Bundessozialgericht Beschluss, 23. Apr. 2018 - B 11 SF 4/18 S

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:230418BB11SF418S0
bei uns veröffentlicht am23.04.2018

Tenor

Das Sozialgericht Berlin wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die am 5.2.2014 bei dem SG Stuttgart eingegangene und gegen eine Versagung von Leistungen nach dem SGB II gerichtete E-Mail des Klägers, in welcher er als seinen Wohnort die              Straße  angegeben hatte, wurde ausgedruckt und als Klage eingetragen. Am 7.2.2014 hat eine Meldeauskunft ebenfalls diese Anschrift des Klägers ergeben. Das SG Stuttgart hat sich nach Anhörung der Beteiligten für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Berlin verwiesen (Beschluss vom 27.2.2014).

2

Nachdem das SG Berlin den Kläger in dem dort anhängigen Verfahren erfolglos zum Betreiben des Rechtsstreits aufgefordert hatte und Zustellversuche erfolglos verlaufen waren, behandelte das SG das Verfahren nach § 6 Abs 3 der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Sozialgerichtsbarkeit als erledigt.

3

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens wegen des Eingangs einer E-Mail des Klägers vom 10.7.2017 und Anhörung der Beteiligten erklärte sich das SG Berlin für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG Stuttgart (Beschluss vom 11.9.2017). Auch das SG Stuttgart hat sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem BSG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt (Beschluss vom 15.3.2018).

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor(BSG vom 25.2.1999 - B 1 SF 9/98 S - SozR 3-1720 § 17a Nr 11).

5

Unbesehen der Frage, ob ein per E-Mail eingegangenes Schreiben das Schriftformerfordernis des § 90 SGG erfüllt(vgl hierzu BSG vom 15.11.2010 - B 8 SO 71/10 B; BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 63/11 B - SozR 4-1500 § 67 Nr 9; BSG vom 6.7.2016 - B 9 SB 1/16 R; BSG vom 9.5.2017 - B 13 R 113/17 B; BVerfG vom 12.6.2017 - 2 BvQ 28/17 - zu § 23 Abs 1 Satz 1 BVerfGG), ist zuständiges Gericht das SG Berlin. Dies ergibt sich aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des SG Stuttgart vom 27.2.2014.

6

Das Gesetz schreibt in § 98 SGG iVm § 17a Abs 2 Satz 3 GVG vor, dass eine Verweisung wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend ist. Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichen Erwägungen beruht. Eine fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird und die vertretene Auffassung jeden sachlichen Grundes entbehrt, sodass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 13.12.2016 - B 4 SF 4/16 R - RdNr 7). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

7

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 23


(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. (2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kom

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 90


Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 98


Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 58


(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhi

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Tenor Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. August 2010 Prozes

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(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt,

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist,
2.
wenn mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist,
3.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben,
4.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben,
5.
wenn eine örtliche Zuständigkeit weder nach den §§ 57 bis 57b noch nach einer anderen gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gegeben ist.

(2) Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht und jeder am Rechtsstreit Beteiligte das im Rechtszug höhere Gericht anrufen, das ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. August 2010 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Übernahme von Umzugs- und Zahnbehandlungskosten.

2

Die Beklagte lehnte die Übernahme von Kosten für einen Umzug sowie einer Zahnbehandlung ab (Bescheide vom 16.4.2007 und 12.9.2007; Widerspruchsbescheid vom 15.12.2008). Die Klage vor dem Sozialgericht (SG) blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 25.11.2009). Die mittels E-Mail eingelegte Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg als unzulässig verworfen (Urteil vom 4.8.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die innerhalb der Berufungsfrist durch einfache E-Mail eingelegte Berufung sei wegen Fehlens der Schriftform unzulässig.

3

Mit einem am 10.9.2010 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG Beschwerde eingelegt und zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

4

II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz iVm § 114 Zivilprozessordnung). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten(§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Ein solcher Zulassungsgrund ist nicht erkennbar.

