Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2008 - X ZR 154/05

bei uns veröffentlicht am04.11.2008
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 11/01, 07.06.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 154/05 Verkündet am:
4. November 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. Juni 2005 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das europäische Patent 291 194 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht: 1. Analytisches Testgerät, umfassend einen trockenen porösen Träger (10), unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für einen Analyten, welches unmarkierte Reagenz auf dem porösen Träger in einer Nachweiszone (14) permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, und in trockenem Zustand in einer Zone (12) stromaufwärts von der Nachweiszone ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für dieselbe Nachweissubstanz, welches markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist, so dass die Flüssigkeitsprobe , die dem Gerät zugeführt ist, das markierte Reagenz aufnehmen und danach in die Nachweiszone eindringen kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a s s der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb eines hohlen Gehäuses (30) enthalten sind, das aus feuchtigkeitsundurchlässigem, festem Material aufgebaut ist, der poröse Träger direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derart in Verbindung steht, dass flüssige Testprobe auf den porösen Träger aufgebracht werden kann, das Gehäuse Mittel (32) zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, der Markierungsstoff ein Direktmarkierungsstoff in Form eines Farbsols, Goldsols oder gefärbter Latexteilchen ist, das markierte Reagenz in einer ersten Zone (12) des trockenen porösen Trägers enthalten ist und das unmarkierte Reagenz in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone immobilisiert ist, wobei die beiden Zonen derartig angeordnet sind, dass eine auf den porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone dringen kann, und der poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst. 2. Testgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass gefärbte Latexteilchen eines maximalen Durchmessers von nicht größer als etwa 0,5 μm den Direktmarkierungsstoff darstellen. 3. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse aus opakem oder durchscheinendem Material besteht und mit mindestens einer Öffnung (32) versehen ist, durch die das Analysenergebnis beobachtet werden kann.
4. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse aus Kunststoffmaterial geformt ist. 5. Testgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst, der bzw. die mit einer Schicht von durchsichtigem feuchtigkeitsundurchlässigen Material verstärkt ist, wobei die durchsichtige Schicht in der Nähe der Öffnung(en) mit der Innenseite des Gehäuses in Kontakt steht, um den Eintritt von Feuchtigkeit oder Probe zu verhindern. 6. Testgerät nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Verstärkungsmaterial ein durchsichtiges Kunststoffmaterial ist. 7. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das poröse Trägermaterial Nitrocellulose ist. 8. Testgerät nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Nitrocellulose eine Porengröße von mindestens 1 μm hat. 9. Testgerät nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Porengröße mehr als 5 μm beträgt. 10. Testgerät nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Porengröße 8 bis 12 μm beträgt. 11. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es in dem porösen Träger stromabwärts von der Nachweiszone (209) eine Kontrollzone (210) aufweist, um anzuzeigen, dass die Flüssigkeitsprobe über die Nachweiszone hinausgedrungen ist, wobei die Kontrollzone ebenfalls außerhalb des Gehäuses beobachtbar ist. 12. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der poröse Träger ein Streifen mit einer Absorptionsmittelfalle (18) an seinem distalen Ende ist, wobei die Falle eine ausreichende Absorptionskapazität hat, damit jegliches ungebundenes markiertes Reagenz aus der Nachweiszone ausgewaschen werden kann. 13. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das markierte Reagenz als Oberflächenschicht auf den porösen Träger aufgebracht ist. 14. Testgerät nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass der poröse Träger in dem Bereich, auf den das markierte Reagenz aufgebracht wird, mit einem Glasurmaterial vorbehandelt ist. 15. Testgerät nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass das Glasurmaterial ein Zucker ist. 16. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das immobilisierte Reagenz in der Nachweiszone über die gesamte Dicke des Trägers in der Nachweiszone imprägniert ist. 17. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Nachweissubstanz hCG ist.
18. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass die Nachweissubstanz LH ist. 19. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das frei bewegliche Reagenz statt als spezifisches Bindungsmittel für eine Nachweissubstanz in Gegenwart einer Nachweissubstanz an einer Konkurrenzreaktion teilnehmen kann. 20. Analysenverfahren, bei dem ein Testgerät nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 19 mit einer wässrigen Flüssigkeitsprobe , die vermutlich die Nachweissubstanz enthält, derartig in Kontakt gebracht wird, dass die Probe durch Kapillarwirkung durch den porösen Träger über die erste Zone in die Nachweiszone dringt und das markierte Reagenz mit ihr aus der ersten Zone in die Nachweiszone wandert, wobei das Vorliegen einer Nachweissubstanz in der Probe durch Beobachten des Ausmaßes (sofern gegeben) bestimmt wird, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 26. April 1988 unter Inanspruchnahme der Priorität britischer Patentanmeldungen vom 27. April und 30. Oktober 1987 (Nrn. 8 709 873 und 8 725 457) angemeldeten und mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 291 194 (Streitpatents). Es betrifft ein analytisches Testgerät sowie ein Analysenverfahren und umfasst in der im europäischen Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrechterhaltenen Fassung 22 Patentansprüche. Ansprüche 1 und 22 lauten in der Verfahrenssprache: "1. An analytical test device comprising a dry porous carrier (10), unlabelled specific binding reagent for an analyte which unlabelled reagent is permanently immobilised in a detection zone (14) on the porous carrier and is therefore not mobile in the moist state, and in the dry state in a zone (12) upstream from the detection zone a labelled specific binding reagent for the same analyte which labelled specific binding reagent is freely mobile within the porous carrier when in the moist state, such that liquid sample applied to the device can pick up labelled reagent and thereafter permeate into the detection zone, c h a r a c t e r i s e d i n t h a t the porous carrier and the labelled specific binding reagent are contained within a hollow casing (30) constructed of moisture-impervious solid material, the porous carrier communicates directly or indirectly with the exterior of the casing such that liquid test sample can be applied to the porous carrier, the casing incorporates means (32) enabling the extent (if any) to which the labelled reagent becomes bound in the detection zone to be observed, the label is a particulate direct label, the labelled reagent is contained in a first zone (12) of the dry porous carrier, and the unlabelled reagent is immobilised in a detection zone spatially distinct from the first zone, the two zones being arranged such that liquid sample applied to the porous carrier can permeate via the first zone into the detection zone.
22. An analytical method in which a test device according to any one of claims 1 to 21 is contacted with an aqueous liquid sample suspected of containing the analyte, such that the sample permeates by capillary action through the porous carrier via the first zone into the detecting zone and the labelled reagent migrates therewith from the first zone to the detecting zone, the presence of analyte in the sample being determined by observing the extent (if any) to which the labelled reagent becomes bound in the detecting zone."
