Bundessozialgericht Urteil, 20. März 2018 - B 2 U 11/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:200318UB2U1117R0
bei uns veröffentlicht am20.03.2018

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Kläger ist der Schwager der Ehefrau eines landwirtschaftlichen Unternehmers, sog Schwippschwager. Er wendet sich dagegen, dass ihm wegen der Sonderregelung in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII kein Anspruch auf eine Verletztenrente zusteht, weil die gesundheitlichen Folgen eines während seiner Mitarbeit in dem landwirtschaftlichen Unternehmen erlittenen Arbeitsunfalls nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 30 vH bedingen.

2

Der Kläger half regelmäßig, teilweise zwei- bis dreimal pro Woche, im landwirtschaftlichen Unternehmen des Ehemanns der Schwester seiner Ehefrau, seines Schwippschwagers, aus. Zu seinem Schwippschwager bestand neben dieser familiären auch eine freundschaftliche Beziehung. Der Kläger erlitt am 24.5.2008 einen Unfall, als er mit einer Bandsäge Weidezaunpfähle anspitzte, die für das landwirtschaftliche Unternehmen seines Schwippschwagers bestimmt waren. Er verletzte sich an der linken Hand, weshalb später der Mittelfinger des Klägers in Höhe des Grundgliedes amputiert werden musste. Die Beklagte erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an. Die Gewährung einer Verletztenrente lehnte sie ab, weil die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 vH gemindert sei und abweichend von § 56 Abs 1 SGB VII § 80a SGB VII für nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII versicherte, in landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige ein Rentenanspruch eine MdE von 30 vH voraussetze(Bescheid vom 22.9.2009 und Widerspruchsbescheid vom 8.12.2010).

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Das SG hat die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab dem 13.4.2009 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat den Kläger als mitarbeitenden Ehegatten iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII angesehen und ausgeführt, die MdE betrage zwar nur 20 vH, § 80a Abs 1 SGB VII verstoße jedoch gegen Art 3 Abs 1 GG, soweit diese Vorschrift für den Rentenanspruch - anders als nach § 56 Abs 1 SGB VII - eine höhere MdE als 20 vH voraussetze. Der Anwendungsbereich des § 80a Abs 1 SGB VII sei in verfassungskonformer Auslegung auf die Fälle zu beschränken, in denen der Lebensunterhalt des jeweils versicherten Verletzten allein durch die versicherte landwirtschaftliche Tätigkeit gesichert werde(Urteil vom 11.9.2012). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt Sägearbeiten für das landwirtschaftliche Unternehmen seines Schwippschwagers als nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger und damit nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII Versicherter verrichtet. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage weniger als 30 vH, sodass gemäß § 80a SGB VII kein Rentenanspruch bestehe. § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII trage dem Umstand Rechnung, dass es in der Landwirtschaft selbstverständlich sei, dass Familienmitglieder unentgeltlich mitarbeiten. Dieser Personenkreis stehe deshalb unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er nicht nur vorübergehend für das landwirtschaftliche Unternehmen tätig werde. Seien in einem landwirtschaftlichen Unternehmen Tätige dagegen Beschäftigten nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder Wie-Beschäftigte nach § 2 Abs 2 SGB VII, werde ihnen weiterhin gemäß § 56 SGB VII eine Verletztenrente bereits ab einer MdE in Höhe von 20 vH gewährt. Zu diesen Versicherten gehöre der Kläger allerdings nicht (Urteil vom 22.11.2016).

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Art 3 Abs 1 GG. Er werde als in einem landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger ohne rechtfertigenden Grund schlechter gestellt als sonstige Versicherte. Insbesondere könne die mit der Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII bezweckte finanzielle Entlastung der landwirtschaftlichen Unternehmer die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 11. September 2012 zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG das der Klage teilweise stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage im vollen Umfang abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2010 ist rechtmäßig, soweit die Beklagte in ihm die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente, weil bei ihm die von § 80a Abs 1 S 1 SGB VII geforderte MdE von 30 vH nicht vorliegt.

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1. Zu entscheiden war im Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Verfügung in dem Bescheid vom 22.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2010, mit der die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt und die der Kläger mit einer zulässigen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG)angegriffen hat, sowie über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab dem 13.4.2009, den er zulässig mit einer kombinierten Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG)verfolgt hat. Nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH, die der Kläger erstinstanzlich beantragt hatte. Insoweit hat das SG die Klage rechtskräftig abgewiesen und der Kläger im Berufungs- und Revisionsverfahren dieses Begehren nicht mehr verfolgt.

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2. Der Kläger hat gemäß § 80a Abs 1 S 1 SGB VII keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 24.5.2008 nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist. Anspruch auf Verletztenrente haben gemäß § 56 Abs 1 S 1 SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist. Abweichend von § 56 Abs 1 S 1 SGB VII haben gemäß der durch Art 1 Nr 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung(LSVMG - vom 18.12.2007, BGBl I 2984) mit Wirkung zum 1.1.2008 geschaffenen Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII Versicherte nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a und b SGB VII nur Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vH gemindert ist. Gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a und b SGB VII versichert sind Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens und ihre im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner(Buchst a) sowie die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen (Buchst b). § 80a SGB VII ist auf Versicherungsfälle anzuwenden, die nach dem 31.12.2007 eingetreten sind (§ 221 Abs 2 SGB VII). Die für einen Anspruch auf Verletztenrente erforderlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt der Kläger nicht.

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Der Kläger hat zwar am 24.5.2008 einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs 1 SGB VII und damit einen Versicherungsfall erlitten. Dessen gesundheitliche Folgen bedingten jedoch keine MdE von wenigstens 30 vH. § 80a Abs 1 S 1 SGB VII schließt einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente damit aus. Der Kläger gehörte zum Unfallzeitpunkt als nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger zum Kreis der Versicherten gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII, die nach § 80a Abs 1 S 1 SGB VII einen Anspruch auf Rente erst ab einer MdE in Höhe von mindestens 30 vH haben, sodass ein Anspruch auf eine Verletztenrente nicht besteht(dazu unter a). Die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken(dazu unter b).

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a) Der Arbeitsunfall des Klägers gemäß § 8 Abs 1 SGB VII ist am 24.5.2008 eingetreten, was aufgrund des insoweit nicht angefochtenen Bescheides vom 22.9.2009 für die Beteiligten bindend feststeht (vgl § 77 SGG). Nach den Feststellungen des LSG bedingten die Folgen des Arbeitsunfalles eine MdE von weniger als 30 vH. Diese tatsächlichen Feststellungen des LSG zum Grad der MdE sind für den Senat gemäß § 163 SGG bindend, weil sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind(vgl dazu BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R - BSGE 122, 232 = SozR 4-2700 § 56 Nr 4, RdNr 15 f mwN). § 80a Abs 1 S 1 SGB VII ist im vorliegenden Fall auch gemäß § 221 Abs 2 SGB VII anwendbar, weil der Versicherungsfall nach dem 31.12.2007 eingetreten ist.

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Der Kläger hat den Arbeitsunfall als nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII Versicherter erlitten. Er war zum Unfallzeitpunkt nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger in einem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Schwippschwagers nicht nur vorübergehend mitarbeitete und den Unfall bei dieser Tätigkeit erlitt.

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Als Schwippschwager des landwirtschaftlichen Unternehmers war der Kläger Familienangehöriger iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII. Familienangehörige im Sinne dieser Vorschrift sind gemäß § 2 Abs 4 Nr 2 SGB VII Verschwägerte bis zum zweiten Grade der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner. Nach § 1590 Abs 1 S 1 BGB sind Verwandte eines Ehegatten mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Familienangehörige eines Unternehmers in diesem Sinne ist damit auch der Schwager des Ehegatten eines Unternehmers und damit der sog Schwippschwager des Unternehmers. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalles der Schwippschwager des Unternehmers, denn er war mit dessen Ehefrau verschwägert. Diese war die Schwester seiner Ehefrau.

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Der Kläger erlitt den Unfall während einer nicht nur vorübergehenden Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Schwippschwagers. Nicht nur vorübergehend ist eine Mitarbeit in einem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII, wenn sie auf eine gewisse Dauer ausgerichtet ist(Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Juli 2017, § 2 RdNr 60). Eine nicht nur vorübergehende Mitarbeit liegt in der Regel bei 21 vollen Arbeitstagen im Jahr vor, ohne dass dies die absolute Mindestanzahl an Tagen darstellt (vgl BSG vom 20.10.1983 - 2 RU 49/82 - BAGUV RdSchr 3/84; BSG vom 27.6.1969 - 2 RU 52/67 - SozR Nr 1 zu § 780 RVO). Maßgebend ist das Verhältnis der Mitarbeit zu den Erfordernissen des landwirtschaftlichen Unternehmens im Wirtschaftsjahr. Demgegenüber kommt es weder auf die tägliche Arbeitszeit noch auf den absoluten Umfang der Tätigkeit im Allgemeinen entscheidend an. Die regelmäßige Mitarbeit kann auch neben einer Hauptbeschäftigung und in geringem Umfang erfolgen (vgl Kruschinsky in Krasney/Becker/Burchardt/ Kruschinsky/Heinz/Bieresborn, SGB VII, Stand 10/17, § 2 RdNr 412; vgl BSG vom 31.10.1978 - 2 RU 87/76 - BSGE 47, 137 = SozR 2200 § 573 Nr 9). So handelt es sich nur um eine vorübergehende Mitarbeit, wenn die objektiven Umstände dafür sprechen, dass die Mitarbeit von vornherein zeitlich begrenzt und nicht regelmäßig sein soll (vgl Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 SGB VII RdNr 124). Durch die regelmäßige Tätigkeit, mit welcher der Unternehmer ständig rechnen kann, unterscheidet sich der mitarbeitende Familienangehörige von einem Familienangehörigen, der nur vorübergehend, etwa während der Ernte, im elterlichen landwirtschaftlichen Unternehmen tätig wird (vgl BSG vom 27.6.1969 - 2 RU 52/67 - SozR Nr 1 zu § 780 RVO).

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Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)half der Kläger wegen der Erkrankung der Schwester seiner Ehefrau regelmäßig zwei- bis dreimal pro Woche im landwirtschaftlichen Betrieb seines Schwippschwagers aus. Aufgrund dieser regelmäßigen Tätigkeit lag eine nicht nur vorübergehende Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen vor.

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Der Kläger erlitt den Unfall auch nicht aufgrund einer anderen versicherten Tätigkeit, die möglicherweise nach § 135 SGB VII der Versicherung gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII vorgehen könnte, sodass in der Folge auch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII nicht zur Anwendung käme. Der Kläger war während der zum Unfall führenden Verrichtung insbesondere nicht als Beschäftigter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und auch nicht als Wie-Beschäftigter iS des § 2 Abs 2 S 1 SGB VII tätig.

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Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII ist nach § 7 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine Beschäftigung liegt zunächst immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn der Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 31 ff). Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 16; vgl BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14). Den Feststellungen des LSG sind keine Anhaltpunkte dafür zu entnehmen, dass zwischen dem Kläger und seinem Schwippschwager ein Arbeitsvertrag bestand oder er in dessen landwirtschaftlichen Betrieb eingegliedert war. Vielmehr beruhte seine Mithilfe nach den bindenden Feststellungen des LSG allein auf einem verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Verhältnis.

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Der Kläger war aber auch nicht als Wie-Beschäftigter iS des § 2 Abs 2 S 1 SGB VII tätig, als er die Weidezäune für den Betrieb seines Schwippschwagers anspitzte. Voraussetzung einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs 2 S 1 SGB VII ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Arbeitnehmerähnlichkeit setzt nicht voraus, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein müssen. Das Gesamtbild der Tätigkeit muss aber in einem größeren zeitlichen Zusammenhang eine beschäftigungsähnliche Tätigkeit ergeben (BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 33/01 R - in HVBG-INFO 2002, 2818). Der Senat hat dabei in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs 2 SGB VII(bzw zuvor nach § 539 Abs 2 RVO) verneint, wenn die konkrete Tätigkeit durch eine Sonderbeziehung des Handelnden zu dem Unternehmer geprägt war (vgl hierzu auch zuletzt BSG vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R mwN). Eine solche Sonderbeziehung, die eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iS des § 2 Abs 2 SGB VII ausschließt, liegt bei Erfüllung gesellschaftlicher, insbesondere familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Art vor(vgl BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 13/97 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 41; BSG vom 20.4.1993 - 2 RU 38/92 - SozR 3-2200 § 539 Nr 25; BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 4/89 - SozR 2200 § 539 Nr 134; BSG vom 5.8.1987 - 9b RU 18/86 - SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 68/84 - BSGE 59, 284, 287 = SozR 1500 § 45 Nr 2 = SGb 1986, 376; BSG vom 12.5.1981 - 2 RU 40/79 - BSGE 52, 11 = SozR 2200 § 539 Nr 18; BSG vom 26.10.1978 - 8 RU 14/78 - SozR 2200 § 539 Nr 49; BSG vom 31.7.1962 - 2 RU 110/58 - BSGE 17, 211, 216 = SozR Nr 30 zu § 537 RVO). BSG vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 - BSGE 14, 1, 3 = SozR Nr 1 zu § 798 RVO). Auch bei einer solchen "Sonderbeziehung" sind allerdings alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass die konkrete Verrichtung auch außerhalb dessen liegen kann, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen selbstverständlich getan oder erwartet wird (BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 5/11 R - RdNr 57, Juris; vgl BSG vom 30.11.1962 - 2 RU 174/60 - BSGE 18, 143 = SozR Nr 33 zu § 537 RVO, SozR Nr 33 zu § 537 RVO, RdNr 20; Kruschinsky in Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 1/2018, § 2 RdNr 858; Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, Stand 2/17, § 2 RdNr 644; Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 SGB VII RdNr 399 ff).

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Der Senat teilt insofern die Rechtsansicht des LSG, das davon ausging, dass der Kläger die Weidezaunpfähle zum Unfallzeitpunkt vorrangig aufgrund der engen verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und seinem Schwippschwager anspitzte. Das LSG hat bindend festgestellt, dass zwischen dem Kläger und seinem Schwippschwager eine intakte familiäre und freundschaftliche Beziehung bestand, welche durch ein wechselseitiges Geben und Nehmen bestimmt war. Der Kläger half in dessen landwirtschaftlichen Unternehmen aus, wenn seine Mitarbeit für besondere Arbeiten außerhalb der laufenden Betriebstätigkeit benötigt wurde. Diese Hilfeleistung war für den Kläger selbstverständlich. Damit ist der Subsumtionsschluss des LSG, dass die Hilfstätigkeit des Klägers ihr Gepräge durch die Sonderbeziehung der wechselseitig verbundenen Familien im landwirtschaftlichen Bereich fand, nicht zu beanstanden. Eine nach § 2 Abs 2 S 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs 2 S 1 SGB VII lag damit nicht vor.

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b) § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verstößt nach Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges Recht, sodass eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 GG ausscheidet. Ebenso bedarf es keiner verfassungskonformen Auslegung der Norm zugunsten des Klägers, denn die Regelung ist in ihrer Anwendung auf den Kläger verfassungsgemäß. Insbesondere ist er nicht in seinem Eigentumsgrundrecht (Art 14 Abs 1 GG) verletzt (dazu unter aa). Der Ausschluss der Rentenansprüche für nicht nur vorübergehend mitarbeitende Angehörige eines landwirtschaftlichen Unternehmers, deren Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist, berührt zwar den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Regelung ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (dazu unter bb).

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aa) Anders als Ansprüche und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung (BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 - BVerfGE 128, 128 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9; BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - BVerfGE 53, 257; BVerfG vom 1.7.1981 - 1 BvR 874/77 ua - 58, 81 <109>; BVerfG vom 4.6.1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101 <110>; stRspr) oder Ansprüche auf Arbeitslosengeld (BVerfGE vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203; BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9), die teilweise durch einkommensbezogene eigene Beiträge der Versicherten finanziert werden, ist zweifelhaft, ob Ansprüche auf Verletztenrenten der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt dem Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG unterliegen (wie hier offengelassen BVerfG vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895; BVerfG vom 18.2.1988 - 1 BvR 1017/87 - SozR 2200 § 568 Nr 9; BSG vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R - HVBG-INFO 2002, 3454; bejahend Papier in Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art 14 RdNr 142). Der erkennende Senat hat dies hinsichtlich des Ausschlusses einer Verletztenrente bei einer MdE von weniger als 30 vH bei (selbst) versicherten landwirtschaftlichen Unternehmern offengelassen, weil selbst dann, wenn diese Unternehmer durch die langjährige Versicherung und die Zahlung von Beiträgen bereits ein durch Art 14 Abs 1 GG geschütztes Anwartschaftsrecht erworben hätten, ihr Eigentumsgrundrecht nicht verletzt wäre, weil § 80a Abs 1 S 1 SGB VII dann jedenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 S 2 GG darstellt(vgl Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 6/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 bestimmt).

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Die Anwartschaft des Klägers auf eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung berührt jedoch bereits nicht den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG, weil sie nicht auf seinen Eigenleistungen beruht. Voraussetzung ist, dass der sozialversicherungsrechtlichen Position eine nicht unerhebliche Eigenleistung zugrunde liegt, wobei als eigene Leistungen des Versicherten nicht nur die von ihm selbst bezahlten Beiträge zu berücksichtigen sind, sondern in aller Regel auch solche Beiträge, die von Dritten zu seinen Gunsten dem Träger der Sozialversicherung zugeflossen sind. Hieran fehlt es im Falle der Versicherung des Klägers (vgl zur Hinterbliebenenrenten BVerfG vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271). Die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird nicht durch Beiträge der mitarbeitenden Familienangehörigen, sondern durch die Beiträge der landwirtschaftlichen Unternehmer (vgl § 183 SGB VII iVm § 150 SGB VII)sowie aus Steuermitteln finanziert.

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bb) Eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Zwar wird der Kläger und die von ihm repräsentierte Ausgangsgruppe der gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII versicherten Familienangehörigen eines landwirtschaftlichen Unternehmers, die nicht nur vorübergehend in dessen Betrieb mitarbeiten, durch die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII gegenüber den übrigen Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung ungleich behandelt, weil ein Rentenanspruch erst ab einer MdE von 30 vH und nicht wie nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VII bereits ab einer MdE von 20 vH besteht. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch im Hinblick auf die Besonderheiten der Versicherung der mitarbeitenden Angehörigen landwirtschaftlicher Unternehmer gerechtfertigt.

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Der allgemeine Gleichheitssatz iS des Art 3 Abs 1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 - stRspr). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfG vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92 ua - BVerfGE 88, 87; BVerfG vom 8.4.1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267; BVerfG vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06; BVerfG vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240). Vorliegend hat eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende, an den Grundsätzen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung orientierte Prüfung zu erfolgen. Denn die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII behandelt verschiedene Personengruppen ungleich.

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Gemessen am anzuwendenden Maßstab verhältnismäßiger Gleichbehandlung bestehen für die Einschränkung des Rentenanspruchs der mitarbeitenden Familienangehörigen landwirtschaftlicher Unternehmer durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen. § 80a Abs 1 SGB VII wurde durch Art 1 LSVMG vom 18.12.2007 in das SGB VII eingefügt und trat zum 1.1.2008 in Kraft. Zweck des Gesetzes war eine Weiterentwicklung und Reform des Rechts der landwirtschaftlichen Unfallversicherung mit den Zielen einer angemessenen Beitragsbelastung und innerlandwirtschaftlicher Beitragsgerechtigkeit im Hinblick auf den sich beschleunigenden landwirtschaftlichen Strukturwandel und im Gesamtkontext der Reformen der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung erhält seit 1963 Bundeszuschüsse, um die Beiträge der zuschussberechtigten land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer zu senken und zu einer Annäherung der Belastungsunterschiede zwischen den Regionen beizutragen (Gesetzentwurf der Bundesregierung - BT-Drucks 16/6520, S 2 f). Im Interesse der Haushaltskonsolidierung sollte das weitere finanzielle Engagement des Bundes in der mittelfristigen Finanzplanung von 200 Mio Euro auf 100 Mio Euro abgesenkt werden. Zielsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung war somit, Spielräume zu schaffen, damit die Beiträge der Landwirtschaft ab 2011 trotz eines auf 100 Mio Euro reduzierten Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung entweder konstant gehalten oder sogar gesenkt werden könnten. Hierbei handelt es sich um ein legitimes Ziel, das im öffentlichen Interesse liegt. Denn die Regelung dient dazu, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Interesse der versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Familienangehörigen im Kontext veränderter Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft zu erhalten (BT-Drucks 16/6520, S 1).

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Die bezweckte Einschränkung der Leistungen auf der Ausgabenseite ist geeignet, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der kurz- oder mittelfristigen Senkung des Umlagesolls der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft trotz reduzierter Bundeszuschüsse zu erreichen. Der hinreichende Sachgrund für die Ungleichbehandlung folgt aus der Besonderheit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung.

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Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gruppe des Klägers durch die Sonderregelung des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII erst privilegiert wird. Grundsätzlich sind in der gesetzlichen Unfallversicherung Verrichtungen, die nicht als Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII vorgenommen und die - wie hier - aufgrund einer den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 S 1 SGB VII ausschließenden freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Sonderbeziehung erbracht werden, nicht versichert. Eine Ausnahme bilden die nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen in landwirtschaftlichen Unternehmen. Ohne Einbeziehung in die landwirtschaftliche Versicherung wäre diese Personengruppe nicht versichert, denn anders als die Personen, die nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 2 Abs 2 S 1 SGB VII versichert sind, wird der durch § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII iVm § 2 Abs 4 SGB VII erfasste Personenkreis, zu dem der Kläger gehört, regelmäßig aufgrund des verwandtschaftlichen Näheverhältnisses zum landwirtschaftlichen Unternehmer tätig. Typischerweise helfen diese Personen unentgeltlich im Betrieb mit, weil sie - ähnlich wie der Unternehmer und sein Ehegatte selbst - Interesse am Ertrag des Unternehmens haben. Folglich sind Personen, die wie der Kläger tätig werden, in der Regel weder als Beschäftigte noch als Wie-Beschäftigte nach § 2 Abs 1 Nr 1 bzw § 2 Abs 2 S 1 SGB VII versichert und erlangen Versicherungsschutz nur durch die sie insoweit privilegierende Norm des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII. Dieser Personengruppe wird erst dadurch Versicherungsschutz in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gewährt. Es handelt sich dabei um eine gemeinschaftliche Absicherung von Gesundheitsgefahren durch die bei einem Versicherungsträger zusammengeschlossenen landwirtschaftlichen Unternehmer auf genossenschaftlicher Basis (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 RdNr 108; Schwerdtfeger in Lauterbach, SGB VII, Stand 6/2014, § 2 RdNr 193), die mit Steuermitteln bezuschusst wird. In deren Schutz sind durch § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII die andernfalls nicht versicherten Familienangehörigen - wie der Kläger - einbezogen. Dies rechtfertigt es, diese - andernfalls in der Regel überhaupt nicht versicherte - Gruppe hinsichtlich der Voraussetzungen einer Verletztenrente mit den landwirtschaftlichen Unternehmern gleich zu behandeln, deren Anspruch auf Verletztenrente ebenfalls abweichend von § 56 SGB VII eine MdE von mindestens 30 vH voraussetzt(vgl dazu BSG vom 20.3.2018 - B 2 U 6/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

29

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

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Bundessozialgericht Urteil, 20. März 2018 - B 2 U 11/17 R zitiert 20 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 56 Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs


(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versich

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 150 Beitragspflichtige


(1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die nach § 2 versicherten Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 183 Umlageverfahren


(1) Auf die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft finden anstelle der Vorschriften über das Umlageverfahren aus dem Vierten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts die folgenden Absätze Anwendung. (2) Die Einzelheiten der Beitragsberechnung besti

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 135 Versicherung nach mehreren Vorschriften


(1) Die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 geht einer Versicherung vor 1. nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, wenn die Versicherten an der Aus- und Fortbildung auf Veranlassung des Unternehmers, bei dem sie beschäftigt sind, teilnehmen,2. nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, w

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1590 Schwägerschaft


(1) Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft. (2) Die Schwägerschaft dauert fort, auch w

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 221 Besondere Vorschriften für die landwirtschaftliche Unfallversicherung


(1) (weggefallen) (2) § 80a ist nur auf Versicherungsfälle anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2007 eingetreten sind. (3) (weggefallen) (4) (weggefallen) (5) (weggefallen)

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 80a Voraussetzungen für den Rentenanspruch, Wartezeit


(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenig

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Tenor 1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz

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(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) (weggefallen)

(2) § 80a ist nur auf Versicherungsfälle anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2007 eingetreten sind.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(5) (weggefallen)

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17.09.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Verletztenrente des Klägers herabsetzen durfte, weil er mit einer anderen Prothese versorgt wurde.

2

Der im Jahre 1981 geborene Kläger erlitt als Schüler am 2.7.1998 einen Unfall, der zur Amputation des linken Beines im Bereich des Oberschenkels führte. Die Beklagte versorgte den Kläger mit einer Prothese. Sie erkannte als Folgen des Arbeitsunfalls nach Polytrauma mit unfallbedingtem Verlust des linken Beines im Bereich des Oberschenkels narbenbedingte Sensibilitätsstörungen im Bereich des Oberschenkelstumpfes, Phantomschmerzen nach Oberschenkelamputation sowie leichte Leistungseinschränkungen und Wahrnehmungsbeeinträchtigung nach Schädel-Hirn-Trauma an und gewährte dem Kläger eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 vH (Bescheid vom 5.7.2001).

3

Im März 2006 erhielt der Kläger eine mikroprozessorgesteuerte Oberschenkelprothese, ein sog C-Leg. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung der Verletztenrente in dem Bescheid vom 5.7.2001 wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X teilweise auf und gewährte dem Kläger ab dem 1.8.2007 nur noch eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 vH (Bescheid vom 5.7.2007 und Widerspruchsbescheid vom 29.11.2007). Zur Begründung führte sie aus, durch die Versorgung mit der C-Leg-Prothese sei eine deutliche Funktionsverbesserung des linken Beines eingetreten, die zu einem flüssigeren Gangbild und einer Erhöhung der Gang- und Standsicherheit geführt habe. Dem Kläger sei nunmehr das sichere Gehen und Stehen sowie das Treppensteigen weitestgehend ohne Gehhilfe möglich. Dadurch habe sich seine Mobilität einschließlich des Wirkungsbereiches verbessert. Ihr beratender Chirurg habe die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet nach der Versorgung mit der C-Leg-Prothese ab März 2006 nur noch mit 50 vH und insgesamt mit nur noch 60 vH bewertet.

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 29.7.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 17.9.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Rente seien nicht erfüllt, weil keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Unfallfolgen sowohl auf neurologischem und neuropsychiatrischem als auch auf chirurgischem Fachgebiet bestünden unverändert fort. Sie bedingten auf chirurgischem Fachgebiet weiterhin eine MdE von 60 vH, auf neurologischem und neuropsychiatrischem Fachgebiet eine MdE von 15 vH und insgesamt weiterhin eine MdE von 70 vH. Die Gebrauchsvorteile der prothetischen Versorgung mit einem C-Leg führten zu keiner geringeren MdE. Bei einem Verlust der Gliedmaßen sei der objektive funktionelle Körperschaden unabhängig von dem Erfolg der prothetischen Versorgung für die Bewertung der MdE zugrunde zu legen, denn eine entsprechende Prothese könne den Körperschaden derzeit nicht vollständig kompensieren. Dies entspreche der herrschenden Auffassung in der unfallrechtlichen Literatur. Nur wenn ein Hilfsmittel einen physiologisch vollwertigen Ersatz darstelle bzw Ausgleich schaffe, sei es gerechtfertigt, allein die verbleibenden Funktionseinbußen der Bemessung der MdE zugrunde zu legen. Die verbleibenden Funktionseinschränkungen bei prothetischer Versorgung würden unabhängig von der konkreten Art der Versorgung im Sinne einer Durchschnittsbewertung berücksichtigt. Dies führe zu einer Gleichbehandlung und Verwaltungsvereinfachung. Dementsprechend würden weder die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz noch die am 1.1.2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung danach differenzieren, ob die konkrete prothetische Versorgung bei Verlust von Gliedmaßen zu einer Funktionsverbesserung führe.

5

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 73 und 56 SGB VII iVm § 48 SGB X. Die signifikante Verbesserung der Körperfunktionen des Klägers durch seine Versorgung mit dem C-Leg begründe eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 SGB X, denn die Gebrauchsvorteile dieser Prothese gegenüber einer konventionellen Versorgung im Erwerbsleben würden die Bewertung der MdE auf chirurgischem Fachgebiet mit nur 50 vH rechtfertigen. Die Gesamt-MdE betrage daher nur noch 60 vH. Nach den gemäß § 56 Abs 2 SGB VII für die Höhe der MdE maßgebenden Bestimmungsfaktoren seien Funktionsverbesserungen durch Heil- oder Hilfsmittel zu berücksichtigen. Die vom LSG zugrunde gelegten, in verschiedenen Handbüchern genannten MdE-Erfahrungswerte könnten Verwaltung und Gerichte nicht normähnlich binden.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17.09.2014 und das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 29.07.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Der angefochtene Verwaltungsakt im Bescheid der Beklagten vom 5.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2007 erweist sich als rechtswidrig. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine Herabsetzung der bisher durch den Bescheid vom 5.7.2001 gewährten Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 70 vH rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das LSG entschieden hat, die Versorgung des Klägers mit einer mikroprozessorgesteuerten Oberschenkelprothese bewirke keine geringere MdE als die im Jahre 2001 festgesetzte.

10

Durch die Versorgung des Klägers mit einer C-Leg-Prothese im Jahre 2006 ist keine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X gegenüber den Verhältnissen im Jahre 2001 eingetreten. Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Diese Vorschrift wird für Renten der gesetzlichen Unfallversicherung durch § 73 SGB VII ergänzt. Nach § 73 Abs 3 SGB VII ist eine Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X hinsichtlich der Feststellung der Höhe der MdE nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 vH beträgt. Diese Voraussetzung lag in Bezug auf den Verwaltungsakt vom 5.7.2001, der eine Verletztenrente nach einer MdE von 70 vH auf unbestimmte Zeit bewilligte, nicht vor. Ob eine Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X eingetreten ist, ist durch Vergleich der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes mit den zum Zeitpunkt des Erlasses des aufhebenden Verwaltungsaktes bestehenden Verhältnissen zu ermitteln(vgl BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 25/11 R - NZS 2013, 464 mwN). Die tatsächlichen Verhältnisse änderten sich zwar im März 2006 insoweit, als der Kläger zu diesem Zeitpunkt eine neue Oberschenkelprothese erhielt und sich dadurch seine Mobilität und Koordination verbesserte sowie sein Aktionsradius vergrößerte. Diese Änderung war aber nicht wesentlich iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB VII. Denn sie begründete kein Recht der Beklagten, eine Verletztenrente in geringerer Höhe nach einer MdE von nunmehr nur noch 60 vH festzusetzen. Zutreffend hat das LSG insofern entschieden, dass die unfallbedingte MdE weiterhin 70 vH beträgt.

11

Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist jede Änderung des für die getroffene Regelung relevanten Sachverhalts. In Betracht kommen für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere Änderungen im Gesundheitszustand des Betroffenen (vgl BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 25/11 R - NZS 2013, 464; BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R - BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr 1), wobei es zum einen auf die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung tatsächlich bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse ankommt, die ursächlich auf dem Unfall beruhen. Diese sind mit den bestehenden unfallbedingten Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vorgelegen haben (vgl BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 25/11 R - NZS 2013, 464 mwN). Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war schon keine Änderung der auf dem Arbeitsunfall beruhenden Gesundheitsstörungen des Klägers eingetreten, denn sein Gesundheitszustand hatte sich weder auf dem neurologischen und neuropsychiatrischen noch auf dem chirurgischen Fachgebiet verändert, insbesondere nicht verbessert.

12

Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse war nur insoweit erfolgt, als der Kläger anstelle der bisherigen Prothese ab März 2006 mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese, einem sog C-Leg, versorgt worden war und sich dadurch nach den ebenfalls unangegriffenen Feststellungen des LSG seine Mobilität und Koordination verbessert hatte. Durch den Gebrauch des C-Legs konnte der Kläger weitgehend ohne Gehhilfen gehen, sein Aktionsradius hatte sich vergrößert.

13

Das LSG hat jedoch zutreffend entschieden, dass die durch die Änderung der prothetischen Versorgung erfolgte Verbesserung der Mobilität, der Koordination und des Aktionsradius des Klägers keine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X war. Diese Verbesserungen durch die prothetische Versorgung begründeten nach § 56 Abs 2 SGB VII keinen Anspruch der Beklagten auf Festsetzung einer Verletztenrente in geringerer Höhe als nach einer MdE von 70 vH.

14

Gemäß § 56 Abs 1 S 1 iVm Abs 3 SGB VII setzt der Anspruch auf eine Verletztenrente eine MdE von wenigstens 20 vH voraus. Der Zahlbetrag der Verletztenrente bestimmt sich sodann nach der Höhe der MdE und dem Jahresarbeitsverdienst (JAV). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 S 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt damit zum einen von den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und zum anderen von dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten ab. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R - BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr 1 mwN).

15

Soweit das LSG den Grad der MdE auch im Jahre 2006 weiterhin mit 70 vH festgesetzt hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Bemessung des Grades der MdE ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Tatsachengericht unter Berücksichtigung der gesamtem Umstände des Einzelfalls gemäß § 128 Abs 1 S 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen richterlichen Überzeugung trifft(vgl BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr 8; BSG vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R - HVBG-INFO 2001, 499; BSG vom 27.6.2000 - B 2 U 14/99 R - SozR 3-2200 § 581 Nr 7; BSG vom 23.4.1987 - 2 RU 42/86 - HV-INFO 1988, 1200; BSG vom 24.5.1984 - 2 RU 12/83 - HV-INFO 1984, Nr 13, 18). Die der Feststellung der MdE zugrunde liegende, vom LSG gemäß § 128 Abs 1 S 1 SGG nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Einschluss der Beweisaufnahme nach der Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel frei vorzunehmende Würdigung des Sachverhaltes kann das Revisionsgericht auf Rüge grundsätzlich nur darauf prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat(vgl BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 31/02 R - Breith 2003, 565).

