Bundessozialgericht Beschluss, 22. Aug. 2013 - B 12 R 52/12 B

bei uns veröffentlicht am22.08.2013

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. Juni 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten (allein) darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Altenpflegehelfer als Beschäftigter bei der Klägerin ab dem 15.1.2004 versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war, wie es die Beklagte aufgrund einer Betriebsprüfung festgestellt hat.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg vom 20.6.2012 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

4

Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.

5

1. Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 20.2.2013 zunächst auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG)und macht hierzu auf den Seiten 3 bis 9 ihrer Begründung ein vermeintliches Abweichen des LSG von der Rechtsprechung anderer LSGe (Urteil des Bayerischen LSG vom 24.11.2009 - L 5 R 867/08 - und Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 2.11.2006 - L 24 KR 1097/05) geltend. Damit wird eine mögliche Divergenz schon deshalb nicht dargelegt, weil diese nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nur in einem Abweichen des LSG-Urteils von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG bestehen kann. Rechtssätze dieser Gerichte, von denen das LSG Hamburg abgewichen sein könnte, hat die Klägerin nicht benannt und somit den aus § 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz nicht genügt.

6

2. Daneben beruft sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

7

Für grundsätzlich bedeutend hält die Klägerin die Frage,

        

"ob bzw. unter welchen Umständen im Einzelfall Pflegekräfte als Selbstständige angesehen werden können".

8

Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm formuliert hat. Denn jedenfalls legt sie die Klärungsbedürftigkeit der Frage - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - nicht in der gebotenen Weise dar. Hierfür hätte die Klägerin im Einzelnen auf die im angegriffenen Urteil teilweise zitierte umfangreiche Rechtsprechung des BSG zur Frage der Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und (abhängiger) Beschäftigung (zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; speziell zur Frage, dass die Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin im Auftrag eines privaten Pflegedienstes - je nach den Umständen des Einzelfalls - grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125) eingehen und detailliert darlegen müssen, dass sich die von ihr umschriebene Fragestellung auf Grundlage der hierin entwickelten Rechtssätze nicht hinreichend sicher beantworten lässt. Bereits diese Rechtssätze herauszuarbeiten versäumt die Klägerin. Stattdessen beruft sie sich allein auf das vermeintliche Voneinanderabweichen der zur Divergenzrüge benannten LSG-Urteile und eine "nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit" für Pflegekräfte und Pflegeeinrichtungen. Den og Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung genügt dies nicht.

9

3. Auch soweit die Klägerin gegen Ende der Begründungsschrift das Vorliegen des Zulassungsgrundes eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO) geltend macht, wird dies nicht den hierfür geltenden Anforderungen entsprechend dargelegt. Für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) müssen aber die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Speziell für die Darlegung eines Verfahrensmangels wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des erkennenden Gerichts aufgrund von "Abwesenheit" eines Richters während der mündlichen Verhandlung sind konkrete Tatsachen vorzutragen, welche eine Wahrnehmung des Richters von den wesentlichen Vorgängen der Verhandlung ausschließen. Dabei sind der Zeitpunkt, die Dauer und die Einzelheiten des Verhaltens des Richters genau anzugeben. Weiterhin hat die Besetzungsrüge darzulegen, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist und welche für die Entscheidung wichtigen Vorgänge der Richter nicht hat erfassen können (zu Fällen des "schlafenden Richters" vgl BVerwG Beschluss vom 17.12.2003 - 4 BN 54/03 - NVwZ-RR 2004, 325 = Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr 13; BVerwG Beschluss vom 13.6.2001 - 5 B 105.00 - NJW 2001, 2898 = Buchholz 310 § 138 Ziff 1 VwGO Nr 38 mwN; vgl auch Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl, RdNr 515). Daher hätte die Klägerin jedenfalls die Dauer der Abwesenheit des ehrenamtlichen Richters, den Inhalt der während dieser Zeit vom Beigeladenen zu 1. abgegebenen Erklärungen sowie deren Bedeutung für die Urteilsfindung des LSG darlegen müssen. Zudem hätte die Klägerin mit Rücksicht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach ein Besetzungsmangel durch Wiederholen der wesentlichen Teile der mündlichen Verhandlung behoben werden kann (BVerwG Beschluss vom 5.11.2004 - 10 B 6/04 - NVwZ 2005, 231 = Buchholz 310 § 138 Ziff 1 VwGO Nr 41) und eine Beweiserhebung nach einem Richterwechsel nicht zwingend wiederholt werden muss, sondern auch andere Möglichkeiten der Unterrichtung von hinzugetretenen Richtern zulässig sind (BVerwG Beschluss vom 8.7.1988 - 4 B 100.88 - NVwZ-RR 1990, 166 = Buchholz 310 § 96 VwGO Nr 34; BVerwG Beschluss vom 1.6.2007 - 8 B 85/06; BVerwG Beschluss vom 15.3.2013 - 2 B 12/12 - mwN; vgl zur Beweisaufnahme durch den Einzelrichter zB BGH Urteil vom 13.3.2013 - VIII ZR 49/12 - EBE/BGH 2013, 195 mwN), im Einzelnen darlegen müssen, weshalb die im Protokoll der mündlichen Verhandlung des LSG festgehaltene - bei vollständiger Besetzung des Senates vorgenommene - Verlesung der bereits bei vollständiger Besetzung des Senats protokollierten Erklärungen des Beigeladenen zu 1. und die Bestätigung dieser Erklärungen durch den Beigeladenen zu 1. vorliegend nicht ausgereicht haben könnten, auch dem zuvor vorübergehend abwesenden ehrenamtlichen Richter die für die Urteilsfindung notwendige Kenntnis vom wesentlichen Inhalt dieser Erklärungen zu vermitteln.

10

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

11

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

12

6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Insofern ist vom Auffang-Streitwert auszugehen. Anhaltspunkte für eine konkrete Bemessung des Streitwerts nach dem Interesse der Klägerin an einer Entscheidung liegen insbesondere auch deshalb nicht vor, weil die Beklagte mit dem in Streit stehenden Bescheiden noch keine Beitragsforderung festgesetzt hat (vgl für Streitigkeiten in Verfahren über Feststellungen nach § 7a SGB IV zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - Juris RdNr 30, insoweit bei BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2 nicht abgedruckt; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72).

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

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Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfu

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7a Feststellung des Erwerbsstatus


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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

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Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6500 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in der von ihr für einen privaten "Pflegedienst" ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.

2

Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der ambulanten "Pflege und Betreuung" bundesweit tätig ist. Ihr Unternehmensziel ist darauf gerichtet, zumeist älteren und gesundheitlich eingeschränkten Personen ("Pflegebedürftigen"; im Folgenden: Betreuten) einen ua bis zu 24 Stunden täglich dauernden, umfassenden Service durch einen hauswirtschaftlichen Familienbetreuer bzw eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin ("Pflegepartner") anzubieten. Nach Unterweisung in einer von der Unternehmensgruppe betriebenen Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die von den Pflegepartnern teilweise selbst bezahlt werden muss, und nach Herstellung eines Kontakts zu den Betreuten durch eine bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester führen die Pflegepartner im Rahmen eines regelmäßig 14-tägigen Einsatzes den Haushalt der Betreuten im heimischen Umfeld und übernehmen ggf weitere Dienstleistungen - auch im Sinne von "Gesellschaft" und "Unterhaltung" - nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betreuten. Die Pflegepartner erbrachten in den Jahren 2001 und 2002 keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Auch war die Klägerin seinerzeit keine durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung.

3

Die Beigeladene zu 1., die nach ihrer - wie vorbeschrieben durchgeführten - Unterweisung ein Gewerbe "Hauswirtschaftliche Betreuung" angemeldet hatte, übte vom 18.1.2001 bis 1.7.2002 mit Unterbrechungen allein für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) eine Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin aus. Später - nach ihrer Lösung von der Klägerin - arbeitete sie parallel für mehrere andere private Pflegedienste. Während zwischen der Klägerin und den Betreuten ein schriftlicher Pflege- und Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde, erfolgten die "Einsatzaufträge" der Klägerin an die Beigeladene zu 1. lediglich fernmündlich von Mal zu Mal. Die Beigeladene zu 1. erteilte hierüber schriftliche Auftragsbestätigungen. Weitergehende schriftliche Verträge über die einzelnen Einsätze bestanden nicht, ebenso wenig existierte eine schriftliche Rahmenvereinbarung. Eine Verpflichtung der Klägerin, "Einsatzaufträge" zu erteilen, bestand nicht. Ebenso konnte die Beigeladene zu 1. ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen oder abbrechen oder verlängern. Aus einem laufenden Einsatz konnte sie von der Klägerin nicht abgezogen und einem anderen Kunden zugeteilt werden. Die Beigeladene zu 1. kalkulierte den Aufwand für sich selbst - gemessen an den an ihre Tätigkeit gestellten Anforderungen - ggf neu, verhandelte mit der Klägerin über die Vergütung und stellte dieser stets nach Abschluss ihrer Einsätze Rechnungen auf der Grundlage der - entsprechend vorher vereinbarten - pauschalierten Vergütung in Form von Tagessätzen (150 bis 170 DM bzw 87 Euro) aus. Während des Einsatzes dokumentierte die Beigeladene zu 1. die von ihr erbrachten Leistungen ("Pflegenachweis, Leistungsnachweis"). Eine vertragliche Verpflichtung zur Führung solcher Dokumentationen bestand im Verhältnis zur Klägerin nicht. Die examinierte Kraft ("Leitung des Pflegedienstes", "Einsatzleitung") kontrollierte diese Dokumentationen nicht. Eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. in einen von der Klägerin aufgestellten, alle Pflegepartner umfassenden Einsatzplan erfolgte nicht. Im Verhinderungsfall durfte sie - in Absprache mit der Klägerin - eine entsprechend qualifizierte Vertretung einsetzen. Für den Fall der "Kundeninsolvenz" hatten Klägerin und Beigeladene zu 1. einen Selbstbehalt Letzterer von 200 Euro je Rechnung ("Gewährleistungssumme") vereinbart, ebenso, dass bei Honorarkürzungen wegen Schlechtleistung diese von der Klägerin als Abzüge von der Vergütung an die Beigeladene zu 1. weitergegeben werden durften. Die Beigeladene zu 1. erzielte in den Jahren 2001 und 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19 706 DM bzw 6686 Euro.