5

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Rechtssache wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Die Entscheidung des LSG weicht des Weiteren nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

6

Schließlich kann nach Aktenlage auch kein Verfahrensmangel des LSG geltend gemacht werden, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Insbesondere hat das LSG die Berufung des Klägers im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem LSG darin zu folgen ist, dass der Gerichtsbescheid des SG dem Kläger bereits am 3.12.2009 wirksam zugestellt wurde. Bei Vorliegen eines Zustellungsmangels wäre dieser nach § 189 ZPO jedenfalls mit dem tatsächlichen Zugang des Gerichtsbescheids geheilt. Von einem solchen (tatsächlichen) Zugang ist spätestens an dem Tag auszugehen, an dem der Kläger per E-Mail Berufung gegen die Entscheidung des SG eingelegt hat, hier am 1.1.2010. Bis Montag, dem 1.2.2010, an dem spätestens die Berufungsfrist abgelaufen ist, ist die Berufung nicht ordnungsgemäß (schriftlich) eingelegt worden (§ 151 Abs 1 SGG). Das Einlegen der Berufung mittels einfacher E-Mail genügt gemäß § 65a SGG nicht den Anforderungen an die Schriftform(vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 151 RdNr 3, 3 f mwN). Frühestens in einem am 10.3.2010 bei dem SG eingegangenen, vom Kläger persönlich unterschriebenen Schreiben, könnte eine der Schriftform genügende Berufung gesehen werden, die allerdings nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangen ist. Soweit das LSG dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist gewährt hat (§ 67 SGG), ist die Entscheidung nicht zu beanstanden.

7

Da dem Kläger keine PKH zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß §§ 73 SGG, 121 ZPO nicht in Betracht. Die von dem Kläger persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger insoweit nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) vertreten ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. April 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

In der Hauptsache begehrt der Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Zuletzt war bei dem Kläger wegen einer Depression ein GdB von 30 festgestellt (Bescheid vom 10.9.2013, Widerspruchsbescheid vom 11.2.2014). Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos (Urteil vom 9.9.2015). Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.9.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.9.2015 per E-Mail sinngemäß Berufung beim SG eingelegt, der Ausdruck ist am 7.10.2015 beim LSG eingegangen. Das LSG hat den Kläger wiederholt auf die Formunwirksamkeit einer Berufung per E-Mail und - erfolglos - auch auf das Fehlen einer formgerechten Berufung und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hingewiesen sowie auf eine Entscheidung durch Beschluss, verbunden mit der Gelegenheit zur vorherigen Äußerung. Nach Fristablauf hat es die Berufung verworfen, ohne die Revision zuzulassen (Beschluss vom 27.4.2016).

2

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der "Revision" und einem damit verbundenen PKH-Gesuch mit der Begründung, er sei wegen Krankheit nicht immer zeitnah in der Lage, schriftliche Eingaben zu machen. Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten sei fehlerhaft.

3

II. 1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Als statthaftes Rechtsmittel kommt sinngemäß allein die Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht, nachdem das LSG die Revision nicht zugelassen hat und diese Entscheidung für den Senat bindend ist (vgl § 160 Abs 1 SGG). Weder die Antragsbegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht für eine Nichtzulassungsbeschwerde erkennen.

4

Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Beschlusses und des Vortrags des Klägers keiner feststellen.

5

Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG)beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Insbesondere ergibt sich die Grundsätzlichkeit der Bedeutung danach nicht aus dem behaupteten Verstoß gegen Verfahrensrecht oder der geltend gemachten Fehlerhaftigkeit im konkreten Fall.

6

Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Es entspricht der gesicherten und vom LSG in Bezug genommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Einlegung der Berufung per einfacher E-Mail weder dem gesetzlich vorgegebenen Schriftformerfordernis (§ 151 Abs 1 SGG) noch den Anforderungen an die Übermittlung elektronischer Dokumente (§ 65a SGG) entspricht (vgl BSG Beschluss vom 15.11.2010 - B 8 SO 71/10 B - Juris; anders ausnahmsweise beim Computerfax BSG Beschluss vom 30.3.2015 - B 12 KR 102/13 B - Juris; vgl insgesamt Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 151 RdNr 23 f).

