Bundessozialgericht Beschluss, 21. Feb. 2012 - B 12 SF 7/11 S

bei uns veröffentlicht am21.02.2012

Tenor

Das Sozialgericht Magdeburg wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob ein Arbeitsverhältnis der Klägerin fortbesteht. Die Klägerin war seit dem 20.5.2010 für die Beklagte aufgrund eines bis zum 19.2.2011 befristeten, schriftlichen Arbeitsvertrags als Reinigungskraft tätig. Nachdem ihr zum 9.9.2010 fristlos gekündigt worden war, hat sie, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 16.9.2010 vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Magdeburg Klage erhoben und ua beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 9.9.2010 hinaus ungekündigt fortbestehe. Zur Begründung hat sie unter Vorlage von Kopien des Arbeitsvertrags sowie des Kündigungsschreibens ua ausgeführt, sie lebe "von Hartz IV" und sei auf den "1,00 €-Job" bei der Beklagten angewiesen. Das ArbG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.9.2010 darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des SG Magdeburg gegeben sein könnte, weil die Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag bei der Beklagten in einem "1,00 €-Job" stehe und eine Tätigkeit im Rahmen einer solchen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis begründe, und hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Datum des Schreibens gegeben. Mit einem am 13.10.2010 im Justizzentrum Magdeburg eingegangenen Schreiben vom 11.10.2010, nach Aktenvermerken dem zuständigen Richter vorgelegt am 14.10.2010 und zur Übersendung an die Beklagte zur Post gegeben am 15.10.2010, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich die Beschäftigung bei der Beklagten ohne Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit bzw durch das Jobcenter selbst gesucht habe, keine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vorliege und die Zuständigkeit des ArbG gegeben sein dürfte.

2

Mit Beschluss vom 14.10.2010 hat das ArbG den "Rechtsweg zum Arbeitsgericht" für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Magdeburg verwiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, für Streitigkeiten, die - wie hier - nicht aus einem Arbeitsverhältnis, sondern aus einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herrührten, seien nicht die ArbGe, sondern die SGe zuständig. Gegen diesen am selben Tag zur Post gegebenen Beschluss haben die Beteiligten nach dessen Zustellung trotz entsprechender Belehrung kein Rechtsmittel eingelegt.

3

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 27.6.2011 den Rechtsweg zu den SGen für unzulässig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des Rechtswegs vorgelegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Verweisung des ArbG sei nicht bindend, weil sie mangels Rechtsgrundlage willkürlich und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erfolgt sei.

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor.

5

Das zuständige Gericht wird in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG auch bei einem negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt vom BSG bestimmt, sofern sich - wie hier - die beiden beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und das BSG als für einen der beteiligten Rechtszweige zuständiger oberster Gerichtshof zuerst um die Entscheidung angegangen wird(vgl BSG SozR 1500 § 58 Nr 4; BSG Beschlüsse vom 11.10.1988 - 1 S 14/88 - MDR 1989, 189 und vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

6

Zum zuständigen Gericht ist das SG Magdeburg zu bestimmen, weil dieses an den rechtskräftigen Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 gebunden ist.

7

Gemäß § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs für das Gericht, an das verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über den Rechtsweg zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG(vgl BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

8

Danach ist der von den Beteiligten nicht angefochtene Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für das SG bindend. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht kommt, liegen hier entgegen der Auffassung des SG nicht vor.

9

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wegen der von § 17a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten(vgl BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr 29)allenfalls bei krassen Rechtsverletzungen in Betracht, etwa wenn der Beschluss dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) entfernt, so dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, nämlich wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (vgl zB BGH Beschluss vom 18.5.2011 - X ARZ 95/11 - WM 2011, 1281; BFH Beschluss vom 14.10.2005 - VI S 17/05 - BFH/NV 2006, 329 mwN; BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - aaO). Ein zur Durchbrechung der Bindungswirkung führender Rechtsverstoß wird verneint, wenn allein der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde und dieser Verstoß mit einem Rechtsmittel gegen den Verweisungsbeschluss hätte gerügt werden können, hiervon jedoch abgesehen wurde (vgl BGH Beschluss vom 8.7.2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990; vgl aber auch BAG Beschluss vom 9.2.2006 - 5 AS 1/06 - NJW 2006, 1371 mwN). Für die Durchbrechung der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wegen örtlicher Unzuständigkeit bei einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Senat entschieden, dass nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) eine fehlende Bindung allenfalls dann noch angenommen werden kann, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs von einem der Beteiligten innerhalb angemessener Frist nach Zustellung des Beschlusses geltend gemacht wird. Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das verweisende Gericht ist deshalb nicht ohne Rüge von dem Gericht, an das verwiesen worden ist, zu prüfen und kann ohne vorhergehende Rüge im Rahmen einer Vorlage zur Entscheidung nach § 58 SGG keine vom Verweisungsbeschluss abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts rechtfertigen(vgl BSG SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7). Dies gilt auch bei einer Verweisung wegen der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses gemäß § 17a Abs 4 S 4 GVG kann auch hier eine Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung wegen einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör allenfalls dann in Betracht kommen, wenn einer der Beteiligten sich auf diesen Verfahrensverstoß beruft. In seiner Entscheidung vom 16.9.2009 (B 12 SF 7/09 S - juris) hat der Senat im Übrigen offengelassen, ob in Verfahren zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts, in denen ein nach Maßgabe von § 17a Abs 4 S 4 GVG mit Rechtsmitteln angreifbarer Verweisungsbeschluss - wie hier - vorliegt, dieser überhaupt nach den Maßstäben überprüfbar ist, die von der Rechtsprechung für Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit angewandt werden(vgl hierzu BSG SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15 und SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S, vom 10.3.2010 - B 12 SF 2/10 S - und vom 3.12.2010 - B 12 SF 7/10 S). Dies kann auch hier offenbleiben, weil die Entscheidung des ArbG nicht willkürlich ist. Auch steht der Bindungswirkung eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht entgegen.