2
Die Klägerin, die von der Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat während des laufenden Einspruchsbeschwerdeverfahrens Nichtigkeitsklage erhoben, die das Bundespatentgericht durch Urteil vom 7. März 2002 als unzulässig abgewiesen hat. Auf die Berufung der Klägerin hat der Senat diese Entscheidung nach Abschluss des Einspruchsverfahrens durch sein am 13. Januar 2004 verkündetes Urteil (X ZR 124/02, Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 64) aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Dort hat die Klägerin geltend gemacht, das Streitpatent sei nicht patentfähig. Sein Gegen- stand sei nicht neu, wobei die Priorität der britischen Patentanmeldungen nicht wirksam in Anspruch genommen werden könne, es beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart , dass ein Fachmann sie ausführen könne. Außerdem gehe der Gegenstand des Patents über den Inhalt der europäischen Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Zur Begründung hat sich die Klägerin u.a. auf folgende Veröffentlichungen gestützt: europäische Patentanmeldung 149 158 (NK 10), Veröffentl. der internat. Patentanmeldung WO 86/03839 (NK 11), europäische Patentanmeldung 183 442 (NK 12), europäische Patentanmeldung 250 137 (NK 13), europäische Patentanmeldung 284 232 (NK 14), europäische Patentanmeldung 299 428 (NK 15), europäische Patentanmeldung 286 371 (NK 16), europäische Patentanmeldung 032 270 (NK 19), US-Patentschrift 4 552 839 (NK 23), US-Patentschrift 3 888 629 (NK 28), US-Patentschrift 4 235 601 (NK 29), US-Patentschrift 4 361 537 (NK 30), europäische Patentanmeldung 186 799 (NK 32), Veröffentl. der internat. Patentanmeldung WO 86/04683 (NK 38), deutsche Auslegeschrift 1 245 619 (NK 39).
3
Durch das angefochtene Urteil hat das Bundespatentgericht das Streitpatent antragsgemäß mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des ersten Berufungsverfahrens auferlegt.
4
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in erster Linie in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung, in der in Anspruch 1 u.a. Merkmale der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Ansprüche 2, 3 und 6 aufgenommen worden sind; ferner mit Hilfsanträgen, wegen deren Fassung auf den Schriftsatz vom 31. Oktober 2008 und die Sitzungsniederschrift vom 4. November 2008 Bezug genommen wird. Im Übrigen beantragt die Beklagte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Berufung. Sie sieht Gegenstand und Schutzbereich des Streitpatents in der verteidigten Fassung als unzulässig erweitert an und hält seine Lehre auch in dieser Fassung nicht für patentfähig.
5
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. F. B. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
I. Soweit das Streitpatent über die Fassung der mit dem Hauptantrag zulässigerweise (dazu unten III 2) vorgenommenen Beschränkung hinausgeht, ist es ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 - Carvedilol II). Die Änderungen sind formal nicht zu beanstanden; namentlich kann das Patent mit Patentansprüchen in deutscher Sprache verteidigt werden (st. Rspr., vgl. BGHZ 147, 306 - Taxol), auch wenn es häufig zweckmäßig sein wird, dies in der Verfahrenssprache zu tun, um Zweifel an der vollständigen inhaltlichen Übereinstimmung der Sprachfassungen zu vermeiden (Sen.Urt. v. 23.9.2008 - X ZR 135/04 - Multiplexsystem, zur Veröffentlichung vorgesehen).
7
Im Umfang der beschränkten Verteidigung des Streitpatents hat die Berufung Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
8
II. Die Nichtigkeitsklage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents zulässig, weil die Klägerin daraus wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird und sie deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st. Rspr., vgl. etwa Sen.Urt. v. 24.4.2007 - X ZR 201/02, GRUR 2008, 90 - Verpackungsmaschine).
9
III. 1. Das Streitpatent betrifft Assays, insbesondere Immunoassays und analytische Testgeräte dafür. Bei Immunoassays handelt es sich um bioanalytische Verfahren, welche sich die spezifische Bindungsfähigkeit von Liganden und Liganden-Bindungspartnern (auch: spezifische Bindungspaare, "sbp"), insbesondere die von Antikörpern und Antigenen bzw. Haptenen zunutze machen, um das Vorhandensein von Analyten in flüssigen Proben feststellen zu können. Zum Nachweis der oft nicht direkt sichtbaren Bindungsreaktionen wurden Verfahren zur indirekten Beobachtung eingesetzt, die die Markierung eines der Glieder des spezifischen Bindungspaars mit einem Radioisotop, einem Chromophor , einem Fluorophor oder die eine enzymatische Markierung vorsahen. Radiomarkierungen, Chromophore bzw. Fluorophore können mittels Strahlungsdetektoren , Spektrophotometern oder mit dem bloßen Auge nachgewiesen werden; bei Enzymmarkierungen wird ein nachweisbares Signal durch die Aktivierung einer Verbindung wie etwa eines Farbstoffs im Rahmen eines Reaktionssystems erzeugt.
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Ursprünglich in Vorrichtungen wie Reagenzgläsern mittels Zentrifugierung und Ausfällung durchgeführt (sogenannte Flüssigphasenassays), ist, der Beschreibung des Streitpatents zufolge, bei spezifischen Bindungsassays wie Immunoassays auch die Verwendung von mit Reagenzien imprägnierten Teststreifen vorgeschlagen worden (sogenannte Festphasenassays). Dabei bewegt sich die auf einen Teil des Teststreifens aufgetragene Probe mit Hilfe eines eluierenden Lösungsmittels, wie Wasser, durch das Material des Teststreifens in oder durch eine dort vorgesehene Nachweiszone, in der ein für die in der Probe vermutete Nachweissubstanz spezifisches Bindungsreagenz immobilisiert ist, um die Nachweissubstanz gegebenenfalls zu binden. Das Maß dieser Bindung kann mit markierten Reagenzien bestimmt werden, die ebenfalls im Teststreifen enthalten sind oder anschließend darauf aufgebracht werden. Der Streitpatentschrift zufolge erfordern alle kommerziell erhältlichen Geräte die Durchführung einer Reihe von aufeinander folgenden Arbeitsschritten, bevor das Testergebnis ablesbar ist, was notwendigerweise Zeit erfordere und Fehlerquellen einführe.
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Als Aufgabe der Erfindung bezeichnet die Streitpatentschrift die Anpassung und Verbesserung der bekannten Techniken zur Bereitstellung diagnostischer Testgeräte insbesondere für den privaten Gebrauch, die auch von einer ungeübten Person schnell und bequem zu handhaben sind, vom Benutzer möglichst wenige Arbeitsschritte erfordern und bei denen das Analyseergebnis innerhalb von Minuten nach dem Probenauftrag - beispielsweise Urin im Fall eines Schwangerschafts- oder Ovulationstests - vorliegt.