4

Im November 2000 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ua die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Mit zwei Bescheiden vom 10.2.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beigeladene zu 1. für die Klägerin selbstständig tätig gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

5

Mit Urteil vom 4.6.2007 hat das SG der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und den sie betreffenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "im Zeitraum ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser gestanden hat". Während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat die Beklagte die genannten Bescheide mit Bescheid vom 10.6.2009 "ergänzt" und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "in der Zeit zwischen dem 18.1.2001 bis zum 1.7.2002 mit Unterbrechungen in den Zeiten ihrer Beschäftigung für die Klägerin versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung war" und "Beginn der Versicherungspflicht … der 18.1.2001 ist".

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG - nach umfangreichen Ermittlungen - mit Urteil vom 10.6.2009 das Urteil des SG geändert. Über die im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheide hinaus hat es auch den "ergänzenden" Bescheid vom 10.6.2009 aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin in den im Tenor näher bezeichneten Zeiträumen "nicht als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung war". Es hat seine zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beigeladene zu 1. habe in der streitigen Zeit nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit in keinem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Die mündlichen Abreden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sprächen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machten den Willen der Beteiligten deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu begründen. Die - gewollte - sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei auch tatsächlich umgesetzt worden. So habe die Beigeladene zu 1. angebotene Einsätze ablehnen können, über die Höhe des Vergütungsanspruchs verhandelt und nach Abschluss des Einsatzes wie ein Unternehmer Rechnungen geschrieben. Der Klägerin habe - auch über die von ihr eingesetzte examinierte Kraft - keine Weisungsbefugnis zugestanden. Eine ständige Dienstbereitschaft der Beigeladenen zu 1. sei nicht erwartet gewesen; diese habe ihre Dienstleistungen auch nicht in den Betriebsräumen der Klägerin erbracht. Die Beigeladene zu 1. habe schließlich ein Unternehmerrisiko getragen, etwa weil sie bei "Kundeninsolvenz" weniger Vergütung erhalten und Ausbildung und Fortbildungen selbst bezahlt habe. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags von der Klägerin und von den Betreuten vorgegeben gewesen seien, stehe der Annahme von Selbstständigkeit indes nicht entgegen, ebenso wenig, dass die Beigeladene zu 1. Pflegedokumentationen geführt habe. Im konkreten, hier allein zu entscheidenden Fall seien diese von der Klägerin bzw der für sie tätigen examinierten Kraft lediglich zur Kenntnis genommen worden. Auch könne aus der Begründung aufeinanderfolgender, relativ kurzer Vertragsverhältnisse nicht auf das Vorliegen von Beschäftigung geschlossen werden. In diesem Sinne habe die Beigeladene zu 1. nur stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere Vertragsbeziehung begründen zu wollen.

7

Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Nach dem Gesamtbild sprächen die Kriterien überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingeordnet, weisungsgebunden und ohne Unternehmerrisiko tätig gewesen. Die Führung der Pflegedokumentationen, zu der die Beigeladene zu 1. aufgrund des mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrags mittelbar verpflichtet gewesen sei, und das Prozedere beim Wechsel der Pflegepartner zeigten, dass die Beigeladene zu 1. Teil in der Kette der den jeweiligen Betreuten zur Verfügung gestellten Pflegepartner und damit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Das ergebe sich auch aus deren Teilnahme am Gruppenversicherungsvertrag der Klägerin für die Berufshaftpflichtversicherung. Weil sie ihre Aufträge ausschließlich durch Vermittlung der Klägerin erhalten und sich die Betreuungstätigkeit nach den Wünschen der Betreuten gerichtet habe, sei die Beigeladene zu 1. auch - im Verhältnis zu diesen - weisungsgebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe schließlich nicht bestanden. Dieses folge weder aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1. Aufträge habe ablehnen dürfen, noch daraus, dass von der Klägerin eine "Gewährleistungssumme" für den Fall der "Kundeninsolvenz" habe einbehalten werden dürfen.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. lasse sich eine Weisungs- und/oder Kontrollbefugnis nicht herleiten. Pflegedokumentationen seien ein Arbeitsmittel der professionellen Pflege und ließen keinen Rückschluss auf den Status der sie Führenden zu. Ebenso wenig spreche die Teilnahme an einem Gruppenversicherungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung.

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Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht in der Sache.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG zunächst - auf Klage - auch den während des Berufungsverfahrens erlassenen "ergänzenden" Bescheid der Beklagten vom 10.6.2009 aufgehoben. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, hat es sodann die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG mit den im Tenor genannten, auf die Zeiten der einzelnen Betreuungseinsätze vorgenommenen Einschränkungen zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil insoweit geändert. Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 10.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2004 und ihres "ergänzenden" Bescheids vom 10.6.2009 ist rechtswidrig. Wie das LSG ohne Rechtsfehler entschieden hat, hat sie darin unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.

13

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist vom Senat auch der während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von der Beklagten erlassene Bescheid vom 10.6.2009. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen (vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff) Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht -, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt.

14

Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die Beigeladene zu 1. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin nicht festzustellen ist, bei den jeweils von ihr Betreuten versicherungspflichtig beschäftigt war. Ebenso ist hier nicht zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 1. - was bei Annahme einer selbstständigen Tätigkeit in Betracht kommt - jedenfalls der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Satz 1 SGB VI unterlag. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass in dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV allein geklärt werden sollte, ob die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war, und dass eine Feststellung des (Nicht-)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der Voraussetzungen der § 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI erfordert, deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst ist.

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2. Die Beklagte ist in ihren Bescheiden in dem von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32), auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen -rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offenlassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen und ob die Beklagte - bei Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung - über den Zeitpunkt ihres Eintritts zutreffend entschieden hat.

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a) In den Jahren 2001 und 2002, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III)der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (vgl zur Beurteilung von Familienhelfern im Arbeitsrecht BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R, RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

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b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG - für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation - auf Grund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung, ohne dass dies vom Senat zu beanstanden wäre, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei der Klägerin nicht beschäftigt war. Die vom Berufungsgericht hierbei in seinem Ausgangspunkt zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend. So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 22) davon ausgegangen, dass dem in den - hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Als rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst hat das LSG auch, dass aus dem Umstand, dass - ohne (mündliche oder schriftliche) Rahmenvereinbarung - jeweils einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse von in der Regel 14 Tagen mit Diensten "rund um die Uhr" begründet wurden, zwingende Schlüsse weder in der einen - Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden können, sondern stets eine Bewertung der einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff). Als Ausgangsüberlegung richtig ist schließlich, dass eine Tätigkeit wie die eines hauswirtschaftlichen Familienbetreuers bzw einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann (vgl zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung aus der Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung LSG Berlin, Urteil vom 26.11.1986 - L 9 Kr 8/85 - Breith 1987, 345; ferner zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Tagesmutter als Beschäftigte und Selbstständige Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - Juris RdNr 11, mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sowohl die Befristung der Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1. als auch ihr Einsatz "rund um die Uhr" lassen dabei nicht schon den Schluss zu, dass ein (rechtlich zulässiger) Einsatz von vornherein überhaupt nur im Rahmen einer frei ausgestalteten selbstständigen Tätigkeit in Betracht kam. Zwar waren (und sind) kurzzeitige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nur begrenzt zulässig (vgl § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1966), aber immerhin nicht generell ausgeschlossen. Auch unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts bestanden (und bestehen) für Beschäftigungen auf diesem Gebiet keine engen Vorgaben hinsichtlich der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (vgl § 18 Abs 1 Nr 3 Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBl I 1170: keine Geltung des Gesetzes für "Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen").

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c) Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen, auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen getroffenen detaillierten Feststellungen des LSG zu den im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen und deren - hiermit übereinstimmender - (tatsächlicher) Umsetzung rechtfertigen dessen Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei dieser nicht beschäftigt gewesen. Das Berufungsgericht hat ausgehend von zutreffenden (allgemeinen) rechtlichen Erwägungen begründet, dass und warum hiernach starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für das hier (allein) zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht der Klägerin sowie eine Eingliederung in deren "Betrieb" verneint, demgegenüber aber ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Ebenso ist es beanstandungsfrei, dass das LSG diesen Befund - unter Einbeziehung weiterer, für eine selbstständige Tätigkeit sprechender Umstände - bei der Gesamtwürdigung seiner Statusbewertung maßgebend zugrunde gelegt und der Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin, der Vergütung in Form (pauschaler) Tagessätze sowie der Führung einer Pflegedokumentation durch die Beigeladene zu 1. hierbei keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

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aa) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterlag die Beigeladene zu 1. bei der Durchführung ihrer einzelnen "Einsatzaufträge" keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Sie unterlag auch keinem solchen der von ihr Betreuten. Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten entwickelten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 29, mwN) hat das Berufungsgericht den Umständen hier rechtsfehlerfrei keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin vorgegeben waren und sich die Betreuungstätigkeit (allgemein) nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betreuten oder ihrer Angehörigen auszurichten hatte. Wie die Betreuung im Einzelnen ausgestaltet ist, richtet sich nach den individuellen Erfordernissen, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmen. Das gilt für Tätigkeiten hauswirtschaftlicher Art wie für Pflegetätigkeiten (im weiteren Sinne) gleichermaßen. Der hierbei - gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension des "Einsatzauftrags" (14-Tage-Einsatz, 24-Stunden-Service) - geforderten Fähigkeit des Pflegepartners zur Reaktion auf die - sich ggf ständig verändernde - aktuelle Betreuungs- und/oder Pflegesituation steht zwangsläufig eine Flexibilität im Handeln gegenüber, die diesem gerade wegen der Individualität und Einzigartigkeit dieser Situation prinzipiell einen großen Entscheidungsbereich belässt. Hiervon ausgehend und nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall unterlag die Beigeladene zu 1. keiner arbeitnehmertypischen Leistungspflicht, weil sich für sie bei ihrer Tätigkeit für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume ergaben (vgl insoweit - im Arbeitsrecht - zum Gesichtspunkt einer möglichen Einflussnahme des Betroffenen auf Art und zeitliche Lage der konkreten Tätigkeit in einer Betreuungssituation BAG AP Nr 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Leitsatz 1 und Bl 413 ff). Allein aus der im Hinblick auf die genannten (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden "Minderung" der "Autonomie" der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann daher nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin und/oder der Betreuten geschlossen werden (zur Übertragung der für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten aufgestellten Grundsätze auf als sog Freelancer tätige Flugzeugführer vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Ob die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Betreuten und der Beigeladenen zu 1. - wie die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 18.6.2008 (L 1 RA 257/05 - Juris RdNr 60 f) meint - einem Leiharbeitsverhältnis ähnelten mit der Besonderheit, dass hier das "Weisungsrecht" wie dort auf die Betreuten "delegiert" war, ist vor diesem Hintergrund ohne Bedeutung.