10

Weder der Begründung des Verweisungsbeschlusses noch den sonstigen Umständen ist zu entnehmen, dass die Verweisung auf einem willkürlichen Verhalten des abgebenden Gerichts beruhte. Allein eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Anwendung von § 48 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 17a Abs 2 GVG, § 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG sowie § 16 Abs 3 SGB II bzw § 16d SGB II aufgrund unzutreffender Tatsachengrundlagen führt hier nicht zur Durchbrechung der Bindungswirkung. Die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen durch das ArbG stellt sich nicht als willkürlich, dh unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar, unverständlich und offensichtlich unhaltbar dar. Das ArbG ist aufgrund der Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Zuständigkeit eines ArbG, sondern der Rechtsweg zu den SGen gegeben sei. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die Zuständigkeit des ArbG für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis begründet sei und dass nach § 16 Abs 3 SGB II in der vom 1.1.2005 bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung bzw § 16d SGB II in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Sinne dieser Vorschriften kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründe. Ergänzend hat es sich dazu auf die Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92 = NZA 2007, 53 und Urteil vom 20.2.2008 - 5 AZR 290/07 - DB 2008, 1159) gestützt. Aus den Angaben im letzten Absatz der Klageschrift vom 14.9.2010 hat es geschlossen, dass die Klägerin nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, sondern eines sog 1-Euro-Jobs tätig geworden sein könnte. Auch wenn zusätzlich ein Arbeitsvertrag in Kopie vorgelegt worden ist, war es nicht völlig unvertretbar, aufgrund des Vorbringens der durch eine Rechtsanwältin vertretenen Klägerin das Vorliegen eines sog 1-Euro-Jobs in Betracht zu ziehen. Nachdem die Beteiligten hierauf hingewiesen worden waren und innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme erfolgte, war der Schluss nicht unvertretbar, es habe tatsächlich eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II bestanden. Es kann deshalb nicht als willkürliches Verhalten gewertet werden, dass die Kammer des ArbG unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter am 14.10.2010 den Rechtsweg nicht zu den ArbGen, sondern zu den SGen als gegeben angesehen und den Rechtsstreit durch Beschluss verwiesen hat. Zwar hat die Klägerin nach Ablauf der gesetzten Frist mit Schreiben vom 11.10.2010, eingegangen beim Justizzentrum Magdeburg am 13.10.2010, darauf hingewiesen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege, weil sie sich die Tätigkeit ohne Vermittlung selbst gesucht habe; dieses Schreiben wurde dem zuständigen Richter jedoch nach einem Aktenvermerk erst am 14.10.2010 und - wie die Abfolge der abgehefteten Schriftstücke in der Gerichtsakte nahelegt und wovon auch das SG ausgeht - erst nach Beschlussfassung und möglicherweise auch erst nach Aufgabe des Beschlusses zur Post vorgelegt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass die Kammer des ArbG den Inhalt dieses Schriftsatzes bei ihrer Beschlussfassung kannte.

11

Entgegen der Auffassung des SG entfällt die Bindungswirkung auch nicht deshalb, weil das ArbG bei der Beschlussfassung elementare Verfahrensgrundsätze missachtet haben könnte. Es kann dahinstehen, ob der Beschluss, wie das SG meint, unter Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör ergangen ist, weil das ArbG den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 11.10.2010 nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Kammerentscheidung nicht berücksichtigt hat. Denn eine Durchbrechung der Bindungswirkung durch diesen Verfahrensverstoß käme - wie oben ausgeführt - allenfalls in Betracht, wenn sich ein Beteiligter hierauf berufen hätte. Dies ist hier nicht erfolgt.

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Tenor Das Sozialgericht Cottbus wird zum zuständigen Gericht bestimmt. Gründe 1 I.

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(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt,

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist,
2.
wenn mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist,
3.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben,
4.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben,
5.
wenn eine örtliche Zuständigkeit weder nach den §§ 57 bis 57b noch nach einer anderen gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gegeben ist.

(2) Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht und jeder am Rechtsstreit Beteiligte das im Rechtszug höhere Gericht anrufen, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt,

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist,
2.
wenn mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist,
3.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben,
4.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben,
5.
wenn eine örtliche Zuständigkeit weder nach den §§ 57 bis 57b noch nach einer anderen gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gegeben ist.

(2) Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht und jeder am Rechtsstreit Beteiligte das im Rechtszug höhere Gericht anrufen, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Gründe

I.

1

Die Klägerin reichte im November 2009, vertreten durch ihren Sohn, beim Verwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen das Amtsgericht Celle wegen Untätigkeit in einer Grundbuch- und Betreuungsangelegenheit ein.

2

Das Verwaltungsgericht kündigte den Beteiligten mit der Eingangsbestätigung die beabsichtigte Verweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Celle an, der der Bevollmächtigte der Klägerin widersprach. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 erklärte das Verwaltungsgericht Lüneburg den Verwaltungsrechtsweg mangels öffentlich-rechtlicher Streitigkeit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO für unzulässig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Celle.

3

Das Amtsgericht Celle lehnte die Übernahme des Verfahrens mit Beschluss vom 21. Januar 2010 ab und legte das Verfahren dem Oberlandesgericht Celle zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Der Verweisungsbeschluss sei willkürlich und schlechthin abwegig. Mit Beschluss vom 27. Januar 2010 bestimmte das Oberlandesgericht Celle das Verwaltungsgericht Lüneburg gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO analog als zuständiges Gericht. Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2009 sei entgegen § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht bindend, weil er auf objektiver Willkür beruhe. Die Streitigkeit sei öffentlich-rechtlich, denn die Klage ziele darauf ab, dass das Verwaltungsgericht in einer Grundbuchangelegenheit auf das Amtsgericht einwirken solle.

4

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat die Sache mit Beschluss vom 9. Februar 2010 dem Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

5

Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht Lüneburg und dem Amtsgericht Celle zuständig. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO. Danach wird ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist. Auf den hier vorliegenden Kompetenzkonflikt zwischen einem Amtsgericht und einem Verwaltungsgericht lässt sich diese Vorschrift zwar weder unmittelbar anwenden noch gibt es dafür eine sonstige gesetzliche Regelung. Die somit gegebene Regelungslücke ist - im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts - in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste Bundesgericht den negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (Beschlüsse vom 26. Februar 2009 - BVerwG 2 AV 1.09 - juris und vom 5. März 1993 - BVerwG 11 ER 400.93 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 21; BHG, Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01 - NJW 2001, 3631; BSG, Beschluss vom 16. September 2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

6

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Januar 2010 steht der Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht mangels sachlicher Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht entgegen. Zwar sieht § 36 Abs. 2 ZPO vor, dass die Zuständigkeitsbestimmung durch ein Oberlandesgericht erfolgt, wenn das für die Bestimmung an sich zuständige zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof wäre. Diese Vorschrift ist aber auf Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige weder unmittelbar noch analog anwendbar (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01 - a.a.O.).

