Bundessozialgericht Beschluss, 15. März 2018 - B 10 ÜG 30/17 C

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:150318BB10UEG3017C0
bei uns veröffentlicht am15.03.2018

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Anhörungsrüge und der Gegenvorstellung gegen das Urteil des Senats vom 7. September 2017 zu gewähren und Rechtsanwalt Dr. S. beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen eines nach seiner Ansicht unangemessen langen Gerichtsverfahrens vor dem SG Gotha (S 13 AL 118/98) und dem Thüringer LSG (L 3 AL 229/00). Das LSG als Entschädigungsgericht hat ihm eine Entschädigung in Höhe von 1200 Euro nebst Zinsen zugesprochen und seine weitergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 9.12.2015). Auf die Revision des beklagten Freistaats hat der Senat dieses Urteil des LSG abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.11.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 7.9.2017 hat der Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten im Revisionsverfahren für eine nach PKH-Bewilligung beabsichtigte Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen das Senatsurteil beantragt. Der Schriftsatz ist erstmalig am 7.12.2017 um 0:01:04 Uhr per Fax beim BSG eingegangen.

3

II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 73a SGG iVm § 114 ZPO. Der Kläger hat die Zweiwochenfrist des § 178a Abs 2 S 1 SGG versäumt und auch seinen PKH-Antrag nicht innerhalb dieser Frist eingereicht(1.). Die von ihm beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist abzulehnen (2.). Keine Erfolgsaussicht hätte auch die vom Kläger beabsichtigte Gegenvorstellung (3.).

4

1. Der PKH-Antrag für die Anhörungsrüge des Klägers ist nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 178a Abs 2 S 1 SGG beim BSG eingegangen. Nach dieser Vorschrift ist die Anhörungsrüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Die Frist begann am 22.11.2017 zu laufen. Frühester, in aller Regel aber auch spätester Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist die Zustellung der gerichtlichen Entscheidung (Flint in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 178a RdNr 59). Das Senatsurteil, gegen das der Kläger Anhörungsrüge erheben will, ist seinem Prozessbevollmächtigten am 22.11.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden (§ 63 Abs 2 S 1 SGG iVm § 174 Abs 1 ZPO). Eine solche Zustellung ist in dem Zeitpunkt bewirkt, an dem der Adressat das Schriftstück persönlich als zugestellt entgegennimmt (BSG Beschluss vom 23.4.2009 - B 9 VG 22/08 B - SozR 4-1750 § 174 Nr 1 RdNr 6). Dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 22.11.2017 durch seine Unterschrift dokumentiert. Zweifel des Klägers an dessen Empfangswillen gehen deshalb ins Leere.

5

Auch die zuletzt erhobene Behauptung des Klägers, er habe Rechtsanwalt Dr. S. gar nicht bevollmächtigt, überzeugt nicht. Rechtsanwalt Dr. S. ist während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde und im anschließenden Revisionsverfahren durchgängig für den Kläger aufgetreten. Er hat ausdrücklich auftragsgemäß vorgetragen, so etwa im Schriftsatz vom 6.9.2017. Eine Überprüfung von Amts wegen war nicht veranlasst (§ 73 Abs 6 S 5 SGG). Nach § 73 Abs 6 S 6 SGG war daher die Zustellung des Urteils an diesen Prozessbevollmächtigten vorzunehmen.

6

Die am 22.11.2017 (Mittwoch) begonnene Zweiwochenfrist endete damit nach § 64 Abs 2 S 1 SGG am Mittwoch, 6.12.2017, 24 Uhr als Ablauf desjenigen Tages, welcher nach seiner Benennung dem Tag entspricht, in den das Ereignis (Kenntnisnahme) fiel. Wie sich aus dem Faxprotokoll des BSG ergibt, ist der PKH-Antrag des Klägers aber erst am 7.12.2017 um 0:01:04 Uhr und damit außerhalb der Frist beim BSG eingegangen.