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Die Beigeladene zu 1. war auch nicht - gleichwohl - wegen der von ihr in der Gestalt von "Pflegeberichten", "Pflegeprotokollen" und "Checklisten für die Pflegepartner zur Durchführung einer Ablösung" geführten Pflegedokumentationen von der Klägerin weisungsabhängig. Die Beklagte behauptet dieses auch selbst nicht, sondern stützt sich auf diesen Umstand (nur) für ihre Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in eine von der Klägerin vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Das LSG hat in dem hier (allein) zu entscheidenden Fall festgestellt, dass sich die bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. tatsächlich nicht eingemischt, insbesondere deren Arbeitsergebnisse - etwa beim Wechsel von Pflegepartnern - nicht anhand der Pflegedokumentationen kontrolliert hat, und hieraus den Schluss gezogen, dass der Klägerin über diese Kraft keine Weisungsbefugnis zustand. Diese Schlussfolgerung ist nicht zu beanstanden, zumal - wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat - der Klägerin keine Rechtsmacht zur Kontrolle zustand, weil im Verhältnis zu ihr eine (vertragliche) Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Dokumentation nicht bestand und diese jedenfalls nach dem mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrag (dort Punkt 1.6) nur als "Pflege"- bzw "Leistungsnachweis" (der Klägerin) gegenüber den Betreuten dienen sollte. Eine - von der Beklagten angenommene - auf Grund "mittelbarer" Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. hierzu dieser gegenüber bestehende Weisungsbefugnis der Klägerin etwa dahingehend, dass und wie sie ihre Dienstleistung optimieren könne, lässt sich daraus nicht entnehmen.

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Schließlich greift das Vorbringen der Beklagten auch insoweit nicht durch, als sie sich für die Annahme eines Weisungsrechts der Klägerin darauf stützt, dass diese die Beigeladene zu 1. in einer speziellen Bildungsmaßnahme geschult und so auf ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vorbereitet, dieser dann die Aufträge vermittelt und (allein) mit den Betreuten "Erstverhandlungen" über den Umfang der Betreuungsleistungen geführt habe. Warum sich hieraus - bezogen auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines "Einsatzauftrags" bestehen - ein für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechendes Weisungsrecht der Klägerin ergeben soll, erläutert die Beklagte nicht. Demgegenüber fallen als relevant auf eine (weitgehend) autonome Durchführung der einzelnen Einsätze hindeutende Umstände ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall übernommene Aufträge (vorzeitig) abbrechen oder verlängern und sie nach Übernahme eines bestimmten Auftrags (und vor dessen Beendigung) von der Klägerin nicht gegen ihren Willen "umgesetzt", also zur Annahme eines anderen Auftrags veranlasst werden konnte.

22

bb) Die Beigeladene zu 1. war auch nicht wie eine Beschäftigte in den "Betrieb" der Klägerin eingegliedert. Ebenso fehlte eine entsprechende arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von den Betreuten vorgegebene betriebliche Ordnung. Soweit das LSG diese Annahme damit begründet hat, dass von der Beigeladenen zu 1. mangels Aufnahme der Pflegepartner in einen bei der Klägerin geführten Dienstplan keine ständige Dienstbereitschaft erwartet worden sei und diese - im Gegenteil - die Übernahme von "Einsatzaufträgen" eher an eigenen Bedürfnissen ausgerichtet hat, ist sein Prüfungsansatz indessen unzutreffend. Denn auch für die Beurteilung, ob die Beigeladene zu 1. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden. Im Übrigen lässt die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen entschieden, dass die Beigeladene zu 1. in den "Betrieb" der Klägerin nicht eingegliedert war (vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Einbindung der Beigeladenen zu 1. in den Haushalt des jeweils Betreuten (mit den dort zur Verfügung gestellten sächlichen Mitteln) nicht als funktionsgerechte Einordnung in eine von dieser Seite vorgegebene Ordnung betrachtet, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (vgl - zur Möglichkeit des Fehlens einer Eingliederung von Dozenten in den Lehr-/Bildungsbetrieb einer Volkshochschule - BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 18 ff; ferner - zum Fehlen einer Eingliederung von als sog Freelancer tätigen Flugzeugführern in den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff).

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Das Revisionsvorbringen der Beklagten greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung folgt aus dem - vom LSG festgestellten - Ablauf beim Wechsel der Pflegepartner und der Organisation der Folgepflege sowie der hierauf bezogenen Funktion der Pflegedokumentationen (Checkliste) nicht schon, dass die Beigeladene zu 1. wegen ihrer Eigenschaft als "ein Teil in der Kette der den jeweiligen Kunden zur Verfügung gestellten Pflegepersonen" in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Dass jemand zu einem "Pool" von Einsatzkräften gehört, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den "Betrieb" der insoweit Verpflichteten nichts (vgl - zum Status in einem "Personalpool" zusammengefasster, als sog Freelancer tätiger Flugzeugführer als Selbstständige - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris). Ebenso wenig kann für eine Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin daraus etwas hergeleitet werden, dass ihr und das Auftreten der Beigeladenen zu 1. im Rechtsverkehr von den Betreuten so wahrgenommen wurden, als sei die Beigeladene zu 1. nicht (ihrerseits) Unternehmerin, sondern befinde sich in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin.

24

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung spricht für eine entsprechende Eingliederung schließlich nicht, dass die Klägerin für die Pflegepartner zur Absicherung in einer Berufshaftpflichtversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag angeboten hat. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nämlich darauf hingewiesen, dass Angebote zur Teilnahme an einer Gruppenversicherung allgemein auch Selbstständigen (etwa Rechtsanwälten) gemacht werden, ohne dass eine Teilnahme hieran für eine Eingliederung in den "Betrieb" des Anbieters als Indiz wirkt.

25

cc) Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das LSG ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1. - wie das für Dienstleistungen in der Hauswirtschaft typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.

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Richtig ist allerdings, dass - so die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8.8.2006 (L 11 R 2987/05) - aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze folgt (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Die Annahme eines Unternehmerrisikos ist indessen gerechtfertigt, weil die Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei "Kundeninsolvenz" in der Gestalt eines Selbstbehalts ("Gewährleistungssumme") trug. Die vom LSG im gleichen Zusammenhang genannte Vereinbarung über Abzüge für Schlechtleistungen stellt demgegenüber kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine solche "Haftung" für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36). Zu dem Risiko des Verdienstausfalls bei "Kundeninsolvenz" tritt - wenn auch in geringerem Umfang - ein Kapitalrisiko hinzu, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei (vorzeitigem) Abbruch des "Einsatzauftrags", etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht lohnen konnte. Auch amortisierten sich in einem solchen Fall die von der Beigeladenen zu 1. aufgewandten Ausbildungs- und Fortbildungskosten nicht.

27

Der Belastung der Beigeladenen zu 1. mit diesen Risiken stand auf der anderen Seite, was - wie dargestellt - erforderlich ist, bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des einzelnen Einsatzes eine größere Freiheit und Flexibilität gegenüber. Die Beigeladene zu 1. war nämlich nicht wie ein klassischer Arbeitnehmer gehalten, Arbeitsanweisungen zur Vermeidung vertragsrechtlicher Sanktionen und/oder von Schadensersatzansprüchen Folge zu leisten, sondern konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen sehr weitreichend selbst steuern. So konnte sie nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise die ihr von der Klägerin angebotenen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen oder verlängern; sie konnte auch nicht von der Klägerin aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Kunden zugeteilt werden.

28

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Unternehmerrisiko hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beigeladene zu 1. für ihre Einsätze vereinbarungsgemäß und tatsächlich pauschal - nach Tagessätzen - vergütet wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulierte die Beigeladene zu 1. ihren Aufwand ggf neu und hat diese Kalkulation in die Verhandlungen mit der Klägerin um die Höhe des Vergütungsanspruchs eingebracht. Damit hing in dem hier zu beurteilenden Fall der Beigeladenen zu 1. die Höhe ihres Verdienstes in der Form höherer Tagessätze weitestgehend vom Umfang und der Intensität des Einsatzes ihrer Arbeitskraft bei dem jeweiligen Auftrag ab. Sie konnte durch die Gestaltung der "Einsatzaufträge" die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft in hohem Maße selbst steuern und andererseits durch besondere Anstrengungen ihre Verdienstchancen erhöhen bzw einen Mehrverdienst erzielen.

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3. Nach alledem ist die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin nicht als versicherungspflichtig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV anzusehen. Denn für den hier (allein) zu beurteilenden Sachverhalt ist das LSG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war. Dahinter kann zurücktreten, dass die Klägerin - und nicht die Beigeladene zu 1. - Kundenwerbung betrieb und "Einsatzaufträge" aquirierte, weil sie jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1. vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte.