7

Für die Klage ist das Amtsgericht Celle zuständig. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist durch den von den Beteiligten nicht mit der Beschwerde angefochtenen und inzwischen unanfechtbaren Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend festgestellt. Die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG tritt selbst bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss, etwa bei gesetzwidriger Verweisung oder entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG fehlender Begründung, ein. Die die Bindungswirkung allgemein einschränkende Rechtsprechung zum Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO kann nicht übernommen werden (Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 17 Rn. 39). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung trotz des in § 17a Abs. 4 Satz 3 ff. GVG vorgesehenen Instanzenzuges ist in Anbetracht der von § 17a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeit allenfalls bei extremen Rechtsverstößen möglich, etwa wenn sich die Verweisungsentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann jedoch allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990 m.w.N.)

8

Ein solcher Sachverhalt liegt hier offensichtlich nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs zu Recht verneint. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die vorliegende Klage zielt erkennbar darauf, dass das Amtsgericht Celle in einer Grundbuch- und Betreuungsangelegenheit tätig werden möge. Diese Sachgebiete fallen offensichtlich in die Zuständigkeit der Zivilgerichte (vgl. § 13 GVG). Darauf, dass die Klägerin - wie das Amtsgericht und das Oberlandesgericht betonen - ein "hoheitliches" Einwirken des Verwaltungsgerichts auf das Amtsgericht Celle begehrt, kommt es nicht an. Für die Rechtswegeröffnung ist allein die wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses und nicht die rechtliche Qualifizierung durch den Kläger maßgeblich.

9

Das bedeutet - entgegen der Befürchtung des Amtsgerichts Celle - nicht, dass jeglicher "vor anderen Gerichten vorgebrachter querulatorischer und unverständlicher Sachvortrag in einem amtsgerichtlichen Verfahren zu bescheiden wäre". Eine Verweisung kommt nur in Betracht, wenn zumindest in groben Zügen das den Rechtsweg kennzeichnende Rechtsgebiet erkennbar ist. Es ist dann Sache des Gerichts dieses Rechtswegs, über die Zulässigkeit des Begehrens zu entscheiden.

10

Dem zuständigen Gericht bleibt es auch vorbehalten, mit Blick auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 5. März 2010 die Wirksamkeit der Klageerhebung bzw. der Klagerücknahme zu überprüfen.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 95/11
vom
18. Mai 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat das Arbeitsgericht mit der Begründung, mit der Klage würden in die Zuständigkeit
des Insolvenzgerichts fallende Einwendungen nach § 89 Abs. 2
InsO geltend gemacht, die Vollstreckungsgegenklage fehlerhaft an das Amtsgericht
verwiesen, so ist die unanfechtbar gewordene Verweisung hinsichtlich
des Rechtswegs bindend. Eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts wird hierdurch
jedoch nicht begründet.
BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11 - AG Reinbek
ArbG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver,
die Richterin Mühlens, den Richter Dr. Grabinski und die Richterin Schuster

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Reinbek.

Gründe:


1
I. Die Beklagte hat gegen den Insolvenzschuldner Jacek G. eine durch Vollstreckungsbescheid rechtskräftig titulierte Forderung. Auf der Grundlage dieses Titels wurden mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Reinbek die gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Kläger, seinen Arbeitgeber, gepfändet. Der Kläger verweigerte die Zahlung. Daraufhin erhob die Beklagte Klage beim Arbeitsgericht Hamburg, das den Kläger zur Zahlung verurteilte. Die dagegen gerichtete Berufung wurde zurückgewiesen.
2
Der Kläger hat daraufhin vor dem Arbeitsgericht Hamburg Vollstreckungsgegenklage erhoben, mit der er inhaltlich Einwände gemäß § 89 InsO geltend macht. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit durch unangefochten gebliebenen Beschluss an das Amtsgericht Hamburg verwiesen. Dieses hat sich für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Rein- bek verwiesen, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist. Das Amtsgericht Reinbek - Insolvenzgericht - hält sich für sachlich unzuständig und hat das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es vertritt den Standpunkt, der rechtskräftige Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hamburg entfalte ausnahmsweise keine Bindungswirkung. Er stelle eine krasse Rechtsverletzung dar. Eine Entscheidung des Insolvenzgerichts als Zwangsvollstreckungsgericht über die Vollstreckungsgegenklage müsste gemäß § 18 RPflG zum einen durch den Rechtspfleger erfolgen. Zum anderen sei verfahrensrechtlich eine Entscheidung nur durch Beschluss möglich. Vollstreckungsgegenklagen seien hingegen von einem Richter in Urteilsform zu entscheiden.
3
II. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zulässig.
4
1. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; Beschluss vom 30. Juli 2009 - Xa ARZ 167/09, NJW-RR 2010, 209 Rn. 6).
5
2. Der Antrag ist statthaft.
6
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar (BGH, aaO).
7
Ein nach § 17a Abs. 2 GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Wenn sich das Gericht, an das die Sache verwiesen wurde, jedoch an den Verweisungsbeschluss nicht für gebunden hält, kommt eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO grundsätzlich in Betracht.
8
III. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Reinbek zu bestimmen.
9
1. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Reinbek ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. Die Voraussetzungen, unter denen ein Verweisungsbeschluss , der nicht mit dem zulässigen Rechtsmittel angefochten worden ist, ausnahmsweise nicht bindend wirkt, liegen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung der Rechtswegverweisung allenfalls bei "extremen Verstößen" denkbar (BGH, Beschluss vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990, 2991), etwa wenn sich die Verweisungsentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, d.h. wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (BVerfGE 29, 45, 49; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2000 - III ZB 33/99, BGHZ 144, 21, 25; Beschluss vom 5. Oktober 1982 - X ZB 4/82, BGHZ 85, 116, 118 f.; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 9. Februar 2006, 5 AS 1/06, NJW 2006, 1371).