12
Dazu schlägt das Streitpatent in der verteidigten Fassung im Patentanspruch 1 ein analytisches Testgerät vor, umfassend 1. ein hohles, aus einem feuchtigkeitsundurchlässigen Material aufgebautes Gehäuse, das 2. einen trockenen porösen Träger (10) enthält, der 2.1 einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst, 2.2 mit dem Äußeren des Gerätes 2.2.1 direkt oder 2.2.2 indirekt derart in Verbindung steht, dass flüssige Testprobe darauf aufgebracht werden kann, und der 3. ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für eine Nachweissubstanz enthält, das 3.1 sich in trockenem Zustand in einer ersten Zone (12) des trockenen porösen Trägers, 3.2 stromaufwärts von einer Nachweiszone befindet und das 3.3 in feuchtem Zustand innerhalb des porösen Trägers frei beweglich ist, wobei 4. der Markierstoff ein Direktmarkierstoff in Form eines Farbsols, Goldsols oder gefärbten Latexteilchens ist, ferner 5. unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für denselben Analyten, 5.1 das auf dem porösen Träger, 5.2 in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone (14) permanent immobilisiert 5.3 und (daher) in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, wobei 6. die beiden Zonen derartig angeordnet sind, dass eine auf den porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone dringen kann, 7. die Flüssigkeitsprobe, die dem Gerät zugeführt ist, 7.1 das markierte Reagenz aufnehmen 7.2 und danach in die Nachweiszone eindringen kann und 8. das Gehäuse Mittel (32) zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, sowie, in Anspruch 20, ein Analysenverfahren, bei dem 1. ein Testgerät nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 19 mit einer wässrigen Flüssigkeitsprobe in Kontakt gebracht wird, 2. die Probe durch Kapillarwirkung durch den porösen Träger über die erste Zone in die Nachweiszone dringt und 3. das markierte Reagenz mit ihr aus der ersten Zone in die Nachweiszone wandert und 4. das Vorliegen einer Nachweissubstanz in der Probe durch Beobachten des Ausmaßes bestimmt wird, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist.
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2. Die Beschränkung von Patentanspruch 1 ist zulässig; durch sie wird insbesondere der Schutzbereich des Streitpatents nicht erweitert.
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a) Eine Schutzbereichserweiterung erfolgt zunächst nicht dadurch, dass das dem Begriff "direct label" (Direktmarkierungsstoff) beigefügte Wort "particulate" (teilchenförmig) entfällt. Als solche Markierungsstoffe kamen zunächst jegliche Einheiten ("entities") in Betracht, deren Vorhandensein ohne Weiteres nachgewiesen werden kann, insbesondere Direktmarkierungsstoffe. Diese werden als Einheiten definiert, die in natürlichem Zustand entweder mit bloßem Auge oder mit Hilfe eines optischen Filters und/oder einer angelegten ("applied" ) Stimulation, z.B. UV-Licht zum Hervorrufen einer Fluoreszenz, leicht sichtbar sind. Als besonders geeignete Beispiele werden winzige farbige Teilchen ("particles"), z.B. Farbsole, Metallsole (wie Goldsole) und gefärbte Latexteilchen angesprochen (vgl. die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung , Anl. NK 1, S. 4 Z. 42 ff.). Insoweit mag zweifelhaft sein, ob der ausdrücklichen Aufnahme eines Hinweises auf den Teilchencharakter der Markierungsstoffe überhaupt sachliche Bedeutung zukommen konnte. Dass diese Eigenschaftsangabe in dem verteidigten Patentanspruch entfallen ist, kann schon deshalb nicht zu einer Erweiterung führen, weil sich der teilchenförmige Charakter der Direktmarkierungsstoffe zwingend aus der abschließenden Aufzählung derjenigen Markierungsstoffe ergibt, für die Schutz beansprucht wird und die allesamt teilchenförmig sind. Die Formulierung "… in Form eines Farbsols …" im verteidigten Patentanspruch 1 ist entgegen der Ansicht der Klägerin ebenfalls von der ursprünglichen Offenbarung gedeckt. Sie bringt nämlich nur zum Ausdruck, dass die drei genannten Direktmarkierungsstoffe allein noch vom Streitpatent erfasst werden sollen.
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b) Ebenfalls keine Erweiterung des Schutzbereichs von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung liegt in der Umschreibung, wonach der trockene poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material "umfasst" (Merkmale 2 und 2.1). Soweit die Klägerin meint, dadurch würden Ausgestaltungen eingeschlossen, bei denen sich das markierte Bindungsreagenz in einem gesonderten Träger vor dem eigentlichen Trägerstreifen für den chromatografischen Fluss befinden könne, unterscheidet sie nicht hinreichend zwischen der Frage der Platzierung des Bindungsreagenzes, die allein den Schutzbereich betrifft, und der Frage der Ausgestaltung des porösen Trägers, die die Auslegung des erteilten Patents berührt (nachstehend III 2 d). Das mar- kierte Bindungsreagenz ist in trockenem Zustand auch in der verteidigten Fassung von Anspruch 1 des Streitpatents in einer ersten Zone des porösen Trägers enthalten (Merkmale 3, 3.1). Diese merkmalsmäßige Zuordnung des Bindungsreagenzes zum Träger wird durch Verwendung des Verbs "umfasst" im Zusammenhang mit der Bestimmung des porösen Trägers nicht außer Kraft gesetzt. Der Schutzbereich des Patents wird deshalb nicht erweitert.
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c) Eine unzulässige Schutzbereichserweiterung liegt des Weiteren nicht darin, dass gefärbte Latexteilchen ohne Begrenzung ihres Durchmessers in den Hauptanspruch aufgenommen worden sind. Diese Teilchen sind als solche ohne Beschränkung auf einen bestimmten Höchstdurchmesser in den Anmeldungsunterlagen als Direktmarkierungsstoff offenbart (NK 1 S. 4 Z. 44 f.). Dass die Teilchen in Patentanspruch 2 nur in Verbindung mit einer Größenangabe genannt sind, nötigt nicht zu der Aufnahme dieser Größenangabe in den verteidigten Patentanspruch 1 (vgl. Busse/Keukenschrijver, 6. Aufl., § 83 PatG Rdn. 37; vgl. zur Aufnahme einzelner Merkmale eines Ausführungsbeispiels BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer).
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d) Mit der Beschränkung, dass der trockene poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material "umfasst" (Merkmale 2, 2.1), geht die von Anspruch 1 in der verteidigten Fassung beschriebene Ausgestaltung des porösen Trägers nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung oder das erteilte Patent hinaus. Danach sollte das Trägermaterial vorzugsweise in Form eines Streifens oder einer Folie bestehen. Das Gerät konnte gemäß der Erfindung daher auch, falls gewünscht, zwei oder mehrere diskrete Körper von porösem Festphasenmaterial, z.B. getrennte Streifen oder Folien für die Aufnahme von Reagenzien, vereinigen, und zwar, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht ausschließlich parallel nebeneinander angeord- net (NK 1 S. 5 Z. 20 ff.). Demnach blieb es dem Fachmann überlassen, den porösen Träger den jeweiligen Erfordernissen entsprechend unterschiedlich auszugestalten. Diesen Rahmen überschreitet das Streitpatent in der verteidigten Fassung nicht; insbesondere wird durch die Aufnahme der Merkmale des früheren Anspruchs 6 in den Hauptanspruch entgegen der Ansicht der Klägerin keine von der Ursprungsoffenbarung nicht erfasste "Zwischenebene" geschaffen.
18
IV. Soweit das Streitpatent noch verteidigt wird, liegt keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der Art. 138 EPÜ, Art. II § 6 IntPatÜG vor.
19
1. Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen kann.
