwirtschaft, Seen-, Bach- und Flußfischerei (Binnenfischerei), der Imkerei sowie der den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienenden Landschaftspflege,
2.
Unternehmen, in denen ohne Bodenbewirtschaftung Nutz- oder Zuchttiere zum Zwecke der Aufzucht, der Mast oder der Gewinnung tierischer Produkte gehalten werden,
3.
land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen,
4.
Park- und Gartenpflege sowie Friedhöfe,
5.
Jagden,
6.
die Landwirtschaftskammern und die Berufsverbände der Landwirtschaft,
7.
Unternehmen, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
8.
die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und deren weitere Einrichtungen sowie die Zusatzversorgungskasse und das Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft.

(2) Landwirtschaftliche Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 sind nicht

1.
Haus- und Ziergärten,
2.
andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes vom 28. Februar 1983 (BGBl. I S. 210), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2538),
es sei denn, sie werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet oder ihre Erzeugnisse dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß auch andere als die in Absatz 1 genannten Unternehmen als landwirtschaftliche Unternehmen gelten, wenn diese überwiegend der Land- und Forstwirtschaft dienen.

(4) Unternehmen, die aufgrund von Allgemeinen Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes beim Inkrafttreten dieses Buches einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft angehören, gelten als landwirtschaftliche Unternehmen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft diese Unternehmen in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zusammenfassen. Dabei können die Zuständigkeiten auch abweichend von den Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes bestimmt werden, soweit dies erforderlich ist, um zusammengehörige Unternehmensarten einheitlich der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft oder den gewerblichen Berufsgenossenschaften zuzuweisen.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts auch den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2009 aufgehoben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 454,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger vom 1.1.2008 bis zum 30.11.2008 bei der beklagten BG freiwillig versichert war, sie ihn zu Recht zu der entsprechenden Gefahrklasse veranlagte und Beiträge für diese Zeit festsetzte.

2

Der Kläger war, wie etwa 251.000 andere Kleinunternehmer im Gaststätten- und Nahrungsmittelbereich aufgrund einer Satzung der Beklagten, die auf § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII gestützt war, pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 beschloss die Beklagte eine Satzungsänderung, durch welche für diese Unternehmer die Pflichtversicherung kraft Satzung mit Ende des Jahres 2007 entfiel. Zugleich wurde in § 50 Abs 2 der Satzung eine Regelung getroffen, nach der die Mitgliedschaft ohne Antrag als freiwillige Versicherung ab dem 1.1.2008 fortbestehe, falls die davon unterrichteten Betroffenen nicht zuvor kündigten. Der Übergang zur freiwilligen Versicherung, über den im Oktober 2007 unterrichtet wurde, führte häufig zu einer höheren Beitragsbelastung.

3

Der Kläger betrieb seit August 1999 eine Gaststätte in dem Sportheim des FC C. e.V. Der Ausschank erfolgte bei Heimspielen wöchentlich für die Dauer von fünf bis sechs Stunden. Bis zum 31.12.2007 war der Kläger als Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) bei der BGN kraft Satzung pflichtversichert. Als Jahresbeitrag wurde der Mindestbeitrag in Höhe von zuletzt 50 € erhoben. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte ihm die BG mit, seine kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung werde zum 31.12.2007 enden. Alle Unternehmer, die zum 31.12.2007 bei der BGN pflichtversichert seien, blieben aber weiter versichert, wenn sie dies wünschten. Ihre Pflichtversicherung laufe automatisch als freiwillige Versicherung weiter, ohne dass ein Antrag nötig sei. Sofern der Kläger keine Fortführung des Versicherungsschutzes als freiwillige Versicherung wünsche, "genüge ein kurzes Schreiben". Bei Eingang einer Kündigung bei der BGN bis zum 31.12.2007 ende die Versicherung. Bei Kündigungen nach dem 1.1.2008 ende die eingetretene freiwillige Versicherung mit Ablauf des Monats des Kündigungseingangs. Für alle freiwillig Versicherten gelte einheitlich eine Mindestversicherungssumme von 24.000 € und eine Gefahrklasse von 5,2. Beigefügt war auch ein Antragsformular auf freiwillige Versicherung. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.

4

Mit Bescheid vom 22.10.2008, der in drei Abschnitte gegliedert war, erhielt der Kläger einen "Versicherungsschein über die freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII i.V.m. der Satzung" ab dem 1.1.2008, einen "Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen (§ 159 SGB VII)" mit Veranlagung unter dem Gewerbezweig freiwillige Versicherung zur Gefahrklasse 5,2 sowie einen "Vorauszahlungsbescheid" für das laufende Jahr über 531,65 €. Im Abschnitt "Versicherungsschein" ist ausgeführt, die satzungsmäßige Pflichtversicherung des Klägers sei zum 1.1.2008 in eine freiwillige Versicherung überführt worden, die Versicherungssumme betrage 24.000 €.

5

Der Kläger legte mit Schreiben vom 17.11.2008 Widerspruch ein. Mit der Überführung in eine freiwillige Versicherung erkläre er sich nicht einverstanden. Er sehe nicht ein, dass der Beitrag nahezu auf das elffache des bisherigen Beitrags festgesetzt worden sei. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Kündigung der freiwilligen Versicherung zum 30.11.2008. Mit Bescheid vom 28.7.2009 setzte sie den Beitrag für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.2008 auf 454,28 € fest.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009). Die Überführung in die freiwillige Versicherung beruhe auf § 50 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags vom 28.6.2007. Die Regelung diene dem Schutz der Unternehmer, die evtl auf die Fortdauer des Versicherungsschutzes vertrauten. Die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung sei rechtswirksam. Die Veranlagung sei nach dem seit 1.1.2008 gültigen Gefahrtarif mit Gefahrklasse 5,2 erfolgt. Der Beitrag sei im Bescheid vom 28.7.2009 zutreffend berechnet worden.

7

Dagegen hat der Kläger beim SG Aachen Klage erhoben. Eine freiwillige Versicherung komme nicht durch Schweigen eines Versicherten zustande. Die späte Übersendung des Versicherungsscheines im Oktober 2008 deute darauf hin, dass man die Adressaten bewusst habe in die Irre leiten wollen. Mit Urteil vom 31.3.2010 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, da keine freiwillige Unternehmerversicherung zustande gekommen sei. Es fehle der erforderliche Antrag des Unternehmers auf Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung, so dass auch Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 50 der Satzung sei nach dem Gesamtzusammenhang so auszulegen, dass ein Antrag erforderlich sei. Eine andere Auslegung von § 50 Abs 2 der Satzung - im Sinne einer Überführung ohne Antrag - verstoße gegen § 6 Abs 1 SGB VII als höherrangiges Recht und könne keine rechtswirksame Grundlage für Erteilung eines Versicherungsscheines und die Erhebung von Beiträgen sein. Die Beklagte hat beim SG Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt. Sie hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten beigefügt, mit dem dieser mitgeteilt hat, dass er "die Zustimmung zum beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Revision" erteile. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

8

Die Beklagte hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 50 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sowie der §§ 6, 3 und 213 SGB VII. § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung regle rechtswirksam, dass für den Fall der Überführung der zum 31.12.2007 pflichtversicherten Unternehmer in die freiwillige Versicherung ausnahmsweise kein Antrag erforderlich sei, so dass die Beitragspflicht des Klägers entstanden sei. Dass die Vorschrift einen Antrag nicht voraussetze, ergebe sich schon aus dem Begriff "Überführung" sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Normgebers. Die Satzungsregelung orientiere sich an dem Entwurf zur Neufassung von § 213 SGB VII(§ 213 SGB VII-E), die in dem Referentenentwurf des "Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVRG)" als Übergangsregelung erwogen worden sei. § 213 SGB VII idF des Referentenentwurfs habe gelautet: "Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, die am 31.12.2008 nach § 3 Abs 1 Nr 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung in Verbindung mit der Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert waren, bleiben versichert. Die Versicherung wird als freiwillige Versicherung weitergeführt; eines Antrags nach § 6 Abs 1 bedarf es nicht. […]" Zudem habe die Beklagte bestehende Übergangsregelungen für vergleichbare Fälle berücksichtigt, wie § 1149 Abs 2 RVO und § 213 Abs 1 SGB VII. Die Regelung sei in enger Abstimmung mit dem BVA getroffen worden, das die Satzungsänderung genehmigt und in späteren Stellungnahmen als rechtmäßig bestätigt habe. § 50 Abs 2 Satz 1 SGB VII verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei ein Antrag nach § 6 SGB VII nur erforderlich, wenn ein bislang nicht Versicherter erstmals "in den Kreis der freiwillig Versicherten" eintrete. Die Beklagte sei auch durch § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu einer solchen Regelung ermächtigt. Der weitreichende Entscheidungsspielraum für die Regelung einer Pflichtversicherung von Unternehmern kraft Satzung erstrecke sich auf deren Abschaffung und ermächtige zu Übergangsregelungen.

9

Hilfsweise sei § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung im Falle seiner Rechtswidrigkeit entsprechend der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4.12.2007 (B 2 U 36/06 R) aus "zwingenden Gründen" weiter anzuwenden.

10

Dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Versicherung 2008 deutlich höher sei als der Beitrag zur Pflichtversicherung 2007, beruhe auf der vorherigen Sonderregelung des § 44 Abs 4 der Satzung idF des 8. Nachtrags und der geringen Arbeitsstundenzahl des Klägers.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

13

Die mit dem Übergang auf eine freiwillige Versicherung verbundene Erhöhung der Beiträge sei unverhältnismäßig.

14

Das BSG hat Anfragen zur Zahl der betroffenen Unternehmer und zur Gestaltung von Satzungsregelungen beim Übergang von der Satzungspflichtversicherung auf die freiwillige Versicherung bei anderen BGen an das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Beklagte gerichtet. Das BVA hat mit Schreiben vom 22.2.2011, die Beklagten mit Schreiben vom 28.2.2011 geantwortet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet.

16

A. Die Revision ist zulässig.

17

Die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig, denn das SG hat diese durch gesonderten Beschluss vom 21.7.2010 zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat die Beklagte die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG). Auch ergibt sich aus der Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten hinreichend deutlich, dass er nicht nur der Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, was aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsschutz des Revisionsgegners erforderlich ist (vgl BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 28.11.1990 - 4 RA 19/90 - SozR 3-2200 § 1304a Nr 1 S 3). Die Erklärung ist vom rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers in Kenntnis des vollständig zugestellten Urteils abgegeben worden. Sie umfasst auch die Zustimmung zur Einlegung der Revision durch die Beklagte (vgl zur Auslegung einer Erklärung nach Urteilszustellung ua BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252, 253 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 9; BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 8/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 2 - Juris RdNr 14; BSG vom 22.4.1998 - B 9 SB 7/97 R - SozR 3-1500 § 161 Nr 13 - Juris RdNr 17). Auch im Übrigen ist die Revision zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

18

B. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

19

Das SG hat zu Recht die angefochtenen Verwaltungsakte in dem Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 sowie in dem Bescheid vom 28.7.2009, diese jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Beklagte war nicht ermächtigt, den bei ihr bis Ende 2007 kraft Satzung als Unternehmer pflichtversicherten Kläger ohne dessen Antrag ab 1.1.2008 als freiwilliges Mitglied zu versichern (1.). Die Beklagte war auch nicht ermächtigt, das Unternehmen zu veranlagen und den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten (2.).

20

1. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 aufgehoben, soweit dieser die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als freiwillig versicherter Unternehmer feststellt. Der "Versicherungsschein" in dem Bescheid ist als Feststellung des Beginns einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu verstehen (a). Dem Erlass eines solchen Verwaltungsakts stand nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegen, mit dem die Beklagte festgestellt hatte, der Kläger sei pflichtversichertes Mitglied kraft Satzung (b). Der Verwaltungsakt über die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist zwar formell rechtmäßig ergangen (c), er ist aber materiell rechtswidrig, da die Satzungsregelung, auf die die Beklagte den Verwaltungsakt gestützt hat, mit § 6 Abs 1 SGB VII nicht vereinbar ist (d).

21

a) Die Feststellung des Bestehens der freiwilligen Versicherung des Klägers in dem Versicherungsschein im Bescheid vom 22.10.2008 ist ein Verwaltungsakt.

22

Diese an den Kläger gerichtete behördliche Erklärung im sogenannten Versicherungsschein, dass seine satzungsmäßige Pflichtversicherung in eine freiwillige Versicherung mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2008 und einer Versicherungssumme von 24.000 € überführt wurde, ist aus objektivem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Die Verwaltungserklärung ist so zu verstehen, dass sie dem Kläger gegenüber das Bestehen eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, feststellen und so eine Regelung (siehe § 31 SGB I) im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X treffen sollte(vgl § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII; dazu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 136 Anm 3.1; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 10). Denn ein Empfänger des Versicherungsscheins, der zuvor mit Schreiben der Beklagten vom 10.10.2007 über die Beendigung der Pflichtversicherung und die "Überführung" in die freiwillige Versicherung informiert worden war, musste davon ausgehen, dass der an ihn individuell gerichtete Versicherungsschein nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch die BG in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - vom Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist. Der Abschluss dieses Verfahrens durch ein (Bestätigungs-)Schreiben der BG, hier Versicherungsschein genannt, ist aus Sicht eines objektiven Empfängers die Feststellung des Versicherungsverhältnisses im konkreten Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8; Wiester in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand Dezember 2001, § 6 RdNr 48).

23

b) Dieser Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil ihm die Bindungswirkung des Verwaltungsakts entgegensteht, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber die Pflichtmitgliedschaft kraft Satzung festgestellt hat.

24

Zwar hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt vom 10.12.1999 dem Kläger gegenüber bindend festgestellt, sie sei der für dessen Unternehmen zuständige Unfallversicherungsträger; die Pflichtversicherung des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Ehegattin kraft Satzung werde hiermit festgestellt. Die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt aber seinerseits durch Verwaltungsakt aufgehoben (§ 48 SGB X), als sie dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10.10.2007 über die anstehende Änderung seiner Versicherung informiert und unmittelbar im ersten Absatz dieses Schreibens erklärt hat: "Wir informieren Sie heute über die Änderung Ihres Versicherungsschutzes … zum 1.1.2008. Die kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten wird zum 31.12.2007 aufgehoben."

25

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl BSG vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24 f). Die Regelung eines aufhebenden Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X besteht darin, den früheren Verwaltungsakt aufzuheben.

26

Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2007 ist darauf gerichtet und vom Kläger so zu verstehen gewesen, dass die frühere Regelung einer Pflichtversicherung kraft Satzung, die im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger noch Bestand hatte, zum 31.12.2007 beseitigt werde. Zwar hat die Beklagte den aufzuhebenden Verwaltungsakt nicht ausdrücklich genannt, sondern nur geregelt, dass seine Pflichtversicherung als Unternehmer und diejenige seiner Ehefrau zum 31.12.2007 enden werde. Die Erklärung vom 10.10.2007, die bestehende Pflichtversicherung kraft Satzung werde beendet, ist eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar gewesen, dass die früher durch Verwaltungsakt festgestellte Pflichtversicherung kraft Satzung beseitigt werden soll. Der Inhalt der Regelung ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und eindeutig, was die Beklagte geregelt hat. Es ist nicht konkret bestimmt, welcher frühere Verwaltungsakt in welchem Umfang aufgehoben wird (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 mwN; von "Klarstellungsfunktion" spricht BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13). Die Regelung der Aufhebung ist mangels Nennung des aufzuhebenden Bescheids zwar rechtswidrig, sie ist aber nicht nichtig iS des § 40 SGB X und damit wirksam(§ 39 Abs 2, 3 SGB X). Da der aufhebende Verwaltungsakt nicht binnen Jahresfrist angefochten worden ist, ist er zudem bindend geworden.

27

c) Der angegriffene Verwaltungsakt (Versicherungsschein vom 22.10.2008) ist nicht formell rechtswidrig und nicht aufzuheben, obwohl eine Anhörung des Klägers unterblieben war, denn von dieser konnte abgesehen werden.

28

Insoweit ist schon umstritten, ob vor Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung der Zuständigkeit (§ 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII) oder Bestätigung einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer, dem gegenüber die Regelung getroffen wird, zuvor nach § 24 SGB X anzuhören ist(für das Erfordernis einer Anhörung: Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand April 2009, § 136 RdNr 10; gegen Anhörung: Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Januar 2009, § 136 SGB VII RdNr 5). Ob vor Erlass eines auf § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII gestützten Verwaltungsakt eine Anhörung des Adressaten zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb nicht rechtswidrig, da eine Anhörungspflicht vorliegend nach § 24 Abs 2 Nr 4 Alt 2 SGB X nicht bestanden hat. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung angesehen werden, wenn gleichartige Verwaltungsakte in großer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass bei ihr Ende 2007 ca 251.000 Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert waren, deren Versicherungsverhältnisse zum 1.1.2008 auf freiwillige Versicherungen überführt werden sollten. Die Beklagte hatte gegenüber einer Vielzahl von Adressaten zum 1.1.2008 Regelungen zu treffen, die nach Art, Form und Inhalt gleich waren. In dieser Situation konnte sie von einer Anhörung absehen (vgl zur Umsetzung einer Satzungsregelung auch BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13, 14; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 24 SGB X RdNr 28).

29

d) Der die freiwillige Versicherung des Klägers ab 1.1.2008 feststellende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn entgegen der Feststellung ist keine freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten begründet worden. Die Satzungsregelung, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und bietet deshalb keine materiell-rechtliche Grundlage für die getroffene Regelung.

30

aa) Die Beklagte kann sich für den Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung nach § 6 SGB VII auf die Ermächtigung des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stützen.

31

Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest(BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen. Die Ermächtigung gilt auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass materiell-rechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber wirksam (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X). Durch einen solchen materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt wird ggf ein sog Formalversicherungsverhältnis begründet. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers festzustellen (sog Aufnahmebescheid, dazu Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5; zur Bestätigung einer freiwilligen Versicherung vgl auch Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8).

32

Der Verwaltungsakt ist aber rechtswidrig, da der Tatbestand des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht erfüllt ist, weil die Beklagte für den Kläger nicht zuständig war. Dies wäre sie nur gewesen, wenn ein freiwilliges Versicherungsverhältnis am 1.1.2008 entstanden wäre. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bb) und auch nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung (cc) ist dies aber nicht der Fall.

33

bb) Zwar ist der Kläger Unternehmer iS des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII, da ihm das Ergebnis des Unternehmens - der Gaststätte - unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII); eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl auch BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 16 mwN). Eine freiwillige Versicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 50 Abs 1 der Satzung kann aber nur durch schriftlichen Antrag begründet werden. Da der Kläger keinen schriftlichen Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beklagten gestellt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt.

34

cc) Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten wurde auch nicht nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begründet.

35

Zwar sieht diese Satzungsregelung vor, dass die Versicherung der Unternehmer, die bis 31.12.2007 kraft Satzung pflichtversichert waren, ohne Antrag als freiwillige Versicherung fortbesteht, wenn der Unternehmer nicht bis 31.12.2007 widerspricht oder kündigt.

36

Die Regelung des angegriffenen Verwaltungsakts entspricht inhaltlich der Satzungsregelung, ist also satzungskonform. Der Verwaltungsakt ist dennoch rechtswidrig, weil die Satzungsregelung, auf die er gestützt worden ist, unwirksam ist. Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Es gehörte nicht zu ihren gesetzlichen Aufgaben, eine freiwillige Versicherung ohne Antrag oder einen "Mischtyp" aus Pflichtversicherung kraft Satzung und freiwilliger Versicherung zu schaffen.

37

Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der GUV(vgl § 22 SGB I) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (vgl Rüfner in Wannagat, SGB I, Stand Juli 2000, § 31 RdNr 7; Klose in Jahn, SGB I, Stand Februar 2011, § 31 RdNr 11 f; Seewald in Kasseler Kommentar, September 2007, § 31 SGB I RdNr 8 und 13). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 SGB IV, denen das GG keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist(anders Art 28 Abs 2 GG für örtliche Angelegenheiten der Gemeinden, Allzuständigkeit), haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - UV-Recht , 1996, § 19 RdNr 5; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 34 RdNr 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 23 RdNr 42).

38

Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 18 mwN). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl aaO). Für die Regelung in § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung, die eine freiwillige Versicherung bislang pflichtversicherter Unternehmer ohne schriftlichen Antrag zum 1.1.2008 begründet, fehlt der Beklagten eine Satzungskompetenz.

39

aaa) Eine Ermächtigung, die freiwillige Versicherung kraft Satzung zu regeln, besteht nicht.

40

§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art 20 Abs 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten(vgl Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, § 34 RdNr 43, 46). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte" wie den Erlass einer Satzung nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs 1 SGB IV).

41

bbb) Der Gesetzgeber hat den nicht in der GUV pflichtversicherten Personen, die von § 6 SGB VII erfasst werden, ein subjektiv-öffentliches Gestaltungsrecht zur Begründung einer freiwilligen Versicherung eingeräumt, sofern sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Er hat darin die Unfallversicherungsträger aber nicht ermächtigt, in ihrer Satzung eine "freiwillige Versicherung" unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SGB VII zu schaffen, insbesondere unter "Verzicht" auf einen schriftlichen Antrag. Da § 6 SGB VII keine ausdrückliche Zuweisung einer Satzungskompetenz enthält, umfasst die (allgemeine) Kompetenz der Beklagten insoweit nur Regelungen über ein durch Antrag entstandenes freiwilliges Versicherungsverhältnis.

42

Dass § 6 SGB VII als Tatbestandsvoraussetzung für eine freiwillige Versicherung immer einen schriftlichen Antrag erfordert, folgt aus dem Gesetzeswortlaut und wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits zu den Vorgängerregelungen des § 6 SGB VII, nach der sich Unternehmer versichern(so § 539 RVO idF des 6. UVÄndG vom 9.3.1942 - RGBl I 107) oder freiwillig der Unfallversicherung beitreten konnten (so § 545 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30.4.1963 - BGBl I 241), hat das BSG ausgeführt, dass es zur Begründung der freiwilligen Versicherung eines Antrags, also einer auf die Begründung des Versicherungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung des Unternehmers, bedarf (vgl BSG vom 25.8.1965 - 2 RU 167/62 - BSGE 23, 248, 251; BSG vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 91 - Juris RdNr 20). Dieses Antragserfordernis hat der Gesetzgeber (vgl Art 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7.8.1996, BGBl I 1254) ausdrücklich in den Wortlaut von § 6 SGB VII, der als Nachfolgeregelung im Wesentlichen § 545 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechen soll(vgl BT-Drucks 13/2204 S 77 zu § 6), aufgenommen und zudem Schriftform vorgeschrieben.

43

§ 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung kann also nicht auf § 6 SGB VII gestützt werden.

44

ccc) Auch aus § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII ergibt sich eine Ermächtigung zu einer Satzungsnorm, wie sie § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten enthält, nicht.

45

Die Vorschrift ermächtigt die Beklagte, als Satzungsgeberin zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Pflichtversicherung in der GUV auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner erstreckt (vgl BT-Drucks 13/2204 S 76 zu § 3). Miterfasst ist die Ermächtigung, mit Wirkung für die Zukunft zu bestimmen, dass eine bisher geltende Pflichtversicherung kraft Satzung endet, sich also nicht mehr auf den bisher versicherten Personenkreis erstreckt. Die Beklagte kann durch Satzung auch bestimmte Voraussetzungen für die Pflichtversicherung festlegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte ermächtigt gewesen, Satzungsregelungen wie §§ 43 bis 48 ihrer Satzung idF vom 15.9.2006 zu erlassen, die die Pflichtversicherung von Unternehmern mit Wirkung zum 1.1.2008 beenden.

46

Soweit § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung zum 1.1.2008 für ehemals kraft Satzung pflichtversicherte Unternehmer anordnet, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen als eine freiwillige fortbesteht, liegt darin gerade keine Bestimmung über das "Ob" oder "Wie" einer Pflichtversicherung kraft Satzung im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die freiwillige Versicherung nach dem SGB VII ist nicht eine "Art" der Versicherung über die die Beklagte gemäß § 3 SGB VII kraft Satzung Regelungen treffen kann. Vielmehr sind die gesetzlichen Vorgaben beider Arten von Versicherungen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises und des Beginns der Versicherung unterschiedlich ausgestaltet. § 3 SGB VII enthält keine (stillschweigende) gesetzliche Ermächtigung für die Schaffung einer freiwilligen Versicherung durch Satzung in Abweichung oder neben dem vom Gesetz ausgestalteten Institut der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 SGB VII.

47

ddd) § 3 SGB VII verschafft der Beklagten auch keine Satzungsermächtigung, eine der getroffenen Regelung entsprechende "Übergangsregelung" im Zusammenhang mit der Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung zu treffen.

48

Zunächst hat der Gesetzgeber selbst in § 213 SGB VII für bestimmte Unternehmer und ihre Ehegatten eine Übergangsregelung als eine von § 6 Abs 1 SGB VII abweichende Sonderregelung zum Entstehen und Beginn einer freiwilligen Versicherung geschaffen. Eine Satzungskompetenz hat er dafür den Unfallversicherungsträgern aber gerade nicht eingeräumt. Aus "eigenem Recht" können diese eine solche Übergangsregelung nicht schaffen, da eine solche Satzungskompetenz den Trägern der GUV nicht durch Gesetz übertragen worden ist. § 213 SGB VII ist ua schon mangels Regelungslücke im SGB VII auch nicht im Wege der Analogie auf die untergesetzliche Ebene der Satzungsregelungen zu übertragen, weil jede Satzungskompetenz gerade eine parlamentsgesetzliche Zuweisung von Normsetzungsmacht voraussetzt.

49

§ 3 SGB VII weist der Beklagten nur die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Fortsetzung der Versicherung als freiwillige ist aber keine Regelung mehr, die sich innerhalb der Kompetenz zur Regelung von Satzungspflichtversicherungen hält, sondern geht darüber hinaus. Wie die Beklagte gezeigt hat, hat der Gesetzgeber erwogen, den Trägern der GUV eine entsprechende Satzungskompetenz zu übertragen. An diesem Gesetzentwurf hat sich die Beklagte auch orientiert. Allerdings hat - aus welchen Gründen ist weder bekannt noch erheblich - der Gesetzgeber keinen Gesetzesbeschluss gefasst, der der Beklagten die Kompetenz zur Regelung solcher "Übergänge" eingeräumt hat.

50

§ 3 SGB VII ermächtigt die Beklagte schließlich nicht dazu, einen Mischtyp von Versicherungen zu schaffen, sozusagen eine Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung unter der Bedingung der Fortführung als freiwillige Versicherung oder eine Pflichtversicherung kraft Satzung mit den Kündigungsrechten einer freiwilligen Versicherung. Das SGB VII kennt solche Mischformen nicht. § 3 SGB VII ermöglicht die Begründung einer Pflichtversicherung nur für Personengruppen, die ähnlich wie die in § 2 SGB VII genannten Gruppen des Schutzes der GUV bedürfen. Es wäre in sich widersprüchlich, eine Personengruppe nach Maßgabe des § 3 SGB VII aufgrund einer Satzung in die Versicherungspflicht einzubeziehen, da sie des Schutzes der GUV bedürfe, ihr aber zugleich die Entscheidung zu eröffnen, der Einbeziehung in die Versicherung widersprechen oder sie kündigen zu können.

51

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 SGB VII ist § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nichtig, der darauf gestützte Verwaltungsakt rechtswidrig, da er ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII in den Rechtskreis des Klägers eingreift.

52

dd) Eine "weitere Anwendung" der mit dem SGB VII nicht vereinbaren Satzungsregelung für eine Übergangszeit, ist nicht erlaubt. Ein extremer Ausnahmefall, in dem anderes gelten könnte, liegt nicht vor. Insbesondere geht es nicht darum, eine durch die Nichtanwendung drohende Situation abzuwenden, die noch weiter von den gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorgaben entfernt wäre als die durch eine Anwendung der nichtigen Satzungsnorm entstehende, sondern nur um die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung begründet worden ist.

53

Grundsätzlich sind Satzungsregelungen, wie hier § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten, bei einem Verstoß gegen höherrangiges Recht nichtig(vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19). Normen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (vgl BVerfG vom 3.11.1982 - 1 BvR 620/78 - BVerfGE 61, 319-357 - Juris RdNr 101 mwN).

54

Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, dass Satzungsregelungen, die im Falle des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig sind, ausnahmsweise aber für eine Übergangszeit (weiter) anzuwenden sind (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; ebenso BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 18 f). Voraussetzung für die Weiteranwendung ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass der Zustand bei Nichtanwendung der Norm für die Übergangszeit von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als ein Zustand, bei dem den Normunterworfenen die Anwendung der rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit zugemutet wird. Im Beitragsrecht kommt dies nur bei haushaltsrechtlich bedeutsamen Normen in Betracht, bei denen eine Rückabwicklung faktisch unmöglich ist und unkalkulierbare Haushaltsrisiken bis hin zu drohender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers vermieden werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19 f). So hat es der Senat als nicht hinnehmbar angesehen, dass bis zum Erlass einer rechtskonformen Satzung alle Beitragsbescheide als rechtswidrig angegriffen und neue Beitragsbescheide aufgrund einer neuen Satzung ggf rückwirkend hätten erteilt werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 47 RdNr 20 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 19 - Juris RdNr 31; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 21), zumal das BSG in der Vergangenheit die Satzungen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen hatte.

55

Mit solchen Konstellationen ist der Fall des Klägers indes nicht vergleichbar. Denn während in den oben genannten Fällen der Satzungsgeber die notwendige Satzungskompetenz hatte, um - ggf uU sogar rückwirkend - eine rechtswirksame, mit dem Gesetz in Einklang stehende Beitragssatzung mit demselben Inhalt wie die bisherige Regelung zu erlassen und damit rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die beanstandeten Verwaltungsakte zu schaffen, ist der Beklagten der rückwirkende Erlass einer Satzung, die eine freiwillige Versicherung ohne schriftlichen Antrag vorsieht, mangels entsprechender Satzungskompetenz dauerhaft verwehrt.

