Tenor

Das Sozialgericht Cottbus wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. In dem Verfahren geht es um eine Klage auf Erstattung überzahlter Rechtsanwaltsgebühren. Der Kläger hatte dem Beklagten auf einen Kostenfestsetzungsbeschluss hin Rechtsanwalts-gebühren bezahlt. Auf die Erinnerung wurde der Beschluss geändert und durch neuen Kostenfestsetzungsbeschluss die zu erstattende Anwaltsgebühr geringer festgestellt. Der Kläger fordert die danach zu viel gezahlten Rechtsanwaltsgebühren zurück. Der Beklagte verweigert die Rückzahlung. Das zunächst angerufene AG Lübben hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Cottbus verwiesen (Beschluss vom 26.3.2015). Das SG Cottbus hat sich ebenfalls für unzuständig erklärt und beim BSG beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.

2

II. Der Antrag ist zulässig. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG zu bestimmen. Diese Vorschrift ist auch bei einem sogenannten negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige anwendbar, sofern sich die beiden beteiligten Gerichte jeweils für unzuständig erklärt haben (BSG Beschluss vom 1.7.1980 - 1 S 5/80 - SozR 1500 § 58 Nr 4; BSG Beschluss vom 11.10.1988 - 1 S 14/88; BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S). Zwar unterliegt ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung. Doch ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (vgl zur entsprechenden Anwendung von § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO BGH Beschluss vom 14.5.2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 mwN; BGH Beschluss vom 29.4.2014 - X ARZ 172/14 - NJW 2014, 2125). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sowohl das AG Lübben als auch das SG Cottbus den Rechtsweg zum jeweils anderen Gerichtszweig für gegeben halten.

3

Das BSG ist hier als der für einen der beteiligten Gerichtszweige zuständige oberste Gerichtshof für die Bestimmung zuständig, weil es vom SG Cottbus als erster oberster Gerichtshof um die Entscheidung angegangen worden ist.

4

Das SG Cottbus ist zum zuständigen Gericht zu bestimmen. Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs 2 S 3 GVG bindend(so BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - RdNr 4; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - RdNr 7; BGH Beschluss vom 14.5.2013 - X ARZ 167/13 - MDR 2013, 1242; BGH Beschluss vom 29.4.2014 - X ARZ 172/14 - NJW 2014, 2125).

5

Der Verweisungsbeschluss des AG Lübben ist auch nicht unbeachtlich, er leidet nicht an einem schweren Mangel. Es kann offen bleiben, ob im Verfahren zur Bestimmung des Rechtswegs ein Verweisungsbeschluss vorliegt, der nach den Maßstäben überprüfbar ist, die von der Rechtsprechung für Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit angewandt werden (vgl BSG, Beschluss vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4, BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - RdNr 5; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - RdNr 9; BGH Beschluss vom 29.4.2014 - X ARZ 172/14 - NJW 2014, 2125 mwN). Jedenfalls liegt weder der dort vorausgesetzte Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze noch eine objektiv willkürliche Entscheidung des AG vor. Folglich bleibt es bei der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des AG an das SG, das über den geltend gemachten Anspruch zu entscheiden hat (vgl zum ganzen auch BSG Beschluss vom 21.12.2015 - B 4 SF 2/15 R).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 01. Nov. 2016 - B 4 SF 3/16 R

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Beschluss, 01. Nov. 2016 - B 4 SF 3/16 R

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Beschluss, 01. Nov. 2016 - B 4 SF 3/16 R zitiert 4 §§.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 58


(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhi

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Beschluss, 01. Nov. 2016 - B 4 SF 3/16 R zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 01. Nov. 2016 - B 4 SF 3/16 R zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 167/13 vom 14. Mai 2013 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 17a Abs. 2 Die Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ist hinsichtlich des Rechts

Bundessozialgericht Beschluss, 21. Dez. 2015 - B 4 SF 2/15 R

bei uns veröffentlicht am 21.12.2015

Tenor Das Sozialgericht Itzehoe wird zum zuständigen Gericht bestimmt. Gründe 1 I.

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Apr. 2014 - X ARZ 172/14

bei uns veröffentlicht am 29.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X AR Z 1 7 2 /14 vom 29. April 2014 in der Zwangsvollstreckungssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann

Bundessozialgericht Beschluss, 21. Feb. 2012 - B 12 SF 7/11 S

bei uns veröffentlicht am 21.02.2012

Tenor Das Sozialgericht Magdeburg wird zum zuständigen Gericht bestimmt. Gründe 1

Referenzen

(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt,

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist,
2.
wenn mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist,
3.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben,
4.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben,
5.
wenn eine örtliche Zuständigkeit weder nach den §§ 57 bis 57b noch nach einer anderen gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gegeben ist.

(2) Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht und jeder am Rechtsstreit Beteiligte das im Rechtszug höhere Gericht anrufen, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

Tenor

Das Sozialgericht Magdeburg wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob ein Arbeitsverhältnis der Klägerin fortbesteht. Die Klägerin war seit dem 20.5.2010 für die Beklagte aufgrund eines bis zum 19.2.2011 befristeten, schriftlichen Arbeitsvertrags als Reinigungskraft tätig. Nachdem ihr zum 9.9.2010 fristlos gekündigt worden war, hat sie, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 16.9.2010 vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Magdeburg Klage erhoben und ua beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 9.9.2010 hinaus ungekündigt fortbestehe. Zur Begründung hat sie unter Vorlage von Kopien des Arbeitsvertrags sowie des Kündigungsschreibens ua ausgeführt, sie lebe "von Hartz IV" und sei auf den "1,00 €-Job" bei der Beklagten angewiesen. Das ArbG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.9.2010 darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des SG Magdeburg gegeben sein könnte, weil die Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag bei der Beklagten in einem "1,00 €-Job" stehe und eine Tätigkeit im Rahmen einer solchen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis begründe, und hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Datum des Schreibens gegeben. Mit einem am 13.10.2010 im Justizzentrum Magdeburg eingegangenen Schreiben vom 11.10.2010, nach Aktenvermerken dem zuständigen Richter vorgelegt am 14.10.2010 und zur Übersendung an die Beklagte zur Post gegeben am 15.10.2010, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich die Beschäftigung bei der Beklagten ohne Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit bzw durch das Jobcenter selbst gesucht habe, keine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vorliege und die Zuständigkeit des ArbG gegeben sein dürfte.

2

Mit Beschluss vom 14.10.2010 hat das ArbG den "Rechtsweg zum Arbeitsgericht" für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Magdeburg verwiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, für Streitigkeiten, die - wie hier - nicht aus einem Arbeitsverhältnis, sondern aus einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herrührten, seien nicht die ArbGe, sondern die SGe zuständig. Gegen diesen am selben Tag zur Post gegebenen Beschluss haben die Beteiligten nach dessen Zustellung trotz entsprechender Belehrung kein Rechtsmittel eingelegt.