7

Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind weder vom Kläger geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

8

Der Kläger macht geltend, entgegen den Ausführungen des LSG habe er die Berufungsfrist eingehalten, mindestens sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Damit rügt er als Verfahrensfehler, das LSG hätte in der Sache entscheiden müssen und keine Prozessentscheidung treffen dürfen (vgl dazu BSGE 34, 236, 237 = SozR Nr 57 zu § 51 SGG Bl DA 28 f; BSGE 35, 267, 271 = SozR Nr 5 zu § 551 RVO Bl Aa 8; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 658 ff mwN). Der Kläger hat indessen die Berufungsfrist versäumt, weil er innerhalb der bis zum 21.10.2015 laufenden Berufungsfrist keine dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs 1 SGG entsprechende Berufung gegen das Urteil des SG vom 9.9.2015 eingelegt hat. Wiedereinsetzungsgründe (§ 67 SGG) hat der Kläger weder ausreichend dargelegt noch sind sie glaubhaft gemacht worden. Den angeforderten Nachweis über die ursprünglich als Hinderungsgrund für die Einhaltung der Schriftform angeführte Reha hat der Kläger ebenso wenig erbracht wie einen Beleg für seine jetzige Behauptung, dass seine Erkrankung ihn - unabhängig von der Reha - an der Einhaltung der Schriftform der Berufung gehindert haben könnte. Dem LSG kann in diesem Zusammenhang auch keine Verletzung der Fürsorgepflicht angelastet werden. Allerdings nimmt die Rechtsprechung des BSG eine die Wiedereinsetzung gebietende Fürsorgepflichtverletzung an, wenn Schriftsätze weit vor Ablauf der Rechtsmittelfrist übersandt werden und es dem Gericht ohne Weiteres möglich gewesen wäre, auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung unter dem Gesichtspunkt des Schriftformerfordernisses hinzuweisen (vgl BSG Beschluss vom 6.10.2011 - B 14 AS 63/11 B = SozR 4-1500 § 67 Nr 9). Das LSG ist diesen Anforderungen jedoch gerecht geworden. Denn es hat den Kläger zuletzt mit Verfügungen vom 17.12.2015 und 4.3.2016 auf die vorbeschriebenen Bedenken hingewiesen und ihm - erfolglos - die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eröffnet.

9

2. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG), weil sie nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt und begründet worden ist (§ 73 Abs 4 iVm § 160a Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 SGG).

10

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

11

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Die Klägerin hat sich mit zwei E-Mail-Eingaben vom 31.3. und 10.4.2017, hier eingegangen jeweils am selben Tag, gegen das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 21.2.2017 (zugestellt am 1.3.2017) gewandt und sich über den Ausgang des Rechtsstreits "beschwert". Der Senat wertet dieses Vorbringen als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil des LSG.

2

Die Klägerin kann jedoch, worauf sie in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hingewiesen worden ist, eine Nichtzulassungsbeschwerde wirksam nur durch beim BSG zugelassene Prozessbevollmächtigte innerhalb eines Monats nach Urteilszustellung einlegen lassen (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 1 S 2 SGG). Ihr Hinweis, dass sie sich nunmehr selbst vertrete, ist ohne rechtliche Bedeutung. Zudem kann ein Rechtsmittel mit einer einfachen E-Mail (also ohne qualifizierte elektronische Signatur) nicht rechtswirksam eingelegt werden (§ 65a Abs 1 S 3 SGG); auch hierauf hat die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils zutreffend aufmerksam gemacht.

3

Das Rechtsmittel entspricht mithin nicht der gesetzlichen Form und ist deshalb ohne inhaltliche Prüfung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG).

4

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt, ohne dass über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden werden müsste. Denn die Übermittlung von Dokumenten per E-Mail genügt nicht den Anforderungen des § 23 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2010 - 1 BvR 1070/10 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. November 2015 - 2 BvQ 43/15 -, juris, Rn. 5). Zudem hat der Antragsteller die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, insbesondere die Einhaltung des auch im vorgelagerten verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren geltenden Grundsatzes der Subsidiarität, nicht substantiiert dargelegt. Nach diesem Grundsatz kommt eine einstweilige Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 13. Februar 2013 - 1 BvQ 2/13 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Oktober 2013 - 2 BvQ 42/13 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvQ 9/14 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. August 2016 - 2 BvQ 36/16 -, juris).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Tenor