56

Die Anwendung des § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung scheidet deshalb aus.

57

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das SG auch die Verwaltungsakte über die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragsfestsetzungen aufgehoben hat (vgl zum Beitragsverfahren auch Mutschler WzS 2009, 353, 354).

58

Der Verwaltungsakt vom 22.10.2008 über die Veranlagung des Klägers unter Gefahrtarifstelle 18 wegen freiwilliger Versicherung mit der Gefahrklasse 5,2 ist mangels freiwilliger Versicherung wegen unrichtiger Einordnung des Klägers rechtswidrig und beeinträchtigt ihn in seinen Rechten.

59

Soweit das SG auch den Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben hat, bedarf das Urteil der Richtigstellung. Der Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 ist durch den endgültigen Beitragsbescheid vom 28.7.2009 vollständig ersetzt worden und war daher bereits vor Klageerhebung gemäß § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 8a; BSG vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 126 und 131; BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13 mwN). Die Festsetzung des endgültigen Beitrags und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 28.7.2009 sind an die Stelle der Festsetzung der voraussichtlichen Beitragsschuld und des darauf bezogenen Zahlungsgebots getreten.

60

Zwar ist im Tenor des Urteils nur die Aufhebung des "Bescheides vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009" ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe hat das SG auch den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben. Einerseits hat es durch seinen Ausspruch deutlich gemacht, dass es den Bescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 auch hinsichtlich seiner beitragsrechtlichen Regelung beseitigen wollte. Das SG hat auch gesehen, dass der Beitragsbescheid vom 28.7.2009 die Beitragsforderung durch die endgültige Festsetzung geändert hat. Entsprechend dem Klagebegehren des Klägers, der die Bescheide vom 8.4.2009 und 28.7.2009 seiner Klagebegründung beigefügt hat, ist der Ausspruch des SG dahingehend auszulegen, dass das SG auch den ersetzenden Verwaltungsakt vom 28.7.2009 aufgehoben hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit klargestellt worden ist.

61

Die Revision der Beklagten ist auch unbegründet, soweit angefochten wird, dass das SG den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben hat. Der Beitragsbescheid durfte nicht ergehen, da der Kläger nicht bei der Beklagten freiwillig versichert und daher nicht nach § 150 Abs 1 Satz 2 SGB VII beitragspflichtig ist.

62

3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

63

Der Kläger gehört - was das SG übersehen hat - nicht zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Personen, da er mit dem Rechtsstreit keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der GUV verfolgt, sondern sich gegen die Einbeziehung in die GUV als freiwillig versicherter Unternehmer, gegen die Veranlagung und die Beitragserhebung gewandt hat(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 28; BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6; BSG vom 3.1.2006 - B 2 U 367/05 B; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B). Der Senat kann die insoweit fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24; BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

64

Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da die Klage Erfolg hatte und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des SG trotz der Maßgabe im Tenor ohne Erfolg geblieben ist.

65

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

66

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses, evtl mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich für die Beteiligten in beiden Instanzen nach den geforderten Beiträgen in Höhe von 454,28 € (§ 52 Abs 3 GKG).

67

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats mindestens der Auffangstreitwert zu Grunde zu legen, wenn die Beteiligten über die Erhebung von Beiträgen als Unternehmer streiten, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind (vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - bereits vor Klageerhebung die Mitgliedschaft unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist.

68

Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert zugleich für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 Satz 1 GKG). Zumindest bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich bleibendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie die von den Instanzgerichten getroffene Festsetzung ändern und eine ggf unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 23; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24).

Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzbuches ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts auch den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2009 aufgehoben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 454,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger vom 1.1.2008 bis zum 30.11.2008 bei der beklagten BG freiwillig versichert war, sie ihn zu Recht zu der entsprechenden Gefahrklasse veranlagte und Beiträge für diese Zeit festsetzte.

2

Der Kläger war, wie etwa 251.000 andere Kleinunternehmer im Gaststätten- und Nahrungsmittelbereich aufgrund einer Satzung der Beklagten, die auf § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII gestützt war, pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 beschloss die Beklagte eine Satzungsänderung, durch welche für diese Unternehmer die Pflichtversicherung kraft Satzung mit Ende des Jahres 2007 entfiel. Zugleich wurde in § 50 Abs 2 der Satzung eine Regelung getroffen, nach der die Mitgliedschaft ohne Antrag als freiwillige Versicherung ab dem 1.1.2008 fortbestehe, falls die davon unterrichteten Betroffenen nicht zuvor kündigten. Der Übergang zur freiwilligen Versicherung, über den im Oktober 2007 unterrichtet wurde, führte häufig zu einer höheren Beitragsbelastung.

3

Der Kläger betrieb seit August 1999 eine Gaststätte in dem Sportheim des FC C. e.V. Der Ausschank erfolgte bei Heimspielen wöchentlich für die Dauer von fünf bis sechs Stunden. Bis zum 31.12.2007 war der Kläger als Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) bei der BGN kraft Satzung pflichtversichert. Als Jahresbeitrag wurde der Mindestbeitrag in Höhe von zuletzt 50 € erhoben. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte ihm die BG mit, seine kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung werde zum 31.12.2007 enden. Alle Unternehmer, die zum 31.12.2007 bei der BGN pflichtversichert seien, blieben aber weiter versichert, wenn sie dies wünschten. Ihre Pflichtversicherung laufe automatisch als freiwillige Versicherung weiter, ohne dass ein Antrag nötig sei. Sofern der Kläger keine Fortführung des Versicherungsschutzes als freiwillige Versicherung wünsche, "genüge ein kurzes Schreiben". Bei Eingang einer Kündigung bei der BGN bis zum 31.12.2007 ende die Versicherung. Bei Kündigungen nach dem 1.1.2008 ende die eingetretene freiwillige Versicherung mit Ablauf des Monats des Kündigungseingangs. Für alle freiwillig Versicherten gelte einheitlich eine Mindestversicherungssumme von 24.000 € und eine Gefahrklasse von 5,2. Beigefügt war auch ein Antragsformular auf freiwillige Versicherung. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.

4

Mit Bescheid vom 22.10.2008, der in drei Abschnitte gegliedert war, erhielt der Kläger einen "Versicherungsschein über die freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII i.V.m. der Satzung" ab dem 1.1.2008, einen "Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen (§ 159 SGB VII)" mit Veranlagung unter dem Gewerbezweig freiwillige Versicherung zur Gefahrklasse 5,2 sowie einen "Vorauszahlungsbescheid" für das laufende Jahr über 531,65 €. Im Abschnitt "Versicherungsschein" ist ausgeführt, die satzungsmäßige Pflichtversicherung des Klägers sei zum 1.1.2008 in eine freiwillige Versicherung überführt worden, die Versicherungssumme betrage 24.000 €.

5

Der Kläger legte mit Schreiben vom 17.11.2008 Widerspruch ein. Mit der Überführung in eine freiwillige Versicherung erkläre er sich nicht einverstanden. Er sehe nicht ein, dass der Beitrag nahezu auf das elffache des bisherigen Beitrags festgesetzt worden sei. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Kündigung der freiwilligen Versicherung zum 30.11.2008. Mit Bescheid vom 28.7.2009 setzte sie den Beitrag für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.2008 auf 454,28 € fest.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009). Die Überführung in die freiwillige Versicherung beruhe auf § 50 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags vom 28.6.2007. Die Regelung diene dem Schutz der Unternehmer, die evtl auf die Fortdauer des Versicherungsschutzes vertrauten. Die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung sei rechtswirksam. Die Veranlagung sei nach dem seit 1.1.2008 gültigen Gefahrtarif mit Gefahrklasse 5,2 erfolgt. Der Beitrag sei im Bescheid vom 28.7.2009 zutreffend berechnet worden.

7

Dagegen hat der Kläger beim SG Aachen Klage erhoben. Eine freiwillige Versicherung komme nicht durch Schweigen eines Versicherten zustande. Die späte Übersendung des Versicherungsscheines im Oktober 2008 deute darauf hin, dass man die Adressaten bewusst habe in die Irre leiten wollen. Mit Urteil vom 31.3.2010 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, da keine freiwillige Unternehmerversicherung zustande gekommen sei. Es fehle der erforderliche Antrag des Unternehmers auf Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung, so dass auch Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 50 der Satzung sei nach dem Gesamtzusammenhang so auszulegen, dass ein Antrag erforderlich sei. Eine andere Auslegung von § 50 Abs 2 der Satzung - im Sinne einer Überführung ohne Antrag - verstoße gegen § 6 Abs 1 SGB VII als höherrangiges Recht und könne keine rechtswirksame Grundlage für Erteilung eines Versicherungsscheines und die Erhebung von Beiträgen sein. Die Beklagte hat beim SG Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt. Sie hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten beigefügt, mit dem dieser mitgeteilt hat, dass er "die Zustimmung zum beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Revision" erteile. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

8

Die Beklagte hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 50 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sowie der §§ 6, 3 und 213 SGB VII. § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung regle rechtswirksam, dass für den Fall der Überführung der zum 31.12.2007 pflichtversicherten Unternehmer in die freiwillige Versicherung ausnahmsweise kein Antrag erforderlich sei, so dass die Beitragspflicht des Klägers entstanden sei. Dass die Vorschrift einen Antrag nicht voraussetze, ergebe sich schon aus dem Begriff "Überführung" sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Normgebers. Die Satzungsregelung orientiere sich an dem Entwurf zur Neufassung von § 213 SGB VII(§ 213 SGB VII-E), die in dem Referentenentwurf des "Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVRG)" als Übergangsregelung erwogen worden sei. § 213 SGB VII idF des Referentenentwurfs habe gelautet: "Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, die am 31.12.2008 nach § 3 Abs 1 Nr 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung in Verbindung mit der Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert waren, bleiben versichert. Die Versicherung wird als freiwillige Versicherung weitergeführt; eines Antrags nach § 6 Abs 1 bedarf es nicht. […]" Zudem habe die Beklagte bestehende Übergangsregelungen für vergleichbare Fälle berücksichtigt, wie § 1149 Abs 2 RVO und § 213 Abs 1 SGB VII. Die Regelung sei in enger Abstimmung mit dem BVA getroffen worden, das die Satzungsänderung genehmigt und in späteren Stellungnahmen als rechtmäßig bestätigt habe. § 50 Abs 2 Satz 1 SGB VII verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei ein Antrag nach § 6 SGB VII nur erforderlich, wenn ein bislang nicht Versicherter erstmals "in den Kreis der freiwillig Versicherten" eintrete. Die Beklagte sei auch durch § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu einer solchen Regelung ermächtigt. Der weitreichende Entscheidungsspielraum für die Regelung einer Pflichtversicherung von Unternehmern kraft Satzung erstrecke sich auf deren Abschaffung und ermächtige zu Übergangsregelungen.

9

Hilfsweise sei § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung im Falle seiner Rechtswidrigkeit entsprechend der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4.12.2007 (B 2 U 36/06 R) aus "zwingenden Gründen" weiter anzuwenden.

10

Dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Versicherung 2008 deutlich höher sei als der Beitrag zur Pflichtversicherung 2007, beruhe auf der vorherigen Sonderregelung des § 44 Abs 4 der Satzung idF des 8. Nachtrags und der geringen Arbeitsstundenzahl des Klägers.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

13

Die mit dem Übergang auf eine freiwillige Versicherung verbundene Erhöhung der Beiträge sei unverhältnismäßig.

14

Das BSG hat Anfragen zur Zahl der betroffenen Unternehmer und zur Gestaltung von Satzungsregelungen beim Übergang von der Satzungspflichtversicherung auf die freiwillige Versicherung bei anderen BGen an das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Beklagte gerichtet. Das BVA hat mit Schreiben vom 22.2.2011, die Beklagten mit Schreiben vom 28.2.2011 geantwortet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet.

16

A. Die Revision ist zulässig.

17

Die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig, denn das SG hat diese durch gesonderten Beschluss vom 21.7.2010 zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat die Beklagte die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG). Auch ergibt sich aus der Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten hinreichend deutlich, dass er nicht nur der Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, was aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsschutz des Revisionsgegners erforderlich ist (vgl BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 28.11.1990 - 4 RA 19/90 - SozR 3-2200 § 1304a Nr 1 S 3). Die Erklärung ist vom rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers in Kenntnis des vollständig zugestellten Urteils abgegeben worden. Sie umfasst auch die Zustimmung zur Einlegung der Revision durch die Beklagte (vgl zur Auslegung einer Erklärung nach Urteilszustellung ua BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252, 253 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 9; BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 8/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 2 - Juris RdNr 14; BSG vom 22.4.1998 - B 9 SB 7/97 R - SozR 3-1500 § 161 Nr 13 - Juris RdNr 17). Auch im Übrigen ist die Revision zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

18

B. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

19

Das SG hat zu Recht die angefochtenen Verwaltungsakte in dem Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 sowie in dem Bescheid vom 28.7.2009, diese jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Beklagte war nicht ermächtigt, den bei ihr bis Ende 2007 kraft Satzung als Unternehmer pflichtversicherten Kläger ohne dessen Antrag ab 1.1.2008 als freiwilliges Mitglied zu versichern (1.). Die Beklagte war auch nicht ermächtigt, das Unternehmen zu veranlagen und den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten (2.).

20

1. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 aufgehoben, soweit dieser die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als freiwillig versicherter Unternehmer feststellt. Der "Versicherungsschein" in dem Bescheid ist als Feststellung des Beginns einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu verstehen (a). Dem Erlass eines solchen Verwaltungsakts stand nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegen, mit dem die Beklagte festgestellt hatte, der Kläger sei pflichtversichertes Mitglied kraft Satzung (b). Der Verwaltungsakt über die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist zwar formell rechtmäßig ergangen (c), er ist aber materiell rechtswidrig, da die Satzungsregelung, auf die die Beklagte den Verwaltungsakt gestützt hat, mit § 6 Abs 1 SGB VII nicht vereinbar ist (d).

21

a) Die Feststellung des Bestehens der freiwilligen Versicherung des Klägers in dem Versicherungsschein im Bescheid vom 22.10.2008 ist ein Verwaltungsakt.

22

Diese an den Kläger gerichtete behördliche Erklärung im sogenannten Versicherungsschein, dass seine satzungsmäßige Pflichtversicherung in eine freiwillige Versicherung mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2008 und einer Versicherungssumme von 24.000 € überführt wurde, ist aus objektivem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Die Verwaltungserklärung ist so zu verstehen, dass sie dem Kläger gegenüber das Bestehen eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, feststellen und so eine Regelung (siehe § 31 SGB I) im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X treffen sollte(vgl § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII; dazu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 136 Anm 3.1; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 10). Denn ein Empfänger des Versicherungsscheins, der zuvor mit Schreiben der Beklagten vom 10.10.2007 über die Beendigung der Pflichtversicherung und die "Überführung" in die freiwillige Versicherung informiert worden war, musste davon ausgehen, dass der an ihn individuell gerichtete Versicherungsschein nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch die BG in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - vom Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist. Der Abschluss dieses Verfahrens durch ein (Bestätigungs-)Schreiben der BG, hier Versicherungsschein genannt, ist aus Sicht eines objektiven Empfängers die Feststellung des Versicherungsverhältnisses im konkreten Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8; Wiester in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand Dezember 2001, § 6 RdNr 48).

23

b) Dieser Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil ihm die Bindungswirkung des Verwaltungsakts entgegensteht, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber die Pflichtmitgliedschaft kraft Satzung festgestellt hat.

24

Zwar hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt vom 10.12.1999 dem Kläger gegenüber bindend festgestellt, sie sei der für dessen Unternehmen zuständige Unfallversicherungsträger; die Pflichtversicherung des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Ehegattin kraft Satzung werde hiermit festgestellt. Die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt aber seinerseits durch Verwaltungsakt aufgehoben (§ 48 SGB X), als sie dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10.10.2007 über die anstehende Änderung seiner Versicherung informiert und unmittelbar im ersten Absatz dieses Schreibens erklärt hat: "Wir informieren Sie heute über die Änderung Ihres Versicherungsschutzes … zum 1.1.2008. Die kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten wird zum 31.12.2007 aufgehoben."

25

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl BSG vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24 f). Die Regelung eines aufhebenden Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X besteht darin, den früheren Verwaltungsakt aufzuheben.

26

Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2007 ist darauf gerichtet und vom Kläger so zu verstehen gewesen, dass die frühere Regelung einer Pflichtversicherung kraft Satzung, die im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger noch Bestand hatte, zum 31.12.2007 beseitigt werde. Zwar hat die Beklagte den aufzuhebenden Verwaltungsakt nicht ausdrücklich genannt, sondern nur geregelt, dass seine Pflichtversicherung als Unternehmer und diejenige seiner Ehefrau zum 31.12.2007 enden werde. Die Erklärung vom 10.10.2007, die bestehende Pflichtversicherung kraft Satzung werde beendet, ist eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar gewesen, dass die früher durch Verwaltungsakt festgestellte Pflichtversicherung kraft Satzung beseitigt werden soll. Der Inhalt der Regelung ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und eindeutig, was die Beklagte geregelt hat. Es ist nicht konkret bestimmt, welcher frühere Verwaltungsakt in welchem Umfang aufgehoben wird (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 mwN; von "Klarstellungsfunktion" spricht BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13). Die Regelung der Aufhebung ist mangels Nennung des aufzuhebenden Bescheids zwar rechtswidrig, sie ist aber nicht nichtig iS des § 40 SGB X und damit wirksam(§ 39 Abs 2, 3 SGB X). Da der aufhebende Verwaltungsakt nicht binnen Jahresfrist angefochten worden ist, ist er zudem bindend geworden.

27

c) Der angegriffene Verwaltungsakt (Versicherungsschein vom 22.10.2008) ist nicht formell rechtswidrig und nicht aufzuheben, obwohl eine Anhörung des Klägers unterblieben war, denn von dieser konnte abgesehen werden.

28

Insoweit ist schon umstritten, ob vor Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung der Zuständigkeit (§ 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII) oder Bestätigung einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer, dem gegenüber die Regelung getroffen wird, zuvor nach § 24 SGB X anzuhören ist(für das Erfordernis einer Anhörung: Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand April 2009, § 136 RdNr 10; gegen Anhörung: Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Januar 2009, § 136 SGB VII RdNr 5). Ob vor Erlass eines auf § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII gestützten Verwaltungsakt eine Anhörung des Adressaten zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb nicht rechtswidrig, da eine Anhörungspflicht vorliegend nach § 24 Abs 2 Nr 4 Alt 2 SGB X nicht bestanden hat. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung angesehen werden, wenn gleichartige Verwaltungsakte in großer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass bei ihr Ende 2007 ca 251.000 Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert waren, deren Versicherungsverhältnisse zum 1.1.2008 auf freiwillige Versicherungen überführt werden sollten. Die Beklagte hatte gegenüber einer Vielzahl von Adressaten zum 1.1.2008 Regelungen zu treffen, die nach Art, Form und Inhalt gleich waren. In dieser Situation konnte sie von einer Anhörung absehen (vgl zur Umsetzung einer Satzungsregelung auch BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13, 14; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 24 SGB X RdNr 28).

29

d) Der die freiwillige Versicherung des Klägers ab 1.1.2008 feststellende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn entgegen der Feststellung ist keine freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten begründet worden. Die Satzungsregelung, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und bietet deshalb keine materiell-rechtliche Grundlage für die getroffene Regelung.

30

aa) Die Beklagte kann sich für den Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung nach § 6 SGB VII auf die Ermächtigung des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stützen.

31

Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest(BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen. Die Ermächtigung gilt auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass materiell-rechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber wirksam (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X). Durch einen solchen materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt wird ggf ein sog Formalversicherungsverhältnis begründet. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers festzustellen (sog Aufnahmebescheid, dazu Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5; zur Bestätigung einer freiwilligen Versicherung vgl auch Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8).

32

Der Verwaltungsakt ist aber rechtswidrig, da der Tatbestand des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht erfüllt ist, weil die Beklagte für den Kläger nicht zuständig war. Dies wäre sie nur gewesen, wenn ein freiwilliges Versicherungsverhältnis am 1.1.2008 entstanden wäre. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bb) und auch nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung (cc) ist dies aber nicht der Fall.

33

bb) Zwar ist der Kläger Unternehmer iS des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII, da ihm das Ergebnis des Unternehmens - der Gaststätte - unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII); eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl auch BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 16 mwN). Eine freiwillige Versicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 50 Abs 1 der Satzung kann aber nur durch schriftlichen Antrag begründet werden. Da der Kläger keinen schriftlichen Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beklagten gestellt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt.

34

cc) Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten wurde auch nicht nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begründet.

35

Zwar sieht diese Satzungsregelung vor, dass die Versicherung der Unternehmer, die bis 31.12.2007 kraft Satzung pflichtversichert waren, ohne Antrag als freiwillige Versicherung fortbesteht, wenn der Unternehmer nicht bis 31.12.2007 widerspricht oder kündigt.

36

Die Regelung des angegriffenen Verwaltungsakts entspricht inhaltlich der Satzungsregelung, ist also satzungskonform. Der Verwaltungsakt ist dennoch rechtswidrig, weil die Satzungsregelung, auf die er gestützt worden ist, unwirksam ist. Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Es gehörte nicht zu ihren gesetzlichen Aufgaben, eine freiwillige Versicherung ohne Antrag oder einen "Mischtyp" aus Pflichtversicherung kraft Satzung und freiwilliger Versicherung zu schaffen.

37

Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der GUV(vgl § 22 SGB I) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (vgl Rüfner in Wannagat, SGB I, Stand Juli 2000, § 31 RdNr 7; Klose in Jahn, SGB I, Stand Februar 2011, § 31 RdNr 11 f; Seewald in Kasseler Kommentar, September 2007, § 31 SGB I RdNr 8 und 13). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 SGB IV, denen das GG keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist(anders Art 28 Abs 2 GG für örtliche Angelegenheiten der Gemeinden, Allzuständigkeit), haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - UV-Recht , 1996, § 19 RdNr 5; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 34 RdNr 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 23 RdNr 42).

38

Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 18 mwN). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl aaO). Für die Regelung in § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung, die eine freiwillige Versicherung bislang pflichtversicherter Unternehmer ohne schriftlichen Antrag zum 1.1.2008 begründet, fehlt der Beklagten eine Satzungskompetenz.

39

aaa) Eine Ermächtigung, die freiwillige Versicherung kraft Satzung zu regeln, besteht nicht.

40

§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art 20 Abs 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten(vgl Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, § 34 RdNr 43, 46). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte" wie den Erlass einer Satzung nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs 1 SGB IV).

41

bbb) Der Gesetzgeber hat den nicht in der GUV pflichtversicherten Personen, die von § 6 SGB VII erfasst werden, ein subjektiv-öffentliches Gestaltungsrecht zur Begründung einer freiwilligen Versicherung eingeräumt, sofern sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Er hat darin die Unfallversicherungsträger aber nicht ermächtigt, in ihrer Satzung eine "freiwillige Versicherung" unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SGB VII zu schaffen, insbesondere unter "Verzicht" auf einen schriftlichen Antrag. Da § 6 SGB VII keine ausdrückliche Zuweisung einer Satzungskompetenz enthält, umfasst die (allgemeine) Kompetenz der Beklagten insoweit nur Regelungen über ein durch Antrag entstandenes freiwilliges Versicherungsverhältnis.

42

Dass § 6 SGB VII als Tatbestandsvoraussetzung für eine freiwillige Versicherung immer einen schriftlichen Antrag erfordert, folgt aus dem Gesetzeswortlaut und wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits zu den Vorgängerregelungen des § 6 SGB VII, nach der sich Unternehmer versichern(so § 539 RVO idF des 6. UVÄndG vom 9.3.1942 - RGBl I 107) oder freiwillig der Unfallversicherung beitreten konnten (so § 545 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30.4.1963 - BGBl I 241), hat das BSG ausgeführt, dass es zur Begründung der freiwilligen Versicherung eines Antrags, also einer auf die Begründung des Versicherungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung des Unternehmers, bedarf (vgl BSG vom 25.8.1965 - 2 RU 167/62 - BSGE 23, 248, 251; BSG vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 91 - Juris RdNr 20). Dieses Antragserfordernis hat der Gesetzgeber (vgl Art 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7.8.1996, BGBl I 1254) ausdrücklich in den Wortlaut von § 6 SGB VII, der als Nachfolgeregelung im Wesentlichen § 545 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechen soll(vgl BT-Drucks 13/2204 S 77 zu § 6), aufgenommen und zudem Schriftform vorgeschrieben.

43

§ 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung kann also nicht auf § 6 SGB VII gestützt werden.

44

ccc) Auch aus § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII ergibt sich eine Ermächtigung zu einer Satzungsnorm, wie sie § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten enthält, nicht.

45

Die Vorschrift ermächtigt die Beklagte, als Satzungsgeberin zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Pflichtversicherung in der GUV auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner erstreckt (vgl BT-Drucks 13/2204 S 76 zu § 3). Miterfasst ist die Ermächtigung, mit Wirkung für die Zukunft zu bestimmen, dass eine bisher geltende Pflichtversicherung kraft Satzung endet, sich also nicht mehr auf den bisher versicherten Personenkreis erstreckt. Die Beklagte kann durch Satzung auch bestimmte Voraussetzungen für die Pflichtversicherung festlegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte ermächtigt gewesen, Satzungsregelungen wie §§ 43 bis 48 ihrer Satzung idF vom 15.9.2006 zu erlassen, die die Pflichtversicherung von Unternehmern mit Wirkung zum 1.1.2008 beenden.

46

Soweit § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung zum 1.1.2008 für ehemals kraft Satzung pflichtversicherte Unternehmer anordnet, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen als eine freiwillige fortbesteht, liegt darin gerade keine Bestimmung über das "Ob" oder "Wie" einer Pflichtversicherung kraft Satzung im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die freiwillige Versicherung nach dem SGB VII ist nicht eine "Art" der Versicherung über die die Beklagte gemäß § 3 SGB VII kraft Satzung Regelungen treffen kann. Vielmehr sind die gesetzlichen Vorgaben beider Arten von Versicherungen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises und des Beginns der Versicherung unterschiedlich ausgestaltet. § 3 SGB VII enthält keine (stillschweigende) gesetzliche Ermächtigung für die Schaffung einer freiwilligen Versicherung durch Satzung in Abweichung oder neben dem vom Gesetz ausgestalteten Institut der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 SGB VII.

47

ddd) § 3 SGB VII verschafft der Beklagten auch keine Satzungsermächtigung, eine der getroffenen Regelung entsprechende "Übergangsregelung" im Zusammenhang mit der Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung zu treffen.

48

Zunächst hat der Gesetzgeber selbst in § 213 SGB VII für bestimmte Unternehmer und ihre Ehegatten eine Übergangsregelung als eine von § 6 Abs 1 SGB VII abweichende Sonderregelung zum Entstehen und Beginn einer freiwilligen Versicherung geschaffen. Eine Satzungskompetenz hat er dafür den Unfallversicherungsträgern aber gerade nicht eingeräumt. Aus "eigenem Recht" können diese eine solche Übergangsregelung nicht schaffen, da eine solche Satzungskompetenz den Trägern der GUV nicht durch Gesetz übertragen worden ist. § 213 SGB VII ist ua schon mangels Regelungslücke im SGB VII auch nicht im Wege der Analogie auf die untergesetzliche Ebene der Satzungsregelungen zu übertragen, weil jede Satzungskompetenz gerade eine parlamentsgesetzliche Zuweisung von Normsetzungsmacht voraussetzt.

49

§ 3 SGB VII weist der Beklagten nur die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Fortsetzung der Versicherung als freiwillige ist aber keine Regelung mehr, die sich innerhalb der Kompetenz zur Regelung von Satzungspflichtversicherungen hält, sondern geht darüber hinaus. Wie die Beklagte gezeigt hat, hat der Gesetzgeber erwogen, den Trägern der GUV eine entsprechende Satzungskompetenz zu übertragen. An diesem Gesetzentwurf hat sich die Beklagte auch orientiert. Allerdings hat - aus welchen Gründen ist weder bekannt noch erheblich - der Gesetzgeber keinen Gesetzesbeschluss gefasst, der der Beklagten die Kompetenz zur Regelung solcher "Übergänge" eingeräumt hat.

50

§ 3 SGB VII ermächtigt die Beklagte schließlich nicht dazu, einen Mischtyp von Versicherungen zu schaffen, sozusagen eine Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung unter der Bedingung der Fortführung als freiwillige Versicherung oder eine Pflichtversicherung kraft Satzung mit den Kündigungsrechten einer freiwilligen Versicherung. Das SGB VII kennt solche Mischformen nicht. § 3 SGB VII ermöglicht die Begründung einer Pflichtversicherung nur für Personengruppen, die ähnlich wie die in § 2 SGB VII genannten Gruppen des Schutzes der GUV bedürfen. Es wäre in sich widersprüchlich, eine Personengruppe nach Maßgabe des § 3 SGB VII aufgrund einer Satzung in die Versicherungspflicht einzubeziehen, da sie des Schutzes der GUV bedürfe, ihr aber zugleich die Entscheidung zu eröffnen, der Einbeziehung in die Versicherung widersprechen oder sie kündigen zu können.

51

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 SGB VII ist § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nichtig, der darauf gestützte Verwaltungsakt rechtswidrig, da er ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII in den Rechtskreis des Klägers eingreift.

52

dd) Eine "weitere Anwendung" der mit dem SGB VII nicht vereinbaren Satzungsregelung für eine Übergangszeit, ist nicht erlaubt. Ein extremer Ausnahmefall, in dem anderes gelten könnte, liegt nicht vor. Insbesondere geht es nicht darum, eine durch die Nichtanwendung drohende Situation abzuwenden, die noch weiter von den gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorgaben entfernt wäre als die durch eine Anwendung der nichtigen Satzungsnorm entstehende, sondern nur um die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung begründet worden ist.