3

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 27.6.2011 den Rechtsweg zu den SGen für unzulässig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des Rechtswegs vorgelegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Verweisung des ArbG sei nicht bindend, weil sie mangels Rechtsgrundlage willkürlich und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erfolgt sei.

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor.

5

Das zuständige Gericht wird in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG auch bei einem negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt vom BSG bestimmt, sofern sich - wie hier - die beiden beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und das BSG als für einen der beteiligten Rechtszweige zuständiger oberster Gerichtshof zuerst um die Entscheidung angegangen wird(vgl BSG SozR 1500 § 58 Nr 4; BSG Beschlüsse vom 11.10.1988 - 1 S 14/88 - MDR 1989, 189 und vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

6

Zum zuständigen Gericht ist das SG Magdeburg zu bestimmen, weil dieses an den rechtskräftigen Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 gebunden ist.

7

Gemäß § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs für das Gericht, an das verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über den Rechtsweg zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG(vgl BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

8

Danach ist der von den Beteiligten nicht angefochtene Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für das SG bindend. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht kommt, liegen hier entgegen der Auffassung des SG nicht vor.

9

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wegen der von § 17a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten(vgl BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr 29)allenfalls bei krassen Rechtsverletzungen in Betracht, etwa wenn der Beschluss dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) entfernt, so dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, nämlich wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (vgl zB BGH Beschluss vom 18.5.2011 - X ARZ 95/11 - WM 2011, 1281; BFH Beschluss vom 14.10.2005 - VI S 17/05 - BFH/NV 2006, 329 mwN; BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - aaO). Ein zur Durchbrechung der Bindungswirkung führender Rechtsverstoß wird verneint, wenn allein der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde und dieser Verstoß mit einem Rechtsmittel gegen den Verweisungsbeschluss hätte gerügt werden können, hiervon jedoch abgesehen wurde (vgl BGH Beschluss vom 8.7.2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990; vgl aber auch BAG Beschluss vom 9.2.2006 - 5 AS 1/06 - NJW 2006, 1371 mwN). Für die Durchbrechung der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wegen örtlicher Unzuständigkeit bei einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Senat entschieden, dass nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) eine fehlende Bindung allenfalls dann noch angenommen werden kann, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs von einem der Beteiligten innerhalb angemessener Frist nach Zustellung des Beschlusses geltend gemacht wird. Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das verweisende Gericht ist deshalb nicht ohne Rüge von dem Gericht, an das verwiesen worden ist, zu prüfen und kann ohne vorhergehende Rüge im Rahmen einer Vorlage zur Entscheidung nach § 58 SGG keine vom Verweisungsbeschluss abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts rechtfertigen(vgl BSG SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7). Dies gilt auch bei einer Verweisung wegen der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses gemäß § 17a Abs 4 S 4 GVG kann auch hier eine Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung wegen einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör allenfalls dann in Betracht kommen, wenn einer der Beteiligten sich auf diesen Verfahrensverstoß beruft. In seiner Entscheidung vom 16.9.2009 (B 12 SF 7/09 S - juris) hat der Senat im Übrigen offengelassen, ob in Verfahren zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts, in denen ein nach Maßgabe von § 17a Abs 4 S 4 GVG mit Rechtsmitteln angreifbarer Verweisungsbeschluss - wie hier - vorliegt, dieser überhaupt nach den Maßstäben überprüfbar ist, die von der Rechtsprechung für Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit angewandt werden(vgl hierzu BSG SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15 und SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S, vom 10.3.2010 - B 12 SF 2/10 S - und vom 3.12.2010 - B 12 SF 7/10 S). Dies kann auch hier offenbleiben, weil die Entscheidung des ArbG nicht willkürlich ist. Auch steht der Bindungswirkung eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht entgegen.

10

Weder der Begründung des Verweisungsbeschlusses noch den sonstigen Umständen ist zu entnehmen, dass die Verweisung auf einem willkürlichen Verhalten des abgebenden Gerichts beruhte. Allein eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Anwendung von § 48 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 17a Abs 2 GVG, § 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG sowie § 16 Abs 3 SGB II bzw § 16d SGB II aufgrund unzutreffender Tatsachengrundlagen führt hier nicht zur Durchbrechung der Bindungswirkung. Die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen durch das ArbG stellt sich nicht als willkürlich, dh unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar, unverständlich und offensichtlich unhaltbar dar. Das ArbG ist aufgrund der Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Zuständigkeit eines ArbG, sondern der Rechtsweg zu den SGen gegeben sei. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die Zuständigkeit des ArbG für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis begründet sei und dass nach § 16 Abs 3 SGB II in der vom 1.1.2005 bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung bzw § 16d SGB II in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Sinne dieser Vorschriften kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründe. Ergänzend hat es sich dazu auf die Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92 = NZA 2007, 53 und Urteil vom 20.2.2008 - 5 AZR 290/07 - DB 2008, 1159) gestützt. Aus den Angaben im letzten Absatz der Klageschrift vom 14.9.2010 hat es geschlossen, dass die Klägerin nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, sondern eines sog 1-Euro-Jobs tätig geworden sein könnte. Auch wenn zusätzlich ein Arbeitsvertrag in Kopie vorgelegt worden ist, war es nicht völlig unvertretbar, aufgrund des Vorbringens der durch eine Rechtsanwältin vertretenen Klägerin das Vorliegen eines sog 1-Euro-Jobs in Betracht zu ziehen. Nachdem die Beteiligten hierauf hingewiesen worden waren und innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme erfolgte, war der Schluss nicht unvertretbar, es habe tatsächlich eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II bestanden. Es kann deshalb nicht als willkürliches Verhalten gewertet werden, dass die Kammer des ArbG unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter am 14.10.2010 den Rechtsweg nicht zu den ArbGen, sondern zu den SGen als gegeben angesehen und den Rechtsstreit durch Beschluss verwiesen hat. Zwar hat die Klägerin nach Ablauf der gesetzten Frist mit Schreiben vom 11.10.2010, eingegangen beim Justizzentrum Magdeburg am 13.10.2010, darauf hingewiesen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege, weil sie sich die Tätigkeit ohne Vermittlung selbst gesucht habe; dieses Schreiben wurde dem zuständigen Richter jedoch nach einem Aktenvermerk erst am 14.10.2010 und - wie die Abfolge der abgehefteten Schriftstücke in der Gerichtsakte nahelegt und wovon auch das SG ausgeht - erst nach Beschlussfassung und möglicherweise auch erst nach Aufgabe des Beschlusses zur Post vorgelegt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass die Kammer des ArbG den Inhalt dieses Schriftsatzes bei ihrer Beschlussfassung kannte.