16

Das LSG hat festgestellt, dass die unfallbedingte MdE zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 5.7.2001 sowie auch zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen, im Jahre 2007 ergangenen Bescheide weiterhin unverändert 70 vH betrug, weil auf neurologischem und neuropsychiatrischem Fachgebiet eine MdE von 15 vH sowie auf chirurgischem Fachgebiet eine MdE von 60 vH bestand. Diese Feststellungen zur MdE-Höhe sind als tatsachenrichterliche Erkenntnisse revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die MdE-Festsetzung im konkreten Einzelfall insoweit nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen.

17

Es bestehen aber auch keine revisionsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der MdE-Tabellen als solche durch das LSG. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass die Bindungswirkung der tatsächlichen MdE-Feststellung gemäß § 163 SGG nicht in vollem Umfang für die Überprüfung der in den MdE-Tabellen abstrakt niedergelegten MdE-Tabellenwerte gilt. Die Anwendung der den MdE-Tabellenwerten zugrunde liegenden allgemeinen bzw wissenschaftlichen Erfahrungssätze unterliegt vielmehr jeweils der revisionsrechtlichen Überprüfung dahingehend, ob diese Tabellenwerte offensichtlich falsch sind und ob sie dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen (vgl zB BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 31/02 R - Breith 2003, 565; BSG vom 26.11.1987 - 2 RU 22/87 - SozR 2200 § 581 Nr 27; BSG vom 23.4.1987 - 2 RU 42/86 - HV-INFO 1988, 1210; BSG vom 26.6.1985 - 2 RU 60/84 - SozR 2200 § 581 Nr 23; BSG vom 30.8.1984 - 2 RU 65/83 - HVGBG RdSchr VB 122/84; vgl zum Prüfungsumfang bei allgemeinen medizinischen Erfahrungssätzen auch BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 418).

18

Wie die nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats revisionsrechtlich überprüfbaren allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für die Feststellung von Berufskrankheiten von Bedeutung sind (vgl dazu zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6), sind auch die MdE-Tabellenwerte allgemeine (generelle) Tatsachen, die für die Bestimmung des Inhalts einer Rechtsnorm - nämlich des in § 56 Abs 2 SGB VII verwendeten Begriffs der MdE - und damit für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle relevant sind. Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE-Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Hilfsmittel für die MdE-Einschätzung im Einzelfall. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber als in sich stimmiges Beurteilungsgefüge (so Ruppelt in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, UV, § 48 RdNr 25) die Grundlage für eine gleichförmige Bewertung der MdE (vgl BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 31/02 R - Breith 2003, 565 mwN), ohne dass hier eine exakte rechtsdogmatische Einordnung der MdE-Tabellen erforderlich wäre (vgl hierzu Pense, Die Rechtsnatur von MdE-Tabellen, 1995, S 59 f: "Erkenntnisquelle" ohne Rechtssatzqualität; vgl auch Pfitzner, NZS 1998, 61).

19

MdE-Tabellen bezeichnen typisierend das Ausmaß der durch eine körperliche, geistige oder seelische Funktionsbeeinträchtigung hervorgerufenen Leistungseinschränkungen in Bezug auf das gesamte Erwerbsleben und ordnen körperliche oder geistige Funktionseinschränkungen einem Tabellenwert zu. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte geben damit auch allgemeine Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit aufgrund des Umfangs der den Verletzten versperrten Arbeitsmöglichkeiten wieder und gewährleisten, dass die Verletzten bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden (vgl BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr 2; BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 31/02 R - Breith 2003, 565).

20

Wendet ein Tatsachengericht solche allgemein akzeptierten MdE-Tabellen an, ist revisionsrechtlich die Prüfung des BSG darauf beschränkt, ob diese Tabellenwerte erkennbar falsch sind, etwa weil sie dem Stand des medizinischen Wissens oder des Erfahrungswissens anderer einschlägiger Wissenschaftsgebiete (wie hier beispielsweise auch der Arbeitsmarktforschung) widersprechen. Es ist bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs nicht erkennbar, dass die von dem LSG angewandten MdE-Tabellenwerte nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen und deshalb als wissenschaftlich unhaltbar der Rechtsfindung nicht zugrunde gelegt werden durften. Das LSG hat für die MdE auf chirurgischem Fachgebiet den in den Standardwerken derzeit für eine Oberschenkelamputation gängigen MdE-Tabellenwert von 60 vH zugrunde gelegt, wobei überwiegend nicht danach differenziert wird, ob eine Versorgung mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese anstelle einer herkömmlichen Prothese möglich oder erfolgt ist (vgl Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 691; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl 2012, S 193; Nehls in Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Stand Juni 2014, US 0500, S 38; vgl auch im Ergebnis eine Differenzierung nach Versorgungsqualität ablehnend: Schwerdtfeger in Trauma und Berufskrankheit 2001, S 353, 354 ff). Bei seiner Entscheidung hat das LSG auch berücksichtigt, dass bislang die gängigen Tabellenwerte zur Einschätzung der MdE bei der Amputation der unteren Gliedmaßen nicht grundsätzlich geändert wurden. Das LSG ist mithin zumindest im Ergebnis davon ausgegangen, dass es nach wie vor dem Stand des Erfahrungswissens in der unfallmedizinischen Literatur entspricht, bei Amputationen die Qualität der prothetischen Versorgung für die Einschätzung der Höhe der MdE nicht zu berücksichtigen, weil die derzeit gängigen Tabellenwerke keine Differenzierung nach der Qualität der Hilfsmittelversorgung enthalten. Dies ist entgegen der Auffassung der Beklagten revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil nicht feststellbar ist, dass die vom LSG zugrunde gelegten MdE-Tabellenwerte nicht mehr dem neuesten Stand der unfallmedizinischen Wissenschaft entsprechen oder offensichtlich falsch sind.

21

Ein medizinischer Erfahrungssatz entspricht in der Regel dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wenn er von allen oder den meisten in dem entsprechenden Fachgebiet Kundigen vertreten wird. Er kann aber auch dann den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, wenn er nicht von allen im jeweiligen Erkenntnissystem Handelnden geteilt wird und auch abweichende Auffassungen vertreten werden. Deshalb kann allein aus dem Vorliegen unterschiedlicher Auffassungen bei den im entsprechenden Fachgebiet Kundigen nicht geschlossen werden, dass ein Erfahrungssatz falsch ist oder nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 28).

22

Zwar wird vereinzelt in der unfallmedizinischen Literatur bei einer Bemessung der MdE für Beinamputationen eine Differenzierung nach der Hilfsmittelqualität und für den Fall der bestmöglichen Versorgung, zB mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese, ein geringerer MdE-Wert vorgeschlagen (vgl Ludolph/Schürmann, MedSach 2016, S 60, 68; Schürmann in Trauma und Berufskrankheit 2014, S 204, 207 ff; J. Becker, MedSach 2008, S 142, 145 f; Koss, MedSach 2004, S 92, 93; Plagemann, MedSach 2004, S 94, 96). Allein aufgrund dieser Literaturmeinungen kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die vom LSG zugrunde gelegten Erfahrungssätze nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen oder offensichtlich falsch sind.

23

Es erscheint damit durchaus möglich, dass der Tabellenwert für die MdE bei einer Amputation im Oberschenkelbereich niedriger angesetzt werden könnte, wenn eine heute technisch mögliche, verbesserte Prothesenversorgung zu geringeren Funktionseinschränkungen führt und deshalb den Verletzten mehr Betätigungsfelder im Erwerbsleben offen stehen. Eine dahin gehende generelle Änderung der MdE-Tabellenwerte ist in der entsprechenden unfallmedizinischen Literatur bisher jedoch nicht erfolgt. Allenfalls werden - wie jetzt auch in neuesten Auflagen der unfallmedizinischen Standardwerke (vgl zB Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl 2017, S 725, 727) - unterschiedliche Tabellenwerte unkommentiert und gleichrangig wiedergegeben, ohne dass erkennbar oder Stellung dazu bezogen wird, welche der beiden Auffassungen den nunmehr aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergibt.

24

Für den Senat ist auch sonst nicht feststellbar, dass der von der unfallmedizinischen Literatur zugrunde gelegte Tabellenwert einer MdE von 60 vH bei Versorgung mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese offensichtlich falsch ist und ein geringerer MdE-Wert bei Versorgung mit einem C-Leg anzusetzen wäre. Der bisherige MdE-Tabellenwert von 60 vH bestimmt sich zwar anhand der Amputationshöhe und knüpft damit an die Strukturverletzung an, berücksichtigt aber - da der Erfolg der prothetischen Versorgung und damit die verbliebene Funktion maßgeblich von der Amputationshöhe abhängen - pauschalierend das Ausmaß der Funktionsstörungen. Damit findet die Möglichkeit einer prothetischen Versorgung bereits jetzt Eingang in die MdE-Bemessung. So setzten die MdE-Werte nach einigen Tabellenwerken voraus, dass "der Zustand des Stumpfes sehr gut ist und dass der Verletzte gut passende orthopädische Hilfsmittel tragen kann" (vgl Nehls in Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Stand Juni 2014, US 0500, S 38; Ricke in Kasseler Komm, SGB VII, Stand Juni 2016, § 56 RdNr 70). Für den Senat ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die prothetische Versorgung mit einem C-Leg die Funktionsstörungen bei einer Oberschenkelamputation derart kompensieren könnte, dass unter Berücksichtigung der in § 56 Abs 2 SGB VII ausdrücklich genannten Anforderungen des Arbeitsmarktes nunmehr Erwerbsmöglichkeiten in einem Umfang eröffnet würden, dass deshalb ein MdE-Wert von 60 vH den Umfang der verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens offensichtlich fehlerhaft beschreibt.

25

Kritisch anzumerken bleibt, dass aufgrund der Regelungsstruktur des § 56 Abs 2 SGB VII prinzipiell unklar bleibt, welche medizinischen Referenzgrößen und welche arbeitsmarktpolitischen bzw soziologischen Erkenntnisse die Verfasser der MdE-Tabellen in ihre Überlegungen grundsätzlich einzustellen haben. Es würde einen Gewinn an Rechtssicherheit und -klarheit darstellen, wenn der Gesetzgeber selbst in § 56 Abs 2 SGB VII eine Delegation zum Erlass von MdE-Tabellen aussprechen würde, die den Kriterien des Art 80 Abs 1 S 2 GG genügen würde. Dabei wäre der Gesetz- bzw Verordnungsgeber auch berufen, die allgemeinen Maßstäbe und das Verfahren der Erstellung der MdE-Tabellen - wie es etwa durch die Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (BGBl I 2412) für die Bestimmung des Grades der Behinderung iS von § 69 Abs 1 S 5 SGB IX und im sozialen Entschädigungsrecht für den Grad der Schädigungsfolgen nach § 30 Abs 1 BVG geschehen ist - zu normieren.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) (weggefallen)

(2) § 80a ist nur auf Versicherungsfälle anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2007 eingetreten sind.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(5) (weggefallen)

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft.

(2) Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 geht einer Versicherung vor

1.
nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, wenn die Versicherten an der Aus- und Fortbildung auf Veranlassung des Unternehmers, bei dem sie beschäftigt sind, teilnehmen,
2.
nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, wenn die Maßnahmen auf Veranlassung des Unternehmers durchgeführt werden, bei dem die Versicherten beschäftigt sind,
3.
nach § 2 Abs. 1 Nr. 8, es sei denn, es handelt sich um Schüler beim Besuch berufsbildender Schulen,
4.
nach § 2 Abs. 1 Nr. 12, wenn die Versicherten an der Ausbildungsveranstaltung einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltung, die der Nachwuchsförderung dient, auf Veranlassung des Unternehmers, bei dem sie beschäftigt sind, teilnehmen,
5.
nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a oder c, wenn die Hilfeleistung im Rahmen von Verpflichtungen aus dem Beschäftigungsverhältnis erfolgt,
5a.
nach § 2 Absatz 1 Nummer 14 Buchstabe b, wenn die Versicherten an einer Maßnahme teilnehmen, die von dem Unternehmer durchgeführt wird, bei dem sie beschäftigt sind,
6.
nach § 2 Abs. 1 Nr. 17,
7.
nach § 2 Abs. 2.

(2) Die Versicherung als selbständig Tätige nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 und 9 geht der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a oder c vor, es sei denn, die Hilfeleistung geht über eine dem eigenen Unternehmen dienende Tätigkeit hinaus.

(3) Die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, 9 und 10 geht der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 vor. Die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 geht der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 vor.

(4) Die Versicherung des im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a geht der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 vor.

(4a) Die Versicherung nach § 2 Absatz 1 Nummer 13 Buchstabe d geht der Versicherung nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 und 9 vor.

(5) Die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 geht der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 vor.

(5a) Die Versicherung nach einer Vorschrift des § 2 Abs. 1 geht der Versicherung nach § 2 Abs. 1a vor. Die Versicherung nach § 2 Abs. 1a geht der Versicherung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 vor.

(6) Kann über die Absätze 1 bis 5 hinaus eine Tätigkeit zugleich nach mehreren Vorschriften des § 2 versichert sein, geht die Versicherung vor, der die Tätigkeit vorrangig zuzurechnen ist.

(7) Absatz 6 gilt entsprechend bei versicherten Tätigkeiten nach § 2 und zugleich nach den §§ 3 und 6. Die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 geht der Versicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 vor.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Am 5.5.2006 brachte sie während ihrer Freistellungsphase aufgrund vereinbarter Altersteilzeit ihrem Arbeitgeber ein von ihm auszufüllendes Formular für eine sog Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt, um sie sodann beim Rentenversicherungsträger vorzulegen, damit dieser ihr nahtlos zum Eintritt in den Ruhestand Rente wegen Alters in richtiger Höhe zahlen sollte. Dabei stolperte sie auf einer Treppe im Betriebsbereich, stürzte auf ihr linkes Handgelenk und erlitt dadurch einen Speichenbruch des linken Unterarms.

3

Die Beklagte lehnte es ab, deswegen einen Arbeitsunfall festzustellen (Bescheid vom 17.8.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.1.2007). Von einer versicherten Tätigkeit sei nicht auszugehen, da die Abgabe der Bescheinigung im eigenwirtschaftlichen Interesse der Klägerin gelegen habe.

4

Die Klagen und die Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 29.3.2010 und Urteil des Bayerischen LSG vom 8.2.2011). Das LSG hat ausgeführt: Ein sachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit als Beschäftigte und der Überbringung des Formulars liege nicht vor. Das private Interesse der Klägerin im Rahmen ihrer Sozialversicherungsangelegenheit stehe hierbei im Vordergrund. Soweit auch Belange des Arbeitgebers berührt seien, beträfen diese weder seine unmittelbaren Pflichten aus dem Arbeitsvertrag noch seine allgemeine Fürsorgepflicht. Dass die Gewährung von Altersrente zugleich Voraussetzung für die Gewährung einer Betriebsrente sei und dass der Arbeitgeber bei fehlerhafter oder verspäteter Ausstellung der Bescheinigung sich möglicherweise schadensersatzpflichtig mache, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Zwar habe das BSG einen Arbeitnehmer auf dem Weg zum Personalbüro als versichert angesehen, wenn er dort eine Arbeitsbescheinigung abholen wollte, die er für die weitere Aufenthaltserlaubnis benötige (Urteil vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78). Während der Arbeitgeber die Ausstellung der Arbeitsbescheinigung aufgrund seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis schulde, diene die Vorausbescheinigung jedoch wesentlich dem eigenwirtschaftlichen Interesse der Realisierung von Sozialleistungsansprüchen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Das Überbringen des Formulars für eine Vorausbescheinigung des Arbeitgebers stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die ordnungsgemäße Ausfüllung einer Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI stelle neben der Erfüllung seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis eine eigene gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers dar und habe daher nicht ausschließlich in ihrem privaten Interesse gelegen. Eine unrichtige oder verspätete Ausstellung der Bescheinigung hätte nicht nur dazu geführt, dass die Klägerin nicht nahtlos die rentenversicherungsrechtliche Altersrente erhalten hätte. Der Bezug der Altersrente sei auch Voraussetzung für den Bezug der betrieblichen Altersrente gewesen. Die Ausstellung der Bescheinigung habe also im Hinblick auf ihre möglicherweise entstehenden Schadensersatzansprüche im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers gelegen. Sie habe ohne weiteres der Auffassung sein können, mit der Überbringung des Formulars und der beabsichtigten gemeinsamen Ausfüllung desselben mit dem zuständigen Mitarbeiter des Arbeitgebers, eine sich aus ihrem Arbeitsverhältnis ergebende Nebenpflicht zu erfüllen. Schließlich müsse die Entscheidung des BSG (Urteil vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78) - anders als das LSG meint - aufgrund der in beiden Fällen vergleichbaren Motivation der Arbeitnehmer zur Zurechnung der Abgabe des Formulars zur versicherten Tätigkeit führen. In beiden Fällen bestehe eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis.

6

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. März 2010 aufzuheben und unter Aufhebung der die Feststellung eines Versicherungsfalls ablehnenden Entscheidung in dem Bescheid der Beklagten vom 17. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2007 festzustellen, dass das Ereignis vom 5. Mai 2006 ein Arbeitsunfall der Klägerin ist.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Die Entscheidung des BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - sei nicht einschlägig. Die Klägerin habe die Vorausbescheinigung zur Berechnung ihrer Altersrente und nicht für ihre Arbeitstätigkeit benötigt. Mangels Aufforderung zum Tätigwerden sei auch die Motivationslage in beiden Fällen unterschiedlich gewesen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die zulässige Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen, da das SG ihre zulässigen Klagen zutreffend als unbegründet abgewiesen hat.

10

Gemäß § 54 Abs 1 iVm § 55 Abs 1 Nr 1, § 56 SGG ist die Kombination einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage zulässig.

11

Die Anfechtungsklage richtet sich zulässig gegen die Ablehnung des von der Klägerin bei der Beklagten verfolgten Anspruchs auf Feststellung des geltend gemachten Arbeitsunfalls.

12

Die Feststellungsklage ist statthaft auf die gerichtliche Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, nämlich des geltend gemachten Versicherungsfalls, gerichtet. Der Eintritt eines Versicherungsfalls iS des § 7 Abs 1 SGB VII bedeutet die Begründung eines konkreten, nach Inhalt und Umfang durch den Versicherungsfall bestimmten Leistungsrechtsverhältnisses zwischen dem Versicherten und einem bestimmten Unfallversicherungsträger, aus dem konkrete Rechte auf Versicherungsleistungen entstehen können, aber nicht müssen.

13

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, also das Leistungsrechtsverhältnis besteht. Insbesondere fehlt es hieran nicht deshalb, weil sie nach ständiger Rechtsprechung des BSG zulässig auch eine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Arbeitsunfalls, also auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes, erheben könnte. Der prozessuale Nachrang der Feststellungsklage im Verhältnis zu den (Gestaltungs- und) Leistungsklagen (Verpflichtungsklagen, allgemeine Leistungsklagen) besteht nur, wenn das jeweilige Rechtsschutzbegehren umfassend und effektiv durch eine dieser spezieller ausgestalteten Klagen verfolgt werden kann. Die Feststellungsklage ist aber gerade bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls jedenfalls gleich rechtsschutzintensiv, da die gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit für die Beteiligten auch materiell rechtskräftig wird (§§ 141 Abs 1, 179, 180 SGG). Allerdings kann die Verpflichtungsklage dem maßgeblichen (§ 123 SGG) Begehren des Verletzten im Einzelfall eher entsprechen. Daher erkennt das BSG ein Wahlrecht des Verletzten zwischen einer zulässigen Feststellungs- und einer zulässigen Verpflichtungsklage an (zuletzt BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 12 mwN; BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9 mwN - UV-Recht Aktuell 2010, 897 und BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8 mwN).

14

Die Klagen sind, wie die Vorinstanzen richtig gesehen haben, nicht begründet.

15

Die Anfechtungsklage ist unbegründet, weil die Ablehnung der Feststellung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in einem ihr zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Sie hat nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da kein Arbeitsunfall vorliegt. Deswegen ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und auch die Feststellungsklage unbegründet, weil das umstrittene Rechtsverhältnis nicht besteht.

16

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Arbeitsunfalls vom 5.5.2006.

17

Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

18

Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit, S 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2).

19

Ein Arbeitsunfall setzt danach voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl ua BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 16; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17, RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

20

Die Klägerin hat keine versicherte Tätigkeit verrichtet, war also keine Versicherte und hat deshalb keinen Arbeitsunfall erlitten, als sie ihrem Arbeitgeber das Formular für eine Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt für den Rentenversicherungsträger brachte und dabei auf einer Treppe im Betriebsbereich stürzte. Versicherter ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer (in der freiwilligen Versicherung nach § 6 Abs 1 SGB VII nur kraft Antrags iS des Abs 2 aaO) versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt.

21

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als "Handlungstendenz" bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten ist eine innere Tatsache.

22

Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung (erst recht nicht eine niedrigere Vorsatzstufe) reicht hingegen nicht.

23

Zwar liegt die objektive Grundvoraussetzung der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit, das von außen beobachtbare Handeln an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, mit dem Begehen der Treppe vor. Dieses sehr unspezifische Verhalten lässt aber aus sich heraus keinen Schluss auf die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit zu. Jedoch steht es in natürlicher Handlungseinheit mit der Überbringung des Formulars, dessen Ausfüllung als Vorausbescheinigung die Klägerin von ihrem Arbeitgeber beanspruchte. Daher kommt, wie die Vorinstanzen zutreffend angesprochen haben, als einziger Tatbestand einer versicherten Tätigkeit der der Beschäftigtenversicherung, also die Tätigkeit als "Beschäftigte" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in Betracht.

24

Die Klägerin hat die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind "Beschäftigte" versichert.

25

Das Gesetz stellt für die Versicherteneigenschaft nicht abstrakt auf einen rechtlichen "Status" als "Beschäftigter" ab. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Rechte auf Versicherungsleistungen nach den §§ 26 ff SGB VII bei Arbeitsunfällen iS des § 8 Abs 1 S 1 SGB VII nur wegen solcher Unfälle vorgesehen, die infolge "einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" entstanden sind. Die Tatbestände der versicherten Tätigkeiten sind jeweils gesondert materiell gesetzlich bestimmt und begründen eigenständige "Sparten" der gesetzlichen Unfallversicherung mit eigenen Schutzbereichen. Nur wenn, solange und soweit jemand den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eine eigene Verrichtung erfüllt, ist er gegen Unfälle (§ 8 Abs 1 S 2 SGB VII) versichert, die rechtlich wesentlich durch diese Verrichtung verursacht werden.

26

Deswegen reicht die Fiktion einer Beschäftigung für Personen nach § 7 Abs 1a SGB IV, die wegen Altersteilzeit von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt sind, zur Begründung der Versicherteneigenschaft nicht aus. § 7 Abs 1 und 1a SGB IV lassen die unfallversicherungsrechtliche Bedeutung des Rechtsbegriffs "Beschäftigte" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII unberührt, soweit sie davon abweichen(§ 1 Abs 3 SGB IV). Erforderlich ist auch bei solchen Freigestellten stets die tatsächliche Verrichtung einer Beschäftigung.

27

1. Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als "Beschäftigter" setzt tatbestandlich voraus, dass der Verletzte eine eigene Tätigkeit(vgl auch § 121 Abs 1 SGB VII) in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII).

28

Das ist nur der Fall, wenn

-       

seine Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen,

-       

er eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht,

-       

er eigene unternehmensbezogene Rechte aus der Beschäftigung ausübt.

29

a) Für die Verrichtung einer Tätigkeit als Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII kommt es nach dem Wortlaut dieser Vorschrift im Zusammenhang des SGB VII objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile nur für das Unternehmen des anderen bringen soll. Denn nur unter diesen Voraussetzungen ist nicht der die Tätigkeit Verrichtende selbst Unternehmer im unfallversicherungsrechtlichen Sinne (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII), sondern der andere, der durch sie unmittelbar begünstigt wird. Der "Beschäftigte" verrichtet seine Beschäftigung also nur, wenn er Handlungen in Unterordnung zur selbständigen Tätigkeit eines anderen und zu deren unmittelbaren Förderung vornimmt.

30

b) Auch die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII führt zu diesem Ergebnis.

31

Nach den Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ) vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) erfasst § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII die Beschäftigten iS des § 7 Abs 1 SGB IV(vgl BT-Drucks 13/2204, S 74 zu § 2 Abs 1 SGB VII). Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S 2).

32

§ 7 Abs 1 SGB IV ist mit Wirkung vom 1.7.1977 durch Gesetz vom 23.12.1976 (BGBl I 3845, 3846) eingeführt worden. Eine entsprechende Vorschrift gab es bis dahin nicht. Der Begriff der Beschäftigung war jedoch Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung zu allen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, die mit der Begriffsbestimmung zu § 7 SGB IV im Wesentlichen übereinstimmt. Nach § 7 Abs 1 SGB IV liegt eine Beschäftigung zwar immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht; sie kann allerdings auch ohne ein Arbeitsverhältnis gegeben sein (vgl BT-Drucks 7/4122, S 31). Hierin ist eine Konkretisierung und behutsame Weiterentwicklung der in der Rechtsprechung bereits vorher herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze zu sehen (vgl Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand August 2009, K § 7 RdNr 9 unter Hinweis auf BSGE 37, 10, 13; 41, 24, 25; 41, 41, 53; vgl zur Entwicklung des § 7 SGB IV in der Folgezeit: Seewald in Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV RdNr 1, Stand April 2012 sowie Rittweger in BeckOK SGB IV, § 7 RdNr 1, Stand 1.3.2012). Auch Dienstleistungsverhältnisse anderer Art werden erfasst, soweit das Handeln des Dienstverpflichteten sich in das Unternehmen des Dienstberechtigten einfügt und dessen unmittelbarer Förderung dient.

33

Ein Verletzter hat nach den allgemeinen Anhaltspunkten des § 7 Abs 1 SGB VII dann eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII ausgeübt, wenn er sich in ein fremdes Unternehmen (eine fremde Arbeitsorganisation) eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Verrichtung, unterordnet(vgl hierzu etwa BSG vom 29.1.1981 - 12 RK 63/79 - BSGE 51, 164, 167 = SozR 2400 § 2 Nr 16 mwN sowie BSG vom 17.3.1992 - 2 RU 22/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 16 S 57). Naturgemäß ist dieses Weisungsrecht besonders bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt; es genügt für die Unterordnung unter die Tätigkeit des anderen die "funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess" (vgl hierzu schon BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R - BSGE 85, 214, 216 = SozR 3-2200 § 539 Nr 48 S 202 mwN).

34

c) Ferner sind die unfallversicherungsrechtlichen Bedeutungen der Begriffe des "Beschäftigten" und der Verrichtung einer Beschäftigung iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII eigenständig nach dem Zweck dieses Versicherungstatbestandes im Gefüge des SGB VII zu bestimmen.

35

Die Schutzzwecke der Beschäftigtenversicherung und ihre Stellung im Rechtssystem begrenzen den Anwendungsbereich des Versicherungstatbestandes des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gleichfalls auf die oben umschriebenen Voraussetzungen.

36

Zweck der Beschäftigtenversicherung ist vor allem anderen der umfassende Unfallversicherungsschutz aller Beschäftigten vor und bei Gesundheitsschäden (oder Tod) infolge der Verrichtung der Beschäftigung, unabhängig davon, ob ein anderer den Unfall überhaupt mitverursacht und ggf dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat.

37

Die Versicherung zielt primär auf die Verhütung von Gesundheitsschäden und Tod infolge der Gefahren ab, denen die Beschäftigten gerade durch die Verrichtung der Beschäftigung in Eingliederung in den fremdbestimmten Unternehmensbereich ausgesetzt sind (Prävention nach §§ 14 ff SGB VII). Ferner wird ihnen, falls die Prävention versagt, bei Gesundheitsschäden eine umfassende medizinische Rehabilitation sowie berufliche und soziale Teilhabe gesichert. Zudem werden sie gegen die wirtschaftlichen Folgen einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit geschützt. Bei unfallbedingtem Tod sollen auch ihre Familienangehörigen gegen den Unterhaltsverlust abgesichert werden.

38

Daneben soll die Beschäftigtenversicherung auch den sog Betriebsfrieden nach Unfällen infolge der Verrichtung der Beschäftigung schützen, wenn umstritten sein könnte, ob der Unternehmer (oder ein ihm gesetzlich gleichgestellter Dritter) den Gesundheitsschaden oder den Tod mitverursacht und ggf dabei rechtswidrig und fahrlässig oder sogar grob fahrlässig gehandelt hat und dem Verletzten deswegen nach Zivilrecht/Arbeitsrecht haftet. Da die Versicherung dem Verletzten die Schadensfolgen weitgehend ausgleicht, besteht insoweit kein Bedarf für einen Rechtsstreit zwischen dem Verletzten und dem Unternehmer (oder ihm gleichgestellten Dritten), wenn dieser nicht vorsätzlich gehandelt hat. Deshalb entzieht das SGB VII dem Verletzten insoweit seine ggf nach Zivilrecht entstandenen Schadensersatzansprüche (einschließlich der Schmerzensgeldansprüche) gegen den Unternehmer (§§ 104 bis 109 SGB VII).

39

Schließlich bezweckt sie auch eine gerechte Lastenverteilung unter den beitragszahlenden Unternehmern, die durch ihre Umlagebeiträge zu ihrer Berufsgenossenschaft den Versicherungsschutz in der Beschäftigtenversicherung bezahlen. Ein Unternehmer, der den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig mitverursacht hat, haftet dem Unfallversicherungsträger (also mittelbar auch den anderen Unternehmern) auf Ersatz der Ausgaben für Versicherungsleistungen an den Verletzten (§§ 110 bis 113 SGB VII).

40

Die Beschäftigtenversicherung hat also in diesem Sinne und in diesen Grenzen eine möglicherweise gegebene zivilrechtliche Haftung der Unternehmer (oder gleichgestellter Dritter) gegenüber den Beschäftigten aus Gefährdungshaftung, Delikt oder aus der Verletzung von arbeitsrechtlichen Schutz- oder Fürsorgepflichten ersetzt (vgl BSG vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R - BSGE 87, 224 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Gitter/Nunius in Schulin, HS-UV, § 5 RdNr 28, 51, 119; zu §§ 539 Abs 1 Nr 1, 636 ff RVO: BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 26/88 - SozR 2200 § 548 Nr 96; ferner auch BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 17/06 R - BSGE 98, 285 = SozR 4-2700 § 105 Nr 2, RdNr 16 ff).

41

Sie bildet jeher den Kern des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl schon § 95 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6.7.1884, RGBl 69; §§ 898 f RVO vom 19.7.1911, RGBl 509; die Vorläufervorschrift in § 636 Abs 1 RVO). Sie versichert im genannten Sinn die Beschäftigten unter weitgehendem Ausschluss ihrer zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche nur gegen solche Gesundheits- und Lebensgefahren, die sich spezifisch daraus ergeben, dass sie Tätigkeiten für einen anderen unter Eingliederung in dessen Tätigkeit und nur zu dessen unmittelbarem Vorteil verrichten.

42

2. Auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BSG zu § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und dessen Vorgängervorschriften führt zu dem Ergebnis, dass nur unter den drei oben genannten Voraussetzungen eine Beschäftigung verrichtet wird.

43

a) Nach der Rechtsprechung des BSG wird eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet, wenn der Verletzte zumindest dazu ansetzt, eine ihn gegenüber dem Unternehmer treffende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis tatsächlich zu erfüllen.

44

aa) Dies ist dann der Fall, wenn die Verrichtung eine Hauptpflicht des Beschäftigten erfüllt, weil sie die vertragsgemäß geschuldete Arbeits- oder Dienstleistung ist (vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 18; BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 19; BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - Juris RdNr 26 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11).

45

bb) Der Tatbestand der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird auch erfüllt, wenn die Verrichtung eine Nebenpflicht des Beschäftigten gegenüber dem Unternehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllen soll.

46

Als Nebenpflichten kommen vor allem die Mitwirkungspflichten des Beschäftigten als Gläubiger von Leistungspflichten des Unternehmers (§§ 293 ff BGB) und die Pflichten zur Rücksichtnahme auf dessen Rechte, Rechtsgüter und Interessen in Betracht. Diese seit dem 1.1.2002 in § 241 Abs 2 BGB ausdrücklich normierte Pflicht wurde zuvor aus § 242 BGB hergeleitet(BAG vom 22.1.2009 - 8 AZR 161/08 - Juris RdNr 27, NZA 2009, 608; vgl auch Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, § 611, RdNr 985 f). Arbeitsrechtlich muss jeder Vertragspartner seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen, seine Rechte so ausüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann (vgl BAG vom 16.2.2012 - 6 AZR 553/10 - Juris RdNr 12, zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen; BAG vom 13.8.2009 - 6 AZR 330/08 - Juris RdNr 31 - BAGE 131, 325; BAG vom 19.5.2010 - 5 AZR 162/09 - Juris RdNr 26 - BAGE 134, 296; Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, § 611, RdNr 984, 1074). Gleiches gilt für Beschäftigte und Unternehmer, die nicht durch ein Arbeitsverhältnis, sondern durch ein anderes Beschäftigungsverhältnis miteinander verbunden sind. Auch für den Beschäftigten zählt dazu die sog Treuepflicht, sich im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Unternehmers nicht verletzt werden (vgl dazu BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16).

47

Das BSG hat bisher zumeist nicht zwischen Haupt- oder Nebenpflichten des Beschäftigten unterschieden. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bzw nach früherem Sprachgebrauch: der innere Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit) wurde als gegeben erachtet, wenn die Verrichtung Teil der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung des Beschäftigten war, bzw dann, wenn der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus seinem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtung handelte(vgl BSG vom 30.6.2009 - B 2 U 22/08 R - Juris RdNr 14 - UV-Recht Aktuell 2009, 1040; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - Juris RdNr 11 - UV-Recht Aktuell 2009, 485; so auch noch einleitend, später aber differenzierend BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 8/06 R - Juris RdNr 12 - UV-Recht Aktuell 2007, 860; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 14; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - Juris RdNr 26 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11).