53

Grundsätzlich sind Satzungsregelungen, wie hier § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten, bei einem Verstoß gegen höherrangiges Recht nichtig(vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19). Normen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (vgl BVerfG vom 3.11.1982 - 1 BvR 620/78 - BVerfGE 61, 319-357 - Juris RdNr 101 mwN).

54

Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, dass Satzungsregelungen, die im Falle des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig sind, ausnahmsweise aber für eine Übergangszeit (weiter) anzuwenden sind (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; ebenso BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 18 f). Voraussetzung für die Weiteranwendung ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass der Zustand bei Nichtanwendung der Norm für die Übergangszeit von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als ein Zustand, bei dem den Normunterworfenen die Anwendung der rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit zugemutet wird. Im Beitragsrecht kommt dies nur bei haushaltsrechtlich bedeutsamen Normen in Betracht, bei denen eine Rückabwicklung faktisch unmöglich ist und unkalkulierbare Haushaltsrisiken bis hin zu drohender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers vermieden werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19 f). So hat es der Senat als nicht hinnehmbar angesehen, dass bis zum Erlass einer rechtskonformen Satzung alle Beitragsbescheide als rechtswidrig angegriffen und neue Beitragsbescheide aufgrund einer neuen Satzung ggf rückwirkend hätten erteilt werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 47 RdNr 20 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 19 - Juris RdNr 31; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 21), zumal das BSG in der Vergangenheit die Satzungen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen hatte.

55

Mit solchen Konstellationen ist der Fall des Klägers indes nicht vergleichbar. Denn während in den oben genannten Fällen der Satzungsgeber die notwendige Satzungskompetenz hatte, um - ggf uU sogar rückwirkend - eine rechtswirksame, mit dem Gesetz in Einklang stehende Beitragssatzung mit demselben Inhalt wie die bisherige Regelung zu erlassen und damit rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die beanstandeten Verwaltungsakte zu schaffen, ist der Beklagten der rückwirkende Erlass einer Satzung, die eine freiwillige Versicherung ohne schriftlichen Antrag vorsieht, mangels entsprechender Satzungskompetenz dauerhaft verwehrt.

56

Die Anwendung des § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung scheidet deshalb aus.

57

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das SG auch die Verwaltungsakte über die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragsfestsetzungen aufgehoben hat (vgl zum Beitragsverfahren auch Mutschler WzS 2009, 353, 354).

58

Der Verwaltungsakt vom 22.10.2008 über die Veranlagung des Klägers unter Gefahrtarifstelle 18 wegen freiwilliger Versicherung mit der Gefahrklasse 5,2 ist mangels freiwilliger Versicherung wegen unrichtiger Einordnung des Klägers rechtswidrig und beeinträchtigt ihn in seinen Rechten.

59

Soweit das SG auch den Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben hat, bedarf das Urteil der Richtigstellung. Der Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 ist durch den endgültigen Beitragsbescheid vom 28.7.2009 vollständig ersetzt worden und war daher bereits vor Klageerhebung gemäß § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 8a; BSG vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 126 und 131; BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13 mwN). Die Festsetzung des endgültigen Beitrags und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 28.7.2009 sind an die Stelle der Festsetzung der voraussichtlichen Beitragsschuld und des darauf bezogenen Zahlungsgebots getreten.

60

Zwar ist im Tenor des Urteils nur die Aufhebung des "Bescheides vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009" ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe hat das SG auch den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben. Einerseits hat es durch seinen Ausspruch deutlich gemacht, dass es den Bescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 auch hinsichtlich seiner beitragsrechtlichen Regelung beseitigen wollte. Das SG hat auch gesehen, dass der Beitragsbescheid vom 28.7.2009 die Beitragsforderung durch die endgültige Festsetzung geändert hat. Entsprechend dem Klagebegehren des Klägers, der die Bescheide vom 8.4.2009 und 28.7.2009 seiner Klagebegründung beigefügt hat, ist der Ausspruch des SG dahingehend auszulegen, dass das SG auch den ersetzenden Verwaltungsakt vom 28.7.2009 aufgehoben hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit klargestellt worden ist.

61

Die Revision der Beklagten ist auch unbegründet, soweit angefochten wird, dass das SG den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben hat. Der Beitragsbescheid durfte nicht ergehen, da der Kläger nicht bei der Beklagten freiwillig versichert und daher nicht nach § 150 Abs 1 Satz 2 SGB VII beitragspflichtig ist.

62

3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

63

Der Kläger gehört - was das SG übersehen hat - nicht zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Personen, da er mit dem Rechtsstreit keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der GUV verfolgt, sondern sich gegen die Einbeziehung in die GUV als freiwillig versicherter Unternehmer, gegen die Veranlagung und die Beitragserhebung gewandt hat(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 28; BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6; BSG vom 3.1.2006 - B 2 U 367/05 B; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B). Der Senat kann die insoweit fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24; BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

64

Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da die Klage Erfolg hatte und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des SG trotz der Maßgabe im Tenor ohne Erfolg geblieben ist.

65

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

66

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses, evtl mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich für die Beteiligten in beiden Instanzen nach den geforderten Beiträgen in Höhe von 454,28 € (§ 52 Abs 3 GKG).

67

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats mindestens der Auffangstreitwert zu Grunde zu legen, wenn die Beteiligten über die Erhebung von Beiträgen als Unternehmer streiten, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind (vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - bereits vor Klageerhebung die Mitgliedschaft unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist.

68

Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert zugleich für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 Satz 1 GKG). Zumindest bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich bleibendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie die von den Instanzgerichten getroffene Festsetzung ändern und eine ggf unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 23; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24).

(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.

(2) Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist. Eine Änderung gilt nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient. Satz 3 gilt nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt.

(3) Unternehmer ist

1.
die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung oder -gemeinschaft, der das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,
2.
bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 15 Buchstabe a bis c versicherten Rehabilitanden der Rehabilitationsträger, bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 15 Buchstabe d versicherten Teilnehmern an Präventionsmaßnahmen der Maßnahmeträger,
3.
bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger,
4.
beim Betrieb eines Seeschiffs der Reeder,
5.
bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a oder b Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird,
6.
bei einem freiwilligen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einem Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der zugelassene Träger oder, sofern eine Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes getroffen ist, die Einsatzstelle,
7.
bei einem Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz die Einsatzstelle.

(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts auch den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2009 aufgehoben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 454,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger vom 1.1.2008 bis zum 30.11.2008 bei der beklagten BG freiwillig versichert war, sie ihn zu Recht zu der entsprechenden Gefahrklasse veranlagte und Beiträge für diese Zeit festsetzte.

2

Der Kläger war, wie etwa 251.000 andere Kleinunternehmer im Gaststätten- und Nahrungsmittelbereich aufgrund einer Satzung der Beklagten, die auf § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII gestützt war, pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 beschloss die Beklagte eine Satzungsänderung, durch welche für diese Unternehmer die Pflichtversicherung kraft Satzung mit Ende des Jahres 2007 entfiel. Zugleich wurde in § 50 Abs 2 der Satzung eine Regelung getroffen, nach der die Mitgliedschaft ohne Antrag als freiwillige Versicherung ab dem 1.1.2008 fortbestehe, falls die davon unterrichteten Betroffenen nicht zuvor kündigten. Der Übergang zur freiwilligen Versicherung, über den im Oktober 2007 unterrichtet wurde, führte häufig zu einer höheren Beitragsbelastung.

3

Der Kläger betrieb seit August 1999 eine Gaststätte in dem Sportheim des FC C. e.V. Der Ausschank erfolgte bei Heimspielen wöchentlich für die Dauer von fünf bis sechs Stunden. Bis zum 31.12.2007 war der Kläger als Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) bei der BGN kraft Satzung pflichtversichert. Als Jahresbeitrag wurde der Mindestbeitrag in Höhe von zuletzt 50 € erhoben. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte ihm die BG mit, seine kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung werde zum 31.12.2007 enden. Alle Unternehmer, die zum 31.12.2007 bei der BGN pflichtversichert seien, blieben aber weiter versichert, wenn sie dies wünschten. Ihre Pflichtversicherung laufe automatisch als freiwillige Versicherung weiter, ohne dass ein Antrag nötig sei. Sofern der Kläger keine Fortführung des Versicherungsschutzes als freiwillige Versicherung wünsche, "genüge ein kurzes Schreiben". Bei Eingang einer Kündigung bei der BGN bis zum 31.12.2007 ende die Versicherung. Bei Kündigungen nach dem 1.1.2008 ende die eingetretene freiwillige Versicherung mit Ablauf des Monats des Kündigungseingangs. Für alle freiwillig Versicherten gelte einheitlich eine Mindestversicherungssumme von 24.000 € und eine Gefahrklasse von 5,2. Beigefügt war auch ein Antragsformular auf freiwillige Versicherung. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.

4

Mit Bescheid vom 22.10.2008, der in drei Abschnitte gegliedert war, erhielt der Kläger einen "Versicherungsschein über die freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII i.V.m. der Satzung" ab dem 1.1.2008, einen "Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen (§ 159 SGB VII)" mit Veranlagung unter dem Gewerbezweig freiwillige Versicherung zur Gefahrklasse 5,2 sowie einen "Vorauszahlungsbescheid" für das laufende Jahr über 531,65 €. Im Abschnitt "Versicherungsschein" ist ausgeführt, die satzungsmäßige Pflichtversicherung des Klägers sei zum 1.1.2008 in eine freiwillige Versicherung überführt worden, die Versicherungssumme betrage 24.000 €.

5

Der Kläger legte mit Schreiben vom 17.11.2008 Widerspruch ein. Mit der Überführung in eine freiwillige Versicherung erkläre er sich nicht einverstanden. Er sehe nicht ein, dass der Beitrag nahezu auf das elffache des bisherigen Beitrags festgesetzt worden sei. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Kündigung der freiwilligen Versicherung zum 30.11.2008. Mit Bescheid vom 28.7.2009 setzte sie den Beitrag für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.2008 auf 454,28 € fest.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009). Die Überführung in die freiwillige Versicherung beruhe auf § 50 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags vom 28.6.2007. Die Regelung diene dem Schutz der Unternehmer, die evtl auf die Fortdauer des Versicherungsschutzes vertrauten. Die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung sei rechtswirksam. Die Veranlagung sei nach dem seit 1.1.2008 gültigen Gefahrtarif mit Gefahrklasse 5,2 erfolgt. Der Beitrag sei im Bescheid vom 28.7.2009 zutreffend berechnet worden.

7

Dagegen hat der Kläger beim SG Aachen Klage erhoben. Eine freiwillige Versicherung komme nicht durch Schweigen eines Versicherten zustande. Die späte Übersendung des Versicherungsscheines im Oktober 2008 deute darauf hin, dass man die Adressaten bewusst habe in die Irre leiten wollen. Mit Urteil vom 31.3.2010 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, da keine freiwillige Unternehmerversicherung zustande gekommen sei. Es fehle der erforderliche Antrag des Unternehmers auf Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung, so dass auch Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 50 der Satzung sei nach dem Gesamtzusammenhang so auszulegen, dass ein Antrag erforderlich sei. Eine andere Auslegung von § 50 Abs 2 der Satzung - im Sinne einer Überführung ohne Antrag - verstoße gegen § 6 Abs 1 SGB VII als höherrangiges Recht und könne keine rechtswirksame Grundlage für Erteilung eines Versicherungsscheines und die Erhebung von Beiträgen sein. Die Beklagte hat beim SG Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt. Sie hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten beigefügt, mit dem dieser mitgeteilt hat, dass er "die Zustimmung zum beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Revision" erteile. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

8

Die Beklagte hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 50 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sowie der §§ 6, 3 und 213 SGB VII. § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung regle rechtswirksam, dass für den Fall der Überführung der zum 31.12.2007 pflichtversicherten Unternehmer in die freiwillige Versicherung ausnahmsweise kein Antrag erforderlich sei, so dass die Beitragspflicht des Klägers entstanden sei. Dass die Vorschrift einen Antrag nicht voraussetze, ergebe sich schon aus dem Begriff "Überführung" sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Normgebers. Die Satzungsregelung orientiere sich an dem Entwurf zur Neufassung von § 213 SGB VII(§ 213 SGB VII-E), die in dem Referentenentwurf des "Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVRG)" als Übergangsregelung erwogen worden sei. § 213 SGB VII idF des Referentenentwurfs habe gelautet: "Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, die am 31.12.2008 nach § 3 Abs 1 Nr 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung in Verbindung mit der Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert waren, bleiben versichert. Die Versicherung wird als freiwillige Versicherung weitergeführt; eines Antrags nach § 6 Abs 1 bedarf es nicht. […]" Zudem habe die Beklagte bestehende Übergangsregelungen für vergleichbare Fälle berücksichtigt, wie § 1149 Abs 2 RVO und § 213 Abs 1 SGB VII. Die Regelung sei in enger Abstimmung mit dem BVA getroffen worden, das die Satzungsänderung genehmigt und in späteren Stellungnahmen als rechtmäßig bestätigt habe. § 50 Abs 2 Satz 1 SGB VII verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei ein Antrag nach § 6 SGB VII nur erforderlich, wenn ein bislang nicht Versicherter erstmals "in den Kreis der freiwillig Versicherten" eintrete. Die Beklagte sei auch durch § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu einer solchen Regelung ermächtigt. Der weitreichende Entscheidungsspielraum für die Regelung einer Pflichtversicherung von Unternehmern kraft Satzung erstrecke sich auf deren Abschaffung und ermächtige zu Übergangsregelungen.

9

Hilfsweise sei § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung im Falle seiner Rechtswidrigkeit entsprechend der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4.12.2007 (B 2 U 36/06 R) aus "zwingenden Gründen" weiter anzuwenden.

10

Dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Versicherung 2008 deutlich höher sei als der Beitrag zur Pflichtversicherung 2007, beruhe auf der vorherigen Sonderregelung des § 44 Abs 4 der Satzung idF des 8. Nachtrags und der geringen Arbeitsstundenzahl des Klägers.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

13

Die mit dem Übergang auf eine freiwillige Versicherung verbundene Erhöhung der Beiträge sei unverhältnismäßig.

14

Das BSG hat Anfragen zur Zahl der betroffenen Unternehmer und zur Gestaltung von Satzungsregelungen beim Übergang von der Satzungspflichtversicherung auf die freiwillige Versicherung bei anderen BGen an das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Beklagte gerichtet. Das BVA hat mit Schreiben vom 22.2.2011, die Beklagten mit Schreiben vom 28.2.2011 geantwortet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet.

16

A. Die Revision ist zulässig.

17

Die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig, denn das SG hat diese durch gesonderten Beschluss vom 21.7.2010 zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat die Beklagte die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG). Auch ergibt sich aus der Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten hinreichend deutlich, dass er nicht nur der Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, was aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsschutz des Revisionsgegners erforderlich ist (vgl BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 28.11.1990 - 4 RA 19/90 - SozR 3-2200 § 1304a Nr 1 S 3). Die Erklärung ist vom rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers in Kenntnis des vollständig zugestellten Urteils abgegeben worden. Sie umfasst auch die Zustimmung zur Einlegung der Revision durch die Beklagte (vgl zur Auslegung einer Erklärung nach Urteilszustellung ua BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252, 253 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 9; BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 8/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 2 - Juris RdNr 14; BSG vom 22.4.1998 - B 9 SB 7/97 R - SozR 3-1500 § 161 Nr 13 - Juris RdNr 17). Auch im Übrigen ist die Revision zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

18

B. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

19

Das SG hat zu Recht die angefochtenen Verwaltungsakte in dem Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 sowie in dem Bescheid vom 28.7.2009, diese jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Beklagte war nicht ermächtigt, den bei ihr bis Ende 2007 kraft Satzung als Unternehmer pflichtversicherten Kläger ohne dessen Antrag ab 1.1.2008 als freiwilliges Mitglied zu versichern (1.). Die Beklagte war auch nicht ermächtigt, das Unternehmen zu veranlagen und den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten (2.).

20

1. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 aufgehoben, soweit dieser die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als freiwillig versicherter Unternehmer feststellt. Der "Versicherungsschein" in dem Bescheid ist als Feststellung des Beginns einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu verstehen (a). Dem Erlass eines solchen Verwaltungsakts stand nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegen, mit dem die Beklagte festgestellt hatte, der Kläger sei pflichtversichertes Mitglied kraft Satzung (b). Der Verwaltungsakt über die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist zwar formell rechtmäßig ergangen (c), er ist aber materiell rechtswidrig, da die Satzungsregelung, auf die die Beklagte den Verwaltungsakt gestützt hat, mit § 6 Abs 1 SGB VII nicht vereinbar ist (d).

21

a) Die Feststellung des Bestehens der freiwilligen Versicherung des Klägers in dem Versicherungsschein im Bescheid vom 22.10.2008 ist ein Verwaltungsakt.

22

Diese an den Kläger gerichtete behördliche Erklärung im sogenannten Versicherungsschein, dass seine satzungsmäßige Pflichtversicherung in eine freiwillige Versicherung mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2008 und einer Versicherungssumme von 24.000 € überführt wurde, ist aus objektivem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Die Verwaltungserklärung ist so zu verstehen, dass sie dem Kläger gegenüber das Bestehen eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, feststellen und so eine Regelung (siehe § 31 SGB I) im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X treffen sollte(vgl § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII; dazu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 136 Anm 3.1; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 10). Denn ein Empfänger des Versicherungsscheins, der zuvor mit Schreiben der Beklagten vom 10.10.2007 über die Beendigung der Pflichtversicherung und die "Überführung" in die freiwillige Versicherung informiert worden war, musste davon ausgehen, dass der an ihn individuell gerichtete Versicherungsschein nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch die BG in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - vom Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist. Der Abschluss dieses Verfahrens durch ein (Bestätigungs-)Schreiben der BG, hier Versicherungsschein genannt, ist aus Sicht eines objektiven Empfängers die Feststellung des Versicherungsverhältnisses im konkreten Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8; Wiester in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand Dezember 2001, § 6 RdNr 48).

23

b) Dieser Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil ihm die Bindungswirkung des Verwaltungsakts entgegensteht, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber die Pflichtmitgliedschaft kraft Satzung festgestellt hat.

24

Zwar hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt vom 10.12.1999 dem Kläger gegenüber bindend festgestellt, sie sei der für dessen Unternehmen zuständige Unfallversicherungsträger; die Pflichtversicherung des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Ehegattin kraft Satzung werde hiermit festgestellt. Die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt aber seinerseits durch Verwaltungsakt aufgehoben (§ 48 SGB X), als sie dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10.10.2007 über die anstehende Änderung seiner Versicherung informiert und unmittelbar im ersten Absatz dieses Schreibens erklärt hat: "Wir informieren Sie heute über die Änderung Ihres Versicherungsschutzes … zum 1.1.2008. Die kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten wird zum 31.12.2007 aufgehoben."

25

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl BSG vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24 f). Die Regelung eines aufhebenden Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X besteht darin, den früheren Verwaltungsakt aufzuheben.

26

Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2007 ist darauf gerichtet und vom Kläger so zu verstehen gewesen, dass die frühere Regelung einer Pflichtversicherung kraft Satzung, die im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger noch Bestand hatte, zum 31.12.2007 beseitigt werde. Zwar hat die Beklagte den aufzuhebenden Verwaltungsakt nicht ausdrücklich genannt, sondern nur geregelt, dass seine Pflichtversicherung als Unternehmer und diejenige seiner Ehefrau zum 31.12.2007 enden werde. Die Erklärung vom 10.10.2007, die bestehende Pflichtversicherung kraft Satzung werde beendet, ist eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar gewesen, dass die früher durch Verwaltungsakt festgestellte Pflichtversicherung kraft Satzung beseitigt werden soll. Der Inhalt der Regelung ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und eindeutig, was die Beklagte geregelt hat. Es ist nicht konkret bestimmt, welcher frühere Verwaltungsakt in welchem Umfang aufgehoben wird (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 mwN; von "Klarstellungsfunktion" spricht BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13). Die Regelung der Aufhebung ist mangels Nennung des aufzuhebenden Bescheids zwar rechtswidrig, sie ist aber nicht nichtig iS des § 40 SGB X und damit wirksam(§ 39 Abs 2, 3 SGB X). Da der aufhebende Verwaltungsakt nicht binnen Jahresfrist angefochten worden ist, ist er zudem bindend geworden.

27

c) Der angegriffene Verwaltungsakt (Versicherungsschein vom 22.10.2008) ist nicht formell rechtswidrig und nicht aufzuheben, obwohl eine Anhörung des Klägers unterblieben war, denn von dieser konnte abgesehen werden.

28

Insoweit ist schon umstritten, ob vor Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung der Zuständigkeit (§ 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII) oder Bestätigung einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer, dem gegenüber die Regelung getroffen wird, zuvor nach § 24 SGB X anzuhören ist(für das Erfordernis einer Anhörung: Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand April 2009, § 136 RdNr 10; gegen Anhörung: Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Januar 2009, § 136 SGB VII RdNr 5). Ob vor Erlass eines auf § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII gestützten Verwaltungsakt eine Anhörung des Adressaten zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb nicht rechtswidrig, da eine Anhörungspflicht vorliegend nach § 24 Abs 2 Nr 4 Alt 2 SGB X nicht bestanden hat. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung angesehen werden, wenn gleichartige Verwaltungsakte in großer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass bei ihr Ende 2007 ca 251.000 Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert waren, deren Versicherungsverhältnisse zum 1.1.2008 auf freiwillige Versicherungen überführt werden sollten. Die Beklagte hatte gegenüber einer Vielzahl von Adressaten zum 1.1.2008 Regelungen zu treffen, die nach Art, Form und Inhalt gleich waren. In dieser Situation konnte sie von einer Anhörung absehen (vgl zur Umsetzung einer Satzungsregelung auch BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13, 14; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 24 SGB X RdNr 28).

29

d) Der die freiwillige Versicherung des Klägers ab 1.1.2008 feststellende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn entgegen der Feststellung ist keine freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten begründet worden. Die Satzungsregelung, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und bietet deshalb keine materiell-rechtliche Grundlage für die getroffene Regelung.

30

aa) Die Beklagte kann sich für den Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung nach § 6 SGB VII auf die Ermächtigung des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stützen.

31

Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest(BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen. Die Ermächtigung gilt auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass materiell-rechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber wirksam (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X). Durch einen solchen materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt wird ggf ein sog Formalversicherungsverhältnis begründet. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers festzustellen (sog Aufnahmebescheid, dazu Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5; zur Bestätigung einer freiwilligen Versicherung vgl auch Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8).

32

Der Verwaltungsakt ist aber rechtswidrig, da der Tatbestand des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht erfüllt ist, weil die Beklagte für den Kläger nicht zuständig war. Dies wäre sie nur gewesen, wenn ein freiwilliges Versicherungsverhältnis am 1.1.2008 entstanden wäre. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bb) und auch nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung (cc) ist dies aber nicht der Fall.

33

bb) Zwar ist der Kläger Unternehmer iS des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII, da ihm das Ergebnis des Unternehmens - der Gaststätte - unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII); eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl auch BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 16 mwN). Eine freiwillige Versicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 50 Abs 1 der Satzung kann aber nur durch schriftlichen Antrag begründet werden. Da der Kläger keinen schriftlichen Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beklagten gestellt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt.

34

cc) Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten wurde auch nicht nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begründet.

35

Zwar sieht diese Satzungsregelung vor, dass die Versicherung der Unternehmer, die bis 31.12.2007 kraft Satzung pflichtversichert waren, ohne Antrag als freiwillige Versicherung fortbesteht, wenn der Unternehmer nicht bis 31.12.2007 widerspricht oder kündigt.

36

Die Regelung des angegriffenen Verwaltungsakts entspricht inhaltlich der Satzungsregelung, ist also satzungskonform. Der Verwaltungsakt ist dennoch rechtswidrig, weil die Satzungsregelung, auf die er gestützt worden ist, unwirksam ist. Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Es gehörte nicht zu ihren gesetzlichen Aufgaben, eine freiwillige Versicherung ohne Antrag oder einen "Mischtyp" aus Pflichtversicherung kraft Satzung und freiwilliger Versicherung zu schaffen.

37

Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der GUV(vgl § 22 SGB I) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (vgl Rüfner in Wannagat, SGB I, Stand Juli 2000, § 31 RdNr 7; Klose in Jahn, SGB I, Stand Februar 2011, § 31 RdNr 11 f; Seewald in Kasseler Kommentar, September 2007, § 31 SGB I RdNr 8 und 13). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 SGB IV, denen das GG keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist(anders Art 28 Abs 2 GG für örtliche Angelegenheiten der Gemeinden, Allzuständigkeit), haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - UV-Recht , 1996, § 19 RdNr 5; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 34 RdNr 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 23 RdNr 42).

38

Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 18 mwN). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl aaO). Für die Regelung in § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung, die eine freiwillige Versicherung bislang pflichtversicherter Unternehmer ohne schriftlichen Antrag zum 1.1.2008 begründet, fehlt der Beklagten eine Satzungskompetenz.

39

aaa) Eine Ermächtigung, die freiwillige Versicherung kraft Satzung zu regeln, besteht nicht.

40

§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art 20 Abs 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten(vgl Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, § 34 RdNr 43, 46). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte" wie den Erlass einer Satzung nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs 1 SGB IV).

41

bbb) Der Gesetzgeber hat den nicht in der GUV pflichtversicherten Personen, die von § 6 SGB VII erfasst werden, ein subjektiv-öffentliches Gestaltungsrecht zur Begründung einer freiwilligen Versicherung eingeräumt, sofern sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Er hat darin die Unfallversicherungsträger aber nicht ermächtigt, in ihrer Satzung eine "freiwillige Versicherung" unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SGB VII zu schaffen, insbesondere unter "Verzicht" auf einen schriftlichen Antrag. Da § 6 SGB VII keine ausdrückliche Zuweisung einer Satzungskompetenz enthält, umfasst die (allgemeine) Kompetenz der Beklagten insoweit nur Regelungen über ein durch Antrag entstandenes freiwilliges Versicherungsverhältnis.

42

Dass § 6 SGB VII als Tatbestandsvoraussetzung für eine freiwillige Versicherung immer einen schriftlichen Antrag erfordert, folgt aus dem Gesetzeswortlaut und wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits zu den Vorgängerregelungen des § 6 SGB VII, nach der sich Unternehmer versichern(so § 539 RVO idF des 6. UVÄndG vom 9.3.1942 - RGBl I 107) oder freiwillig der Unfallversicherung beitreten konnten (so § 545 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30.4.1963 - BGBl I 241), hat das BSG ausgeführt, dass es zur Begründung der freiwilligen Versicherung eines Antrags, also einer auf die Begründung des Versicherungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung des Unternehmers, bedarf (vgl BSG vom 25.8.1965 - 2 RU 167/62 - BSGE 23, 248, 251; BSG vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 91 - Juris RdNr 20). Dieses Antragserfordernis hat der Gesetzgeber (vgl Art 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7.8.1996, BGBl I 1254) ausdrücklich in den Wortlaut von § 6 SGB VII, der als Nachfolgeregelung im Wesentlichen § 545 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechen soll(vgl BT-Drucks 13/2204 S 77 zu § 6), aufgenommen und zudem Schriftform vorgeschrieben.

43

§ 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung kann also nicht auf § 6 SGB VII gestützt werden.

44

ccc) Auch aus § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII ergibt sich eine Ermächtigung zu einer Satzungsnorm, wie sie § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten enthält, nicht.

45

Die Vorschrift ermächtigt die Beklagte, als Satzungsgeberin zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Pflichtversicherung in der GUV auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner erstreckt (vgl BT-Drucks 13/2204 S 76 zu § 3). Miterfasst ist die Ermächtigung, mit Wirkung für die Zukunft zu bestimmen, dass eine bisher geltende Pflichtversicherung kraft Satzung endet, sich also nicht mehr auf den bisher versicherten Personenkreis erstreckt. Die Beklagte kann durch Satzung auch bestimmte Voraussetzungen für die Pflichtversicherung festlegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte ermächtigt gewesen, Satzungsregelungen wie §§ 43 bis 48 ihrer Satzung idF vom 15.9.2006 zu erlassen, die die Pflichtversicherung von Unternehmern mit Wirkung zum 1.1.2008 beenden.

46

Soweit § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung zum 1.1.2008 für ehemals kraft Satzung pflichtversicherte Unternehmer anordnet, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen als eine freiwillige fortbesteht, liegt darin gerade keine Bestimmung über das "Ob" oder "Wie" einer Pflichtversicherung kraft Satzung im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die freiwillige Versicherung nach dem SGB VII ist nicht eine "Art" der Versicherung über die die Beklagte gemäß § 3 SGB VII kraft Satzung Regelungen treffen kann. Vielmehr sind die gesetzlichen Vorgaben beider Arten von Versicherungen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises und des Beginns der Versicherung unterschiedlich ausgestaltet. § 3 SGB VII enthält keine (stillschweigende) gesetzliche Ermächtigung für die Schaffung einer freiwilligen Versicherung durch Satzung in Abweichung oder neben dem vom Gesetz ausgestalteten Institut der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 SGB VII.

47

ddd) § 3 SGB VII verschafft der Beklagten auch keine Satzungsermächtigung, eine der getroffenen Regelung entsprechende "Übergangsregelung" im Zusammenhang mit der Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung zu treffen.

48

Zunächst hat der Gesetzgeber selbst in § 213 SGB VII für bestimmte Unternehmer und ihre Ehegatten eine Übergangsregelung als eine von § 6 Abs 1 SGB VII abweichende Sonderregelung zum Entstehen und Beginn einer freiwilligen Versicherung geschaffen. Eine Satzungskompetenz hat er dafür den Unfallversicherungsträgern aber gerade nicht eingeräumt. Aus "eigenem Recht" können diese eine solche Übergangsregelung nicht schaffen, da eine solche Satzungskompetenz den Trägern der GUV nicht durch Gesetz übertragen worden ist. § 213 SGB VII ist ua schon mangels Regelungslücke im SGB VII auch nicht im Wege der Analogie auf die untergesetzliche Ebene der Satzungsregelungen zu übertragen, weil jede Satzungskompetenz gerade eine parlamentsgesetzliche Zuweisung von Normsetzungsmacht voraussetzt.