11

Entgegen der Auffassung des SG entfällt die Bindungswirkung auch nicht deshalb, weil das ArbG bei der Beschlussfassung elementare Verfahrensgrundsätze missachtet haben könnte. Es kann dahinstehen, ob der Beschluss, wie das SG meint, unter Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör ergangen ist, weil das ArbG den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 11.10.2010 nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Kammerentscheidung nicht berücksichtigt hat. Denn eine Durchbrechung der Bindungswirkung durch diesen Verfahrensverstoß käme - wie oben ausgeführt - allenfalls in Betracht, wenn sich ein Beteiligter hierauf berufen hätte. Dies ist hier nicht erfolgt.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 167/13
vom
14. Mai 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ist hinsichtlich
des Rechtswegs für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen
worden ist, bindend und kann nur auf das Rechtsmittel einer Partei überprüft
werden. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich
des § 281 Abs.1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen
anerkannt ist, ist jedenfalls grundsätzlich kein Raum.
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13 - AG Berlin-Schöneberg
Sozialgericht Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, die Richter
Gröning und Dr. Bacher und die Richterin Schuster

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Schöneberg.

Gründe:


I. Der klagende Sozialhilfeträger gewährte einer Hilfeempfängerin Leis1 tungen der Hilfe zur Pflege. Hierzu zahlte er direkt an die Beklagte, die ein Seniorenzentrum betreibt, in dem die Hilfeempfängerin lebte. Nachdem diese verstorben war, forderte der Kläger von der Beklagten anteilige Rückzahlung der geleisteten Beträge. Dem kam die Beklagte nur zum Teil nach. Der Kläger hat wegen eines nach seiner Auffassung offenen Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 185 € Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Dieses hat mit unangefochten gebliebenem Beschluss vom 23. Oktober 2012 die Unzulässigkeit des Sozialrechtswegs ausgesprochen und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Schöneberg verwiesen. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 3. April 2013 die Übernahme
2
des Verfahrens abgelehnt, da der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig sei, und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es meint, der Verweisungsbeschluss sei nicht bindend, da er sich bei der Auslegung und Verwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entferne, dass er nicht mehr zu rechtfertigen sei.
3
II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. 1. Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bun4 des ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; vom 30. Juli 2009 - Xa ARZ 167/09, NJW-RR 2010, 209 Rn. 6; vom 9. Dezember 2010 - Xa ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 7; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 4; BAG, Beschluss vom 19. März 2003 - 5 AS 1/03, BAGE 105, 305; BFH, Beschluss vom 26. Februar 2004 - VII B 341/03, BFHE 204, 413, 416; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2008 - 9 AV 1/08, NVwZ 2008, 917). Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener
5
Beschluss, mit dem ein Gericht den bestrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten , wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2001, aaO, 3632; vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713, 714; vom 30. Juli 2009, aaO Rn. 9 und vom 9. Dezember 2010, aaO Rn. 10; BAG, aaO). So liegt der Fall hier. Sowohl das Sozialgericht als auch das Amtsgericht
6
haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
7
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, BAG und BVerwG, aaO). 3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Schöneberg. Seine Zustän8 digkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Sozialgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den
9
zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). So verhält es sich hier, denn eine Beschwerde an das Landessozialgericht nach § 172 Abs. 1 SGG ist innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt worden.
b) Auf die ausführlichen Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum
10
die Begründung des Sozialgerichts, der Sozialhilfeträger trete der Schuld des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer in Höhe der durch Bescheid dem Hilfeempfänger gewährten Leistung bei, wodurch der Leistungserbringer einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung gegen den Sozialhilfeträger erwerbe, der wie der Anspruch zwischen Leistungserbringer und Hilfeempfänger privatrechtlicher Natur sei, es nicht rechtfertige, den mit der Klage geltend gemachten Rückforderungsanspruch als zivilrechtlichen Anspruch zu qualifizieren , kommt es nicht an.
11
Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtsweges im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungs12 bereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen. Ebenso wenig kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die von der betroffenen Partei nicht mit dem zulässigen Rechtsmittel geltend gemacht worden ist, es rechtfertigen, die Bindungswirkung außer Acht zu lassen (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990).
13
c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung , wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 13. November 2001, aaO; vom 8. Juli 2003, aaO, 2991; vom 9. Dezember 2010, aaO Rn. 16; vom 18. Mai 2011, aaO Rn. 9; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall angesichts der komplexen, teils dem Sozialrecht, teils dem bürgerlichen Recht angehörenden Rechtsbeziehungen des Dreiecksverhältnisses zwischen den Parteien und der verstorbenen Hilfeempfängerin ersichtlich keine Rede sein.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Bacher Schuster
Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin, Entscheidung vom 02.04.2012 - S 184 SO 1409/12 -
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 03.04.2013 - 6 C 31/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X AR Z 1 7 2 /14
vom
29. April 2014
in der Zwangsvollstreckungssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann
und Dr. Deichfuß sowie die Richtern Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg.

Gründe:

1
I. Die Gläubigerin hat beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg die Festsetzung der Kosten für die anwaltliche Ankündigung der Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2013 (S 57 AL 3811/12) über die Festsetzung der der Gläubigerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten beantragt.
2
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat die Verfahrensbeteiligten auf seine Unzuständigkeit als Vollstreckungsgericht hingewiesen und - entsprechend der daraufhin ausgesprochenen Bitte der Gläubigerin um Weiterleitung an das zuständige Prozessgericht - den Kostenfestsetzungsantrag zur weiteren Veranlassung an das Sozialgericht Berlin abgegeben.
3
Das Sozialgericht Berlin hat, nachdem es den Verfahrensbeteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit durch unangefochten gebliebenen Beschluss an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg verwiesen. Dieses hat sich mit Beschluss vom 14. März 2014 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren nach § 36 ZPO dem Kammergericht Berlin zur Bestim- mung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Amtsgericht ist weiterhin der Auffassung, dass es für die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung im Streitfall nicht zuständig sei, weil § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Festsetzung von Kosten der Zwangsvollstreckung nur für den Fall vorsehe, dass eine Vollstreckungshandlung entweder noch anhängig sei oder bereits stattgefunden habe. Im Streitfall gehe es dagegen ausschließlich um die Kosten für die anwaltliche Ankündigung einer - am Ende nicht vorgenommenen - Zwangsvollstreckung, für deren Festsetzung im Umkehrschluss das Prozessgericht zuständig sei. Das Kammergericht Berlin hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
4
II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.
5
1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss , mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten , wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 4 mwN).
6
So liegt der Fall hier. Sowohl das Sozialgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
7
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, aaO Rn. 7 mwN).
8
3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Sozialgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
9
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, aaO Rn. 9).
10
b) Auf die Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum die Systematik der gesetzlichen Regelung eine Zuständigkeit des Prozessgerichts nahelege und daher die Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Verweisungsbeschluss nicht geeignet seien, im Streitfall aus § 764 ZPO entgegen dem Wortlaut des § 788 Abs. 2 ZPO eine Zuständigkeit des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht abzuleiten, kommt es nicht an.
11
Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtswegs im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen.
12
Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, aaO Rn. 12).
13
c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung , wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990, 2991; vom 9. Dezember 2010 - ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 16; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 9; vom 14. Mai 2013, aaO Rn. 13; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall ersichtlich keine Rede sein, zumal auch das Amtsgericht, das zwar dargelegt hat, weshalb es sich für unzuständig hält, nichts aufgezeigt hat, woraus sich zwingend eine Zuständigkeit des Sozialgerichts ergeben soll.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
KG Berlin, Entscheidung vom 25.03.2014 - 18 AR 18/14 -