20
a) Das Erfordernis der ausführbaren Offenbarung bedeutet nicht, dass die Lehre alle im Einzelnen zur Erreichung des erfindungsgemäßen Ziels erforderlichen Schritte detailliert beschreiben müsste. Es reicht aus, wenn dem Fachmann ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Unschädlich ist, wenn er bei der Nacharbeitung auf Unvollkommenheiten stößt, die er als solche erkennt und mit Hilfe seines Wissens im Sinne der Erfindung überwinden kann, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen (vgl. Busse/ Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 34 Rdn. 273 ff.; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 34 Rdn. 364; Benkard/Schäfers, EPÜ, Art. 83 Rdn. 43). Die Erforderlichkeit von Versuchen ist unschädlich, solange sie das übliche Maß nicht übersteigen (Keukenschrijver, aaO Rdn. 293 m.w.N. in Fn. 639). Das gilt namentlich dann, wenn die Lehre, wie hier, den Einsatz biochemischer Reagenzien und die Herbeiführung entsprechender Reaktionen betrifft.
21
b) Danach ist im Streitfall unschädlich, dass der Fachmann einzelne Parameter wie Fließgeschwindigkeit, Konzentration und Bindungsstärke (Affinität) sowohl des zu immobilisierenden als auch des markierten Antikörpers erst, wie der gerichtliche Sachverständige meint, nach Experimenten einstellen konnte, zumal Anmeldungsunterlagen und Streitpatentschrift zu Fließgeschwindigkeit und Teilchen- bzw. Porengröße Angaben enthalten (Anlage NK 1, S. 11 Rdn. 15 ff.; geänderte Streitpatentschrift Abs. 75 ff.). Der danach noch erforderliche Versuchsaufwand übersteigt das dem Fachmann zumutbare Maß nicht.
22
c) Der Nichtigkeitsgrund unzureichender Offenbarung besteht auch nicht in Bezug auf die Resolubilisierung der teilchenförmigen, an die Markierungsantikörper gekoppelten Direktmarkierungsstoffe.
23
Wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ist die Lehre insoweit jedenfalls bei Einbeziehung der in den Unteransprüchen 13 bis 15 enthaltenen Anweisungen ausführbar. Damit wird dem Fachmann (dazu unten 3 b aa), was ausreicht, ein gangbarer Weg zur Ausführung der Erfindung mit allen von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung beanspruchten Direktmarkierungsstoffen offenbart (ähnlich BGHZ 147, 306 - Taxol für die allgemeine Beanspruchung eines Verfahrensschritts in Form einer allgemein bezeichneten Reaktion bei nacharbeitbarer Offenbarung eines ausführbaren Wegs zur Durchführung dieser Reaktion in der Patentschrift). Die zur Ausführung der Erfindung benötigten Angaben müssen nicht abschließend dem Hauptanspruch zu entnehmen sein. Es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt erschließen (vgl. Sen.Urt. v. 1.10.2002 - X ZR 112/99, GRUR 2003, 223 - Kupplungsvorrichtung

II).


24
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist nicht wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären.
25
a) Der Gegenstand des Anspruchs ist neu. Das gilt ungeachtet der Frage , ob das Streitpatent die Priorität einer der beiden britischen Patentanmeldungen 8 725 457 bzw. 8 709 873 (NK 5, 6) wirksam in Anspruch nehmen kann, auch dann, wenn für die Neuheit auf den Anmeldetag des Streitpatents selbst abgestellt wird und die Entgegenhaltungen NK 13, NK 14 und NK 16 bei der Neuheitsprüfung berücksichtigt werden.
26
aa) Die am 23. Dezember 1987 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 250 137 (NK 13) betrifft ein Verfahren zum Nachweis eines Liganden in einer Probe. Es verwendet mit kolloidalem Gold zwar einen Direktmarkierungsstoff. Dieser wird jedoch nicht (in trockenem Zustand) auf einen porösen Träger aufgebracht, sondern ist Bestandteil eines Reagenzes, das mit einer Probe flüssig vorvermischt wird und einen Liganden-Bindungspartner oder einen Liganden enthält, der direkt oder indirekt mit dem kolloidalen Gold markiert ist. Bei diesem Verfahren fehlt es an der Merkmalsgruppe 3 des Streitpatents; außerdem ist kein hohles Gehäuse beschrieben (Merkmale 1 und 8 des Streitpatents ). Ob die Schrift, wie die Klägerin meint, sämtliche Merkmale des Streitpatents vorwegnimmt, wenn die in der Beschreibung erwähnten USPatentschriften 3 888 629, 4 325 601 und 4 361 537 (NK 28 bis 30) einbezogen werden, kann dahinstehen. Die Neuheit einer Erfindung ist grundsätzlich im Wege des Einzelvergleichs zu prüfen. Eine in einer Vorveröffentlichung in Bezug genommene weitere Schrift kann nur berücksichtigt werden, wenn hinreichend deutlich gemacht wird, welche daraus ersichtlichen Informationen in Bezug genommen und zur Grundlage der Vorveröffentlichung gemacht werden und diese dem Leser zum jeweils maßgeblichen Datum zugänglich sind (vgl.
Keukenschrijver, aaO, § 3 PatG Rdn. 111). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die genannten amerikanischen Patentschriften nicht erfüllt.
27
bb) Die am 7. März 1988 eingereichte europäische Patentanmeldung 284 232 (Anl. NK 14) offenbart kein Gehäuse mit Mitteln zum eventuellen Feststellen des Ausmaßes, bis zu dem das Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist (Merkmale 1 und 8 des Streitpatents), und zwar auch nicht, soweit in der Beschreibung von im Stand der Technik vorzufindenden festen Trägern (solid supports) die Rede ist (S. 2 Ziff. 6-13). Damit sind Elemente gemeint, die funktionell dem porösen Träger des Streitpatents entsprechen und nicht seinem hohlen Gehäuse. Das ist, wovon auch die Klägerin ausgeht (Berufungserwiderung S. 34) offensichtlich für den in der Entgegenhaltung erwähnten Tauchstreifens ("dip-stick"), gilt aber auch für die daneben genannten Röhren. Damit sind Kapillarrohre mit einem geringen Durchmesser gemeint, wie sie etwa in der europäischen Patentanmeldung 149 168 (Anl. NK 10) beschrieben sind und bei denen die Kapillarwirkung gerade durch den geringen Durchmesser gefördert wird.
28
cc) Die europäische Patentanmeldung 286 371 (NK 16) beschreibt eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Durchführung von Assayverfahren, die ein Gehäuse und einen trockenen porösen Träger mit einer (immunosorbierenden) Zone umfassen, in welcher ein Mitglied eines spezifischen Bindungspaares immobilisiert sein kann, um den komplementären Bindungspartner zu fangen. Letzterer und seiner Markierung dienende Komponenten - in der Diktion dieser Schrift: Mitglied(er) eines signalerzeugenden Systems - sind vorzugsweise aber in flüssiger Form, gewöhnlich in einem wässrigen Medium, in mindestens einem zerbrechbaren Behälter in dem Gehäuse eingeschlossen, also nicht nach Maßgabe der Merkmalsgruppe 3 des Streitpatents auf dem porösen Träger enthal- ten. Die Schrift erwähnt lediglich, dass Mitglieder des spezifischen Bindungspaares und, falls gewünscht, Mitglieder des signalerzeugenden Systems an das als poröser Träger dienende saugfähige Material gebunden sein können, und zwar nicht-diffundierend oder diffundierend, je nachdem, ob der jeweils durchgeführte Assay die Bewegung eines derartigen Mitglieds entlang des Streifens erfordere oder nicht. Mit diesen Hinweisen offenbart die Patentanmeldung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ein in trockenem Zustand in einer ersten Zone des porösen Trägers enthaltenes direktmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für eine Nachweissubstanz (Merkmale 3, 3.1). Das gilt um so mehr, als das signalerzeugende System der Beschreibung zufolge meistens ein chromophores Substrat und Enzym umfasst, wobei chromophore Substrate enzymatisch in Farbstoffe, die Licht im ultravioletten oder sichtbaren Bereich absorbieren , in Phosphore oder in Fluoreszenzfarbstoffe überführt werden und daneben für die Markierung noch Radioisotope erwähnt werden. Der in der Anmeldung enthaltene Hinweis auf die US-Patentschrift 4 555 839 (NK 23) und die dort beschriebenen Assaymethoden (Sp. 27 Z. 27 ff.) mag zwar die Möglichkeit der Verwendung von Direktmarkierungsstoffen in flüssigen Medien offenbaren , dies aber nicht auf die in der Merkmalsgruppe 3 beschriebenen Weise.