48

Es hat aber seit dem genannten Urteil vom 18.3.2008, insbesondere in seinen Entscheidungen vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - (SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 19) und vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - (Juris RdNr 18 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - SGb 2012, 148 ), ausdrücklich die Erfüllung beider Pflichtenarten aus dem Beschäftigungsverhältnis als Verrichtung einer versicherten Beschäftigung anerkannt (vgl auch BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 21). Es hat schon im Urteil vom 18.3.2008 (B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16 ff) entschieden, dass auch die Erfüllung allein einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis den Tatbestand der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu erfüllen vermag. Den Arbeitnehmer treffe die aus § 241 Abs 2 BGB folgende Nebenpflicht, sich bei der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Arbeitgebers nicht verletzt werden. Das Aufstellen eines Warndreiecks sei eine Nebenpflicht eines Beschäftigten, der in Verrichtung der Beschäftigung mit dem Pkw des Unternehmers an einem Verkehrsunfall beteiligt sei. Dadurch würden die Unfallstelle gesichert, der nachfolgende Verkehr gewarnt und damit Folgeschäden vermieden, die sich zu Lasten des Unternehmers auswirken könnten (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16 ff). Es hat dazu festgestellt, dass der Verletzte durch sein Handeln objektiv seine Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hatte. Daher kam es nicht darauf an, ob er dabei das Rechtsbewusstsein hatte, auch einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis nachzukommen, oder ob er in erster Linie sich und andere schützen und seiner allgemeinen Verkehrssicherungspflicht genügen wollte. Das Bewusstsein, dem Unternehmer rechtlich zu der Handlung verpflichtet zu sein, ist weder notwendige subjektive Voraussetzung des Versicherungstatbestandes der Beschäftigung noch einer Verrichtung einer Beschäftigung. Es reicht, wenn die Intention auch darauf gerichtet war, etwas zu tun, das objektiv dem Unternehmer geschuldet war.

49

cc) Eigene Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Unternehmer erfüllt der Verletzte auch, wenn er Mitwirkungshandlungen vornimmt, die ihm zu dem Zweck obliegen (vgl §§ 241 Abs 2, 293 ff BGB), dass der Unternehmer seine ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen kann.

50

Das ist der Fall bei Handlungen des Verletzten zwecks Empfangnahme des Lohnes (BSG vom 1.12.1960 - 5 RKn 69/59 - BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO unter Bezugnahme auf RVA EuM Bd 20, 31; 26, 165; 33, 270) oder zur Geltendmachung von (vermeintlichen) Fehlern bei der Lohnabrechnung (BSG vom 1.12.1960 - 5 RKn 69/59 - BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO) oder zum Abtransport von Deputatholz als Teil der Vergütung (BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 21/98 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 34). In diesen Fällen ist der Beschäftigte zivilrechtlich gehalten, dem Unternehmer zu ermöglichen, seine Hauptpflicht (§ 611 Abs 1 BGB) zu erfüllen, die Vergütung zur rechten Zeit, am rechten Ort, in rechter Weise und in richtiger Höhe zu leisten (vgl BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 21/98 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 34 ua unter Hinweis auf BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO aF; BSGE 41, 207 = SozR 2200 § 548 Nr 16; BSGE 43, 119, 121 = SozR 2200 § 548 Nr 28).

51

Gleiches gilt für eine ggf bestehende Obliegenheit des Beschäftigten, dem Unternehmer die Erfüllung seiner Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen. Solche Nebenpflichten des Beschäftigten können sich aus § 241 Abs 2 BGB, der nicht nur in Arbeitsverhältnissen gilt, ergeben. Voraussetzung ist, dass eine solche Haupt- oder Nebenpflicht des Unternehmers bereits entstanden ist und er sie nur erfüllen kann, wenn der Beschäftigte in bestimmter und ihm zumutbarer Weise mitwirkt. Denn der Beschäftigte und der Unternehmer müssen bei ihrem Zusammenwirken jeweils auf das Wohl und die berechtigten Interessen des anderen Rücksicht nehmen (vgl BAG vom 16.11.2010 - 9 AZR 573/09 - BAGE 136, 156 mwN; vgl zu den Einzelheiten Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl 2012, § 611 BGB RdNr 610 ff).

52

In diesem Sinn hat das BSG die Verrichtung einer Beschäftigung in einer Mitwirkungshandlung gesehen, als ein Beschäftigter den Weg zum Ort seiner bisherigen Tätigkeit zurücklegte, um sich dort seine Arbeitspapiere aushändigen zu lassen. Der Beschäftigte hatte den Unternehmer in gebotener Rücksichtnahme auf die Belange seines bisherigen Arbeitgebers durch die (beabsichtigte) Empfangnahme der Arbeitspapiere von der diesem obliegenden (nachgehenden) Nebenpflicht entlastet, ihm seine Arbeitspapiere - nach erfolglosem ersten Abholversuch - auf seine Rechnung und Gefahr zu übersenden (BSG vom 30.8.1963 - 2 RU 68/60 - BSGE 20, 23, 25 = SozR Nr 43 zu § 543 RVO aF). Die Verrichtung einer Beschäftigung lag auch bei einer Mitwirkungshandlung des Verletzten vor, der vom Arbeitgeber eine Arbeitsbescheinigung abholte, die er auf Verlangen der Ausländerbehörde für seine weitere Aufenthaltserlaubnis und damit für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses benötigte. Er hat vom Arbeitgeber eine Handlung begehrt, die dieser ihm aus dem Arbeitsverhältnis schuldete; das Abholen der Bescheinigung war vertragsgemäße arbeitsrechtliche Nebenpflicht des Beschäftigten (BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - Juris RdNr 11 - SozR 2200 § 548 Nr 78).

53

b) Keine Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII durch Erfüllung einer Nebenpflicht liegt hingegen dann vor, wenn der Verletzte zur Mitwirkungshandlung bei der Pflichtenerfüllung des Unternehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht verpflichtet war. Dasselbe gilt, wenn die Pflicht des Unternehmers nur entstanden ist, weil der Beschäftigte nach freiem Ermessen ein Recht gegen ihn ausgeübt hatte, das nicht auf die Förderung des Unternehmens gerichtet ist und auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die den Unternehmer hoheitlich für den Staat zugunsten von Verwaltungsverfahren in Dienst nimmt. In beiden Fällen erfüllt nämlich der Beschäftigte keine Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis, sondern begibt er sich freiwillig in den unternehmerischen Gefahrenbereich, um daraus unmittelbar nur eigene Vorteile zu erlangen (sog eigenwirtschaftliche Verrichtung).

54

War er zur Mitwirkung nicht verpflichtet, unterlag er dem unternehmerischen Gefahrenbereich nicht kraft des Beschäftigungsverhältnisses, sondern kraft freien Entschlusses, wie zB bei einer Gefälligkeit. Entstand die Pflicht des Unternehmers nicht aus dem Beschäftigungsverhältnis, sondern durch die freiwillige Ausübung eines anderweitig begründeten Rechts des Beschäftigten, ist seine Mitwirkungshandlung an der Durchsetzung seines eigenen Rechts nicht "der Beschäftigung geschuldet", sondern allein der Verfolgung eigener Interessen, also gleichfalls ein freiwilliger Eintritt in den unternehmerischen Gefahrenbereich. Das wird durch die Beschäftigtenversicherung nicht versichert. Denn sie soll nur gegen solche Gefahren begründet werden, denen der Beschäftigte wegen der Ausübung seiner Beschäftigung im fremden Gefahrenbereich, nicht aber aus eigenem Entschluss in Verfolgung nur eigener Belange ausgesetzt ist. Haupt- und Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis sind also nur solche, die das Zusammenwirken des Unternehmers mit dem Beschäftigten zur Förderung der Unternehmenszwecke betreffen. In beiden Fallgruppen fehlt es an der aus der Beschäftigung entstehenden Nebenpflicht des Beschäftigten, in der zweiten außerdem an der Förderung der Unternehmenszwecke.

55

In der arbeitsrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass den Arbeitgeber treffende öffentlich-rechtliche Pflichten (zumeist aus dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht), die an das Arbeitsverhältnis tatbestandlich anknüpfen und durch die der Arbeitgeber hoheitlich für den Staat in Dienst genommen wird, zugleich zivilrechtliche (arbeitsrechtliche) Nebenpflichten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer sind. Sie werden arbeitsrechtlich als Konkretisierungen der privatrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verstanden (vgl die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen; BAG vom 29.3.2001 - 6 AZR 653/99 - NZA 2003, 105; BAG vom 11.6.2003 - 5 AZB 1/03 - BAGE 106, 269 ; BAG vom 15.1.1992 - 5 AZR 15/91 - BAGE 69, 204, 210 ; BAG vom 13.5.1970 - 5 AZR 385/69 - BAGE 22, 332 ; BAG vom 30.1.1969 - 5 AZR 229/68 - BB 1969, 407 ; BAG vom 2.6.1960 - 2 AZR 168/59 - BB 1960, 983 ; Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Aufl 2011, § 106, RdNr 56 mwN; Ring in Handkommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2010, § 611 BGB, RdNr 658; vgl zum Begriff der Fürsorgepflicht auch Boemke in Handkommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2010, § 611 BGB, RdNr 378 mwN, danach stellt die Fürsorgepflicht selbst keine eigenständige Pflicht, sondern ein Bündel einzelner Nebenpflichten dar und soll nach im Vordringen befindlicher Auffassung sogar ganz fallen gelassen werden).

56

Hierauf ist nicht näher einzugehen, da es für die Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht entscheidend auf die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder deren öffentlich-rechtliche "Konkretisierungen" ankommt. Entscheidend ist, ob der Beschäftigte zur Mitwirkung an der Erfüllungshandlung des Arbeitgebers aus dem Beschäftigungsverhältnis verpflichtet war. Falls überhaupt eine Mitwirkungspflicht bestand, ist er nicht "aus dem Beschäftigungsverhältnis" zur Mitwirkung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber seine Handlung nur deshalb vornehmen muss, weil der Beschäftigte ein Recht ohne Bindungen aus dem Beschäftigungsverhältnis im ausschließlich eigenen Interesse ausgeübt hat, das ihm durch öffentliches Recht verliehen wurde.

57

c) Ferner verrichtet der Verletzte eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, wenn er in der vertretbaren, aber objektiv irrigen Annahme handelt, dazu aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet zu sein. Die Annahme dieser Pflicht ist vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht. Die durchgeführte Verrichtung muss objektiviert darauf ausgerichtet sein, die angenommene Pflicht zu erfüllen.

58

Die Einbeziehung dieser Fallgruppe der vermeintlichen Pflichterfüllung durch den Beschäftigten rechtfertigt sich aus dem genannten ersten Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung. Jeder, der etwas in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dessen unmittelbarem Vorteil tut, muss, außer bei völliger Weisungsabhängigkeit, seine Pflichten kennen. Er kann durch die Beschäftigung aber auch in Umstände geraten, in denen er sofort entscheiden muss, ob ihn eine Haupt- oder Nebenpflicht zur Vornahme bestimmter Handlungen trifft. Dies ist ggf Teil seiner Pflichten aus seiner Beschäftigung.

59

In diesem Sinne hat das BSG die Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII bejaht, als ein Versicherter aus gutem Grund der Auffassung sein konnte, sich "betriebsdienlich" zu verhalten(BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14 unter Verweis auf BSGE 20, 215, 218 = SozR Nr 67 zu § 542 RVO aF; BSG SozR Nr 30 zu § 548 RVO; BSGE 52, 57, 59 = SozR 2200 § 555 Nr 5). Daher liegt bei einem "nur" eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verhalten, also bei einer Handlung mit der Absicht (dolus directus ersten Grades), nur andere Zwecke zu verfolgen als die Erfüllung des Versicherungstatbestandes der Beschäftigung, auch dann keine Verrichtung einer Beschäftigung vor, wenn das Handeln zugleich dem Unternehmen objektiv nützlich ist (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14 unter Bezugnahme auf BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 26/88 - SozR 2200 § 548 Nr 96; BSG vom 20.1.1987 - 2 RU 15/86 - SozR 2200 § 539 Nr 119). Entscheidend ist nur, ob der Verletzte von seinem Standpunkt aufgrund objektiver Anhaltspunkte der Auffassung sein durfte, seine Verrichtung sei von ihm geschuldet, um den Interessen des Unternehmens zu dienen. Dafür reichen aber subjektive Vorstellungen ohne bestätigende objektive Anhaltspunkte nicht aus.

60

d) Den Tatbestand einer versicherten Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt ein Verletzter schließlich auch dann, wenn er handelt, um eigene unternehmensbezogene Rechte wahrzunehmen. Dabei handelt es sich um die Wahrnehmung von Rechten, die die Regelung innerbetrieblicher Belange zum Gegenstand haben und/oder den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung fördern. Hierzu zählen ua:

die Teilnahme an Betriebsversammlungen (vgl hierzu etwa Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 40; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 179, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 103, Stand Mai 2010),

die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied bei der Ausübung der im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Aufgaben (vgl etwa BSG vom 20.5.1976 - 8 RU 76/75 - BSGE 42, 36, 37 = SozR 2200 § 539 Nr 19 RdNr 18 und BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 7/00 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 54; vgl ferner Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 38; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 180, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 102, Stand Mai 2010),

und die Tätigkeiten zur Vorbereitung und Durchführung der zur Bildung der Räte erforderlichen Wahlen (Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 40; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 180, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 103, Stand Mai 2010; vgl hierzu insgesamt zuletzt auch Krasney, SGb 2012, 130).

61

3. Die Klägerin hat vor ihrem Treppensturz keine versicherte Beschäftigung im Sinne der abschließend aufgeführten Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet.

62

Nach § 194 Abs 1 S 1 SGB VI(in der bis zum 31.12.2007 geltenden und damit hier maßgeblichen Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21.7.2004 - BGBl I 1791 - erhalten hatte ) haben die Arbeitgeber auf Verlangen des Beschäftigten, der für die Zeit nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine Altersrente beantragt hat, die Pflicht, das voraussichtliche Arbeitsentgelt bis zu drei Monate im Voraus zu bescheinigen (vgl Finke in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 194 RdNr 1, Stand Juli 1996).

63

Die Klägerin beabsichtigte, von ihrem Arbeitgeber eine sog Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI zu verlangen. Dazu wollte sie ihm das einschlägige Formular vorlegen und hatte sich deshalb auf das Betriebsgelände begeben. Sie hatte also mit der Verrichtung, deren unfallversicherungsrechtliche Bedeutung hier umstritten ist, begonnen.

64

Die Abgabe des Formulars für eine Vorausbescheinigung erfüllt aber weder eine vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflicht der Klägerin aus ihrem Beschäftigungsverhältnis (s sogleich unter a>). Ferner durfte die Klägerin nicht annehmen, sie treffe eine solche Pflicht (dazu unter b>). Schließlich hat sie auch keine unternehmensbezogenen Rechte wahrgenommen (dazu unter c>).

65

a) Die Abgabe des Formulars für die Ausstellung der Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI ist augenfällig keine sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebende Hauptpflicht der Klägerin.

66

Sie hat damit auch keine gegenüber dem Unternehmer treffende Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt, sondern, wie die Vorinstanzen richtig gesehen haben, nur eigene Vorteile angestrebt. Mit ihrem Vortrag, sie habe auch abstrakt denkbare mittelbare Schadensersatzansprüche aus verzögerter Betriebsrentenzahlung vom Arbeitgeber abwehren wollen, hat sie keine solche eigene Nebenpflicht dargetan. Sie hat nicht zur Abwendung von Gefahren, die absolut geschützte Rechtsgüter des Unternehmers betrafen, gehandelt, sondern Gefahren bedacht, die allenfalls mittelbar seinen Vermögensinteressen drohten. Nach den Feststellungen des LSG gab es aber keine allgemeine oder spezielle Vermögensfürsorgepflicht der Klägerin für ihren Arbeitgeber. Hierfür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

67

Die beabsichtigte Vorlage des Formulars erfüllte auch keine sie treffende Mitwirkungspflicht, dem Unternehmer dabei Hilfe zu leisten, eine ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis ihr gegenüber obliegende Haupt- oder Nebenleistungspflicht zu erfüllen.

68

Die begehrte Ausstellung der Vorausbescheinigung durch den Arbeitgeber ist für die Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht gegenüber der Klägerin - nämlich seiner Pflicht zur Vergütung iS des § 611 Abs 1 BGB - offensichtlich ohne rechtlichen Belang. Eine Mitwirkungspflicht der Klägerin zur Ermöglichung der Hauptleistung des Arbeitgebers bestand somit nicht.

69

Sie hatte zudem keine Mitwirkungspflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber ihrem Arbeitgeber, von diesem die Ausstellung einer Vorausbescheinigung zu verlangen und ihm dies dann durch Vorlage des Formulars zu ermöglichen. Aufgrund ihrer Beschäftigung war sie nicht verpflichtet, vom Unternehmer die Vorausbescheinigung zu verlangen, die ausschließlich der Durchsetzung ihres allein gegen den Rentenversicherungsträger gerichteten Rechts auf nahtlose richtige Zahlung der dort beantragten Altersrente diente.

70

Dass der Unternehmer allein aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses, ohne § 194 SGB VI, nicht verpflichtet war, eine Vorausbescheinigung zu erteilen, liegt auf der Hand. Daher bestand allein auf dieser Grundlage keine Mitwirkungspflicht der Klägerin. Notwendige Voraussetzungen der Entstehung dieser Pflicht waren das Bestehen einer gesetzlichen Vorschrift, die dem Beschäftigten das Recht gegen den Arbeitgeber gewährt, nach freiem Willen die Ausstellung der Bescheinigung zu verlangen, und die Ausübung dieses Rechts. Dieses dient allein dem privaten Interesse der Klägerin an richtiger Rentenzahlung durch den Rentenversicherungsträger. Dasselbe gilt daher auch für ihre Mitwirkung an der Ausstellung der Vorausbescheinigung durch den Arbeitgeber, dessen Unternehmen dadurch nicht berührt wird.

71

Entgegen der Ansicht der Klägerin unterscheidet sich ihr Fall grundlegend von dem der Erteilung einer Arbeitsbescheinigung zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis, die auch die Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses ermöglichte. Der Arbeitnehmer hat, wie oben schon gesagt, vom Arbeitgeber eine Handlung begehrt, die dieser ihm unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis schuldete; das Abholen der Bescheinigung war vertragsgemäße arbeitsrechtliche Nebenpflicht des Beschäftigten (vgl BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78).

72

b) Die Klägerin hat ferner keine objektiv nicht geschuldete Handlung vorgenommen in der vertretbaren, aber irrigen Annahme, damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Die Annahme dieser Pflicht ist nur vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) aufgrund objektiver Anhaltspunkte und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 18/85 - BSGE 59, 291 = SozR 2200 § 539 Nr 115 und BSG vom 27.6.1991 - 2 RU 17/90 - Juris RdNr 15; vgl auch Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 34 f, Stand Mai 2010).

73

Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin der Auffassung sein durfte, eine vermeintliche eigene Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sind jedoch nicht ersichtlich. Die von ihr angenommene Vermögensbetreuungspflicht für das Vermögen des Arbeitgebers besteht nicht.

74

c) Schließlich hat die Klägerin durch die beabsichtigte Formularabgabe auch kein eigenes unternehmensbezogenes Recht wahrgenommen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Handlung die Regelung innerbetrieblicher Belange zum Gegenstand hatte oder sie den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung förderte. Vielmehr ging es nur um das eigenwirtschaftliche Interesse an der sofort richtigen Altersrente.

75

4. Das Berufungsgericht hat schließlich auch zu Recht darauf hingewiesen, dass eine versicherte Tätigkeit im Sinne einer sog gemischten Tätigkeit nicht vorliegt. Es liegt mit dem Gehen auf der Treppe vor der Abgabe des Formulars für eine Vorausbescheinigung nämlich nur eine einzige Verrichtung vor. Gemischte Tätigkeiten setzen (zumindest) zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraus, von denen (wenigstens) eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt.

76

Das LSG hat schließlich auch richtig erkannt, dass diese einzige Verrichtung auch nicht auf einer gemischten Motivationslage beruhte. Denn es hat schon nicht festgestellt, dass die Klägerin mit dem Weg zur Vorlage des Formulars zusätzlich noch eine andere Intention hatte als diejenige, die Vorausbescheinigung des Arbeitgebers und dadurch sofort die angestrebte Rentenhöhe zu erhalten.

77

5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der bei einem Handballtraining erlittene Unfall der Klägerin ein Arbeitsunfall ist.

2

Die 1981 geborene Klägerin übte eine Vollzeitbeschäftigung aus, neben der sie als Handballspielerin der ersten Damenmannschaft des Sportvereins A. (SVA) in der 2. Bundesliga spielte. Sie war Vereinsmitglied des SVA, zahlte den Mitgliedsbeitrag und nahm am Trainings- und Spielbetrieb teil. Die Klägerin schloss mit dem SVA jeweils jährlich neu einen Vertrag für eine Spielsaison, der der Handball-Bundesliga-Vereinigung Frauen eV angezeigt wurde. Die Klägerin verpflichtete sich darin ua, in der 2. Handball-Bundesliga unentgeltlich für den SVA Handball zu spielen, wobei ihr ein jährlicher Urlaub gemäß den gesetzlichen Bestimmungen eingeräumt wurde, den sie im Einvernehmen mit dem für den Spielbetrieb Verantwortlichen nehmen konnte.

3

Der beigeladene Handball-Sportmanagement-A. (HSA) betrieb das Management der ersten Damenhandballmannschaft des SVA. Die Klägerin war nicht Mitglied des HSA. Sie schloss mit dem HSA ebenfalls einen Vertrag, der sich jeweils um ein Jahr verlängerte. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin ua, ihre sportliche Leistungsfähigkeit für den HSA einzusetzen, alles zu tun, die Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu steigern und am Training und allen Vereinsspielen und Lehrgängen des SVA teilzunehmen. Weiterhin verpflichtete sich die Klägerin gegenüber dem beigeladenen HSA, im Falle einer durch den Handballsport eingetretenen Erkrankung oder Verletzung, sich bei einem vom Beigeladenen zu benennenden Arzt unverzüglich vorzustellen sowie sich den angeordneten sportmedizinischen und sporttherapeutischen Maßnahmen zu unterziehen und an Reisen im In- und Ausland teilzunehmen, für die der Beigeladene auch das zu benutzende Verkehrsmittel bestimmte. Schließlich hatte sie an Veranstaltungen des Beigeladenen zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit mitzuwirken, bei denen sie die von dem Beigeladenen gestellte Kleidung tragen musste. Anderweitige Werbung war der Klägerin untersagt. Sie übertrug dem Beigeladenen vielmehr die Verwertung ihrer im Zusammenhang mit der Ausübung des Handballsports stehenden Persönlichkeitsrechte und hatte jederzeit ihr Autogramm für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit zu leisten bzw verarbeiten zu lassen. Die aus Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung erzielten Erlöse standen ausschließlich dem Beigeladenen zu. Der Beigeladene verpflichtete sich, der Klägerin eine Aufwandsentschädigung, insbesondere Fahrtkostenersatz, in Höhe von jährlich maximal 7950 Euro zu zahlen. Die Klägerin erhielt für Fahrtkosten vom Beigeladenen 0,30 Euro je km.

4

Das Handballtraining fand dreimal wöchentlich von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr statt. Im Mannschaftstraining am 29.1.2009 wurde die Klägerin vom Ellenbogen einer Mitspielerin im Gesicht getroffen, wodurch sie eine Verletzung am linken Schneidezahn mit Nervschädigung und Abriss der Wurzel erlitt. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte mit Bescheid vom 25.11.2009 die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall und die Erbringung von Leistungen ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.5.2010 zurück. Das SG Reutlingen hat die dagegen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.2.2013 abgewiesen, weil die Klägerin nicht als Beschäftigte oder wie eine Beschäftigte tätig geworden und damit nicht in der Unfallversicherung versichert gewesen sei. Die persönliche Abhängigkeit der Klägerin habe allein auf den mitgliedschaftlichen Verpflichtungen beruht, wie sie jedes Mitglied einer Handballmannschaft typischerweise träfen. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin habe nicht vorgelegen.

5

Das LSG Baden-Württemberg hat auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall festzustellen (Urteil vom 13.12.2013). Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung des Beigeladenen als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe den Unfall während einer versicherten Tätigkeit als Beschäftigte erlitten. Das Handballspielen der Klägerin sei von den Vertragsbeziehungen zum SVA und zum Beigeladenen geprägt gewesen. Die Sparte "Handball" im SVA sei organisatorisch gesondert gegliedert gewesen und habe dem Beigeladenen oblegen, der auch vom SVA auf ihn übertragene merkantile Interessen verfolgt habe. Unfallversicherungsschutz als Beschäftigte setze nicht die Zahlung eines Entgeltes voraus. Auch die Vereinsmitgliedschaft im SVA stehe der Annahme einer Beschäftigung nicht entgegen, weil die Klägerin als Leistungssportlerin in einem Maße in den SVA eingebunden gewesen sei, das deutlich über das von normalen Vereinsmitgliedern geschuldete Verhalten hinausgegangen sei.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 1, § 8 Abs 1 SGB VII und § 7 Abs 1 SGB IV. Die Klägerin sei während des Handballtrainings weder als Beschäftigte noch wie eine Beschäftigte versichert gewesen. Sie habe als Vereinsmitglied des SVA im Rahmen ihres mitgliedschaftlichen Engagements trainiert. Die rechtlichen Beziehungen zu dem beigeladenen HSA stellten keinen Arbeitsvertrag, sondern eine besondere vertraglich-persönliche Bindung einer Hochleistungssportlerin dar, die bis in das Privatleben hinein reiche und sich auf eine lediglich sportliche, dem Arbeitsleben nicht zurechenbare Tätigkeit beziehe. Darüber hinaus bedürfe es im Bereich des Sports für die Annahme einer Beschäftigung generell einer Entgeltzahlung, die hier weder vereinbart noch erfolgt sei.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.12.2013 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Reutlingen vom 18.2.2013 insgesamt zurückzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte verpflichtet, den am 29.1.2009 beim Handballtraining erlittenen Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall festzustellen, denn die Klägerin hat einen Arbeitsunfall als Beschäftigte des Beigeladenen erlitten.

11

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4 - 2700 § 2 Nr 21, RdNr 10 mwN, vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4 - 2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4 - 2700 § 8 Nr 46, RdNr 20, vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4 - 2700 § 8 Nr 47 RdNr 12, vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4 - 2700 § 2 Nr 27 RdNr 11, vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4 - 2700 § 8 Nr 52 RdNr 11 und vom 4.12.2014 - B 2 U 10/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 32 vorgesehen, Juris RdNr 11; vgl zuletzt ua BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 - 2700 § 2 Nr 31 vorgesehen, Juris RdNr 11). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

12

Die Verrichtung unmittelbar vor dem Unfallereignis - die Teilnahme am Training der Handballmannschaft - hat den Stoß mit dem Ellenbogen einer Mitspielerin in das Gesicht der Klägerin und damit einen Unfall und dieser hat eine Verletzung des linken Schneidezahns mit Zahnnervschädigung und Wurzelabriss und damit einen Gesundheitserstschaden rechtlich wesentlich verursacht. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (sog Handlungstendenz - vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 21 f, vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14 und vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 12). Bei ihrer Tätigkeit war die objektivierte Handlungstendenz der Klägerin auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestands als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gerichtet, denn mit der Teilnahme am Handballtraining am 29.1.2009 erfüllte die Klägerin eine dem Beigeladenen gegenüber bestehende Hauptpflicht aus einem Beschäftigungsverhältnis.

13

Bei Vornahme der Verrichtung des Handballtrainings war die Klägerin nach Überzeugung des Senats jedenfalls als Beschäftigte des Beigeladenen iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert(sogleich unter 1.) Ob darüber hinaus auch ein Beschäftigungsverhältnis mit dem SVA bestand, wovon offenbar das LSG ausging, kann der Senat insoweit offenlassen (hierzu unter 2.).

14

1. Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigte liegt vor, wenn die Verletzte zur Erfüllung eines von ihr begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen(vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse ihrer Verrichtung diesem und nicht ihr selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns der Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder die Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern sie nach den besonderen Umständen ihrer Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, sie treffe eine solche Pflicht, oder sie unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff, vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 13).

15

Das LSG hat die von der Klägerin am 29.1.2009 verrichtete Tätigkeit, nämlich die Teilnahme am Handballtraining ihrer Mannschaft, zutreffend als Verrichtung angesehen, die auf die Erfüllung einer der Klägerin als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII obliegenden Pflicht gerichtet war. Diese Pflicht bestand hier gegenüber dem beigeladenen HSA.

16

§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfasst die Beschäftigten iS des § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine Beschäftigung liegt daher immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn die Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert und ihre konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 31 ff). Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Entscheidend ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14).

17

Die Einordnung der Rechtsbeziehung der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen als Beschäftigung ergibt sich zunächst aus dem Vertrag vom 12.3.2006, den die Klägerin mit dem HSA geschlossen hat. Den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lässt sich auch noch hinreichend entnehmen, dass die tatsächlich gelebten Verhältnisse diesem Vertragsinhalt entsprachen. Die Klägerin war danach weder Vereinsmitglied des Beigeladenen noch existierten sonstige Rechtsbeziehungen, die das Handeln der Klägerin als bloße Erfüllung rein mitgliedschaftlicher Pflichten erscheinen ließen (vgl hierzu die Urteile des erkennenden Senats vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 - BSGE 14, 1, 3 f = SozR Nr 1 zu § 798 RVO A a 2, vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16, 98, 101 f = SozR Nr 29 zu § 165 RVO A a 31, vom 17.10.1990 - 2 RU 3/90 - HVBG-INFO 1991, 423, 427, vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 101, vom 24.2.2000 - B 2 U 4/99 R - HVBG-INFO 2000, 1253, 1255, vom 13.8.2002 - B 2 U 29/01 R - HVBG-INFO 2002, 2511, 2516 f, vom 18.3.2003 - B 2 U 25/02 R - HVBG-INFO 2003, 1412, 1419, vom 30.6.2009 - B 2 U 22/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 1040, 1046 und vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 185, 189). Dies könnte sich ggf anders darstellen, wenn die Klägerin ausschließlich Mitglied des Handballvereins SVA gewesen wäre (vgl hierzu unter 2.).

18

Jedenfalls sind keine Anhaltspunkte für eine von dem schriftlichen Vertragsinhalt abweichende Handhabung und damit für mögliche abweichende Regelungen oder für die Unwirksamkeit einzelner oder sämtlicher Vertragsbestimmungen aus dem Verhältnis zum Beigeladenen ersichtlich. Es ist dabei - anders als in dem angefochtenen Urteil des LSG - auch keine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der der Klägerin gegenüber dem SVA ggf obliegenden vertraglichen und mitgliedschaftlichen Pflichten vorzunehmen, weil der Beigeladene in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins arbeitet und als juristische Person selbstständig rechtsfähig ist (§ 21 BGB).

19

Die Klägerin war nach den vom LSG mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellten (§ 163 SGG) Bestimmungen des Vertrags vom 12.3.2006 in den Betrieb des Beigeladenen eingegliedert und an dessen Weisungen gebunden. So hatte sie sich gegenüber dem Beigeladenen verpflichtet, ihre sportliche Leistungsfähigkeit einzusetzen, zu erhalten und zu steigern, sowie am Training und an den Spielen ihrer Handballmannschaft teilzunehmen, sowie auch anwesend zu sein, wenn ihr Einsatz nicht in Betracht kam. Darüber hinaus hatte sie an Lehrgängen und an Reisen im In- und Ausland teilzunehmen. Diese Unterordnung unter die Erfordernisse des Spielbetriebs wurde ergänzt durch eine Eingliederung in die Öffentlichkeitsarbeit des Beigeladenen. Die Klägerin war zur Mitwirkung bei Veranstaltungen zur Öffentlichkeitsarbeit verpflichtet, bei denen sie von dem Beigeladenen gestellte Kleidung zu tragen hatte. Anderweitige Werbung war ihr untersagt. Sie übertrug dem Beigeladenen die Verwertung ihrer im Zusammenhang mit der Ausübung des Handballsports stehenden Persönlichkeitsrechte und hatte jederzeit ihr Autogramm für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit zu leisten bzw verarbeiten zu lassen. Dass es sich hierbei um eine Eingliederung gerade in das Unternehmen des Beigeladenen handelte, folgt auch daraus, dass Einnahmen aus der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung allein dem Beigeladenen zustanden. Ferner hatte die Klägerin ihren Urlaub grundsätzlich vor der Vorbereitungsphase auf die neue Saison zu nehmen.

20

Bei den einzelnen Tätigkeiten, die eine Eingliederung in den Betrieb des Beigeladenen beinhalten, war die Klägerin auch an die Weisungen des Beigeladenen gebunden. Beim Spielbetrieb hatte sie sich den Weisungen aller vom Beigeladenen dazu eingesetzten Personen, insbesondere des Trainers, unterzuordnen. Selbst wenn - wie die Beklagte meint - dies nur ein Trainer des SVA sein konnte, steht dies der Bindung der Klägerin an Weisungen als Beschäftigte des Beigeladenen nicht entgegen, weil das Weisungsrecht auch auf Dritte delegiert werden kann. Bei Reisen bestimmte der Beigeladene das zu benutzende Verkehrsmittel. Weisungen des Beigeladenen unterlag die Klägerin auch im Falle einer durch die Ausübung des Handballsports eingetretenen Erkrankung oder Verletzung, weil sie verpflichtet war, sich bei einem vom Beigeladenen zu benennenden Arzt unverzüglich vorzustellen sowie sich angeordneten sportmedizinischen und sporttherapeutischen Maßnahmen zu unterziehen. Die Weisungsgebundenheit der Klägerin wird dadurch unterstrichen, dass sie bei Verletzung von Vertragspflichten Vertragsstrafen ausgesetzt war (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16, 98, 101 = SozR Nr 29 zu § 165 RVO A a 31).