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Tenor

Das Sozialgericht Magdeburg wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob ein Arbeitsverhältnis der Klägerin fortbesteht. Die Klägerin war seit dem 20.5.2010 für die Beklagte aufgrund eines bis zum 19.2.2011 befristeten, schriftlichen Arbeitsvertrags als Reinigungskraft tätig. Nachdem ihr zum 9.9.2010 fristlos gekündigt worden war, hat sie, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 16.9.2010 vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Magdeburg Klage erhoben und ua beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 9.9.2010 hinaus ungekündigt fortbestehe. Zur Begründung hat sie unter Vorlage von Kopien des Arbeitsvertrags sowie des Kündigungsschreibens ua ausgeführt, sie lebe "von Hartz IV" und sei auf den "1,00 €-Job" bei der Beklagten angewiesen. Das ArbG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.9.2010 darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des SG Magdeburg gegeben sein könnte, weil die Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag bei der Beklagten in einem "1,00 €-Job" stehe und eine Tätigkeit im Rahmen einer solchen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis begründe, und hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Datum des Schreibens gegeben. Mit einem am 13.10.2010 im Justizzentrum Magdeburg eingegangenen Schreiben vom 11.10.2010, nach Aktenvermerken dem zuständigen Richter vorgelegt am 14.10.2010 und zur Übersendung an die Beklagte zur Post gegeben am 15.10.2010, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich die Beschäftigung bei der Beklagten ohne Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit bzw durch das Jobcenter selbst gesucht habe, keine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vorliege und die Zuständigkeit des ArbG gegeben sein dürfte.

2

Mit Beschluss vom 14.10.2010 hat das ArbG den "Rechtsweg zum Arbeitsgericht" für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Magdeburg verwiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, für Streitigkeiten, die - wie hier - nicht aus einem Arbeitsverhältnis, sondern aus einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herrührten, seien nicht die ArbGe, sondern die SGe zuständig. Gegen diesen am selben Tag zur Post gegebenen Beschluss haben die Beteiligten nach dessen Zustellung trotz entsprechender Belehrung kein Rechtsmittel eingelegt.

3

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 27.6.2011 den Rechtsweg zu den SGen für unzulässig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des Rechtswegs vorgelegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Verweisung des ArbG sei nicht bindend, weil sie mangels Rechtsgrundlage willkürlich und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erfolgt sei.

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor.

5

Das zuständige Gericht wird in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG auch bei einem negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt vom BSG bestimmt, sofern sich - wie hier - die beiden beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und das BSG als für einen der beteiligten Rechtszweige zuständiger oberster Gerichtshof zuerst um die Entscheidung angegangen wird(vgl BSG SozR 1500 § 58 Nr 4; BSG Beschlüsse vom 11.10.1988 - 1 S 14/88 - MDR 1989, 189 und vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

6

Zum zuständigen Gericht ist das SG Magdeburg zu bestimmen, weil dieses an den rechtskräftigen Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 gebunden ist.

7

Gemäß § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs für das Gericht, an das verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über den Rechtsweg zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG(vgl BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

8

Danach ist der von den Beteiligten nicht angefochtene Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für das SG bindend. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht kommt, liegen hier entgegen der Auffassung des SG nicht vor.

9

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wegen der von § 17a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten(vgl BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr 29)allenfalls bei krassen Rechtsverletzungen in Betracht, etwa wenn der Beschluss dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) entfernt, so dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, nämlich wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (vgl zB BGH Beschluss vom 18.5.2011 - X ARZ 95/11 - WM 2011, 1281; BFH Beschluss vom 14.10.2005 - VI S 17/05 - BFH/NV 2006, 329 mwN; BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - aaO). Ein zur Durchbrechung der Bindungswirkung führender Rechtsverstoß wird verneint, wenn allein der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde und dieser Verstoß mit einem Rechtsmittel gegen den Verweisungsbeschluss hätte gerügt werden können, hiervon jedoch abgesehen wurde (vgl BGH Beschluss vom 8.7.2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990; vgl aber auch BAG Beschluss vom 9.2.2006 - 5 AS 1/06 - NJW 2006, 1371 mwN). Für die Durchbrechung der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wegen örtlicher Unzuständigkeit bei einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Senat entschieden, dass nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) eine fehlende Bindung allenfalls dann noch angenommen werden kann, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs von einem der Beteiligten innerhalb angemessener Frist nach Zustellung des Beschlusses geltend gemacht wird. Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das verweisende Gericht ist deshalb nicht ohne Rüge von dem Gericht, an das verwiesen worden ist, zu prüfen und kann ohne vorhergehende Rüge im Rahmen einer Vorlage zur Entscheidung nach § 58 SGG keine vom Verweisungsbeschluss abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts rechtfertigen(vgl BSG SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7). Dies gilt auch bei einer Verweisung wegen der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses gemäß § 17a Abs 4 S 4 GVG kann auch hier eine Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung wegen einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör allenfalls dann in Betracht kommen, wenn einer der Beteiligten sich auf diesen Verfahrensverstoß beruft. In seiner Entscheidung vom 16.9.2009 (B 12 SF 7/09 S - juris) hat der Senat im Übrigen offengelassen, ob in Verfahren zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts, in denen ein nach Maßgabe von § 17a Abs 4 S 4 GVG mit Rechtsmitteln angreifbarer Verweisungsbeschluss - wie hier - vorliegt, dieser überhaupt nach den Maßstäben überprüfbar ist, die von der Rechtsprechung für Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit angewandt werden(vgl hierzu BSG SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15 und SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S, vom 10.3.2010 - B 12 SF 2/10 S - und vom 3.12.2010 - B 12 SF 7/10 S). Dies kann auch hier offenbleiben, weil die Entscheidung des ArbG nicht willkürlich ist. Auch steht der Bindungswirkung eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht entgegen.