29
dd) Die europäische Patentanmeldung 299 428 (NK 15) datiert mit dem 13. Juli 1988 von einem Tage, der nach der Anmeldung des Streitpatents liegt. Soweit in dieser Schrift für die Priorität auf die amerikanische Patentanmeldung 72 459 mit Datum vom 13. Juli 1987 Bezug genommen wird, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Anmeldung der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung des Streitpatents zugänglich gemacht worden ist. Vielmehr hat die amerikanische Anmeldung die bei der Neuheitsprüfung vorauszusetzende Publizität erst durch die Veröffentlichung auf sie hin erteilten US-Patents erlangt, was jedenfalls nicht vor dem Tag der Anmeldung des Streitpatents geschehen ist.
30
Abgesehen davon wird in dieser Entgegenhaltung kein Gehäuse offenbart , sondern vielmehr in einer Ausführungsform chromatografisches Substratmaterial auf einem inerten Trägerstreifen und eine Deckplatte, die, bis auf einen Endbereich, über die Länge des chromatografischen Materials vorgesehen ist (Anl. NK 12 S. 12 Z. 53). Damit sind die Merkmale 1 und 8 des Streitpatents nicht erfüllt.
31
b) Das Ergebnis von Verhandlung und Beweisaufnahme lässt nicht die Wertung zu, dass sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hat.
32
aa) Der zur Zeit der Anmeldung des Streitpatents mit der Weiterentwicklung von Immunoassays befasste Fachmann verfügte über einen Hochschulabschluss in den Fächern Biochemie oder Biotechnologie bzw. in einem verwandten natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fach und war in einem Großunternehmen beschäftigt. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit auf diesem Gebiet lag seinerzeit in den Händen solcher Unternehmen, die für die Entwicklung ihrer Produkte gegebenenfalls interdisziplinäre Teams zusammenstellten.
33
bb) Die aufgabengemäße Verbesserung von Testgeräten für Immunoassays erforderte, die gegenständliche Ausgestaltung der Geräte dem Bedürfnis eines unkomplizierten Einsatzes in Laienhand anzupassen. Ineinandergreifend mit dieser konstruktiven Aufgabe musste das mithilfe des Geräts durchzuführende Testverfahren hin zu der angestrebten Ein-Schritt-Analyse weiterentwickelt werden. Die vom Streitpatent in der verteidigten Fassung aufgefundene Lösung dieser komplexen Entwicklungsaufgabe ergab sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
34
(1) Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts gab die europäische Patentanmeldung 149 168 (NK 10) dem Fachmann keine richtungsweisenden Anregungen für die konstruktive Wahl des Gehäuses zur Aufnahme des porösen Trägers, auch wenn diese Anmeldung, wie das Streitpatent, eine vereinfachte Anwendung bei Immunoassays anstrebt. Vorgeschlagen wird dort, Kapillarröhrchen mit entsprechend geringem Durchmesser (vgl. NK 10 S. 11 Z. 27 ff.) mit festen Matrizen zu packen, auf denen die für die Durchführung von Assays erforderlichen Reagenzien aufgebracht sind, um anschließend das untere Ende des Röhrchens - das die Funktion des porösen Trägers des Streitpatents übernimmt - in eine Probenlösung zu tauchen oder die Kapillaritätswirkung bei einer Blutentnahme durch Andrücken des Röhrchens an den Bereich der Einstichstelle hervorzurufen. Diese Lösung lag vom Streitpatent recht weit ab.
35
(2) Im Ergebnis nichts anderes gilt für die europäische Patentanmeldung 183 442 (NK 12). Sie beschreibt eine Chromatografie-Vorrichtung und ein Verfahren zu deren Anwendung, insbesondere für die quantitative Bestimmung der Menge eines Analyten. Die Vorrichtung umfasst allerdings ein Gehäuse, welches einen saugfähigen Streifen aufnimmt, der an einem Ende mit der in einem flüssigen Medium gelösten Probe, die mutmaßlich den Analyten enthält, in Verbindung gebracht werden kann. Das Nachweisverfahren nutzt das Bindungsverhalten von Liganden und Rezeptoren - in der Terminologie der Schrift: Mitglieder eines spezifischen Bindungspaars "sbp" - aus. Ein sbp-Mitglied - und zwar der homologe oder reziproke Bindungspartner des jeweiligen Analyten - ist unbeweglich, nicht-diffundierbar, in einem als "immunosorbierende Zone" bezeichneten Bereich des verwendeten Teststreifens aufgebracht. Zum Nachweis des Analyten ist ein sogenanntes signalerzeugendes System vorgesehen, das eine oder mehrere Komponenten aufweisen kann, von denen mindestens eine an ein sbp-Mitglied konjugiert ist. Das signalerzeugende System ermöglicht, das Gebiet in der immunosorbierenden Zone, an das der Analyt gebunden ist, von dem Gebiet zu unterscheiden, in welchem er nicht enthalten ist, so dass die Entfernung von einem vorher bestimmten Punkt auf dem Immunochromatogramm ein Maß für die Menge an Analyt in der Probe ist. Offenbart ist somit eine Lehre, welche die Merkmale bzw. Merkmalsgruppen 1, 2, 7 und 8 aufweist und darüber hinaus lediglich die Merkmale 3.3, 5.1 und 5.3, wohingegen die Merkmale 4 und 6 fehlen. Bezüglich des Testverfahrens selbst bleibt die Entgegenhaltung NK 12 im Wesentlichen den im Stand der Technik dominierenden enzymatischen Markierungen verhaftet und kann deshalb den damit einhergehenden höheren Detektionsaufwand nicht reduzieren. Zur Durchführung des Assays wird das untere Ende des Teststreifens mit der Probe in Kontakt gebracht , die zuvor in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst worden ist, welches ein oder mehrere Mitglieder des signalerzeugenden Systems enthalten kann. Infolge der Kapillarwirkung durchwandert die Probenlösung den saugfähigen Träger einschließlich der immunosorbierenden Zone. Wenn das nachweisbare Signal, gegebenenfalls nach Entwicklung des auf Enzymbasis funktionierenden Assays, erzeugt worden ist, kann die Entfernung von einem Ende des Chromatogramms als quantitatives Maß der Menge an Analyten in der Probe unter Verwendung der am Gehäuse vorgesehenen Anzeigemittel in Form einer graduierten Skala (NK 12 S. 9 Z. 9 ff.) gemessen werden. Mit Blick auf die im Vergleich zum Streitpatent unterschiedliche Bedeutung der Anzeigemittel in dieser Entgegenhaltung fehlt dem in ihr beschriebenen Gehäuse auch eine hinreichende Vorbildfunktion für die Lehre des Streitpatents.