49

§ 3 SGB VII weist der Beklagten nur die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Fortsetzung der Versicherung als freiwillige ist aber keine Regelung mehr, die sich innerhalb der Kompetenz zur Regelung von Satzungspflichtversicherungen hält, sondern geht darüber hinaus. Wie die Beklagte gezeigt hat, hat der Gesetzgeber erwogen, den Trägern der GUV eine entsprechende Satzungskompetenz zu übertragen. An diesem Gesetzentwurf hat sich die Beklagte auch orientiert. Allerdings hat - aus welchen Gründen ist weder bekannt noch erheblich - der Gesetzgeber keinen Gesetzesbeschluss gefasst, der der Beklagten die Kompetenz zur Regelung solcher "Übergänge" eingeräumt hat.

50

§ 3 SGB VII ermächtigt die Beklagte schließlich nicht dazu, einen Mischtyp von Versicherungen zu schaffen, sozusagen eine Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung unter der Bedingung der Fortführung als freiwillige Versicherung oder eine Pflichtversicherung kraft Satzung mit den Kündigungsrechten einer freiwilligen Versicherung. Das SGB VII kennt solche Mischformen nicht. § 3 SGB VII ermöglicht die Begründung einer Pflichtversicherung nur für Personengruppen, die ähnlich wie die in § 2 SGB VII genannten Gruppen des Schutzes der GUV bedürfen. Es wäre in sich widersprüchlich, eine Personengruppe nach Maßgabe des § 3 SGB VII aufgrund einer Satzung in die Versicherungspflicht einzubeziehen, da sie des Schutzes der GUV bedürfe, ihr aber zugleich die Entscheidung zu eröffnen, der Einbeziehung in die Versicherung widersprechen oder sie kündigen zu können.

51

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 SGB VII ist § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nichtig, der darauf gestützte Verwaltungsakt rechtswidrig, da er ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII in den Rechtskreis des Klägers eingreift.

52

dd) Eine "weitere Anwendung" der mit dem SGB VII nicht vereinbaren Satzungsregelung für eine Übergangszeit, ist nicht erlaubt. Ein extremer Ausnahmefall, in dem anderes gelten könnte, liegt nicht vor. Insbesondere geht es nicht darum, eine durch die Nichtanwendung drohende Situation abzuwenden, die noch weiter von den gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorgaben entfernt wäre als die durch eine Anwendung der nichtigen Satzungsnorm entstehende, sondern nur um die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung begründet worden ist.

53

Grundsätzlich sind Satzungsregelungen, wie hier § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten, bei einem Verstoß gegen höherrangiges Recht nichtig(vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19). Normen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (vgl BVerfG vom 3.11.1982 - 1 BvR 620/78 - BVerfGE 61, 319-357 - Juris RdNr 101 mwN).

54

Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, dass Satzungsregelungen, die im Falle des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig sind, ausnahmsweise aber für eine Übergangszeit (weiter) anzuwenden sind (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; ebenso BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 18 f). Voraussetzung für die Weiteranwendung ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass der Zustand bei Nichtanwendung der Norm für die Übergangszeit von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als ein Zustand, bei dem den Normunterworfenen die Anwendung der rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit zugemutet wird. Im Beitragsrecht kommt dies nur bei haushaltsrechtlich bedeutsamen Normen in Betracht, bei denen eine Rückabwicklung faktisch unmöglich ist und unkalkulierbare Haushaltsrisiken bis hin zu drohender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers vermieden werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19 f). So hat es der Senat als nicht hinnehmbar angesehen, dass bis zum Erlass einer rechtskonformen Satzung alle Beitragsbescheide als rechtswidrig angegriffen und neue Beitragsbescheide aufgrund einer neuen Satzung ggf rückwirkend hätten erteilt werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 47 RdNr 20 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 19 - Juris RdNr 31; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 21), zumal das BSG in der Vergangenheit die Satzungen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen hatte.

55

Mit solchen Konstellationen ist der Fall des Klägers indes nicht vergleichbar. Denn während in den oben genannten Fällen der Satzungsgeber die notwendige Satzungskompetenz hatte, um - ggf uU sogar rückwirkend - eine rechtswirksame, mit dem Gesetz in Einklang stehende Beitragssatzung mit demselben Inhalt wie die bisherige Regelung zu erlassen und damit rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die beanstandeten Verwaltungsakte zu schaffen, ist der Beklagten der rückwirkende Erlass einer Satzung, die eine freiwillige Versicherung ohne schriftlichen Antrag vorsieht, mangels entsprechender Satzungskompetenz dauerhaft verwehrt.

56

Die Anwendung des § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung scheidet deshalb aus.

57

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das SG auch die Verwaltungsakte über die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragsfestsetzungen aufgehoben hat (vgl zum Beitragsverfahren auch Mutschler WzS 2009, 353, 354).

58

Der Verwaltungsakt vom 22.10.2008 über die Veranlagung des Klägers unter Gefahrtarifstelle 18 wegen freiwilliger Versicherung mit der Gefahrklasse 5,2 ist mangels freiwilliger Versicherung wegen unrichtiger Einordnung des Klägers rechtswidrig und beeinträchtigt ihn in seinen Rechten.

59

Soweit das SG auch den Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben hat, bedarf das Urteil der Richtigstellung. Der Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 ist durch den endgültigen Beitragsbescheid vom 28.7.2009 vollständig ersetzt worden und war daher bereits vor Klageerhebung gemäß § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 8a; BSG vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 126 und 131; BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13 mwN). Die Festsetzung des endgültigen Beitrags und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 28.7.2009 sind an die Stelle der Festsetzung der voraussichtlichen Beitragsschuld und des darauf bezogenen Zahlungsgebots getreten.

60

Zwar ist im Tenor des Urteils nur die Aufhebung des "Bescheides vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009" ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe hat das SG auch den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben. Einerseits hat es durch seinen Ausspruch deutlich gemacht, dass es den Bescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 auch hinsichtlich seiner beitragsrechtlichen Regelung beseitigen wollte. Das SG hat auch gesehen, dass der Beitragsbescheid vom 28.7.2009 die Beitragsforderung durch die endgültige Festsetzung geändert hat. Entsprechend dem Klagebegehren des Klägers, der die Bescheide vom 8.4.2009 und 28.7.2009 seiner Klagebegründung beigefügt hat, ist der Ausspruch des SG dahingehend auszulegen, dass das SG auch den ersetzenden Verwaltungsakt vom 28.7.2009 aufgehoben hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit klargestellt worden ist.

61

Die Revision der Beklagten ist auch unbegründet, soweit angefochten wird, dass das SG den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben hat. Der Beitragsbescheid durfte nicht ergehen, da der Kläger nicht bei der Beklagten freiwillig versichert und daher nicht nach § 150 Abs 1 Satz 2 SGB VII beitragspflichtig ist.

62

3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

63

Der Kläger gehört - was das SG übersehen hat - nicht zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Personen, da er mit dem Rechtsstreit keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der GUV verfolgt, sondern sich gegen die Einbeziehung in die GUV als freiwillig versicherter Unternehmer, gegen die Veranlagung und die Beitragserhebung gewandt hat(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 28; BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6; BSG vom 3.1.2006 - B 2 U 367/05 B; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B). Der Senat kann die insoweit fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24; BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

64

Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da die Klage Erfolg hatte und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des SG trotz der Maßgabe im Tenor ohne Erfolg geblieben ist.

65

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

66

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses, evtl mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich für die Beteiligten in beiden Instanzen nach den geforderten Beiträgen in Höhe von 454,28 € (§ 52 Abs 3 GKG).

67

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats mindestens der Auffangstreitwert zu Grunde zu legen, wenn die Beteiligten über die Erhebung von Beiträgen als Unternehmer streiten, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind (vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - bereits vor Klageerhebung die Mitgliedschaft unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist.

68

Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert zugleich für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 Satz 1 GKG). Zumindest bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich bleibendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie die von den Instanzgerichten getroffene Festsetzung ändern und eine ggf unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 23; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24).

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Der Unfallversicherungsträger stellt Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Ein Unternehmen beginnt bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Überweisung erfolgt im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.

(2) Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist. Eine Änderung gilt nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient. Satz 3 gilt nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt.

(3) Unternehmer ist

1.
die natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung oder -gemeinschaft, der das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,
2.
bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 15 Buchstabe a bis c versicherten Rehabilitanden der Rehabilitationsträger, bei nach § 2 Absatz 1 Nummer 15 Buchstabe d versicherten Teilnehmern an Präventionsmaßnahmen der Maßnahmeträger,
3.
bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger,
4.
beim Betrieb eines Seeschiffs der Reeder,
5.
bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a oder b Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird,
6.
bei einem freiwilligen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einem Internationalen Jugendfreiwilligendienst nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c der zugelassene Träger oder, sofern eine Vereinbarung nach § 11 Abs. 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes getroffen ist, die Einsatzstelle,
7.
bei einem Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz die Einsatzstelle.

(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts auch den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2009 aufgehoben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 454,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger vom 1.1.2008 bis zum 30.11.2008 bei der beklagten BG freiwillig versichert war, sie ihn zu Recht zu der entsprechenden Gefahrklasse veranlagte und Beiträge für diese Zeit festsetzte.

2

Der Kläger war, wie etwa 251.000 andere Kleinunternehmer im Gaststätten- und Nahrungsmittelbereich aufgrund einer Satzung der Beklagten, die auf § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII gestützt war, pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 beschloss die Beklagte eine Satzungsänderung, durch welche für diese Unternehmer die Pflichtversicherung kraft Satzung mit Ende des Jahres 2007 entfiel. Zugleich wurde in § 50 Abs 2 der Satzung eine Regelung getroffen, nach der die Mitgliedschaft ohne Antrag als freiwillige Versicherung ab dem 1.1.2008 fortbestehe, falls die davon unterrichteten Betroffenen nicht zuvor kündigten. Der Übergang zur freiwilligen Versicherung, über den im Oktober 2007 unterrichtet wurde, führte häufig zu einer höheren Beitragsbelastung.

3

Der Kläger betrieb seit August 1999 eine Gaststätte in dem Sportheim des FC C. e.V. Der Ausschank erfolgte bei Heimspielen wöchentlich für die Dauer von fünf bis sechs Stunden. Bis zum 31.12.2007 war der Kläger als Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) bei der BGN kraft Satzung pflichtversichert. Als Jahresbeitrag wurde der Mindestbeitrag in Höhe von zuletzt 50 € erhoben. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte ihm die BG mit, seine kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung werde zum 31.12.2007 enden. Alle Unternehmer, die zum 31.12.2007 bei der BGN pflichtversichert seien, blieben aber weiter versichert, wenn sie dies wünschten. Ihre Pflichtversicherung laufe automatisch als freiwillige Versicherung weiter, ohne dass ein Antrag nötig sei. Sofern der Kläger keine Fortführung des Versicherungsschutzes als freiwillige Versicherung wünsche, "genüge ein kurzes Schreiben". Bei Eingang einer Kündigung bei der BGN bis zum 31.12.2007 ende die Versicherung. Bei Kündigungen nach dem 1.1.2008 ende die eingetretene freiwillige Versicherung mit Ablauf des Monats des Kündigungseingangs. Für alle freiwillig Versicherten gelte einheitlich eine Mindestversicherungssumme von 24.000 € und eine Gefahrklasse von 5,2. Beigefügt war auch ein Antragsformular auf freiwillige Versicherung. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.

4

Mit Bescheid vom 22.10.2008, der in drei Abschnitte gegliedert war, erhielt der Kläger einen "Versicherungsschein über die freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII i.V.m. der Satzung" ab dem 1.1.2008, einen "Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen (§ 159 SGB VII)" mit Veranlagung unter dem Gewerbezweig freiwillige Versicherung zur Gefahrklasse 5,2 sowie einen "Vorauszahlungsbescheid" für das laufende Jahr über 531,65 €. Im Abschnitt "Versicherungsschein" ist ausgeführt, die satzungsmäßige Pflichtversicherung des Klägers sei zum 1.1.2008 in eine freiwillige Versicherung überführt worden, die Versicherungssumme betrage 24.000 €.

5

Der Kläger legte mit Schreiben vom 17.11.2008 Widerspruch ein. Mit der Überführung in eine freiwillige Versicherung erkläre er sich nicht einverstanden. Er sehe nicht ein, dass der Beitrag nahezu auf das elffache des bisherigen Beitrags festgesetzt worden sei. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Kündigung der freiwilligen Versicherung zum 30.11.2008. Mit Bescheid vom 28.7.2009 setzte sie den Beitrag für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.2008 auf 454,28 € fest.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009). Die Überführung in die freiwillige Versicherung beruhe auf § 50 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags vom 28.6.2007. Die Regelung diene dem Schutz der Unternehmer, die evtl auf die Fortdauer des Versicherungsschutzes vertrauten. Die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung sei rechtswirksam. Die Veranlagung sei nach dem seit 1.1.2008 gültigen Gefahrtarif mit Gefahrklasse 5,2 erfolgt. Der Beitrag sei im Bescheid vom 28.7.2009 zutreffend berechnet worden.

7

Dagegen hat der Kläger beim SG Aachen Klage erhoben. Eine freiwillige Versicherung komme nicht durch Schweigen eines Versicherten zustande. Die späte Übersendung des Versicherungsscheines im Oktober 2008 deute darauf hin, dass man die Adressaten bewusst habe in die Irre leiten wollen. Mit Urteil vom 31.3.2010 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, da keine freiwillige Unternehmerversicherung zustande gekommen sei. Es fehle der erforderliche Antrag des Unternehmers auf Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung, so dass auch Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 50 der Satzung sei nach dem Gesamtzusammenhang so auszulegen, dass ein Antrag erforderlich sei. Eine andere Auslegung von § 50 Abs 2 der Satzung - im Sinne einer Überführung ohne Antrag - verstoße gegen § 6 Abs 1 SGB VII als höherrangiges Recht und könne keine rechtswirksame Grundlage für Erteilung eines Versicherungsscheines und die Erhebung von Beiträgen sein. Die Beklagte hat beim SG Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt. Sie hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten beigefügt, mit dem dieser mitgeteilt hat, dass er "die Zustimmung zum beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Revision" erteile. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

8

Die Beklagte hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 50 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sowie der §§ 6, 3 und 213 SGB VII. § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung regle rechtswirksam, dass für den Fall der Überführung der zum 31.12.2007 pflichtversicherten Unternehmer in die freiwillige Versicherung ausnahmsweise kein Antrag erforderlich sei, so dass die Beitragspflicht des Klägers entstanden sei. Dass die Vorschrift einen Antrag nicht voraussetze, ergebe sich schon aus dem Begriff "Überführung" sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Normgebers. Die Satzungsregelung orientiere sich an dem Entwurf zur Neufassung von § 213 SGB VII(§ 213 SGB VII-E), die in dem Referentenentwurf des "Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVRG)" als Übergangsregelung erwogen worden sei. § 213 SGB VII idF des Referentenentwurfs habe gelautet: "Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, die am 31.12.2008 nach § 3 Abs 1 Nr 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung in Verbindung mit der Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert waren, bleiben versichert. Die Versicherung wird als freiwillige Versicherung weitergeführt; eines Antrags nach § 6 Abs 1 bedarf es nicht. […]" Zudem habe die Beklagte bestehende Übergangsregelungen für vergleichbare Fälle berücksichtigt, wie § 1149 Abs 2 RVO und § 213 Abs 1 SGB VII. Die Regelung sei in enger Abstimmung mit dem BVA getroffen worden, das die Satzungsänderung genehmigt und in späteren Stellungnahmen als rechtmäßig bestätigt habe. § 50 Abs 2 Satz 1 SGB VII verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei ein Antrag nach § 6 SGB VII nur erforderlich, wenn ein bislang nicht Versicherter erstmals "in den Kreis der freiwillig Versicherten" eintrete. Die Beklagte sei auch durch § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu einer solchen Regelung ermächtigt. Der weitreichende Entscheidungsspielraum für die Regelung einer Pflichtversicherung von Unternehmern kraft Satzung erstrecke sich auf deren Abschaffung und ermächtige zu Übergangsregelungen.

9

Hilfsweise sei § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung im Falle seiner Rechtswidrigkeit entsprechend der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4.12.2007 (B 2 U 36/06 R) aus "zwingenden Gründen" weiter anzuwenden.

10

Dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Versicherung 2008 deutlich höher sei als der Beitrag zur Pflichtversicherung 2007, beruhe auf der vorherigen Sonderregelung des § 44 Abs 4 der Satzung idF des 8. Nachtrags und der geringen Arbeitsstundenzahl des Klägers.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

13

Die mit dem Übergang auf eine freiwillige Versicherung verbundene Erhöhung der Beiträge sei unverhältnismäßig.

14

Das BSG hat Anfragen zur Zahl der betroffenen Unternehmer und zur Gestaltung von Satzungsregelungen beim Übergang von der Satzungspflichtversicherung auf die freiwillige Versicherung bei anderen BGen an das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Beklagte gerichtet. Das BVA hat mit Schreiben vom 22.2.2011, die Beklagten mit Schreiben vom 28.2.2011 geantwortet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet.

16

A. Die Revision ist zulässig.

17

Die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig, denn das SG hat diese durch gesonderten Beschluss vom 21.7.2010 zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat die Beklagte die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG). Auch ergibt sich aus der Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten hinreichend deutlich, dass er nicht nur der Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, was aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsschutz des Revisionsgegners erforderlich ist (vgl BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 28.11.1990 - 4 RA 19/90 - SozR 3-2200 § 1304a Nr 1 S 3). Die Erklärung ist vom rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers in Kenntnis des vollständig zugestellten Urteils abgegeben worden. Sie umfasst auch die Zustimmung zur Einlegung der Revision durch die Beklagte (vgl zur Auslegung einer Erklärung nach Urteilszustellung ua BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252, 253 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 9; BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 8/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 2 - Juris RdNr 14; BSG vom 22.4.1998 - B 9 SB 7/97 R - SozR 3-1500 § 161 Nr 13 - Juris RdNr 17). Auch im Übrigen ist die Revision zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

18

B. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

19

Das SG hat zu Recht die angefochtenen Verwaltungsakte in dem Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 sowie in dem Bescheid vom 28.7.2009, diese jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Beklagte war nicht ermächtigt, den bei ihr bis Ende 2007 kraft Satzung als Unternehmer pflichtversicherten Kläger ohne dessen Antrag ab 1.1.2008 als freiwilliges Mitglied zu versichern (1.). Die Beklagte war auch nicht ermächtigt, das Unternehmen zu veranlagen und den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten (2.).

20

1. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 aufgehoben, soweit dieser die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als freiwillig versicherter Unternehmer feststellt. Der "Versicherungsschein" in dem Bescheid ist als Feststellung des Beginns einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu verstehen (a). Dem Erlass eines solchen Verwaltungsakts stand nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegen, mit dem die Beklagte festgestellt hatte, der Kläger sei pflichtversichertes Mitglied kraft Satzung (b). Der Verwaltungsakt über die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist zwar formell rechtmäßig ergangen (c), er ist aber materiell rechtswidrig, da die Satzungsregelung, auf die die Beklagte den Verwaltungsakt gestützt hat, mit § 6 Abs 1 SGB VII nicht vereinbar ist (d).

21

a) Die Feststellung des Bestehens der freiwilligen Versicherung des Klägers in dem Versicherungsschein im Bescheid vom 22.10.2008 ist ein Verwaltungsakt.

22

Diese an den Kläger gerichtete behördliche Erklärung im sogenannten Versicherungsschein, dass seine satzungsmäßige Pflichtversicherung in eine freiwillige Versicherung mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2008 und einer Versicherungssumme von 24.000 € überführt wurde, ist aus objektivem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Die Verwaltungserklärung ist so zu verstehen, dass sie dem Kläger gegenüber das Bestehen eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, feststellen und so eine Regelung (siehe § 31 SGB I) im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X treffen sollte(vgl § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII; dazu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 136 Anm 3.1; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 10). Denn ein Empfänger des Versicherungsscheins, der zuvor mit Schreiben der Beklagten vom 10.10.2007 über die Beendigung der Pflichtversicherung und die "Überführung" in die freiwillige Versicherung informiert worden war, musste davon ausgehen, dass der an ihn individuell gerichtete Versicherungsschein nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch die BG in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - vom Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist. Der Abschluss dieses Verfahrens durch ein (Bestätigungs-)Schreiben der BG, hier Versicherungsschein genannt, ist aus Sicht eines objektiven Empfängers die Feststellung des Versicherungsverhältnisses im konkreten Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8; Wiester in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand Dezember 2001, § 6 RdNr 48).

23

b) Dieser Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil ihm die Bindungswirkung des Verwaltungsakts entgegensteht, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber die Pflichtmitgliedschaft kraft Satzung festgestellt hat.

24

Zwar hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt vom 10.12.1999 dem Kläger gegenüber bindend festgestellt, sie sei der für dessen Unternehmen zuständige Unfallversicherungsträger; die Pflichtversicherung des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Ehegattin kraft Satzung werde hiermit festgestellt. Die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt aber seinerseits durch Verwaltungsakt aufgehoben (§ 48 SGB X), als sie dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10.10.2007 über die anstehende Änderung seiner Versicherung informiert und unmittelbar im ersten Absatz dieses Schreibens erklärt hat: "Wir informieren Sie heute über die Änderung Ihres Versicherungsschutzes … zum 1.1.2008. Die kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten wird zum 31.12.2007 aufgehoben."

25

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl BSG vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24 f). Die Regelung eines aufhebenden Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X besteht darin, den früheren Verwaltungsakt aufzuheben.

26

Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2007 ist darauf gerichtet und vom Kläger so zu verstehen gewesen, dass die frühere Regelung einer Pflichtversicherung kraft Satzung, die im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger noch Bestand hatte, zum 31.12.2007 beseitigt werde. Zwar hat die Beklagte den aufzuhebenden Verwaltungsakt nicht ausdrücklich genannt, sondern nur geregelt, dass seine Pflichtversicherung als Unternehmer und diejenige seiner Ehefrau zum 31.12.2007 enden werde. Die Erklärung vom 10.10.2007, die bestehende Pflichtversicherung kraft Satzung werde beendet, ist eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar gewesen, dass die früher durch Verwaltungsakt festgestellte Pflichtversicherung kraft Satzung beseitigt werden soll. Der Inhalt der Regelung ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und eindeutig, was die Beklagte geregelt hat. Es ist nicht konkret bestimmt, welcher frühere Verwaltungsakt in welchem Umfang aufgehoben wird (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 mwN; von "Klarstellungsfunktion" spricht BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13). Die Regelung der Aufhebung ist mangels Nennung des aufzuhebenden Bescheids zwar rechtswidrig, sie ist aber nicht nichtig iS des § 40 SGB X und damit wirksam(§ 39 Abs 2, 3 SGB X). Da der aufhebende Verwaltungsakt nicht binnen Jahresfrist angefochten worden ist, ist er zudem bindend geworden.

27

c) Der angegriffene Verwaltungsakt (Versicherungsschein vom 22.10.2008) ist nicht formell rechtswidrig und nicht aufzuheben, obwohl eine Anhörung des Klägers unterblieben war, denn von dieser konnte abgesehen werden.

28

Insoweit ist schon umstritten, ob vor Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung der Zuständigkeit (§ 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII) oder Bestätigung einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer, dem gegenüber die Regelung getroffen wird, zuvor nach § 24 SGB X anzuhören ist(für das Erfordernis einer Anhörung: Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand April 2009, § 136 RdNr 10; gegen Anhörung: Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Januar 2009, § 136 SGB VII RdNr 5). Ob vor Erlass eines auf § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII gestützten Verwaltungsakt eine Anhörung des Adressaten zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb nicht rechtswidrig, da eine Anhörungspflicht vorliegend nach § 24 Abs 2 Nr 4 Alt 2 SGB X nicht bestanden hat. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung angesehen werden, wenn gleichartige Verwaltungsakte in großer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass bei ihr Ende 2007 ca 251.000 Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert waren, deren Versicherungsverhältnisse zum 1.1.2008 auf freiwillige Versicherungen überführt werden sollten. Die Beklagte hatte gegenüber einer Vielzahl von Adressaten zum 1.1.2008 Regelungen zu treffen, die nach Art, Form und Inhalt gleich waren. In dieser Situation konnte sie von einer Anhörung absehen (vgl zur Umsetzung einer Satzungsregelung auch BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13, 14; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 24 SGB X RdNr 28).

29

d) Der die freiwillige Versicherung des Klägers ab 1.1.2008 feststellende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn entgegen der Feststellung ist keine freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten begründet worden. Die Satzungsregelung, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und bietet deshalb keine materiell-rechtliche Grundlage für die getroffene Regelung.

30

aa) Die Beklagte kann sich für den Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung nach § 6 SGB VII auf die Ermächtigung des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stützen.

31

Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest(BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen. Die Ermächtigung gilt auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass materiell-rechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber wirksam (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X). Durch einen solchen materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt wird ggf ein sog Formalversicherungsverhältnis begründet. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers festzustellen (sog Aufnahmebescheid, dazu Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5; zur Bestätigung einer freiwilligen Versicherung vgl auch Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8).

32

Der Verwaltungsakt ist aber rechtswidrig, da der Tatbestand des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht erfüllt ist, weil die Beklagte für den Kläger nicht zuständig war. Dies wäre sie nur gewesen, wenn ein freiwilliges Versicherungsverhältnis am 1.1.2008 entstanden wäre. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bb) und auch nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung (cc) ist dies aber nicht der Fall.

33

bb) Zwar ist der Kläger Unternehmer iS des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII, da ihm das Ergebnis des Unternehmens - der Gaststätte - unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII); eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl auch BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 16 mwN). Eine freiwillige Versicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 50 Abs 1 der Satzung kann aber nur durch schriftlichen Antrag begründet werden. Da der Kläger keinen schriftlichen Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beklagten gestellt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt.

34

cc) Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten wurde auch nicht nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begründet.

35

Zwar sieht diese Satzungsregelung vor, dass die Versicherung der Unternehmer, die bis 31.12.2007 kraft Satzung pflichtversichert waren, ohne Antrag als freiwillige Versicherung fortbesteht, wenn der Unternehmer nicht bis 31.12.2007 widerspricht oder kündigt.

36

Die Regelung des angegriffenen Verwaltungsakts entspricht inhaltlich der Satzungsregelung, ist also satzungskonform. Der Verwaltungsakt ist dennoch rechtswidrig, weil die Satzungsregelung, auf die er gestützt worden ist, unwirksam ist. Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Es gehörte nicht zu ihren gesetzlichen Aufgaben, eine freiwillige Versicherung ohne Antrag oder einen "Mischtyp" aus Pflichtversicherung kraft Satzung und freiwilliger Versicherung zu schaffen.

37

Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der GUV(vgl § 22 SGB I) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (vgl Rüfner in Wannagat, SGB I, Stand Juli 2000, § 31 RdNr 7; Klose in Jahn, SGB I, Stand Februar 2011, § 31 RdNr 11 f; Seewald in Kasseler Kommentar, September 2007, § 31 SGB I RdNr 8 und 13). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 SGB IV, denen das GG keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist(anders Art 28 Abs 2 GG für örtliche Angelegenheiten der Gemeinden, Allzuständigkeit), haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - UV-Recht , 1996, § 19 RdNr 5; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 34 RdNr 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 23 RdNr 42).

38

Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 18 mwN). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl aaO). Für die Regelung in § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung, die eine freiwillige Versicherung bislang pflichtversicherter Unternehmer ohne schriftlichen Antrag zum 1.1.2008 begründet, fehlt der Beklagten eine Satzungskompetenz.

39

aaa) Eine Ermächtigung, die freiwillige Versicherung kraft Satzung zu regeln, besteht nicht.

40

§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art 20 Abs 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten(vgl Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, § 34 RdNr 43, 46). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte" wie den Erlass einer Satzung nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs 1 SGB IV).

41

bbb) Der Gesetzgeber hat den nicht in der GUV pflichtversicherten Personen, die von § 6 SGB VII erfasst werden, ein subjektiv-öffentliches Gestaltungsrecht zur Begründung einer freiwilligen Versicherung eingeräumt, sofern sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Er hat darin die Unfallversicherungsträger aber nicht ermächtigt, in ihrer Satzung eine "freiwillige Versicherung" unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SGB VII zu schaffen, insbesondere unter "Verzicht" auf einen schriftlichen Antrag. Da § 6 SGB VII keine ausdrückliche Zuweisung einer Satzungskompetenz enthält, umfasst die (allgemeine) Kompetenz der Beklagten insoweit nur Regelungen über ein durch Antrag entstandenes freiwilliges Versicherungsverhältnis.

42

Dass § 6 SGB VII als Tatbestandsvoraussetzung für eine freiwillige Versicherung immer einen schriftlichen Antrag erfordert, folgt aus dem Gesetzeswortlaut und wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits zu den Vorgängerregelungen des § 6 SGB VII, nach der sich Unternehmer versichern(so § 539 RVO idF des 6. UVÄndG vom 9.3.1942 - RGBl I 107) oder freiwillig der Unfallversicherung beitreten konnten (so § 545 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30.4.1963 - BGBl I 241), hat das BSG ausgeführt, dass es zur Begründung der freiwilligen Versicherung eines Antrags, also einer auf die Begründung des Versicherungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung des Unternehmers, bedarf (vgl BSG vom 25.8.1965 - 2 RU 167/62 - BSGE 23, 248, 251; BSG vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 91 - Juris RdNr 20). Dieses Antragserfordernis hat der Gesetzgeber (vgl Art 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7.8.1996, BGBl I 1254) ausdrücklich in den Wortlaut von § 6 SGB VII, der als Nachfolgeregelung im Wesentlichen § 545 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechen soll(vgl BT-Drucks 13/2204 S 77 zu § 6), aufgenommen und zudem Schriftform vorgeschrieben.