10

Weder der Begründung des Verweisungsbeschlusses noch den sonstigen Umständen ist zu entnehmen, dass die Verweisung auf einem willkürlichen Verhalten des abgebenden Gerichts beruhte. Allein eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Anwendung von § 48 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 17a Abs 2 GVG, § 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG sowie § 16 Abs 3 SGB II bzw § 16d SGB II aufgrund unzutreffender Tatsachengrundlagen führt hier nicht zur Durchbrechung der Bindungswirkung. Die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen durch das ArbG stellt sich nicht als willkürlich, dh unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar, unverständlich und offensichtlich unhaltbar dar. Das ArbG ist aufgrund der Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Zuständigkeit eines ArbG, sondern der Rechtsweg zu den SGen gegeben sei. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die Zuständigkeit des ArbG für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis begründet sei und dass nach § 16 Abs 3 SGB II in der vom 1.1.2005 bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung bzw § 16d SGB II in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Sinne dieser Vorschriften kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründe. Ergänzend hat es sich dazu auf die Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92 = NZA 2007, 53 und Urteil vom 20.2.2008 - 5 AZR 290/07 - DB 2008, 1159) gestützt. Aus den Angaben im letzten Absatz der Klageschrift vom 14.9.2010 hat es geschlossen, dass die Klägerin nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, sondern eines sog 1-Euro-Jobs tätig geworden sein könnte. Auch wenn zusätzlich ein Arbeitsvertrag in Kopie vorgelegt worden ist, war es nicht völlig unvertretbar, aufgrund des Vorbringens der durch eine Rechtsanwältin vertretenen Klägerin das Vorliegen eines sog 1-Euro-Jobs in Betracht zu ziehen. Nachdem die Beteiligten hierauf hingewiesen worden waren und innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme erfolgte, war der Schluss nicht unvertretbar, es habe tatsächlich eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II bestanden. Es kann deshalb nicht als willkürliches Verhalten gewertet werden, dass die Kammer des ArbG unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter am 14.10.2010 den Rechtsweg nicht zu den ArbGen, sondern zu den SGen als gegeben angesehen und den Rechtsstreit durch Beschluss verwiesen hat. Zwar hat die Klägerin nach Ablauf der gesetzten Frist mit Schreiben vom 11.10.2010, eingegangen beim Justizzentrum Magdeburg am 13.10.2010, darauf hingewiesen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege, weil sie sich die Tätigkeit ohne Vermittlung selbst gesucht habe; dieses Schreiben wurde dem zuständigen Richter jedoch nach einem Aktenvermerk erst am 14.10.2010 und - wie die Abfolge der abgehefteten Schriftstücke in der Gerichtsakte nahelegt und wovon auch das SG ausgeht - erst nach Beschlussfassung und möglicherweise auch erst nach Aufgabe des Beschlusses zur Post vorgelegt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass die Kammer des ArbG den Inhalt dieses Schriftsatzes bei ihrer Beschlussfassung kannte.

11

Entgegen der Auffassung des SG entfällt die Bindungswirkung auch nicht deshalb, weil das ArbG bei der Beschlussfassung elementare Verfahrensgrundsätze missachtet haben könnte. Es kann dahinstehen, ob der Beschluss, wie das SG meint, unter Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör ergangen ist, weil das ArbG den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 11.10.2010 nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Kammerentscheidung nicht berücksichtigt hat. Denn eine Durchbrechung der Bindungswirkung durch diesen Verfahrensverstoß käme - wie oben ausgeführt - allenfalls in Betracht, wenn sich ein Beteiligter hierauf berufen hätte. Dies ist hier nicht erfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 167/13
vom
14. Mai 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ist hinsichtlich
des Rechtswegs für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen
worden ist, bindend und kann nur auf das Rechtsmittel einer Partei überprüft
werden. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich
des § 281 Abs.1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen
anerkannt ist, ist jedenfalls grundsätzlich kein Raum.
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13 - AG Berlin-Schöneberg
Sozialgericht Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, die Richter
Gröning und Dr. Bacher und die Richterin Schuster

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Schöneberg.

Gründe:


I. Der klagende Sozialhilfeträger gewährte einer Hilfeempfängerin Leis1 tungen der Hilfe zur Pflege. Hierzu zahlte er direkt an die Beklagte, die ein Seniorenzentrum betreibt, in dem die Hilfeempfängerin lebte. Nachdem diese verstorben war, forderte der Kläger von der Beklagten anteilige Rückzahlung der geleisteten Beträge. Dem kam die Beklagte nur zum Teil nach. Der Kläger hat wegen eines nach seiner Auffassung offenen Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 185 € Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Dieses hat mit unangefochten gebliebenem Beschluss vom 23. Oktober 2012 die Unzulässigkeit des Sozialrechtswegs ausgesprochen und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Schöneberg verwiesen. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 3. April 2013 die Übernahme
2
des Verfahrens abgelehnt, da der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig sei, und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es meint, der Verweisungsbeschluss sei nicht bindend, da er sich bei der Auslegung und Verwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entferne, dass er nicht mehr zu rechtfertigen sei.
3
II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. 1. Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bun4 des ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; vom 30. Juli 2009 - Xa ARZ 167/09, NJW-RR 2010, 209 Rn. 6; vom 9. Dezember 2010 - Xa ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 7; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 4; BAG, Beschluss vom 19. März 2003 - 5 AS 1/03, BAGE 105, 305; BFH, Beschluss vom 26. Februar 2004 - VII B 341/03, BFHE 204, 413, 416; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2008 - 9 AV 1/08, NVwZ 2008, 917). Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener
5
Beschluss, mit dem ein Gericht den bestrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten , wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2001, aaO, 3632; vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713, 714; vom 30. Juli 2009, aaO Rn. 9 und vom 9. Dezember 2010, aaO Rn. 10; BAG, aaO). So liegt der Fall hier. Sowohl das Sozialgericht als auch das Amtsgericht
6
haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
7
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, BAG und BVerwG, aaO). 3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Schöneberg. Seine Zustän8 digkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Sozialgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den
9
zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). So verhält es sich hier, denn eine Beschwerde an das Landessozialgericht nach § 172 Abs. 1 SGG ist innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt worden.
b) Auf die ausführlichen Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum
10
die Begründung des Sozialgerichts, der Sozialhilfeträger trete der Schuld des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer in Höhe der durch Bescheid dem Hilfeempfänger gewährten Leistung bei, wodurch der Leistungserbringer einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung gegen den Sozialhilfeträger erwerbe, der wie der Anspruch zwischen Leistungserbringer und Hilfeempfänger privatrechtlicher Natur sei, es nicht rechtfertige, den mit der Klage geltend gemachten Rückforderungsanspruch als zivilrechtlichen Anspruch zu qualifizieren , kommt es nicht an.
11
Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtsweges im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungs12 bereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen. Ebenso wenig kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die von der betroffenen Partei nicht mit dem zulässigen Rechtsmittel geltend gemacht worden ist, es rechtfertigen, die Bindungswirkung außer Acht zu lassen (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990).
13
c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung , wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 13. November 2001, aaO; vom 8. Juli 2003, aaO, 2991; vom 9. Dezember 2010, aaO Rn. 16; vom 18. Mai 2011, aaO Rn. 9; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall angesichts der komplexen, teils dem Sozialrecht, teils dem bürgerlichen Recht angehörenden Rechtsbeziehungen des Dreiecksverhältnisses zwischen den Parteien und der verstorbenen Hilfeempfängerin ersichtlich keine Rede sein.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Bacher Schuster
Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin, Entscheidung vom 02.04.2012 - S 184 SO 1409/12 -
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 03.04.2013 - 6 C 31/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X AR Z 1 7 2 /14
vom
29. April 2014
in der Zwangsvollstreckungssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann
und Dr. Deichfuß sowie die Richtern Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg.