10
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass mit der Klage Einwendungen gemäß § 89 InsO geltend gemacht werden. Dies trifft zu. Ob die Vollstreckungsgegenklage hierfür die richtige Klageart ist oder wie die Einwendungen ansonsten geltend gemacht werden können, ist zwar, wie das Amtsgericht Reinbek insoweit zutreffend gesehen hat, für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unmaßgeblich. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg ist indessen nicht schlechthin unhaltbar oder gar willkürlich. Denn die Begründung der Vollstreckungsgegenklage ist auf insolvenzrechtliche Einwendungen gestützt, über die die Zivilgerichte zu entscheiden haben. Ob die Begründung , die das Arbeitsgericht seiner Entscheidung beigegeben hat, inhaltlich richtig ist, ist nicht zu entscheiden. Die Erwägungen des Arbeitsgerichts können jedenfalls nicht als völlig sachfremd oder gar willkürlich angesehen werden mit der Folge, dass die Rechtswegverweisung trotz der inzwischen eingetretenen Unanfechtbarkeit als unwirksam anzusehen wäre.
11
Die Unhaltbarkeit der Entscheidung des Arbeitsgerichts ergibt sich auch nicht daraus, dass über die Vollstreckungsgegenklage der Richter durch Urteil zu entscheiden hat, während die Entscheidung über Einwendungen nach § 89 InsO dem Rechtspfleger übertragen ist und durch Beschluss erfolgt. Denn da die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für die Vollstreckungsgegenklage nicht begründet ist, hat das Amtsgericht über diese durch eine Zivilabteilung zu entscheiden. Das Arbeitsgericht hat bindend nur über den Rechtsweg entschieden (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG) und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Hamburg verwiesen. Eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts wird hierdurch nicht begründet.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Grabinski Schuster
Vorinstanz:
AG Reinbek, Entscheidung vom 25.03.2011 - 8 IN 142/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 138/03
vom
8. Juli 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die durch § 17 a Abs. 4 GVG eröffnete Beschwerdemöglichkeit schließt es
auch bei einem schwerwiegenden Rechtsfehler (hier: Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör) grundsätzlich aus, die Begründungwirkung der
Verweisung des Rechtsstreits an das Gericht eines anderen Rechtswegs zu
durchbrechen.
BGH, Beschluß vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die
Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
am 8. Juli 2003

beschlossen:
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe:


I. Der Kläger hat beim Arbeitsgericht Lüneburg Klage erhoben und die Feststellung beantragt, daß das von ihm behauptete Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten nicht durch fristlose Kündigung des Beklagten beendet worden sei. Darüber hinaus hat der Kläger beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Arbeitslohn zu verurteilen. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe mit dem Beklagten einen mündlichen Vertrag geschlossen, demzufolge er ab dem 1. August 2002 für ein monatliches Nettogehalt von 2.200,-- hrer des einzelkaufmännischen Unternehmens des Beklagten tätig sein sollte.
Das Arbeitsgericht hat den zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten durch Versäumnisurteil antragsgemäß verurteilt. Dagegen hat der Beklagte Einspruch eingelegt und vorgetragen, zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis, sondern eine "bedingte Partnerschaft" bestanden; diese habe er aufgekündigt.

Das Arbeitsgericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch bestimmt und das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet. Außerdem hat es den Parteien aufgegeben, zu den Einzelheiten ihres Vertragsverhältnisses näher vorzutragen; dieser Aufforderung ist nur der Kläger nachgekommen.
Zur mündlichen Verhandlung ist der anwaltlich vertretene Kläger persönlich nicht erschienen. Der vom Gericht zu der Art der Zusammenarbeit mit dem Kläger befragte Beklagte hat erklärt, er habe dem Kläger eine 50-prozentige Beteiligung an seinem Unternehmen vorgeschlagen, wenn er ihm helfe; von einem Arbeitsvertrag sei nie die Rede gewesen.
Nach einem Hinweis an die Parteien, daß unter diesen Umständen auch eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht zu erwarten sei, hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit mit einem am Schluß der Sitzung verkündeten und von den Parteien nicht angefochtenen Beschluß an das Landgericht Stande verwiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht gegeben, weil der Kläger nicht als Arbeitnehmer in Sinne des § 2 ArbGG anzusehen sei. Der Beklagte habe die die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts begründenden Umstände in der mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil substantiiert bestritten. Zu diesem Einwand habe sich der unentschuldigt nicht erschienene Kläger nicht erklären können. Als Folge davon sei der Vortrag des Beklagten als zugestanden zu werten; jedenfalls fehle es an einem substantiierten Gegenvorbringen des Klägers.
Das Landgericht hat sich ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des Rechtswegs vorgelegt.
II. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht gegeben.
1. Für Entscheidungen über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs trifft § 17 a GVG eine eigenständige Regelung, die einen Streit zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschließen soll (Sen.Beschl. v. 9.4.2002 - X ARZ 24/02, NJW 2002, 2474; v. 12.3.2002 - X ARZ 314/01, BGH-Report 2002, 749; v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, WM 2002, 406). Wenn das angerufene Gericht den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Außerdem sieht das Gesetz vor, daß die Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin in einem Instanzenzug überprüft werden kann, denn anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit (§ 281 ZPO) unterliegt der nach § 17 a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluß der sofortigen Beschwerde (§ 17 a Abs. 4 GVG). Hieraus ist abzuleiten, daß ein nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangener Beschluß, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung entzogen ist. Die Regelung in § 17 a Abs. 5 GVG bestätigt dies (Sen.Beschl. v. 9.4.2002 aaO). Angesichts dieser Rechtslage besteht die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (BGHZ 144, 21, 24; Sen.Beschl. v. 9.4.2002 aaO).
Wenn ein Gericht nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG rechtskräftig ausgesprochen hat, daß der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, bedarf es
deshalb einer Bestimmung durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung, der eine Bestimmung durch ein Obergericht oder eines Obersten Gerichtshof im Falle eines Streits zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht (Sen.Beschl. v. 13.11.2001 aaO; v. 12.3.2002 aaO).
Auch der Streit zwischen dem Arbeitsgericht Lüneburg und dem Landgericht Stade ist hiermit entschieden. Das Landgericht Stade ist das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, weil der Rechtsstreit durch den unangefochtenen und nunmehr unanfechtbaren Beschluß des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 6. Februar 2002 mit der sich aus § 17 b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, daß der Rechtsstreit nunmehr beim Landgericht Stade anhängig ist.
2. Im vorliegenden Fall kann wie bislang in der Rechtsprechung des Senats unentschieden bleiben, ob trotz des in § 17 a Abs. 4 GVG vorgesehenen Instanzenzuges ein rechtskräftiger Beschluß nach § 17 a Abs. 2 GVG ausnahmsweise das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs nicht bindet (vgl. dazu Sen.Beschl. v. 13.11.2001 aaO; BAG, Beschl. v. 22.7.1998 - 5 AS 17/98, NZA 1998, 1190). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ist in Anbetracht der durch § 17 a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeit allenfalls bei "extremen Verstößen" denkbar (Sen.Beschl. v. 13.11.2001 aaO; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 8.11.1994 - 9 AV 1.94, DVBl. 1995, 572), etwa wenn sich die Verweisungsentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen soweit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, daß sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist (BGHZ 144, 21, 25; BVerfG, Beschl. v. 26.8.1991
- 2 BvR 121/90, NJW 1992, 359, 361). Hiervon kann jedoch allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerfGE 29, 45, 49; vgl. auch Senat, BGHZ 85, 116, 118 f.; BFH, Beschl. v. 23.4.1991 - VII B 221/90, RPfl. 1992, 82). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.
Dabei kann dahinstehen, ob das Arbeitsgericht - wie das Landgericht meint - dadurch, daß es nicht auf das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers, sondern allein auf seine fehlende Äußerung in der mündlichen Verhandlung abgestellt hat, den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Dies hätte der Kläger mit der sofortigen Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluß rügen können; wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, sondern die Verweisung hingenommen hat, besteht kein Anlaß, deswegen das Landgericht als hinsichtlich seiner durch die Verweisung begründeten Zuständigkeit nicht gebunden anzusehen.
3. Die Vorlage gibt auch keine Veranlassung, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise einen Ausspruch zur Rechtswegzuständigkeit vorzunehmen, weil dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig wäre. Zwar ist ein solcher Ausspruch zu der sich aus § 17 a GVG ergebenden Rechtswegzuständigkeit möglich, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (Sen.Beschl. v. 26.7.2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631) oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, daß der Rechtsstreit von diesem nicht prozeßordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17 b Abs. 1
GVG vor ihm anhängig ist (Sen.Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, WM 2002, 406, 407). Derartige Annahmen finden jedoch allein in der Vorlage der Sache durch das Landgericht keine hinreichende Grundlage.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt,