43

§ 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung kann also nicht auf § 6 SGB VII gestützt werden.

44

ccc) Auch aus § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII ergibt sich eine Ermächtigung zu einer Satzungsnorm, wie sie § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten enthält, nicht.

45

Die Vorschrift ermächtigt die Beklagte, als Satzungsgeberin zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Pflichtversicherung in der GUV auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner erstreckt (vgl BT-Drucks 13/2204 S 76 zu § 3). Miterfasst ist die Ermächtigung, mit Wirkung für die Zukunft zu bestimmen, dass eine bisher geltende Pflichtversicherung kraft Satzung endet, sich also nicht mehr auf den bisher versicherten Personenkreis erstreckt. Die Beklagte kann durch Satzung auch bestimmte Voraussetzungen für die Pflichtversicherung festlegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte ermächtigt gewesen, Satzungsregelungen wie §§ 43 bis 48 ihrer Satzung idF vom 15.9.2006 zu erlassen, die die Pflichtversicherung von Unternehmern mit Wirkung zum 1.1.2008 beenden.

46

Soweit § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung zum 1.1.2008 für ehemals kraft Satzung pflichtversicherte Unternehmer anordnet, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen als eine freiwillige fortbesteht, liegt darin gerade keine Bestimmung über das "Ob" oder "Wie" einer Pflichtversicherung kraft Satzung im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die freiwillige Versicherung nach dem SGB VII ist nicht eine "Art" der Versicherung über die die Beklagte gemäß § 3 SGB VII kraft Satzung Regelungen treffen kann. Vielmehr sind die gesetzlichen Vorgaben beider Arten von Versicherungen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises und des Beginns der Versicherung unterschiedlich ausgestaltet. § 3 SGB VII enthält keine (stillschweigende) gesetzliche Ermächtigung für die Schaffung einer freiwilligen Versicherung durch Satzung in Abweichung oder neben dem vom Gesetz ausgestalteten Institut der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 SGB VII.

47

ddd) § 3 SGB VII verschafft der Beklagten auch keine Satzungsermächtigung, eine der getroffenen Regelung entsprechende "Übergangsregelung" im Zusammenhang mit der Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung zu treffen.

48

Zunächst hat der Gesetzgeber selbst in § 213 SGB VII für bestimmte Unternehmer und ihre Ehegatten eine Übergangsregelung als eine von § 6 Abs 1 SGB VII abweichende Sonderregelung zum Entstehen und Beginn einer freiwilligen Versicherung geschaffen. Eine Satzungskompetenz hat er dafür den Unfallversicherungsträgern aber gerade nicht eingeräumt. Aus "eigenem Recht" können diese eine solche Übergangsregelung nicht schaffen, da eine solche Satzungskompetenz den Trägern der GUV nicht durch Gesetz übertragen worden ist. § 213 SGB VII ist ua schon mangels Regelungslücke im SGB VII auch nicht im Wege der Analogie auf die untergesetzliche Ebene der Satzungsregelungen zu übertragen, weil jede Satzungskompetenz gerade eine parlamentsgesetzliche Zuweisung von Normsetzungsmacht voraussetzt.

49

§ 3 SGB VII weist der Beklagten nur die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Fortsetzung der Versicherung als freiwillige ist aber keine Regelung mehr, die sich innerhalb der Kompetenz zur Regelung von Satzungspflichtversicherungen hält, sondern geht darüber hinaus. Wie die Beklagte gezeigt hat, hat der Gesetzgeber erwogen, den Trägern der GUV eine entsprechende Satzungskompetenz zu übertragen. An diesem Gesetzentwurf hat sich die Beklagte auch orientiert. Allerdings hat - aus welchen Gründen ist weder bekannt noch erheblich - der Gesetzgeber keinen Gesetzesbeschluss gefasst, der der Beklagten die Kompetenz zur Regelung solcher "Übergänge" eingeräumt hat.

50

§ 3 SGB VII ermächtigt die Beklagte schließlich nicht dazu, einen Mischtyp von Versicherungen zu schaffen, sozusagen eine Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung unter der Bedingung der Fortführung als freiwillige Versicherung oder eine Pflichtversicherung kraft Satzung mit den Kündigungsrechten einer freiwilligen Versicherung. Das SGB VII kennt solche Mischformen nicht. § 3 SGB VII ermöglicht die Begründung einer Pflichtversicherung nur für Personengruppen, die ähnlich wie die in § 2 SGB VII genannten Gruppen des Schutzes der GUV bedürfen. Es wäre in sich widersprüchlich, eine Personengruppe nach Maßgabe des § 3 SGB VII aufgrund einer Satzung in die Versicherungspflicht einzubeziehen, da sie des Schutzes der GUV bedürfe, ihr aber zugleich die Entscheidung zu eröffnen, der Einbeziehung in die Versicherung widersprechen oder sie kündigen zu können.

51

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 SGB VII ist § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nichtig, der darauf gestützte Verwaltungsakt rechtswidrig, da er ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII in den Rechtskreis des Klägers eingreift.

52

dd) Eine "weitere Anwendung" der mit dem SGB VII nicht vereinbaren Satzungsregelung für eine Übergangszeit, ist nicht erlaubt. Ein extremer Ausnahmefall, in dem anderes gelten könnte, liegt nicht vor. Insbesondere geht es nicht darum, eine durch die Nichtanwendung drohende Situation abzuwenden, die noch weiter von den gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorgaben entfernt wäre als die durch eine Anwendung der nichtigen Satzungsnorm entstehende, sondern nur um die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung begründet worden ist.

53

Grundsätzlich sind Satzungsregelungen, wie hier § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten, bei einem Verstoß gegen höherrangiges Recht nichtig(vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19). Normen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (vgl BVerfG vom 3.11.1982 - 1 BvR 620/78 - BVerfGE 61, 319-357 - Juris RdNr 101 mwN).

54

Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, dass Satzungsregelungen, die im Falle des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig sind, ausnahmsweise aber für eine Übergangszeit (weiter) anzuwenden sind (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; ebenso BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 18 f). Voraussetzung für die Weiteranwendung ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass der Zustand bei Nichtanwendung der Norm für die Übergangszeit von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als ein Zustand, bei dem den Normunterworfenen die Anwendung der rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit zugemutet wird. Im Beitragsrecht kommt dies nur bei haushaltsrechtlich bedeutsamen Normen in Betracht, bei denen eine Rückabwicklung faktisch unmöglich ist und unkalkulierbare Haushaltsrisiken bis hin zu drohender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers vermieden werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19 f). So hat es der Senat als nicht hinnehmbar angesehen, dass bis zum Erlass einer rechtskonformen Satzung alle Beitragsbescheide als rechtswidrig angegriffen und neue Beitragsbescheide aufgrund einer neuen Satzung ggf rückwirkend hätten erteilt werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 47 RdNr 20 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 19 - Juris RdNr 31; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 21), zumal das BSG in der Vergangenheit die Satzungen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen hatte.

55

Mit solchen Konstellationen ist der Fall des Klägers indes nicht vergleichbar. Denn während in den oben genannten Fällen der Satzungsgeber die notwendige Satzungskompetenz hatte, um - ggf uU sogar rückwirkend - eine rechtswirksame, mit dem Gesetz in Einklang stehende Beitragssatzung mit demselben Inhalt wie die bisherige Regelung zu erlassen und damit rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die beanstandeten Verwaltungsakte zu schaffen, ist der Beklagten der rückwirkende Erlass einer Satzung, die eine freiwillige Versicherung ohne schriftlichen Antrag vorsieht, mangels entsprechender Satzungskompetenz dauerhaft verwehrt.

56

Die Anwendung des § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung scheidet deshalb aus.

57

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das SG auch die Verwaltungsakte über die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragsfestsetzungen aufgehoben hat (vgl zum Beitragsverfahren auch Mutschler WzS 2009, 353, 354).

58

Der Verwaltungsakt vom 22.10.2008 über die Veranlagung des Klägers unter Gefahrtarifstelle 18 wegen freiwilliger Versicherung mit der Gefahrklasse 5,2 ist mangels freiwilliger Versicherung wegen unrichtiger Einordnung des Klägers rechtswidrig und beeinträchtigt ihn in seinen Rechten.

59

Soweit das SG auch den Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben hat, bedarf das Urteil der Richtigstellung. Der Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 ist durch den endgültigen Beitragsbescheid vom 28.7.2009 vollständig ersetzt worden und war daher bereits vor Klageerhebung gemäß § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 8a; BSG vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 126 und 131; BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13 mwN). Die Festsetzung des endgültigen Beitrags und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 28.7.2009 sind an die Stelle der Festsetzung der voraussichtlichen Beitragsschuld und des darauf bezogenen Zahlungsgebots getreten.

60

Zwar ist im Tenor des Urteils nur die Aufhebung des "Bescheides vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009" ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe hat das SG auch den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben. Einerseits hat es durch seinen Ausspruch deutlich gemacht, dass es den Bescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 auch hinsichtlich seiner beitragsrechtlichen Regelung beseitigen wollte. Das SG hat auch gesehen, dass der Beitragsbescheid vom 28.7.2009 die Beitragsforderung durch die endgültige Festsetzung geändert hat. Entsprechend dem Klagebegehren des Klägers, der die Bescheide vom 8.4.2009 und 28.7.2009 seiner Klagebegründung beigefügt hat, ist der Ausspruch des SG dahingehend auszulegen, dass das SG auch den ersetzenden Verwaltungsakt vom 28.7.2009 aufgehoben hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit klargestellt worden ist.

61

Die Revision der Beklagten ist auch unbegründet, soweit angefochten wird, dass das SG den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben hat. Der Beitragsbescheid durfte nicht ergehen, da der Kläger nicht bei der Beklagten freiwillig versichert und daher nicht nach § 150 Abs 1 Satz 2 SGB VII beitragspflichtig ist.

62

3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

63

Der Kläger gehört - was das SG übersehen hat - nicht zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Personen, da er mit dem Rechtsstreit keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der GUV verfolgt, sondern sich gegen die Einbeziehung in die GUV als freiwillig versicherter Unternehmer, gegen die Veranlagung und die Beitragserhebung gewandt hat(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 28; BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6; BSG vom 3.1.2006 - B 2 U 367/05 B; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B). Der Senat kann die insoweit fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24; BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

64

Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da die Klage Erfolg hatte und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des SG trotz der Maßgabe im Tenor ohne Erfolg geblieben ist.

65

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

66

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses, evtl mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich für die Beteiligten in beiden Instanzen nach den geforderten Beiträgen in Höhe von 454,28 € (§ 52 Abs 3 GKG).

67

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats mindestens der Auffangstreitwert zu Grunde zu legen, wenn die Beteiligten über die Erhebung von Beiträgen als Unternehmer streiten, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind (vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - bereits vor Klageerhebung die Mitgliedschaft unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist.

68

Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert zugleich für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 Satz 1 GKG). Zumindest bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich bleibendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie die von den Instanzgerichten getroffene Festsetzung ändern und eine ggf unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 23; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24).

Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten,

1.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind,
2.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts auch den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2009 aufgehoben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 454,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger vom 1.1.2008 bis zum 30.11.2008 bei der beklagten BG freiwillig versichert war, sie ihn zu Recht zu der entsprechenden Gefahrklasse veranlagte und Beiträge für diese Zeit festsetzte.

2

Der Kläger war, wie etwa 251.000 andere Kleinunternehmer im Gaststätten- und Nahrungsmittelbereich aufgrund einer Satzung der Beklagten, die auf § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII gestützt war, pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 beschloss die Beklagte eine Satzungsänderung, durch welche für diese Unternehmer die Pflichtversicherung kraft Satzung mit Ende des Jahres 2007 entfiel. Zugleich wurde in § 50 Abs 2 der Satzung eine Regelung getroffen, nach der die Mitgliedschaft ohne Antrag als freiwillige Versicherung ab dem 1.1.2008 fortbestehe, falls die davon unterrichteten Betroffenen nicht zuvor kündigten. Der Übergang zur freiwilligen Versicherung, über den im Oktober 2007 unterrichtet wurde, führte häufig zu einer höheren Beitragsbelastung.

3

Der Kläger betrieb seit August 1999 eine Gaststätte in dem Sportheim des FC C. e.V. Der Ausschank erfolgte bei Heimspielen wöchentlich für die Dauer von fünf bis sechs Stunden. Bis zum 31.12.2007 war der Kläger als Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) bei der BGN kraft Satzung pflichtversichert. Als Jahresbeitrag wurde der Mindestbeitrag in Höhe von zuletzt 50 € erhoben. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte ihm die BG mit, seine kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung werde zum 31.12.2007 enden. Alle Unternehmer, die zum 31.12.2007 bei der BGN pflichtversichert seien, blieben aber weiter versichert, wenn sie dies wünschten. Ihre Pflichtversicherung laufe automatisch als freiwillige Versicherung weiter, ohne dass ein Antrag nötig sei. Sofern der Kläger keine Fortführung des Versicherungsschutzes als freiwillige Versicherung wünsche, "genüge ein kurzes Schreiben". Bei Eingang einer Kündigung bei der BGN bis zum 31.12.2007 ende die Versicherung. Bei Kündigungen nach dem 1.1.2008 ende die eingetretene freiwillige Versicherung mit Ablauf des Monats des Kündigungseingangs. Für alle freiwillig Versicherten gelte einheitlich eine Mindestversicherungssumme von 24.000 € und eine Gefahrklasse von 5,2. Beigefügt war auch ein Antragsformular auf freiwillige Versicherung. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.

4

Mit Bescheid vom 22.10.2008, der in drei Abschnitte gegliedert war, erhielt der Kläger einen "Versicherungsschein über die freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII i.V.m. der Satzung" ab dem 1.1.2008, einen "Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen (§ 159 SGB VII)" mit Veranlagung unter dem Gewerbezweig freiwillige Versicherung zur Gefahrklasse 5,2 sowie einen "Vorauszahlungsbescheid" für das laufende Jahr über 531,65 €. Im Abschnitt "Versicherungsschein" ist ausgeführt, die satzungsmäßige Pflichtversicherung des Klägers sei zum 1.1.2008 in eine freiwillige Versicherung überführt worden, die Versicherungssumme betrage 24.000 €.

5

Der Kläger legte mit Schreiben vom 17.11.2008 Widerspruch ein. Mit der Überführung in eine freiwillige Versicherung erkläre er sich nicht einverstanden. Er sehe nicht ein, dass der Beitrag nahezu auf das elffache des bisherigen Beitrags festgesetzt worden sei. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Kündigung der freiwilligen Versicherung zum 30.11.2008. Mit Bescheid vom 28.7.2009 setzte sie den Beitrag für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.2008 auf 454,28 € fest.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009). Die Überführung in die freiwillige Versicherung beruhe auf § 50 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags vom 28.6.2007. Die Regelung diene dem Schutz der Unternehmer, die evtl auf die Fortdauer des Versicherungsschutzes vertrauten. Die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung sei rechtswirksam. Die Veranlagung sei nach dem seit 1.1.2008 gültigen Gefahrtarif mit Gefahrklasse 5,2 erfolgt. Der Beitrag sei im Bescheid vom 28.7.2009 zutreffend berechnet worden.

7

Dagegen hat der Kläger beim SG Aachen Klage erhoben. Eine freiwillige Versicherung komme nicht durch Schweigen eines Versicherten zustande. Die späte Übersendung des Versicherungsscheines im Oktober 2008 deute darauf hin, dass man die Adressaten bewusst habe in die Irre leiten wollen. Mit Urteil vom 31.3.2010 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, da keine freiwillige Unternehmerversicherung zustande gekommen sei. Es fehle der erforderliche Antrag des Unternehmers auf Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung, so dass auch Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 50 der Satzung sei nach dem Gesamtzusammenhang so auszulegen, dass ein Antrag erforderlich sei. Eine andere Auslegung von § 50 Abs 2 der Satzung - im Sinne einer Überführung ohne Antrag - verstoße gegen § 6 Abs 1 SGB VII als höherrangiges Recht und könne keine rechtswirksame Grundlage für Erteilung eines Versicherungsscheines und die Erhebung von Beiträgen sein. Die Beklagte hat beim SG Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt. Sie hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten beigefügt, mit dem dieser mitgeteilt hat, dass er "die Zustimmung zum beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Revision" erteile. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

8

Die Beklagte hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 50 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sowie der §§ 6, 3 und 213 SGB VII. § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung regle rechtswirksam, dass für den Fall der Überführung der zum 31.12.2007 pflichtversicherten Unternehmer in die freiwillige Versicherung ausnahmsweise kein Antrag erforderlich sei, so dass die Beitragspflicht des Klägers entstanden sei. Dass die Vorschrift einen Antrag nicht voraussetze, ergebe sich schon aus dem Begriff "Überführung" sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Normgebers. Die Satzungsregelung orientiere sich an dem Entwurf zur Neufassung von § 213 SGB VII(§ 213 SGB VII-E), die in dem Referentenentwurf des "Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVRG)" als Übergangsregelung erwogen worden sei. § 213 SGB VII idF des Referentenentwurfs habe gelautet: "Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, die am 31.12.2008 nach § 3 Abs 1 Nr 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung in Verbindung mit der Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert waren, bleiben versichert. Die Versicherung wird als freiwillige Versicherung weitergeführt; eines Antrags nach § 6 Abs 1 bedarf es nicht. […]" Zudem habe die Beklagte bestehende Übergangsregelungen für vergleichbare Fälle berücksichtigt, wie § 1149 Abs 2 RVO und § 213 Abs 1 SGB VII. Die Regelung sei in enger Abstimmung mit dem BVA getroffen worden, das die Satzungsänderung genehmigt und in späteren Stellungnahmen als rechtmäßig bestätigt habe. § 50 Abs 2 Satz 1 SGB VII verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei ein Antrag nach § 6 SGB VII nur erforderlich, wenn ein bislang nicht Versicherter erstmals "in den Kreis der freiwillig Versicherten" eintrete. Die Beklagte sei auch durch § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu einer solchen Regelung ermächtigt. Der weitreichende Entscheidungsspielraum für die Regelung einer Pflichtversicherung von Unternehmern kraft Satzung erstrecke sich auf deren Abschaffung und ermächtige zu Übergangsregelungen.

9

Hilfsweise sei § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung im Falle seiner Rechtswidrigkeit entsprechend der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4.12.2007 (B 2 U 36/06 R) aus "zwingenden Gründen" weiter anzuwenden.

10

Dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Versicherung 2008 deutlich höher sei als der Beitrag zur Pflichtversicherung 2007, beruhe auf der vorherigen Sonderregelung des § 44 Abs 4 der Satzung idF des 8. Nachtrags und der geringen Arbeitsstundenzahl des Klägers.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

13

Die mit dem Übergang auf eine freiwillige Versicherung verbundene Erhöhung der Beiträge sei unverhältnismäßig.

14

Das BSG hat Anfragen zur Zahl der betroffenen Unternehmer und zur Gestaltung von Satzungsregelungen beim Übergang von der Satzungspflichtversicherung auf die freiwillige Versicherung bei anderen BGen an das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Beklagte gerichtet. Das BVA hat mit Schreiben vom 22.2.2011, die Beklagten mit Schreiben vom 28.2.2011 geantwortet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet.

16

A. Die Revision ist zulässig.

17

Die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig, denn das SG hat diese durch gesonderten Beschluss vom 21.7.2010 zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat die Beklagte die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG). Auch ergibt sich aus der Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten hinreichend deutlich, dass er nicht nur der Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, was aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsschutz des Revisionsgegners erforderlich ist (vgl BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 28.11.1990 - 4 RA 19/90 - SozR 3-2200 § 1304a Nr 1 S 3). Die Erklärung ist vom rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers in Kenntnis des vollständig zugestellten Urteils abgegeben worden. Sie umfasst auch die Zustimmung zur Einlegung der Revision durch die Beklagte (vgl zur Auslegung einer Erklärung nach Urteilszustellung ua BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252, 253 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 9; BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 8/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 2 - Juris RdNr 14; BSG vom 22.4.1998 - B 9 SB 7/97 R - SozR 3-1500 § 161 Nr 13 - Juris RdNr 17). Auch im Übrigen ist die Revision zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

18

B. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

19

Das SG hat zu Recht die angefochtenen Verwaltungsakte in dem Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 sowie in dem Bescheid vom 28.7.2009, diese jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Beklagte war nicht ermächtigt, den bei ihr bis Ende 2007 kraft Satzung als Unternehmer pflichtversicherten Kläger ohne dessen Antrag ab 1.1.2008 als freiwilliges Mitglied zu versichern (1.). Die Beklagte war auch nicht ermächtigt, das Unternehmen zu veranlagen und den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten (2.).

20

1. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 aufgehoben, soweit dieser die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als freiwillig versicherter Unternehmer feststellt. Der "Versicherungsschein" in dem Bescheid ist als Feststellung des Beginns einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu verstehen (a). Dem Erlass eines solchen Verwaltungsakts stand nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegen, mit dem die Beklagte festgestellt hatte, der Kläger sei pflichtversichertes Mitglied kraft Satzung (b). Der Verwaltungsakt über die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist zwar formell rechtmäßig ergangen (c), er ist aber materiell rechtswidrig, da die Satzungsregelung, auf die die Beklagte den Verwaltungsakt gestützt hat, mit § 6 Abs 1 SGB VII nicht vereinbar ist (d).

21

a) Die Feststellung des Bestehens der freiwilligen Versicherung des Klägers in dem Versicherungsschein im Bescheid vom 22.10.2008 ist ein Verwaltungsakt.

22

Diese an den Kläger gerichtete behördliche Erklärung im sogenannten Versicherungsschein, dass seine satzungsmäßige Pflichtversicherung in eine freiwillige Versicherung mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2008 und einer Versicherungssumme von 24.000 € überführt wurde, ist aus objektivem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Die Verwaltungserklärung ist so zu verstehen, dass sie dem Kläger gegenüber das Bestehen eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, feststellen und so eine Regelung (siehe § 31 SGB I) im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X treffen sollte(vgl § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII; dazu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 136 Anm 3.1; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 10). Denn ein Empfänger des Versicherungsscheins, der zuvor mit Schreiben der Beklagten vom 10.10.2007 über die Beendigung der Pflichtversicherung und die "Überführung" in die freiwillige Versicherung informiert worden war, musste davon ausgehen, dass der an ihn individuell gerichtete Versicherungsschein nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch die BG in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - vom Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist. Der Abschluss dieses Verfahrens durch ein (Bestätigungs-)Schreiben der BG, hier Versicherungsschein genannt, ist aus Sicht eines objektiven Empfängers die Feststellung des Versicherungsverhältnisses im konkreten Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8; Wiester in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand Dezember 2001, § 6 RdNr 48).

23

b) Dieser Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil ihm die Bindungswirkung des Verwaltungsakts entgegensteht, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber die Pflichtmitgliedschaft kraft Satzung festgestellt hat.

24

Zwar hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt vom 10.12.1999 dem Kläger gegenüber bindend festgestellt, sie sei der für dessen Unternehmen zuständige Unfallversicherungsträger; die Pflichtversicherung des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Ehegattin kraft Satzung werde hiermit festgestellt. Die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt aber seinerseits durch Verwaltungsakt aufgehoben (§ 48 SGB X), als sie dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10.10.2007 über die anstehende Änderung seiner Versicherung informiert und unmittelbar im ersten Absatz dieses Schreibens erklärt hat: "Wir informieren Sie heute über die Änderung Ihres Versicherungsschutzes … zum 1.1.2008. Die kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten wird zum 31.12.2007 aufgehoben."

25

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl BSG vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24 f). Die Regelung eines aufhebenden Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X besteht darin, den früheren Verwaltungsakt aufzuheben.

26

Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2007 ist darauf gerichtet und vom Kläger so zu verstehen gewesen, dass die frühere Regelung einer Pflichtversicherung kraft Satzung, die im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger noch Bestand hatte, zum 31.12.2007 beseitigt werde. Zwar hat die Beklagte den aufzuhebenden Verwaltungsakt nicht ausdrücklich genannt, sondern nur geregelt, dass seine Pflichtversicherung als Unternehmer und diejenige seiner Ehefrau zum 31.12.2007 enden werde. Die Erklärung vom 10.10.2007, die bestehende Pflichtversicherung kraft Satzung werde beendet, ist eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar gewesen, dass die früher durch Verwaltungsakt festgestellte Pflichtversicherung kraft Satzung beseitigt werden soll. Der Inhalt der Regelung ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und eindeutig, was die Beklagte geregelt hat. Es ist nicht konkret bestimmt, welcher frühere Verwaltungsakt in welchem Umfang aufgehoben wird (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 mwN; von "Klarstellungsfunktion" spricht BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13). Die Regelung der Aufhebung ist mangels Nennung des aufzuhebenden Bescheids zwar rechtswidrig, sie ist aber nicht nichtig iS des § 40 SGB X und damit wirksam(§ 39 Abs 2, 3 SGB X). Da der aufhebende Verwaltungsakt nicht binnen Jahresfrist angefochten worden ist, ist er zudem bindend geworden.

27

c) Der angegriffene Verwaltungsakt (Versicherungsschein vom 22.10.2008) ist nicht formell rechtswidrig und nicht aufzuheben, obwohl eine Anhörung des Klägers unterblieben war, denn von dieser konnte abgesehen werden.

28

Insoweit ist schon umstritten, ob vor Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung der Zuständigkeit (§ 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII) oder Bestätigung einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer, dem gegenüber die Regelung getroffen wird, zuvor nach § 24 SGB X anzuhören ist(für das Erfordernis einer Anhörung: Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand April 2009, § 136 RdNr 10; gegen Anhörung: Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Januar 2009, § 136 SGB VII RdNr 5). Ob vor Erlass eines auf § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII gestützten Verwaltungsakt eine Anhörung des Adressaten zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb nicht rechtswidrig, da eine Anhörungspflicht vorliegend nach § 24 Abs 2 Nr 4 Alt 2 SGB X nicht bestanden hat. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung angesehen werden, wenn gleichartige Verwaltungsakte in großer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass bei ihr Ende 2007 ca 251.000 Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert waren, deren Versicherungsverhältnisse zum 1.1.2008 auf freiwillige Versicherungen überführt werden sollten. Die Beklagte hatte gegenüber einer Vielzahl von Adressaten zum 1.1.2008 Regelungen zu treffen, die nach Art, Form und Inhalt gleich waren. In dieser Situation konnte sie von einer Anhörung absehen (vgl zur Umsetzung einer Satzungsregelung auch BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13, 14; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 24 SGB X RdNr 28).

29

d) Der die freiwillige Versicherung des Klägers ab 1.1.2008 feststellende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn entgegen der Feststellung ist keine freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten begründet worden. Die Satzungsregelung, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und bietet deshalb keine materiell-rechtliche Grundlage für die getroffene Regelung.

30

aa) Die Beklagte kann sich für den Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung nach § 6 SGB VII auf die Ermächtigung des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stützen.

31

Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest(BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen. Die Ermächtigung gilt auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass materiell-rechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber wirksam (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X). Durch einen solchen materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt wird ggf ein sog Formalversicherungsverhältnis begründet. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers festzustellen (sog Aufnahmebescheid, dazu Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5; zur Bestätigung einer freiwilligen Versicherung vgl auch Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8).

32

Der Verwaltungsakt ist aber rechtswidrig, da der Tatbestand des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht erfüllt ist, weil die Beklagte für den Kläger nicht zuständig war. Dies wäre sie nur gewesen, wenn ein freiwilliges Versicherungsverhältnis am 1.1.2008 entstanden wäre. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bb) und auch nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung (cc) ist dies aber nicht der Fall.

33

bb) Zwar ist der Kläger Unternehmer iS des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII, da ihm das Ergebnis des Unternehmens - der Gaststätte - unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII); eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl auch BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 16 mwN). Eine freiwillige Versicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 50 Abs 1 der Satzung kann aber nur durch schriftlichen Antrag begründet werden. Da der Kläger keinen schriftlichen Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beklagten gestellt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt.

34

cc) Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten wurde auch nicht nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begründet.

35

Zwar sieht diese Satzungsregelung vor, dass die Versicherung der Unternehmer, die bis 31.12.2007 kraft Satzung pflichtversichert waren, ohne Antrag als freiwillige Versicherung fortbesteht, wenn der Unternehmer nicht bis 31.12.2007 widerspricht oder kündigt.

36

Die Regelung des angegriffenen Verwaltungsakts entspricht inhaltlich der Satzungsregelung, ist also satzungskonform. Der Verwaltungsakt ist dennoch rechtswidrig, weil die Satzungsregelung, auf die er gestützt worden ist, unwirksam ist. Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Es gehörte nicht zu ihren gesetzlichen Aufgaben, eine freiwillige Versicherung ohne Antrag oder einen "Mischtyp" aus Pflichtversicherung kraft Satzung und freiwilliger Versicherung zu schaffen.

37

Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der GUV(vgl § 22 SGB I) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (vgl Rüfner in Wannagat, SGB I, Stand Juli 2000, § 31 RdNr 7; Klose in Jahn, SGB I, Stand Februar 2011, § 31 RdNr 11 f; Seewald in Kasseler Kommentar, September 2007, § 31 SGB I RdNr 8 und 13). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 SGB IV, denen das GG keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist(anders Art 28 Abs 2 GG für örtliche Angelegenheiten der Gemeinden, Allzuständigkeit), haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - UV-Recht , 1996, § 19 RdNr 5; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 34 RdNr 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 23 RdNr 42).

38

Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 18 mwN). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl aaO). Für die Regelung in § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung, die eine freiwillige Versicherung bislang pflichtversicherter Unternehmer ohne schriftlichen Antrag zum 1.1.2008 begründet, fehlt der Beklagten eine Satzungskompetenz.