21

Die konkrete Ausgestaltung der Pflichten der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen ging damit deutlich über eine allein durch eine Vereinsmitgliedschaft oder durch die Ausübung eines Mannschaftssports begründete Rechtsbeziehung hinaus. Selbst wenn die Klägerin den Handballsport auch aus dem eigenen Bedürfnis zur sportlichen Betätigung und ggf in Erfüllung einer gegenüber dem SVA bestehenden mitgliedschaftlichen Pflicht betrieb und damit auch einen eigenwirtschaftlichen Zweck verfolgte, diente das Handballspiel und Handballtraining jedenfalls wesentlich dem wirtschaftlichen Interesse des Beigeladenen. Dessen Aufgabe war das Management der ersten Damenhandballmannschaft des SVA und damit die Verpflichtung befähigter Spielerinnen und deren Förderung zur Einnahmeerzielung durch attraktive Spiele. An der die Beschäftigung charakterisierenden fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung eines Verhaltens fehlt es erst dann, wenn mit ihm im Wesentlichen - anders als hier - allein eigene Angelegenheiten verfolgt werden (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 6 = NZS 2006, 375).

22

Offenbleiben kann hier, inwieweit die der Klägerin gezahlten Fahrtkosten in Höhe von maximal 7950 Euro jährlich ein Entgelt für das Handballspielen darstellte. Ob Arbeitnehmern ein Entgelt für ihre Tätigkeit gezahlt wird, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wie auch iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV nicht ausschlaggebend(vgl BSG vom 26.6.1980 - 8a RU 48/79 - SozR 2200 § 539 Nr 68, vom 30.6.2009 - B 2 U 3/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 1008, 1014 und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14 - Postzustellerfall). Arbeitsentgelt setzt das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses voraus, begründet ein solches aber nicht. Auch ohne eine aus der Zahlung eines Entgelts folgende wirtschaftliche Abhängigkeit kann eine Beschäftigung vorliegen.

23

Auch im Bereich der sportlichen Betätigung und bei Tätigkeiten in Vereinen ist die Beschäftigung von rein mitgliedschaftlicher bzw sportlicher Betätigung nicht danach abzugrenzen, ob ein Entgelt vereinbart ist und gezahlt wird. Sofern der erkennende Senat im Zusammenhang mit sportlichen Betätigungen innerhalb einer Vereinsmitgliedschaft ausgeführt hat, dass eine von dieser abzugrenzende Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII typischerweise bei Zahlung eines Arbeitsentgelts anzunehmen ist(vgl BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 25/02 R - HVBG-INFO 2003, 1412, 1418 und vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 185, 190), hat er dabei auf die Entgeltzahlung lediglich als ein Indiz für das Vorliegen einer Beschäftigung abgestellt. Entgegen der Rechtsansicht der Revision existiert hingegen keine rechtliche Vermutung, dass im sportlichen Bereich das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zwingend die Zahlung eines "nennenswerten" Entgelts voraussetzt. Die allgemeinen Kriterien für das Vorliegen einer Beschäftigung, nämlich die über die reine Ausübung eines Mannschaftssports hinausgehende Eingliederung in den Betrieb des Beigeladenen, verbunden mit einer zahlreiche Aspekte der Tätigkeit umfassenden Weisungsgebundenheit, ermöglichen hier bereits hinreichend die Einordnung als Beschäftigung, ohne dass zusätzlich auf eine Entgeltzahlung und eine rechtliche Qualifizierung des Fahrtkostenersatzes abgestellt werden muss.

24

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Klägerin im Unfallzeitpunkt eine versicherte Beschäftigung verrichtet und mit ihrer Teilnahme am Handballtraining eine sich aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Beigeladenen ergebende Hauptpflicht erfüllt.

25

2. Auf die Einordnung der zum eigentlichen Handballverein SVA bestehenden Rechtsbeziehungen der Klägerin kam es im vorliegenden Fall mithin nicht mehr entscheidend an. Die Revision hat hier zu Recht darauf verwiesen, dass die Klägerin Vereinsmitglied des SVA war und die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Frage, welche Verrichtungen aufgrund einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung als Vereinsmitglied vorgenommen werden und mithin gerade keine Beschäftigung darstellen, eher dazu tendiert, von weitgehenden mitgliedschaftlichen Handlungspflichten der Vereinsmitglieder auszugehen (vgl die Urteile vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 - BSGE 14, 1, 3 f = SozR Nr 1 zu § 798 RVO A a 2, vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16, 98, 101 f = SozR Nr 29 zu § 165 RVO A a 31, vom 17.10.1990 - 2 RU 3/90 - HVBG-INFO 1991, 423, 427, vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 101, vom 24.2.2000 - B 2 U 4/99 R - HVBG-INFO 2000, 1253, 1255, vom 13.8.2002 - B 2 U 29/01 R - HVBG-INFO 2002, 2511, 2516 f, vom 18.3.2003 - B 2 U 25/02 R - HVBG-INFO 2003, 1412, 1419, vom 30.6.2009 - B 2 U 22/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 1040, 1046 und vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 185, 189). Letztlich kann hier offenbleiben, wie die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem SVA einzuordnen wäre, denn ausschlaggebend ist, dass die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis zum beigeladenen HSA stand, bei dem sie gerade nicht Mitglied war.

26

Der Senat konnte auch die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls bestätigen, denn die Beklagte war für die Feststellung des Arbeitsunfalles zuständig, weil nach § 3 I Nr 9 ihrer Satzung ihr Zuständigkeitsbereich sowohl Sportvereine als auch sonstige Sportunternehmen umfasst, wozu der Beigeladene gehört.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen deren außergerichtliche Kosten zu erstatten, weil deren im Revisionsverfahren gestellte Anträge Erfolg hatten. Zwar sind gemäß § 193 Abs 4 SGG die Aufwendungen der in § 184 Abs 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen, die nicht gemäß § 183 SGG kostenprivilegiert sind, nicht erstattungsfähig. Zu diesem Personenkreis gehört jedoch der HSA als Beigeladener nicht (vgl BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 60/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 5 RdNr 18 und vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - BSGE 107, 267 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 90).

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:

        

"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."

3

Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).

4

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.

5

Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.

6

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.

9

Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.

10

Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).

15

a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.

20

Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.

21

Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.

22

c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

23

Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).

24

Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.

25

Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).

26

Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.

27

Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

28

Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.

29

Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.

30

d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.

31

Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

32

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

33

Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung entrichteten Beiträge.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalles.

2

Der Kläger bewarb sich im Herbst 2009 als Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende aus eigener Initiative bei der T. GmbH (im Folgenden: T. GmbH) um eine Stelle als Briefausträger. Daraufhin wurde vereinbart, dass er vom 15. bis zum 17.10.2009 jeweils 6 Stunden täglich als Postzusteller ohne Anspruch auf ein Entgelt eingesetzt werden sollte. Außerdem wurde der Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages für den 22.10.2009 in Aussicht gestellt.

3

Am 15. und 16.10.2009 stellte der Kläger die Post nach Einweisung ihn begleitender anderer Mitarbeiter der T. GmbH zu. Am Morgen des 17.10.2009 erhielt er zunächst ein Dienstfahrrad, Dienstkleidung und zwei am Fahrrad zu befestigende Taschen mit Post, die er ohne Begleitung eigenständig austragen sollte. Nachdem der Kläger etwa die Hälfte der zuzustellenden Post verteilt hatte, wurde er von einem Hund angesprungen. Er rutschte mit dem Fahrrad weg, stürzte und zog sich dabei einen komplizierten Schienbeinkopfbruch zu. Die Beklagte lehnte es ab, dieses Geschehen als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil der Kläger zum Unfallzeitpunkt weder als Beschäftigter noch als sog Wie-Beschäftigter versichert gewesen sei (Bescheid vom 23.2.2010, Widerspruchsbescheid vom 10.6.2010).

4

Das SG Hamburg hat die Verwaltungsentscheidung aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 17.9.2009 (richtig: 17.10.2009) ein Arbeitsunfall ist (Urteil vom 11.2.2011). Das LSG Hamburg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gewesen. Spätestens am 17.10.2009 sei er mit der Anweisung, die Post in Dienstkleidung in einem bestimmten Bezirk zuzustellen, in die Arbeitsorganisation der T. GmbH eingegliedert und deren Weisungsrecht in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung unterstellt gewesen. Allein wegen des eigenwirtschaftlichen Motivs des Klägers, eine Festanstellung zu erreichen, könne nicht von der Anbahnung eines späteren potentiellen Beschäftigungsverhältnisses gesprochen werden. Der Kläger habe die Zustelltätigkeit wegen seiner Obhutspflichten für die ihm übergebenen Postsendungen und überlassene Briefträgerausstattung auch nicht jederzeit abbrechen können (Urteil vom 31.1.2012).

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt nicht dem versicherten Personenkreis der Beschäftigten angehört. Auch am 17.10.2009 habe er mit der eigenwirtschaftlichen Motivation gehandelt, eine Festanstellung zu erreichen. Bei Hospitations- und Probearbeitstagen im Rahmen eines laufenden Bewerbungsverfahrens mangele es regelmäßig an der betrieblichen Eingliederung. Eine Person, die im Wesentlichen allein eigene Angelegenheiten verfolge, sei auch nicht wie ein Beschäftigter tätig.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 31. Januar 2012 und des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet.

10

Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG, das auf die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und § 55 Abs 1 Nr 1 SGG) die begehrte Feststellung getroffen hatte, zu Recht zurückgewiesen. Die Ablehnung der Beklagten in ihrem Bescheid vom 23.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.6.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf Feststellung eines Versicherungsfalles aus § 102 iVm § 8 Abs 1 SGB VII. Er hat am 17.10.2009 einen Arbeitsunfall erlitten.

11

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl zuletzt BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - juris RdNr 10 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

12

Die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Austragen der Post - hat den Sturz und damit einen Unfall und dieser hat einen Schienbeinkopfbruch und folglich einen Gesundheitserstschaden rechtlich wesentlich verursacht. Bei dieser Tätigkeit war der Kläger auch als Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert.

13

Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen(vgl § 7 Abs 1 SGB IV ) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII ). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f und vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff).

14

Das LSG hat die vom Kläger am 17.10.2009 verrichtete Tätigkeit zutreffend dem Typus der Beschäftigung zugeordnet. § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfasst die Beschäftigten iS des § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine Beschäftigung liegt daher immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn der Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 31 ff). Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Entscheidend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Ob der Verletzte ein Entgelt erhalten hat, ist für die Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII - und grundsätzlich auch des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV - unerheblich.

15

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt eine versicherte Beschäftigung verrichtet hat. Mit dem Austragen der Post erfüllte er eine sich aus einem zuvor begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnis ergebende Hauptpflicht.

16

Zwischen der T. GmbH und dem Kläger war zwar noch kein Arbeitsvertrag zustande gekommen. Dessen Abschluss war lediglich für den 22.10.2009 in Aussicht gestellt worden. Nach den nicht mit zulässig erhobenen sowie begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Kläger gleichwohl am 17.10.2009 abredegemäß in einem fremden Betrieb der T. GmbH tätig und dabei in deren Arbeitsorganisation eingebunden. Für diesen Tag war ihm die Dienstkleidung und ein Dienstfahrrad übergeben worden, weil er in einem vorgegebenen Bezirk die Post allein und eigenständig austragen sollte. Mit der Verwendung der Arbeitsmittel war nach außen die Unternehmenszugehörigkeit dokumentiert. Zudem sollte der damit in den Betriebsablauf eingegliederte Kläger die ihm überlassene Post zwischen 8 Uhr und voraussichtlich 14 Uhr in einem ihm zugewiesenen Gebiet verteilen. Dadurch kommt unzweifelhaft seine zum Weisungsrecht der T. GmbH korrespondierende Weisungsgebundenheit in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Verrichtung zum Ausdruck, der sich der Kläger vereinbarungsgemäß auch unterworfen hat.

17

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die unfallbringende Verrichtung nicht deshalb dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen, weil sie im Zusammenhang mit einer Arbeitssuche oder Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages gestanden hat (vgl hierzu BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 1/85 - NZA 1986, 542). Sie diente auch nicht der Vorstellung bei der T. GmbH als potentielle Arbeitgeberin (vgl hierzu BSG vom 20.1.1987 - 2 RU 15/86 - SozR 2200 § 539 Nr 119). Eine solche Zweckbindung ist vom LSG weder festgestellt worden noch ersichtlich. Sie mag evtl - was vorliegend nicht zu entscheiden ist - für die am 15. und 16.10.2009 verrichteten Tätigkeiten anzunehmen sein, weil der Kläger an diesen beiden Tagen die Post nach Einweisung ihn begleitender anderer Mitarbeiter der T. GmbH zustellte. Diese Einweisung und die mit ihr gegebenenfalls verbundene Feststellung der Fähigkeiten und Eignung des Klägers waren jedoch abgeschlossen, nachdem ihm von der T. GmbH aufgetragen worden war, die Post in Dienstkleidung allein und eigenständig auszutragen. Daher kann jedenfalls hinsichtlich der am 17.10.2009 verrichteten Tätigkeiten nicht mehr von einer bloßen Anbahnung ausgegangen werden, die allein darauf abgezielt hätte, die persönliche und fachliche Eignung festzustellen. Auch einer Hospitation oder Probearbeit ist der Kläger jedenfalls am Unfalltag nicht nachgegangen.

18

Dass am 17.10.2009 ein wirksamer Arbeitsvertrag noch nicht zustande gekommen, sein Abschluss vielmehr für den 22.10.2009 vorgesehen war und die unfallbringende Verrichtung möglicherweise auch der Begründung des in Aussicht gestellten Arbeitsvertrages gedient hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. An einer die Beschäftigung charakterisierenden fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung eines Verhaltens fehlt es erst dann, wenn mit ihm im Wesentlichen allein eigene Angelegenheiten verfolgt werden (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 6 = NZS 2006, 375). Das abredegemäß erfolgte Austragen der Post diente indes auch der Erfüllung der mit der Übertragung der Postzustellaufgaben einhergehenden Pflichten.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattungspflicht von Behandlungskosten, die infolge eines Sturzes des mittlerweile verstorbenen S. K. (S. K.) entstanden sind.

2

Der 1937 geborene S. K. (in Zukunft: Verletzter) ist gelernter Tischlermeister und war seit seinem 56. Lebensjahr im Ruhestand. Am 20.7.2006 nahm er kleinere Reparaturarbeiten auf dem Dach der über 80-jährigen Patentante seines Sohnes, Frau N., vor, zu der ein inniges freundschaftliches Verhältnis bestand. Der Verletzte besuchte Frau N. nach dem Tod ihres Ehemanns regelmäßig einmal wöchentlich. Aufgrund ihres Alters konnte sich Frau N. nur noch wenig um ihr Haus kümmern. Der Verletzte führte kleinere und größere Handreichungen und Reparaturen im Haushalt der Frau N. durch, wie zB das Reparieren der Heizung oder Mähen des Rasens. Der Verletzte stellte dabei auch die Mängel am Dach fest, die er am Unfalltag unentgeltlich ausbesserte. Später sollte dann eine komplette Dachsanierung durch eine Firma ausgeführt werden. Der Verletzte besorgte das für die Ausbesserungsarbeiten benötigte Material, die Kosten für das Material trug Frau N.

3

Bei den Reparaturarbeiten am 20.7.2006 stürzte der Verletzte aus ca fünf Metern Höhe vom Hausdach auf den Betonfußboden. Hierbei erlitt er ein schweres Schädelhirntrauma mit erheblichen weiteren Verletzungen. Nach Entlassung des Verletzten aus der stationären Behandlung meldete die Klägerin mit Schreiben vom 10.7.2007 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen der Kosten der Krankenhausbehandlung an, weil der Verletzte einen Arbeitsunfall erlitten habe. In der Folgezeit machte die Klägerin weitere Erstattungsansprüche wegen ärztlicher Verordnungen von Heil- und Hilfsmitteln, häuslicher Krankenpflege, Krankentransporten und Pflegegeld geltend.

4

Die Beklagte lehnte gegenüber dem Verletzten mit Bescheid vom 4.2.2008 die Anerkennung des Sturzes als Arbeitsunfall ab. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie der Klägerin mit, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien. Gegen den Ablehnungsbescheid wurde seitens des Verletzten kein Widerspruch eingelegt. Der Verletzte verstarb am 29.5.2008.

5

Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 212 981,95 Euro zu zahlen. Zur Begründung seines Urteils vom 9.8.2011 hat es ausgeführt, der Verletzte habe einen Arbeitsunfall erlitten, weil er als Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs 2 SGB VII tätig geworden sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.1.2016). Die Beklagte habe die Anerkennung des Sturzereignisses als Arbeitsunfall gegenüber dem Verletzten durch den Bescheid vom 4.2.2008 bestandskräftig abgelehnt. Diese Einwendung könne sie dem Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 105 Abs 1 SGB X erfolgreich entgegenhalten. In einem Erstattungsstreitverfahren sei die Ablehnungsentscheidung nur dann zu korrigieren, wenn sie objektiv dem materiellen Recht deutlich widerspreche. Die Entscheidung der Beklagten vom 4.2.2008 sei aber nicht offensichtlich fehlerhaft. denn es sei keine offensichtliche Fehlentscheidung, eine Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs 2 S 1 SGB VII abzulehnen. Gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit spreche schon das freiwillige Anerbieten, die undichten Stellen auf dem Dach unentgeltlich auszubessern. Denn Arbeitnehmer handelten im Allgemeinen nur nach Aufforderung und nur gegen Entgelt oder für sonstige materielle Vorteile. Gegen eine arbeitnehmerähnliche, weisungsabhängige Stellung des Verletzten sprächen auch die Gesamtumstände, unter denen er tätig geworden sei. Der Verletzte sei nicht weisungsgebunden gewesen, sondern habe aus eigenem Antrieb und maßgeblich aus freundschaftlicher Verbundenheit zu Frau N. gehandelt.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 105 Abs 1 S 1 SGB X. Diese Norm enthalte keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Träger der Unfallversicherung gegen einen Erstattungsanspruch eines anderen Sozialleistungsträgers die Einwendung erheben dürfe, er habe bereits gegenüber dem Verletzten einen Versicherungsfall bestandskräftig abgelehnt.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Januar 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. August 2011 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte wegen der an den Verletzten erbrachten Leistungen zusteht. Zu Recht hat das LSG daher das Urteil des SG aufgehoben.

10

Statthafte Klageart ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG. Die Beklagte ist weder berechtigt noch verpflichtet, über den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein solcher ist auch nicht ergangen.

11

Als Grundlage für einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte kommt allein § 105 Abs 1 SGB X in Betracht, wonach der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger unter bestimmten weiteren Voraussetzungen dem unzuständigen Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, erstattungspflichtig ist(BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 39/02 R - SozR 4-2700 § 105 Nr 1 RdNr 7). Die Voraussetzungen des § 105 SGB X liegen jedoch nicht vor, weil die Beklagte jedenfalls nicht der zuständige Leistungsträger für die im Erstattungsverlangen seitens der Klägerin geltend gemachten Kosten ist. Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger, der im Hinblick auf den erhobenen Sozialleistungsanspruch nach materiellem Recht richtigerweise sachlich befugt (passiv legitimiert) ist (vgl BSG vom 22.7.1987 - 1 RA 63/85 - SozR 1300 § 105 Nr 5 S 13; BSG vom 25.4.1989 - 4/11a RK 4/87 - BSGE 65, 31 = SozR 1300 § 111 Nr 6; BSG vom 26.10.1998 - B 2 U 34/97 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 43 S 176; BSG vom 28.4.1999 - B 9 V 8/98 R - BSGE 84, 61 = SozR 3-1300 § 105 Nr 5, SozR 3-3100 § 27i Nr 1; BSG vom 11.3.2014 - B 11 AL 4/14 R - SozR 4-4300 § 126 Nr 3 RdNr 11). Die Zuständigkeit der Klägerin folgt allerdings nicht bereits aus dem in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt der Beklagten vom 4.2.2008, mit dem diese die Anerkennung des Sturzereignisses gegenüber dem Verletzten als Arbeitsunfall abgelehnt hat (dazu unter A.). Dahinstehen kann hierbei, ob die Beklagte als auf Erstattung in Anspruch genommener Leistungsträger diesen bestandskräftigen Verwaltungsakt aus dem Innenverhältnis zum Verletzten der Klägerin wegen dessen "Tatbestandswirkung" als Einwendung entgegen halten kann (dazu unter B.). Denn der Verletzte hat jedenfalls keinen Versicherungsfall iS des § 7 SGB VII erlitten, für den die Beklagte einstandspflichtig wäre(dazu unter C.).

12

A. Die Beklagte ist nicht bereits aufgrund ihres Verwaltungsaktes vom 4.2.2008, mit dem sie gegenüber dem Verletzten die Anerkennung des Sturzereignisses vom 20.7.2006 als Arbeitsunfall abgelehnt hat, unzuständiger Leistungsträger. Dieser Verwaltungsakt wurde zwar bestandskräftig (§ 77 SGB X), weil der Verletzte keinen Widerspruch eingelegt hat. Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff SGB X sind aber keine von der Rechtsposition des Berechtigten abgeleiteten, sondern eigenständige Ansprüche(stRspr; vgl zB BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146, 147 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 3; BSG vom 22.5.1985 - 1 RA 33/84 - BSGE 58, 119, 125 f mwN = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24 mwN; BSG vom 14.5.1985 - 4a RJ 21/84 - SozR 1300 § 104 Nr 6; BSG vom 9.12.1986 - 8 RK 12/85 - BSGE 61, 66, 68 mwN = SozR 2200 § 182 Nr 104 S 222 mwN; BVerwG vom 12.9.1991 - 5 C 52/88 - BVerwGE 89, 39, 45 f; BVerwG vom 19.11.1992 - 5 C 33/90 - BVerwGE 91, 177, 185; BVerwG vom 13.3.2003 - 5 C 6/02 - BVerwGE 118, 52, 57 f). Eine Feststellungswirkung der Entscheidung, die auch Sachverhaltsmerkmale und rechtliche Wertungen in die "Bindung" mit einbezieht, besteht damit nicht (BSG vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 11; vgl BSG vom 19.3.1998 - B 7 AL 86/96 R - SozR 3-4100 § 112 Nr 29 S 136; BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 16/15 R - BSGE 119, 298 = SozR 4-2500 § 16 Nr 1, RdNr 22 mwN). Jedenfalls sieht das Gesetz eine solche "Bindung" nicht vor.

13

B. Im Ergebnis kann aber auch dahinstehen, ob der Verwaltungsakt vom 4.2.2008 eine - wie auch immer geartete - tatbestandliche Drittwirkung entfaltet, sodass er als Einwendung auch gegenüber der Klägerin geltend gemacht werden könnte. Dies wird zwar in der Rechtsprechung (dazu unter 1.) sowie der Literatur (dazu unter 2.) vertreten, nicht aber von der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats geteilt (dazu unter 3.). Im vorliegenden Fall erweist sich aber der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4.2.2008 ohnehin als rechtmäßig, sodass nicht darüber entschieden werden muss, ob und inwieweit auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der gegenüber dem Verletzten bestandskräftig wurde, von einem anderen Leistungsträger im Erstattungsverfahren hinzunehmen wäre (hierzu unter C.).

14

1. Die eine solche Drittwirkung gegenüber dem Versicherten ergangener ablehnender Verwaltungsakte bejahende Rechtsprechung geht davon aus, dass der nachrangige oder unzuständige Leistungsträger bei der Geltendmachung der Erstattung die bestandskräftige Entscheidung des vorrangigen oder zuständigen Leistungsträgers zu beachten habe. Dem korrespondiere das Recht des in Anspruch genommenen Leistungsträgers, sich auf seine eigenen bindenden Verwaltungsakte zu berufen (vgl BSG vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG vom 26.7.2007 - B 13 R 38/06 R - SozR 4-2600 § 116 Nr 1 RdNr 13; BSG vom 12.5.1999 - B 7 AL 74/98 R - BSGE 84, 80, 83 f = SozR 3-1300 § 104 Nr 15 S 56 f; BSG vom 8.7.1998 - B 13 RJ 49/96 R - BSGE 82, 226, 228 = SozR 3-2600 § 99 Nr 2 S 4; BSG vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 - BSGE 72, 163, 166 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 14 f; BSG vom 6.2.1992 - 12 RK 15/90 - BSGE 70, 99, 104 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 S 41; BSG vom 22.7.1987 - 1 RA 63/85 - SozR 1300 § 105 Nr 5 S 12; BSG vom 22.5.1985 - 1 RA 33/84 - BSGE 58, 119, 126 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24 f; BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5; vgl auch BFH Urteil vom 14.5.2002 - VIII R 88/01 - Juris RdNr 16 ff). Aus der Tatbestandswirkung (Drittbindungswirkung) von Verwaltungsakten folge, dass Behörden und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde zu legen hätten (vgl BSG vom 17.6.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 f; BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 16/15 R - BSGE 119, 298 = SozR 4-2500 § 16 Nr 1, RdNr 22 mwN). Dies erfordere die Funktionsfähigkeit des auf dem Prinzip der Aufgabenteilung beruhenden gegliederten Sozialleistungssystems (vgl BSG vom 30.5.2006 - B 1 KR 17/05 R - SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30; BSG vom 12.5.1999 - B 7 AL 74/98 R - BSGE 84, 80, 83 f = SozR 3-1300 § 104 Nr 15 S 57; BSG vom 23.6.1993 - 9/9a RV 35/91 - SozR 3-1300 § 112 Nr 2 S 5; BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5). Eine Bindungswirkung im Erstattungsstreit soll grundsätzlich selbst dann bestehen, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft sei (vgl BSG vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 - BSGE 72, 163, 166 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 15; BSG vom 8.7.1998 - B 13 RJ 49/96 R - BSGE 82, 226, 228 = SozR 3-2600 § 99 Nr 2 S 4). Der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger dürfe sich nur dann nicht auf die Bindungswirkung seiner Entscheidung berufen, wenn diese sich als offensichtlich fehlerhaft erweise und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirke (vgl BSG vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG vom 30.5.2006 - B 1 KR 17/05 R - SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30; BSG vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 - BSGE 72, 163, 168 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 17; BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146, 150 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 6).

15

2. Diese Meinung wird in der Literatur mit der Begründung geteilt, dass aufgrund der Pflicht zur Zusammenarbeit und dem sich daraus ergebenden Interessenwahrungsgrundsatz der Leistungsträger, dessen Entscheidung von dem anderen Leistungsträger ausdrücklich beanstandet werde, in eine nochmalige Überprüfung der Sach- und Rechtslage einzutreten habe. Hinsichtlich des Umfangs und des Ergebnisses der Prüfung bestehe aber ein weiter Spielraum: Der Leistungsträger könne sich in der Regel auf seine bindende Entscheidung einschließlich ihrer Tatbestandswirkung berufen, auch dann, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft sei. Der Leistungsträger dürfe allerdings dann nicht auf der getroffenen Entscheidung beharren, wenn sich die Entscheidung als offensichtlich fehlerhaft erweise, wobei nicht die Grenze des § 40 SGB X erreicht werden müsse(Becker in Hauck/Noftz, SGB X, K § 105 RdNr 71 ff; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, vor §§ 102 - 114, RdNr 9; Schlaeger, jurisPR-SozR 9/2016, Anm 2; vgl dazu auch die Ausführungen bei Kater in Kasseler Komm, § 103 SGB X RdNr 56; Böttiger in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 4. Aufl 2016, § 103 RdNr 44; dem grundsätzlich zustimmend auch von Einem, SGb 1989, 184, 190; Prange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 105 SGB X, RdNr 64; ablehnend Krasney, KrV 2014, 1 ff).

16

3. Der erkennende Senat hat hingegen eine Berechtigung des auf Erstattung in Anspruch genommenen Sozialleistungsträgers, die gegenüber dem Leistungsberechtigten ergangenen bindenden Verwaltungsakte auch dem Erstattungsgläubiger entgegenzuhalten, stets verneint (vgl BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 36/98 R - Juris RdNr 19 - SozR 3-5670 § 3 Nr 4; BSG vom 27.8.1987 - 2 RU 49/86 - BSGE 62, 118 = SozR 2200 § 562 Nr 7; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49). Er hat dabei darauf hingewiesen, dass es sich bei den Erstattungsansprüchen der §§ 102 ff SGB X um eigenständige, originäre Ansprüche handelt, die nicht von der Rechtsposition des Leistungsberechtigten abgeleitet sind(BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 36/98 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 4, SozR 3-5090 § 5 Nr 3, Juris RdNr 19; BSG vom 27.8.1987 - 2 RU 49/86 - BSGE 62, 118, 123 = SozR 2200 § 562 Nr 7 S 10). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats steht dementsprechend selbst die bindende Ablehnung des Anspruchs des Sozialleistungsberechtigten durch den auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger einem späteren Erstattungsbegehren des vorleistenden Leistungsträgers nicht entgegen (vgl BSG vom 27.8.1987 - 2 RU 49/86 - BSGE 62, 118, 123 = SozR aaO; BSG vom 30.4.1991 - 2 RU 78/90 - USK 91127 zu § 1504 RVO). Auch der 1. Senat des BSG lehnt die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes zumindest dann ab, wenn dieser durch den Erstattung begehrenden Sozialleistungsträger ergangen ist, weil der faktisch in Vorleistung getretene (vermeintlich unzuständige) Leistungsträger weniger schutzwürdig sei als der Leistungsträger, der von diesem auf Erstattung in Anspruch genommen werde (BSG vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 15).

17

Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob er an seiner Rechtsprechung festhält. Ebenso kann dahinstehen, ob die durch den 1. Senat des BSG (aaO) neuerdings vorgenommene Differenzierung danach, ob der Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten vom Erstattungsgläubiger oder Erstattungsschuldner erlassen wurde, überzeugt. Hieran bestehen erhebliche Zweifel, wenn - wie im vorliegenden Fall - der ablehnende Verwaltungsakt des potenziellen Erstattungsschuldners zeitlich erst nach der Geltendmachung des Erstattungsbegehrens durch den Erstattungsgläubiger erlassen wurde. Denn unabhängig von der Frage einer wie auch immer gearteten Drittwirkung des ablehnenden Verwaltungsaktes vom 4.2.2008 besteht im vorliegenden Fall jedenfalls offensichtlich schon deshalb kein Erstattungsanspruch der Klägerin, weil die Beklagte zu Recht einen Arbeitsunfall des Verletzten abgelehnt hat und damit nicht zuständiger Sozialleistungsträger iS des § 105 SGB X ist. Es kann daher offenbleiben, inwiefern auch ein rechtswidriger ablehnender Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten eine solche Bindungswirkung zulasten der Klägerin entfalten könnte.

18

C. Der Verletzte hat am 20.7.2006 keinen Arbeitsunfall nach § 8 Abs 1 SGB VII, für dessen Entschädigung die Beklagte zuständiger Leistungsträger wäre, erlitten. Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass der Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit eingetreten ist. Insofern liegen bei dem Verletzten weder die Voraussetzungen einer Beschäftigung (dazu unter 1.) noch einer Wie-Beschäftigung (dazu unter 2.) vor.

19

1. Der Verletzte erlitt den Unfall am 20.7.2006 nicht als Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis(Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine Beschäftigung liegt zunächst immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn der Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 31 ff). Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 16; vgl BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen keinerlei Hinweise auf ein Beschäftigungsverhältnis und eine Eingliederung des Verletzten in den "Betrieb" der Frau N. vor.

20

2. Der Verletzte stand auch nicht als sog Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs 2 SGB VII unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung. Voraussetzung einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs 2 S 1 SGB VII ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen(BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - Juris RdNr 25; BSG vom 13.9.2005 - B 2 U 6/05 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 7 RdNr 7 mwN). Der Verletzte handelte - ausgehend von den bindenden Feststellungen des LSG - wie ein Unternehmer und gerade nicht wie ein Beschäftigter der Frau N. Der Verletzte erbrachte seine Tätigkeit nicht arbeitnehmerähnlich.

21

Zwar hatte die Tätigkeit, bei der der Verletzte den Unfall erlitt, einen wirtschaftlichen Wert (s BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33; BSG vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27), was das LSG ausdrücklich festgestellt hat. Ebenso diente nach den bindenden Feststellungen des LSG die unfallbringende Verrichtung des Verletzten einem fremden Unternehmen - dem Haushalt der Frau N. - und entsprach zugleich deren Willen (BSG vom 26.1.1988 - 2 RU 23/87 - Juris RdNr 16; zum Haushalts-Begriff vgl BSG vom 29.11.1990 - 2 RU 18/90 - SozR 3-2200 § 539 Nr 6, Juris RdNr 20 mwN; vgl Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, Stand November 2017, § 2 RdNr 644; Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 SGB VII, RdNr 391).

22

Der Verletzte erbrachte die unfallbringende Verrichtung jedoch nicht arbeitnehmerähnlich und damit "wie ein Beschäftigter nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII". Insofern erweist sich die Entscheidung der Beklagten in dem Bescheid gegenüber dem Verletzten als zutreffend. Arbeitnehmerähnlichkeit setzt nicht voraus, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein müssen (dazu unter a). Das Gesamtbild der Tätigkeit muss aber in einem größeren zeitlichen Zusammenhang eine beschäftigungsähnliche Tätigkeit ergeben, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist (dazu unter b).

23

a) Die Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne einer Wie-Beschäftigung verlangt nicht, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein müssen. Insbesondere braucht keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen vorzuliegen (s BSG vom 17.3.1992 - 2 RU 22/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 16, Juris RdNr 15), ebenso wenig ist die Eingliederung in das unterstützte Unternehmen zwingend erforderlich. Dahinstehen kann, ob eine Wie-Beschäftigung iS des § 2 Abs 2 SGB VII voraussetzt, dass die Verrichtung typisierend betrachtet üblicherweise von abhängig Beschäftigten erbracht wird und es insofern für die ausgeübte Tätigkeit einen Arbeitsmarkt gibt(vgl LSG Baden-Württemberg vom 31.8.2012 - L 8 U 4142/10 - Juris RdNr 37; vgl auch Hessisches LSG vom 12.4.2016 - L 3 U 171/13 - Juris RdNr 33; Matz/Baumann, NJW 2016, 673, 674 mwN). Insofern hat das LSG ohnehin bindend festgestellt, dass Ausbesserungsarbeiten auf Flachdächern, wie sie der Verletzte vor seinem Unfall erbracht hat, im Regelfall von Arbeitnehmern in Dachdeckerbetrieben gewerblich ausgeführt werden.