Das Sozialgericht Magdeburg wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob ein Arbeitsverhältnis der Klägerin fortbesteht. Die Klägerin war seit dem 20.5.2010 für die Beklagte aufgrund eines bis zum 19.2.2011 befristeten, schriftlichen Arbeitsvertrags als Reinigungskraft tätig. Nachdem ihr zum 9.9.2010 fristlos gekündigt worden war, hat sie, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 16.9.2010 vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Magdeburg Klage erhoben und ua beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 9.9.2010 hinaus ungekündigt fortbestehe. Zur Begründung hat sie unter Vorlage von Kopien des Arbeitsvertrags sowie des Kündigungsschreibens ua ausgeführt, sie lebe "von Hartz IV" und sei auf den "1,00 €-Job" bei der Beklagten angewiesen. Das ArbG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.9.2010 darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit des SG Magdeburg gegeben sein könnte, weil die Klägerin nach ihrem bisherigen Vortrag bei der Beklagten in einem "1,00 €-Job" stehe und eine Tätigkeit im Rahmen einer solchen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kein Arbeitsverhältnis begründe, und hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Datum des Schreibens gegeben. Mit einem am 13.10.2010 im Justizzentrum Magdeburg eingegangenen Schreiben vom 11.10.2010, nach Aktenvermerken dem zuständigen Richter vorgelegt am 14.10.2010 und zur Übersendung an die Beklagte zur Post gegeben am 15.10.2010, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie sich die Beschäftigung bei der Beklagten ohne Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit bzw durch das Jobcenter selbst gesucht habe, keine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vorliege und die Zuständigkeit des ArbG gegeben sein dürfte.

2

Mit Beschluss vom 14.10.2010 hat das ArbG den "Rechtsweg zum Arbeitsgericht" für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Magdeburg verwiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, für Streitigkeiten, die - wie hier - nicht aus einem Arbeitsverhältnis, sondern aus einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herrührten, seien nicht die ArbGe, sondern die SGe zuständig. Gegen diesen am selben Tag zur Post gegebenen Beschluss haben die Beteiligten nach dessen Zustellung trotz entsprechender Belehrung kein Rechtsmittel eingelegt.

3

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 27.6.2011 den Rechtsweg zu den SGen für unzulässig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des Rechtswegs vorgelegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Verweisung des ArbG sei nicht bindend, weil sie mangels Rechtsgrundlage willkürlich und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erfolgt sei.

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor.

5

Das zuständige Gericht wird in entsprechender Anwendung von § 58 Abs 1 Nr 4 SGG auch bei einem negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt vom BSG bestimmt, sofern sich - wie hier - die beiden beteiligten Gerichte jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und das BSG als für einen der beteiligten Rechtszweige zuständiger oberster Gerichtshof zuerst um die Entscheidung angegangen wird(vgl BSG SozR 1500 § 58 Nr 4; BSG Beschlüsse vom 11.10.1988 - 1 S 14/88 - MDR 1989, 189 und vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

6

Zum zuständigen Gericht ist das SG Magdeburg zu bestimmen, weil dieses an den rechtskräftigen Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 gebunden ist.

7

Gemäß § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs für das Gericht, an das verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über den Rechtsweg zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG(vgl BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - juris).

8

Danach ist der von den Beteiligten nicht angefochtene Verweisungsbeschluss des ArbG vom 14.10.2010 nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für das SG bindend. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht kommt, liegen hier entgegen der Auffassung des SG nicht vor.

9

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wegen der von § 17a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten(vgl BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr 29)allenfalls bei krassen Rechtsverletzungen in Betracht, etwa wenn der Beschluss dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) entfernt, so dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, nämlich wenn sie unverständlich und offensichtlich unhaltbar ist (vgl zB BGH Beschluss vom 18.5.2011 - X ARZ 95/11 - WM 2011, 1281; BFH Beschluss vom 14.10.2005 - VI S 17/05 - BFH/NV 2006, 329 mwN; BVerwG Beschluss vom 17.3.2010 - 7 AV 1/10 - aaO). Ein zur Durchbrechung der Bindungswirkung führender Rechtsverstoß wird verneint, wenn allein der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde und dieser Verstoß mit einem Rechtsmittel gegen den Verweisungsbeschluss hätte gerügt werden können, hiervon jedoch abgesehen wurde (vgl BGH Beschluss vom 8.7.2003 - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990; vgl aber auch BAG Beschluss vom 9.2.2006 - 5 AS 1/06 - NJW 2006, 1371 mwN). Für die Durchbrechung der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wegen örtlicher Unzuständigkeit bei einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Senat entschieden, dass nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) eine fehlende Bindung allenfalls dann noch angenommen werden kann, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs von einem der Beteiligten innerhalb angemessener Frist nach Zustellung des Beschlusses geltend gemacht wird. Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das verweisende Gericht ist deshalb nicht ohne Rüge von dem Gericht, an das verwiesen worden ist, zu prüfen und kann ohne vorhergehende Rüge im Rahmen einer Vorlage zur Entscheidung nach § 58 SGG keine vom Verweisungsbeschluss abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts rechtfertigen(vgl BSG SozR 4-1500 § 98 Nr 2 RdNr 7). Dies gilt auch bei einer Verweisung wegen der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses gemäß § 17a Abs 4 S 4 GVG kann auch hier eine Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung wegen einer möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör allenfalls dann in Betracht kommen, wenn einer der Beteiligten sich auf diesen Verfahrensverstoß beruft. In seiner Entscheidung vom 16.9.2009 (B 12 SF 7/09 S - juris) hat der Senat im Übrigen offengelassen, ob in Verfahren zur Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts, in denen ein nach Maßgabe von § 17a Abs 4 S 4 GVG mit Rechtsmitteln angreifbarer Verweisungsbeschluss - wie hier - vorliegt, dieser überhaupt nach den Maßstäben überprüfbar ist, die von der Rechtsprechung für Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit angewandt werden(vgl hierzu BSG SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15 und SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S, vom 10.3.2010 - B 12 SF 2/10 S - und vom 3.12.2010 - B 12 SF 7/10 S). Dies kann auch hier offenbleiben, weil die Entscheidung des ArbG nicht willkürlich ist. Auch steht der Bindungswirkung eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht entgegen.