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist,
2.
wenn mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist,
3.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben,
4.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben,
5.
wenn eine örtliche Zuständigkeit weder nach den §§ 57 bis 57b noch nach einer anderen gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gegeben ist.

(2) Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht und jeder am Rechtsstreit Beteiligte das im Rechtszug höhere Gericht anrufen, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Tatbestand

1

Mit einem am 30.12.2009 beim Sozialgericht (SG) Mainz eingegangenen Schriftsatz beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für ein in seinem Eigentum stehendes und im Zuständigkeitsbereich des SG Mainz belegenes Haus zu gewähren. Hierzu gab er an, seit 31.10.2009 obdachlos zu sein und sich in S. aufzuhalten. In der Antragserwiderung teilte die Antragsgegnerin mit, der Antragsteller habe sich ohne festen Wohnsitz gemeldet, sich vom 7. bis zum 14.12.2009 täglich den Tagessatz auszahlen lassen und am 15.12.2009 bei der ARGE S. angemeldet, von der er seitdem Leistungen beziehe. Dort habe er erklärt, sein Haus werde zum Verkauf angeboten und er wolle vorerst in S. bleiben. Am 19.1.2010 bat der Antragsteller das SG Mainz telefonisch, ihm Post an ein bei der ARGE S. eingerichtetes Postfach zu senden, da er sich in seinem Haus nicht aufhalten könne. Tagsüber halt er sich in der Notunterkunft der C. S. auf.

2

Mit Verfügung vom 27.1.2010 hat das SG Mainz die Beteiligten zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das SG für das Saarland angehört. Daraufhin erklärte der Antragsteller mit Schreiben vom 2.2.2010, hiermit nicht einverstanden zu sein und innerhalb von drei Tagen wieder in die P. zurückkehren zu wollen. Die Post solle zukünftig wieder an die Anschrift seines Hauses gesandt werden, wobei er nicht sagen könne, wann er diese nachschauen könne.

3

Mit Beschluss vom 5.2.2010 hat das SG Mainz sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG für das Saarland verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei auch nicht wegen eines bereits anhängigen Rechtsstreits als Gericht der Hauptsache für den Erlass der einstweiligen Anordnung zuständig, da die Verfahren unterschiedliche Gegenstände beträfen.

4

Mit Beschluss vom 10.2.2010 hat das SG für das Saarland das Verfahren dem Bundessozialgericht (BSG) zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt, da die Verweisung durch das SG Mainz willkürlich sei. Das SG Mainz habe trotz der Stellungnahme des Antragstellers verkannt, dass dieser weiterhin seinen Wohnsitz am Ort seines Hauses gehabt habe und dass sich die örtliche Zuständigkeit zuerst danach und nur nachrangig nach dem Aufenthaltsort richte.

Entscheidungsgründe

5

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor. Es ist als gemeinsam nächsthöheres Gericht im Sinne dieser Vorschrift zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem SG Mainz und dem SG für das Saarland berufen, nachdem das SG Mainz seine örtliche Zuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an das SG für das Saarland verwiesen hat, dieses Gericht sich jedoch ebenfalls nicht für örtlich zuständig hält, sondern weiterhin das SG Mainz mangels Bindungswirkung als zuständig ansieht. Das SG für das Saarland konnte von einem eigenen Verweisungsbeschluss absehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts anrufen (vgl BSG, Beschluss vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2).

6

Zum zuständigen Gericht ist das SG für das Saarland zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Mainz vom 5.2.2010 gebunden ist.

7

Gemäß § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über den Anwendungsbereich von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG.

8

Ausnahmsweise kommt dem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht (vgl BSG, Beschlüsse vom 25.2.1999, B 1 SF 9/98 S, SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, vom 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15, und vom 8.5.2007, B 12 SF 3/07 S, SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4, sowie Bundesverfassungsgericht vom 19.12.2001, 1 BvR 814/01, NVwZ-RR 2002, 389). Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Art 3 Abs 1 GG verletzt. Allein ein offensichtlicher Irrtum eines Gerichts lässt die Bindungswirkung nicht entfallen. Danach ist für eine vom Verweisungsbeschluss des SG Mainz abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen SG kein Raum.