36
(3) Zu einem aufgabengemäß verbesserten Testgerät führten den Fachmann entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts auch nicht die europäische Patentanmeldung 186 799 (NK 32) und die internationale Patentanmeldung WO 86/04683 (NK 38).
37
In der ersteren Anmeldung werden ein analytisches Mittel und Verfahren zum Nachweis oder zur Bestimmung einer Komponente eines bioaffinen Bindungspaars offenbart. Das dabei verwendete flächenförmige diagnostische Mittel besteht aus einem oder mehreren hintereinander angeordneten Streifen, die untereinander über ihre Kanten in für wässrige Lösungen saugfähigem Kontakt stehen und aus entsprechendem Material, wie beispielsweise Cellulose o. Ä. bestehen. Die Streifen enthalten die für das jeweilige diagnostische Mittel notwendigen Reagenzkomponenten. Einer der bioaffinen Bindungspartner wird in der sogenannten Festphasenzone an das Trägermaterial in dem Funktionsbereich gebunden, der zum Nachweis des Analyten vorgesehen ist. Zumindest ein markierter Reaktand befindet sich in einer vorgelagerten Zone und wird, wenn eine Lösungsmittelprobe aufgetragen wird, vom ankommenden Lösungsmittel verflüssigt in die Festphasenzone transportiert, wo er durch ein bioaffines Bindungssystem gebunden wird. Die Erfindung weist die Merkmalsgruppen 2, 3, 5, 6 und 7 auf. Sie offenbart dagegen kein Gehäuse (Merkmal 1) und dementsprechend auch nicht das Merkmal 8 und bedient sich auch nicht eines Direktmarkierstoffs (Merkmal 4), sondern bevorzugt eine Enzymmarkierung, die chromogene, Fluoreszenz oder Chemilumineszenz erzeugende Substratsysteme erfordert und erwähnt des Weiteren eine Chemilumineszenzmarkierung, die allerdings erst nach Zugabe eines Reagenzes gemessen wird.
38
Einen Direktmarkierungsstoff offenbart ebenfalls nicht die internationale Patentanmeldung WO 86/04683 (NK 38).
39
(4) Um zum Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung zu gelangen, bedurfte es mehr, als zusätzlich zu den aus den Entgegenhaltungen NK 32 und NK 38 ersichtlichen Vorschlägen die im Stand der Technik bekannten partikelförmigen Direktmarkierungsstoffe in Betracht zu ziehen.
40
Die europäische Patentanmeldung 32 270 (NK 19) schlägt die Verwendung von kolloidalen Farbstoffpartikeln in wässrigen Lösungen vor. Der Vorzug dieser Markierungen besteht den Anmeldungsunterlagen zufolge darin, dass die Enzym/Substrat-Inkubation weggelassen werden kann. Der Bindungsschritt zwischen der Nachweissubstanz und dem partikelmarkierten Nachweisreagenz erfolgt in einer Lösung, bevor die Probe auf den porösen Träger aufgetragen wird. Genauso verhält es sich bei der US-Patentschrift 4 552 839 (NK 23), in der teilchenförmige Direktmarkierungsstoffe zwar beschrieben sind, die aber ebenfalls gelöst auf den porösen Träger aufgebracht werden. Die Verwendung von Direktmarkierungsstoffen in gelöstem Zustand führte nicht zu der vom Streitpatent aufgefundenen einfachen Ein-Schritt-Analyse, bei welcher der Anwender lediglich die Flüssigkeitsprobe in Kontakt mit dem Testgerät bringen muss, um kurze Zeit später ein Testergebnis ablesen zu können. Um den Test so zu vereinfachen, musste der Fachmann die vergleichsweise umständliche Vermischung der Probe mit dem Bindungsreagenz vor der Aufbringung auf den Teststreifen durch eine einfache und sicher anwendbare Alternative ersetzen. Dazu musste er erkennen, dass die direktmarkierten Bindungsreagenzien auch in trockenem Zustand im Träger untergebracht werden können, um sie von der infolge der Kapillarwirkung aufsteigenden Probe wieder auflösen und mitsamt der Probenflüssigkeit zum auf dem porösen Träger immobilisierten komplementären Bindungspartner schwemmen zu lassen.
41
(5) Zu dieser Lösung führte den Fachmann auch nicht der in der internationalen Patentanmeldung WO 86/03839 (NK 11) beispielhaft beschriebene qualitative Schwangerschaftstest (Beispiel X). Bei diesem wird eine Nitrocellulosemembran als Träger eingesetzt, die mit einer Abdeckung versehen wird, welche eine etwa 2 mm2 große Öffnung aufweist. Ein Tupfer, der mit lyophilisiertem Gold markierte Anti-hCG-Antikörper enthält, wird in Probeurin, welcher möglicherweise hCG enthält, angefeuchtet und dann für etwa 30 Sekunden mit der Membranabdeckung in Kontakt gebracht, damit der Urin aus dem Tupfer in die Membran diffundieren kann. Konzentrationen von hCG von über 50 mIU/ml, die im Allgemeinen eine Schwangerschaft anzeigen, können durch die Anwesenheit eines roten Flecks diagnostiziert werden; schwächere Konzentrationen erzeugen keinen solchen Fleck.
42
Die bloße Verwendung eines lyophilisierten Direktmarkierungsstoffs in diesem Beispiel gibt keinen zur Lehre des verteidigten Streitpatents führenden Hinweis. Die Benutzung eines mit markierten Antikörpern imprägnierten Tupfers , der mit Urin zu benetzen und dann auf die Membran aufzubringen ist, führt ebenso wenig zu einem aufgabengemäß problemlos und fehlerunanfällig von Laienhand ausführbaren Ein-Schritt-Analysensystem, wie dieses Beispiel dem Fachmann keine Anregung dafür gibt, das trockene markierte Bindungsreagenz in einer ersten Zone eines porösen Trägers zu platzieren, um es von der durch Kapillarität aufsteigenden Probenflüssigkeit zu einem einer weiteren Zone stromabwärts des Trägers fixierten Bindungspartners transportieren zu lassen. Vielmehr findet die Detektion punktuell an der Stelle statt, an der der Tupfer mit der mit polyklonalen Antikörpern gesättigten Membran in Berührung gebracht wird. Insgesamt bietet dieses Testverfahren keine Anregungen für die vom Streitpatent aufgabengemäß angestrebte Verbesserung der marktüblichen Testgeräte für den privaten Gebrauch, wie dies im Ergebnis auch schon die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in ihrer Entscheidung vom 27. Januar 2000 - T 0681/98 befunden hat.
43
cc) Die europäischen Patentanmeldungen 284 232 (NK 14) und 286 371 (NK 16) sind bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen (Art. 56 Satz 2 i. V. mit Art. 54 Abs. 3 EPÜ). Die europäische Patentanmeldung 299 428 (NK 15) ist ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt, liegt das für sie maßgebliche Anmeldedatum zeitlich nach dem des Streitpatents (oben IV 2 a dd).