30

Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit, wie sie die Beigeladene zu 1. im hauswirtschaftlichen und "pflegenahen" Bereich ausgeübt hat, stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wäre. Maßgebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese Feststellungen sind bindend, wenn sie - wie hier - nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen, insbesondere mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Von daher ist es durchaus möglich, dass andere LSG in ihren Entscheidungen zu Tätigkeiten ähnlicher Art, wie sie von der Beigeladenen zu 1. verrichtet wurden, auf der Grundlage der in ihren Verfahren festgestellten tatsächlichen entscheidungserheblichen Umstände zu anderen Ergebnissen gelangen.

31

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs 3 VwGO).

32

Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG schon für das Berufungsverfahren angenommenen Streitwerts festzusetzen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land, deren einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegen, werden nach den Vorschriften dieses Teils vorbereitet und durchgeführt.

(2) Mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen nach Absatz 1 sollen Ortsteile und andere Teile des Gemeindegebiets entsprechend ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Gemeinde oder entsprechend der angestrebten Entwicklung des Landesgebiets oder der Region erstmalig entwickelt oder im Rahmen einer städtebaulichen Neuordnung einer neuen Entwicklung zugeführt werden.

(3) Die Gemeinde kann einen Bereich, in dem eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchgeführt werden soll, durch Beschluss förmlich als städtebaulichen Entwicklungsbereich festlegen, wenn

1.
die Maßnahme den Zielen und Zwecken nach Absatz 2 entspricht,
2.
das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordert, insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen,
3.
die mit der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme angestrebten Ziele und Zwecke durch städtebauliche Verträge nicht erreicht werden können oder Eigentümer der von der Maßnahme betroffenen Grundstücke unter entsprechender Berücksichtigung des § 166 Absatz 3 nicht bereit sind, ihre Grundstücke an die Gemeinde oder den von ihr beauftragten Entwicklungsträger zu dem Wert zu veräußern, der sich in Anwendung des § 169 Absatz 1 Nummer 6 und Absatz 4 ergibt,
4.
die zügige Durchführung der Maßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums gewährleistet ist.
Die öffentlichen und privaten Belange sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(4) Die Gemeinde hat vor der förmlichen Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs die vorbereitenden Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen, die erforderlich sind, um Beurteilungsunterlagen über die Festlegungsvoraussetzungen nach Absatz 3 zu gewinnen. Die §§ 137 bis 141 sind entsprechend anzuwenden.

(5) Der städtebauliche Entwicklungsbereich ist so zu begrenzen, dass sich die Entwicklung zweckmäßig durchführen lässt. Einzelne Grundstücke, die von der Entwicklung nicht betroffen werden, können aus dem Bereich ganz oder teilweise ausgenommen werden. Grundstücke, die den in § 26 Nummer 2 und § 35 Absatz 1 Nummer 7 bezeichneten Zwecken dienen, die in § 26 Nummer 3 bezeichneten Grundstücke sowie Grundstücke, für die nach § 1 Absatz 2 des Landbeschaffungsgesetzes ein Anhörungsverfahren eingeleitet worden ist, und bundeseigene Grundstücke, bei denen die Absicht, sie für Zwecke der Landesverteidigung zu verwenden, der Gemeinde bekannt ist, dürfen nur mit Zustimmung des Bedarfsträgers in den städtebaulichen Entwicklungsbereich einbezogen werden. Der Bedarfsträger soll seine Zustimmung erteilen, wenn auch bei Berücksichtigung seiner Aufgaben ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme besteht.

(6) Die Gemeinde beschließt die förmliche Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs als Satzung (Entwicklungssatzung). In der Entwicklungssatzung ist der städtebauliche Entwicklungsbereich zu bezeichnen.

(7) Der Entwicklungssatzung ist eine Begründung beizufügen. In der Begründung sind die Gründe darzulegen, die die förmliche Festlegung des entwicklungsbedürftigen Bereichs rechtfertigen.

(8) Der Beschluss der Entwicklungssatzung ist ortsüblich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. In der Bekanntmachung nach Satz 1 ist auf die Genehmigungspflicht nach den §§ 144, 145 und 153 Absatz 2 hinzuweisen. Mit der Bekanntmachung wird die Entwicklungssatzung rechtsverbindlich.

(9) Die Gemeinde teilt dem Grundbuchamt die rechtsverbindliche Entwicklungssatzung mit. Sie hat hierbei die von der Entwicklungssatzung betroffenen Grundstücke einzeln aufzuführen. Das Grundbuchamt hat in die Grundbücher dieser Grundstücke einzutragen, dass eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchgeführt wird (Entwicklungsvermerk). § 54 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

Gründe

1

Die auf Verfahrensfehler (§ 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

2

1. Der Beklagte, ein im Dienst der Klägerin stehender Kriminaloberkommissar, wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Unterschlagung ihm anvertrauter Sachen verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hat der Beklagte mit einem ihm übergebenen Schlüssel den auf der Dienststelle befindlichen Tresor geöffnet und aus verschiedenen Asservatenbeuteln 4 435 € Bargeld sowie die für den Betriebsausflug gesammelten 310 € entnommen und das Geld für die Begleichung privater Schulden verwendet.

3

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten wegen schwerer innerdienstlicher Dienstvergehen aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zunächst über die Angaben, die der Beklagte vor seiner Entdeckung gegenüber seinem Sachgebietsleiter gemacht hatte, durch eine Zeugenvernehmung Beweis erhoben. In einem Fortsetzungstermin hat es darüber hinaus - mit Einverständnis des Beklagten - dessen Kontoauszüge eingeführt und ausgewertet. An diesem Termin nahm eine Berufsrichterin anstelle des im ersten Termins anwesenden Berufsrichters teil.

4

2. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht war nicht verpflichtet, die Beweisaufnahme aufgrund des eingetretenen Richterwechsels im Fortsetzungstermin zu wiederholen.

5

Entgegen der von der Beschwerde vertretenen Auffassung verweist § 54 HmbDG hinsichtlich der Beweisaufnahme nicht umfassend auf die Bestimmungen der Strafprozessordnung. Ebenso wie § 3 BDG für Bundesbeamte ordnet vielmehr auch § 22 HmbDG hinsichtlich des gerichtlichen Disziplinarverfahrens eine ergänzende Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung an, soweit das Disziplinargesetz nicht etwas anderes bestimmt. Daher finden Regelungen der Strafprozessordnung nur Anwendung, wenn und soweit dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist. Dementsprechend verweist § 54 Abs. 2 HmbDG für die gerichtliche Beweiserhebung nur punktuell auf die Strafprozessordnung. Die Frage, ob ein Richter an der Entscheidung mitwirken darf, der nicht an einer Beweisaufnahme teilgenommen hat, richtet sich somit nicht nach § 226 Abs. 1 und § 250 StPO, sondern nach den Vorgaben aus §§ 98 und 112 VwGO (vgl. zur bewussten Abkehr von den Bestimmungen der Strafprozessordnung auch BTDrucks 14/4659, S. 34 f.).

6

Danach war eine Wiederholung der Beweisaufnahme im Fortsetzungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht hier nicht geboten. Nach § 112 VwGO entscheidet das Gericht durch diejenigen Richter, die zum Zeitpunkt der dem Urteil zugrunde liegenden, d.h. der letzten mündlichen Verhandlung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben sowie der Beschlüsse des Gerichtspräsidiums und des zuständigen Spruchkörpers über die Geschäftsverteilung für die Entscheidung zuständig sind. Die Verwaltungsgerichtsordnung fordert nicht, dass die Richter an zuvor durchgeführten mündlichen Verhandlungen teilgenommen haben. Zur Mitwirkung berufen sind nicht diejenigen Richter, die an einer vorangehenden, sondern diejenigen Richter, die an der letzten mündlichen Verhandlung nach den Regelungen über die Geschäftsverteilung zuständig sind (Beschlüsse vom 2. April 1971 - BVerwG 4 B 5.71 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 78 = DÖV 1971, 711; vom 16. Oktober 1997 - BVerwG 7 C 7.97 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 50; vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 2 B 113.07 - juris Rn. 12 und vom 14. März 2011 - BVerwG 8 B 61.10 - juris Rn. 23 m.w.N.).

7

Auch die in § 54 Abs. 1 HmbDG in Übereinstimmung zu § 96 Abs. 1 VwGO angeordnete Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme fordert nicht zwingend die Wiederholung der Beweisaufnahme im Falle des Richterwechsels, sondern lässt andere Möglichkeiten der Unterrichtung von hinzugetretenen Richtern zu (Beschluss vom 8. Juli 1988 - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34). Eine Wiederholung der Zeugenvernehmung vor den das Urteil fällenden Richtern ist daher nur dann geboten, wenn der persönliche Eindruck des Zeugen für alle Richter unverzichtbar ist (Beschlüsse vom 1. Juni 2007 - BVerwG 8 B 85.06 - juris Rn. 11 und vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 jeweils m.w.N.). Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vernommenen Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen vorliegen (Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 69.10 - juris Rn. 13 und 21).

8

Derartiges hat die Beschwerde, die pauschal die Anwendung der Strafprozessordnung für die Zulässigkeit eines Richterwechsels fordert, aber nicht dargetan. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Beklagte im Fortsetzungstermin auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts keine Einwände gegen den sachlichen Gehalt der Zeugenaussage erhoben. Allein der Umstand, dass der Zeuge offen gelegt hat, nicht mehr sicher sagen zu können, ob er den Beklagten angerufen hatte oder umgekehrt dieser ihn, begründet Glaubwürdigkeitszweifel nicht. Die Frage ist im Urteil im Übrigen nicht zu Lasten des Beklagten verwertet worden; vielmehr ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte die Tat dem Zeugen vor ihrer Entdeckung offenbart hat (S. 12 des Berufungsurteils).