7

2. Die vom Kläger - zunächst nur für seinen PKH-Antrag - beantragte Wiedereinsetzung in die Zweiwochenfrist ist abzulehnen, weil er einen Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass er ohne Verschulden an der Fristwahrung gehindert war (§ 67 Abs 1 SGG). Vielmehr hat der durchaus prozesserfahrene Kläger durch die verspätete Übermittlung seines Faxes die erforderliche Sorgfalt eines umsichtigen Prozessbeteiligten außer Acht gelassen.

8

Die gesetzlich eingeräumten Rechtsmittelfristen dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voll, und zwar bis zum letzten Tag und in diesem Rahmen bis zur äußersten Grenze, ausgeschöpft werden (vgl BVerfGE 40, 42, 44; 45, 360, 362; 51, 352, 355; 74, 220, 224). Der Rechtsmittelführer darf die Bearbeitung auch noch für den letzten Tag der Frist vorsehen, wenn er die fristwahrende Handlung noch rechtzeitig vornehmen kann (BSG SozR Nr 36 zu § 67 SGG). Allerdings trifft ihn bei voller Ausschöpfung der Frist eine erhöhte Sorgfaltspflicht, darauf zu achten, dass die Übermittlung noch rechtzeitig und wirksam innerhalb der Frist erfolgt (vgl BGH NJW 1982, 2670; 1989, 2393; BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr 124 S 12). Der Nutzer eines Faxgeräts leistet das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung, wenn er ein anerkanntes Übermittlungsmedium wählt und ein funktionsfähiges Sendegerät richtig nutzt. Dabei muss er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnen, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24 Uhr zu rechnen ist. Dafür ist - zusätzlich zu der absehbaren Übermittlungsdauer des zu faxenden Schriftsatzes samt Anlagen - in jedem Fall ein zeitlicher Sicherheitszuschlag von 20 Minuten einzuhalten (Senger in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 67 RdNr 52). Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das verfassungsrechtliche Verfahren (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 23.12.2016 - 1 BvR 3511/13 - Juris RdNr 3 mwN; ebenso BFH Beschluss vom 8.10.2015 - VII B 147/14 - Juris RdNr 4). Wesentliche Unterschiede zum Sozialgerichtsprozess, die dort geringere Sorgfaltsanforderungen rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

9

Danach hat der Kläger nicht rechtzeitig mit der Übermittlung seines Schriftsatzes begonnen. Erstmals hat er seinen Antrag um 23:57:28 Uhr abgesandt, also nur etwa zweieinhalb Minuten vor Ablauf der Frist. Das ergibt sich aus dem Aufdruck seines Faxgeräts auf dem übermittelten Schriftsatz. Ein anderslautendes Faxprotokoll hat der Kläger nicht vorgelegt. Angesichts der üblichen Übertragungsdauer konnte er nicht damit rechnen, dass ein zweieinhalb Minuten vor Fristablauf abgesandter 5-seitiger Schriftsatz rechtzeitig und vollständig beim BSG eingehen würde (vgl BGH Beschluss vom 27.11.2014 - III ZB 24/14 - Juris für die Absendung eines 15-seitigen Schriftsatzes 7 Minuten vor Fristablauf; BGH Beschluss vom 12.4.2016 - VI ZB 7/15 - Juris). Erst recht nicht hat der Kläger den erforderlichen Sicherheitszuschlag von 20 Minuten eingehalten.

10

Soweit der Kläger nunmehr unter Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises seines Telekommunikationsanbieters vorträgt, seinen Antrag erstmals schon um 23:54:32 Uhr abgesandt zu haben, hätte er sich auch bei einer derart knappen Übermittlung quasi in letzter Minute nicht auf einen rechtzeitigen Zugang beim BSG verlassen dürfen. Auch insoweit hat er zudem den erforderlichen Sicherheitszuschlag nicht eingehalten.