Gründe:

1
I. Die Gläubigerin hat beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg die Festsetzung der Kosten für die anwaltliche Ankündigung der Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2013 (S 57 AL 3811/12) über die Festsetzung der der Gläubigerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten beantragt.
2
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat die Verfahrensbeteiligten auf seine Unzuständigkeit als Vollstreckungsgericht hingewiesen und - entsprechend der daraufhin ausgesprochenen Bitte der Gläubigerin um Weiterleitung an das zuständige Prozessgericht - den Kostenfestsetzungsantrag zur weiteren Veranlassung an das Sozialgericht Berlin abgegeben.
3
Das Sozialgericht Berlin hat, nachdem es den Verfahrensbeteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit durch unangefochten gebliebenen Beschluss an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg verwiesen. Dieses hat sich mit Beschluss vom 14. März 2014 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren nach § 36 ZPO dem Kammergericht Berlin zur Bestim- mung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Amtsgericht ist weiterhin der Auffassung, dass es für die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung im Streitfall nicht zuständig sei, weil § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Festsetzung von Kosten der Zwangsvollstreckung nur für den Fall vorsehe, dass eine Vollstreckungshandlung entweder noch anhängig sei oder bereits stattgefunden habe. Im Streitfall gehe es dagegen ausschließlich um die Kosten für die anwaltliche Ankündigung einer - am Ende nicht vorgenommenen - Zwangsvollstreckung, für deren Festsetzung im Umkehrschluss das Prozessgericht zuständig sei. Das Kammergericht Berlin hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
4
II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.
5
1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss , mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten , wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 4 mwN).
6
So liegt der Fall hier. Sowohl das Sozialgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
7
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, aaO Rn. 7 mwN).
8
3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Sozialgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
9
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, aaO Rn. 9).
10
b) Auf die Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum die Systematik der gesetzlichen Regelung eine Zuständigkeit des Prozessgerichts nahelege und daher die Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Verweisungsbeschluss nicht geeignet seien, im Streitfall aus § 764 ZPO entgegen dem Wortlaut des § 788 Abs. 2 ZPO eine Zuständigkeit des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht abzuleiten, kommt es nicht an.
11
Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtswegs im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen.
12
Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, aaO Rn. 12).
13
c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung , wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990, 2991; vom 9. Dezember 2010 - ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 16; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 9; vom 14. Mai 2013, aaO Rn. 13; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall ersichtlich keine Rede sein, zumal auch das Amtsgericht, das zwar dargelegt hat, weshalb es sich für unzuständig hält, nichts aufgezeigt hat, woraus sich zwingend eine Zuständigkeit des Sozialgerichts ergeben soll.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
KG Berlin, Entscheidung vom 25.03.2014 - 18 AR 18/14 -

Tenor

Das Sozialgericht Magdeburg wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob ein Arbeitsverhältnis der Klägerin fortbesteht. Die Klägerin war seit dem 20.5.2010 für die Beklagte aufgrund eines bis zum 19.2.2011 befristeten, schriftlichen Arbeitsvertrags als Reinigungskraft tätig. Nachdem ihr zum 9.9.2010 fristlos gekündigt worden war, hat sie, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 16.9.2010 vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Magdeburg Klage erhoben und ua beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 9.9.2010 hinaus ungekündigt fortbestehe. Zur Begründung hat sie unter Vorlage von Kopien des Arbeitsvertrags sowie des Kündigungsschreibens ua ausgeführt, sie lebe "von Hartz IV" und sei auf den "1,00 €-Job" bei der Beklagten angewiesen. Das ArbG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.9.2010 darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des SG Magdeburg gegeben sein könnte, weil die Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag bei der Beklagten in einem "1,00 €-Job" stehe und eine Tätigkeit im Rahmen einer solchen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis begründe, und hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Datum des Schreibens gegeben. Mit einem am 13.10.2010 im Justizzentrum Magdeburg eingegangenen Schreiben vom 11.10.2010, nach Aktenvermerken dem zuständigen Richter vorgelegt am 14.10.2010 und zur Übersendung an die Beklagte zur Post gegeben am 15.10.2010, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich die Beschäftigung bei der Beklagten ohne Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit bzw durch das Jobcenter selbst gesucht habe, keine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vorliege und die Zuständigkeit des ArbG gegeben sein dürfte.

2

Mit Beschluss vom 14.10.2010 hat das ArbG den "Rechtsweg zum Arbeitsgericht" für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Magdeburg verwiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, für Streitigkeiten, die - wie hier - nicht aus einem Arbeitsverhältnis, sondern aus einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herrührten, seien nicht die ArbGe, sondern die SGe zuständig. Gegen diesen am selben Tag zur Post gegebenen Beschluss haben die Beteiligten nach dessen Zustellung trotz entsprechender Belehrung kein Rechtsmittel eingelegt.

3

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 27.6.2011 den Rechtsweg zu den SGen für unzulässig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des Rechtswegs vorgelegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Verweisung des ArbG sei nicht bindend, weil sie mangels Rechtsgrundlage willkürlich und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erfolgt sei.

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor.

5

Das zuständige Gericht wird in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG auch bei einem negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt vom BSG bestimmt, sofern sich - wie hier - die beiden beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und das BSG als für einen der beteiligten Rechtszweige zuständiger oberster Gerichtshof zuerst um die Entscheidung angegangen wird(vgl BSG SozR 1500 § 58 Nr 4; BSG Beschlüsse vom 11.10.1988 - 1 S 14/88 - MDR 1989, 189 und vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

6

Zum zuständigen Gericht ist das SG Magdeburg zu bestimmen, weil dieses an den rechtskräftigen Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 gebunden ist.