10

Weder der Begründung des Verweisungsbeschlusses noch den sonstigen Umständen ist zu entnehmen, dass die Verweisung auf einem willkürlichen Verhalten des abgebenden Gerichts beruhte. Allein eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Anwendung von § 48 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 17a Abs 2 GVG, § 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG sowie § 16 Abs 3 SGB II bzw § 16d SGB II aufgrund unzutreffender Tatsachengrundlagen führt hier nicht zur Durchbrechung der Bindungswirkung. Die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen durch das ArbG stellt sich nicht als willkürlich, dh unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar, unverständlich und offensichtlich unhaltbar dar. Das ArbG ist aufgrund der Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Zuständigkeit eines ArbG, sondern der Rechtsweg zu den SGen gegeben sei. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die Zuständigkeit des ArbG für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis begründet sei und dass nach § 16 Abs 3 SGB II in der vom 1.1.2005 bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung bzw § 16d SGB II in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Sinne dieser Vorschriften kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründe. Ergänzend hat es sich dazu auf die Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 8.11.2006 - 5 AZB 36/06 - BAGE 120, 92 = NZA 2007, 53 und Urteil vom 20.2.2008 - 5 AZR 290/07 - DB 2008, 1159) gestützt. Aus den Angaben im letzten Absatz der Klageschrift vom 14.9.2010 hat es geschlossen, dass die Klägerin nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, sondern eines sog 1-Euro-Jobs tätig geworden sein könnte. Auch wenn zusätzlich ein Arbeitsvertrag in Kopie vorgelegt worden ist, war es nicht völlig unvertretbar, aufgrund des Vorbringens der durch eine Rechtsanwältin vertretenen Klägerin das Vorliegen eines sog 1-Euro-Jobs in Betracht zu ziehen. Nachdem die Beteiligten hierauf hingewiesen worden waren und innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme erfolgte, war der Schluss nicht unvertretbar, es habe tatsächlich eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II bestanden. Es kann deshalb nicht als willkürliches Verhalten gewertet werden, dass die Kammer des ArbG unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter am 14.10.2010 den Rechtsweg nicht zu den ArbGen, sondern zu den SGen als gegeben angesehen und den Rechtsstreit durch Beschluss verwiesen hat. Zwar hat die Klägerin nach Ablauf der gesetzten Frist mit Schreiben vom 11.10.2010, eingegangen beim Justizzentrum Magdeburg am 13.10.2010, darauf hingewiesen, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege, weil sie sich die Tätigkeit ohne Vermittlung selbst gesucht habe; dieses Schreiben wurde dem zuständigen Richter jedoch nach einem Aktenvermerk erst am 14.10.2010 und - wie die Abfolge der abgehefteten Schriftstücke in der Gerichtsakte nahelegt und wovon auch das SG ausgeht - erst nach Beschlussfassung und möglicherweise auch erst nach Aufgabe des Beschlusses zur Post vorgelegt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass die Kammer des ArbG den Inhalt dieses Schriftsatzes bei ihrer Beschlussfassung kannte.