11

Ohnehin lassen sich die in dem Einzelverbindungsnachweis angegebenen Sendezeiten und Übermittlungsdauern nicht mit dem Faxprotokoll des BSG in Übereinstimmung bringen. Laut dieses Nachweises hätte der Kläger ua zwei Faxsendungen mit einer Übermittlungsdauer von jeweils 2 Minuten 28 Sekunden übersandt, die das Gericht somit jeweils vor 0:00 Uhr hätten erreichen müssen. Solche Faxeingänge verzeichnet aber das Faxprotokoll des BSG nicht.

12

Die Mutmaßung des Klägers, die Uhr auf dem Faxgerät des BSG sei vorgegangen, ist durch nichts begründet. Störungen des Faxgeräts des BSG haben sich in der fraglichen Zeit nicht feststellen lassen. Seine Zeitangaben sind zuverlässig. Denn der Faxserver des BSG synchronisiert sich über das Netzwerk des BSG mit der Netzzeit des Informationsverbunds Berlin-Bonn. Dessen Angaben sind ihrerseits verlässlich.

13

Hat der Kläger somit nicht wenigstens seinen PKH-Antrag fristgemäß eingereicht, so wäre auch eine Wiedereinsetzung in die Zweiwochenfrist für eine noch zu erhebende Anhörungsrüge selber abzulehnen und diese deshalb als unzulässig zu verwerfen.

14

3. Ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg hätte die vom Kläger beabsichtigte Gegenvorstellung, soweit man sie neben der Anhörungsrüge überhaupt noch als zulässig ansehen wollte. Dies kann allenfalls dann der Fall sein, wenn sie nicht auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt ist, die allein mit § 178a SGG gerügt werden kann. Es fehlt aber jeder Anhaltspunkt, dass die Senatsentscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen wäre (vgl zu diesem Maßstab BSG Beschluss vom 28.7.2005 - B 13 RJ 178/05 B - SozR 4-1500 § 178a Nr 3).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 15. März 2018 - B 10 ÜG 30/17 C

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Beschluss, 15. März 2018 - B 10 ÜG 30/17 C

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Beschluss, 15. März 2018 - B 10 ÜG 30/17 C zitiert 11 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 60


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73


(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 67


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stelle

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 178a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 63


(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben. (2) Zugest

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 64


(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung. (2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf

Zivilprozessordnung - ZPO | § 174 Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle


Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke de

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Beschluss, 15. März 2018 - B 10 ÜG 30/17 C zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 15. März 2018 - B 10 ÜG 30/17 C zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 23. Dez. 2016 - 1 BvR 3511/13

bei uns veröffentlicht am 23.12.2016

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2016 - VI ZB 7/15

bei uns veröffentlicht am 12.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 7/15 vom 12. April 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 85 Abs. 2, § 233 B, § 520 Abs. 2 a) Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Sc

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2014 - III ZB 24/14

bei uns veröffentlicht am 27.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 24/14 vom 27. November 2014 in dem Rechtsstreit Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink und Dr. Remmert b

Referenzen

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.

(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Satz 2, des Rechtsdienstleistungsgesetzes,
4.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,
5.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
6.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
7.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
8.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
9.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 bis 8 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. § 157 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen. Satz 3 gilt nicht für Beschäftigte eines Sozialleistungsträgers oder eines Spitzenverbandes der Sozialversicherung.

(4) Vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer den in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie kann unterstellt werden, dass sie bevollmächtigt sind. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten. Im Übrigen gelten die §§ 81, 83 bis 86 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdefrist (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) nicht gewahrt ist.

2

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist abzulehnen, weil der Beschwerdeführer nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, an der Einhaltung der Frist für die Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 1 BVerfGG ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein (§ 93 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BVerfGG).

3

In Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat regelmäßig die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfüllt, wer einen über die zu erwartende Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen hinausgehenden Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten einkalkuliert sowie innerhalb der einzukalkulierenden Zeitspanne wiederholt die Übermittlung versucht (BVerfGE 135, 126 <140 f. Rn. 36, 38>).

II.