9

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 65 Abs. 1 HmbDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

10

Es kann als durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt gelten und bedarf daher nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass die Beweisaufnahme nach einem Richterwechsel unter Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht zwingend wiederholt werden muss. Wie bereits dargelegt verweisen §§ 22 und 54 Abs. 2 HmbDG insoweit nicht auf die Vorschriften der Strafprozessordnung.

11

Auch die zweite Frage rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht. Es ist in der Rechtsprechung vielmehr geklärt, dass eine überlange Verfahrensdauer nicht zum Absehen der disziplinarrechtlich gebotenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen kann. Ein Beamter, der wegen eines gravierenden dienstlichen Fehlverhaltens nicht mehr tragbar ist, kann nicht deshalb im Beamtenverhältnis bleiben, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat (Urteil vom 29. März 2012 - BVerwG 2 A 11.10 - juris; Rn. 84 f. und Beschluss vom 16. Mai 2012 - BVerwG 2 B 3.12 - NVwZ - RR 2012, 609 Rn. 10 f.; vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12 -).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 49/12 Verkündet am:
13. März 2013
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
(zu I, II 1)
BGHR: ja
Die Erhebung aller notwendigen Beweise durch den vorbereitenden Einzelrichter
des Berufungsgerichts ist nicht nach § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO stets unzulässig.
Der Einzelrichter darf vielmehr, wenn nicht die besonderen Gegebenheiten
des Arzthaftungsprozesses dem entgegenstehen, alle notwendigen Beweise
erheben, soweit dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht
wünschenswert und von vornherein anzunehmen ist, dass das Be-
rufungsgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem
Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag (Abgrenzung zu
BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - VI ZR 155/92, NJW 1994, 801 zum Arzthaftungsprozess
).
BGH, Urteil vom 13. März 2013 - VIII ZR 49/12 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2012 aufgehoben , soweit das Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben und die Widerklage in Höhe von 399.936 € nebst Zinsen abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten desRevisionsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Vertrages über eine von der Beklagten gelieferte Druckanlage.
2
Die Klägerin betreibt eine Druckerei und ist auf die Produktion von Beipackzetteln für die Pharmaindustrie spezialisiert. Die Beklagte stellt Druckanlagen her. Am 13. November 2003/12. Januar 2004 kaufte die Klägerin von der Beklagten eine aus mehreren Standardkomponenten bestehende digitale Druckanlage für 799.936 € brutto. Bestandteil des Drucksystems war auch das Softwareprogramm "P. C. ". Im Vertrag war unter anderem vorgesehen , dass das Papier eines bestimmten Herstellers mit einem Gewicht von 40 g/m² und 50 g/m² unter bestimmten klimatischen Bedingungen verwendet werden kann. Zusätzlich zum Kaufvertrag schlossen die Parteien einen "Service -Vertrag", der eine Laufzeit von 48 Monaten ab Inkrafttreten des Kaufvertrags sowie eine monatliche Servicepauschale von 3.688 € netto vorsah.
3
Die Druckanlage wurde mit Ausnahme des Softwareprogramms am 19. Dezember 2003 ausgeliefert. Am 19. April 2004 unterzeichnete die Klägerin ein Protokoll über die "Abnahme der Betriebsbereitschaft", in dem die Lieferung und Installation sämtlicher Einzelelemente (inklusive der Software) sowie die Betriebsbereitschaft insgesamt bescheinigt wurden. Vorausgegangen war der Probedruck eines Kochbuchs auf Papier der Stärke 80 g/m2. Ein Testlauf der Anlage mit den vertraglich vereinbarten dünneren Papierstärken unterblieb, weil die Klägerin in der Halle zunächst noch die hierfür erforderlichen klimatischen Bedingungen schaffen musste; dies war erst im Juli 2004 abgeschlossen. In der Folgezeit wurde versucht, eine "Validierung" der Anlage (d.h. eine Genehmigung des Pharma-Unternehmens, dessen Beipackzettel dort produziert werden sollten) zu erreichen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Validierung zu dem von der Beklagten geschuldeten Leistungsumfang gehört.
4
Die Klägerin leistete im November 2004 eine Anzahlung von 400.000 € unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Hinblick auf die Beseitigung behaupteter Mängel und die noch ausstehende Validierung an die Beklagte. Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 trat sie wegen behaupteter Mängel der Druckanlage vom Vertrag zurück.
5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten Rückzahlung der geleisteten 400.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Druckanlage sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Die Beklagte hat widerklagend von der Klägerin die Zahlung des Restkaufpreises (399.936 €), der Service-Pauschalen (205.347,84 €) sowie der Vergütung für die Mitarbeit an der Validierung (29.000 €), insgesamt 634.283,84 € nebst Zin- sen, verlangt.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 605.283,84 €nebst Zinsen stattgegeben; hinsichtlich des Entgelts für die Validierung (29.000 €) hat es die Widerklage abgewiesen.
7
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage - mit Ausnahme eines Teils der Zinsen - stattgegeben und die Widerklage abgewiesen ; die Anschlussberufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Die Beklagte begehrt mit ihrer vom Senat insoweit zugelassenen Revision weiterhin Klageabweisung und - hinsichtlich ihrer Widerklage - Zahlung des Restkaufpreises von 399.936 € nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Klägerin habe infolge des mit Anwaltsschreiben vom 18. Juli 2005 erklärten Rücktritts vom Vertrag gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung der auf den Kaufpreis erbrachten Anzahlung in Höhe von 400.000 € aus §§ 346, 434 Abs. 1 Satz 1, § 437 Nr. 2 BGB, weil die gelieferte Druckanlage hinsichtlich ihrer Eignung zur Verarbeitung von 40 g/m²-Papier nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entsprochen habe. Die Widerklage auf Zahlung des Restkaufpreises sei dagegen unbegründet.
11
Nach dem Inhalt des Vertrages sei vorgesehen gewesen, dass auf der gelieferten Druckanlage unter anderem auch Papier mit einem Gewicht von 40 g/m² habe Verwendung finden sollen. Der Senat habe nach dem Inhalt der Verhandlung und dem Ergebnis der vom vorbereitenden Einzelrichter des Senats durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die gelieferte Anlage hierzu nicht in der Lage sei. Dies gelte selbst unter der Voraussetzung, dass, wie die Beklagte meine, die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels infolge der vom Geschäftsführer der Klägerin am 19. April 2004 abgegebenen Erklärung über die "Abnahme der Betriebsbereitschaft" gemäß § 363 BGB grundsätzlich bei der Klägerin liege. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Rüge, der Senat habe die Beweisaufnahme in unzulässiger Weise nach § 527 ZPO durch den Berichterstatter als vorbereitenden Einzelrichter durchführen lassen, gehe ins Leere und nötige nicht zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme.
12
Nach dem Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Betriebs- und Serviceanleitungen des Herstellers H. und den dort angeführten technischen Daten sei die Verarbeitung von geringeren Papiergewichten als 50 bis 150 g/m² - also etwa 40 g/m² - mit der gelieferten Anlage nicht möglich gewesen. Nach den Aussagen der Mitarbeiter von H. seien die Angaben in den Betriebsanleitungen allerdings nicht dahingehend zu verstehen, dass keinesfalls geringere Papiergewichte verarbeitet werden könnten. Dies hänge auch von anderen Parametern (Papierqualität und -sorte, Umweltbedingungen) ab und bedürfe jeweils einzelfallbezogener Tests und Freigaben. Diese Aussagen würden gestützt durch den Inhalt des Schreibens von H. vom 27. Mai 2008, das aber zugleich auch ausweise, dass generell die von H. angegebenen Spezifikationen gälten und für Sonderanwendungen spezielle Versuche und Anwendungstests erforderlich seien, nach deren positivem Verlauf eine entsprechende Freigabe erfolge. Unter Berücksichtigung des mithin zwischen den für das Standard Business geltenden technischen Unterlagen einerseits und den Tests und Freigaben im Bereich der Sonderanwendungen andererseits bestehenden Regel-Ausnahmeverhältnisses sei die Klägerin ihrer Beweislast mit Vorlage der Betriebs- und Serviceanleitungen zunächst nachgekommen; es wäre nunmehr im konkreten Fall - auch ohne hierbei das Institut der Beweislastumkehr zu bemühen - Sache der Beklagten gewesen nachzuweisen, dass es die von H. vorgesehenen Versuche und Anwendungstests mit positivem Ergebnis gegeben habe und die Anlage hiernach ausnahmsweise doch zur Verarbeitung von 40 g/m²-Papier freigegeben worden sei. Dieser Nachweis sei ihr nicht gelungen. Die Erhebung weiterer Beweise - insbesondere die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens - sei nicht veranlasst. Eine Beweisvereitelung seitens der Klägerin sehe der Senat nicht.
13
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Rücktritt der Klägerin nach den Zusatzvereinbarungen zum Kaufvertrag nicht ausgeschlossen. Auch § 377 HGB stehe der Geltendmachung dieses Mangels nicht entgegen. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte darauf, dass die Klägerin den Mangel erst im Mai 2005 und damit mehr als ein Jahr nach Ablieferung am 19. April 2004 gerügt habe.

14
Der Rücktritt der Klägerin sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verjährung von Leistungs- bzw. Nacherfüllungsansprüchen der Klägerin ausgeschlossen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen verjährten Mängelansprüche hinsichtlich der gelieferten Druckanlage in zwei Jahren ab Lieferung. Diese Frist sei bei Zugang der Rücktrittserklärung vom 18. Juli 2005 nicht abgelaufen gewesen. Auch bei Geltung der in Abschnitt D § 1 Abs. 1 der AGB der Beklagten vorgesehenen Gewährleistungsfrist von einem Jahr ergebe sich kein anderes Ergebnis. Ungeachtet dieser Erwägungen könne sich die Beklagte aber auch deswegen nicht auf einen Ausschluss des Rücktrittsrechts, auf Verjährung oder eine verspätete Mängelrüge berufen, weil sie den Mangel arglistig verschwiegen habe.
15
Der Rücktritt scheitere schließlich auch nicht an § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Die Ungeeignetheit der Anlage zur Verarbeitung von 40 g/m²-Papier sei kein unerheblicher Mangel im Sinne dieser Vorschrift. Abgesehen davon sei die Unerheblichkeit bei Vorliegen arglistigen Verhaltens in der Regel zu verneinen.