7

Gemäß § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs für das Gericht, an das verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über den Rechtsweg zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG(vgl BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

8

Danach ist der von den Beteiligten nicht angefochtene Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für das SG bindend. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht kommt, liegen hier entgegen der Auffassung des SG nicht vor.

9

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wegen der von § 17a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten(vgl BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr 29)allenfalls bei krassen Rechtsverletzungen in Betracht, etwa wenn der Beschluss dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) entfernt, so dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, nämlich wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (vgl zB BGH Beschluss vom 18.5.2011 - X ARZ 95/11 - WM 2011, 1281; BFH Beschluss vom 14.10.2005 - VI S 17/05 - BFH/NV 2006, 329 mwN; BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - aaO). Ein zur Durchbrechung der Bindungswirkung führender Rechtsverstoß wird verneint, wenn allein der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde und dieser Verstoß mit einem Rechtsmittel gegen den Verweisungsbeschluss hätte gerügt werden können, hiervon jedoch abgesehen wurde (vgl BGH Beschluss vom 8.7.2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990; vgl aber auch BAG Beschluss vom 9.2.2006 - 5 AS 1/06 - NJW 2006, 1371 mwN). Für die Durchbrechung der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wegen örtlicher Unzuständigkeit bei einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Senat entschieden, dass nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) eine fehlende Bindung allenfalls dann noch angenommen werden kann, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs von einem der Beteiligten innerhalb angemessener Frist nach Zustellung des Beschlusses geltend gemacht wird. Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das verweisende Gericht ist deshalb nicht ohne Rüge von dem Gericht, an das verwiesen worden ist, zu prüfen und kann ohne vorhergehende Rüge im Rahmen einer Vorlage zur Entscheidung nach § 58 SGG keine vom Verweisungsbeschluss abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts rechtfertigen(vgl BSG SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7). Dies gilt auch bei einer Verweisung wegen der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses gemäß § 17a Abs 4 S 4 GVG kann auch hier eine Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung wegen einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör allenfalls dann in Betracht kommen, wenn einer der Beteiligten sich auf diesen Verfahrensverstoß beruft. In seiner Entscheidung vom 16.9.2009 (B 12 SF 7/09 S - juris) hat der Senat im Übrigen offengelassen, ob in Verfahren zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts, in denen ein nach Maßgabe von § 17a Abs 4 S 4 GVG mit Rechtsmitteln angreifbarer Verweisungsbeschluss - wie hier - vorliegt, dieser überhaupt nach den Maßstäben überprüfbar ist, die von der Rechtsprechung für Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit angewandt werden(vgl hierzu BSG SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15 und SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S, vom 10.3.2010 - B 12 SF 2/10 S - und vom 3.12.2010 - B 12 SF 7/10 S). Dies kann auch hier offenbleiben, weil die Entscheidung des ArbG nicht willkürlich ist. Auch steht der Bindungswirkung eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht entgegen.

10

Weder der Begründung des Verweisungsbeschlusses noch den sonstigen Umständen ist zu entnehmen, dass die Verweisung auf einem willkürlichen Verhalten des abgebenden Gerichts beruhte. Allein eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Anwendung von § 48 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 17a Abs 2 GVG, § 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG sowie § 16 Abs 3 SGB II bzw § 16d SGB II aufgrund unzutreffender Tatsachengrundlagen führt hier nicht zur Durchbrechung der Bindungswirkung. Die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen durch das ArbG stellt sich nicht als willkürlich, dh unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar, unverständlich und offensichtlich unhaltbar dar. Das ArbG ist aufgrund der Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Zuständigkeit eines ArbG, sondern der Rechtsweg zu den SGen gegeben sei. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die Zuständigkeit des ArbG für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis begründet sei und dass nach § 16 Abs 3 SGB II in der vom 1.1.2005 bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung bzw § 16d SGB II in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Sinne dieser Vorschriften kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründe. Ergänzend hat es sich dazu auf die Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92 = NZA 2007, 53 und Urteil vom 20.2.2008 - 5 AZR 290/07 - DB 2008, 1159) gestützt. Aus den Angaben im letzten Absatz der Klageschrift vom 14.9.2010 hat es geschlossen, dass die Klägerin nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, sondern eines sog 1-Euro-Jobs tätig geworden sein könnte. Auch wenn zusätzlich ein Arbeitsvertrag in Kopie vorgelegt worden ist, war es nicht völlig unvertretbar, aufgrund des Vorbringens der durch eine Rechtsanwältin vertretenen Klägerin das Vorliegen eines sog 1-Euro-Jobs in Betracht zu ziehen. Nachdem die Beteiligten hierauf hingewiesen worden waren und innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme erfolgte, war der Schluss nicht unvertretbar, es habe tatsächlich eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II bestanden. Es kann deshalb nicht als willkürliches Verhalten gewertet werden, dass die Kammer des ArbG unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter am 14.10.2010 den Rechtsweg nicht zu den ArbGen, sondern zu den SGen als gegeben angesehen und den Rechtsstreit durch Beschluss verwiesen hat. Zwar hat die Klägerin nach Ablauf der gesetzten Frist mit Schreiben vom 11.10.2010, eingegangen beim Justizzentrum Magdeburg am 13.10.2010, darauf hingewiesen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege, weil sie sich die Tätigkeit ohne Vermittlung selbst gesucht habe; dieses Schreiben wurde dem zuständigen Richter jedoch nach einem Aktenvermerk erst am 14.10.2010 und - wie die Abfolge der abgehefteten Schriftstücke in der Gerichtsakte nahelegt und wovon auch das SG ausgeht - erst nach Beschlussfassung und möglicherweise auch erst nach Aufgabe des Beschlusses zur Post vorgelegt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass die Kammer des ArbG den Inhalt dieses Schriftsatzes bei ihrer Beschlussfassung kannte.

11

Entgegen der Auffassung des SG entfällt die Bindungswirkung auch nicht deshalb, weil das ArbG bei der Beschlussfassung elementare Verfahrensgrundsätze missachtet haben könnte. Es kann dahinstehen, ob der Beschluss, wie das SG meint, unter Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör ergangen ist, weil das ArbG den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 11.10.2010 nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Kammerentscheidung nicht berücksichtigt hat. Denn eine Durchbrechung der Bindungswirkung durch diesen Verfahrensverstoß käme - wie oben ausgeführt - allenfalls in Betracht, wenn sich ein Beteiligter hierauf berufen hätte. Dies ist hier nicht erfolgt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X AR Z 1 7 2 /14
vom
29. April 2014
in der Zwangsvollstreckungssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann
und Dr. Deichfuß sowie die Richtern Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg.