4

Damit ist vorliegend eine unverschuldete Fristversäumnis nicht dargetan. Der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat vorgetragen, dass er sich um 23:33 Uhr wiederholt um eine Übersendung des Verfassungsbeschwerdeschriftsatzes per Fax bemüht habe, dies jedoch an wiederholten Sendeabbrüchen nach circa 20 Sekunden gescheitert sei. Ihm sei bekannt, dass der Sendeabbruch bei Anwahl eines besetzen Anschlusses sofort erfolge. Ein um 23:57 Uhr unternommener Versuch einer Faxübermittlung an die Faxnummer der Kanzlei sei erfolgreich gewesen. Die - letztmalig um 00:20 Uhr des Folgetages erfolglos versuchte - Übermittlung des Schriftsatzes sei dann schließlich erst zwischen 08:31 Uhr und 8:40 Uhr des Folgetags gelungen.

5

Nach diesem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers wurde der Sicherheitszuschlag von 20 Minuten vorliegend nicht eingehalten, da bereits die letztlich erfolgreiche Übermittlung des 17-seitigen Verfassungsbeschwerdeschriftsatzes (ohne Anlagen) am Folgetag mehr als 8 Minuten in Anspruch nahm und der vollständige Schriftsatz (mit Anlagen) insgesamt 67 Seiten umfasste. Anhaltspunkte dafür, dass die Verfristung auch bei Einhaltung des erforderlichen Sicherheitszuschlags eingetreten wäre, sind den Empfangsprotokollen und dem Faxbuch des Bundesverfassungsgerichts für den maßgeblichen Zeitraum nicht zu entnehmen. Im Gegenteil gingen zwischen 21:33 Uhr und 00:37 Uhr des Folgetags mehrere umfangreiche Verfassungsbeschwerden ein, ohne dass Störungen zu verzeichnen waren.

6

Danach ist die Verfassungsbeschwerde wegen Versäumung der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG unzulässig.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 24/14
vom
27. November 2014
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2014 durch
den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink
und Dr. Remmert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 21. Januar 2014 - 15 S 239/13 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Streitwert: 3.497,40 €.

Gründe:


I.


1
Der Beklagte wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig. Der Beklagte wurde durch das Amtsgericht zur Zahlung von 3.497,40 € verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat er rechtzeitig durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Landgericht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist bis zum 18. November 2013 verlängert worden. Die 15-seitige Berufungsbegründungschrift ist beim Landgericht per Telefax am 19. November 2013 um 0:04 Uhr beginnend und um 0:06 Uhr endend eingegangen. Eine weitere Faxsendung mit der Berufungsbegründung hat das Gericht um 0:09 Uhr erreicht.
2
Mit am 20. November 2013 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen , er habe mit der Versendung des ersten Faxes am 18. November 2013 um 23:53 Uhr begonnen. Nachdem aufgefallen sei, dass die Übertragung länger gedauert habe, als die für 15 Seiten üblichen zwei Minuten, sei ein zweites Fax um 23:56 Uhr an die Telefaxnummer des Landgerichts abgesandt worden. Mit am 10. Dezember 2013 eingegangenem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte förmlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt.
3
Das Berufungsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten durch Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.