II.

16
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Klage auf Rückzahlung des geleisteten Teilkaufpreises nicht stattgegeben und die Widerklage auf Zahlung des noch offenen Restkaufpreises für die gelieferte Druckanlage nicht abgewiesen werden.
17
1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist allerdings entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden, dass der Senat des Berufungsgerichts den Rechtsstreit durch den Hinweis-, Auflagen- und Beweisbeschluss vom 1. Oktober 2010 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Erörterung der Sache und zur Durchführung der Beweisaufnahme zugewiesen hat und - nach Benennung weiterer Zeugen - durch den Hinweis- und Beweisbeschluss vom 25. Februar 2011 auch die Durchführung der weiteren Beweisaufnahme dem vorbereitenden Einzelrichter übertragen hat. Im vorliegenden Fall liegt kein Verstoß gegen § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO darin, dass der Einzelrichter die gesamte Beweisaufnahme durchgeführt hat.
18
Nach § 527 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat der Einzelrichter, dem die Sache vom Berufungsgericht zur Vorbereitung der Entscheidung zugewiesen worden ist (§ 527 Abs. 1 ZPO), die Sache so weit zu fördern, dass sie in einer mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erledigt werden kann. Er kann zu diesem Zweck einzelne Beweise erheben, soweit dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht wünschenswert und von vornherein anzunehmen ist, dass das Berufungsgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag (§ 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Gegen diese Bestimmungen hat das Berufungsgericht nicht verstoßen.
19
a) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass durch § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Erhebung aller notwendigen Beweise durch den vorbereitenden Einzelrichter nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (ebenso MünchKommZPO /Rimmelspacher, 4. Aufl., § 527 Rn. 11; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 3. Aufl., § 527 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 527 Rn. 9; Prütting/Gehrlein/Oberheim, ZPO, 4. Aufl., § 527 Rn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., Rn. 9 ff. zu § 524 aF). Die Auffassung der Revision, die Übertragung einer kompletten, umfangreichen Beweisaufnahme auf den Einzelrichter sei im Hinblick auf den Wortlaut des § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO ("einzelne Beweise") stets unzulässig (so auch Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 527 Rn. 6; HK-ZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 527 Rn. 4; Thomas/Putzo/ Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 527 Rn. 4), trifft nicht zu.
20
aa) Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre Auffassung, dass der Einzelrichter nie alle Beweise erheben dürfe, auf die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Arzthaftungsprozess.
21
In dem von der Revision angeführten Urteil vom 26. Oktober 1993 hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs lediglich entschieden, dass § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO (die Vorgängerbestimmung zu § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO) es "in aller Regel" nicht zulässt, dass in Arzthaftungsprozessen, in denen die Entscheidung im Wesentlichen auf sachverständiger Beratung beruht, die Beweisaufnahme einschließlich der Befragung ärztlicher Gutachter allein durch den Einzelrichter erfolgt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - VI ZR 155/92, NJW 1994, 801 unter II 1 a mwN). Entsprechend heißt es im Urteil des VI. Zivilsenats vom 3. Februar 1987, dass die Befragung ärztlicher Gutachter "in aller Regel" über die Befugnisse hinausgeht, die dem Einzelrichter im Berufungsrechtszug nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO zustehen (VI ZR 56/86, NJW 1987, 1482 unter II 5). Aus diesen Entscheidungen ergibt sich, dass eine Durchführung der gesamten Beweisaufnahme durch den Einzelrichter - jedenfalls ausnahmsweise - auch im Arzthaftungsprozess zulässig sein kann, insbesondere dann, wenn etwa eine Anhörung ärztlicher Sachverständiger nicht ansteht. Darüber hinaus ist die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats aber auch ausdrücklich auf den Arzthaftungsprozess beschränkt. Sie hat ihren Grund in der besonders schwierigen und verantwortungsvollen richterlichen Aufgabe der Tatsachenfeststellung im Arzthaftungsprozess (BGH, Urteil vom 23. März 1993 - VI ZR 26/92, NJW 1993, 2375 unter III). Auch aus diesem Grund ist aus ihr für den Zivilpro- zess allgemein ein generelles Verbot der Durchführung einer gesamten Beweisaufnahme durch den vorbereitenden Einzelrichter nicht herzuleiten.
22
bb) Systematische und teleologische Erwägungen sprechen dafür, dass der Einzelrichter gemäß § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO im allgemeinen Zivilprozess alle notwendigen Beweise erheben darf, allerdings nur dann, wenn die einschränkenden Voraussetzungen des "Soweit"-Satzes erfüllt sind. Der Wortlaut der Vorschrift steht diesem Verständnis nicht entgegen.
23
Die von der Revision im Hinblick auf das Wort "einzelne" vertretene Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass der Einzelrichter nie alle Beweise erheben dürfe, würde zu Wertungswidersprüchen und sachwidrigen Konsequenzen führen. § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist deshalb so zu verstehen, dass die in dem Wort "einzelne" zum Ausdruck kommende Beschränkung keine zusätzliche Voraussetzung umschreibt, sondern auf den nachfolgenden "Soweit"-Satz verweist und durch diesen näher erläutert wird. So verstanden darf der Einzelrichter nicht ohne weiteres alle, sondern nur "einzelne", das heißt insoweit Beweise erheben, als "dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht wünschenswert und von vornherein anzunehmen ist, dass das Berufungsgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag". Für dieses Verständnis, dem der Wortlaut nicht entgegensteht, sprechen systematische und teleologische Erwägungen.
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(1) § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO stellt bei einer solchen Auslegung für die Beweisaufnahme durch den vorbereitenden Einzelrichter die gleichen Voraussetzungen auf, wie sie für die Zeugenvernehmung durch ein Mitglied des Prozessgerichts als beauftragter Richter gemäß der bis auf das Wort "einzelne" mit § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO übereinstimmenden Vorschrift des § 375 Abs. 1a ZPO gelten, die auch auf den Sachverständigenbeweis anzuwenden ist (§ 402 ZPO). Damit wird ein Wertungswiderspruch zwischen § 375 Abs. 1a, § 402 ZPO einerseits und § 527 ZPO andererseits vermieden, der einträte, wenn man die Beweisaufnahme durch den vorbereitenden Einzelrichter weiter einengen wollte als die Beweisaufnahme durch ein beauftragtes Mitglied des Prozessgerichts. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, warum der vorbereitende Einzelrichter weniger Beweise ("nie alle") sollte erheben dürfen als der vom Kollegium beauftragte Richter, bei dem eine Durchführung der gesamten, sich auf Zeugen und Sachverständige erstreckenden Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen ist, wenn dies zweckmäßig erscheint und die einschränkenden Voraussetzungen in dem nachfolgenden, mit § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO übereinstimmenden SoweitSatz erfüllt sind. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO und der Vorgängerbestimmung in § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO einerseits (BT-Drucks. 14/4722, S. 100; 7/2939, S. 2) sowie zu § 375 Abs. 1a ZPO andererseits (BTDrucks. 11/3621, S. 38; 11/8282, S. 47) ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beweisaufnahme durch den vorbereitenden Einzelrichter weitergehenden Beschränkungen unterliegen sollte als eine Beweisaufnahme durch ein vom Kollegium beauftragtes Mitglied des Prozessgerichts.
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(2) Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Beweiserhebung durch den vorbereitenden Einzelrichter, wie in § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausdrücklich angesprochen ("zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht wünschenswert"), das Kollegium entlasten soll. Diese Zielsetzung kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Einzelrichter die Sache so weit zu fördern hat, dass sie in einer mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erledigt werden kann (§ 527 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine solche Entlastung des Kollegiums ist nur zu erreichen, wenn dem Einzelrichter umfangreiche Beweisaufnahmen übertragen werden dürfen. Dann aber kann es nicht sein, dass der Einzelrichter etwa in Bausachen nur 19 von 20 strittigen Punkten aufklären dürfte, nicht aber den zwanzigsten, weil er, wie die Gegenauffassung meint, "nie alle" Beweise erheben dürfe. Deshalb muss der Einzelrichter, um der Entlastungsfunktion der Vorschrift gerecht zu werden, alle notwendigen Beweise erheben dürfen, bei denen die Voraussetzungen des Soweit-Satzes erfüllt sind. Die im Soweit-Satz ausgedrückten Beschränkungen regeln abschließend, welche Beweise der Einzelrichter erheben darf und welche nicht, und markieren damit die Grenze in dem Konflikt zwischen einer prozessökonomisch sinnvollen Übertragung der Beweisaufnahme auf den Einzelrichter und dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.
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b) Das Berufungsgericht hat die einschränkenden Voraussetzungen des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ("soweit von vornherein anzunehmen ist, dass das Berufungsgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag") rechtsfehlerfrei bejaht.
27