39

aaa) Eine Ermächtigung, die freiwillige Versicherung kraft Satzung zu regeln, besteht nicht.

40

§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art 20 Abs 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten(vgl Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, § 34 RdNr 43, 46). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte" wie den Erlass einer Satzung nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs 1 SGB IV).

41

bbb) Der Gesetzgeber hat den nicht in der GUV pflichtversicherten Personen, die von § 6 SGB VII erfasst werden, ein subjektiv-öffentliches Gestaltungsrecht zur Begründung einer freiwilligen Versicherung eingeräumt, sofern sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Er hat darin die Unfallversicherungsträger aber nicht ermächtigt, in ihrer Satzung eine "freiwillige Versicherung" unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SGB VII zu schaffen, insbesondere unter "Verzicht" auf einen schriftlichen Antrag. Da § 6 SGB VII keine ausdrückliche Zuweisung einer Satzungskompetenz enthält, umfasst die (allgemeine) Kompetenz der Beklagten insoweit nur Regelungen über ein durch Antrag entstandenes freiwilliges Versicherungsverhältnis.

42

Dass § 6 SGB VII als Tatbestandsvoraussetzung für eine freiwillige Versicherung immer einen schriftlichen Antrag erfordert, folgt aus dem Gesetzeswortlaut und wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits zu den Vorgängerregelungen des § 6 SGB VII, nach der sich Unternehmer versichern(so § 539 RVO idF des 6. UVÄndG vom 9.3.1942 - RGBl I 107) oder freiwillig der Unfallversicherung beitreten konnten (so § 545 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30.4.1963 - BGBl I 241), hat das BSG ausgeführt, dass es zur Begründung der freiwilligen Versicherung eines Antrags, also einer auf die Begründung des Versicherungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung des Unternehmers, bedarf (vgl BSG vom 25.8.1965 - 2 RU 167/62 - BSGE 23, 248, 251; BSG vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 91 - Juris RdNr 20). Dieses Antragserfordernis hat der Gesetzgeber (vgl Art 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7.8.1996, BGBl I 1254) ausdrücklich in den Wortlaut von § 6 SGB VII, der als Nachfolgeregelung im Wesentlichen § 545 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechen soll(vgl BT-Drucks 13/2204 S 77 zu § 6), aufgenommen und zudem Schriftform vorgeschrieben.

43

§ 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung kann also nicht auf § 6 SGB VII gestützt werden.

44

ccc) Auch aus § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII ergibt sich eine Ermächtigung zu einer Satzungsnorm, wie sie § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten enthält, nicht.

45

Die Vorschrift ermächtigt die Beklagte, als Satzungsgeberin zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Pflichtversicherung in der GUV auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner erstreckt (vgl BT-Drucks 13/2204 S 76 zu § 3). Miterfasst ist die Ermächtigung, mit Wirkung für die Zukunft zu bestimmen, dass eine bisher geltende Pflichtversicherung kraft Satzung endet, sich also nicht mehr auf den bisher versicherten Personenkreis erstreckt. Die Beklagte kann durch Satzung auch bestimmte Voraussetzungen für die Pflichtversicherung festlegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte ermächtigt gewesen, Satzungsregelungen wie §§ 43 bis 48 ihrer Satzung idF vom 15.9.2006 zu erlassen, die die Pflichtversicherung von Unternehmern mit Wirkung zum 1.1.2008 beenden.

46

Soweit § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung zum 1.1.2008 für ehemals kraft Satzung pflichtversicherte Unternehmer anordnet, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen als eine freiwillige fortbesteht, liegt darin gerade keine Bestimmung über das "Ob" oder "Wie" einer Pflichtversicherung kraft Satzung im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die freiwillige Versicherung nach dem SGB VII ist nicht eine "Art" der Versicherung über die die Beklagte gemäß § 3 SGB VII kraft Satzung Regelungen treffen kann. Vielmehr sind die gesetzlichen Vorgaben beider Arten von Versicherungen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises und des Beginns der Versicherung unterschiedlich ausgestaltet. § 3 SGB VII enthält keine (stillschweigende) gesetzliche Ermächtigung für die Schaffung einer freiwilligen Versicherung durch Satzung in Abweichung oder neben dem vom Gesetz ausgestalteten Institut der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 SGB VII.

47

ddd) § 3 SGB VII verschafft der Beklagten auch keine Satzungsermächtigung, eine der getroffenen Regelung entsprechende "Übergangsregelung" im Zusammenhang mit der Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung zu treffen.

48

Zunächst hat der Gesetzgeber selbst in § 213 SGB VII für bestimmte Unternehmer und ihre Ehegatten eine Übergangsregelung als eine von § 6 Abs 1 SGB VII abweichende Sonderregelung zum Entstehen und Beginn einer freiwilligen Versicherung geschaffen. Eine Satzungskompetenz hat er dafür den Unfallversicherungsträgern aber gerade nicht eingeräumt. Aus "eigenem Recht" können diese eine solche Übergangsregelung nicht schaffen, da eine solche Satzungskompetenz den Trägern der GUV nicht durch Gesetz übertragen worden ist. § 213 SGB VII ist ua schon mangels Regelungslücke im SGB VII auch nicht im Wege der Analogie auf die untergesetzliche Ebene der Satzungsregelungen zu übertragen, weil jede Satzungskompetenz gerade eine parlamentsgesetzliche Zuweisung von Normsetzungsmacht voraussetzt.

49

§ 3 SGB VII weist der Beklagten nur die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Fortsetzung der Versicherung als freiwillige ist aber keine Regelung mehr, die sich innerhalb der Kompetenz zur Regelung von Satzungspflichtversicherungen hält, sondern geht darüber hinaus. Wie die Beklagte gezeigt hat, hat der Gesetzgeber erwogen, den Trägern der GUV eine entsprechende Satzungskompetenz zu übertragen. An diesem Gesetzentwurf hat sich die Beklagte auch orientiert. Allerdings hat - aus welchen Gründen ist weder bekannt noch erheblich - der Gesetzgeber keinen Gesetzesbeschluss gefasst, der der Beklagten die Kompetenz zur Regelung solcher "Übergänge" eingeräumt hat.

50

§ 3 SGB VII ermächtigt die Beklagte schließlich nicht dazu, einen Mischtyp von Versicherungen zu schaffen, sozusagen eine Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung unter der Bedingung der Fortführung als freiwillige Versicherung oder eine Pflichtversicherung kraft Satzung mit den Kündigungsrechten einer freiwilligen Versicherung. Das SGB VII kennt solche Mischformen nicht. § 3 SGB VII ermöglicht die Begründung einer Pflichtversicherung nur für Personengruppen, die ähnlich wie die in § 2 SGB VII genannten Gruppen des Schutzes der GUV bedürfen. Es wäre in sich widersprüchlich, eine Personengruppe nach Maßgabe des § 3 SGB VII aufgrund einer Satzung in die Versicherungspflicht einzubeziehen, da sie des Schutzes der GUV bedürfe, ihr aber zugleich die Entscheidung zu eröffnen, der Einbeziehung in die Versicherung widersprechen oder sie kündigen zu können.

51

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 SGB VII ist § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nichtig, der darauf gestützte Verwaltungsakt rechtswidrig, da er ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII in den Rechtskreis des Klägers eingreift.

52

dd) Eine "weitere Anwendung" der mit dem SGB VII nicht vereinbaren Satzungsregelung für eine Übergangszeit, ist nicht erlaubt. Ein extremer Ausnahmefall, in dem anderes gelten könnte, liegt nicht vor. Insbesondere geht es nicht darum, eine durch die Nichtanwendung drohende Situation abzuwenden, die noch weiter von den gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorgaben entfernt wäre als die durch eine Anwendung der nichtigen Satzungsnorm entstehende, sondern nur um die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung begründet worden ist.

53

Grundsätzlich sind Satzungsregelungen, wie hier § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten, bei einem Verstoß gegen höherrangiges Recht nichtig(vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19). Normen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (vgl BVerfG vom 3.11.1982 - 1 BvR 620/78 - BVerfGE 61, 319-357 - Juris RdNr 101 mwN).

54

Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, dass Satzungsregelungen, die im Falle des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig sind, ausnahmsweise aber für eine Übergangszeit (weiter) anzuwenden sind (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; ebenso BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 18 f). Voraussetzung für die Weiteranwendung ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass der Zustand bei Nichtanwendung der Norm für die Übergangszeit von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als ein Zustand, bei dem den Normunterworfenen die Anwendung der rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit zugemutet wird. Im Beitragsrecht kommt dies nur bei haushaltsrechtlich bedeutsamen Normen in Betracht, bei denen eine Rückabwicklung faktisch unmöglich ist und unkalkulierbare Haushaltsrisiken bis hin zu drohender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers vermieden werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19 f). So hat es der Senat als nicht hinnehmbar angesehen, dass bis zum Erlass einer rechtskonformen Satzung alle Beitragsbescheide als rechtswidrig angegriffen und neue Beitragsbescheide aufgrund einer neuen Satzung ggf rückwirkend hätten erteilt werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 47 RdNr 20 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 19 - Juris RdNr 31; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 21), zumal das BSG in der Vergangenheit die Satzungen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen hatte.

55

Mit solchen Konstellationen ist der Fall des Klägers indes nicht vergleichbar. Denn während in den oben genannten Fällen der Satzungsgeber die notwendige Satzungskompetenz hatte, um - ggf uU sogar rückwirkend - eine rechtswirksame, mit dem Gesetz in Einklang stehende Beitragssatzung mit demselben Inhalt wie die bisherige Regelung zu erlassen und damit rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die beanstandeten Verwaltungsakte zu schaffen, ist der Beklagten der rückwirkende Erlass einer Satzung, die eine freiwillige Versicherung ohne schriftlichen Antrag vorsieht, mangels entsprechender Satzungskompetenz dauerhaft verwehrt.

56

Die Anwendung des § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung scheidet deshalb aus.

57

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das SG auch die Verwaltungsakte über die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragsfestsetzungen aufgehoben hat (vgl zum Beitragsverfahren auch Mutschler WzS 2009, 353, 354).

58

Der Verwaltungsakt vom 22.10.2008 über die Veranlagung des Klägers unter Gefahrtarifstelle 18 wegen freiwilliger Versicherung mit der Gefahrklasse 5,2 ist mangels freiwilliger Versicherung wegen unrichtiger Einordnung des Klägers rechtswidrig und beeinträchtigt ihn in seinen Rechten.

59

Soweit das SG auch den Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben hat, bedarf das Urteil der Richtigstellung. Der Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 ist durch den endgültigen Beitragsbescheid vom 28.7.2009 vollständig ersetzt worden und war daher bereits vor Klageerhebung gemäß § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 8a; BSG vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 126 und 131; BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13 mwN). Die Festsetzung des endgültigen Beitrags und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 28.7.2009 sind an die Stelle der Festsetzung der voraussichtlichen Beitragsschuld und des darauf bezogenen Zahlungsgebots getreten.

60

Zwar ist im Tenor des Urteils nur die Aufhebung des "Bescheides vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009" ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe hat das SG auch den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben. Einerseits hat es durch seinen Ausspruch deutlich gemacht, dass es den Bescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 auch hinsichtlich seiner beitragsrechtlichen Regelung beseitigen wollte. Das SG hat auch gesehen, dass der Beitragsbescheid vom 28.7.2009 die Beitragsforderung durch die endgültige Festsetzung geändert hat. Entsprechend dem Klagebegehren des Klägers, der die Bescheide vom 8.4.2009 und 28.7.2009 seiner Klagebegründung beigefügt hat, ist der Ausspruch des SG dahingehend auszulegen, dass das SG auch den ersetzenden Verwaltungsakt vom 28.7.2009 aufgehoben hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit klargestellt worden ist.

61

Die Revision der Beklagten ist auch unbegründet, soweit angefochten wird, dass das SG den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben hat. Der Beitragsbescheid durfte nicht ergehen, da der Kläger nicht bei der Beklagten freiwillig versichert und daher nicht nach § 150 Abs 1 Satz 2 SGB VII beitragspflichtig ist.

62

3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

63

Der Kläger gehört - was das SG übersehen hat - nicht zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Personen, da er mit dem Rechtsstreit keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der GUV verfolgt, sondern sich gegen die Einbeziehung in die GUV als freiwillig versicherter Unternehmer, gegen die Veranlagung und die Beitragserhebung gewandt hat(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 28; BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6; BSG vom 3.1.2006 - B 2 U 367/05 B; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B). Der Senat kann die insoweit fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24; BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

64

Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da die Klage Erfolg hatte und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des SG trotz der Maßgabe im Tenor ohne Erfolg geblieben ist.

65

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

66

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses, evtl mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich für die Beteiligten in beiden Instanzen nach den geforderten Beiträgen in Höhe von 454,28 € (§ 52 Abs 3 GKG).

67

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats mindestens der Auffangstreitwert zu Grunde zu legen, wenn die Beteiligten über die Erhebung von Beiträgen als Unternehmer streiten, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind (vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - bereits vor Klageerhebung die Mitgliedschaft unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist.

68

Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert zugleich für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 Satz 1 GKG). Zumindest bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich bleibendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie die von den Instanzgerichten getroffene Festsetzung ändern und eine ggf unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 23; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24).

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Sozialgerichts auch den Beitragsbescheid vom 28. Juli 2009 aufgehoben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für jede Instanz auf 454,28 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger vom 1.1.2008 bis zum 30.11.2008 bei der beklagten BG freiwillig versichert war, sie ihn zu Recht zu der entsprechenden Gefahrklasse veranlagte und Beiträge für diese Zeit festsetzte.

2

Der Kläger war, wie etwa 251.000 andere Kleinunternehmer im Gaststätten- und Nahrungsmittelbereich aufgrund einer Satzung der Beklagten, die auf § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII gestützt war, pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Im Jahr 2007 beschloss die Beklagte eine Satzungsänderung, durch welche für diese Unternehmer die Pflichtversicherung kraft Satzung mit Ende des Jahres 2007 entfiel. Zugleich wurde in § 50 Abs 2 der Satzung eine Regelung getroffen, nach der die Mitgliedschaft ohne Antrag als freiwillige Versicherung ab dem 1.1.2008 fortbestehe, falls die davon unterrichteten Betroffenen nicht zuvor kündigten. Der Übergang zur freiwilligen Versicherung, über den im Oktober 2007 unterrichtet wurde, führte häufig zu einer höheren Beitragsbelastung.

3

Der Kläger betrieb seit August 1999 eine Gaststätte in dem Sportheim des FC C. e.V. Der Ausschank erfolgte bei Heimspielen wöchentlich für die Dauer von fünf bis sechs Stunden. Bis zum 31.12.2007 war der Kläger als Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) bei der BGN kraft Satzung pflichtversichert. Als Jahresbeitrag wurde der Mindestbeitrag in Höhe von zuletzt 50 € erhoben. Mit Schreiben vom 10.10.2007 teilte ihm die BG mit, seine kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung werde zum 31.12.2007 enden. Alle Unternehmer, die zum 31.12.2007 bei der BGN pflichtversichert seien, blieben aber weiter versichert, wenn sie dies wünschten. Ihre Pflichtversicherung laufe automatisch als freiwillige Versicherung weiter, ohne dass ein Antrag nötig sei. Sofern der Kläger keine Fortführung des Versicherungsschutzes als freiwillige Versicherung wünsche, "genüge ein kurzes Schreiben". Bei Eingang einer Kündigung bei der BGN bis zum 31.12.2007 ende die Versicherung. Bei Kündigungen nach dem 1.1.2008 ende die eingetretene freiwillige Versicherung mit Ablauf des Monats des Kündigungseingangs. Für alle freiwillig Versicherten gelte einheitlich eine Mindestversicherungssumme von 24.000 € und eine Gefahrklasse von 5,2. Beigefügt war auch ein Antragsformular auf freiwillige Versicherung. Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.

4

Mit Bescheid vom 22.10.2008, der in drei Abschnitte gegliedert war, erhielt der Kläger einen "Versicherungsschein über die freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII i.V.m. der Satzung" ab dem 1.1.2008, einen "Bescheid über die Veranlagung zu den Gefahrklassen (§ 159 SGB VII)" mit Veranlagung unter dem Gewerbezweig freiwillige Versicherung zur Gefahrklasse 5,2 sowie einen "Vorauszahlungsbescheid" für das laufende Jahr über 531,65 €. Im Abschnitt "Versicherungsschein" ist ausgeführt, die satzungsmäßige Pflichtversicherung des Klägers sei zum 1.1.2008 in eine freiwillige Versicherung überführt worden, die Versicherungssumme betrage 24.000 €.

5

Der Kläger legte mit Schreiben vom 17.11.2008 Widerspruch ein. Mit der Überführung in eine freiwillige Versicherung erkläre er sich nicht einverstanden. Er sehe nicht ein, dass der Beitrag nahezu auf das elffache des bisherigen Beitrags festgesetzt worden sei. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Kündigung der freiwilligen Versicherung zum 30.11.2008. Mit Bescheid vom 28.7.2009 setzte sie den Beitrag für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.2008 auf 454,28 € fest.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009). Die Überführung in die freiwillige Versicherung beruhe auf § 50 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags vom 28.6.2007. Die Regelung diene dem Schutz der Unternehmer, die evtl auf die Fortdauer des Versicherungsschutzes vertrauten. Die vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung sei rechtswirksam. Die Veranlagung sei nach dem seit 1.1.2008 gültigen Gefahrtarif mit Gefahrklasse 5,2 erfolgt. Der Beitrag sei im Bescheid vom 28.7.2009 zutreffend berechnet worden.

7

Dagegen hat der Kläger beim SG Aachen Klage erhoben. Eine freiwillige Versicherung komme nicht durch Schweigen eines Versicherten zustande. Die späte Übersendung des Versicherungsscheines im Oktober 2008 deute darauf hin, dass man die Adressaten bewusst habe in die Irre leiten wollen. Mit Urteil vom 31.3.2010 hat das SG den Bescheid vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, da keine freiwillige Unternehmerversicherung zustande gekommen sei. Es fehle der erforderliche Antrag des Unternehmers auf Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung, so dass auch Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 50 der Satzung sei nach dem Gesamtzusammenhang so auszulegen, dass ein Antrag erforderlich sei. Eine andere Auslegung von § 50 Abs 2 der Satzung - im Sinne einer Überführung ohne Antrag - verstoße gegen § 6 Abs 1 SGB VII als höherrangiges Recht und könne keine rechtswirksame Grundlage für Erteilung eines Versicherungsscheines und die Erhebung von Beiträgen sein. Die Beklagte hat beim SG Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt. Sie hat das Schreiben des Klägerbevollmächtigten beigefügt, mit dem dieser mitgeteilt hat, dass er "die Zustimmung zum beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Revision" erteile. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.

8

Die Beklagte hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 50 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sowie der §§ 6, 3 und 213 SGB VII. § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung regle rechtswirksam, dass für den Fall der Überführung der zum 31.12.2007 pflichtversicherten Unternehmer in die freiwillige Versicherung ausnahmsweise kein Antrag erforderlich sei, so dass die Beitragspflicht des Klägers entstanden sei. Dass die Vorschrift einen Antrag nicht voraussetze, ergebe sich schon aus dem Begriff "Überführung" sowie aus der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Normgebers. Die Satzungsregelung orientiere sich an dem Entwurf zur Neufassung von § 213 SGB VII(§ 213 SGB VII-E), die in dem Referentenentwurf des "Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVRG)" als Übergangsregelung erwogen worden sei. § 213 SGB VII idF des Referentenentwurfs habe gelautet: "Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, die am 31.12.2008 nach § 3 Abs 1 Nr 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung in Verbindung mit der Satzung des Unfallversicherungsträgers versichert waren, bleiben versichert. Die Versicherung wird als freiwillige Versicherung weitergeführt; eines Antrags nach § 6 Abs 1 bedarf es nicht. […]" Zudem habe die Beklagte bestehende Übergangsregelungen für vergleichbare Fälle berücksichtigt, wie § 1149 Abs 2 RVO und § 213 Abs 1 SGB VII. Die Regelung sei in enger Abstimmung mit dem BVA getroffen worden, das die Satzungsänderung genehmigt und in späteren Stellungnahmen als rechtmäßig bestätigt habe. § 50 Abs 2 Satz 1 SGB VII verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei ein Antrag nach § 6 SGB VII nur erforderlich, wenn ein bislang nicht Versicherter erstmals "in den Kreis der freiwillig Versicherten" eintrete. Die Beklagte sei auch durch § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu einer solchen Regelung ermächtigt. Der weitreichende Entscheidungsspielraum für die Regelung einer Pflichtversicherung von Unternehmern kraft Satzung erstrecke sich auf deren Abschaffung und ermächtige zu Übergangsregelungen.

9

Hilfsweise sei § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung im Falle seiner Rechtswidrigkeit entsprechend der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4.12.2007 (B 2 U 36/06 R) aus "zwingenden Gründen" weiter anzuwenden.

10

Dass der Beitrag des Klägers zur freiwilligen Versicherung 2008 deutlich höher sei als der Beitrag zur Pflichtversicherung 2007, beruhe auf der vorherigen Sonderregelung des § 44 Abs 4 der Satzung idF des 8. Nachtrags und der geringen Arbeitsstundenzahl des Klägers.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31. März 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

13

Die mit dem Übergang auf eine freiwillige Versicherung verbundene Erhöhung der Beiträge sei unverhältnismäßig.

14

Das BSG hat Anfragen zur Zahl der betroffenen Unternehmer und zur Gestaltung von Satzungsregelungen beim Übergang von der Satzungspflichtversicherung auf die freiwillige Versicherung bei anderen BGen an das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Beklagte gerichtet. Das BVA hat mit Schreiben vom 22.2.2011, die Beklagten mit Schreiben vom 28.2.2011 geantwortet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet.

16

A. Die Revision ist zulässig.

17

Die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) ist zulässig, denn das SG hat diese durch gesonderten Beschluss vom 21.7.2010 zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hat die Beklagte die für die Zulassung erforderliche schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision im Original beigefügt (§ 161 Abs 1 Satz 3 SGG). Auch ergibt sich aus der Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten hinreichend deutlich, dass er nicht nur der Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision zugestimmt hat, was aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsschutz des Revisionsgegners erforderlich ist (vgl BSG vom 6.11.2008 - B 1 KR 37/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 11; BSG vom 28.11.1990 - 4 RA 19/90 - SozR 3-2200 § 1304a Nr 1 S 3). Die Erklärung ist vom rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers in Kenntnis des vollständig zugestellten Urteils abgegeben worden. Sie umfasst auch die Zustimmung zur Einlegung der Revision durch die Beklagte (vgl zur Auslegung einer Erklärung nach Urteilszustellung ua BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252, 253 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 9; BSG vom 17.5.2000 - B 3 P 8/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 2 - Juris RdNr 14; BSG vom 22.4.1998 - B 9 SB 7/97 R - SozR 3-1500 § 161 Nr 13 - Juris RdNr 17). Auch im Übrigen ist die Revision zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

18

B. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

19

Das SG hat zu Recht die angefochtenen Verwaltungsakte in dem Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 sowie in dem Bescheid vom 28.7.2009, diese jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben. Die Beklagte war nicht ermächtigt, den bei ihr bis Ende 2007 kraft Satzung als Unternehmer pflichtversicherten Kläger ohne dessen Antrag ab 1.1.2008 als freiwilliges Mitglied zu versichern (1.). Die Beklagte war auch nicht ermächtigt, das Unternehmen zu veranlagen und den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten (2.).

20

1. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2008 aufgehoben, soweit dieser die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als freiwillig versicherter Unternehmer feststellt. Der "Versicherungsschein" in dem Bescheid ist als Feststellung des Beginns einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu verstehen (a). Dem Erlass eines solchen Verwaltungsakts stand nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegen, mit dem die Beklagte festgestellt hatte, der Kläger sei pflichtversichertes Mitglied kraft Satzung (b). Der Verwaltungsakt über die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers ist zwar formell rechtmäßig ergangen (c), er ist aber materiell rechtswidrig, da die Satzungsregelung, auf die die Beklagte den Verwaltungsakt gestützt hat, mit § 6 Abs 1 SGB VII nicht vereinbar ist (d).

21

a) Die Feststellung des Bestehens der freiwilligen Versicherung des Klägers in dem Versicherungsschein im Bescheid vom 22.10.2008 ist ein Verwaltungsakt.

22

Diese an den Kläger gerichtete behördliche Erklärung im sogenannten Versicherungsschein, dass seine satzungsmäßige Pflichtversicherung in eine freiwillige Versicherung mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2008 und einer Versicherungssumme von 24.000 € überführt wurde, ist aus objektivem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Die Verwaltungserklärung ist so zu verstehen, dass sie dem Kläger gegenüber das Bestehen eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten, also ein Rechtsverhältnis, feststellen und so eine Regelung (siehe § 31 SGB I) im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X treffen sollte(vgl § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII; dazu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII § 136 Anm 3.1; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 10). Denn ein Empfänger des Versicherungsscheins, der zuvor mit Schreiben der Beklagten vom 10.10.2007 über die Beendigung der Pflichtversicherung und die "Überführung" in die freiwillige Versicherung informiert worden war, musste davon ausgehen, dass der an ihn individuell gerichtete Versicherungsschein nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen durch die BG in seinem konkreten Einzelfall im Rahmen eines - vom Amts wegen eingeleiteten - Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X erfolgt ist. Der Abschluss dieses Verfahrens durch ein (Bestätigungs-)Schreiben der BG, hier Versicherungsschein genannt, ist aus Sicht eines objektiven Empfängers die Feststellung des Versicherungsverhältnisses im konkreten Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8; Wiester in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand Dezember 2001, § 6 RdNr 48).

23

b) Dieser Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil ihm die Bindungswirkung des Verwaltungsakts entgegensteht, mit dem die Beklagte dem Kläger gegenüber die Pflichtmitgliedschaft kraft Satzung festgestellt hat.

24

Zwar hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt vom 10.12.1999 dem Kläger gegenüber bindend festgestellt, sie sei der für dessen Unternehmen zuständige Unfallversicherungsträger; die Pflichtversicherung des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Ehegattin kraft Satzung werde hiermit festgestellt. Die Beklagte hat diesen Verwaltungsakt aber seinerseits durch Verwaltungsakt aufgehoben (§ 48 SGB X), als sie dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 10.10.2007 über die anstehende Änderung seiner Versicherung informiert und unmittelbar im ersten Absatz dieses Schreibens erklärt hat: "Wir informieren Sie heute über die Änderung Ihres Versicherungsschutzes … zum 1.1.2008. Die kraft Satzung bestehende Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten wird zum 31.12.2007 aufgehoben."

25

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl BSG vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 24 f). Die Regelung eines aufhebenden Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X besteht darin, den früheren Verwaltungsakt aufzuheben.

26

Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10.10.2007 ist darauf gerichtet und vom Kläger so zu verstehen gewesen, dass die frühere Regelung einer Pflichtversicherung kraft Satzung, die im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger noch Bestand hatte, zum 31.12.2007 beseitigt werde. Zwar hat die Beklagte den aufzuhebenden Verwaltungsakt nicht ausdrücklich genannt, sondern nur geregelt, dass seine Pflichtversicherung als Unternehmer und diejenige seiner Ehefrau zum 31.12.2007 enden werde. Die Erklärung vom 10.10.2007, die bestehende Pflichtversicherung kraft Satzung werde beendet, ist eine Regelung. Denn für den Adressaten ist erkennbar gewesen, dass die früher durch Verwaltungsakt festgestellte Pflichtversicherung kraft Satzung beseitigt werden soll. Der Inhalt der Regelung ist jedoch entgegen § 33 Abs 1 SGB X nicht hinreichend bestimmt. Denn aus dem og Verfügungssatz ergibt sich für den Adressaten nicht klar und eindeutig, was die Beklagte geregelt hat. Es ist nicht konkret bestimmt, welcher frühere Verwaltungsakt in welchem Umfang aufgehoben wird (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 mwN; von "Klarstellungsfunktion" spricht BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13). Die Regelung der Aufhebung ist mangels Nennung des aufzuhebenden Bescheids zwar rechtswidrig, sie ist aber nicht nichtig iS des § 40 SGB X und damit wirksam(§ 39 Abs 2, 3 SGB X). Da der aufhebende Verwaltungsakt nicht binnen Jahresfrist angefochten worden ist, ist er zudem bindend geworden.

27

c) Der angegriffene Verwaltungsakt (Versicherungsschein vom 22.10.2008) ist nicht formell rechtswidrig und nicht aufzuheben, obwohl eine Anhörung des Klägers unterblieben war, denn von dieser konnte abgesehen werden.

28

Insoweit ist schon umstritten, ob vor Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung der Zuständigkeit (§ 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII) oder Bestätigung einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer, dem gegenüber die Regelung getroffen wird, zuvor nach § 24 SGB X anzuhören ist(für das Erfordernis einer Anhörung: Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 136 RdNr 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand April 2009, § 136 RdNr 10; gegen Anhörung: Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Januar 2009, § 136 SGB VII RdNr 5). Ob vor Erlass eines auf § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII gestützten Verwaltungsakt eine Anhörung des Adressaten zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb nicht rechtswidrig, da eine Anhörungspflicht vorliegend nach § 24 Abs 2 Nr 4 Alt 2 SGB X nicht bestanden hat. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung angesehen werden, wenn gleichartige Verwaltungsakte in großer Zahl erlassen werden sollen. Dies ist hier der Fall, denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass bei ihr Ende 2007 ca 251.000 Unternehmer kraft Satzung pflichtversichert waren, deren Versicherungsverhältnisse zum 1.1.2008 auf freiwillige Versicherungen überführt werden sollten. Die Beklagte hatte gegenüber einer Vielzahl von Adressaten zum 1.1.2008 Regelungen zu treffen, die nach Art, Form und Inhalt gleich waren. In dieser Situation konnte sie von einer Anhörung absehen (vgl zur Umsetzung einer Satzungsregelung auch BSG vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13, 14; Mutschler in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 24 SGB X RdNr 28).