4
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), jedoch im Übrigen unzulässig, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
5
1. Das Berufungsgericht hat den am 20. November 2013 eingegangenen Schriftsatz als konkludenten Wiedereinsetzungsantrag angesehen, so dass es darauf, dass der ausdrückliche Antrag die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht ge- wahrt hat, nicht angekommen ist. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Vorinstanz weiter ausgeführt, derjenige, der zur Fristwahrung die Versendung eines Schriftsatzes per Telefax unternehme, müsse mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnen, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24:00 Uhr zu rechnen sei. Dabei dürfe nicht auf die reine Übermittlungsdauer - von hier behaupteten regelmäßig zwei Minuten - abgestellt werden. Der Versender eines Faxes müsse immer damit rechnen, dass er sich bei der Anwahl der Empfängernummer vertippe und insbesondere dass kurz vor Mitternacht die Leitungen kurzzeitig anderweitig besetzt seien. Dass das Empfangsgerät eines Gerichts in den Abend- und Nachtstunden für eine Zeit von 20 Minuten belegt sei, sei kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender eines Telefaxes nicht rechnen müsse.
6
2. Dies wirft keine rechtsgrundsätzlichen Fragen auf (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Auch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Der angefochtene Beschluss beruht weder auf einem Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte noch verletzt er den Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. z.B. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG, NJW 2003, 281). Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Berufungsbegründungsfrist durch das Verschulden des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten, das dieser sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, versäumt worden ist. Bei dieser Beurteilung hat die Vorinstanz die Anforderungen, die an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts zu stellen sind, nicht überspannt.
7
Zwar trifft der Hinweis der Rechtsbeschwerde zu, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen durfte (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - XI ZB 24/10, juris Rn. 9 mwN). Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz - wie hier - am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht (BGH aaO mwN). Das zur Fristwahrung Gebotene hat der Anwalt bei der Übermittlung des Schriftsatzes per Fax daher nur getan, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24:00 Uhr hätte gerechnet werden können (BGH aaO; BVerfG, NJW 2000, 574).
8
Das war hier nicht der Fall. Nach dem vorstehenden Maßstab widersprach es den Sorgfaltsanforderungen, erst um 23:53 Uhr und damit sieben Minuten vor Fristablauf damit zu beginnen, die Berufungsbegründung dem Landgericht per Fernkopie zu übermitteln. Eine Partei muss nach ständiger Rechtsprechung bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze Verzögerungen einkalkulieren , mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu - insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden - die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört (BGH aaO Rn. 10; BVerfG aaO und NJW 2007, 2838; BFH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - VIII B 88/09, juris Rn. 5). Die Belegung des gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere in Übermittlung befindliche Fernkopien ist eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, die verschiedentlich Gegenstand der Rechtsprechung war und der der Anwalt im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung tragen muss (BGH aaO; BVerfG NJW 2000, 574). Dass das Empfangsgerät eines Gerichts in den Abend- und Nachtstunden für eine Zeit von zwanzig Minuten belegt ist, ist kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender des Telefax nicht rechnen muss (BGH aaO; BFH aaO mwN). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hätte dementsprechend deutlich früher als 23:53 Uhr mit der Versendung der Berufungsbegründung beginnen müssen.
9
Dafür, dass die verzögerte Übermittlung des Berufungsbegründungsschriftsatzes eine andere, in der Sphäre des Landgerichts liegende Ursache als die Belegung von dessen Faxanschluss hatte, hat der Beklagte nichts vorgetragen und ist auch ansonsten nichts ersichtlich.
Schlick Herrmann Hucke Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
AG Gelsenkirchen, Entscheidung vom 12.08.2013 - 202 C 38/13 -
LG Essen, Entscheidung vom 21.01.2014 - 15 S 239/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 7/15
vom
12. April 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes
kommt es allein darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf
des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen
worden sind.

b) Der mit einem "OK"-Vermerk versehene Sendebericht begründet nicht den
Beweis des ersten Anscheins für den tatsächlichen Zugang der Sendung
beim Empfänger. Er belegt nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht
aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät.

c) Die Versäumung einer Frist wegen Verzögerung bei der Übermittlung eines
Telefax kann der Partei nicht als Verschulden zugerechnet werden, wenn sie
bzw. ihr Prozessbevollmächtigter mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines
funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer
alles zur Fristwahrung Erforderliche getan und so rechtzeitig mit der
Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss
bis 24.00 Uhr gerechnet werden konnte.
BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - VI ZB 7/15 - OLG Brandenburg
LG Frankfurt (Oder)
ECLI:DE:BGH:2016:120416BVIZB7.15.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch und die Richterin Müller
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Februar 2015 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 22.000 €

Gründe:

I.