Die in dem Soweit-Satz formulierten Voraussetzungen für die Beweisaufnahme durch den vorbereitenden Einzelrichter erfordern, wie aus dem Wortlaut hervorgeht ("wünschenswert und von vornherein anzunehmen ist") eine exante -Beurteilung nach der Verfahrenslage vor Durchführung der Beweisaufnahme (Stein/Jonas/Grunsky, aaO, Rn. 10 f.). Diese Prognose obliegt dem Tatrichter und ist - ebenso wie die Beweiswürdigung selbst - revisionsrechtlich nur eingeschränkt nachprüfbar. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob es bei der Beweiswürdigung (voraussichtlich) auf den persönlichen Eindruck der Beweisaufnahme ankommen werde, verneint. Rechtsfehler dieser Beurteilung werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.
28
Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, dass die Übertragung der Beweisaufnahme auf den vorbereitenden Einzelrichter evidentrechtsfehlerhaft sei, weil zu der streitigen Frage der Eignung der Druckanlage von den Parteien elf Zeugen benannt worden seien. Dass ein Beweisthema streitig ist, ist Voraussetzung für die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme und kann deshalb kein Kriterium für die Frage sein, ob die Beweisaufnahme vom Einzelrichter durchgeführt werden darf. Ebenso wenig hängt die Zulässigkeit einer Zeugenvernehmung durch den Einzelrichter von der Anzahl der zu einem bestimmten Beweisthema benannten Zeugen ab. Die Entlastungsfunktion der Vorschrift liefe leer, wenn der Einzelrichter nur eine geringe Anzahl von Zeugen vernehmen dürfte. Schließlich führt auch der Umstand, dass beide Parteien zu ihren gegenläufigen Behauptungen Zeugen benannt haben, nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit einer Zeugenvernehmung durch den Einzelrichter. Ob ein unmittelbarer Eindruck des Berufungsgerichts vom Verlauf der Beweisaufnahme voraussichtlich entbehrlich ist, hängt nicht davon ab, ob nur eine oder beide Parteien Zeugen zu einem Beweisthema benannt haben. Entscheidend ist, ob von vornherein abzusehen ist, dass es auf die persönliche Glaubwürdigkeit der Zeugen ankommen wird, für deren Beurteilung ein unmittelbarer Eindruck des Berufungsgerichts erforderlich ist. Dies hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall, in dem es um die Eignung einer Druckanlage zur Verarbeitung einer bestimmten Papierqualität und damit um objektive, technische Sachverhalte geht, rechtsfehlerfrei verneint.
29
Auch bei einer solchen Konstellation kann sich allerdings im Nachhinein - im Verlauf oder nach Durchführung der Beweisaufnahme - aufgrund des Beweisergebnisses herausstellen, dass hinsichtlich eines oder mehrerer Zeugen ein unmittelbarer Eindruck des Berufungsgerichts vom Verlauf der Beweisaufnahme erforderlich ist, um das Beweisergebnis sachgemäß zu würdigen. Wenn sich erst im Zuge der Beweisaufnahme herausstellt, dass ein persönlicher Eindruck des Kollegiums von den Zeugen notwendig ist, macht dies die vom Einzelrichter durchgeführte Beweisaufnahme nicht - nachträglich - unzulässig (Stein/Jonas/Grunsky, aaO Rn. 11). Es liegt dann kein Verstoß gegen § 527 Abs. 2 Satz 2 ZPO vor. In einem solchen Fall muss aber der Einzelrichter seinen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Zeugen und die dafür maßgeblichen Umstände im Protokoll niederlegen, um dem Kollegium insoweit eine zureichende Beurteilungsgrundlage zu verschaffen. Wenn dies nicht geschehen ist, muss die Beweisaufnahme, soweit erforderlich, vor dem Kollegium wiederholt werden. Denn es liegt, wie der Senat bereits entschieden hat, ein Verstoß gegen § 286 ZPO seitens des Kollegiums vor, wenn es die Glaubwürdigkeit eines vom Einzelrichter vernommenen Zeugen beurteilt, ohne dass der Einzelrichter seinen Eindruck von dem Zeugen und von dessen Glaubwürdigkeit im Protokoll niedergelegt hat; es muss dann der Zeuge nach § 398 ZPO vom Kollegium erneut vernommen werden (Senatsurteil vom 18. März 1992 - VIII ZR 30/91, NJW 1992, 1966 unter II 1 b bb).
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2. Ein derartiger Verstoß gegen §§ 286, 398 ZPO ist dem Berufungsgericht , wie die Revision mit Recht rügt, insoweit unterlaufen, als es versäumt hat, den Zeugen K. erneut zu vernehmen, obwohl es dessen Glaubwürdigkeit in Frage gestellt hat, ohne dass dem ein entsprechender Protokollvermerk des Einzelrichters zugrunde liegt.
31
Das Berufungsgericht hält die Aussage des Zeugen K. insbesondere deshalb nicht für überzeugend, weil sie dem Inhalt seiner E-Mail vom 11. Januar 2011 widerspreche. Dieser Widerspruch lasse Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit entweder seiner Zeugenaussage oder seiner E-Mail vom 11. Januar 2011 und damit insgesamt am Wahrheitsgehalt seiner Erklärungen aufkommen. Die Widersprüchlichkeit einer Zeugenaussage oder - wie hier - ein Widerspruch zwischen der Aussage und einer E-Mail des Zeugen ist zwar objektiv feststellbar; hierfür bedarf es keiner Beurteilung der Person. Gleichwohl hängt eine solche Widersprüchlichkeit so eng mit der Wahrheitsliebe und damit der Glaubwürdigkeit des Zeugen zusammen, dass in diesem Fall eine erneute Vernehmung durch das Kollegium erforderlich ist, um sich von der Glaubwürdigkeit des Zeugen einen eigenen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. So hat der Senat bereits mehrfach zu § 398 ZPO entschieden, dass eine erneute Vernehmung im Berufungsrechtszug allenfalls dann entbehrlich ist, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit , das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (Senatsurteile vom 3. Mai 1995 - VIII ZR 113/94, NJW-RR 1995, 1020 unter II 3 b; vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 116/90, NJW 1991, 3285 unter II 2 b aa). Obgleich es sich in diesen Fällen um objektive Umstände handelt, stehen sie doch mit der Wahrheitsliebe des Zeugen in engem Zusammenhang und können deshalb ohne Verstoß gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung nur bewertet werden, wenn das Gericht sich einen persönlichen Eindruck von dem Zeugen verschafft hat oder auf eine entsprechende Beurteilung durch die erste Instanz zurückgreifen kann (Senatsurteil vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 116/90, aaO). Diese Grundsätze für das Verhältnis zwischen erster und zweiter Instanz gelten ebenso im Verhältnis zwischen Einzelrichter und Kollegium bei vorbereitend durchgeführter Beweisaufnahme durch den Einzelrichter (Senatsurteil vom 18. März 1992 - VIII ZR 30/91, aaO).
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3. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht rechtsfehlerfrei. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht eine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Beklagten getroffen und damit die Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast verkannt hat.
33
Das Berufungsgericht unterstellt im Ausgangspunkt seiner Begründung selbst, dass die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels infolge der vom Geschäftsführer der Klägerin am 19. April 2004 abgegebenen Erklärung über die "Abnahme der Betriebsbereitschaft" gemäß § 363 BGB bei der Klägerin liegt. Diese Beweislastverteilung wird auch von der Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen. Die Klägerin meint jedoch, das Berufungsgericht habe keine - danach unzulässige - Beweislastentscheidung zum Nachteil der Beklagten getroffen, sondern habe in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis der Mangelhaftigkeit der Druckanlage hinsichtlich der Verarbeitung von 40 g/m²- Papier erbracht habe. Das trifft nicht zu.
34
a) Die - von der Sache her - naheliegende Beweisführung durch ein Sachverständigengutachten ist der Klägerin unstreitig nicht gelungen. Im Zuge der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme hat der Sachverständige im Jahr 2008 festgestellt, dass die seit Frühjahr 2005 nicht mehr benutzte Druckanlage ohne Abdeckung unter der weiterbetriebenen Hochdruckzerstäubungsanlage stand und dies zu Oxidationserscheinungen geführt hat. Zudem ist das in der Anlage verbliebene Toner/Entwicklergemisch nicht abgesaugt worden , sondern in der Druckanlage verklumpt, so dass die Anlage insgesamt nicht mehr verwendbar ist und sachverständige Feststellungen zu der hier streitigen Frage nicht mehr getroffen werden können. Eine rechtzeitige Beweissicherung hat die Klägerin nicht veranlasst. Damit hat die Klägerin den unmittelbaren Beweis der Ungeeignetheit der Anlage durch ein Sachverständigengutachten nicht erbringen können.
35
b) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht geprüft hat, ob der Klägerin eine mittelbare Beweisführung durch Indizien gelungen ist. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht jedoch - zu Unrecht - der Klägerin eine Beweiserleichterung eingeräumt, die auf eine Beweislastumkehr zum Nachteil der Beklagten hinausläuft.
36
aa) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Druckanlage nach der Betriebs- und Serviceanleitung nur für ein Papiergewicht von 50 bis 150 g/m² - also nicht auch für das vereinbarte Papiergewicht von 40 g/m² - ausgelegt war und deshalb nach dem Wortlaut der Betriebs- und Serviceanleitungen die Verarbeitung von geringeren Papiergewichten - also etwa von 40 g/m² - mit der gelieferten Anlage nicht möglich war.
37
Fehl geht der Angriff der Revision, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Beklagten übergangen, dass die Betriebsanleitung veraltet gewesen sei und deshalb nicht maßgeblich sein könne. Die Revision bezieht sich dafür, dass die Betriebsanleitung überholt gewesen sei, auf die Aussage des Zeugen R. , wonach die Herstellerfirma H. seit Ende der 1990er Jahre gemeinsam mit der Beklagten daran gearbeitet habe, in den Markt für Leichtpapiere einzusteigen; dieser Entwicklung hätten die Unterlagen dann "ein wenig" hinterhergehinkt. Mit dieser - für den vorliegenden Fall unergiebigen - Aussage brauchte sich das Berufungsgericht nicht näher auseinanderzusetzen.
38