24

b) Die Beklagte hat aber hier zu Recht gegenüber dem Verletzten die Arbeitnehmerähnlichkeit seiner Verrichtungen abgelehnt. Die Arbeitnehmerähnlichkeit einer Tätigkeit hängt entscheidend davon ab, ob das Gesamtbild des Vorhabens in einem größeren zeitlichen Zusammenhang eine beschäftigungsähnliche Tätigkeit ergibt (s BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 33/01 R - HVBG-INFO 2002, 2818). Ausschlaggebend ist, ob nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung die Tätigkeit wie von einem Beschäftigten oder wie von einem Unternehmer (zu § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO BSG vom 17.3.1992 - 2 RU 22/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 16 - Kfz-Mechaniker sowie BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 35/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 5 RdNr 11; vgl auch Kruschinsky in Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung , Stand Januar 2018, § 2 RdNr 816) erbracht wurde. Je mehr Gesichtspunkte der bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse für die Arbeitnehmerähnlichkeit sprechen, umso eher ist eine Wie-Beschäftigung iS des § 2 Abs 2 SGB VII zu bejahen.

25

Für die Arbeitnehmerähnlichkeit einer Tätigkeit spricht, wenn die in Betracht kommende Person nach Art der Tätigkeit auch als Arbeitnehmer hätte beschäftigt werden können (s BSG vom 5.7.1994 - 2 RU 24/93 - SozR 3-2200 § 548 Nr 20 = NZS 1995, 81). Des Weiteren spricht für das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung iS des § 2 Abs 2 SGB VII die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit im Hinblick auf Zeitpunkt und Art ihrer Ausführung in Anlehnung an für Beschäftigungsverhältnisse typische Weisungsrechte iS des § 106 GewO und damit eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts iS des § 315 BGB, ohne dass es einer eine Beschäftigung charakterisierenden Eingliederung in einen Betrieb bedarf(vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 1/14 R - SozR 4-2400 § 4 Nr 2 RdNr 23 zur Eingliederung). Unschädlich ist, wenn es sich um eine geringfügige Tätigkeit handelt (vgl BSG vom 30.4.1979 - 8a RU 38/78 - SozR 2200 § 539 Nr 57)oder dass der unterstützte Unternehmer eine solche Arbeitskraft nicht tatsächlich beschäftigt hätte (vgl BSG vom 5.3.2002 - B 2 U 9/01 R - Juris). Auch ist unerheblich, ob die in Betracht kommenden Personen von dem Unternehmen üblicherweise beschäftigt werden, sondern es genügt, dass sie nach Art der Tätigkeit beschäftigt werden könnten (s BSG vom 5.7.1994 - 2 RU 24/93 - SozR 3-2200 § 548 Nr 20 = NZS 1995, 81).

26

Als Unternehmer oder unternehmerähnlich wird die Tätigkeit hingegen verrichtet, wenn die Handlungstendenz nicht auf die Belange eines fremden Unternehmens gerichtet ist, sondern der Verletzte in Wirklichkeit wesentlich allein eigenen Angelegenheiten dienen wollte und es somit an der fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung fehlt (vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 6; BSG vom 28.5.1957 - 2 RU 150/55 - BSGE 5, 168, 174; BSG vom 20.1.1977 - 8 RU 38/76 - SozR 2200 § 539 Nr 32; BSG vom 1.2.1979 - 2 RU 65/78 - SozR 2200 § 539 Nr 55 sowie BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146 = SozR 1300 § 103 Nr 2; Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 2 RdNr 34.12). Unternehmer ist nach der gesetzlichen Definition in § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis seines Unternehmens unmittelbar zum Vor- und Nachteil gereicht. Für eine Unternehmerähnlichkeit ist hingegen kein Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit erforderlich (BSG vom 10.3.1994 - 2 RU 20/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 28 - Amateurrennreiter). Unternehmerähnlich wird zB auch die Tätigkeit eines Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft im Rahmen eines Geschäftsführervertrages verrichtet, der aufgrund seiner das Unternehmen beherrschenden Stellung kein Beschäftigter ist (BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R - BSGE 85, 214 = SozR 3-2200 § 539 Nr 48, Juris RdNr 17; zuletzt BSG vom 20.3.2018 - B 2 U 13/16 R). Für eine Unternehmerähnlichkeit spricht auch, wenn der Verletzte Tätigkeiten erbringt, die mit einem anderen Vertragstyp vergleichbar sind, zB mit einem Werkvertrag nach § 631 BGB oder bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung mit einem Auftrag mit Werksvertragscharakter(§ 662 BGB). Hier wird dann dem Auftraggeber nicht die eigene Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, sondern ein Werk eigenverantwortlich hergestellt bzw ein konkreter Auftrag erledigt (s BSG vom 27.10.1987 - 2 RU 9/87 - HVBG-Info 03/1988, 213). Dasselbe gilt, wenn der Verletzte die Ausführung des von ihm übernommenen im Wesentlichen frei planerisch gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen konnte. Letztere Gesichtspunkte sprechen im vorliegenden Fall deutlich für das Vorliegen einer unternehmerähnlichen Handlungstendenz des Verletzten. Es ist nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt davon auszugehen, dass der Verletzte in der Durchführung seiner "Freundschaftsdienste" für die über 80-jährige Frau N. völlig frei war und jeweils eigeninitiativ eine Reparatur etc vorschlug, ohne dabei an Weisungen hinsichtlich der Zeit oder der Durchführung gebunden zu sein.

27

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war das Gesamtbild der Tätigkeit des Verletzten für Frau N. dadurch geprägt, dass er kleinere und größere Handreichungen und Reparaturen innerhalb und außerhalb des Hauses regelmäßig durchführte, wozu das Reparieren der Heizung, das Mähen des Rasens sowie die Beschaffung des für Ausbesserungsarbeiten am Dach benötigten Materials gehörten. Frau N. konnte sich nur noch wenig um ihr Haus kümmern und kann daher nicht als Unternehmerin/Arbeitgeberin angesehen werden, die gegenüber dem Verletzten ein Direktionsrecht gehabt haben könnte. Der Verletzte handelte stets nicht weisungsgebunden, sondern freiwillig aus eigenem Antrieb und selbstbestimmt. Die finanziellen Mittel für das vom Verletzten zu verwendende Material wurden zwar von Frau N. zur Verfügung gestellt, wobei der Verletzte das Material aber wiederum völlig eigenverantwortlich einkaufte. Nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung in einem größeren zeitlichen Zusammenhang ergibt sich somit eine Tätigkeit, die aufgrund der fehlenden auch nur ansatzweise vorhandenen Fremdbestimmtheit nicht arbeitnehmerähnlich war, sondern der Verletzte beabsichtigte, eigenverantwortlich ein eigenes Werk herzustellen (s BSG vom 27.10.1987 - 2 RU 9/87 - HVBG-Info 03/1988, 213).

28

Gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit des Verletzten spricht im Rahmen der Gesamtbetrachtung ergänzend auch der Gesichtspunkt, dass die Verrichtung wegen und im Rahmen einer Sonderbeziehung zu Frau N. erfolgte. Nach den Feststellungen des LSG bestand eine jahrelange enge Freundschaftsbeziehung zwischen dem Verletzten und Frau N., die der Verrichtung des Dachreparierens letztlich ihr Gepräge gab. Eine solche Sonderbeziehung, die bei der notwendigen Gesamtbetrachtung eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iS des § 2 Abs 2 SGB VII schon für sich betrachtet ausschließen könnte, liegt bei Erfüllung gesellschaftlicher, insbesondere familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher oder körperschaftlicher Art vor(vgl BSG vom 20.4.1993 - 2 RU 38/92 - SozR 3-2200 § 539 Nr 25; BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 4/89 - SozR 2200 § 539 Nr 134; BSG vom 26.10.1978 - 8 RU 14/78 - SozR 2200 § 539 Nr 49; BSG vom 1.2.1979 - 2 RU 65/78 - SozR 2200 § 539 Nr 55; BSG vom 8.5.1980 - 8a RU 38/79 - SozR 2200 § 539 Nr 66; BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 68/84 - BSGE 59, 284, 287 = SozR 2200 § 539 Nr 114 S 320 f = SGb 1986, 376; BSG vom 12.5.1981 - 2 RU 40/79 - BSGE 52, 11 = SozR 2200 § 539 Nr 81; BSG vom 5.8.1987 - 9b RU 18/86 - SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 13/97 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 41; BSG vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 - BSGE 14, 1, 3; BSG vom 31.7.1962 - 2 RU 110/58 - BSGE 17, 211, 216 = SozR Nr 30 zu § 537 RVO aF Aa 31). Auch bei einer solchen "Sonderbeziehung" sind allerdings alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass die konkrete Verrichtung auch außerhalb dessen liegen kann, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen getan oder erwartet wird (BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 5/11 R - Juris RdNr 57; vgl BSG vom 30.11.1962 - 2 RU 174/60 - BSGE 18, 143 = SozR Nr 33 zu § 537 RVO, Juris RdNr 20; Kruschinsky in Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung , Stand Januar 2018, § 2 RdNr 858; Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, Stand November 2017, § 2 RdNr 644; Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 SGB VII, RdNr 399 ff). Nach den Feststellungen des LSG bestand jedoch eine jahrelange freundschaftliche Beziehung zwischen dem Verletzten und Frau N., die zu regelmäßigen Freizeitkontakten und Besuchen führten, die der Tätigkeit des Dachreparierens letztlich ihr Gepräge gaben. Bei einer solchen Intensität der Beziehung kann die Übernahme lediglich vorläufiger Ausbesserungsarbeiten - die endgültige Dachsanierung sollte nach den Feststellungen des LSG durch eine fachkundige Firma erfolgen - nicht als außerhalb dessen angesehen werden, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen selbstverständlich getan oder erwartet wird.

29

Letztlich entspricht dieses Ergebnis auch Sinn und Zweck der Norm des § 2 Abs 2 SGB VII, nach der aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz in allen Fällen gelten soll, in denen selbst bei vorübergehenden Tätigkeiten die Grundstruktur des Beschäftigungsverhältnisses als Versicherungsgrund vorliegt. Sie geht zurück auf den durch das 6. Unfallversicherungsänderungsgesetz vom 9.3.1942 (RGBl I 107) vollzogenen Übergang von der Betriebs- auf die Personenversicherung (s BSG vom 28.5.1957 - 2 RU 150/55 - BSGE 5, 168, 171 = NJW 1958, 158; Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts vgl RVO mit Anmerkungen herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamts, Bd III, 2. Aufl 1930, S 70 Anm 5l zu § 544; Kruschinsky in Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung , § 2 RdNr 801). Auch dies schließt es aus, Personen, die wie Selbstständige und zusätzlich ausschließlich aufgrund freundschaftlicher Nähe handeln, in den Versicherungsschutz der Wie-Beschäftigung einzubeziehen.

30

Da der Verletzte mithin keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 SGB VII erlitten hat, scheidet ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 105 Abs 1 SGB X aus. Es kann deshalb dahinstehen, ob hinsichtlich des geltend gemachten Pflegegeldes wegen der Zuständigkeit der Beklagten nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB VII die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 105 Abs 1 SGB X überhaupt vorgelegen hätten(vgl BSG vom 3.4.2014 - B 2 U 21/12 R - BSGE 115, 247 = SozR 4-7610 § 812 Nr 7, RdNr 28; BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 28/08 R - BSGE 105, 210 = SozR 4-2700 § 33 Nr 1, RdNr 26).

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall des beigeladenen Verletzten vom 20.8.2004 ein Arbeitsunfall war.

2

Der damals 14 Jahre alte Beigeladene arbeitete am 20.8.2004 im Wald bei B. (Nieder-sachsen) zusammen mit seinem Vater, seinem Bruder und seinem Onkel an der Gewinnung von Brennholz mit. Seine Aufgabe war es ua Holzteile unter einen Holzspalter zu stellen, der von seinem Onkel bedient wurde. Der Holzspalter war an einen Traktor angeschlossen und wurde von dessen Maschine angetrieben. Halter des Traktors war ein Dritter (D), die Klägerin ist dessen Kfz-Haftpflichtversicherung. Die vier Personen hatten am Vormittag mit der Arbeit begonnen. Gegen 17.20 Uhr geriet die rechte Hand des Beigeladenen in den herunterschnellenden Holzspalter. Sie wurde so erheblich verletzt, dass mehrere Finger der rechten Hand teilweise amputiert wurden. Nach Abschluss der Behandlung blieben daneben Funktionsbeeinträchtigungen der Hand zurück.

3

Der Beigeladene half bei der Brennholzgewinnung regelmäßig an fast jedem Wochenende seit seinem 6. Lebensjahr. Zum Unfallzeitpunkt lebte er im Haushalt seiner Eltern. Das Holz diente "im Wesentlichen" zum Eigengebrauch in den Haushalten seiner Eltern sowie seines Onkels. Insgesamt wurden für einen Winter ca 40 Raummeter Holz zubereitet. Der Onkel des Beigeladenen erhielt davon 10 Raummeter, die anderen Beteiligten (Vater, Bruder und Beigeladener) je 10 Raummeter. Der Beigeladene hatte ein Taschengeld von 20 Euro monatlich, gelegentlich erhielt er bei guter Arbeit 5 Euro extra.

4

Im Februar 2007 erhob der Beigeladene gegen den Halter des Traktors D, gegen seinen Onkel sowie gegen die Klägerin Klagen auf Schadenersatz wegen der erlittenen Verletzungen beim Landgericht Hildesheim (LG). Das LG setzte den Rechtsstreit unter Berufung auf § 108 Abs 2 SGB VII bis zur Entscheidung der Sozialgerichtsbarkeit aus.

5

Die Beklagte lehnte gegenüber dem Verletzten die Feststellung von Rechten auf Leistungen der GUV ab. Es habe sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt (Bescheid vom 9.11.2007). Nach erfolglosem Widerspruch der Klägerin (Widerspruchsbescheid vom 13.5.2008) hat diese beim SG Wiesbaden geklagt. Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 30.4.2010 abgewiesen. Die Tätigkeit des Beigeladenen zum Unfallzeitpunkt sei nicht versichert gewesen, da sie durch die familiäre Bindung im Rahmen eines engen verwandtschaftlichen Verhältnisses geprägt gewesen sei.

6

Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 31.1.2011 zurückgewiesen. Zwar sei die Klägerin in analoger Anwendung des § 109 SGB VII als haftender Kfz-Haftpflichtversicherer für Schäden, die durch den Betrieb eines bei ihr versicherten Kraftfahrzeugs entstehen, klagebefugt(unter Hinweis auf BSG vom 1.7.1997 - 2 RU 26/96 - BSGE 80, 279). Die Berufung sei aber unbegründet, da der Beigeladene keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Er sei weder als Arbeitnehmer noch als Wie-Beschäftigter tätig geworden. Die geleistete Tätigkeit habe nicht außerhalb des Umfangs gelegen, der aufgrund familiärer Gemeinschaft zwischen dem Beigeladenen und seinem Vater zu erwarten sei (§ 1618a BGB).

7

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung der §§ 8 Abs 1, 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII. Der Beigeladene sei nicht im Rahmen einer verwandtschaftlichen Gefälligkeit tätig geworden. Dagegen spreche der Umfang der Holzgewinnung, durch den sowohl der Haushalt der Familie des Beigeladenen als auch der Haushalt der Familie des Onkels für den kompletten Winter mit Holz versorgt werden konnten. Durch die Tätigkeit hätten die beteiligten Personen einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Eine Pflicht von Kindern, leichte Haushaltstätigkeiten zu übernehmen, bestehe in einem Umfang von ca einer Stunde täglich oder sieben Stunden wöchentlich (unter Hinweis auf OLG Oldenburg NZVN 2010, 156; OLG Stuttgart VersR 1993, 536; OLG Hamburg VersR 1993, 1538). Die vom Beigeladenen geleistete Arbeit habe das übliche Maß an Mithilfe innerhalb der Familie bei Weitem überstiegen. Die Entscheidung des LSG berücksichtige nicht den Wandel der gesellschaftlichen Anschauung zum Umfang familiärer Unterstützungspflicht. Auch sei das Familienverhältnis nicht das alleinige Kriterium, um eine Tätigkeit nach § 2 Abs 2 SGB VII zu beurteilen.

8

           

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2011 und des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. April 2010 sowie die ablehnende Entscheidung im Bescheid des Beklagten vom 9. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 20. August 2004 ein Arbeitsunfall des Beigeladenen ist.

9

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Der Umfang der vom Beigeladenen geleisteten Tätigkeiten sei nicht geeignet, das enge Verwandtschaftsverhältnis zu verneinen.

11

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des Urteils des Hessischen LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung der Sache begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen kann der Senat nicht entscheiden, ob der Beigeladene eine versicherte Tätigkeit verrichtet hat, als er Holzteile unter den mechanischen Holzstapler stellte, wodurch er sich verletzte.

13

1. Die Klägerin darf als Kfz-Haftpflichtversicherer in analoger Anwendung des § 109 Satz 1 SGB VII die Rechte des Beigeladenen gegen den beklagten Unfallversicherungsträger, die jener nicht selbst verfolgt hat, im eigenen Namen geltend machen(vgl hierzu BSG vom 1.7.1997 - 2 RU 26/96 - BSGE 80, 279 = SozR 3-2200 § 639 Nr 1; zur rechtlichen Qualifizierung der Befugnis aus § 109 SGB VII vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 27/10 R - und vom 31.1.2012 - B 2 U 12/11 R - jeweils zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

14

Nach § 109 Satz 1 SGB VII können Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist und gegen die Versicherte, ihre Angehörigen und Hinterbliebene Schadenersatzforderungen erheben, statt der Berechtigten die Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragen oder das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz betreiben.

15

Der Beigeladene, der durch seine Verrichtung möglicherweise nach § 2 SGB VII versichert war, hat ua gegen die Klägerin als Kfz-Haftpflichtversicherer des Halters des Fahrzeugs, das den Holzspalter antrieb, durch den er verletzt wurde, vor dem LG Schadenersatzforderungen erhoben. Das LG hat die Verfahren bis zur Entscheidung der Beklagten und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach § 108 Abs 2 SGB VII ausgesetzt.

16

Allerdings ist die Klägerin als eine Kfz-Haftpflichtversicherung betreibende Aktiengesellschaft kein Rechtssubjekt, dessen Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt sein kann, wie dies jedoch in § 109 Satz 1 SGB VII vorausgesetzt wird. Das BSG hat aber bereits entschieden, dass auch ein unmittelbar aus der Kfz-Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz in Anspruch genommener Kfz-Haftpflichtversicherer in "analoger" Anwendung des § 109 Satz 1 SGB VII berechtigt ist, die Rechte des verletzten Versicherten im eigenen Namen geltend zu machen(BSG vom 1.7.1997 - 2 RU 26/96 - BSGE 80, 279 = SozR 3-2200 § 639 Nr 1).

17

Dies wurde damit begründet, dass der Verletzte berechtigt sei, seine Schadenersatzansprüche aus einem im Straßenverkehr erlittenen Unfall unmittelbar gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer geltend zu machen (Hinweis auf § 3 Nr 1 Pflichtversicherungs-Gesetz aF). Das Versicherungsunternehmen und der möglicherweise ersatzpflichtige Schädiger (zugleich Versicherungsnehmer) hafteten als Gesamtschuldner (Hinweis auf § 3 Nr 2 PflVG aF). Der Kfz-Haftpflichtversicherer sei aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung in gleicher Weise wie der (möglicherweise) haftungsprivilegierte Schädiger berechtigt, gegen die Schadenersatzforderung die Haftungsfreistellung aus §§ 104 bis 107 SGB VII einzuwenden(BSG vom 1.7.1997 - 2 RU 26/96 - BSGE 80, 279 = SozR 3-2200 § 639 Nr 1).

18

Das BSG hat auch entschieden (BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 33/01 R - veröffentlicht in Juris), dass eine Privat-Haftpflichtversicherung - anders als eine auf gesetzlicher Versicherungspflicht beruhende und dem Geschädigten direkt haftende Kfz-Haftpflichtversicherung - nicht berechtigt ist, die einer Person, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, nach § 109 Satz 1 SGB VII zustehenden Befugnisse auszuüben. Anders als gegenüber einem Kfz-Haftpflichtversicherer entstehe zwischen dem Geschädigten und der Privat-Haftpflichtversicherung des Schädigers im Schadensfall kein gesetzliches Rechtsverhältnis, aus dem die Privat-Haftpflichtversicherung gegenüber dem Geschädigten hafte (BSG aaO, RdNr 19).

19

           

An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

§ 109 Satz 1 SGB VII verschafft zwar nach seinem Wortlaut nur den Personen, deren Haftung (möglicherweise) nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, die Befugnis, anstatt des Versicherten dessen Rechte im eigenen Namen geltend zu machen, wenn sie auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden(Verfahrens- und Prozessstandschaft; dazu BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 27/10 R - und vom 31.1.2012 - B 2 U 12/11 R - jeweils zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Allerdings sind Kfz-Haftpflichtversicherungen, die den Schädiger im Rahmen der gesetzlichen Pflichtversicherung gegen Schadenersatzforderungen des Verletzten absichern, nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht unmittelbar Begünstigte des § 109 SGB VII.

20

Die Regelung ist aber auf Kfz-Haftpflichtversicherungen analog anzuwenden. Eine im Wege der Analogie zu schließende Gesetzeslücke wird allgemein als "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes definiert. Ob eine solche vorliegt, ist nach dem Konzept des Gesetzes selbst vor allem im Wege der systematischen, historischen und der daraus gewonnenen teleologischen Auslegung zu beurteilen (vgl BSG vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R - BSGE 100, 243 = SozR 4-2700 § 150 Nr 3, RdNr 25 mwN).

21

Aus der Entstehungsgeschichte der Norm (BT-Drucks 13/2204, S 101 zu § 109) ergibt sich, dass den nach §§ 104 bis 107 SGB VII haftungsbeschränkten Personen, gegen die Ersatzansprüche geltend gemacht werden, die "Antragsrechte" entsprechend dem zuvor geltenden Recht(§ 639 RVO) zustehen sollen. Das so formulierte Regelungsziel impliziert nicht, dass der Gesetzgeber den Kfz-Haftpflichtversicherern die Befugnisse nach dieser Regelung einräumen wollte, lässt aber auch nicht erkennen, dass er sie bewusst ausschließen wollte. Die Vorschrift verhält sich zu den Befugnissen der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht, obwohl diese bei einem durch Kraftfahrzeuge verursachten Unfall dem Verletzten gegenüber kraft Gesetzes unmittelbar und in gleichem Umfang haften wie die Personen, deren Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt sein kann. Der Gesetzgeber hat die Situation, dass die Kfz-Haftpflichtversicherer früher nach § 3 Nr 1 und 2 PflVG aF, heute gemäß §§ 115, 117 VVG, rechtlich unmittelbar und neben einem Schädiger haften und im Innenverhältnis die wirtschaftlichen Folgen der Haftung uU sogar allein tragen, nicht bedacht. Die Regelung ist deshalb lückenhaft.

22

Dagegen, dass diese Lücke des Gesetzes "planwidrig" ist, spricht zwar, dass das Konzept für den Anwendungsbereich des § 109 SGB VII nicht offen zu Tage liegt. Sicher sind von der Regelung Personen begünstigt, die sich auf §§ 104 f SGB VII berufen können. Andererseits muss noch geklärt werden (BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 12/11 R - Juris RdNr 34 - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen), ob nicht auch die von einem Unfallversicherungsträger nach §§ 110 f SGB VII auf Aufwendungsersatz in Anspruch genommenen Personen, die gemäß § 112 SGB VII berechtigt sind, eine unanfechtbare Entscheidung des Trägers oder der Gerichte nach § 108 SGB VII herbeizuführen, auch berechtigt sein müssen, die Befugnisse nach § 109 Satz 1 SGB VII auszuüben.

23

Die Vorschrift befugt die (möglicherweise) haftungsprivilegierten Personen, an Stelle des Berechtigten dessen (möglicherweise bestehenden) Rechte im eigenen Namen im Verwaltungs- und Klageverfahren wegen der in § 108 Abs 1 SGB VII bezeichneten Regelungsgegenstände geltend zu machen. Dadurch sollen diese unfallversicherungsrechtlichen Vorfragen für einen zivilrechtlichen Rechtsstreit um Schadenersatz vor den Arbeits- oder Zivilgerichten, für den sie vorgreiflich sind, durch die sachnähere Verwaltung oder Gerichtsbarkeit unanfechtbar geklärt werden.

24

Eine solche vorgreifliche Klärung entspricht auch den Interessen des Geschädigten und des ihm (möglicherweise) unmittelbar kraft Gesetzes haftenden Kfz-Haftpflichtversicherers. Sie trägt ferner dem rechtlichen Regelungszweck der §§ 115, 117 VVG (früher § 3 PflVG aF) Rechnung, die durch den Direktanspruch dem Schutz von Unfallopfern dienen, die den Risiken des Kraftfahrzeugverkehrs ausgesetzt sind(vgl BGH vom 1.7.2008 - VI ZR 188/07 - Juris RdNr 11), indem er ihnen einen in aller Regel zahlungsfähigen Schuldner verschafft.

25

2. Die Klägerin kann von dem beklagten Unfallversicherungsträger nach §§ 102, 109 Satz 1 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles - hier eines Arbeitsunfalles des Beigeladenen - beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten(näher BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f)und die Beklagte der für die Feststellung des Versicherungsfalls (verbands-)zuständige Träger ist.

26

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz (ua nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2 aaO).

27

Nach den Feststellungen des LSG hat der Beigeladene zwar einen "Unfall" iS von § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten, als er mit seiner Hand unter den Holzspalter geriet (Unfallereignis) und dadurch an ihr verletzt wurde (Gesundheitserstschaden).

28

Noch nicht entscheidungsreif ist aber, ob dieser Unfall ein "Arbeitsunfall" iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII war.

29

Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Beigeladene vor dem Unfallereignis ("zur Zeit des Unfalls") durch das Einlegen des Holzes unter den Holzspalter (Verrichtung) den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hätte.

30

Gegebenenfalls wäre allerdings rechtlich nicht fraglich, ob diese Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, die auch rechtlich wesentliche Ursache von Unfallereignis und Gesundheitserstschaden war (zu diesen Voraussetzungen siehe schon BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17, RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30, RdNr 10 mwN).

31

a) Der Senat kann schon nicht entscheiden, ob der Beigeladene zum Zeitpunkt des Unfall-ereignisses vom 20.8.2004 eine versicherte Tätigkeit verrichtet hat.

32

Er hat in der genannten Weise Holz gespaltet. Diese Verrichtung könnte den Tatbestand des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt haben, so dass er dabei kraft Gesetzes unfallversichert gewesen wäre. Dann müsste er durch sie eine Beschäftigung ausgeübt haben. Das wäre der Fall gewesen, wenn er durch seine Beteiligung am Holzspalten (gemäß § 123 Abs 1 SGB VII ein Unternehmen) in funktionaler Eingliederung in ein anderes Unternehmen (vgl § 7 Abs 1 SGB IV)so in diesem mitgewirkt hätte, dass der Erfolg seiner Verrichtung unmittelbar jenem anderen Unternehmen und damit dessen Unternehmer zum Vor- oder Nachteil gereicht hätte (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII).

33

Insoweit hat das LSG zwar bindend festgestellt, dass der Beigeladene zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in einem Arbeitsverhältnis zu seinem Vater oder Onkel gestanden hat. Da der Begriff der Beschäftigung aber weiter ist als der Begriff des Arbeitsverhältnisses (vgl nur § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV), kann der Senat aus der Feststellung des Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses nicht rechtslogisch fehlerfrei den Schluss ziehen, dass eine Beschäftigung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses nicht vorgelegen hat. Das LSG hat zum Vorliegen der Ausübung einer (uU unentgeltlichen) Beschäftigung iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII keine Feststellungen getroffen. Zudem ist offen, in wessen Unternehmen (uU eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen Vater und Onkel oder auch Bruder) der Beigeladene eingegliedert gearbeitet hat und wessen Weisungen er ggf unterlag oder ob er selbst Mitunternehmer war und deshalb keine Beschäftigung ausgeübt hat.

34

Das Urteil des LSG ist schon deshalb aufzuheben und zur Klärung der Frage, ob zum Unfallzeitpunkt durch die Verrichtung des Holzspaltens der Versicherungstatbestand der Beschäftigung erfüllt war, zurückzuverweisen.

35

Falls sich ergibt, dass der Beigeladene als Beschäftigter tätig geworden ist, wird das LSG auch zu prüfen haben, ob die Beklagte der für die Feststellung des Versicherungsfalls nach §§ 121 f SGB VII zuständige Träger der Unfallversicherung ist. Die Beklagte ist als Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich zuständig, falls der Beigeladene eine Beschäftigung für einen Haushalt ausgeübt haben sollte (§§ 129 Abs 1 Nr 2, 133 SGB VII). Falls er aber in einem forstwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt gewesen sein sollte, wäre die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft der zuständige Träger (§§ 123 Abs 1 Nr 1 oder 3, 133 SGB VII).

36

Das LSG wird deshalb zu erwägen haben, ob die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zu dem durch Zurückverweisung wieder eröffneten Berufungsverfahren beizuladen ist (§ 75 Abs 2 Alt 2, Abs 5 SGG). Denn die Zurückverweisung kann ua auch dazu erfolgen, Verfahrenshindernisse, die einer Entscheidung über den erhobenen Anspruch entgegenstehen, zu beseitigen (zur Zurückverweisung bei fehlender Passivlegitimation des beklagten Trägers: BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 8/05 R - BSGE 97, 47 = SozR 4-2700 § 34 Nr 1, RdNr 9 bis 11; auch BSG vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R - BSGE 102, 1 f = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 29 hat zurückverwiesen, um Grund und Höhe des Anspruchs, aber auch die Frage des "richtigen Beklagten" zu klären).

37

b) Das Holzspalten des Beigeladenen könnte, was mangels Tatsachenfeststellungen ebenfalls nicht entschieden werden kann, stattdessen Ausübung einer versicherten Tätigkeit als landwirtschaftlicher (Mit-)Unternehmer (§ 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII) oder als in einem landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitender Familienangehöriger (§ 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII)gewesen sein.

38

Nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII sind kraft Gesetzes Personen unfallversichert, die Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner. Nach Buchst b aaO sind Personen versichert, die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige (vgl § 2 Abs 4 SGB VII)sind.

39

Landwirtschaftliche Unternehmen sind insbesondere auch solche der Forstwirtschaft (§ 123 Abs 1 Nr 1 Alt 2 SGB VII). Ein forstwirtschaftliches Unternehmen wird geführt, wenn die Tätigkeit zu einer planmäßigen forstwirtschaftlichen Nutzung gehört (§ 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII; zur Tätigkeit für einen Haushalt, der dem landwirtschaftlichen Unternehmen wesentlich dient, § 124 Nr 1 SGB VII, unter c>). Solche Unternehmen betreiben planmäßig den Anbau und Abschlag von Holz.

40

Eine Tätigkeit für ein forstwirtschaftliches Unternehmen läge wohl vor, wenn die handelnden Personen das gewonnene Brennholz teilweise verkauft hätten. Insoweit hat das LSG aber nur festgestellt, dass das Brennholz "im Wesentlichen" zum privaten Verbrauch gewonnen wurde. In welchem Ausmaß und mit welchem wirtschaftlichen Wert ein Verkauf stattfand, ist damit nicht festgestellt.

41

Dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass der Beigeladene in einem forstwirtschaftlichen Unternehmen tätig geworden ist. Zwar wird angenommen, dass die Brennholzaufbereitung, also bloße Tätigkeiten wie das Zersägen, Zerkleinern und Spalten von Brennholz für den privaten Gebrauch, keine Tätigkeit für ein forstwirtschaftliches Unternehmen ist und deshalb bei der Brennholzgewinnung kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a oder Nr 5 Buchst b SGB VII besteht(BSG vom 31.1.1989 - 2 BU 131/88 - HV-INFO 1989, 885; BSG vom 12.6.1989 - 2 RU 13/88 - HV-INFO 1989, 1923; so auch Rundschreiben UV 10/81 des Bundesverbands der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vom 23.11.1981 - VII 1 a; Rundschreiben Nr 5/96 des Bundesverbands der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vom 12.1.1996 - VII 1 a; Langheineken, Die Sozialversicherung 1983, 194, 195; maßgebend ist allerdings nicht die räumliche Abgrenzung vgl BSG vom 12.6.1989 - 2 RU 13/88).

42

Nach dieser Auffassung wird keine forstwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, wenn das Holz nicht im Wald geschlagen, sondern nur auf einem Waldweg für den Eigenverbrauch zerkleinert, verarbeitet oder gespalten wird. Es ist hier (noch) nicht zu entscheiden, ob dieser Rechtsansicht zu folgen ist.

43

Jedenfalls dann aber, wenn das Fällen der Bäume (Ernte des Holzes) einen Teil der Arbeiten bildet, liegt eine forstwirtschaftliche Tätigkeit vor. Wird eine solche ausgeübt, kann auch das Zerkleinern des Holzes mit der forstwirtschaftlichen Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang stehen. Die der Holzernte folgenden Verrichtungen sind ebenfalls versicherte Tätigkeiten, die bei der Ausübung der forstwirtschaftlichen Unternehmung anfallen. Dies gilt sogar dann, wenn das geerntete Holz zum Hof oder Haushalt des forstwirtschaftlichen Unternehmers gebracht und dort zu Brennholz für den privaten Haushalt verarbeitet wird (BSG vom 31.1.1989 - 2 BU 131/88 - HV-INFO 1989, 885; BSG vom 12.6.1989 - 2 RU 13/88 - HV-INFO 1989, 1923).