1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 21. August 2014 zugestellt worden. Hiergegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung endete mit Ablauf des 21. November 2014. Am 21. November 2014 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mehrere Versuche unternommen, die Berufungsbegründung per Telefax an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Ausweislich des Aktivitätsberichts des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 60 empfing dieses von 23.41 Uhr an Telefaxsignale vom Anschluss der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Es wurden jedoch lediglich 5 Seiten der - 9 Seiten und eine Anlage umfassenden - Begründungsschrift empfangen. Danach brach der Empfangsvorgang mit einer Fehlermeldung des Empfangsgeräts ab. Ausweislich des Journals des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 50 empfing dieses Gerät von 23.52 Uhr an vom Telefaxanschluss der Bevollmächtigten der Klägerin übermittelte Faxsignale. Es wurden 9 der 10 Seiten empfangen; danach wurde der Empfangsvorgang wegen eines Fehlers abgebrochen. Der Übertragungsvorgang dauerte 19 Minuten und 50 Sekunden. Bei den Akten befindet sich ein Telefaxausdruck der Berufungsbegründung, der im oberen Drittel der Seite 9 abbricht und eine Unterschrift der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht wiedergibt. Ausweislich der übermittelten Daten des Telefaxgerätes der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde der Übermittlungsvorgang um 23.50 Uhr begonnen und die - abgebrochene - Seite 9 des Schriftsatzes um 0.08 Uhr übertragen. Die Aufzeichnung der Übermittlung durch das Empfangsgerät des Gerichts gibt den Übermittlungsbeginn mit 23.54 Uhr und die Übermittlung der - abgebrochenen - Seite 9 mit 0.11 Uhr an. Eine weitere Ausfertigung der Berufungsbegründung ist vom Anschluss der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an das Empfangsgerät des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 60 vollständig übermittelt worden. Ausweislich des Aktivitätsberichts dieses Geräts wurde mit dem Übermittlungsvorgang um 0.14 Uhr begonnen; der Übertragungsvorgang dauerte 18 Minuten und 10 Sekunden. Die übermittelten Daten des Telefaxgerätes der Prozessbevollmächtigten der Klägerin geben den Beginn des Übermittlungsvorgangs mit 0.12 Uhr, die Übertragung der 9. Seite, auf der sich die Unterschrift befindet, mit 0.27 Uhr und die Übertragung der 10. Seite (Anlage zur Berufungsbegründung) mit 0.29 Uhr an.
2
Mit gerichtlicher Verfügung vom 25. November 2014, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 5. Dezember 2014, ist diese darauf hingewiesen worden, dass die Berufungsbegründung in vollständiger Fassung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Mit per Telefax am selben Tag übermittelten Schriftsatz vom 5. Dezember 2014 hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Berufungsbegründung dem Oberlandesgericht noch am 21. November 2014 vollständig per Telefax übermittelt worden sei. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt , ihr liege ein Sendebericht vor, aus dem sich ein Sendebeginn um 23.49 Uhr unter Abschluss der Sendung für Blatt 10 um 23.58 Uhr mit dem Vermerk "ok" ergebe. Vorausgegangen sei der Versuch einer Übermittlung um 23.39 Uhr, bei der alle Blätter des Schriftsatzes vom Faxgerät eingelesen worden seien und akustisch vernehmbar eine Übersendung vorgenommen worden sei; diese sei allerdings um 23.48 Uhr unterbrochen worden. Ihr Faxgerät sei seit der Anschaffung Ende Juni 2014 ohne Fehler betrieben worden und werde regelmäßig gewartet. Die vom Gericht mitgeteilte Sendedauer von 22 Minuten für 10 Seiten sei nicht üblich. Es sei von wesentlich kürzeren Zeiten auszugehen.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als un- zulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch den am 21. November 2014 unvollständig übermittelten Schriftsatz sei die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt worden. Eine wirksame Berufungsbegründungsschrift müsse von einem Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Dies sei bei der am 21. November 2014 unvollständig übermittelten Berufungsbegründung nicht der Fall, da die Übermittlung vor Übertragung der Unterschrift abgebrochen sei. Zur Überzeugung des Gerichts stehe auch nicht fest, dass am 21. November 2014 eine weitere - vollständige - Version des Berufungsbegründungsschriftsatzes an das Gericht übermittelt worden sei. Dem von der Klägerin vorgelegten Sendebericht ständen die auf dem vollständig übermittelten Schriftsatz vermerkten Übertragungsangaben sowohl des gerichtlichen Empfangsgerätes als auch des Telefaxgerätes der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entgegen, die jeweils einen Übertragungsbeginn erst für den 22. November 2014 ergäben. Auch hinsichtlich des zuvor erfolglos unternommenen Übermittlungsversuches ließen sich die Angaben der Klägerin mit den Übertragungsvermerken der beteiligten Telefaxgeräte auf dem Schriftstück nicht in Einklang bringen. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet, da die Klägerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht habe, dass sie kein Verschulden an der Versäumung treffe. So habe sie nicht dargelegt , dass die fristgemäße Übermittlung des Schriftsatzes nicht aufgrund eines schuldhaften Bedienungsfehlers ihrerseits gescheitert sei. Derartiger Vortrag sei aber insbesondere dann erforderlich, wenn wegen der späten Fertigstellung des Schriftsatzes eine Schreibkraft nicht mehr zur Verfügung stehe und deshalb der Prozessbevollmächtigte selbst die Geräte bedienen müsse.
4
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig , denn eine Entscheidung des Senats ist jedenfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf ihren rechtzeitigen Antrag ist ihr jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
7
a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist. Die Klägerin hat nicht den Nachweis geführt, dass die von ihrem Faxgerät gesendeten Signale noch am 21. November 2014 vom Telefaxgerät des Berufungsgerichts vollständig empfangen worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 11 mwN). Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich der rechtzeitige Empfang der gesendeten Signale insbesondere nicht aus dem von ihr vorgelegten und mit einem "OK"-Vermerk versehenen Sendebericht. Denn der "OK"-Vermerk ist ein bloßes Indiz für den tatsächlichen Zugang beim Empfänger. Er begründet nicht den Beweis des ersten Anscheins. Er belegt nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12, aaO). Die Indizwirkung des Sendeberichts ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, durch die von dem Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelten und auf dem Faxausdruck des unvollständig eingegangenen Schriftsatzes wiedergegebenen Daten entkräftet. Danach wurde der Übermittlungsvorgang zwar um 23.50 Uhr begonnen, die - nur zu einem Drittel übertragene - Seite 9 des Schriftsatzes wurde aber erst am 22. November 2014 um 0.08 Uhr übermittelt. Diese vom Telefaxgerät der Klägerin übermittelten Daten stimmen auch mit dem Empfangsjournal des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endnummer 50 überein, wonach ab 23.52 Uhr 9 Seiten unvollständig übertragen wurden und der Übertragungsvorgang 19 Minuten und 50 Sekunden dauerte. Die geringfügige Abweichung der Zeitangaben des Telefaxgeräts der Prozessbevollmächtigten der Klägerin einerseits und des Journals des Empfangsgerätes andererseits ist ohne weiteres dadurch zu erklären, dass die Uhren der Geräte nicht exakt aufeinander abgestimmt waren.
8
b) Die Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt die Klägerin aber in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. BVerfG 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 2004; Senatsbeschluss vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13, VersR 2015, 384 Rn. 5).
9
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Wiedereinsetzungsantrag nicht hinreichend dargetan, die Berufungsbegründungsfrist unverschuldet versäumt zu haben, überspannt unter den gegebenen Umständen die an die Sorgfalt eines Rechtsanwalts zu stellenden Anforderungen. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, dass die Versäumung einer Frist wegen Verzögerung bei der Übermittlung eines Telefax der Partei dann nicht als Verschulden zugerechnet werden kann, wenn sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter mit der ord- nungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan hat und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen wurde, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24.00 Uhr gerechnet werden konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13, VersR 2015, 384 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 9. November 2004, X ZA 5/04, FamRZ 2005, 266 Rn. 4; vom 3. Mai 2011 - XI ZB 24/10, juris Rn. 9; vom 27. November 2014 - III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 7).