44
Die europäische Patentanmeldung 250 137 (NK 13) ist zwar dem Stand der Technik zuzurechnen, gab dem Fachmann aber keine Anregungen zur Auffindung zu der vom Streitpatent in seiner verteidigten Fassung unter Schutz gestellten Lehre.
45
3. Die nachgeordneten Ansprüche und der nebengeordnete Verfahrensanspruch haben mit dem verteidigten Hauptanspruch Bestand.
46
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 07.06.2005 - 3 Ni 11/01 (EU) -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

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Berichtigt durch Beschluss vom 4. November 2008 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 135/04 Verkündet am: 23. September 2008 Wermes Justizamt
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Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 17. Dez. 2015 - I-2 U 53/04

bei uns veröffentlicht am 17.12.2015

Tenor A. Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. März 2004 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass das landgerichtliche Urteil nach Teil-Erledigung, Teil-Klagerücknahme und Antra

Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 17. Dez. 2015 - I-2 U 54/04

bei uns veröffentlicht am 17.12.2015

Tenor A. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das am 30. März 2004 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: I.E

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 124/02 Verkündet am:
13. Januar 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. März 2002 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 26. April 1988 angemeldeten und unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 291 194 (Streitpatents), das
"Immunoassays and devices therefor" betrifft und 23 Patentansprüche umfaßt. Für das Streitpatent wurden die Prioritäten der britischen Patentanmeldungen 8 709 873 vom 27. April 1987 und 8 725 457 vom 30. Oktober 1987 in Anspruch genommen.
Gegen die Erteilung des Streitpatents erhob die Klägerin Einspruch beim Europäischen Patentamt. Die Technische Beschwerdekammer 3.3.4 verwies mit Entscheidung vom 27. Januar 2000 (T 0681/98) die Sache an die erste Instanz mit der Auflage, "das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hauptantrags" der Patentinhaberin sowie einer daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten. Die Einspruchsabteilung entschied entsprechend mit Zwischenentscheidung vom 24. April 2001 (Pat600/29L-95-E). Die hiergegen erhobenen Beschwerden der Klägerin und anderer Einsprechenden wies die Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 4. Juli 2002 (T 094/01) zurück.
Während des Einspruchsbeschwerdeverfahrens hat die Klägerin Nichtigkeitsklage erhoben und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er unter den Gesichtspunkten der Ausführbarkeit und Wiederholbarkeit der technischen Lehre nicht ausreichend offenbart sei. Die Nichtigkeitsklage sei trotz des noch anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahrens zulässig. Der Gegenstand des Streitpatents könne wegen der ersten unanfechtbar gewordenen Entscheidung der Beschwerdekammer nicht mehr verändert werden. Das noch anhängige Verfahren betreffe die Beschreibung, die lediglich der Interpretation und Auslegung diene, soweit hierfür überhaupt Bedarf bestehe. Da sie, die
Klägerin, den mangelnden Rechtsbestand des Streitpatents im Verletzungsverfahren nicht geltend machen könne, sei sie in ihren Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt, wenn die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von der Erledigung des Einspruchsverfahrens abhänge. Um die Ungleichbehandlung von Verletzungsbeklagten in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Verletzungsbeklagen in anderen Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens aufzuheben, denen die Möglichkeit offen stehe, sich im Verletzungsverfahren mit dem Einwand der Nichtigkeit des Streitpatents zu verteidigen, müsse § 81 Abs. 2 PatG dahin ausgelegt werden, daß die Nichtigkeitsklage zulässig sei, wenn die Fassung der Patentansprüche nicht mehr angegriffen werden könne.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 291 194 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
Das Bundespatentgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


1. Die Berufung ist zulässig. Zwar enthalten der Schriftsatz vom 13. Mai 2002, mit dem die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts eingelegt hat, sowie der Schriftsatz vom 11. Juni 2002, mit dem sie ihr Rechtsmittel begründet hat, keine förmlichen Anträge. Die Klägerin hat damit weder in der Berufungsschrift noch in der Berufungsbegründung (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 PatG) den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufungsanträge formuliert; vielmehr hat sie erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf Hinweis der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. November 2002 Berufungsanträge eingereicht. Gleichwohl ist die Berufung zulässig.
Der Senat hat in seiner Entschließung vom 8. Januar 1991 (GRUR 1991, 448), die vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 111 PatG durch das 2. PatÄndG am 1. November 1998 ergangen ist, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (Sen.Urt. v. 19.10.1954 - I ZR 29/53, GRUR 1955, 283, 284 f. - Elektronenerzeugung; Urt. v. 30.9.1959 - I ZR 59/57, GRUR 1960, 27 - Verbindungsklemme) ausgeführt, daß die Berufungsschrift im Patentnichtigkeitsverfahren die Berufungsanträge enthalten muß (§ 111 PatG a.F.). Dazu bedürfe es allerdings nicht eines förmlichen Antrages. Vielmehr sei es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergäben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das erstinstanzliche Urteil angefochten werden solle. Diese Grundsätze gelten auch nach der Neuregelung des § 111 Abs. 3 Nr. 1 PatG entsprechend, wonach
nunmehr die Berufungsbegründung nur "die Erklärung" enthalten muß, "inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge)". Das entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für Berufungsverfahren nach der ZPO, die in § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. eine wortgleiche Regelung vorsah (BGH Urt. v. 4.6.1986 - IVb ZR 51/85, FamRZ 1987, 58, 59; Urt. v. 6.5.1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264, 3265 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung, die mit hinreichender Eindeutigkeit die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und die Weiterverfolgung des bisherigen Sachbegehrens als Ziel des Rechtsmittels erkennen läßt. Die Berufungsklägerin hat im einzelnen Gründe vorgetragen, die ihre Auffassung stützen sollen, die Nichtigkeitsklage sei von Anfang an zulässig gewesen, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht hinreichend offenbart und das Streitpatent daher für nichtig zu erklären.
2. Es kann dahinstehen, ob die Nichtigkeitsklage in dem Verfahren vor dem Bundespatentgericht zulässig war. Sie ist jetzt jedenfalls zulässig, so daß nunmehr in der Sache zu entscheiden ist. Da das Bundespatentgericht noch keine Gelegenheit hatte, über die von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu entscheiden, ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§§ 99 PatG, 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO n.F. analog; Sen.Urt. v. 13.1.2004 - X ZR 212/02, zur Veröffentlichung bestimmt ).
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck
Berichtigt durch Beschluss
vom 4. November 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 135/04 Verkündet am:
23. September 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Multiplexsystem
PatG §§ 81 ff.; § 81 Abs. 1 Satz 2

a) Zur Frage, ob die Erklärung, dass das Streitpatent im Patentnichtigkeitsverfahren
eingeschränkt verteidigt werde, nur von dem materiell am Patent Berechtigten
abgegeben werden kann.

b) Zur Behandlung einer unrichtigen Bezeichnung des Beklagten im Patentnichtigkeitsverfahren.