44

Nach diesen Maßstäben hätte der Beigeladene durch das Holzspalten eine forstwirtschaftliche Tätigkeit verrichtet, wenn er zusammen mit seinen Verwandten das Holz (falls es ihnen noch nicht gehörte, auf dem Stamm erworben) abgeerntet, zugesägt und gespalten hätte. Wäre die Holzgewinnung auf diese Weise erfolgt, könnte die Tätigkeit nicht in eine (versicherte) Holzernte und eine (nicht versicherte) Holzaufarbeitung zerlegt werden, sondern wäre einheitlich als forstwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen.

45

Dazu, wie die Verhältnisse im Falle des Beigeladenen waren, fehlt es an Feststellungen des LSG. Daher kann nicht entschieden werden, ob der Beigeladene bei einer Tätigkeit als forstwirtschaftlicher Unternehmer oder als mitarbeitender Familienangehöriger in einem forstwirtschaftlichen Unternehmen des Vaters oder Onkels verunglückt ist.

46

Auch bei Prüfung dieses Versicherungstatbestands wird zu bedenken sein, dass die Beklagte als Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich für einen solchen Versicherungsfall nicht verbandszuständig wäre. Für Versicherungsfälle, die in land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmen eintreten, ist die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft der zuständige Träger (§§ 123 Abs 1 Nr 1 oder 3, 133 SGB VII). Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft könnte zu dem wieder eröffneten Berufungsverfahren beizuladen sein (siehe oben 2. a).

47

c) Der Beigeladene ist nach den Feststellungen des LSG allerdings nicht deshalb versichert, weil er für den "Haushalt eines landwirtschaftlichen Unternehmens" tätig geworden wäre (§ 8 Abs 1, § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b, § 123 Abs 1, § 124 Nr 1 SGB VII).

48

Nach § 124 Nr 1 SGB VII gilt der Haushalt als Teil eines landwirtschaftlichen Unternehmens, wenn er dem Unternehmen wesentlich dient. Trotz der Verwendung des Begriffs "Haushalt" im Wortlaut des § 124 Nr 1 SGB VII wird in Rechtsprechung und Literatur oft auf den früheren Begriff "Haushaltung"(vgl § 657 Abs 1 Nr 3 RVO aF, § 777 Nr 1 RVO aF, vgl auch § 4 Abs 4 SGB VII, dazu Bayerisches LSG vom 17.11.1999 - L 2 U 26/98; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 124 RdNr 5)zurückgegriffen. Die Zugehörigkeit des Haushalts zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen setzt nach § 124 Nr 1 SGB VII voraus, dass der Haushalt dem Unternehmen nützlich und die Land- oder Forstwirtschaft nicht derart klein ist, dass ihr der Haushalt an Bedeutung gleichsteht oder gar überlegen ist. Ein Haushalt ist kein Bestandteil eines landwirtschaftlichen Unternehmens, wenn er sich trotz eines örtlichen Zusammenhangs nicht wesentlich von anderen Haushalten unterscheidet (Bayerisches LSG vom 30.7.1997 - L 2 U 150/95 - Leitsatz 1). So ist es hier.

49

Die Verarbeitung zu Brennholz ist keine Tätigkeit, die wesentlich dem Haushalt eines Unternehmens der Forstwirtschaft dienen kann. Bei den Betriebsverhältnissen eines Selbstwerbers, der lediglich in der Freizeit möglicherweise Holz erntet und dieses zu Brennholz für den privaten Gebrauch weiter verarbeitet, hat ein Haushalt nicht die Bedeutung, dass er dem forstwirtschaftlichen Unternehmen dient (LSG für das Saarland vom 17.5.2006 - L 2 U 38/05). Vielmehr liegt der Fall so, dass die Tätigkeit der Holzgewinnung dem Haushalt dient.

50

Die Tätigkeit des Beigeladenen war daher nicht als solche für den Haushalt eines forstwirtschaftlichen Unternehmens versichert.

51

3. Der Senat kann nach dem oben zu 2. Gesagten auch nicht entscheiden, ob der Beigeladene beim Holzspalten "wie ein Beschäftigter" iS des § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII tätig und deshalb versichert war.

52

Es steht schon nicht fest, ob der Beigeladene nach dem vorrangigen (§ 135 Abs 1 Nr 7 SGB VII)Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert war oder nicht(vgl oben II 2. a). Nur wenn dies nach den noch zu treffenden Feststellungen des LSG zu verneinen ist und auch eine Versicherung kraft Gesetzes nach § 2 Abs 1 Nr 5 SGB VII nicht bestand, ist zu prüfen, ob er bei der zum Unfall führenden Tätigkeit gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII als "Wie-Beschäftigter" versichert war.

53

Für eine mögliche Prüfung dieses Versicherungstatbestands weist der Senat das LSG beiläufig auf Folgendes hin: Der Beigeladene dürfte nach den (bisherigen) Feststellungen nicht nach § 4 Abs 4 SGB VII versicherungsfrei sein (a). Fraglich erscheint auch, ob er im Rahmen einer Gefälligkeit unter Verwandten handelte (b). Auch hier stellt sich die Frage, welcher Träger ggf für den Unfall verbandszuständig ist (c).

54

a) Gemäß § 4 Abs 4 SGB VII ist von der Pflichtversicherung nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII kraft Gesetzes frei, dh aus dem Kreis der Versicherten nach dem SGB VII ausgenommen(vgl Ziegler in LPK-SGB VII, § 4 RdNr 1),wer in einem Haushalt als Verwandter oder Verschwägerter … unentgeltlich tätig ist, es sei denn, er ist in einem der in § 124 Nr 1 SGB VII genannten Haushalte tätig. Der Beigeladene war nicht in einem Haushalt tätig. Er unterstützte zwar die Herstellung von Brennholz, das für den privaten Haushalt der Eltern, in dem er lebte, und für den Haushalt des mitarbeitenden Onkels bestimmt war. Die Gewinnung von Brennholz im Wald zum späteren Verbrauch ist keine Tätigkeit "in einem Haushalt" iS des § 4 Abs 4 SGB VII. In einem Haushalt ist tätig, wer die Mahlzeiten beschafft und zubereitet, die Kleidung pflegt, die Betreuung und Pflege der zur häuslichen Gemeinschaft gehörenden Personen übernimmt sowie die Wohnräume in Stand hält (Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 4 RdNr 54). Die Aufarbeitung von Brennholz im Wald dient zwar dem späteren Verbrauch des Holzes im Haushalt, sie ist aber keine solche "in" einem Haushalt. Sie ist auch nicht mit den Tätigkeiten vergleichbar, die - wie die Genannten - typischerweise im Haushalt anfallen und die innerhalb des Hauses erledigt werden.

55

b) Zweifelhaft erscheint, ob die Versicherung gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen ist, weil er nicht wie ein Beschäftigter, sondern im Rahmen der verwandtschaftlichen Beziehungen zu seinem Vater und seinem Onkel tätig geworden ist.

56

Nach § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB VII ist jede Verrichtung versichert, die einer Ausübung einer Beschäftigung vergleichbar ist(BSG vom 15.6.2010 - B 2 U 12/09 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 15, RdNr 22). § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII erfasst tatbestandlich Tätigkeiten, die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln. Es muss ebenfalls eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet werden, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte und regelmäßig verrichtet wird, die in einem fremden Unternehmen dafür eingestellt sind (vgl BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 35/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 5; BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 6; BSG vom 13.9.2005 - B 2 U 6/05 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 7 RdNr 14 mwN).

57

Eine der Ausübung einer Beschäftigung ähnliche Tätigkeit kann uU zu verneinen sein, wenn die Verrichtung wegen und im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgt. Eine "Sonderbeziehung" liegt vor bei Verwandtschaft oder bei einer Gefälligkeit für Bekannte bzw Freunde. Jedoch sind auch dann, wenn eine solche "Sonderbeziehung" besteht, alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Dabei kann sich ergeben, dass die konkrete Verrichtung außerhalb dessen liegt, was für enge Verwandte, Freunde oder Bekannte getan wird, oder nicht wegen der Sonderbeziehung vorgenommen wird. Dann kann sie den Tatbestand der "Wie-Beschäftigung" erfüllen.

58

Die rechtliche Qualifikation der Verrichtung des Beigeladenen als solche "wie ein Beschäftigter" dürfte hier nicht allein daran scheitern, dass sie für Verwandte verrichtet wurde. Jedenfalls schuldete der Beigeladene Verrichtungen in dem hier fraglichen Umfang weder als Beistand und Unterstützung nach § 1618a BGB(aktive Unterstützung zB im Alltag, bei Krankheit oder Not; vgl Schwer in jurisPK-BGB § 1618a RdNr 5) noch als Dienstleistung im Hauswesen der Eltern nach § 1619 BGB(räumlich abgrenzbarer Bereich, in dem das Familienleben stattfindet, insbesondere Haus und Garten; vgl Schwer aaO § 1619 RdNr 11). Die hier zu beurteilende Verrichtung könnte auch über den Umfang dessen hinausgehen, was aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen üblicherweise erwartet und geleistet wird (vgl auch BSG vom 30.4.1991 - 2 RU 78/90; BSG vom 21.8.1991 - 2 RU 2/91).

59

c) Auch in diesem Zusammenhang wird zu beachten sein, dass die Beklagte (und das Gericht ihr gegenüber) einen Versicherungsfall im Rahmen ihrer Zuständigkeit nur feststellen kann, wenn der Beigeladene wie ein Beschäftigter "in einem Haushalt" tätig war (§§ 129 Abs 1 Nr 2, 133 Abs 1 SGB VII). Denn verbandszuständig für die Entschädigung von Unfällen nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII ist der Versicherungsträger, dessen Unternehmen die unfallbringende Tätigkeit gedient hat(§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Wenn der Beigeladene den Unfall bei einer Tätigkeit wie ein im Haushalt Beschäftigter erlitten hätte, wäre die Beklagte zuständig. Wenn der Beigeladene wie ein Beschäftigter in der Land- oder Forstwirtschaft tätig geworden sein sollte, wäre die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft der verbandszuständige Träger (s o).

60

Da die für eine abschließende Entscheidung dieser Fragen notwendigen Feststellungen fehlen, war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

61

Das LSG hat mit der zu treffenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger ist selbstständiger landwirtschaftlicher Unternehmer. Er wendet sich dagegen, dass ihm wegen der Sonderregelung in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII kein Anspruch auf eine Verletztenrente zusteht, obwohl die Beklagte wegen der gesundheitlichen Folgen einer anerkannten Berufskrankheit (BK) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH anerkannt hat.

2

Der 1953 geborene Kläger war bis zum 31.12.2012 als selbstständiger landwirtschaftlicher Unternehmer tätig. Zum 1.1.2013 gab er seine Tätigkeit mit Heben und Tragen schwerer Lasten und in extremer Rumpfbeugehaltung endgültig auf. Die Beklagte erkannte das Bestehen einer BK nach Nr 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV mit einem am 1.1.2013 eingetretenen Versicherungsfall an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil die gesundheitlichen Folgen der BK lediglich eine MdE von 20 vH bedingten. Nach § 80a Abs 1 S 1 SGB VII dürfe eine Rente erst beim Vorliegen einer MdE von wenigstens 30 vH gewährt werden(Bescheid vom 16.6.2015 und Widerspruchsbescheid vom 29.7.2015). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.11.2015), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25.7.2016). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, zwar sei der Versicherungsfall einer BK am 1.1.2013 eingetreten, die anerkannten Folgen der Wirbelsäulenerkrankung bedingten aber lediglich eine MdE von 20 vH, sodass gemäß § 80a Abs 1 S 1 SGB VII ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente ausscheide. Jedenfalls für landwirtschaftliche Unternehmer wie den Kläger sei die Erhöhung der Mindest-MdE von 20 vH auf 30 vH für einen Anspruch auf Verletztenrente durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verfassungsgemäß und insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung habe genossenschaftlichen Charakter. Deshalb komme dem Umstand, dass der Berufsstand der Landwirte selbst die Leistungseinschränkung vorgeschlagen habe, um die Landwirte als Beitragszahler finanziell zu entlasten, besondere Bedeutung als Rechtfertigungsgrund zu. Auch ein Verstoß gegen das in Art 14 GG verankerte Eigentumsgrundrecht sei nicht ersichtlich.

3

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG und der Art 14 iVm Art 20 GG. Landwirte würden durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII gegenüber allen anderen Unfallversicherten ungerechtfertigt benachteiligt. Ein Vorschlag des Berufsstandes der Landwirte könne die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Eine Entlastung der Beitragszahler sei nicht ersichtlich. Auch verstoße die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil jegliche Vertrauensschutz- und Übergangsregelung fehle.

4

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

        

1.    

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.7.2016, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.11.2015 sowie den Bescheid vom 16.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2015 aufzuheben,

        

2.    

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG vorzulegen.

5

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2015 ist rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente, weil bei ihm die von § 80a Abs 1 S 1 SGB VII geforderte MdE von 30 vH nicht vorliegt.

8

1. Zu entscheiden war im Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Verfügung in dem Bescheid der Beklagten vom 16.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2015, mit der die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt und die der Kläger mit einer zulässigen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG)angegriffen hat, sowie über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente. Sein im Revisionsverfahren verfolgtes Begehren war gemäß § 123 SGG dahin auszulegen, dass er neben der Anfechtungsklage auch seine in den Vorinstanzen ausdrücklich erhobene zulässige Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG aufrechterhalten hat. Allein daraus, dass der Kläger in seinem schriftsätzlichen Antrag nicht ausdrücklich die Gewährung einer Verletztenrente benannt hat, kann nicht geschlossen werden, dass er sein Leistungsbegehren nicht mehr verfolgt, weil er nur mit einer Leistungsklage die Verurteilung der Beklagten zu der von ihm begehrten Verletztenrente erreichen konnte. Ein Klageantrag ist unabhängig von seinem Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen, dass das Begehren des Klägers weitgehend zum Tragen kommt (vgl zB BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21 RdNr 29 mwN).

9

2. Der Kläger hat gemäß § 80a Abs 1 S 1 SGB VII keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge der durch die anerkannte BK Nr 2108/2110 verursachten Gesundheitsstörungen nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist. Anspruch auf Verletztenrente haben gemäß § 56 Abs 1 S 1 SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist. Abweichend von § 56 Abs 1 S 1 SGB VII haben gemäß der durch Art 1 Nr 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung(LSVMG - vom 18.12.2007, BGBl I 2984) mit Wirkung zum 1.1.2008 geschaffenen Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII Versicherte nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a und b SGB VII nur Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vH gemindert ist. Gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a und b SGB VII versichert sind Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens und ihre im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner(Buchst a) sowie die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen (Buchst b). § 80a SGB VII ist auf Versicherungsfälle anzuwenden, die nach dem 31.12.2007 eingetreten sind (§ 221 Abs 2 SGB VII). Die für einen Anspruch auf Verletztenrente erforderlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt der Kläger nicht.

10

Beim Kläger liegt zwar eine BK und damit ein Versicherungsfall vor. Die Folgen der als BK anerkannten Wirbelsäulenerkrankung bedingen auch eine MdE von 20 vH. § 80a Abs 1 S 1 SGB VII schließt jedoch einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente aus. Der Kläger gehörte als selbstständig tätiger Landwirt zum Kreis der Versicherten nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII, die nach § 80a Abs 1 S 1 SGB VII einen Anspruch auf Rente erst ab einer MdE in Höhe von mindestens 30 vH haben, sodass ein Anspruch auf eine Verletztenrente nicht besteht(dazu unter a). Die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken(dazu unter b).

11

a) Beim Kläger liegt als Versicherungsfall nach § 9 Abs 1 SGB VII eine BK nach Nr 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV vor. Dieser Versicherungsfall ist am 1.1.2013 eingetreten, was die Beklagte bindend festgestellt hat (vgl § 77 SGG). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG), bedingen die Folgen der als BK anerkannten Wirbelsäulenerkrankung eine MdE des Klägers von 20 vH. (vgl dazu BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R - BSGE 122, 232 = SozR 4-2700 § 56 Nr 4, RdNr 15 f mwN). § 80a Abs 1 S 1 SGB VII ist im vorliegenden Fall gemäß § 221 Abs 2 SGB VII anwendbar, weil der Versicherungsfall am 1.1.2013 eingetreten ist.

12

Der Kläger hat die BK als nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII Versicherter erlitten. Er war als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes Versicherter iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG bis zum 31.12.2012 als Landwirt selbstständig tätig war. Dementsprechend hat die Beklagte das Vorliegen einer BK nach Nr 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV aufgrund dieser Tätigkeit und der Versicherteneigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer anerkannt. Unerheblich ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls am 1.1.2013 seine Tätigkeit als selbstständiger Landwirt bereits aufgegeben hatte. Gemäß § 80a Abs 1 S 1 SGB VII setzt der Verletztenrentenanspruch für als selbstständige Landwirte nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII Versicherte eine MdE von mindestens 30 vH voraus, unabhängig davon, ob der Versicherte während des Rentenbezugs noch als Landwirt selbstständig tätig ist. Weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII(vgl hierzu Gesetzentwurf der Bundesregierung zum LSVMG BT-Drucks 16/6520 S 1 ff, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales BT-Drucks 16/6984 S 1 ff) ist zu entnehmen, dass für dessen Anwendung die Eigenschaft als Versicherter nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII auch während des Leistungszeitraums einer Verletztenrente fortbestehen müsste. Die Verwendung des Begriffs "Versicherte" in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII spricht gerade nicht für eine solche Auslegung der Vorschrift. Denn auch in § 56 Abs 1 S 1 SGB VII, auf den § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verweist, ist dieser Begriff enthalten. § 56 Abs 1 S 1 SGB VII knüpft mit dem Begriff "Versicherte" aber an das Vorliegen eines Versicherungsfalls an, der seinerseits in ursächlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen muss, ohne dass nach Eintritt des Versicherungsfalls für den fortlaufenden Bezug einer Verletztenrente die versicherte Tätigkeit weiterhin ausgeübt werden muss. Dafür, dass der Verwendung des Begriffs "Versicherte" in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII, der sich auf § 56 Abs 1 SGB VII bezieht, eine andere Bedeutung als in § 56 Abs 1 S 1 SGB VII zukommt, fehlt es an Anhaltspunkten.

13

b) § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verstößt nach Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges Recht, sodass eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 GG ausscheidet. Ebenso bedarf es keiner verfassungskonformen Auslegung der Norm zugunsten des Klägers, denn die Regelung ist in ihrer Anwendung auf den Kläger verfassungsgemäß. Insbesondere ist er nicht in seinem Eigentumsgrundrecht (Art 14 Abs 1 GG) verletzt (dazu unter aa). Der Ausschluss der Rentenansprüche für landwirtschaftliche Unternehmer, deren Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist, berührt zwar den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Regelung ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (dazu unter bb). Schließlich ist durch die Neuregelung in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes(Art 14 Abs 1 S 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG) nicht verletzt (dazu unter cc).

14

aa) Anders als Ansprüche und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung (BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 - BVerfGE 128, 128 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9; BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - BVerfGE 53, 257; BVerfG vom 1.7.1981 - 1 BvR 874/77 ua - 58, 81 <109>; BVerfG vom 4.6.1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101 <110>; stRspr) oder Ansprüche auf Arbeitslosengeld (BVerfGE vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203; BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9), die teilweise durch einkommensbezogene eigene Beiträge der Versicherten finanziert werden, ist zweifelhaft, ob Ansprüche auf Verletztenrenten der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt dem Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG unterliegen (wie hier offen gelassen BVerfG vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895; BVerfG vom 18.2.1988 - 1 BvR 1017/87 - SozR 2200 § 568 Nr 9; BSG vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R - HVBG-INFO 2002, 3454; bejahend Papier in Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art 14 RdNr 142). Dies kann jedoch offen bleiben, denn selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger durch die langjährige Versicherung und die Zahlung von Beiträgen ein geschütztes Anwartschaftsrecht erworben hat, wäre sein Eigentumsgrundrecht nicht verletzt, denn § 80a Abs 1 S 1 SGB VII stellt jedenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 S 2 GG dar.

15

Die Einbeziehung des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber nicht befugt wäre, in gewissem Umfange in eine dem Anspruchsberechtigten bereits erwachsene Position einzugreifen. Denn die konkrete Reichweite des Schutzes der Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art 14 Abs 1 S 2 GG Aufgabe des Gesetzgebers ist (BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - BVerfGE 53, 257; BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 - BVerfGE 128, 128 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9 mwN).

16

Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentumsrechts ist auf den Kernbereich der erworbenen öffentlich-rechtlichen Rechtsposition beschränkt, weil ein starres Festhalten an den jeweils durch Gesetz oder Satzung festgelegten Beträgen oder Leistungen die einfache Gesetzgebung weitgehend blockieren und eine Anpassung des Rechts an die Veränderung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse verhindern würde, auch wenn eine solche Veränderung im Interesse der Verbesserung oder Erhaltung der Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung unerlässlich erscheint (zur gesetzlichen Rentenversicherung BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 - BVerfGE 53, 257; vgl Wannagat, BArbl 1974, 261, 264). Wird in bestehende Anwartschaften eingegriffen, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit einer Änderung angelegt ist (BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - BVerfGE 122, 151). Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Sozialversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht (vgl BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; BVerfG vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00 ua - BVerfGE 116, 96; BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - BVerfGE 122, 151).

17

Durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII wird der Rentenanspruch für landwirtschaftliche Unternehmer zwar eingeschränkt, er wird aber nicht gänzlich entzogen. Es handelt sich mithin lediglich um die inhaltliche Modifikation einer Anwartschaft. Eine solche Regelung ist zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt ist (BVerfG vom 14.2.1967 - 1 BvL 17/63 - BVerfGE 21, 150 <155>; BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9; BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; Maunz/Herzog/Dürig/Scholz, Kommentar zum GG, Stand September 2017, Art 14 RdNr 38). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Regelung dient einem legitimen Ziel, der Eingriff ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich und die Einschränkung ist für den Kläger nicht unzumutbar.

18

§ 80a Abs 1 SGB VII wurde durch Art 1 des LSVMG vom 18.12.2007 in das SGB VII eingefügt und trat zum 1.1.2008 in Kraft. Zweck des Gesetzes war eine Weiterentwicklung und Reform des Rechts der landwirtschaftlichen Unfallversicherung mit den Zielen einer angemessenen Beitragsbelastung und innerlandwirtschaftlicher Beitragsgerechtigkeit im Hinblick auf den sich beschleunigenden landwirtschaftlichen Strukturwandel und im Gesamtkontext der Reformen der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung erhält seit 1963 Bundeszuschüsse, um die Beiträge der zuschussberechtigten land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer zu senken und zu einer Annäherung der Belastungsunterschiede zwischen den Regionen beizutragen (Gesetzentwurf der Bundesregierung - BT-Drucks 16/6520, S 2 f). Im Interesse der Haushaltskonsolidierung sollte das weitere finanzielle Engagement des Bundes in der mittelfristigen Finanzplanung von 200 Mio Euro auf 100 Mio Euro abgesenkt werden. Zielsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung war somit, Spielräume zu schaffen, damit die Beiträge der Landwirtschaft ab 2011 trotz eines auf 100 Mio Euro reduzierten Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung entweder konstant gehalten oder sogar gesenkt werden könnten. Hierbei handelt es sich um ein legitimes Ziel, das im öffentlichen Interesse liegt. Denn die Regelung dient dazu, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Interesse der versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Familienangehörigen im Kontext veränderter Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft zu erhalten (BT-Drucks 16/6520, S 1).

19

Eine Verringerung der Ausgaben der landwirtschaftlichen Unfallversicherung stellt ein geeignetes Mittel dar, dieses Ziel zu erreichen. Bei der Feststellung der Eignung steht dem Gesetzgeber ein weiter prognostischer Spielraum zu. Ihm obliegt dabei die Einschätzung der Lage und der zukünftigen Entwicklung sowie der Zweckmäßigkeit des Mittels. Auch die Bemessung der zu erwartenden Einsparungen stellt eine prognostische Wertung des Gesetzgebers dar (vgl BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9; BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerGE 105, 17). Kernstücke der Reform waren die Kapitalisierung von Bestandsrenten, was zu einer Reduzierung der Ausgaben im Jahr 2011 um rund 140 Mio Euro führen sollte - bis 2014 auf 150 Mio Euro ansteigend - (Ausschuss-Drucks 16(11)754, S 33 ff), sowie Maßnahmen zur Reduzierung von Verwaltungskosten. Nach dem Bericht des Haushaltsausschusses vom 8.11.2007 (BT-Drucks 16/7018) konnten die geplanten Änderungen im Leistungsrecht kurzfristig zu jährlichen Minderbelastungen in Höhe von 30 bis 40 Mio Euro für die landwirtschaftlichen Unternehmen führen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch auch darauf hingewiesen (insbesondere Stellungnahme Dr. Peter Mehl Braunschweig - Ausschuss-Drucks 16(11)752; Stellungnahme des Deutschen Bauernverbands vom 17.10.2007 - Ausschuss-Drucks 16(11)747), dass allein die Abgeltung von Bestandsrenten und die vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung von Verwaltungskosten nicht ausgereicht hätten, um das angestrebte Ziel der Beitragsstabilität zu erreichen. Der Deutsche Bauernverband forderte deshalb in seiner Stellungnahme vom 17.10.2007 (Ausschuss-Drucks 16(11)747) als weitere ausgabenrelevante Maßnahme, einen Unfallrentenanspruch erst ab einer MdE von 30 vH anzuerkennen. Diese Maßnahme durfte der Gesetzgeber zur Erreichung des genannten Ziels mithin insgesamt betrachtet als geeignet ansehen.

20

Unter dem Gesichtspunkt des aufgezeigten Sparziels sind die angegriffenen Regelungen auch erforderlich. An der Erforderlichkeit der Maßnahmen würde es nur fehlen, wenn evident wäre, dass die angestrebten Einsparungen mit weniger eingreifenden Mitteln hätten erreicht werden können (BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78). Solche weniger belastenden Maßnahmen sind nicht erkennbar. In Betracht wäre allenfalls die Streichung anderer Leistungen der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu ziehen gewesen, die jedoch mit mindestens vergleichbaren Belastungen verbunden wären.

21

Schließlich belastet die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII den Kläger auch nicht in unzumutbarer Weise. Eine Gesamtabwägung der öffentlichen, im Gemeinwohl stehenden Belange mit den privaten Interessen des Klägers ergibt, dass dessen Rechte nicht in einer außer Verhältnis zu den Zielen der Einschränkung stehenden Weise - und damit unverhältnismäßig - beeinträchtigt werden. Die Gewährung einer Verletztenrente erst ab einer MdE von wenigstens 30 vH betrifft nur einen kleinen Teilbereich des durch die Entrichtung von Beiträgen erworbenen Versicherungsschutzes, der regelmäßig weder die Lohnersatzfunktion noch den existenziellen Kernbereich der sozialen Absicherung betrifft. Eine Rente nach einer MdE von 20 vH hatte ausgehend von dem ab 1.7.2012 geltenden pauschalierten Jahresarbeitsverdienst nach dem Revisionsvortrag der Beklagten einen monatlichen Zahlbetrag von 127,18 Euro, der aufgrund der jährlichen Anpassung (§ 93 Abs 1 S 2, 1. Halbs SGB VII iVm § 95 SGB VII) auf einen monatlichen Zahlbetrag von 140,59 Euro ab 1.7.2017 angestiegen wäre. Alle übrigen vom SGB VII vorgesehenen Leistungen zur Kompensation von Erwerbsschäden bleiben dem landwirtschaftlichen Unternehmer vollständig erhalten; dies sind insbesondere die ärztliche Behandlung, die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln, die Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ggf zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Haushalts- und Betriebshilfen, Reisekosten und Pflegeleistungen. Der durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII vorgenommene Eingriff in die Ansprüche des Einzelnen durch eine Heraufsetzung der Mindest-MdE auf 30 vH ist demgegenüber eher untergeordnet. Der Gesetzgeber durfte für die landwirtschaftlichen Unternehmer zudem typisierend davon ausgehen, dass bei einer MdE von weniger als 30 vH kein oder allenfalls ein geringer materieller Schaden für den Betroffenen insgesamt entsteht. Diese relativ geringfügige Reduzierung der Leistungen für den Einzelnen führt jedoch zu einem substanziellen Einsparvolumen für die Gesamtheit der Beitragszahler.

22

bb) Auch eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Zwar wird der Kläger und die von ihm repräsentierte Ausgangsgruppe der pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer durch die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII gegenüber den übrigen Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung ungleich behandelt, da ein Rentenanspruch erst ab einer MdE von 30 vH und nicht wie nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VII bereits ab einer MdE von 20 vH besteht. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch im Hinblick auf die Besonderheiten der Versicherung landwirtschaftlicher Unternehmer gerechtfertigt.

23

Der allgemeine Gleichheitssatz iS des Art 3 Abs 1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 - stRspr). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfG vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92 ua - BVerfGE 88, 87; BVerfG vom 8.4.1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267; BVerfG vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06; BVerfG vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240). Vorliegend hat eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende, an den Grundsätzen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung orientierte Prüfung zu erfolgen. Denn die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII behandelt verschiedene Personengruppen ungleich. Zudem berührt die Zwangsmitgliedschaft der landwirtschaftlichen Unternehmer in der Sozialversicherung den Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG (BVerfG vom 11.1.1995 - 1 BvR 892/88 - BVerfGE 92, 53).

24

Gemessen am folglich anzuwendenden Maßstab verhältnismäßiger Gleichbehandlung bestehen für die Einschränkung des Rentenanspruchs landwirtschaftlicher Unternehmer durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII auch Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen. Die Einschränkung der Leistungen auf der Ausgabenseite ist geeignet, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der kurz- oder mittelfristigen Senkung des Umlagesolls der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft trotz reduzierter Bundeszuschüsse zu erreichen. Der hinreichende Sachgrund für die Ungleichbehandlung folgt aus der Besonderheit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die der Pflichtversicherung der landwirtschaftlichen Unternehmer einen weitgehenden Unfallversicherungsschutz bei festgeschriebenem Jahresarbeitsverdienst gegenüber stellt.

25

Grundsätzlich sind in der gesetzlichen Unfallversicherung die Unternehmer selbst nicht kraft Gesetztes versichert (vgl § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII - Versicherung kraft Satzung bzw § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VII - freiwillige Versicherung). Eine Ausnahme bilden die landwirtschaftlichen Unternehmer. Dabei wird der ursprüngliche Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Ablösung der gesetzlichen Haftpflicht des Unternehmers gegenüber den im Unternehmen Tätigen bei alleiniger Beitragstragung, durchbrochen. Dem selbst versicherten Unternehmer stehen keine Schadenersatzansprüche gegen sich selbst zu. Es handelt sich vielmehr um eine gemeinschaftliche Absicherung von Gesundheitsgefahren, welche die bei einem Versicherungsträger zusammengeschlossenen Unternehmer selbst begünstigt (Angermaier in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 3 RdNr 24) und mit Steuermitteln bezuschusst wird. Der Zweck der Versicherung besteht in einer genossenschaftlichen, auf versicherungsrechtlicher Basis aufbauenden Eigenhilfe der landwirtschaftlichen Unternehmen (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 RdNr 108; Schwerdtfeger in Lauterbach, SGB VII, Stand 6/2014, § 2 RdNr 193).

26

Gleichzeitig wird der Unfallversicherungsschutz auf Tätigkeiten erweitert, die außerhalb der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht versichert wären. Welche Tätigkeiten dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienen, ist stark von den Besonderheiten der bäuerlichen Arbeit geprägt. Neben den klassischen Bestellungs-, Bearbeitungs- und Aberntungstätigkeiten eines Landwirtes gehören insbesondere die maschinelle Nachbarschaftshilfe, die Teilnahme an berufsbezogenen Versammlungen, der Besuch von Messen und Ausstellungen, die Teilnahme an Demonstrationen des Berufsstandes, die Kindererziehung als Teil der landwirtschaftlichen Haushaltstätigkeit, verwaltende Tätigkeiten im Wohnhaus, das sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken dient, zu den versicherten Tätigkeiten (Koch, LSV im Wandel - Änderungen im agrarsozialen Sondersystem, WzS 2008, 257, 269).

27

Der pflichtversicherte landwirtschaftliche Unternehmer, der gleichzeitig Beitragsschuldner ist (vgl § 150 Abs 1 S 1 iVm § 183 Abs 5 SGB VII), profitiert somit einerseits vom umfassenden Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, andererseits hat er Interesse an einem möglichst niedrigen Umlagesoll. Stabile Beiträge gereichen zu seinem unmittelbaren finanziellen Vorteil. Dies unterscheidet ihn von den in der Landwirtschaft Beschäftigen iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, aber auch von den in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig Tätigen(§ 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB VII), die zwar in der Regel maßgebenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft haben, die aber nicht unmittelbar am Ertrag des Unternehmens teilhaben.