29

d) Der die freiwillige Versicherung des Klägers ab 1.1.2008 feststellende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, denn entgegen der Feststellung ist keine freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten begründet worden. Die Satzungsregelung, auf die der Verwaltungsakt gestützt wurde, ist nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und bietet deshalb keine materiell-rechtliche Grundlage für die getroffene Regelung.

30

aa) Die Beklagte kann sich für den Erlass eines Verwaltungsakts über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung nach § 6 SGB VII auf die Ermächtigung des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stützen.

31

Ermächtigungsgrundlage für diese Feststellung ist § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest(BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 3/07 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 4 RdNr 14). Die Vorschrift ermächtigt nicht nur zur Feststellung der sachlichen und örtlichen "Zuständigkeit", sondern auch dazu, einem Unternehmer gegenüber (irgend)ein Versicherungsverhältnis zwischen diesem und dem Träger festzustellen. Die Ermächtigung gilt auch dann, wenn die Feststellung erfolgt, ohne dass materiell-rechtlich die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber wirksam (§ 39 Abs 1 bis 3 SGB X). Durch einen solchen materiell-rechtlich rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt wird ggf ein sog Formalversicherungsverhältnis begründet. Die Beklagte hat sich somit auf eine vorhandene Ermächtigungsgrundlage gestützt, um den Beginn der von ihr angenommenen Zuständigkeit aufgrund einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers festzustellen (sog Aufnahmebescheid, dazu Streubel in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 5; zur Bestätigung einer freiwilligen Versicherung vgl auch Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Oktober 2010, § 6 SGB VII RdNr 8).

32

Der Verwaltungsakt ist aber rechtswidrig, da der Tatbestand des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht erfüllt ist, weil die Beklagte für den Kläger nicht zuständig war. Dies wäre sie nur gewesen, wenn ein freiwilliges Versicherungsverhältnis am 1.1.2008 entstanden wäre. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bb) und auch nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung (cc) ist dies aber nicht der Fall.

33

bb) Zwar ist der Kläger Unternehmer iS des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII, da ihm das Ergebnis des Unternehmens - der Gaststätte - unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII); eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl auch BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 16 mwN). Eine freiwillige Versicherung gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 50 Abs 1 der Satzung kann aber nur durch schriftlichen Antrag begründet werden. Da der Kläger keinen schriftlichen Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beklagten gestellt hat, sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt.

34

cc) Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten wurde auch nicht nach § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begründet.

35

Zwar sieht diese Satzungsregelung vor, dass die Versicherung der Unternehmer, die bis 31.12.2007 kraft Satzung pflichtversichert waren, ohne Antrag als freiwillige Versicherung fortbesteht, wenn der Unternehmer nicht bis 31.12.2007 widerspricht oder kündigt.

36

Die Regelung des angegriffenen Verwaltungsakts entspricht inhaltlich der Satzungsregelung, ist also satzungskonform. Der Verwaltungsakt ist dennoch rechtswidrig, weil die Satzungsregelung, auf die er gestützt worden ist, unwirksam ist. Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Es gehörte nicht zu ihren gesetzlichen Aufgaben, eine freiwillige Versicherung ohne Antrag oder einen "Mischtyp" aus Pflichtversicherung kraft Satzung und freiwilliger Versicherung zu schaffen.

37

Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 SGB I bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der GUV(vgl § 22 SGB I) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (vgl Rüfner in Wannagat, SGB I, Stand Juli 2000, § 31 RdNr 7; Klose in Jahn, SGB I, Stand Februar 2011, § 31 RdNr 11 f; Seewald in Kasseler Kommentar, September 2007, § 31 SGB I RdNr 8 und 13). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 SGB IV, denen das GG keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist(anders Art 28 Abs 2 GG für örtliche Angelegenheiten der Gemeinden, Allzuständigkeit), haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - UV-Recht , 1996, § 19 RdNr 5; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 34 RdNr 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 23 RdNr 42).

38

Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 15/04 R - Juris RdNr 18 mwN). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl aaO). Für die Regelung in § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung, die eine freiwillige Versicherung bislang pflichtversicherter Unternehmer ohne schriftlichen Antrag zum 1.1.2008 begründet, fehlt der Beklagten eine Satzungskompetenz.

39

aaa) Eine Ermächtigung, die freiwillige Versicherung kraft Satzung zu regeln, besteht nicht.

40

§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art 20 Abs 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten(vgl Schneider-Danwitz, jurisPK-SGB IV, § 34 RdNr 43, 46). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte" wie den Erlass einer Satzung nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs 1 SGB IV).

41

bbb) Der Gesetzgeber hat den nicht in der GUV pflichtversicherten Personen, die von § 6 SGB VII erfasst werden, ein subjektiv-öffentliches Gestaltungsrecht zur Begründung einer freiwilligen Versicherung eingeräumt, sofern sie die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Er hat darin die Unfallversicherungsträger aber nicht ermächtigt, in ihrer Satzung eine "freiwillige Versicherung" unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs 1 SGB VII zu schaffen, insbesondere unter "Verzicht" auf einen schriftlichen Antrag. Da § 6 SGB VII keine ausdrückliche Zuweisung einer Satzungskompetenz enthält, umfasst die (allgemeine) Kompetenz der Beklagten insoweit nur Regelungen über ein durch Antrag entstandenes freiwilliges Versicherungsverhältnis.

42

Dass § 6 SGB VII als Tatbestandsvoraussetzung für eine freiwillige Versicherung immer einen schriftlichen Antrag erfordert, folgt aus dem Gesetzeswortlaut und wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Bereits zu den Vorgängerregelungen des § 6 SGB VII, nach der sich Unternehmer versichern(so § 539 RVO idF des 6. UVÄndG vom 9.3.1942 - RGBl I 107) oder freiwillig der Unfallversicherung beitreten konnten (so § 545 Abs 1 RVO idF des UVNG vom 30.4.1963 - BGBl I 241), hat das BSG ausgeführt, dass es zur Begründung der freiwilligen Versicherung eines Antrags, also einer auf die Begründung des Versicherungsverhältnisses gerichteten Willenserklärung des Unternehmers, bedarf (vgl BSG vom 25.8.1965 - 2 RU 167/62 - BSGE 23, 248, 251; BSG vom 22.9.1988 - 2/9b RU 36/87 - BSGE 64, 89, 91 - Juris RdNr 20). Dieses Antragserfordernis hat der Gesetzgeber (vgl Art 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom 7.8.1996, BGBl I 1254) ausdrücklich in den Wortlaut von § 6 SGB VII, der als Nachfolgeregelung im Wesentlichen § 545 Abs 1 Satz 1 RVO entsprechen soll(vgl BT-Drucks 13/2204 S 77 zu § 6), aufgenommen und zudem Schriftform vorgeschrieben.

43

§ 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung kann also nicht auf § 6 SGB VII gestützt werden.

44

ccc) Auch aus § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII ergibt sich eine Ermächtigung zu einer Satzungsnorm, wie sie § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten enthält, nicht.

45

Die Vorschrift ermächtigt die Beklagte, als Satzungsgeberin zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Pflichtversicherung in der GUV auf Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner erstreckt (vgl BT-Drucks 13/2204 S 76 zu § 3). Miterfasst ist die Ermächtigung, mit Wirkung für die Zukunft zu bestimmen, dass eine bisher geltende Pflichtversicherung kraft Satzung endet, sich also nicht mehr auf den bisher versicherten Personenkreis erstreckt. Die Beklagte kann durch Satzung auch bestimmte Voraussetzungen für die Pflichtversicherung festlegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte ermächtigt gewesen, Satzungsregelungen wie §§ 43 bis 48 ihrer Satzung idF vom 15.9.2006 zu erlassen, die die Pflichtversicherung von Unternehmern mit Wirkung zum 1.1.2008 beenden.

46

Soweit § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung zum 1.1.2008 für ehemals kraft Satzung pflichtversicherte Unternehmer anordnet, dass die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen als eine freiwillige fortbesteht, liegt darin gerade keine Bestimmung über das "Ob" oder "Wie" einer Pflichtversicherung kraft Satzung im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die freiwillige Versicherung nach dem SGB VII ist nicht eine "Art" der Versicherung über die die Beklagte gemäß § 3 SGB VII kraft Satzung Regelungen treffen kann. Vielmehr sind die gesetzlichen Vorgaben beider Arten von Versicherungen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises und des Beginns der Versicherung unterschiedlich ausgestaltet. § 3 SGB VII enthält keine (stillschweigende) gesetzliche Ermächtigung für die Schaffung einer freiwilligen Versicherung durch Satzung in Abweichung oder neben dem vom Gesetz ausgestalteten Institut der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 SGB VII.

47

ddd) § 3 SGB VII verschafft der Beklagten auch keine Satzungsermächtigung, eine der getroffenen Regelung entsprechende "Übergangsregelung" im Zusammenhang mit der Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung zu treffen.

48

Zunächst hat der Gesetzgeber selbst in § 213 SGB VII für bestimmte Unternehmer und ihre Ehegatten eine Übergangsregelung als eine von § 6 Abs 1 SGB VII abweichende Sonderregelung zum Entstehen und Beginn einer freiwilligen Versicherung geschaffen. Eine Satzungskompetenz hat er dafür den Unfallversicherungsträgern aber gerade nicht eingeräumt. Aus "eigenem Recht" können diese eine solche Übergangsregelung nicht schaffen, da eine solche Satzungskompetenz den Trägern der GUV nicht durch Gesetz übertragen worden ist. § 213 SGB VII ist ua schon mangels Regelungslücke im SGB VII auch nicht im Wege der Analogie auf die untergesetzliche Ebene der Satzungsregelungen zu übertragen, weil jede Satzungskompetenz gerade eine parlamentsgesetzliche Zuweisung von Normsetzungsmacht voraussetzt.

49

§ 3 SGB VII weist der Beklagten nur die Befugnis zu, für die Pflichtversicherung kraft Satzung Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Fortsetzung der Versicherung als freiwillige ist aber keine Regelung mehr, die sich innerhalb der Kompetenz zur Regelung von Satzungspflichtversicherungen hält, sondern geht darüber hinaus. Wie die Beklagte gezeigt hat, hat der Gesetzgeber erwogen, den Trägern der GUV eine entsprechende Satzungskompetenz zu übertragen. An diesem Gesetzentwurf hat sich die Beklagte auch orientiert. Allerdings hat - aus welchen Gründen ist weder bekannt noch erheblich - der Gesetzgeber keinen Gesetzesbeschluss gefasst, der der Beklagten die Kompetenz zur Regelung solcher "Übergänge" eingeräumt hat.

50

§ 3 SGB VII ermächtigt die Beklagte schließlich nicht dazu, einen Mischtyp von Versicherungen zu schaffen, sozusagen eine Beendigung der Pflichtversicherung kraft Satzung unter der Bedingung der Fortführung als freiwillige Versicherung oder eine Pflichtversicherung kraft Satzung mit den Kündigungsrechten einer freiwilligen Versicherung. Das SGB VII kennt solche Mischformen nicht. § 3 SGB VII ermöglicht die Begründung einer Pflichtversicherung nur für Personengruppen, die ähnlich wie die in § 2 SGB VII genannten Gruppen des Schutzes der GUV bedürfen. Es wäre in sich widersprüchlich, eine Personengruppe nach Maßgabe des § 3 SGB VII aufgrund einer Satzung in die Versicherungspflicht einzubeziehen, da sie des Schutzes der GUV bedürfe, ihr aber zugleich die Entscheidung zu eröffnen, der Einbeziehung in die Versicherung widersprechen oder sie kündigen zu können.

51

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 SGB VII ist § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten nichtig, der darauf gestützte Verwaltungsakt rechtswidrig, da er ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII in den Rechtskreis des Klägers eingreift.

52

dd) Eine "weitere Anwendung" der mit dem SGB VII nicht vereinbaren Satzungsregelung für eine Übergangszeit, ist nicht erlaubt. Ein extremer Ausnahmefall, in dem anderes gelten könnte, liegt nicht vor. Insbesondere geht es nicht darum, eine durch die Nichtanwendung drohende Situation abzuwenden, die noch weiter von den gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Vorgaben entfernt wäre als die durch eine Anwendung der nichtigen Satzungsnorm entstehende, sondern nur um die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung begründet worden ist.

53

Grundsätzlich sind Satzungsregelungen, wie hier § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten, bei einem Verstoß gegen höherrangiges Recht nichtig(vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19). Normen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art 20 Abs 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (vgl BVerfG vom 3.11.1982 - 1 BvR 620/78 - BVerfGE 61, 319-357 - Juris RdNr 101 mwN).

54

Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, dass Satzungsregelungen, die im Falle des Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig sind, ausnahmsweise aber für eine Übergangszeit (weiter) anzuwenden sind (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; ebenso BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 18 f). Voraussetzung für die Weiteranwendung ist nach dieser Rechtsprechung aber, dass der Zustand bei Nichtanwendung der Norm für die Übergangszeit von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als ein Zustand, bei dem den Normunterworfenen die Anwendung der rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit zugemutet wird. Im Beitragsrecht kommt dies nur bei haushaltsrechtlich bedeutsamen Normen in Betracht, bei denen eine Rückabwicklung faktisch unmöglich ist und unkalkulierbare Haushaltsrisiken bis hin zu drohender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers vermieden werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 46 RdNr 19 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 18 - Juris RdNr 30; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 19 f). So hat es der Senat als nicht hinnehmbar angesehen, dass bis zum Erlass einer rechtskonformen Satzung alle Beitragsbescheide als rechtswidrig angegriffen und neue Beitragsbescheide aufgrund einer neuen Satzung ggf rückwirkend hätten erteilt werden müssen (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38, 47 RdNr 20 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 19 - Juris RdNr 31; BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 36/06 R - SozR 4-2700 § 182 Nr 3 RdNr 21), zumal das BSG in der Vergangenheit die Satzungen ausdrücklich als gesetzeskonform angesehen hatte.

55

Mit solchen Konstellationen ist der Fall des Klägers indes nicht vergleichbar. Denn während in den oben genannten Fällen der Satzungsgeber die notwendige Satzungskompetenz hatte, um - ggf uU sogar rückwirkend - eine rechtswirksame, mit dem Gesetz in Einklang stehende Beitragssatzung mit demselben Inhalt wie die bisherige Regelung zu erlassen und damit rückwirkend eine wirksame Rechtsgrundlage für die beanstandeten Verwaltungsakte zu schaffen, ist der Beklagten der rückwirkende Erlass einer Satzung, die eine freiwillige Versicherung ohne schriftlichen Antrag vorsieht, mangels entsprechender Satzungskompetenz dauerhaft verwehrt.

56

Die Anwendung des § 50 Abs 2 Satz 1 der Satzung scheidet deshalb aus.

57

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das SG auch die Verwaltungsakte über die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragsfestsetzungen aufgehoben hat (vgl zum Beitragsverfahren auch Mutschler WzS 2009, 353, 354).

58

Der Verwaltungsakt vom 22.10.2008 über die Veranlagung des Klägers unter Gefahrtarifstelle 18 wegen freiwilliger Versicherung mit der Gefahrklasse 5,2 ist mangels freiwilliger Versicherung wegen unrichtiger Einordnung des Klägers rechtswidrig und beeinträchtigt ihn in seinen Rechten.

59

Soweit das SG auch den Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 aufgehoben hat, bedarf das Urteil der Richtigstellung. Der Vorauszahlungsbescheid vom 22.10.2008 ist durch den endgültigen Beitragsbescheid vom 28.7.2009 vollständig ersetzt worden und war daher bereits vor Klageerhebung gemäß § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 8a; BSG vom 13.11.1985 - 1/8 RR 5/83 - BSGE 59, 122, 126 und 131; BSG vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13 mwN). Die Festsetzung des endgültigen Beitrags und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 28.7.2009 sind an die Stelle der Festsetzung der voraussichtlichen Beitragsschuld und des darauf bezogenen Zahlungsgebots getreten.

60

Zwar ist im Tenor des Urteils nur die Aufhebung des "Bescheides vom 22.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009" ausgesprochen. Unter Berücksichtigung der Urteilsgründe hat das SG auch den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben. Einerseits hat es durch seinen Ausspruch deutlich gemacht, dass es den Bescheid vom 22.10.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009 auch hinsichtlich seiner beitragsrechtlichen Regelung beseitigen wollte. Das SG hat auch gesehen, dass der Beitragsbescheid vom 28.7.2009 die Beitragsforderung durch die endgültige Festsetzung geändert hat. Entsprechend dem Klagebegehren des Klägers, der die Bescheide vom 8.4.2009 und 28.7.2009 seiner Klagebegründung beigefügt hat, ist der Ausspruch des SG dahingehend auszulegen, dass das SG auch den ersetzenden Verwaltungsakt vom 28.7.2009 aufgehoben hat, was aus Gründen der Rechtssicherheit klargestellt worden ist.

61

Die Revision der Beklagten ist auch unbegründet, soweit angefochten wird, dass das SG den Beitragsbescheid vom 28.7.2009 aufgehoben hat. Der Beitragsbescheid durfte nicht ergehen, da der Kläger nicht bei der Beklagten freiwillig versichert und daher nicht nach § 150 Abs 1 Satz 2 SGB VII beitragspflichtig ist.

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3. Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

63

Der Kläger gehört - was das SG übersehen hat - nicht zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Personen, da er mit dem Rechtsstreit keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der GUV verfolgt, sondern sich gegen die Einbeziehung in die GUV als freiwillig versicherter Unternehmer, gegen die Veranlagung und die Beitragserhebung gewandt hat(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 28; BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6; BSG vom 3.1.2006 - B 2 U 367/05 B; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B). Der Senat kann die insoweit fehlerhafte Kostenentscheidung der Vorinstanz ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24; BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

64

Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO sind der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da die Klage Erfolg hatte und die Revision der Beklagten gegen das Urteil des SG trotz der Maßgabe im Tenor ohne Erfolg geblieben ist.

65

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

66

Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses, evtl mittelbare Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - Juris RdNr 32). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich für die Beteiligten in beiden Instanzen nach den geforderten Beiträgen in Höhe von 454,28 € (§ 52 Abs 3 GKG).

67

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats mindestens der Auffangstreitwert zu Grunde zu legen, wenn die Beteiligten über die Erhebung von Beiträgen als Unternehmer streiten, weil die den Gegenstand des Prozesses bildenden Rechtsfragen in der Regel über den konkret streitigen Zeitraum hinaus auch für die Beitragsfestsetzung in späteren Jahren von Bedeutung sind (vgl hierzu BSG vom 5.3.2008 - B 2 U 353/07 B - Juris RdNr 6 f; BSG vom 23.11.2006 - B 2 U 258/06 B - Juris). Diese Regel greift aber nicht, wenn - wie hier - bereits vor Klageerhebung die Mitgliedschaft unstreitig beendet worden und damit eine Bedeutung des Rechtsstreits für spätere Beitragsjahre ausgeschlossen ist.

68

Der Senat hat als Revisionsgericht den Streitwert zugleich für das Klageverfahren festgesetzt (§ 63 Abs 3 Satz 1 GKG). Zumindest bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich bleibendem Streitwert darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie die von den Instanzgerichten getroffene Festsetzung ändern und eine ggf unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (vgl BSG vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97, 153, 157 RdNr 23; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 6/09 R - Juris RdNr 24).

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. April 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1972 geborene Kläger ist schwerstbehindert und wird seit 1992 im Förder- und Betreuungsbereich (FBB) der anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) B. des Diakoniewerkes O. e.V. betreut. Ziel der Betreuung und Förderung war es, durch täglich verschiedene Förderangebote, zB Befüllen von Steckbrettern, Bemalen von Blättern oder Gymnastik, seine Selbstständigkeit sowie Leistungsfähigkeit zu erhöhen und ihm eine sinnvolle Tagesstruktur zu geben.

3

Auf dem Weg zum FBB stieß der Kläger am Morgen des 20.1.2006 gegen die Eingangstür. Dabei brach die Krone seines vorderen linken Schneidezahnes ab. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab, denn er habe wirtschaftlich nicht verwertbare Arbeiten iS einer Beschäftigungstherapie ausgeführt und sei damit nicht versichert gewesen (Bescheid vom 11.12.2006; Widerspruchsbescheid vom 6.6.2007).

4

Das Sozialgericht Dresden (SG) hat festgestellt, dass der Unfall vom 20.1.2006 ein Arbeitsunfall ist (Gerichtsbescheid vom 26.6.2008). Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 8.4.2010). Der angegliederte FBB gehöre nicht zur WfbM. Die Aufnahme in eine WfbM setze voraus, dass der behinderte Mensch ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen könne. Das sei beim Kläger nach den übereinstimmenden glaubhaften Aussagen des Verwaltungsleiters der WfbM und der Leiterin des FBB sowie der Aussage der Werkstattleiterin gegenüber dem Berufshelfer der Beklagten nicht der Fall gewesen. Dasselbe ergebe sich aus dem Beobachtungs- und Entwicklungsbericht über den Kläger vom 16.12.2004. Danach habe der Schwerpunkt der Förderung des Klägers im lebenspraktischen Bereich gelegen. Auch behinderte Menschen in einem Pflege- oder Wohnheim während ergotherapeutischer Maßnahmen und Angehörige eines heilpädagogischen Heimes seien in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versichert. Versicherungsschutz als Wie-Beschäftigter habe ebenfalls nicht bestanden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII und eine fehlerhafte Beweiswürdigung. Die Teilnahme an Fördermaßnahmen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit nach § 136 Abs 3 SGB IX mit dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung in einer WfbM iS des § 136 Abs 2 SGB IX sei eine nach § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII versicherte Tätigkeit. Der FBB sei der WfbM angegliedert und gemäß § 1 Abs 1 Werkstättenverordnung (WVO) gelte der Grundsatz der einheitlichen Werkstatt. Fördergruppen in einer WfbM und in dieser angegliederten Einrichtungen seien gleich zu behandeln. Auf ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung komme es nicht an. Durch das Zusammenlegen von Wäsche und Portionieren von Plastedübeln seien Tätigkeiten mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung verrichtet worden, die dem Willen der Werkstattleitung entsprochen hätten. Das Ausmaß und der Wert der Arbeitsleistung seien nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1.7.1997 (2 RU 32/96) unerheblich. Er sei Gefahren ausgesetzt gewesen, wie sie auch anderen Beschäftigten in der WfbM gedroht hätten. Im Übrigen stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Verrichtung wirtschaftlich verwertbarer Tätigkeiten fest.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. April 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 26. Juni 2008 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 11.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.6.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei seinem Unfall vom 20.1.2006 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall, denn er hat zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtet.

10

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 RdNr 9 mwN).

11

Zu den versicherten Tätigkeiten eines Versicherten zählt nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII versicherten Tätigkeit "zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit". Diese Formulierung kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang der unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit. Er besteht, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 9 mwN).

12

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Zurücklegen des Weges zum FBB - stand in keinem inneren Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII. Der Kläger war nicht als Beschäftigter nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII(dazu 1.), als Lernender gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 SGB VII(dazu 2.), als in einer anerkannten WfbM tätiger behinderter Mensch nach § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII(dazu 3.) und auch nicht als Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII(dazu 4.) versichert. Andere Versicherungstatbestände kommen nicht in Betracht. Gegen die insoweit getroffenen Feststellungen des LSG hat der Kläger keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben (dazu 5.).

13

1. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII kraft Gesetzes Beschäftigte versichert. Beschäftigung ist nach § 7 Abs 1 SGB IV, der auch für die gesetzliche Unfallversicherung gilt(§ 1 Abs 1 Satz 1 SGB IV), die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Arbeit iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist der zweckgerichtete Einsatz der eigenen - körperlichen oder geistigen - Kräfte und Fähigkeiten, der wirtschaftlich nach der Verkehrsanschauung als Arbeit gewertet werden kann und für den Betreffenden - zumindest teilweise - Lebensgrundlage ist(vgl Seewald in Kasseler Kommentar , § 7 SGB IV RdNr 26; Kruschinsky in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, Bd 1, § 2 RdNr 24). Dabei ist wirtschaftlich nicht iS von erwerbswirtschaftlich gemeint. Vielmehr genügt jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden - materiellen oder geistigen - Bedürfnisses und nicht nur einem eigennützigen Zweck dient (vgl BSG vom 1.6.1978 - 12 RK 23/77 - BSGE 46, 244, 246 = SozR 4100 § 168 Nr 7, Juris RdNr 14; BSG vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16, 98, 100 = SozR Nr 29 zu § 165 RVO und SozR Nr 5 zu § 160 RVO; BSG vom 23.6.1959 - 2 RU 83/57 - BSGE 10, 94, 96; Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII, 4. Aufl, Bd 1, § 2 RdNr 61; Kruschinsky aaO).

14

Ein Beschäftigungsverhältnis kann auch zwischen einem behinderten Menschen und einer WfbM bestehen (vgl BSG vom 1.6.1978 - 12 RK 23/77 - BSGE 46, 244, 245 ff = SozR 4100 § 168 Nr 7). Das belegt § 138 Abs 1 SGB IX, wonach nur für diejenigen behinderten Menschen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis vorgesehen ist, die nicht Arbeitnehmer sind. Auch nimmt der Rehabilitationszweck der WfbM dieser nicht den Charakter eines Betriebs. Als Betrieb ist eine organisatorische Einheit anzusehen, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt. Diese Voraussetzungen erfüllt eine WfbM ungeachtet des Rehabilitationszweckes (vgl BSG aaO), die nach § 12 Abs 3 WVO(idF des Art 55 Nr 12 Buchst b des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1046) wirtschaftliche Arbeitsergebnisse anstreben muss, um an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt iS des § 136 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und § 138 SGB IX zahlen zu können.

15

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Kläger keiner Beschäftigung nachgegangen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der FBB, der nach § 136 Abs 3 SGB IX behinderte Menschen betreut und fördert, überhaupt als Beschäftigungsbetrieb für behinderte Menschen in Betracht kommt. Jedenfalls hat der Kläger keine Arbeitsleistungen erbracht. Er war weder aufgrund eines Arbeitsvertrages noch im fremden Interesse tätig. Seine Verrichtungen, die stets eine intensive Kontrolle und Aufsicht erforderten, dienten eigennützigen therapeutischen Zwecken. Sie waren lediglich darauf gerichtet, seine Selbstständigkeit sowie Leistungsfähigkeit zu fördern und zu erhöhen. Dadurch sollte vorrangig der lebenspraktische Bereich des Klägers gestärkt und ihm eine sinnvolle Tagesstruktur gegeben werden.

16

Die therapeutischen Maßnahmen waren auch nicht auf den Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gerichtet, der nach § 7 Abs 2 SGB IV als Beschäftigung gilt. Die betriebliche Berufsbildung wird in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und in Haushalten durchgeführt (§ 2 Abs 1 Nr 1 Berufsbildungsgesetz idF des Gesetzes zur Reform der beruflichen Bildung vom 23.3.2005 - BGBl I 931). Sie setzt die Eingliederung in einen laufenden Produktions- oder Dienstleistungsprozess aufgrund eines betriebsgebundenen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisses voraus (BSG vom 12.10.2000 - B 12 KR 7/00 R - SozR 3-2600 § 1 Nr 7 S 12). Daran fehlt es beim Kläger, der - wie bereits ausgeführt wurde - zur Förderung seiner Selbstständigkeit und allgemeinen Leistungsfähigkeit lediglich an therapeutischen Maßnahmen teilgenommen hat.

17

2. Der Kläger war kein Lernender während einer beruflichen Aus- oder Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen oder ähnlichen Einrichtungen nach § 2 Abs 1 Nr 2 SGB VII.

18

Es kann offenbleiben, ob der FBB zu den Einrichtungen iS dieser Vorschrift zählt. Die Betreuung und Förderung des Klägers stellt keine berufliche Aus- oder Fortbildung dar. Solche Bildungsmaßnahmen erfordern einen inneren Bezug zu einer Erwerbstätigkeit oder einer anderen versicherungspflichtigen Tätigkeit. Er fehlt ua, wenn die konkret durchgeführte Maßnahme privaten, eigennützigen, nicht wirtschaftlichen Interessen dient (BSG vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 99) oder heilpädagogische Ziele ohne konkreten Bezug zu einem angestrebten oder bereits ausgeübten Beruf verfolgt (BSG vom 12.7.1979 - 2 RU 23/78 - SozR 2200 § 539 Nr 60 S 177). Diese berufliche Zweckausrichtung war bei den therapeutischen Maßnahmen des FBB nicht gegeben. Sie waren darauf gerichtet, die allgemeine Leistungsfähigkeit zu verbessern und eine sinnvolle Tagesstruktur zu schaffen. Gegenstand der Therapie war hingegen nicht die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten für einen geplanten Einsatz des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Arbeitsbereich der WfbM. Eine aus- oder fortbildungsbegleitende Maßnahme nach dem Arbeitsförderungsrecht (vgl hierzu BT-Drucks 13/2204 S 74 zu § 2 Abs 1) lag nicht vor.

19

Der Auffassung von Wolber (Die Sozialversicherung 2001, 294), Schwerstbehinderte, die sich "mehr therapiemäßig" im Förderbereich aufhielten, würden mit Blick auf Art 3 Abs 3 Satz 2 GG an einer Ausbildung teilnehmen, folgt der Senat nicht. Nach jener Vorschrift darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die berufliche Zweckorientierung einer Aus- oder Fortbildung knüpft indes nicht an das Bestehen einer Behinderung an.

20

3. Das Zurücklegen des Weges zum Unfallzeitpunkt steht auch nicht im sachlichen Zusammenhang mit einer Tätigkeit des Klägers als behinderter Mensch in einer anerkannten WfbM iS des § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII.