9

Das SG für das Saarland ist danach bereits deshalb für die Entscheidung örtlich zuständig, weil der Verweisungsbeschluss des SG Mainz nach § 98 Satz 1 SGG, § 17a Abs 2 GVG unanfechtbar (§ 98 Satz 2 SGG) und für das SG für das Saarland bindend ist (§ 17a Abs 1 GVG). Der Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze, soweit sie hier zu beachten sind. Die knappe Begründung des Beschlusses ist kein solcher Verstoß.

10

Die Entscheidung des SG Mainz ist auch nicht willkürlich. Selbst wenn das SG Mainz möglicherweise die Vorschrift des § 57 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG fehlerhaft angewandt hat, nach der sich die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts zunächst nach dem Wohnsitz des Klägers zur Zeit der Klageerhebung bzw der Antragstellung richtet und nur in Ermangelung eines Wohnsitzes nach dem Aufenthaltsort, war seine Rechtsauffassung nicht unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt unvertretbar. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er iS des § 30 Abs 3 Satz 1 SGB I (vgl BSG, 17.5.1989, 10 RKg 19/88, BSGE 65, 84, 86) eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ein Wohnsitz wird aufgegeben, wenn die Wohnung aufgelöst oder nicht nur vorübergehend nicht mehr benutzt wird (vgl BSG, 29.5.1991, 4 RA 38/90, SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8) . Hat jemand keinen Wohnsitz, wird auf den Aufenthaltsort abgestellt. Das ist der Ort faktischer Anwesenheit, die nicht "gewöhnlich" iS des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I zu sein braucht, jedoch eine gewisse Dauer haben muss (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 57 RdNr 7 mwN) .

11

Vorstehend bestanden im Zeitpunkt seines Verweisungsbeschlusses (vgl BSG, 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 12) für das SG Mainz konkrete Anhaltspunkte für eine Wohnsitzaufgabe des Klägers im Zeitpunkt der Antragstellung und für einen Aufenthalt von gewisser Dauer in S. So hatte der Antragsteller selbst angegeben, obdachlos zu sein und sich in S. aufzuhalten, wohin er zunächst auch seine Post gesandt bekommen wollte. Dieser Sachverhalt wurde auch durch die Antragsgegnerin bestätigt, die über einen Leistungsbezug in S. und daneben über dort mitgeteilte Bemühungen des Klägers um den Verkauf seines Hauses berichtet hat. Der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Antragstellung hat sich auch nicht durch die mit Schreiben vom 2.2.2010 übermittelte Erklärung des Antragstellers geändert, sich wieder in die P. begeben zu wollen, wenn auch diese Erklärung dem SG Mainz Anlass gegeben hätte, sich mit der Frage der Dauer- und Ernsthaftigkeit der Wohnsitzaufgabe näher auseinanderzusetzen. Dabei wäre jedoch auch zu würdigen gewesen, dass der Antragsteller ausdrücklich darauf hingewiesen hat, nicht sagen zu können, wann er nach der an die Anschrift seines Hauses gesandten Post schauen könne, was darauf schließen lässt, dass er dort nicht wieder einziehen wollte. Die fehlende Auseinandersetzung mit der Frage einer möglicherweise nicht dauerhaften Aufgabe des Wohnsitzes im Zeitpunkt der Antragstellung macht die Verweisung des Rechtsstreits an das SG für das Saarland uU im Ergebnis falsch, jedoch nicht im oben dargelegten Sinne willkürlich, zumal auch andere Umstände, die darauf schließen lassen könnten, dass die Entscheidung des SG Mainz auf sachfremden Erwägungen beruht haben könnte, nicht ersichtlich sind.

Tenor

Das Sozialgericht Stuttgart wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Kosten einer Krankenhausbehandlung im Jahr 2007. Die Krankenkasse hat mit einem am 11.3.2010 beim SG Braunschweig eingegangenen Schreiben Klage wegen Rückforderung dieser von ihr bereits beglichenen Kosten erhoben. Mit Verfügung vom 16.3.2010 hat das SG Braunschweig die Beteiligten zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das SG Hannover oder das SG Stuttgart angehört. Mit Beschluss vom 12.5.2010 hat sich das SG Braunschweig für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Stuttgart verwiesen. Anspruchsgrundlage für den streitigen Vergütungsanspruch sei der gem § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V abgeschlossene Sicherstellungsvertrag zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen. Dieser sei ein Vertrag auf Landesebene iS des § 57a Abs 3 SGG, sodass sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der (baden-württembergischen) Landesregierung richte. Mit Beschluss vom 2.8.2010 hat sich das SG Stuttgart ebenfalls nach Anhörung der Beteiligten für örtlich unzuständig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt, weil die Verweisung willkürlich sei oder auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze beruhe und deshalb nicht binde.

2

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor. Es ist als gemeinsam nächsthöheres Gericht im Sinne dieser Vorschrift zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem SG Braunschweig und dem SG Stuttgart berufen, nachdem das SG Braunschweig seine örtliche Zuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an das SG Stuttgart verwiesen hat, dieses Gericht sich jedoch ebenfalls nicht für örtlich zuständig hält, sondern weiterhin das SG Braunschweig mangels Bindungswirkung als zuständig ansieht. Das SG Stuttgart konnte von einem eigenen Verweisungsbeschluss absehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts anrufen (vgl BSG, Beschluss vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2).

3

Zum zuständigen Gericht ist das SG Stuttgart zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Braunschweig vom 12.5.2010 gebunden ist.

4

Gemäß § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG.

5

Ausnahmsweise kommt dem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht (vgl BSG, Beschlüsse vom 25.2.1999, B 1 SF 9/98 S, SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, vom 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15, und vom 8.5.2007, B 12 SF 3/07 S, SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4, sowie BVerfG vom 19.12.2001, 1 BvR 814/01, NVwZ - RR 2002, 389; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009, B 12 SF 7/09 S, und vom 10.3.2010, B 12 SF 2/10 S). Für eine abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts in Anwendung dieser strengen Maßstäbe, die das BSG in seiner Rechtsprechung ausgeformt hat, ist vorliegend kein Raum. Zwar hat das SG Stuttgart geltend gemacht, dass ein Ausnahmefall vorliege, weil die Verweisung willkürlich sei oder auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze beruhe. Auch unter Berücksichtigung der von ihm benannten Entscheidungen des 1. und des 3. Senats des BSG ist ein Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze jedoch nicht ersichtlich. Die Entscheidung des SG Braunschweig ist auch nicht willkürlich. Allein eine möglicherweise fehlerhafte Anwendung des § 57a Abs 3 SGG durch das SG Braunschweig begründet solche Verstöße nicht.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich zuständig für