28

Schließlich durfte der Gesetzgeber hinsichtlich der Funktion der Verletztenrente zutreffend davon ausgehen, dass beim Personenkreis der landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Ehegatten oder Lebenspartner regelmäßig bei Verletzungen, die eine MdE von weniger als 30 vH bedingen, kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt, sondern bei den niedrigen Erwerbsminderungsstufen (MdE 20 vH und 25 vH) ausschließlich immaterielle Schäden ausgeglichen werden (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Drucks 16/6984 S 15; vgl hierzu auch BVerfG vom 7.11.1972 - 1 BvL 4/71 ua - BVerfGE 34,118 = SozR Nr 95 zu Art 3 GG). Die Verletztenrente kompensiert neben ihrer Einkommensersatzfunktion auch immaterielle Schäden. Der monatliche Wert des Rechts auf Verletztenrente wird nach dem sog Prinzip der abstrakten Schadensberechnung (vgl hierzu und zur Rechtsnatur der Verletztenrente umfassend Scholz in Schlegel/Voelzke, JurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014 § 56 RdNr 17 ff und Kranig in Hauck/Noftz, K § 56 SGB VII, Stand Februar 21018, RdNr 3 ff)allein nach dem Maß der eingetretenen Beeinträchtigung der Gesundheit (Verlust an körperlicher, geistiger oder seelischer Integrität) unabhängig davon ermittelt, ob und inwieweit konkrete materielle und immaterielle Schäden infolge der Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten sind. Von den konkreten Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen auf Erwerbseinkommen oder Vermögen etc wird also "abstrahiert", insbesondere davon, welche Verdiensteinbußen tatsächlich durch den Versicherungsfall hervorgerufen werden (vgl zB BSG vom 24.2.1977 - 8 RU 58/76 - BSGE 43, 208, 209 = SozR 2200 § 581 Nr 10). Ausgehend von einem landwirtschaftlichen Betrieb, der als Familienbetrieb geführt wird, durfte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass eine geringe MdE von weniger als 30 vH in der Regel noch keine Auswirkungen auf die konkrete Einkommenssituation dieses Betriebs hat. Dafür spricht auch, dass für Landwirte und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten bzw Lebenspartner Grundlage für die Bemessung der Höhe der Verletztenrente - abweichend von der gewerblichen Unfallversicherung - nicht der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst, sondern gemäß § 93 Abs 1 SGB VII ein Festbetrags-Jahresarbeitsverdienst ist, der grundsätzlich jährlich angepasst wird und weit unter dem tatsächlichen Ertrag des Betriebs liegen kann.

29

cc) Der Gesetzgeber war bei Zugrundelegung des Maßstabs des Art 14 GG iVm dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleiteten Vertrauensschutzprinzip verfassungsrechtlich auch nicht gehalten, von der Anwendung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII diejenigen Unternehmer auszunehmen, bei denen die der BK zugrunde liegende Erkrankung bereits vor Inkrafttreten des LSVMG und Eintritt des Versicherungsfalls eingetreten ist. Der Anwendungszeitpunkt der Norm beruht auf einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und den schutzwürdigen Interessen des betroffenen Personenkreises und ist nicht unverhältnismäßig (vgl BVerfG vom 10.5.1983 - 1 BvR 820/79 - BVerfGE 64, 87; BVerfG vom 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272).

30

Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Abwägung sind die Anforderungen, die an die Zulässigkeit einer tatbestandlichen Rückanknüpfung zu stellen sind. Dieser Rückwirkungstatbestand ist gegeben, wenn - im Gegensatz zur Rückbewirkung von Rechtsfolgen (sog echte Rückwirkung) - die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm eintreten, ihr Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt" wurden (BVerfG vom 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 - BStBl II 1986, 628; BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerfGE 105, 17). Ist ein Sachverhalt durch die Rechtsordnung geregelt, bezieht der Einzelne in seine Überlegungen auch die Erwartung ein, dass diese Regelung für die Zukunft verbindlich bleibt (BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerfGE 105, 17). Dieses Vertrauen der Versicherten auf den unveränderten Fortbestand einer über viele Jahre gewährten Rechtsposition ist zwar grundsätzlich schützenswert (BVerfG vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271; BVerfG vom 24.3.1998 - 1 BvL 6/92 - BVerfGE 97, 378 - RdNr 36). Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich jedoch nicht geschützt (BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerfGE 105, 17). Die Gewährung vollständigen Schutzes durch ein Fortbestehen der jeweiligen bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl BVerfG vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <348>). Daher ist gerade in der Sozialversicherung die Möglichkeit zur Anpassung an geänderte Verhältnisse angelegt. Im Einzelfall bedarf es einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfG vom 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272).

31

Das Inkrafttreten der Regelung am 1.1.2008 hat zur Folge, dass diejenigen landwirtschaftlichen Unternehmer, bei denen zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall bereits eingetreten war, weiterhin eine Verletztenrente auch bei einer MdE von weniger als 30 vH beanspruchen können, während Versicherte, bei denen der Versicherungsfall - möglicherweise allein deshalb, weil die Tätigkeit noch nicht aufgegeben worden ist - noch nicht eingetreten ist, keine Rente bei einer MdE von 20 vH erhalten. Das ist das Ergebnis der vom Gesetzgeber gewählten Stichtagsregelung. Härten, die jeder derartigen Regelung innewohnen, müssen dann hingenommen werden, wenn die Einführung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunkts, orientiert am gegebenen Sachverhalt, damit sachlich vertretbar ist (BVerfG vom 1.7.1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81; BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Damit die gesetzliche Neuordnung ihr Ziel in absehbarer Zeit erreichen konnte, bedurfte es einer Stichtagsregelung. Wenn der Gesetzgeber durch die Wahl des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Regelung diejenigen Versicherten, bei denen der Versicherungsfall bereits eingetreten war gegenüber denjenigen, bei denen dies noch nicht der Fall war, bevorzugte, so ist dies nicht zu beanstanden (BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78).

32

Dem Ziel des Gesetzgebers, Einsparungen bei den Leistungen der landwirtschaftlichen Unfallversicherung möglichst schnell durchzusetzen, um auf die Reduzierung des Bundeszuschusses zu reagieren, steht als allein denkbare Disposition der landwirtschaftlichen Unternehmer das Unterlassen einer anderweitigen privaten Absicherung gegenüber. Das bloße Unterlassen einer Disposition ist jedoch qualitativ mit der aktiven Gestaltung von Rechtsansprüchen und Vermögenspositionen im Vertrauen auf eine bestehende Rechtslage nicht vergleichbar. Zudem ist nicht erkennbar, inwieweit die alte Rechtslage, welche die Zahlung einer Verletztenrente ab einer MdE von 20 vH vorgesehen hätte, den Kläger daran hinderte, ohnehin ergänzend eine private Versicherung abzuschließen, da auch in der Vergangenheit Einbußen aufgrund einer MdE von weniger als 20 vH nicht abgesichert waren. Zudem ist der von der tatbestandlichen Rückanknüpfung betroffene Personenkreis eng abgegrenzt. In Frage kommen nur diejenigen landwirtschaftlichen Unternehmer, deren BK bereits vor dem 31.12.2007 bekannt war, bei denen der Versicherungsfall aber erst nach dem 1.1.2008 eintrat und denen deshalb zu diesem Zeitpunkt bereits die Möglichkeit zur privaten Vorsorge verschlossen war. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Ziel der Einsparung von Aufwendungen in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung den Vorrang vor dem geringen wirtschaftlichen Interesse der von einer BK betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmer eingeräumt hat.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Auf die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft finden anstelle der Vorschriften über das Umlageverfahren aus dem Vierten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts die folgenden Absätze Anwendung.

(2) Die Einzelheiten der Beitragsberechnung bestimmt die Satzung.

(3) Landwirtschaftlichen Unternehmern, für die versicherungsfreie Personen oder Personen tätig sind, die infolge dieser Tätigkeit bei einem anderen Unfallversicherungsträger als der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft versichert sind, wird auf Antrag eine Beitragsermäßigung bewilligt. Das Nähere bestimmt die Satzung.

(4) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen landwirtschaftliche Unternehmer kleiner Unternehmen mit geringer Unfallgefahr ganz oder teilweise von Beiträgen befreit werden.

(5) Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft teilt den Unternehmern den von ihnen zu zahlenden Beitrag schriftlich mit. Der Beitragsbescheid ist mit Wirkung für die Vergangenheit zuungunsten der Unternehmer nur dann aufzuheben, wenn

1.
die Veranlagung des Unternehmens nachträglich geändert wird,
2.
eine im Laufe des Kalenderjahres eingetretene Änderung des Unternehmens nachträglich bekannt wird,
3.
die Feststellung der Beiträge auf unrichtigen Angaben des Unternehmers oder wegen unterlassener Angaben des Unternehmers auf einer Schätzung beruht.
Einer Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches bedarf es nur in den Fällen des Satzes 2.

(5a) Zur Sicherung des Beitragsaufkommens soll die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Vorschüsse bis zur Höhe des voraussichtlichen Jahresbedarfs erheben. Die Satzung regelt das Nähere zur Fälligkeit der Beiträge und Vorschüsse sowie zum Verfahren der Zahlung.

(5b) Der Beitrag und die Vorschüsse sollen auf der Grundlage eines Lastschriftmandats eingezogen werden.

(6) Die Unternehmer haben der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft über die Unternehmens-, Arbeits- und Lohnverhältnisse Auskunft zu geben, soweit dies für die Beitragsberechnung von Bedeutung ist; die Einzelheiten bestimmt die Satzung. § 166 Absatz 1 gilt entsprechend; die Prüfungsabstände bestimmt die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft. Soweit die Unternehmer die Angaben nicht, nicht rechtzeitig, nicht richtig oder nicht vollständig machen, kann die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft eine Schätzung vornehmen. Die Unternehmer sollen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft eine Ermächtigung zum Einzug des Beitrags und der Vorschüsse erteilen.

(1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die nach § 2 versicherten Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 6 Abs. 1 Versicherten sind selbst beitragspflichtig. Für Versicherte nach § 6 Absatz 1 Satz 2 ist die jeweilige Organisation oder der jeweilige Verband beitragspflichtig. Entsprechendes gilt in den Fällen des § 6 Absatz 1 Satz 3.

(2) Neben den Unternehmern sind beitragspflichtig

1.
die Auftraggeber, soweit sie Zwischenmeistern und Hausgewerbetreibenden zur Zahlung von Entgelt verpflichtet sind,
2.
die Reeder, soweit beim Betrieb von Seeschiffen andere Unternehmer sind oder auf Seeschiffen durch andere ein Unternehmen betrieben wird.
Die in Satz 1 Nr. 1 und 2 Genannten sowie die in § 130 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 genannten Bevollmächtigten haften mit den Unternehmern als Gesamtschuldner.

(3) Für die Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung gilt § 28e Abs. 2 und 4 des Vierten Buches, für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe gilt § 28e Absatz 3a bis 3f des Vierten Buches und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages durch Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und im Auftrag eines anderen Unternehmers adressierte Pakete befördern, gilt § 28e Absatz 3g des Vierten Buches entsprechend. Der Nachunternehmer oder der von diesem beauftragte Verleiher hat für den Nachweis nach § 28e Absatz 3f des Vierten Buches eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers vorzulegen; diese enthält insbesondere Angaben über die bei dem Unfallversicherungsträger eingetragenen Unternehmensteile und diesen zugehörigen Lohnsummen des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers sowie die ordnungsgemäße Zahlung der Beiträge.

(4) Bei einem Wechsel der Person des Unternehmers sind der bisherige Unternehmer und sein Nachfolger bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Wechsel angezeigt wurde, zur Zahlung der Beiträge und damit zusammenhängender Leistungen als Gesamtschuldner verpflichtet.

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

Tenor

1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 818), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 76), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133) und Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 442) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Regelungen nicht bis zum 31. August 2012 durch eine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818) die Gewährung von Landeserziehungsgeld auf Deutsche und andere Personen beschränkt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen.

I.

2

Der Freistaat Bayern erließ 1989 ein Landeserziehungsgeldgesetz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Leistungen nach diesem Gesetz zeitlich an den Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) anschließen und es Eltern so ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Erziehungsgeld wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 ab dem Ende des Bezugs von Bundeserziehungsgeld für weitere zwölf Lebensmonate des Kindes, längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, gezahlt. Die Höhe des Landeserziehungsgeldes betrug nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayLErzGG 500 DM monatlich. Die Bezugsberechtigung war in Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG geregelt. Berechtigt war nach der hier allein zur Prüfung gestellten Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.

3

Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG hatte in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 folgenden Wortlaut:

4

(1) 1 Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer

5

1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate in Bayern hat,

6

2. mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,

7

3. dieses Kind selbst betreut und erzieht,

8

4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und

9

5. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

10

2 Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat.

II.

11

In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. April 1989 heißt es zur Einführung des Landeserziehungsgeldes, die Ergebnisse der Forschung und Praxis hätten in den letzten Jahren zu der allgemeinen Überzeugung geführt, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten drei Lebensjahren die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit bilde, die Sicherheit und Lebenstüchtigkeit mit emotionaler Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn verbinde. Die frühe soziale Prägung durch die Familie sei deshalb für Gesellschaft und Staat von besonderer Bedeutung. Die Einführung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs für die ersten zwölf Lebensmonate durch das Bundeserziehungsgeldgesetz auf Bundesebene ab dem 1. Januar 1986 habe diese Erkenntnisse politisch umgesetzt. Der Landesgesetzgeber sei von der Richtigkeit des Erziehungsgeldgedankens zutiefst überzeugt. Angesichts einer anstehenden Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes habe sich die Bayerische Staatsregierung entschlossen, Landesleistungen der Familienförderung neu zu ordnen und ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Das Landeserziehungsgeld verstehe sich als Anerkennung für die intensive Erziehungsleistung von Müttern und Vätern und solle zugleich die finanzielle Lage junger Familien verbessern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4).

12

Um "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, müsse der Antragsteller seit der Geburt, mindestens aber seit 15 Monaten in Bayern seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit werde eine gezielte Förderung von "Landeskindern" gewährleistet (BayLTDrucks 11/11033, S. 5).

III.

13

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Februar 2000, und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in M. und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1988 hat sie wiederholt gearbeitet. So war sie längere Zeit als Fotolaborantin und kurzfristig in einem Textillager tätig. Seit 2002 arbeitete sie mit circa sieben Wochenstunden in der Gastronomie. Für das erste und zweite Lebensjahr ihres Kindes hatte sie Bundeserziehungsgeld in voller Höhe erhalten. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld wurde zurückgewiesen, weil ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld nicht zustehe. Nachdem auch ihr gegen die Ablehnung gerichteter Widerspruch erfolglos blieb, erhob sie Klage vor dem Sozialgericht München und begehrte die Gewährung von Landeserziehungsgeld unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht München setzte das Verfahren aus und legte zunächst dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung des Freistaats Bayern verstoße. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, die vorgelegte Regelung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes sei mit der bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Juli 2007 - Vf. 6-V-06 -, juris).

14

2. Das Sozialgericht München hat das Verfahren sodann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstößt und nichtig ist.

15

Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG verlange eine umso strengere Kontrolle, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der hier zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie sei nicht nur gegenüber Deutschen gewährleistet. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erhielten Eltern bestimmter Staatsangehörigkeit unabhängig von der familiären Erziehungssituation und der Verfestigung ihres Aufenthalts in Bayern kein Landeserziehungsgeld. Es gebe keine Gründe, die diese Ungleichbehandlung nach Art und Gewicht rechtfertigen könnten.

16

Die sachliche Differenzierung müsse von den Zielen des Erziehungsgeldgesetzes im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ausgehen. Im Vordergrund stehe dabei, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber handle im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er diejenigen Antragsteller ausschließe, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könnten. Diese könnten das Hauptziel des Erziehungsgeldes, Kinderbetreuung unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder unter deren Einschränkung zu leisten, nicht erreichen. Diesem Ziel diene die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit jedoch nicht, sie stehe dazu in keinem sachlichen Zusammenhang.

17

Verfassungsrechtlich sei auch legitim, wenn der Gesetzgeber nur denjenigen Erziehungsgeld zukommen lasse, von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Bayern blieben. Bei Sukzessivleistungen wie dem Erziehungsgeld werde die Zielerreichung durch eine Aufenthaltskontinuität des Empfängers wesentlich befördert. Diese Voraussetzung werde aber für alle Leistungsempfänger - nicht nur für ausländische Staatsangehörige - bereits durch die Voraussetzung der Vorwohnzeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erfüllt.

18

Die gewählte Unterscheidung diene lediglich Fiskalinteressen. Die Verhinderung fiskalischer Mehrbelastungen könne die vorgenommene Differenzierung jedoch nicht begründen. Zwar könne der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß von der Gewährung "freiwilliger familienpolitischer Zusatzleistungen", die nicht zum Familienlastenausgleich beziehungsweise nicht zum Existenzminimum des Kindes beitragen, absehen. Verzichtete der Gesetzgeber generell auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld, würde dies auch die problematischen Differenzierungen zwischen verschiedenen Personengruppen beenden. Entscheide er sich jedoch dafür, eine derartige Leistung zu gewähren, dürften trotz der Freiwilligkeit der Leistung die Differenzierungsregeln des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Fiskalischen Interessen könne der Freistaat Bayern auch im Wege von Leistungskürzungen Rechnung tragen, ohne ausländische Staatsangehörige vom Leistungsbezug auszuschließen.

19

Die Staatsangehörigkeit komme als Unterscheidungskriterium nicht in Betracht. Zwar könne sie nicht grundsätzlich als Differenzierungskriterium ausgeschlossen werden. Die Eignung als Differenzierungskriterium müsse jedoch konkret bezogen auf das zu regelnde Sachgebiet bestimmt werden. Sei durch die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit ein Grundrecht beeinträchtigt, bedürfe es einer an der Schwere der Beeinträchtigung ausgerichteten Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Keinesfalls dürfe die Staatsangehörigkeit zu einem isolierten Differenzierungskriterium degenerieren. In eine solche Richtung weise jedoch der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der das "Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder" in diese Richtung aufwerte.

IV.

20

Zu der Vorlage haben die Bayerische Staatsregierung, der 10. Senat des Bundessozialgerichts, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Familiengerichtstag sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.

21

1. Die Bayerische Staatsregierung hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß. Der Gleichheitssatz verlange keine schematische Gleichbehandlung, sondern lasse Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Bei einer rechtsgewährenden Regelung komme dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise eine besonders weitreichende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gestaltungsspielraum im Bereich der Leistungsverwaltung ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden müsse.

22

Der Gesetzgeber habe diese Grenze nicht überschritten. Die Regelung differenziere nach der Staatsangehörigkeit und nicht - wie die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) für mit der Verfassung unvereinbar erklärte Regelung über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld - nach dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ziele gerade nicht auf die Erwartung, dass der Ausländer dauerhaft in Bayern bleibe. Dieses Ziel werde durch die Vorwohndauer in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erreicht und gelte für Antragsteller aller Herkunftsländer. Das Gesetz bezwecke auch keine Förderung der Integration von Ausländern. Zu einer solchen Förderung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet.

23

Vielmehr könnten bereits bloße finanzpolitische Überlegungen sachliche Gründe für die vorgelegte Norm darstellen. Das gelte jedenfalls für Leistungen, zu deren Gewährung keine Verpflichtung bestehe. Der Gesetzgeber müsse allerdings den Kreis der Betroffenen sachgerecht abgrenzen. Das Ermessen des Gesetzgebers sei jedoch nicht durch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) zur Gewährung von Kindergeld eingeschränkt. Die dortige Argumentation stehe in engem Zusammenhang mit dem Charakter des Kindergeldes als Komponente des dualen Systems des Familienlastenausgleichs. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern solle teilweise ausgeglichen werden und diene damit der Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Mindestvoraussetzungen, das Existenzminimum von Kindern steuerlich frei zu halten. Zur Zahlung des Erziehungsgeldes sei der Staat demgegenüber nicht verpflichtet. Das Landeserziehungsgeld könne ersatzlos wegfallen.

24

Außerdem sei die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit gerechtfertigt. Die Gegenseitigkeitsverbürgung sei eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten und der Verbesserung der Rechtsstellung deutscher Staatsbürger im Ausland diene. Die Bevorzugung von Deutschen bei der Erteilung von Leistungen im Vergleich zu ausländischen Staatsangehörigen, in deren Heimatländern Deutschen entsprechende Leistungen verwehrt blieben, sei gerechtfertigt. Andernfalls bestehe kein Anreiz für andere Staaten, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen. Die Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip zeige sich auch darin, dass neben deutschen Staatsangehörigen auch Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum privilegiert würden. Denn gegenüber diesen Ländern bestünden völkerrechtliche Differenzierungsverbote.

25

2. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts teilt mit, er habe die Vorschrift noch nicht angewandt. Das Sozialgericht München habe beachtliche verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht. Das Grundgesetz verbiete zwar nicht generell Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese gehöre auch nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien. Prüfungsmaßstab sei daher allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung stets betont, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehre und ihm insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Für den Gesetzgeber ergäben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthalte keine Beschränkung auf Deutsche. Da es sich bei dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit um ein personenbezogenes Merkmal handele, sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.

26

Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts gebe es zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz und dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz nach Voraussetzungen und Zweck keine Unterschiede von Gewicht. Es stelle sich deshalb vor allem die Frage, ob die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ein geeignetes Kriterium sei, um den mit dem Bundeserziehungsgeld und dem zeitlich nachfolgenden Landeserziehungsgeld verfolgten Zweck zu erreichen, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Auf diesen Punkt bezögen sich in erster Linie die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts.

27

3. Der Deutsche Landkreistag hält die Argumentation des Sozialgerichts München für überzeugend. Fiskalische Ziele könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

28

4. Auch der Deutsche Familiengerichtstag teilt die Bedenken des vorlegenden Gerichts. Zwar sei dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Staatlichem Handeln seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich eine Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der gemäß Art. 6 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

29

Die Staatsangehörigkeit sei ein gleichheitswidriger Gegenstand der Differenzierung. Das Kriterium diene nicht der Verfolgung des Ziels des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes, Eltern im Anschluss an die Förderung durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein weiteres Jahr die eigene Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne einer Berufstätigkeit nachgehen zu müssen. Das legitime Interesse des dauerhaften Aufenthalts werde durch die Vorwohnzeit sichergestellt. Für eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bestehe kein sachlicher Grund. Das Merkmal sei damit ausgrenzend und diskriminierend.

30

Bei freiwilligen Leistungen wie dem Erziehungsgeld dürften fiskalische Interessen berücksichtigt werden. Trotzdem dürften Berechtigte nicht durch sachfremde Erwägungen von der Leistung ausgeschlossen werden. Könne der Gesetzgeber nur beschränkte Mittel einsetzen, stehe es ihm frei, die Leistung einzustellen, das Leistungsniveau abzusenken oder nicht diskriminierende Kriterien einzuführen.

31

Die Staatsangehörigkeit stelle sich als ein familienfeindliches und Kinder ungleich behandelndes Abgrenzungskriterium dar. Das Ziel der Regelung, eine Betreuung kleiner Kinder in der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie sicherzustellen beziehungsweise die ökonomische Grundlage für die Entscheidung zugunsten einer Betreuung in der Familie zu schaffen, würde vielmehr durch die Voraussetzung der privilegierten Staatsangehörigkeit konterkariert. Eltern mit nicht privilegierter Staatsangehörigkeit müssten einer Erwerbstätigkeit nachgehen und könnten sich im Gegensatz zu anderen Eltern nicht der Familienarbeit widmen, obwohl ihre Familien ebenso unter dem Schutz des Art. 6 GG ständen. Auch die Kinder von Eltern mit und ohne privilegierte Staatsangehörigkeit würden entgegen Art. 3 GG durch das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz ungleich behandelt.

32

5. Der Deutsche Juristinnenbund schließt sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz sei eine Leistung zur Förderung von Familien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten dürfe aber nicht sachwidrig differenziert werden. Dies müsse nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beurteilt werden. Prüfungsmaßstab bei Familienförderleistungen sei nicht das Willkürverbot, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei zu prüfen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorlägen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

33

Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, beim Landeserziehungsgeld handele es sich um eine unter dem Aspekt der Gestaltungsfreiheit von Familien und der Förderung von Gleichberechtigung insgesamt verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdige Leistung. Der Gesetzgeber habe sich allerdings noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen gehalten. Mit der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit habe der Freistaat Bayern diese Grenze jedoch überschritten. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sei zwar nicht generell unzulässig. In Bezug auf die Einhaltung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Gewährung von Erziehungsgeld sei jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) zu beachten. Das Gericht habe zum Bundeserziehungsgeldgesetz Grundsätze formuliert, die bezogen auf die familienpolitischen Zwecke des Erziehungsgeldes auch beim Landeserziehungsgeld eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sachwidrig erscheinen ließen. Die Förderung der Entscheidung für Kinder, die Abmilderung finanzieller Nachteile und die Anerkennung der Betreuungsleistung betreffe Eltern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass die Zwecke des Erziehungsgeldes bei Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung nicht weniger zur Geltung kommen als bei Deutschen oder Ausländern mit anderen Aufenthaltstiteln. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon einen Ausschluss von Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln für unzulässig erachtet habe, müsse eine an der Staatsangehörigkeit orientierte Differenzierung erst recht unzulässig sein. Eine Bezugsberechtigung ausländischer Eltern sei sinnvoll und der Integration dienlich. Fiskalische Argumente könnten nicht überzeugen.

B.

34

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG, ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, weil er Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, generell vom Anspruch auf Landeserziehungsgeld ausschließt.

I.

35

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG.

36

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG statuiert eine gesetzliche Bedingung des Anspruchs auf Landeserziehungsgeld. Die Vorschrift regelt damit die Voraussetzungen staatlicher Leistungsgewährung im Bereich der Familienförderung, greift jedoch nicht in die abwehrrechtlichen Verbürgungen des Familiengrundrechts, insbesondere des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG speziell (vgl. BVerfGE 24, 119 <135>; 31, 194 <204>) geschützten Elternrechts ein.

37

Ob das durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Recht der Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>), dadurch beeinträchtigt ist, dass eine finanzielle Förderung nur für den Fall der eigenen Betreuung durch ein Elternteil, nicht aber für andere von den Eltern gewählte Formen der Kinderbetreuung vorgesehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Anspruch auf Landeserziehungsgeld nur hat, wer sein Kind selbst betreut und erzieht, ist in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayLErzGG geregelt und folgt nicht aus dem hier allein zur Prüfung gestellten Staatsangehörigkeitserfordernis des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG.

38

Die Regelung verletzt keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. Ein Verstoß gegen Schutz- und Förderpflichten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG käme nur in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern bestünde, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern. Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (vgl. auch BVerfGE 43, 108 <121>; 110, 412 <436>; 111, 160 <172>; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Rn. 51). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene, nicht auf Deutsche beschränkte (vgl. BVerfGE 111, 176 <184>) Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern (vgl. Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 21). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 <81 f.>; 87, 1 <36>; 107, 205 <213>; 110, 412 <445>). Insbesondere ist der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine familienfördernde Leistung in Form eines Erziehungsgeldes zu gewähren.

II.

39

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

40

1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).

41

Diesen allgemeinen Grundsätzen folgt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Norm, die Ausländer im Vergleich zu Deutschen anders behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert "allen Menschen" die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und steht damit auch Ausländern zu (BVerfGE 30, 409 <412>). Gleiches gilt für den hier angesichts des familienpolitischen Charakters des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes zu berücksichtigenden Schutz der Familie (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber indessen nicht jede Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. Es ist dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren (vgl. BVerfGE 116, 243 <259>). Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal jedoch eines hinreichenden Sachgrundes. Dass die Staatsangehörigkeit kein generell unzulässiges Differenzierungsmerkmal ist, bedeutet nicht umgekehrt, dass eine grundlose Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. Gundel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. I , Art. 3 Abs. 1 Rn. 136; vgl. auch EGMR, Urteil vom 16. September 1996 - 17371/90 -, Rn. 42, Gaygusuz v. Österreich; Urteil vom 30. September 2003 - 40892/98 -, Rn. 46, Poirrez v. Frankreich). Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere und verlöre damit ihren Sinn.

42

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).

43

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Regelung über das bloße Willkürverbot hinaus.

44

aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich hier schon deshalb nicht im bloßen Willkürverbot, weil die Verwehrung von Erziehungsgeld das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte und nicht auf Deutsche beschränkte Elternrecht berührt (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>). Auch wenn Art. 6 GG für sich genommen nicht verletzt ist (oben B. I.), ist das verfassungsrechtliche Elternrecht doch in seiner Schutz- und Förderdimension betroffen. Das Landeserziehungsgeld fördert eine bestimmte Form der Ausübung des Elternrechts, indem es die persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern unter Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit finanziell unterstützt. Mit der Verwehrung von Landeserziehungsgeld bleibt den Betroffenen dieses Element staatlicher Förderung des Elternrechts versagt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Ungleichbehandlung ist dies zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>), auch wenn sich daraus angesichts des freiwilligen Charakters der staatlichen Leistung noch keine besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 11).

45

bb) Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber dem bloßen Willkürverbot folgt auch daraus, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG mit der Staatsangehörigkeit an ein Merkmal anknüpft, das den antragstellenden Personen kaum verfügbar ist. Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben der Betroffenen stehen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169 f.>).

46

cc) Die Staatsangehörigkeit wird in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit den dort genannten Merkmalen nicht als unzulässiges Differenzierungsmerkmal aufgeführt. Eine Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit unterliegt darum nicht dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 27 <37>). Das schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 297; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 127; Gundel, a.a.O. Rn. 86; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 21 Rn. 138; vgl. auch EGMR, a.a.O.). Wie weit dies der Fall ist, bedarf keiner Entscheidung, da die vorgelegte Regelung bereits weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt.

47

2. Die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG bewirkte Ungleichbehandlung von Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ist nach den vorgenannten Grundsätzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, weil es der Regelung auch in Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers an einem legitimen Zweck fehlt, der die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen tragen könnte und dem zu dienen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung geeignet wäre.

48

a) Der Ausschluss von Personen, die nicht über eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG genannten Staatsangehörigkeiten verfügen, ist nicht durch die Zwecke des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes gerechtfertigt.

49

Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4). Zwar ist die wirtschaftliche Unterstützung der Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern angesichts des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrags (Art. 6 Abs. 2 GG) ein legitimer Gesetzeszweck (oben B. I.), jedoch deckt dieser Zweck den in der vorgelegten Norm geregelten Leistungsausschluss nicht. Das Anliegen des Gesetzgebers, Eltern die persönliche Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen und dadurch die frühkindliche Entwicklung zu fördern, kommt bei Ausländern und ihren Kindern auf gleiche Weise zum Tragen wie bei Deutschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 GG) ist nicht auf Deutsche beschränkt.

50

Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG vorgesehene Differenzierung dient auch nicht mittelbar der Verwirklichung des Gesetzeszwecks. Angesichts des Gesetzeszwecks wäre es verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Leistungsbezug auf Personen beschränkt würde, die in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein können. Der Gesetzgeber handelte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er jene Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschlösse, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. BVerfGE 111, 176 <185 f.>). Die vorgelegte Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit lässt noch weniger als die vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160 <174 f.>; 111, 176 <185 ff.>) beanstandete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel Rückschlüsse darauf zu, ob eine Arbeitserlaubnis besteht oder nicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in Bayern rechtmäßig berufstätig, so dass ihr der Bezug von Landeserziehungsgeld einen Anreiz zur Einschränkung ihrer Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung hätte bieten können.

51

b) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden. In bestimmten Konstellationen mag die voraussehbare Dauer des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <184>), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 <239 f.>). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist hier jedoch weder darauf gerichtet noch ist es geeignet, den Personenkreis zu erfassen, der voraussichtlich dauerhaft in Bayern ansässig sein wird. Die Staatsangehörigkeit gibt noch weniger als die - vom Bundesverfassungsgericht auch insofern bereits für unzureichend erklärte (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <185>) - Art des Aufenthaltstitels verlässlich Aufschluss darüber, ob eine Person dauerhaft in Bayern ansässig sein wird.

52

c) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel der Begünstigung sogenannter "Landeskinder" (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 33) gerechtfertigt werden. Inwiefern eine Begünstigung von "Landeskindern" nach dem Grundgesetz zulässig ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet und darum von vornherein nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von "Landeskindern" gerechtfertigt werden kann. Anderes mag für die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG getroffene Regelung zur Vorwohnzeit in Bayern gelten (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5), die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

53

d) Sofern der Landesgesetzgeber "Mitnahmeeffekte" verhindern wollte, die daraus resultieren könnten, dass sich Personen kurzfristig in Bayern niederlassen, um in den Genuss der bayerischen Erziehungsgeldregelung zu gelangen, wird dieses Ziel ebenfalls mit der Regelung zur Vorwohndauer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG) erreicht (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5). Davon abgesehen wäre die Staatsangehörigkeit kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels, da sie, wie dargelegt, weder über die der Geburt vorausgegangene Aufenthaltszeit noch über die künftige Aufenthaltszeit in Bayern zuverlässig Aufschluss gibt.

54

e) Fiskalische Interessen können die Schlechterstellung durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber eine Leistung freiwillig gewährt, darf er zwar durchaus berücksichtigen, welche finanziellen Mittel er angesichts der sonstigen Staatsaufgaben einsetzen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 <303>). Finanzpolitische Belange dürfen aber nur dergestalt zur Geltung kommen, dass Berechtigte, die die Voraussetzungen eines Leistungsbezugs gleichermaßen erfüllen wie andere, nicht aufgrund sachfremder Differenzierung von der Leistung ausgeschlossen werden. Die bloße Absicht, das Leistungsvolumen zum Zwecke der Reduzierung staatlicher Ausgaben zu verringern, genügt für sich genommen nicht, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <46> m.w.N. sowie BVerfGE 19, 76 <84 f.>; 76, 256 <311>; 93, 386 <402>; 107, 218 <253>; 122, 210 <233>). Ansonsten liefe das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Bereich staatlicher Geldleistungen leer, da sich der Gesetzgeber zur Begründung von Ungleichheiten stets auf die Absicht berufen könnte, staatliche Ausgaben durch Teileinsparungen verringern zu wollen (vgl. BVerfGE 121, 241 <258>). Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist ein legitimer Zweck, der jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen vermag. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.

55

f) Schließlich kann die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden. Danach müssen ausländischen Staatsangehörigen in einem Staat bestimmte Vorteile nur dann eingeräumt werden, wenn die Staatsangehörigen des Gaststaats im jeweiligen Heimatstaat ebensolche Vorteile beanspruchen könnten. Dass ausländischen Staatsangehörigen Leistungen vorenthalten werden, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden, kann etwa dem Ziel dienen, andere Staaten zu beeinflussen, internationalen Verträgen beizutreten oder Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, welche Deutschen im Ausland einen erhöhten Schutz gewähren. Die im Falle fehlender Gegenseitigkeit gezielt herbeigeführte Benachteiligung Angehöriger der betroffenen Staaten kann unter Umständen verfassungsrechtlich hinzunehmen sein (vgl. BVerfGE 51, 1 <24>; 81, 208 <224>). Näherer Überprüfung bedürfte allerdings die Frage, inwiefern sich angesichts der Bundeskompetenz für die auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG auch ein Landesgesetzgeber im Verhältnis zu anderen Staaten auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit berufen kann.