21

Der schwerstbehinderte Kläger war nicht im Eingangsverfahren, Berufsbildungsbereich oder Arbeitsbereich einer anerkannten WfbM tätig. Er wurde vielmehr im FBB einer anerkannten WfbM betreut. Ein Förderbereich, der nach § 136 Abs 3 SGB IX einer WfbM unter ihrem sog "verlängerten Dach" räumlich und/oder organisatorisch angegliedert ist, ist nicht Teil der WfbM selbst (vgl Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 SGB VII RdNr 9.7 und 9.11 ; Schorn in Soziale Sicherheit 2003, 19, 20, 26; Baur ZFSH/SGB 2002, 707, 711; Mrozynski, Kommentar zum SGB IX, Stand 2002, § 36 RdNr 14 und § 39 RdNr 10; Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Aufl 2010, § 136 RdNr 14).

22

Der Begriff der WfbM ist in § 136 SGB IX einheitlich für alle Gesetze festgelegt, die sich mit einer WfbM befassen(vgl BT-Drucks 7/1515 S 7 f und S 17, zu Nr 47 zur Vorläuferregelung des § 38b Schwerbehindertengesetz idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24.4.1974 - BGBl I 981). Er wird ergänzt durch die WVO iS des § 144 Abs 1 SGB IX. Nach § 136 SGB IX ist die WfbM eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben iS des Kapitels 5 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben, die eine angemessene berufliche Bildung und Beschäftigung anzubieten hat(Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 1). Sie steht allen behinderten Menschen iS des Abs 1 offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach der Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden (Abs 2 Satz 1). Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in den der Werkstatt angegliederten Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden (Abs 3). Nicht nur der Wortlaut des § 136 Abs 3 SGB IX, der die Beschäftigung "in einer Werkstatt" der Betreuung und Förderung in "angegliederten" und nicht "eingegliederten" Einrichtungen und Gruppen gegenüberstellt, als auch sein Regelungsgehalt, die Aufnahme in eine WfbM mit einer Mindestleistungsfähigkeit zu verknüpfen, machen deutlich, dass zwischen einer WfbM und einem angegliederten FBB zu unterscheiden ist. In eine WfbM sind nur diejenigen behinderten Menschen aufgenommen, die an Maßnahmen zur Eingliederung in das Erwerbsleben im Eingangsverfahren, Berufsbildungs- oder Arbeitsbereich teilnehmen (vgl BSG vom 14.12.1994 - 4 RK 1/93 - SozR 3-2500 § 5 Nr 19 S 73 - zu § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V).

23

Die Gesetzessystematik bestätigt das. § 136 Abs 1 Satz 1 SGB IX nimmt auf Kapitel 5 des Teils 1 des SGB IX Bezug, in dem als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer WfbM nur Leistungen im Eingangsverfahren, im Berufsbildungsbereich und im Arbeitsbereich(§§ 40, 41 und 42 SGB IX), nicht aber Leistungen im Förder- und Betreuungsbereich genannt sind. Dem entsprechen die Regelungen der WVO (idF des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004 - BGBl I 606). Nach § 1 Abs 1 WVO hat die WfbM lediglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie behinderte Menschen iS des § 136 Abs 2 SGB IX aus ihrem Einzugsgebiet aufnehmen kann. Nicht erforderlich ist hingegen die Aufnahme der in einem FBB nach § 136 Abs 3 SGB IX betreuten behinderten Menschen. Auch nach der WVO wird allein zwischen dem Eingangsverfahren, dem Berufsbildungsbereich und dem Arbeitsbereich differenziert (§ 1 Abs 2 und §§ 3, 4 und 5). Die Aufnahme in einem FBB dient der sozialen Eingliederung und nicht der Teilhabe am Arbeitsleben.

24

Dass der angegliederte FBB nicht Teil der WfbM ist, wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Begriffs der WfbM belegt. Der für alle Gesetze einheitlich geltende Begriff der WfbM geht auf § 38b SchwbG idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24.4.1974 (BGBl I 981) zurück, der mit der Neufassung des SchwbG vom 29.4.1974 (BGBl I 1005) als § 52 SchwbG fortgeführt wurde. Abs 3 der jeweiligen Vorschrift bestimmte, dass die Werkstatt allen Behinderten offen stehen soll, sofern sie in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Mit einer solchen Werkstatt sollte nicht eine allgemeine Sammeleinrichtung für alle Behinderten, sondern eine Einrichtung der beruflichen Rehabilitation geschaffen werden. In ihr sollten nur diejenigen Behinderten eine Aufnahme finden, bei denen eine erfolgreiche Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder zumindest im Arbeitsbereich einer Werkstatt erwartet werden konnte (vgl BR-Drucks 554/79 S 13).

25

An dieser berufsbezogenen eingliederungsorientierten Konzeption der WfbM hat sich in der Folgezeit nichts geändert. Die Regelungen des § 52 SchwbG sind mit Wirkung zum 1.8.1986 in § 54 SchwbG idF der Bekanntmachung vom 26.8.1986 (BGBl I 1421) übernommen worden. Diese Vorschrift wurde durch Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt II Nr 6 Buchst e des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 (BGBl II 889, 1039) um Abs 4 ergänzt, wonach die Betreuung und Förderung nichtwerkstattfähiger Behinderter in der Werkstatt "angegliederten" Einrichtungen und Gruppen durchgeführt werden kann. Mit dieser erstmals eingeführten Vorläuferregelung zu § 136 Abs 3 SGB IX war keine andere Begrifflichkeit verbunden. § 54 Abs 4 SchwbG geht auf die entsprechende Regelung des SchwbG-DDR vom 21.6.1990 (GBl I Nr 35 S 381) zurück, mit der allein der Übergang von behinderten nichtwerkstattfähigen Menschen in die WfbM erleichtert und Missverständnissen vorgebeugt werden sollte, die sich aus dem abweichenden Konzept der geschützten Werkstätten des Gesundheits- und Sozialwesens der ehemaligen DDR ergeben konnten (vgl Jacobs in Dau/Düwell/Joussen, LPK-Sozialgesetzbuch IX, 3. Aufl 2011, § 136 RdNr 21; Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Aufl 2010, § 136 RdNr 14 mwN).

26

Der konzeptionelle Unterschied zwischen Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer WfbM und Maßnahmen zur sozialen Eingliederung in angliederten Förderstätten ist nochmals im Rahmen der Reform des Sozialhilferechts durch Gesetz vom 23.7.1996 (BGBl I 1088) herausgestellt worden. Dem Antrag des Bundesrates, den Kreis der werkstattfähigen behinderten Menschen zu erweitern, ist die Bundesregierung nicht gefolgt, weil die Aufnahme in einer WfbM wegen deren Aufgabenstellung als Einrichtung zur Eingliederung in das Arbeitsleben "gewisse natürliche Mindestanforderungen" an die Behinderten stelle. Schließe die Behinderung schon eine Teilnahme im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt aus, komme nur die Aufnahme in eine sog Tagesförderstätte als Maßnahme der sozialen Eingliederung in Betracht, die der Werkstatt "räumlich angegliedert" sein könne (vgl BT-Drucks 13/2764 S 7 zu Nr 51).

27

Mit der Neufassung des § 54 Abs 3 SchwbG durch das Gesetz vom 23.7.1996 (aaO) und der Fortführung dieser Bestimmung als § 136 Abs 3 SGB IX ist die bisherige Regelung des § 54 Abs 4 SchwbG übernommen worden. Dadurch ist die Trennung zwischen einer WfbM und angegliederten Förderstätten nicht aufgegeben worden (vgl BT-Drucks 13/2440 S 32 zu Art 3 Nr 1 und BT-Drucks 14/5074 S 114 zu § 136).

28

Dass die Teilnahme an Förderungsmaßnahmen in einem der WfbM angegliederten Bereich keine Tätigkeit in einer WfbM darstellt, zeigt schließlich der Gesetzeszweck des § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte.

29

§ 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII schreibt den Unfallversicherungsschutz Behinderter in anerkannten Behinderten- und Blindenwerkstätten fort, der zuvor aufgrund der Rechtsprechung nach dem Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen vom 7.5.1975 (SVBG - BGBl I 1061, aufgehoben zum 1.1.1992 durch Art 83 Nr 24, Art 85 Abs 1 Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12.1989 ) bestanden hatte (vgl BT-Drucks 13/2204 S 74 zu § 2 Abs 1). Nach § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und § 2 Abs 1 SVBG waren körperlich, geistig oder seelisch Behinderte, die in nach dem SchwbG anerkannten Werkstätten für Behinderte, Blindenwerkstätten, Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen beschäftigt wurden, in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung versichert. Behinderte, die ohne oder gegen Entgelt in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbrachten, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entsprach, galten nach § 2 Abs 2 SVBG als beschäftigt. Aus § 3 Abs 1 Satz 2 SVBG, der die nach §§ 1 und 2 SVBG Versicherten den aufgrund einer entgeltlichen Beschäftigung Versicherten gleichstellte, hatte das BSG abgeleitet, dass sich die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) der Beschäftigten iS des § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) auf in Werkstätten für Behinderte Beschäftigte erstrecke. Es verstoße gegen das Eingliederungsprinzip des SchwbG, Behinderten im Wege der Beschäftigungsfiktion in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung einzubinden, sie aber nicht am Schutz der GUV teilhaben zu lassen (vgl BSG vom 13.6.1989 - 2 RU 1/89 - BSGE 65, 138, 141 = SozR 2200 § 539 Nr 133 S 395).

30

Die Versicherung nach dem SVBG und damit in der GUV knüpfte aber ua an die Beschäftigung "in" einer nach dem SchwbG anerkannten Werkstatt für Behinderte an. Sie erfasste nicht Behinderte, die nicht werkstattfähig waren und daher in einer räumlich und organisatorisch angegliederten Tagesförderstätte betreut wurden. Die Versicherungspflicht nach dem SVBG konnte nur eintreten, wenn die Behinderten fähig waren, noch ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen und damit auch bei ihnen noch gewisse Merkmale eines abhängigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses vorhanden waren, an die das Gesetz sonst die Versicherungspflicht knüpft (vgl BSG vom 10.9.1987 - 12 RK 42/86 - BSGE 62, 149, 151 = SozR 5085 § 1 Nr 4 S 11). Diese Anknüpfung des Unfallversicherungsschutzes an die Tätigkeit eines werkstattfähigen behinderten Menschen in einer anerkannten Werkstatt als Institution zur Teilhabe am Arbeitsleben ist mit der Einführung des § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII durch das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch(Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz - UVEG) vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) beibehalten worden. Der Gesetzgeber hat die Vorschläge der PDS und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, den Unfallversicherungsschutz auch auf behinderte Menschen in Förder- und Betreuungsgruppen unter dem verlängerten Dach einer WfbM zu erstrecken (vgl BT-Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung - Ausschussdrucks 13/0289 und 13/0568) nicht aufgegriffen. Für Tätigkeiten nicht werkstattfähiger Personen in anderen - wenn auch der WfbM angegliederten - Einrichtungen kommt Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 SGB VII als Wie-Beschäftigter in Betracht (vgl BT-Drucks 13/2204 S 74 zu § 2 Abs 1).

31

Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der Senat nicht von seinem Urteil vom 1.7.1997 (2 RU 32/96) ab. Für den damals angenommenen Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO und § 1 SVBG war ausschlaggebend, dass die Klägerin "im" Arbeitsbereich einer Werkstatt arbeitnehmerähnlich tätig war. Ob sie auch außerhalb des Arbeitsbereichs geschützt gewesen wäre, hat der Senat ausdrücklich offen gelassen.

32

Der Ausschluss eines angegliederten FBB vom Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII verstößt nicht gegen Art 3 Abs 3 Satz 2 GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Dieses Grundrecht soll den Schutz des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG für bestimmte Personengruppen dahingehend verstärken, dass der staatlichen Gewalt insoweit engere Grenzen vorgegeben werden, als die Behinderung nicht zum Anknüpfungspunkt für eine - benachteiligende - Ungleichbehandlung dienen darf (vgl BVerfG vom 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288, 301 f mwN). Der Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 4 SGB VII knüpft hingegen weder direkt noch mittelbar an die Behinderung, sondern an das Merkmal einer Tätigkeit in einer anerkannten WfbM und damit ua an den Ort der Tätigkeit an.

33

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Danach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Dieses Grundrecht ist nach seiner hier maßgeblichen Prüfungsstufe verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (stRspr; vgl BVerfG vom 28.4.1999 - 1 BvR 1926/96 ua - BVerfGE 100, 104 , 127). Die Ungleichbehandlung der in einer anerkannten WfbM tätigen und in einem FBB betreuten behinderten Menschen ist aber sachlich gerechtfertigt. Dass der Gesetzgeber zwischen der Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben und einer zur sozialen Eingliederung unterscheidet, hält sich in den Grenzen seines Gestaltungsspielraums. In eine WfbM aufgenommene Personen sind in der Lage, wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen zu erbringen, die typischerweise ein abhängiges, entgeltliches Beschäftigungsverhältnis kennzeichnen. Die werkstattfähigen behinderten Menschen den Beschäftigten iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gleichzustellen, ist daher nicht zu beanstanden.

34

Das Gleichbehandlungsgebot wäre vielmehr dann verletzt, wenn Teilnehmer von Förder- und Betreuungsgruppen einer der WfbM angegliederten Einrichtung, nicht aber in Heimen, Anstalten oder anderen Einrichtungen aufgenommene betreuungsbedürftige behinderte Menschen vom Schutzbereich der GUV erfasst würden. Die bloße räumliche und/oder organisatorische Angliederung von Förder- und Betreuungseinrichtungen an eine WfbM vermag ein erhöhtes Schutzbedürfnis nicht zu rechtfertigen. Soweit der Kläger geltend macht, angegliederte Fördergruppen seien "Fördergruppen in der WfbM" gleichzustellen, wird übersehen, dass nach der gesetzlichen Systematik in der WfbM keine Fördergruppen gebildet werden, deren Mitglieder die Voraussetzungen des § 136 Abs 2 SGB IX nicht erfüllen.

35

4. Schließlich war der Kläger zum Unfallzeitpunkt auch nicht Wie-Beschäftigter iS des § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB VII. Danach ist eine Betätigung, Handlung oder Verrichtung versichert, die einer Beschäftigung vergleichbar ist (BSG vom 15.6.2010 - B 2 U 12/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 22). Voraussetzung für eine solche Wie-Beschäftigung ist aber, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (BSG vom 13.9.2005 - B 2 U 6/05 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 7 RdNr 14 mwN). Daran fehlt es schon deshalb, weil es gerade nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der WfbM entsprochen hat, den Kläger wie einen in der Werkstatt Tätigen einzusetzen. Seine Verrichtungen dienten eigennützigen therapeutischen Zwecken. Sie waren darauf gerichtet, den lebenspraktischen Bereich zu stärken und eine sinnvolle Tagesstruktur zu ermöglichen.

36

5. An die das hier gefundene Ergebnis tragenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen sind.

37

Die Rüge des Klägers, bei ordnungsgemäßer Beweiswürdigung wäre das Berufungsgericht von einer fremdbestimmten wirtschaftlich verwertbaren Tätigkeit ausgegangen, die dem Willen der WfbM entsprochen hat, ist unzulässig erhoben. Er hätte darlegen müssen, dass das LSG die Grenzen seiner ihm durch § 128 Abs 1 Satz 1 SGG eingeräumten Befugnis verletzt hat, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Es musste aufgezeigt werden, dass es gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt hat (BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anlage 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

38

Der Kläger hat nicht behauptet, das LSG habe einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz herangezogen (vgl BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr 8 S 37 mwN). Auch ein Denkgesetz, gegen das das LSG verstoßen haben könnte, ist nicht aufgezeigt worden. Dass es zu einer bestimmten, aus seiner Sicht erheblichen Frage aus den gesamten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten nur eine Folgerung hätte ziehen können, jede andere nicht folgerichtig "denkbar" ist und das Gericht die allein in Betracht kommende nicht gesehen hat (vgl BSG vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13 mwN), legt die Revision nicht dar. Der Kläger hat ferner nicht dargetan, dass das LSG die Aussagen einzelner Zeugen nicht in die Beweiswürdigung einbezogen und damit das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht berücksichtigt habe. Er setzt im Kern lediglich seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG. Damit ist eine formgerechte Rüge der Verletzung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung aber nicht erhoben (vgl BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 33).

39

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 2. Dezember 2008 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der 1976 geborene Kläger war als Verwaltungsangestellter im Außendienst bei der Stadt L. beschäftigt, um den ruhenden Verkehr zu überwachen, und wohnte in der sog H.-Siedlung in L.-A.

3

Am Nachmittag des 31.3.2006 erhielt der Kläger, der seinen Dienst um 12.00 Uhr angetreten hatte, an seinem Einsatzort in L.-Süd die telefonische Nachricht, dass er auf dienstliche Anweisung zusammen mit seinem Kollegen L. zunächst den Theaterparkplatz in L.-Mitte überwachen und anschließend in der H.-Siedlung in L.-A. parkende Lastkraftwagen kontrollieren sollte. Der Kläger fuhr mit seinem privaten Pkw zum T.-Parkplatz in L.-Mitte, stellte sein Fahrzeug ab und nahm die Überwachungstätigkeit auf. Er vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er seine Pause, die 30 Minuten betrug, dafür nutzen wolle, zu der in der Innenstadt gelegenen Werkstatt zu fahren, in der sich sein Motorrad zur Wartung befand. Der Kläger wollte dort nachfragen, ob die Wartung abgeschlossen sei.

4

Nachdem er und sein Kollege die Überwachungstätigkeit auf dem T.-Parkplatz gegen 16.30 Uhr beendet hatten, fuhren sie im Pkw des Kollegen zur Werkstatt. Die Wartung des Motorrads war abgeschlossen. Der Kläger vereinbarte mit seinem Kollegen, dass er mit dem Motorrad zu der in der H.-Siedlung gelegenen Wohnung des Klägers fahren sollte, damit der Kläger sein Motorrad dort abstellen konnte und um von dort aus die Ermittlungen aufzunehmen. Der Kollege sollte mit seinem Pkw dorthin kommen.

5

Gegen 16.40 Uhr trat der Kläger mit dem Motorrad die Fahrt von der Werkstatt in Richtung L.-A. an. Er befuhr die A. Straße in Richtung L.-A., als er gegen 16.48 Uhr mit einem in diese Straße einbiegenden Fahrzeug kollidierte. Dabei zog er sich eine Beckenring- und Oberschenkelfraktur zu.

6

Die Stadt L. meldete den Unfall dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe. Mit Bescheid vom 26.6.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 wurde die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe sein Motorrad in der Arbeitspause von der Werkstatt zu seiner Wohnung bringen wollen. Diese private Tätigkeit sei unversichert. Dass der sich anschließende Weg zum nächsten Einsatzort nicht mehr so weit gewesen sei, begründe keinen Versicherungsschutz.

7

Das SG hat die Klage, die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtet war, mit Urteil vom 2.12.2008 abgewiesen.

8

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG geändert und entsprechend dem im Berufungsverfahren geänderten Antrag des Klägers unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung festgestellt, dass der Unfall vom 31.3.2006 ein Arbeitsunfall ist. Die zum Unfall führende Fahrt habe nicht trennbar sowohl unversicherten privaten als auch versicherten Zwecken gedient. Als sog gemischte Tätigkeit habe die Fahrt unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck - das Nach-Hause-Bringen des Motorrads - entfallen wäre. Wäre das Motorrad nicht in der Werkstatt gewesen, wäre der Kläger nach der Pause mit dem Kollegen in dessen Privat-Pkw zum nächsten Einsatzort gefahren. Der Kläger sei arbeitsrechtlich nicht gehalten gewesen, seine Dienstfahrten in einer bestimmten Weise - zB zusammen mit dem Kollegen oder mit einem Pkw - zurückzulegen. Er hätte vom Einsatzort in L.-Stadtmitte bei Wahl der kürzesten Wegstrecke über die A. Straße zu seinem neuen Einsatzort gelangen müssen.

9

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung von § 8 SGB VII gerügt. Die unfallbringende Fahrt habe nicht im erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Überwachungstätigkeit gestanden. Der Kläger habe die versicherte Tätigkeit vorerst beendet gehabt und sich durch das rein privatwirtschaftliche Aufsuchen der Werkstatt in seiner Pause von der betrieblichen Tätigkeit gelöst. Der Weg ab der Werkstatt sei maßgeblich von den eigenwirtschaftlichen Interessen des Klägers - Verbringung des Motorrads zur Wohnung - geprägt, denn für die Wahl des Zeitpunkts und des Verkehrsmittels seien andere Gründe maßgebend gewesen als die Absicht, den nächsten Ort der Tätigkeit zu erreichen. Aus Sicht eines unbeteiligten Dritten sei das Aufsuchen der Werkstatt, die Auslösung des Motorrads und dessen Verbringung an den Wohnort eine einheitliche, eigenwirtschaftliche Handlung. Die reine Streckenidentität mit dem Weg zwischen den Einsatzgebieten genüge nicht zur Begründung von Versicherungsschutz, der auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII oder § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII in Betracht komme.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.4.2010 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Dortmund vom 2.12.2008 zurückzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Er sei nur mit dem Motorrad nach L.-A. gefahren, weil es sich wegen des in der Nähe seiner Wohnung gelegenen Einsatzortes angeboten habe und nicht, weil er das Motorrad "zu sich nach Hause bringen wollte". Mit Antritt der Fahrt ab der Werkstatt habe er nach außen erkennbar seinen Dienst wieder angetreten.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG begründet, denn das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG geändert und unter Aufhebung des Bescheides vom 26.6.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2007 einen Arbeitsunfall festgestellt.

14

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den Antrag einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG gestellt. Das LSG hat sachlich über diesen Klageantrag entschieden und so den Übergang des Klägers von einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf eine Anfechtungs- und Feststellungsklage im Berufungsverfahren bindend zugelassen (§ 153 Abs 1 SGG iVm § 99 Abs 4 SGG; vgl BSGE 48, 159, 162; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 89/98 B; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008 § 99 RdNr 15). Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erweist sich als zulässig. Denn die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage steht der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Fällen der vorliegenden Art nicht entgegen (vgl BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4 f; Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Begehrt der Versicherte allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage ggf unmittelbar eine gerichtliche, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen.

15

Entgegen der Entscheidung des LSG war der Unfall des Klägers vom 31.3.2006 kein Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII.

16

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl ua BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Der Kläger war zwar zur Zeit des Unfallereignisses Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und hat am 31.3.2006 einen Unfall mit der Folge eines Gesundheitsschadens erlitten.

18

Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, da die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - die Motorradfahrt von der Werkstatt zur eigenen Wohnung in der H.-Siedlung - nicht im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat. Es handelt sich weder um eine versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII (dazu sogleich unter 1.) noch um das Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (dazu unter 2.) noch um ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Verwahren, Befördern, Instandhalten oder Erneuern eines Arbeitsgeräts nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII (dazu unter 3.).

19

1. Mit der Motorradfahrt zum Unfallzeitpunkt erfüllte der Kläger keine arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflicht, die ihm als Verwaltungsangestellten zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs oblag, insbesondere legte er keinen Betriebsweg zurück, der Teil der versicherten Tätigkeit iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII wäre.

20

Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit iS von § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt(vgl hierzu BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R - Juris RdNr 16). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden.

21

Die Motorradfahrt als konkrete Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses, die nach den Feststellungen des LSG zugleich betrieblichen und privaten Zwecken dienen sollte, beruhte angesichts der objektiven Umstände nicht auf der vom LSG bindend festgestellten betrieblichen Handlungstendenz.

22

Der Kläger verrichtete keine "gemischte Tätigkeit", da diese zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, während die Motorradfahrt des Klägers eine einzige Verrichtung war. Denn eine "Verrichtung" ist nur ein konkretes, also auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Die Motorradfahrt ist aus Sicht eines objektiven Betrachters eine einzige einheitliche Verrichtung, selbst wenn sie unterschiedlichen Zwecken dient. Die Motorradfahrt ist die konkrete Verrichtung, durch die der Kläger von der Werkstatt aus sein Motorrad zur Wohnung fahren und selbst zum nächsten Einsatzort gelangen wollte. Deswegen kann die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt entgegen der Formulierung im LSG-Urteil nicht abstrakt als "Fahrt" bezeichnet werden ohne Angabe des Fortbewegungsmittels. Eine "Fahrt" ohne Verkehrsmittel ist nicht möglich, sodass schon die Definition der zum Unfallzeitpunkt vorgenommenen konkreten Verrichtung des Klägers die Angabe eines Transportmittels voraussetzt.

23

Die Motorradfahrt zur klägerischen Wohnung war eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw mit gemischter Motivationslage (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16), denn sie erfolgte sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit betrieblicher Handlungstendenz. Eine betriebliche, den sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende Handlungstendenz des Beschäftigten liegt vor, wenn er den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern. Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger zwei Ziele. Er wollte zwecks Wiederaufnahme seiner Beschäftigung weisungsgemäß seinen nächsten Einsatzort erreichen, also den Weg auch als "Betriebsweg" zurücklegen (betriebliche Handlungstendenz) und er wollte sein Motorrad an seiner Wohnung abstellen (privatwirtschaftliche Handlungstendenz). Bei der "Handlungstendenz" handelt es sich um eine sog innere Tatsache. Daher sind diese von der Beklagten nicht gerügten Feststellungen des LSG für den Senat bindend.

24

Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - aaO), wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Die Ausführungen des LSG darüber, was vermutlich geschehen wäre, wenn der Kläger zur Unfallzeit nicht mit seinem Motorrad von der Werkstatt zu seiner Wohnung gefahren wäre, enthalten keine maßgeblichen Tatsachenfeststellungen. Denn sie befassen sich mit hypothetischen Geschehensabläufen außerhalb der konkreten Verrichtung "Motorradfahrt", die als nicht erfolgte Ereignisse keine (feststellbaren) Tatsachen sind.

25

Nach den objektiven Umständen lässt die tatsächlich erfolgte Motorradfahrt des Klägers von der Werkstatt zur Wohnung einen sachlichen Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit, hier zB sich zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, nicht deutlich werden. Der betriebliche Zweck, sich (von einem) zum nächsten Einsatzgebiet zu begeben, vermag nach den objektiven Umständen nicht zu erklären, dass die Fahrt an der Werkstatt beginnt, dass als Ziel im nächsten Einsatzgebiet gerade die Wohnung des Klägers gewählt worden ist und die Fahrt auf dem Motorrad erfolgt anstatt einer Fahrt mit dem eigenen Pkw oder einer Fahrt als Beifahrer im Pkw des Kollegen. Vorliegend wurden Ausgangsort, Ziel und das genutzte Verkehrsmittel nicht durch betriebliche Erfordernisse bestimmt, sondern finden ihren Grund in der privaten Motivation des Klägers, sein Motorrad von der Werkstatt zur eigenen Wohnung zu fahren.

26

In rechtlicher Wertung sprach nichts dafür, dass die berufliche Handlungstendenz, die private Motivation weggedacht, zu der unfallbringenden Motorradfahrt des Klägers geführt hätte. Ohne die private Motivation, das Motorrad von der Werkstatt zur Wohnung zu fahren, wäre insbesondere nicht das Motorrad als Verkehrsmittel gewählt worden und die konkrete, zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung - nämlich die Motorradfahrt auf der A. Straße in Richtung der Wohnung - wäre nicht erfolgt. Das Führen eines Motorrads ist objektiv eine andere Verrichtung als eine Fahrt mit dem eigenen Pkw oder als Beifahrer im Pkw des Kollegen.

27

Dass der Kläger aus arbeitsrechtlicher Sicht sein privates Motorrad für dienstliche Fahrten nutzen durfte, vermag keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit mit solchen Motorradfahrten des Klägers zu begründen, die nach dem oben dargelegten Maßstab für die Ermittlung der objektivierten Handlungstendenz bei gemischter Motivationslage gerade nicht auf einer objektivierten betrieblichen Handlungstendenz beruhen.

28

Eine den inneren bzw sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende objektivierte betriebliche Handlungstendenz des Klägers kann nicht daraus gefolgert werden, dass sich der Unfall an einer Stelle ereignet hat, die der Kläger mutmaßlich passiert hätte, wenn er eine Fahrt von einem zum anderen Einsatzgebiet zurückgelegt hätte.

29

Zutreffend hat die Revisionsklägerin darauf hingewiesen, dass reine Streckenidentität einer mit privater Handlungstendenz erfolgten Motorradfahrt mit einer möglichen, tatsächlich aber nicht erfolgten betrieblich veranlassten (Pkw-)Fahrt, die mutmaßlich (oder möglicherweise) an Stelle der Motorradfahrt getreten wäre, keinen inneren bzw sachlichen Zusammenhang der durchgeführten Motorradfahrt als konkrete Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit begründen kann (vgl auch BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 15).

30

2. Die Motorradfahrt des Klägers als Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses war auch keine versicherte Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

31

Danach sind versicherte Tätigkeiten das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass diese Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 13; BSG vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29 RdNr 21). Sie erfolgen entweder mit der Handlungstendenz, sich aus dem privaten Bereich in den betrieblichen Bereich (Weg zu dem Ort der Tätigkeit) oder sich aus dem betrieblichen Bereich zurück in den privaten Bereich zu begeben (Weg von dem Ort der Tätigkeit). Der Kläger hat mit der Motorradfahrt keinen unmittelbaren Weg von oder zu dem Ort der Tätigkeit zurückgelegt. Wie bereits dargelegt, fehlte der Verrichtung bei gemischter Motivationslage eine objektivierte betriebliche Handlungstendenz. Außerdem war Ausgangsort der konkreten Motorradfahrt kein Ort der Tätigkeit als Angestellter der Verkehrsüberwachung, sondern die aus privaten Gründen aufgesuchte Werkstatt, und deren Endpunkt die private Wohnung.

32

3. Das Motorrad war ferner kein Arbeitsgerät iS von § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII, denn es war nicht dazu bestimmt, hauptsächlich der Tätigkeit im Unternehmen zu dienen(vgl BSG vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 28 mit Verweis auf BSG vom 23.2.1966 - 2 RU 45/65 - BSGE 24, 243, 246).

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.