10
Diesen Anforderungen hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Akteninhalts genügt. Zwar hat sie ihren Vortrag, wonach sie ein funktionsfähiges Sendegerät verwendet habe, bereits um 23.39 Uhr die Übermittlung der Berufungsbegründung per Telefax begonnen habe, alle Blätter vollständig eingelesen worden seien und eine Übersendung erfolgt sei, bis es um 23.48 Uhr zu einer Unterbrechung des Übertragungsvorgangs gekommen sei, nicht anwaltlich versichert. Dies war vorliegend aber entbehrlich, weil sich alle relevanten Umstände unmittelbar aus den Akten ergeben. Die Angaben der Klägerin werden - bis auf die geringfügigen und durch eine unterschiedliche Einstellung der jeweiligen Uhrzeiten in den Telefaxgeräten bedingten Zeitabweichungen - durch den Aktivitätsbericht des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts mit der Endziffer 60 bestätigt. Danach wurden von 23.41 Uhr an über 9 Minuten und 4 Sekunden Telefaxsignale vom Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin empfangen, bevor der Übertragungsvorgang nach Empfang von 5 Seiten mit einer Fehlermeldung des Empfangsgeräts abbrach. Ausweislich des Aktivitätsberichts erfolgte eine vollständige Übertragung aller Seiten in der Zeit von 0.14 Uhr bis 0.32 Uhr. Letzteres steht im Einklang sowohl mit dem Transaktionsbericht, der dem bei den Akten befindlichen vollständigen Faxausdruck beigefügt ist, als auch den auf diesem Faxausdruck wiedergegebenen , vom Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittel- ten Daten. Ausweislich des Aktivitätsberichts des Empfangsgeräts mit der Endnummer 60 dauerte auch die Übermittlung von Faxsendungen, die Dritte im Anschluss daran an dasselbe Empfangsgerät des Oberlandesgerichts sandten, ungewöhnlich lange. Diesen sich aus den Akten ergebenden Informationen ist zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sowohl ein funktionsfähiges Sendegerät verwendet als auch die Empfängernummer korrekt eingegeben haben muss.
11
Die Prozessbevollmächtigte hatte auch so rechtzeitig mit der Übertragung begonnen, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss vor 24.00 Uhr zu rechnen war. Zwar muss eine Partei nach ständiger Rechtsprechung bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze per Telefax Verzögerungen einkalkulieren , mit denen üblicherweise zu rechnen ist. Hierzu gehört insbesondere die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2014 - III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 8 mwN). Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Berufungsbegründung als solche lediglich 9 Seiten umfasste und aus Sicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür bestanden , dass sich die Dauer der Übermittlung auf fast 2 Minuten pro Seite belaufen würde. Ausweislich des bei den Akten befindlichen Faxausdrucks der Berufungsschrift , der eine Ausfertigung des landgerichtlichen Urteils beigefügt war, hat die Übersendung dieser - 10 Seiten umfassenden - Dokumente am 22. September 2014 insgesamt lediglich 4 Minuten, d.h. 24 Sekunden pro Seite in Anspruch genommen.
12
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es auch keines Vortrags dazu, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Lage war, ihr Telefaxgerät korrekt zu bedienen. Ausweislich des Aktivitätsberichts des Empfangsgeräts beim Oberlandesgericht mit der Endnummer 60 sowie des Empfangsjournals des Empfangsgeräts beim Oberlandesgericht mit der Endnummer 50 hatte das Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit den Empfangsgeräten beim Oberlandesgericht dreimal eine Verbindung aufgebaut und jeweils mit der Datenübermittlung begonnen. Es liegt fern, dass der Abbruch der korrekt eingeleiteten Übermittlung der Faxsendung nach Empfang von 5 bzw. 8 1/3 Seiten und die ungewöhnlich lange Dauer des Übertragungsvorgangs auf einen Fehler bei der Bedienung des Telefaxgeräts der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen sind. Galke Wellner von Pentz Offenloch Müller
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 14.08.2014 - 14 O 33/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.02.2015 - 12 U 184/14 -

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.