56

Die vorgelegte Regelung kann jedoch schon deshalb nicht mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden, weil Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht anhand der gegenseitigen Verbürgung entsprechender Leistungen unterscheidet (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 36). Die vorgelegte Regelung stellt nicht auf die konkrete Gegenseitigkeit ab, sondern verlangt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Möglicherweise bestehende Abkommen mit anderen Ländern werden ebenso wenig berücksichtigt wie die von einem Abkommen unabhängige Gewährung entsprechender Leistungen durch andere Staaten. Damit ist eine Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen Leistungsfall nicht möglich. Selbst für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vor deren Beitritt zur Europäischen Union ein Gegenseitigkeitsabkommen bestanden oder Polen davon unabhängig entsprechende Leistungen an Deutsche gewährt haben sollte, hätte dies bei der Vergabe von Landeserziehungsgeld nicht berücksichtigt werden können. Lässt eine Regelung keinen Raum zur Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen, schließt dies aber von vornherein aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Gegenseitigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. BVerfGE 51, 1 <25>; 81, 208 <224>).

57

g) Sonstige Zwecke, die die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung tragen könnten, sind nicht ersichtlich.

C.

I.

58

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 84, 168 <186 f.>; 92, 158 <186>). So könnte der Gesetzgeber auf die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit ersatzlos verzichten. Er könnte aber auch eine Regelung schaffen, die an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit anknüpft (vgl. BVerfGE 111, 176 <189>). Der Gesetzgeber kann sich zudem dafür entscheiden, künftig gar kein oder allgemein ein geringeres Landeserziehungsgeld zu gewähren. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten einer solchen Neuregelung anhängig gemachten Verfahren ist ihm dieser Weg indes versperrt, da jene Eltern, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erfüllen, Elterngeld bereits aufgrund bestands- beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossener Verfahren erhalten haben oder haben werden, das ihnen nicht rückwirkend genommen werden kann. Die nachträgliche Abschaffung des Landeserziehungsgeldes benachteiligte damit erneut in gleichheitswidriger Weise diejenigen, die die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht erfüllen.

II.

59

Entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (GVBl S. 76), in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (GVBl S. 133) und in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (GVBl S. 442), die keine inhaltliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 aufweisen, für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>, jeweils m.w.N.).

III.

60

Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 <384>). Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 <266 f.>; 111, 115 <146>).

IV.

61

Für den Erlass einer Neuregelung bleibt dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. August 2012. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

V.

62

Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen der Gewährung von Landeserziehungsgeld lediglich die Staatsangehörigkeit der Antragstellenden entgegensteht, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>; 116, 96 <135>) bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat (vgl. BVerfGE 28, 324 <363>; 111, 160 <176>), oder entsprechend C. IV. Nichtigkeit eintritt (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

(1) Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a und b haben abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vom Hundert gemindert ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 30 erreichen müssen.

(2) Für Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a wird eine Rente für die ersten 26 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt oder, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist, für die ersten 26 Wochen nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht gezahlt.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger ist selbstständiger landwirtschaftlicher Unternehmer. Er wendet sich dagegen, dass ihm wegen der Sonderregelung in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII kein Anspruch auf eine Verletztenrente zusteht, obwohl die Beklagte wegen der gesundheitlichen Folgen einer anerkannten Berufskrankheit (BK) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH anerkannt hat.

2

Der 1953 geborene Kläger war bis zum 31.12.2012 als selbstständiger landwirtschaftlicher Unternehmer tätig. Zum 1.1.2013 gab er seine Tätigkeit mit Heben und Tragen schwerer Lasten und in extremer Rumpfbeugehaltung endgültig auf. Die Beklagte erkannte das Bestehen einer BK nach Nr 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV mit einem am 1.1.2013 eingetretenen Versicherungsfall an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil die gesundheitlichen Folgen der BK lediglich eine MdE von 20 vH bedingten. Nach § 80a Abs 1 S 1 SGB VII dürfe eine Rente erst beim Vorliegen einer MdE von wenigstens 30 vH gewährt werden(Bescheid vom 16.6.2015 und Widerspruchsbescheid vom 29.7.2015). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 30.11.2015), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25.7.2016). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, zwar sei der Versicherungsfall einer BK am 1.1.2013 eingetreten, die anerkannten Folgen der Wirbelsäulenerkrankung bedingten aber lediglich eine MdE von 20 vH, sodass gemäß § 80a Abs 1 S 1 SGB VII ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente ausscheide. Jedenfalls für landwirtschaftliche Unternehmer wie den Kläger sei die Erhöhung der Mindest-MdE von 20 vH auf 30 vH für einen Anspruch auf Verletztenrente durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verfassungsgemäß und insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung habe genossenschaftlichen Charakter. Deshalb komme dem Umstand, dass der Berufsstand der Landwirte selbst die Leistungseinschränkung vorgeschlagen habe, um die Landwirte als Beitragszahler finanziell zu entlasten, besondere Bedeutung als Rechtfertigungsgrund zu. Auch ein Verstoß gegen das in Art 14 GG verankerte Eigentumsgrundrecht sei nicht ersichtlich.

3

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG und der Art 14 iVm Art 20 GG. Landwirte würden durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII gegenüber allen anderen Unfallversicherten ungerechtfertigt benachteiligt. Ein Vorschlag des Berufsstandes der Landwirte könne die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Eine Entlastung der Beitragszahler sei nicht ersichtlich. Auch verstoße die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil jegliche Vertrauensschutz- und Übergangsregelung fehle.

4

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

        

1.    

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.7.2016, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.11.2015 sowie den Bescheid vom 16.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2015 aufzuheben,

        

2.    

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG vorzulegen.

5

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2015 ist rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente, weil bei ihm die von § 80a Abs 1 S 1 SGB VII geforderte MdE von 30 vH nicht vorliegt.

8

1. Zu entscheiden war im Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Verfügung in dem Bescheid der Beklagten vom 16.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.7.2015, mit der die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt und die der Kläger mit einer zulässigen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG)angegriffen hat, sowie über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente. Sein im Revisionsverfahren verfolgtes Begehren war gemäß § 123 SGG dahin auszulegen, dass er neben der Anfechtungsklage auch seine in den Vorinstanzen ausdrücklich erhobene zulässige Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG aufrechterhalten hat. Allein daraus, dass der Kläger in seinem schriftsätzlichen Antrag nicht ausdrücklich die Gewährung einer Verletztenrente benannt hat, kann nicht geschlossen werden, dass er sein Leistungsbegehren nicht mehr verfolgt, weil er nur mit einer Leistungsklage die Verurteilung der Beklagten zu der von ihm begehrten Verletztenrente erreichen konnte. Ein Klageantrag ist unabhängig von seinem Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen, dass das Begehren des Klägers weitgehend zum Tragen kommt (vgl zB BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21 RdNr 29 mwN).

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2. Der Kläger hat gemäß § 80a Abs 1 S 1 SGB VII keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil seine Erwerbsfähigkeit infolge der durch die anerkannte BK Nr 2108/2110 verursachten Gesundheitsstörungen nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist. Anspruch auf Verletztenrente haben gemäß § 56 Abs 1 S 1 SGB VII Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist. Abweichend von § 56 Abs 1 S 1 SGB VII haben gemäß der durch Art 1 Nr 7 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung(LSVMG - vom 18.12.2007, BGBl I 2984) mit Wirkung zum 1.1.2008 geschaffenen Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII Versicherte nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a und b SGB VII nur Anspruch auf eine Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 vH gemindert ist. Gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a und b SGB VII versichert sind Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens und ihre im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner(Buchst a) sowie die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen (Buchst b). § 80a SGB VII ist auf Versicherungsfälle anzuwenden, die nach dem 31.12.2007 eingetreten sind (§ 221 Abs 2 SGB VII). Die für einen Anspruch auf Verletztenrente erforderlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt der Kläger nicht.

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Beim Kläger liegt zwar eine BK und damit ein Versicherungsfall vor. Die Folgen der als BK anerkannten Wirbelsäulenerkrankung bedingen auch eine MdE von 20 vH. § 80a Abs 1 S 1 SGB VII schließt jedoch einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente aus. Der Kläger gehörte als selbstständig tätiger Landwirt zum Kreis der Versicherten nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII, die nach § 80a Abs 1 S 1 SGB VII einen Anspruch auf Rente erst ab einer MdE in Höhe von mindestens 30 vH haben, sodass ein Anspruch auf eine Verletztenrente nicht besteht(dazu unter a). Die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken(dazu unter b).

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a) Beim Kläger liegt als Versicherungsfall nach § 9 Abs 1 SGB VII eine BK nach Nr 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV vor. Dieser Versicherungsfall ist am 1.1.2013 eingetreten, was die Beklagte bindend festgestellt hat (vgl § 77 SGG). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG), bedingen die Folgen der als BK anerkannten Wirbelsäulenerkrankung eine MdE des Klägers von 20 vH. (vgl dazu BSG vom 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R - BSGE 122, 232 = SozR 4-2700 § 56 Nr 4, RdNr 15 f mwN). § 80a Abs 1 S 1 SGB VII ist im vorliegenden Fall gemäß § 221 Abs 2 SGB VII anwendbar, weil der Versicherungsfall am 1.1.2013 eingetreten ist.

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Der Kläger hat die BK als nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII Versicherter erlitten. Er war als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes Versicherter iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG bis zum 31.12.2012 als Landwirt selbstständig tätig war. Dementsprechend hat die Beklagte das Vorliegen einer BK nach Nr 2108/2110 der Anlage 1 zur BKV aufgrund dieser Tätigkeit und der Versicherteneigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer anerkannt. Unerheblich ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls am 1.1.2013 seine Tätigkeit als selbstständiger Landwirt bereits aufgegeben hatte. Gemäß § 80a Abs 1 S 1 SGB VII setzt der Verletztenrentenanspruch für als selbstständige Landwirte nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII Versicherte eine MdE von mindestens 30 vH voraus, unabhängig davon, ob der Versicherte während des Rentenbezugs noch als Landwirt selbstständig tätig ist. Weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII(vgl hierzu Gesetzentwurf der Bundesregierung zum LSVMG BT-Drucks 16/6520 S 1 ff, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales BT-Drucks 16/6984 S 1 ff) ist zu entnehmen, dass für dessen Anwendung die Eigenschaft als Versicherter nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII auch während des Leistungszeitraums einer Verletztenrente fortbestehen müsste. Die Verwendung des Begriffs "Versicherte" in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII spricht gerade nicht für eine solche Auslegung der Vorschrift. Denn auch in § 56 Abs 1 S 1 SGB VII, auf den § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verweist, ist dieser Begriff enthalten. § 56 Abs 1 S 1 SGB VII knüpft mit dem Begriff "Versicherte" aber an das Vorliegen eines Versicherungsfalls an, der seinerseits in ursächlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen muss, ohne dass nach Eintritt des Versicherungsfalls für den fortlaufenden Bezug einer Verletztenrente die versicherte Tätigkeit weiterhin ausgeübt werden muss. Dafür, dass der Verwendung des Begriffs "Versicherte" in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII, der sich auf § 56 Abs 1 SGB VII bezieht, eine andere Bedeutung als in § 56 Abs 1 S 1 SGB VII zukommt, fehlt es an Anhaltspunkten.

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b) § 80a Abs 1 S 1 SGB VII verstößt nach Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges Recht, sodass eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 GG ausscheidet. Ebenso bedarf es keiner verfassungskonformen Auslegung der Norm zugunsten des Klägers, denn die Regelung ist in ihrer Anwendung auf den Kläger verfassungsgemäß. Insbesondere ist er nicht in seinem Eigentumsgrundrecht (Art 14 Abs 1 GG) verletzt (dazu unter aa). Der Ausschluss der Rentenansprüche für landwirtschaftliche Unternehmer, deren Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 vH gemindert ist, berührt zwar den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Regelung ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (dazu unter bb). Schließlich ist durch die Neuregelung in § 80a Abs 1 S 1 SGB VII auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes(Art 14 Abs 1 S 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG) nicht verletzt (dazu unter cc).

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aa) Anders als Ansprüche und Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung (BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 - BVerfGE 128, 128 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9; BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - BVerfGE 53, 257; BVerfG vom 1.7.1981 - 1 BvR 874/77 ua - 58, 81 <109>; BVerfG vom 4.6.1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101 <110>; stRspr) oder Ansprüche auf Arbeitslosengeld (BVerfGE vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203; BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9), die teilweise durch einkommensbezogene eigene Beiträge der Versicherten finanziert werden, ist zweifelhaft, ob Ansprüche auf Verletztenrenten der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt dem Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG unterliegen (wie hier offen gelassen BVerfG vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895; BVerfG vom 18.2.1988 - 1 BvR 1017/87 - SozR 2200 § 568 Nr 9; BSG vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R - HVBG-INFO 2002, 3454; bejahend Papier in Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art 14 RdNr 142). Dies kann jedoch offen bleiben, denn selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger durch die langjährige Versicherung und die Zahlung von Beiträgen ein geschütztes Anwartschaftsrecht erworben hat, wäre sein Eigentumsgrundrecht nicht verletzt, denn § 80a Abs 1 S 1 SGB VII stellt jedenfalls eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 S 2 GG dar.

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Die Einbeziehung des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber nicht befugt wäre, in gewissem Umfange in eine dem Anspruchsberechtigten bereits erwachsene Position einzugreifen. Denn die konkrete Reichweite des Schutzes der Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art 14 Abs 1 S 2 GG Aufgabe des Gesetzgebers ist (BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - BVerfGE 53, 257; BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 - BVerfGE 128, 128 = SozR 4-2600 § 77 Nr 9 mwN).

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Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentumsrechts ist auf den Kernbereich der erworbenen öffentlich-rechtlichen Rechtsposition beschränkt, weil ein starres Festhalten an den jeweils durch Gesetz oder Satzung festgelegten Beträgen oder Leistungen die einfache Gesetzgebung weitgehend blockieren und eine Anpassung des Rechts an die Veränderung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse verhindern würde, auch wenn eine solche Veränderung im Interesse der Verbesserung oder Erhaltung der Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung unerlässlich erscheint (zur gesetzlichen Rentenversicherung BVerfG vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 - BVerfGE 53, 257; vgl Wannagat, BArbl 1974, 261, 264). Wird in bestehende Anwartschaften eingegriffen, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit einer Änderung angelegt ist (BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - BVerfGE 122, 151). Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Sozialversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht (vgl BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; BVerfG vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00 ua - BVerfGE 116, 96; BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - BVerfGE 122, 151).

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Durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII wird der Rentenanspruch für landwirtschaftliche Unternehmer zwar eingeschränkt, er wird aber nicht gänzlich entzogen. Es handelt sich mithin lediglich um die inhaltliche Modifikation einer Anwartschaft. Eine solche Regelung ist zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt ist (BVerfG vom 14.2.1967 - 1 BvL 17/63 - BVerfGE 21, 150 <155>; BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9; BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78; Maunz/Herzog/Dürig/Scholz, Kommentar zum GG, Stand September 2017, Art 14 RdNr 38). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Regelung dient einem legitimen Ziel, der Eingriff ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich und die Einschränkung ist für den Kläger nicht unzumutbar.

18

§ 80a Abs 1 SGB VII wurde durch Art 1 des LSVMG vom 18.12.2007 in das SGB VII eingefügt und trat zum 1.1.2008 in Kraft. Zweck des Gesetzes war eine Weiterentwicklung und Reform des Rechts der landwirtschaftlichen Unfallversicherung mit den Zielen einer angemessenen Beitragsbelastung und innerlandwirtschaftlicher Beitragsgerechtigkeit im Hinblick auf den sich beschleunigenden landwirtschaftlichen Strukturwandel und im Gesamtkontext der Reformen der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung erhält seit 1963 Bundeszuschüsse, um die Beiträge der zuschussberechtigten land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer zu senken und zu einer Annäherung der Belastungsunterschiede zwischen den Regionen beizutragen (Gesetzentwurf der Bundesregierung - BT-Drucks 16/6520, S 2 f). Im Interesse der Haushaltskonsolidierung sollte das weitere finanzielle Engagement des Bundes in der mittelfristigen Finanzplanung von 200 Mio Euro auf 100 Mio Euro abgesenkt werden. Zielsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung war somit, Spielräume zu schaffen, damit die Beiträge der Landwirtschaft ab 2011 trotz eines auf 100 Mio Euro reduzierten Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung entweder konstant gehalten oder sogar gesenkt werden könnten. Hierbei handelt es sich um ein legitimes Ziel, das im öffentlichen Interesse liegt. Denn die Regelung dient dazu, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Interesse der versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Familienangehörigen im Kontext veränderter Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft zu erhalten (BT-Drucks 16/6520, S 1).

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Eine Verringerung der Ausgaben der landwirtschaftlichen Unfallversicherung stellt ein geeignetes Mittel dar, dieses Ziel zu erreichen. Bei der Feststellung der Eignung steht dem Gesetzgeber ein weiter prognostischer Spielraum zu. Ihm obliegt dabei die Einschätzung der Lage und der zukünftigen Entwicklung sowie der Zweckmäßigkeit des Mittels. Auch die Bemessung der zu erwartenden Einsparungen stellt eine prognostische Wertung des Gesetzgebers dar (vgl BVerfG vom 12.2.1986 - 1 BvL 39/83 - BVerfGE 72, 9; BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerGE 105, 17). Kernstücke der Reform waren die Kapitalisierung von Bestandsrenten, was zu einer Reduzierung der Ausgaben im Jahr 2011 um rund 140 Mio Euro führen sollte - bis 2014 auf 150 Mio Euro ansteigend - (Ausschuss-Drucks 16(11)754, S 33 ff), sowie Maßnahmen zur Reduzierung von Verwaltungskosten. Nach dem Bericht des Haushaltsausschusses vom 8.11.2007 (BT-Drucks 16/7018) konnten die geplanten Änderungen im Leistungsrecht kurzfristig zu jährlichen Minderbelastungen in Höhe von 30 bis 40 Mio Euro für die landwirtschaftlichen Unternehmen führen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch auch darauf hingewiesen (insbesondere Stellungnahme Dr. Peter Mehl Braunschweig - Ausschuss-Drucks 16(11)752; Stellungnahme des Deutschen Bauernverbands vom 17.10.2007 - Ausschuss-Drucks 16(11)747), dass allein die Abgeltung von Bestandsrenten und die vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung von Verwaltungskosten nicht ausgereicht hätten, um das angestrebte Ziel der Beitragsstabilität zu erreichen. Der Deutsche Bauernverband forderte deshalb in seiner Stellungnahme vom 17.10.2007 (Ausschuss-Drucks 16(11)747) als weitere ausgabenrelevante Maßnahme, einen Unfallrentenanspruch erst ab einer MdE von 30 vH anzuerkennen. Diese Maßnahme durfte der Gesetzgeber zur Erreichung des genannten Ziels mithin insgesamt betrachtet als geeignet ansehen.

20

Unter dem Gesichtspunkt des aufgezeigten Sparziels sind die angegriffenen Regelungen auch erforderlich. An der Erforderlichkeit der Maßnahmen würde es nur fehlen, wenn evident wäre, dass die angestrebten Einsparungen mit weniger eingreifenden Mitteln hätten erreicht werden können (BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78). Solche weniger belastenden Maßnahmen sind nicht erkennbar. In Betracht wäre allenfalls die Streichung anderer Leistungen der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu ziehen gewesen, die jedoch mit mindestens vergleichbaren Belastungen verbunden wären.

21

Schließlich belastet die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII den Kläger auch nicht in unzumutbarer Weise. Eine Gesamtabwägung der öffentlichen, im Gemeinwohl stehenden Belange mit den privaten Interessen des Klägers ergibt, dass dessen Rechte nicht in einer außer Verhältnis zu den Zielen der Einschränkung stehenden Weise - und damit unverhältnismäßig - beeinträchtigt werden. Die Gewährung einer Verletztenrente erst ab einer MdE von wenigstens 30 vH betrifft nur einen kleinen Teilbereich des durch die Entrichtung von Beiträgen erworbenen Versicherungsschutzes, der regelmäßig weder die Lohnersatzfunktion noch den existenziellen Kernbereich der sozialen Absicherung betrifft. Eine Rente nach einer MdE von 20 vH hatte ausgehend von dem ab 1.7.2012 geltenden pauschalierten Jahresarbeitsverdienst nach dem Revisionsvortrag der Beklagten einen monatlichen Zahlbetrag von 127,18 Euro, der aufgrund der jährlichen Anpassung (§ 93 Abs 1 S 2, 1. Halbs SGB VII iVm § 95 SGB VII) auf einen monatlichen Zahlbetrag von 140,59 Euro ab 1.7.2017 angestiegen wäre. Alle übrigen vom SGB VII vorgesehenen Leistungen zur Kompensation von Erwerbsschäden bleiben dem landwirtschaftlichen Unternehmer vollständig erhalten; dies sind insbesondere die ärztliche Behandlung, die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln, die Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ggf zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Haushalts- und Betriebshilfen, Reisekosten und Pflegeleistungen. Der durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII vorgenommene Eingriff in die Ansprüche des Einzelnen durch eine Heraufsetzung der Mindest-MdE auf 30 vH ist demgegenüber eher untergeordnet. Der Gesetzgeber durfte für die landwirtschaftlichen Unternehmer zudem typisierend davon ausgehen, dass bei einer MdE von weniger als 30 vH kein oder allenfalls ein geringer materieller Schaden für den Betroffenen insgesamt entsteht. Diese relativ geringfügige Reduzierung der Leistungen für den Einzelnen führt jedoch zu einem substanziellen Einsparvolumen für die Gesamtheit der Beitragszahler.

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bb) Auch eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Zwar wird der Kläger und die von ihm repräsentierte Ausgangsgruppe der pflichtversicherten landwirtschaftlichen Unternehmer durch die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII gegenüber den übrigen Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung ungleich behandelt, da ein Rentenanspruch erst ab einer MdE von 30 vH und nicht wie nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VII bereits ab einer MdE von 20 vH besteht. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch im Hinblick auf die Besonderheiten der Versicherung landwirtschaftlicher Unternehmer gerechtfertigt.

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Der allgemeine Gleichheitssatz iS des Art 3 Abs 1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 - stRspr). Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfG vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92 ua - BVerfGE 88, 87; BVerfG vom 8.4.1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267; BVerfG vom 6.7.2010 - 1 BvL 9/06; BVerfG vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240). Vorliegend hat eine über das bloße Willkürverbot hinausgehende, an den Grundsätzen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung orientierte Prüfung zu erfolgen. Denn die Regelung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII behandelt verschiedene Personengruppen ungleich. Zudem berührt die Zwangsmitgliedschaft der landwirtschaftlichen Unternehmer in der Sozialversicherung den Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG (BVerfG vom 11.1.1995 - 1 BvR 892/88 - BVerfGE 92, 53).

24

Gemessen am folglich anzuwendenden Maßstab verhältnismäßiger Gleichbehandlung bestehen für die Einschränkung des Rentenanspruchs landwirtschaftlicher Unternehmer durch § 80a Abs 1 S 1 SGB VII auch Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen. Die Einschränkung der Leistungen auf der Ausgabenseite ist geeignet, das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der kurz- oder mittelfristigen Senkung des Umlagesolls der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft trotz reduzierter Bundeszuschüsse zu erreichen. Der hinreichende Sachgrund für die Ungleichbehandlung folgt aus der Besonderheit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die der Pflichtversicherung der landwirtschaftlichen Unternehmer einen weitgehenden Unfallversicherungsschutz bei festgeschriebenem Jahresarbeitsverdienst gegenüber stellt.

25

Grundsätzlich sind in der gesetzlichen Unfallversicherung die Unternehmer selbst nicht kraft Gesetztes versichert (vgl § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII - Versicherung kraft Satzung bzw § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VII - freiwillige Versicherung). Eine Ausnahme bilden die landwirtschaftlichen Unternehmer. Dabei wird der ursprüngliche Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, nämlich die Ablösung der gesetzlichen Haftpflicht des Unternehmers gegenüber den im Unternehmen Tätigen bei alleiniger Beitragstragung, durchbrochen. Dem selbst versicherten Unternehmer stehen keine Schadenersatzansprüche gegen sich selbst zu. Es handelt sich vielmehr um eine gemeinschaftliche Absicherung von Gesundheitsgefahren, welche die bei einem Versicherungsträger zusammengeschlossenen Unternehmer selbst begünstigt (Angermaier in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 3 RdNr 24) und mit Steuermitteln bezuschusst wird. Der Zweck der Versicherung besteht in einer genossenschaftlichen, auf versicherungsrechtlicher Basis aufbauenden Eigenhilfe der landwirtschaftlichen Unternehmen (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 RdNr 108; Schwerdtfeger in Lauterbach, SGB VII, Stand 6/2014, § 2 RdNr 193).

26

Gleichzeitig wird der Unfallversicherungsschutz auf Tätigkeiten erweitert, die außerhalb der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht versichert wären. Welche Tätigkeiten dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienen, ist stark von den Besonderheiten der bäuerlichen Arbeit geprägt. Neben den klassischen Bestellungs-, Bearbeitungs- und Aberntungstätigkeiten eines Landwirtes gehören insbesondere die maschinelle Nachbarschaftshilfe, die Teilnahme an berufsbezogenen Versammlungen, der Besuch von Messen und Ausstellungen, die Teilnahme an Demonstrationen des Berufsstandes, die Kindererziehung als Teil der landwirtschaftlichen Haushaltstätigkeit, verwaltende Tätigkeiten im Wohnhaus, das sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken dient, zu den versicherten Tätigkeiten (Koch, LSV im Wandel - Änderungen im agrarsozialen Sondersystem, WzS 2008, 257, 269).

27

Der pflichtversicherte landwirtschaftliche Unternehmer, der gleichzeitig Beitragsschuldner ist (vgl § 150 Abs 1 S 1 iVm § 183 Abs 5 SGB VII), profitiert somit einerseits vom umfassenden Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, andererseits hat er Interesse an einem möglichst niedrigen Umlagesoll. Stabile Beiträge gereichen zu seinem unmittelbaren finanziellen Vorteil. Dies unterscheidet ihn von den in der Landwirtschaft Beschäftigen iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, aber auch von den in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig Tätigen(§ 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB VII), die zwar in der Regel maßgebenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft haben, die aber nicht unmittelbar am Ertrag des Unternehmens teilhaben.

28

Schließlich durfte der Gesetzgeber hinsichtlich der Funktion der Verletztenrente zutreffend davon ausgehen, dass beim Personenkreis der landwirtschaftlichen Unternehmer und ihrer Ehegatten oder Lebenspartner regelmäßig bei Verletzungen, die eine MdE von weniger als 30 vH bedingen, kein Erwerbsschaden durch die Verletzungsfolgen eintritt, sondern bei den niedrigen Erwerbsminderungsstufen (MdE 20 vH und 25 vH) ausschließlich immaterielle Schäden ausgeglichen werden (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Drucks 16/6984 S 15; vgl hierzu auch BVerfG vom 7.11.1972 - 1 BvL 4/71 ua - BVerfGE 34,118 = SozR Nr 95 zu Art 3 GG). Die Verletztenrente kompensiert neben ihrer Einkommensersatzfunktion auch immaterielle Schäden. Der monatliche Wert des Rechts auf Verletztenrente wird nach dem sog Prinzip der abstrakten Schadensberechnung (vgl hierzu und zur Rechtsnatur der Verletztenrente umfassend Scholz in Schlegel/Voelzke, JurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014 § 56 RdNr 17 ff und Kranig in Hauck/Noftz, K § 56 SGB VII, Stand Februar 21018, RdNr 3 ff)allein nach dem Maß der eingetretenen Beeinträchtigung der Gesundheit (Verlust an körperlicher, geistiger oder seelischer Integrität) unabhängig davon ermittelt, ob und inwieweit konkrete materielle und immaterielle Schäden infolge der Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten sind. Von den konkreten Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigungen auf Erwerbseinkommen oder Vermögen etc wird also "abstrahiert", insbesondere davon, welche Verdiensteinbußen tatsächlich durch den Versicherungsfall hervorgerufen werden (vgl zB BSG vom 24.2.1977 - 8 RU 58/76 - BSGE 43, 208, 209 = SozR 2200 § 581 Nr 10). Ausgehend von einem landwirtschaftlichen Betrieb, der als Familienbetrieb geführt wird, durfte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass eine geringe MdE von weniger als 30 vH in der Regel noch keine Auswirkungen auf die konkrete Einkommenssituation dieses Betriebs hat. Dafür spricht auch, dass für Landwirte und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten bzw Lebenspartner Grundlage für die Bemessung der Höhe der Verletztenrente - abweichend von der gewerblichen Unfallversicherung - nicht der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst, sondern gemäß § 93 Abs 1 SGB VII ein Festbetrags-Jahresarbeitsverdienst ist, der grundsätzlich jährlich angepasst wird und weit unter dem tatsächlichen Ertrag des Betriebs liegen kann.

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cc) Der Gesetzgeber war bei Zugrundelegung des Maßstabs des Art 14 GG iVm dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleiteten Vertrauensschutzprinzip verfassungsrechtlich auch nicht gehalten, von der Anwendung des § 80a Abs 1 S 1 SGB VII diejenigen Unternehmer auszunehmen, bei denen die der BK zugrunde liegende Erkrankung bereits vor Inkrafttreten des LSVMG und Eintritt des Versicherungsfalls eingetreten ist. Der Anwendungszeitpunkt der Norm beruht auf einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und den schutzwürdigen Interessen des betroffenen Personenkreises und ist nicht unverhältnismäßig (vgl BVerfG vom 10.5.1983 - 1 BvR 820/79 - BVerfGE 64, 87; BVerfG vom 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272).

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Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Abwägung sind die Anforderungen, die an die Zulässigkeit einer tatbestandlichen Rückanknüpfung zu stellen sind. Dieser Rückwirkungstatbestand ist gegeben, wenn - im Gegensatz zur Rückbewirkung von Rechtsfolgen (sog echte Rückwirkung) - die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm eintreten, ihr Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt" wurden (BVerfG vom 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 - BStBl II 1986, 628; BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerfGE 105, 17). Ist ein Sachverhalt durch die Rechtsordnung geregelt, bezieht der Einzelne in seine Überlegungen auch die Erwartung ein, dass diese Regelung für die Zukunft verbindlich bleibt (BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerfGE 105, 17). Dieses Vertrauen der Versicherten auf den unveränderten Fortbestand einer über viele Jahre gewährten Rechtsposition ist zwar grundsätzlich schützenswert (BVerfG vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271; BVerfG vom 24.3.1998 - 1 BvL 6/92 - BVerfGE 97, 378 - RdNr 36). Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich jedoch nicht geschützt (BVerfG vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 - BVerfGE 105, 17). Die Gewährung vollständigen Schutzes durch ein Fortbestehen der jeweiligen bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl BVerfG vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <348>). Daher ist gerade in der Sozialversicherung die Möglichkeit zur Anpassung an geänderte Verhältnisse angelegt. Im Einzelfall bedarf es einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfG vom 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272).

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Das Inkrafttreten der Regelung am 1.1.2008 hat zur Folge, dass diejenigen landwirtschaftlichen Unternehmer, bei denen zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall bereits eingetreten war, weiterhin eine Verletztenrente auch bei einer MdE von weniger als 30 vH beanspruchen können, während Versicherte, bei denen der Versicherungsfall - möglicherweise allein deshalb, weil die Tätigkeit noch nicht aufgegeben worden ist - noch nicht eingetreten ist, keine Rente bei einer MdE von 20 vH erhalten. Das ist das Ergebnis der vom Gesetzgeber gewählten Stichtagsregelung. Härten, die jeder derartigen Regelung innewohnen, müssen dann hingenommen werden, wenn die Einführung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunkts, orientiert am gegebenen Sachverhalt, damit sachlich vertretbar ist (BVerfG vom 1.7.1981 - 1 BvR 874/77 ua - BVerfGE 58, 81; BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Damit die gesetzliche Neuordnung ihr Ziel in absehbarer Zeit erreichen konnte, bedurfte es einer Stichtagsregelung. Wenn der Gesetzgeber durch die Wahl des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Regelung diejenigen Versicherten, bei denen der Versicherungsfall bereits eingetreten war gegenüber denjenigen, bei denen dies noch nicht der Fall war, bevorzugte, so ist dies nicht zu beanstanden (BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78).

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Dem Ziel des Gesetzgebers, Einsparungen bei den Leistungen der landwirtschaftlichen Unfallversicherung möglichst schnell durchzusetzen, um auf die Reduzierung des Bundeszuschusses zu reagieren, steht als allein denkbare Disposition der landwirtschaftlichen Unternehmer das Unterlassen einer anderweitigen privaten Absicherung gegenüber. Das bloße Unterlassen einer Disposition ist jedoch qualitativ mit der aktiven Gestaltung von Rechtsansprüchen und Vermögenspositionen im Vertrauen auf eine bestehende Rechtslage nicht vergleichbar. Zudem ist nicht erkennbar, inwieweit die alte Rechtslage, welche die Zahlung einer Verletztenrente ab einer MdE von 20 vH vorgesehen hätte, den Kläger daran hinderte, ohnehin ergänzend eine private Versicherung abzuschließen, da auch in der Vergangenheit Einbußen aufgrund einer MdE von weniger als 20 vH nicht abgesichert waren. Zudem ist der von der tatbestandlichen Rückanknüpfung betroffene Personenkreis eng abgegrenzt. In Frage kommen nur diejenigen landwirtschaftlichen Unternehmer, deren BK bereits vor dem 31.12.2007 bekannt war, bei denen der Versicherungsfall aber erst nach dem 1.1.2008 eintrat und denen deshalb zu diesem Zeitpunkt bereits die Möglichkeit zur privaten Vorsorge verschlossen war. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Ziel der Einsparung von Aufwendungen in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung den Vorrang vor dem geringen wirtschaftlichen Interesse der von einer BK betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmer eingeräumt hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.