bb) Das Berufungsgericht ist auch mit Recht nicht bei der Betriebsanleitung stehengeblieben, weil es gesehen hat, dass die technischen Unterlagen nur für das "Standard Business" gelten und deshalb "Sonderanwendungen" wie die Verarbeitung geringerer Papiergewichte unter bestimmten Voraussetzungen (Papierqualität und -sorte; Umweltbedingungen) nicht ausschließen. Insoweit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass für solche Sonderanwendungen spezielle Versuche und Anwendungstests erforderlich waren, nach deren positivem Verlauf eine entsprechende Freigabe erfolgen sollte.
39
Verkannt hat das Berufungsgericht jedoch, dass die Indizwirkung der Betriebsanleitung für den Leistungsumfang einer gelieferten Druckanlage jedenfalls dann erheblich abgeschwächt wird, wenn sich die Betriebsanleitung nur auf das "Standard Business" bezieht, die gelieferte Anlage aber - wie hier - vereinbarungsgemäß nicht auf das "Standard Business" beschränkt sein soll, sondern mit entsprechender Zusatzausstattung darüber hinausgehende Funktionen zu erfüllen hat. Rechtsfehlerhaft ist deshalb die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei "ihrer Beweislast mit Vorlage der Betriebs- und Serviceanleitungen zunächst nachgekommen" und es sei nunmehr im konkreten Falle Sache der Beklagten gewesen nachzuweisen, dass es Versuche und Anwendungstests mit positivem Ergebnis gegeben habe und die Anlage hiernach ausnahmsweise doch zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier freigegeben worden sei. Diesen Nachweis habe die Beklagte nicht erbracht; mit den bisher erhobenen Beweisen sei es ihr nicht gelungen, den sich aus der Betriebsanleitung des Herstellers ergebenden Schluss auf die Ungeeignetheit der Druckanlage zu widerlegen.
40
Diese Argumentation läuft im Ergebnis auf eine - vom Berufungsgericht zu Unrecht in Abrede gestellte - Beweislastumkehr zum Nachteil der Beklagten hinaus, die nicht gerechtfertigt ist. Die Betriebsanleitung ist ein gewisses - unter Umständen auch starkes - Indiz für den Leistungsumfang einer technischen Anlage, aber auch nicht mehr. Sie ändert - wie jedes Indiz - nichts an der Beweislastverteilung , hier also daran, dass die Klägerin in vollem Umfang den Beweis für die behauptete Mangelhaftigkeit der Druckanlage zu erbringen hat. Dies gilt umso mehr, als es hier um eine Anlage geht, die aufgrund entsprechender Zusatzausstattung Sonderanwendungen zu leisten hat, die von der Betriebsanleitung nicht erfasst werden. Unter diesen Umständen rechtfertigt es die Betriebsanleitung nicht, zu Gunsten der Klägerin auf die Ungeeignetheit der Druckanlage zu schließen.
41
Daher hat nicht die Beklagte zu beweisen, dass die Druckmaschine in der Konfiguration, wie sie an die Klägerin zu liefern war, ihre Eignung zur Ver- arbeitung von 40g/m²-Papier in entsprechenden Tests erwiesen hat und vom Hersteller freigegeben worden war. Vielmehr obliegt es - nach wie vor - der Klägerin, die mangelnde Eignung der Druckanlage zu beweisen und somit die Behauptung der Beklagten zu widerlegen, dass die Druckanlage in der an die Klägerin gelieferten Konfiguration vom Hersteller unter den mit der Klägerin vereinbarten klimatischen Bedingungen auf ihre Eignung zur Verarbeitung von 40g/m²-Papier positiv getestet und freigegeben worden war. Die Betriebsanleitung führt ebenso wie der Umstand, dass eine sachverständige Begutachtung der Druckanlage nicht mehr durchgeführt werden kann, nicht zu einer Beweiserleichterung zu Gunsten der Klägerin. Unter diesen umgekehrten Vorzeichen hat das Berufungsgericht den Sachvortrag der Parteien und das Ergebnis der Beweisaufnahme - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht gewürdigt.
42
4. Im Übrigen hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision stand. Auf die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts zur Arglist kommt es dabei nicht an.
43
a) Einen vertraglichen Ausschluss des Rücktrittsrechts gemäß der unter Ziff. 2 der Anlage zum Kaufschein getroffenen Vereinbarung, nach der die Klägerin berechtigt sein sollte, innerhalb von vier Wochen nach erfolgreicher Installation vom Vertrag zurückzutreten, wenn die in der Aufgabenstellung vereinbarten Spezifikationen und Toleranzen nicht eingehalten werden, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei mit der Begründung abgelehnt, die Rücktrittsklausel erfasse nicht den hier vorliegenden Fall, dass die vorgesehenen Tests nicht vollständig abgeschlossen waren, also Tests mit allen vertraglich vorgesehenen Papiersorten nicht vorgenommen worden waren. Gegen diese Vertragsauslegung bringt die Revision nichts vor.
44
Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin eine vollständige Validierung und Tests mit 40g/m²-Papier "gezielt verhindert" habe. Dieser Vorwurf findet in der Aussage des Zeugen K. , auf die sich die Revision bezieht, keine Stütze.
45
b) In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung der besonderen Umstände dieses Falles hat das Berufungsgericht eine Verletzung der Rügeobliegenheit (§ 377 HGB) seitens der Klägerin verneint. Auch dagegen wendet sich die Revision vergeblich.
46
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht für den Beginn der Rügeobliegenheit hinsichtlich des hier streitigen Mangels nicht auf die Unterzeichnung der Abnahmeerklärung am 19. April 2004 abgestellt, weil die Druckanlage zu diesem Zeitpunkt wegen der noch fehlenden Installation der Klimatisierung noch nicht auf ihre Eignung zur Verarbeitung von 40 g/m²-Papier überprüft werden konnte. Gemeinsame Probeläufe fanden erst ab Dezember 2004 im Zuge der dann unternommenen Versuche zur Validierung der Anlage statt. Daran waren Techniker beider Parteien - die Zeugen K. und C. - beteiligt. Dabei wurde jedoch, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, nur ein einziger Test mit 40 g/m²-Papier vorgenommen, bei dem die Techniker der Beklagten es allerdings unterlassen hatten, die für die Verwendung des 40g/m²-Papiers erforderlichen Zusatzteile einzubauen, so dass der Test nicht erfolgreich war. Ein weiterer Versuch fand nicht statt.
47
Bei dieser Sachlage ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts , die Beklagte könne sich unter diesen Umständen nicht darauf berufen, dass die Klägerin die Ungeeignetheit der Anlage zur Verarbeitung dieser leichten Papiersorte erst später formell gerügt hat, nicht zu beanstanden. Die Be- sonderheit des Falles liegt darin, dass die Klägerin die Funktionsfähigkeit der hochkomplexen Druckanlage nicht allein, sondern nur im Zusammenwirken mit der Beklagten prüfen konnte. Die Beklagte war in Zeitpunkt und Umfang dieser Überprüfung voll eingebunden; ihr war damit, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, aus den von ihr selbst und der Klägerin ab Dezember 2004 gemeinsam vorgenommenen Testläufen im Betrieb der Klägerin bekannt, dass der Test mit der Verarbeitung von 40 g/m²-Papier nicht erfolgreich war. Einer ausdrücklichen Rüge seitens der Klägerin bedurfte es unter diesen besonderen Umständen nicht; ein solches Erfordernis liefe auf eine bloße Förmelei hinaus.
48
Das Senatsurteil vom 24. Januar 1990 (VIII ZR 22/89, NJW 1990, 1290), auf das sich die Beklagte beruft, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es betrifft eine nicht vergleichbare Sachverhaltsgestaltung. Wie der Senat ausgeführt hat, tragen die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Belangen des Verkäufers Rechnung, der davor bewahrt werden soll, sich noch längere Zeit nach der Ablieferung Ansprüchen wegen etwaiger dann nur schwer feststellbarer Mängel ausgesetzt zu sehen (aaO unter II 2 a). Diese Gefahr bestand hier, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, für die Beklagte nicht. Ihr war seit dem erfolglosen Testlauf ebenso gut wie der Klägerin bekannt, dass die Funktionsfähigkeit der Druckanlage zur Verarbeitung von 40 g/m²-Papier im Betrieb der Klägerin noch nicht gewährleistet war.
49
c) Schließlich ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Verjährung nicht zu beanstanden. Die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Ablieferung (19. April 2004) war bei Zugang der Rücktrittserklärung am 18. Juli 2005 nicht abgelaufen. Dagegen bringt die Revision nichts vor.
50
Das Berufungsgericht hat für den Beginn der vertraglich vereinbarten Gewährleistungsfrist von einem Jahr mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles im Wege rechtsfehlerfreier Vertragsauslegung nicht auf die Ablieferung, sondern auf die Installation der erforderlichen Klimatisierung Ende Juli 2004 abgestellt und - folgerichtig - die Gewährleistungsfrist als gewahrt angesehen. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass es auf die Ablieferung der Anlage am 19. April 2004 nicht ankommen könne, weil die gelieferte Anlage bis zur Installation der Klimatisierung, wie beiden Parteien auch bewusst gewesen sei, nicht auf ihre Eignung zur Verarbeitung geringerer Papiergewichte habe getestet werden können. Diese vertretbare Vertragsauslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
51
Dass die Klägerin die von ihr zu erbringende Installation der Klimaanlage , wie die Revision meint, in einer Weise verzögert hätte, die es ihr verwehren würde, sich auf den hinausgeschobenen Fristbeginn zu berufen, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht schon daraus, dass nach den ursprünglichen Vorstellungen der Parteien die Installation der gesamten Anlage schon Ende 2003 hätte erfolgen und Anfang 2004 mit der Testphase hätte begonnen werden sollen.

III.

52
Nach alledem kann das angefochtene Urteil, soweit es mit der Revision angegriffen worden ist, keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif und ist deshalb im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit das Berufungsgericht sich mit der Frage der Mangelhaftigkeit der Druckanlage hinsichtlich der Verarbeitung von 40 g/m²-Papier nochmals befassen und hierzu - gegebenenfalls nach ergän- zendem Sachvortrag der Parteien - die erforderlichen Feststellungen treffen kann. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 12.05.2009 - 24 O 537/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.01.2012 - I-17 U 108/09 -

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.