11

Entgegen der Auffassung des SG entfällt die Bindungswirkung auch nicht deshalb, weil das ArbG bei der Beschlussfassung elementare Verfahrensgrundsätze missachtet haben könnte. Es kann dahinstehen, ob der Beschluss, wie das SG meint, unter Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör ergangen ist, weil das ArbG den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 11.10.2010 nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Kammerentscheidung nicht berücksichtigt hat. Denn eine Durchbrechung der Bindungswirkung durch diesen Verfahrensverstoß käme - wie oben ausgeführt - allenfalls in Betracht, wenn sich ein Beteiligter hierauf berufen hätte. Dies ist hier nicht erfolgt.

Tenor

Das Sozialgericht Hildesheim wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten als vormalige Parteien einer Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung nach dem SGB XII für den Leistungsbereich des ambulanten Betreuten Wohnens für Menschen mit Behinderung vom September 2013 beendeten ihre vertraglichen Beziehungen durch Vergleich vom 19.2.2015 vor dem SG Hildesheim. Hierdurch erledigte sich zugleich eine vom Beklagten zuvor ausgesprochene Kündigung der Vereinbarung.

2

Für die im Juni 2016 von der Klägerin bei dem LG Göttingen erhobene Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, 25 000 Euro zzgl weiterer Zahlungen zu erbringen, hat dieses Gericht sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Hildesheim verwiesen (Beschlüsse vom 29.6.2016/4.7.2016).

3

Mit Beschluss vom 17.10.2016 hat sich auch das SG Hildesheim für sachlich unzuständig erklärt, das Verfahren ausgesetzt und dem BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es halte sich nicht an den Verweisungsbeschluss des LG Göttingen gebunden. Dessen Auffassung, das SG Hildesheim sei für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz zuständig, entbehre jeden sachlichen Grundes und sei offensichtlich nicht haltbar. Weder der Hinweis auf früher geltende Vereinbarungen noch darauf, dass wegen der Wirksamkeit der Kündigung ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig gewesen sei, vermöge § 71 Abs 2 Nr 2 GVG außer Kraft zu setzen.

4

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor.

5

Das BSG ist hier als der für einen der beteiligten Gerichtszweige zuständige oberste Gerichtshof für die Bestimmung zuständig, weil es vom SG Hildesheim als erster oberster Gerichtshof um die Entscheidung angegangen worden ist. Das BSG hat bereits entschieden, dass in entsprechender Anwendung des § 58 Abs 1 Nr 4 SGG das zuständige Gericht auch dann zu bestimmen ist, wenn ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit und das Gericht eines anderen Gerichtszweigs den Rechtsweg zu sich rechtskräftig verneint haben, sofern das BSG als erster oberster Gerichtshof mit dieser Bestimmung befasst wird(BSG Beschluss vom 1.7.1980 - 1 S 5/80 - SozR 1500 § 58 Nr 4; vgl zuletzt BSG Beschluss vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R). Dies entspricht auch der übereinstimmenden Rechtsprechung des BGH und des BAG zu den vergleichbaren Vorschriften ihrer Verfahrensordnungen (BGH Beschluss vom 7.5.1965 - Ib ARZ 207/64 - BGHZ 44, 14; BAG Beschluss vom 6.1.1971 - 5 AR 282/70 - BAGE 23, 167 = AP Nr 8 zu § 36 ZPO; AP Nr 34 zu § 36 ZPO).

6

Zuständiges Gericht ist das SG Hildesheim. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung der Beschlüsse des LG Göttingen. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs 2 S 3 GVG bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Es ist nicht Aufgabe des "gemeinsam" übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG, den Streit der beteiligten Gerichte über den Anwendungsbereich von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen(vgl zuletzt Beschluss des Senats vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R - mwN).

7

Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichen Erwägungen beruht. Eine fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird und die vertretene Auffassung jeden sachlichen Grundes entbehrt, sodass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - Juris RdNr 9; zuletzt BSG Beschluss vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R - RdNr 4; BGH Beschluss vom 9.6.2015 - X ARZ 115/15 - MDR 2015, 908).

8

Trotz des knappen Verweisungsbeschlusses des Einzelrichters am LG Göttingen liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor, weil dieser offenbar einen sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen ergebenden Zahlungsanspruch mit einem rechtlichen Zusammenhang zur Kündigung der Sozialhilfevereinbarungen zugrunde gelegt hat. Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht von einer willkürlichen Verweisung ausgehen.

9

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.