Gründe:

1
I. Die Gläubigerin hat beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg die Festsetzung der Kosten für die anwaltliche Ankündigung der Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Mai 2013 (S 57 AL 3811/12) über die Festsetzung der der Gläubigerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten beantragt.
2
Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat die Verfahrensbeteiligten auf seine Unzuständigkeit als Vollstreckungsgericht hingewiesen und - entsprechend der daraufhin ausgesprochenen Bitte der Gläubigerin um Weiterleitung an das zuständige Prozessgericht - den Kostenfestsetzungsantrag zur weiteren Veranlassung an das Sozialgericht Berlin abgegeben.
3
Das Sozialgericht Berlin hat, nachdem es den Verfahrensbeteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit durch unangefochten gebliebenen Beschluss an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg verwiesen. Dieses hat sich mit Beschluss vom 14. März 2014 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren nach § 36 ZPO dem Kammergericht Berlin zur Bestim- mung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Amtsgericht ist weiterhin der Auffassung, dass es für die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung im Streitfall nicht zuständig sei, weil § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für die Festsetzung von Kosten der Zwangsvollstreckung nur für den Fall vorsehe, dass eine Vollstreckungshandlung entweder noch anhängig sei oder bereits stattgefunden habe. Im Streitfall gehe es dagegen ausschließlich um die Kosten für die anwaltliche Ankündigung einer - am Ende nicht vorgenommenen - Zwangsvollstreckung, für deren Festsetzung im Umkehrschluss das Prozessgericht zuständig sei. Das Kammergericht Berlin hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
4
II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.
5
1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss , mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten , wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 4 mwN).
6
So liegt der Fall hier. Sowohl das Sozialgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
7
2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, aaO Rn. 7 mwN).
8
3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Sozialgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
9
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, aaO Rn. 9).
10
b) Auf die Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum die Systematik der gesetzlichen Regelung eine Zuständigkeit des Prozessgerichts nahelege und daher die Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Verweisungsbeschluss nicht geeignet seien, im Streitfall aus § 764 ZPO entgegen dem Wortlaut des § 788 Abs. 2 ZPO eine Zuständigkeit des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht abzuleiten, kommt es nicht an.
11
Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtswegs im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen.
12
Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, aaO Rn. 12).
13
c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung , wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990, 2991; vom 9. Dezember 2010 - ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 16; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 9; vom 14. Mai 2013, aaO Rn. 13; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall ersichtlich keine Rede sein, zumal auch das Amtsgericht, das zwar dargelegt hat, weshalb es sich für unzuständig hält, nichts aufgezeigt hat, woraus sich zwingend eine Zuständigkeit des Sozialgerichts ergeben soll.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
KG Berlin, Entscheidung vom 25.03.2014 - 18 AR 18/14 -

Tenor

Das Sozialgericht Itzehoe wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich - soweit ersichtlich - gegen die Auferlegung bzw Vollstreckung von Kosten wegen der Nutzung einer Obdachlosenunterkunft in der Stadt O. Zunächst hat er den Landkreis O. und die Stadt O. als Beklagten benannt, später dann das Jobcenter O. und das Sozialamt O., weil es um Leistungen nach dem SGB II und SGB XII gehe. Das angerufene SG Itzehoe hat sich, ohne dass dagegen Rechtsmittel eingelegt wurden, für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das VG Potsdam verwiesen; für den vom Kläger bezeichneten Streitgegenstand sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet (Beschluss vom 28.5.2015). Das VG Potsdam hat den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Itzehoe (zurück-) verwiesen, weil das SG Itzehoe mit seiner Verweisungsentscheidung einen schweren Rechtsfehler begangen habe (Beschluss vom 27.8.2015). Auch gegen diesen Beschluss sind Rechtsmittel nicht eingelegt worden. Das SG Itzehoe hat das BSG um Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht (Beschluss vom 12.10.2015).

2

II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG zu bestimmen. Diese Vorschrift ist auch bei einem sogenannten negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige anwendbar, sofern sich die beiden beteiligten Gerichte jeweils für unzuständig erklärt haben (BSG Beschluss vom 1.7.1980 - 1 S 5/80 - SozR 1500 § 58 Nr 4; BSG Beschluss vom 11.10.1988 - 1 S 14/88; BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S). Zwar unterliegt ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung. Doch ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (vgl zur entsprechenden Anwendung von § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO BGH Beschluss vom 14.5.2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 mwN; BGH Beschluss vom 29.4.2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125). Ein solcher Fall liegt hier vor. Sowohl das SG Itzehoe als auch das VG Potsdam haben sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit - ohne ihn in der Sache zu bearbeiten - an das jeweils andere Gericht verwiesen.

3

Das BSG ist hier als der für einen der beteiligten Gerichtszweige zuständige oberste Gerichtshof für die Bestimmung zuständig, weil es vom SG Itzehoe als erster oberster Gerichtshof um die Entscheidung angegangen worden ist.

4

Zuständiges Gericht ist das SG Itzehoe. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des VG Potsdam. Dem Verweisungsbeschluss des SG Itzehoe ist zwar grundsätzlich zunächst die gleiche Bindungswirkung zugekommen. Doch ist dem Beschluss des SG Potsdam deshalb der Vorrang einzuräumen, weil er später ergangen und das SG Itzehoe an ihn gebunden ist (vgl BGH Beschluss vom 9.12.2010 - Xa ARZ 283/10, MDR 2011, 253; kritisch Jacobs/Frieling, ZZP 124, 241 <2011>). Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs 2 S 3 GVG bindend(so BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - RdNr 4; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - RdNr 7; BGH Beschluss vom 14.5.2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242; BGH Beschluss vom 29.4.2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125). Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften, denn es ist nicht die Aufgabe des "gemeinsam" übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG, den Streit der beteiligten Gerichte über den Anwendungsbereich von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss vorliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen(BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - RdNr 4 f; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - RdNr 7).

5

Allenfalls der Verstoß gegen elementare den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften könnte geeignet sein, die Bindungswirkung zu durchbrechen (vgl dazu nur BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - RdNr 5; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - RdNr 9; BGH Beschluss vom 29.4.2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125 mwN). Ein solcher Verstoß liegt aber nicht vor. Zwar hat das VG Potsdam als (zurück-)verweisendes Gericht missachtet, dass es selbst bereits seinerseits unanfechtbar iS des § 17a GVG als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs bestimmt worden war. Doch ist das hinzunehmen, wenn die Beteiligten nicht die in § 17a Abs 4 GVG vorgesehene Überprüfung durch Einlegung des zulässigen Rechtsmittels zur Korrektur ermöglicht haben(so BGH Beschluss vom 13.11.2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; BGH Beschluss vom 9.12.2010 - Xa ARZ 283/10, MDR 2011, 253).