1.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen;
2.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt;
3.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
a)
aus dem Arbeitsverhältnis;
b)
über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses;
c)
aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen;
d)
aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen;
e)
über Arbeitspapiere;
4.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern oder ihren Hinterbliebenen und
a)
Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen;
b)
gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien oder Sozialeinrichtungen des privaten Rechts oder Versorgungseinrichtungen, soweit Letztere reine Beitragszusagen nach § 1 Absatz 2 Nummer 2a des Betriebsrentengesetzes durchführen, über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen,
soweit nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist;
5.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern oder ihren Hinterbliebenen und dem Träger der Insolvenzsicherung über Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung nach dem Vierten Abschnitt des Ersten Teils des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung;
6.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Einrichtungen nach Nummer 4 Buchstabe b und Nummer 5 sowie zwischen diesen Einrichtungen, soweit nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist;
7.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Entwicklungshelfern und Trägern des Entwicklungsdienstes nach dem Entwicklungshelfergesetz;
8.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen den Trägern des freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres oder den Einsatzstellen und Freiwilligen nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz;
8a.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Bund oder den Einsatzstellen des Bundesfreiwilligendienstes oder deren Trägern und Freiwilligen nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz;
9.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen;
10.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen behinderten Menschen im Arbeitsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen und den Trägern der Werkstätten aus den in § 221 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch geregelten arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnissen.

(2) Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern,

a)
die ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung oder für einen technischen Verbesserungsvorschlag nach § 20 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen zum Gegenstand haben;
b)
die als Urheberrechtsstreitsachen aus Arbeitsverhältnissen ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer vereinbarten Vergütung zum Gegenstand haben.

(3) Vor die Gerichte für Arbeitssachen können auch nicht unter die Absätze 1 und 2 fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.

(4) Auf Grund einer Vereinbarung können auch bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des Privatrechts und Personen, die kraft Gesetzes allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans der juristischen Person zu deren Vertretung berufen sind, vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden.

(5) In Rechtsstreitigkeiten nach diesen Vorschriften findet das Urteilsverfahren statt.

(1) Zur Eingliederung in Arbeit erbringt die Agentur für Arbeit Leistungen nach § 35 des Dritten Buches. Sie kann folgende Leistungen des Dritten Kapitels des Dritten Buches erbringen:

1.
die übrigen Leistungen der Beratung und Vermittlung nach dem Ersten Abschnitt mit Ausnahme der Leistung nach § 31a,
2.
Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt,
3.
Leistungen zur Berufsausbildung nach dem Vierten Unterabschnitt des Dritten Abschnitts und Leistungen nach § 54a Absatz 1 bis 5,
4.
Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt, mit Ausnahme von Leistungen nach § 82 Absatz 6, und Leistungen nach den §§ 131a und 131b,
5.
Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Ersten Unterabschnitt des Fünften Abschnitts.
Für Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen nach diesem Buch gelten entsprechend
1.
die §§ 112 bis 114, 115 Nummer 1 bis 3 mit Ausnahme berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe sowie § 116 Absatz 1, 2, 5 und 6 des Dritten Buches,
2.
§ 117 Absatz 1 und § 118 Nummer 3 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung,
3.
die §§ 127 und 128 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung.
§ 1 Absatz 2 Nummer 4 sowie § 36 und § 81 Absatz 2 und 3 des Dritten Buches sind entsprechend anzuwenden.

(2) Soweit dieses Buch nichts Abweichendes regelt, gelten für die Leistungen nach Absatz 1 die Regelungen des Dritten Buches mit Ausnahme der Verordnungsermächtigung nach § 47 des Dritten Buches sowie der Anordnungsermächtigungen für die Bundesagentur und mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Arbeitslosengeldes das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 tritt. § 44 Absatz 3 Satz 3 des Dritten Buches gilt mit der Maßgabe, dass die Förderung aus dem Vermittlungsbudget auch die anderen Leistungen nach dem Zweiten Buch nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen darf. Für die Teilnahme erwerbsfähiger Leistungsberechtigter an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses werden Leistungen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 in Verbindung mit § 82 des Dritten Buches nicht gewährt, wenn die betreffende Maßnahme auf ein nach § 2 Absatz 1 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes förderfähiges Fortbildungsziel vorbereitet.

(3) Abweichend von § 44 Absatz 1 Satz 1 des Dritten Buches können Leistungen auch für die Anbahnung und Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung erbracht werden.

(3a) Abweichend von § 81 Absatz 4 des Dritten Buches kann die Agentur für Arbeit unter Anwendung des Vergaberechts Träger mit der Durchführung von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung beauftragen, wenn die Maßnahme den Anforderungen des § 180 des Dritten Buches entspricht und

1.
eine dem Bildungsziel entsprechende Maßnahme örtlich nicht verfügbar ist oder
2.
die Eignung und persönlichen Verhältnisse der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dies erfordern.
§ 176 Absatz 2 des Dritten Buches findet keine Anwendung.

(3b) Abweichend von § 87a Absatz 2 des Dritten Buches erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte auch im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Weiterbildungsgeld, sofern sie die sonstigen Voraussetzungen nach § 87a Absatz 1 des Dritten Buches erfüllen.

(4) Die Agentur für Arbeit als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann die Ausbildungsvermittlung durch die für die Arbeitsförderung zuständigen Stellen der Bundesagentur wahrnehmen lassen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Höhe, Möglichkeiten der Pauschalierung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Erstattung von Aufwendungen bei der Ausführung des Auftrags nach Satz 1 festzulegen.

(5) (weggefallen)

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. § 18d Satz 2 findet Anwendung.

(2) Arbeiten sind zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Arbeiten, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt würden. Ausgenommen sind Arbeiten zur Bewältigung von Naturkatastrophen und sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen.

(3) Arbeiten liegen im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Arbeiten, deren Ergebnis überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dient, liegen nicht im öffentlichen Interesse. Das Vorliegen des öffentlichen Interesses wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das Arbeitsergebnis auch den in der Maßnahme beschäftigten Leistungsberechtigten zugute kommt, wenn sichergestellt ist, dass die Arbeiten nicht zu einer Bereicherung Einzelner führen.

(4) Arbeiten sind wettbewerbsneutral, wenn durch sie eine Beeinträchtigung der Wirtschaft infolge der Förderung nicht zu befürchten ist und Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder verdrängt noch in ihrer Entstehung verhindert wird.

(5) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach diesem Buch, mit denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unmittelbar unterstützt werden kann, haben Vorrang gegenüber der Zuweisung in Arbeitsgelegenheiten.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte dürfen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden. Der Zeitraum beginnt mit Eintritt in die erste Arbeitsgelegenheit. Abweichend von Satz 1 können erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Ablauf der 24 Monate bis zu zwölf weitere Monate in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 und 5 weiterhin vorliegen.

(7) Den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist während einer Arbeitsgelegenheit zuzüglich zum Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 von der Agentur für Arbeit eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen. Die Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und auch kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Vierten Buches; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt sind entsprechend anzuwenden. Für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(8) Auf Antrag werden die unmittelbar im Zusammenhang mit der Verrichtung von Arbeiten nach Absatz 1 erforderlichen Kosten erstattet. Hierzu können auch Personalkosten gehören, die entstehen, wenn eine besondere Anleitung, eine tätigkeitsbezogene Unterweisung oder eine sozialpädagogische Betreuung notwendig ist.

(1) Zur Eingliederung in Arbeit erbringt die Agentur für Arbeit Leistungen nach § 35 des Dritten Buches. Sie kann folgende Leistungen des Dritten Kapitels des Dritten Buches erbringen:

1.
die übrigen Leistungen der Beratung und Vermittlung nach dem Ersten Abschnitt mit Ausnahme der Leistung nach § 31a,
2.
Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt,
3.
Leistungen zur Berufsausbildung nach dem Vierten Unterabschnitt des Dritten Abschnitts und Leistungen nach § 54a Absatz 1 bis 5,
4.
Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt, mit Ausnahme von Leistungen nach § 82 Absatz 6, und Leistungen nach den §§ 131a und 131b,
5.
Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Ersten Unterabschnitt des Fünften Abschnitts.
Für Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen nach diesem Buch gelten entsprechend
1.
die §§ 112 bis 114, 115 Nummer 1 bis 3 mit Ausnahme berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe sowie § 116 Absatz 1, 2, 5 und 6 des Dritten Buches,
2.
§ 117 Absatz 1 und § 118 Nummer 3 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung,
3.
die §§ 127 und 128 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung.
§ 1 Absatz 2 Nummer 4 sowie § 36 und § 81 Absatz 2 und 3 des Dritten Buches sind entsprechend anzuwenden.

(2) Soweit dieses Buch nichts Abweichendes regelt, gelten für die Leistungen nach Absatz 1 die Regelungen des Dritten Buches mit Ausnahme der Verordnungsermächtigung nach § 47 des Dritten Buches sowie der Anordnungsermächtigungen für die Bundesagentur und mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Arbeitslosengeldes das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 tritt. § 44 Absatz 3 Satz 3 des Dritten Buches gilt mit der Maßgabe, dass die Förderung aus dem Vermittlungsbudget auch die anderen Leistungen nach dem Zweiten Buch nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen darf. Für die Teilnahme erwerbsfähiger Leistungsberechtigter an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses werden Leistungen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 in Verbindung mit § 82 des Dritten Buches nicht gewährt, wenn die betreffende Maßnahme auf ein nach § 2 Absatz 1 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes förderfähiges Fortbildungsziel vorbereitet.

(3) Abweichend von § 44 Absatz 1 Satz 1 des Dritten Buches können Leistungen auch für die Anbahnung und Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung erbracht werden.

(3a) Abweichend von § 81 Absatz 4 des Dritten Buches kann die Agentur für Arbeit unter Anwendung des Vergaberechts Träger mit der Durchführung von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung beauftragen, wenn die Maßnahme den Anforderungen des § 180 des Dritten Buches entspricht und

1.
eine dem Bildungsziel entsprechende Maßnahme örtlich nicht verfügbar ist oder
2.
die Eignung und persönlichen Verhältnisse der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dies erfordern.
§ 176 Absatz 2 des Dritten Buches findet keine Anwendung.

(3b) Abweichend von § 87a Absatz 2 des Dritten Buches erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte auch im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Weiterbildungsgeld, sofern sie die sonstigen Voraussetzungen nach § 87a Absatz 1 des Dritten Buches erfüllen.

(4) Die Agentur für Arbeit als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann die Ausbildungsvermittlung durch die für die Arbeitsförderung zuständigen Stellen der Bundesagentur wahrnehmen lassen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Höhe, Möglichkeiten der Pauschalierung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Erstattung von Aufwendungen bei der Ausführung des Auftrags nach Satz 1 festzulegen.

(5) (weggefallen)

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. § 18d Satz 2 findet Anwendung.

(2) Arbeiten sind zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Arbeiten, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt würden. Ausgenommen sind Arbeiten zur Bewältigung von Naturkatastrophen und sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen.

(3) Arbeiten liegen im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Arbeiten, deren Ergebnis überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dient, liegen nicht im öffentlichen Interesse. Das Vorliegen des öffentlichen Interesses wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das Arbeitsergebnis auch den in der Maßnahme beschäftigten Leistungsberechtigten zugute kommt, wenn sichergestellt ist, dass die Arbeiten nicht zu einer Bereicherung Einzelner führen.

(4) Arbeiten sind wettbewerbsneutral, wenn durch sie eine Beeinträchtigung der Wirtschaft infolge der Förderung nicht zu befürchten ist und Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder verdrängt noch in ihrer Entstehung verhindert wird.

(5) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach diesem Buch, mit denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unmittelbar unterstützt werden kann, haben Vorrang gegenüber der Zuweisung in Arbeitsgelegenheiten.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte dürfen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden. Der Zeitraum beginnt mit Eintritt in die erste Arbeitsgelegenheit. Abweichend von Satz 1 können erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Ablauf der 24 Monate bis zu zwölf weitere Monate in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 und 5 weiterhin vorliegen.

(7) Den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist während einer Arbeitsgelegenheit zuzüglich zum Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 von der Agentur für Arbeit eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen. Die Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und auch kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Vierten Buches; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt sind entsprechend anzuwenden. Für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(8) Auf Antrag werden die unmittelbar im Zusammenhang mit der Verrichtung von Arbeiten nach Absatz 1 erforderlichen Kosten erstattet. Hierzu können auch Personalkosten gehören, die entstehen, wenn eine besondere Anleitung, eine tätigkeitsbezogene Unterweisung oder eine sozialpädagogische Betreuung notwendig ist.