BGH, Urt. v. 23. September 2008 - X ZR 135/04 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. September 2008 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das durch Beschluss vom 7. September 2004 berichtigte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 30. Juni 2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 308 449 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage teilweise für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht: 1. Verfahren zum verbindungslosen Übertragen von Meldungen (20) variabler Länge in einem Netzwerk mit einer Vielzahl von Knoten (4) von einem Ausgangsknoten (42) mit einer Ausgangsadresse (SA) zu einem Bestimmungsknoten (46) mit einer Bestimmungsadresse (DA), mit den folgenden Verfahrensschritten: Jede Meldung (20) variabler Länge wird in eine Vielzahl von Schlitzen (32) fester Länge, alle Schlitze fester Länge mit gleicher Länge, unter Einschluss eines ersten Schlitzes, folgender Schlitze und eines letzten Schlitzes segmentiert, wobei jeder der Schlitze mit fester Länge ein Kopffeld (34, 36, 38) und ein Meldungssegment (40) enthält; die Schlitze fester Länge werden von dem Ausgangsknoten in das Netzwerk übertragen; und das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge, die an dem Bestimmungsknoten (46) empfangen werden, in die Mel- dung variabler Länge wird auf der Basis der Information in dem Kopffeld gesteuert; dadurch gekennzeichnet, dass ein eindeutig der von dem Ausgangsknoten zu übertragenden Meldung variabler Länge zugeordneter Ausgangsidentifizierungscode (SI) in einem Ausgangsidentifizierungsfeld (38) in dem Kopffeld jedes der Schlitze (32) fester Länge vorgesehen wird; dass die Bestimmungsadresse (DA) nur in dem Meldungssegment (40) des ersten Schlitzes fester Länge eingegeben wird und dass der erste Schlitz neben der Bestimmungsadresse (DA) einen ersten Teil eines Informationsfeldes (28) der Meldung (20) enthält; dass das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge an dem Bestimmungsknoten in Übereinstimmung mit dem Ausgangsidentifizierungscode (SI) der an dem Bestimmungsknoten (46) empfangenen Schlitze (32) fester Länge gesteuert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, enthaltend den Verfahrensschritt, ein Typenfeld (36) in dem Kopffeld jedes Schlitzes fester Länge vorzusehen und in das Typenfeld einen ersten, zweiten oder dritten Code einzucodieren, der einen Meldungsbeginn (BOM), eine Meldungsfortführung (COM) bzw. ein Meldungsende (EOM) darstellt , und wobei das Wiederzusammensetzen der empfangenen Schlitze (32) fester Länge an dem Bestimmungsknoten (46) in Übereinstimmung mit dem ersten, zweiten und dritten Code gesteuert wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem die Meldung (20) variabler Länge ein Bestimmungsadressfeld (22) enthält, das auf eine Übereinstimmung mit einer dem Bestimmungsknoten zugeordneten Adresse überprüft wird, und bei dem das Adressfeld (22) in dem Meldungssegment (40) des ersten Schlitzes (32) fes- ter Länge übertragen wird, der zum Übertragen der Meldung (20) variabler Länge verwendet wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, bei dem das Verfahren den Verfahrensschritt umfasst, Meldungssegmente (40), die einer einzelnen Meldung (20) variabler Länge zugeordnet sind, in einem Puffer (77) an dem Bestimmungsknoten zu speichern.
5. Verfahren nach Anspruch 4, bei dem, wenn der erste Code (BOM) an dem Bestimmungsknoten festgestellt wird, der Ausgangsidentifizierungscode (SI) in einen Komparator (82) eingegeben wird, und wenn ein zweiter einem anschließend empfangenen Schlitz zugeordneter Code (COM) festgestellt wird, dessen Ausgangsidentifizierer (SI) ebenfalls in dem Komparator zur Überprüfung einer Übereinstimmung eingegeben wird, und dann, wenn eine Übereinstimmung auftritt, das Meldungssegment (40) des anschließend empfangenen Schlitzes fester Länge in dem Puffer (77) gespeichert wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, bei dem bei Feststellen des dritten Codes (EOM) die zusammengesetzte Meldung (20) variabler Länge in dem Puffer (77) aus dem Puffer (77) ausgegeben wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, enthaltend den Verfahrensschritt, dass mehrfache Komparatoren (82) und Puffer (77) an dem Bestimmungsknoten vorgesehen werden, zur Ermöglichung eines gleichzeitigen Empfangs einer Vielzahl von Meldungen (20) variabler Länge, die jeweils ihren eigenen Ausgangsidentifizierungscode (SI) aufweisen, wobei die Meldungssegmente (40) jeder Meldung (20) variabler Länge in einem einzelnen Puffer (77) gespeichert werden.
8. Verfahren nach Anspruch 1, enthaltend den Verfahrensschritt, dass zwei oder mehr Meldungen (20) variabler Länge gleichzeitig von dem Ausgangsknoten (42) zu dem Bestimmungsknoten (46) in dem Netzwerk übertragen werden.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ein Viertel und die Beklagte drei Viertel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war bei Klageerhebung Inhaberin des am 17. März 1988 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung im Australischen Bund vom 17. März 1987 im Weg der internationalen Anmeldung angemeldeten europäischen Patents 308 449 (Streitpatents), dessen deutscher Teil in der Folgezeit am 20. Mai 2003 auf die Q. GmbH in M. umgeschrieben wurde und das während des Berufungsverfahrens wegen Ablaufs der Höchstschutzdauer erloschen ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent betrifft die Nachrichtenübertragung in einem Multiplexsystem und umfasst 29 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut : "1. A method of transmitting variable length messages (20) on a network having a plurality of nodes (4) from a source node (42) having a source address (SA) to a destination node (46) having a destination address (DA), said method including the steps of: segmenting each variable length message (20) into a plurality of fixed length slots (32) including a first slot, continuing slots, and a last slot, each of said fixed length slots including a header field (34, 36, 38) and a message segment (40); transmitting the fixed length slots from the source node to the network; and controlling reassembly of fixed length slots received at the destination node (46) into the variable length message on the basis of information in the header field; characterised by: a source identifier code (SI) uniquely associated with the variable length message to be transmitted from the source node being provided in a source identifier field (38) in the header field of each of said fixed length slots (32); the destination address (DA) being entered only in the message segment (40) of the first fixed length slot; and said reassembly of fixed length slots at the destination node being controlled in accordance with the source identifier code (SI) of fixed length slots (32) received at the destination node (46).”
2
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lautet dieser Patentanspruch : "1. Verfahren zum Übertragen von Meldungen (20) variabler Länge in einem Netzwerk mit einer Vielzahl von Knoten (4) von einem Ausgangsknoten (42) mit einer Ausgangsadresse (SA) zu einem Bestimmungsknoten (46) mit einer Bestimmungsadresse (DA), mit folgenden Verfahrensschritten: Jede Meldung (20) variabler Länge wird in eine Vielzahl von Schlitzen (32) fester Länge unter Einschluß eines ersten Schlitzes, folgender Schlitze und eines letzten Schlitzes segmentiert, wobei jeder der Schlitze mit fester Länge ein Kopffeld (34, 36, 38) und ein Meldungssegment (40) enthält; die Schlitze fester Länge werden von dem Ausgangsknoten in das Netzwerk übertragen und das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge, die an dem Bestimmungsknoten (46) empfangen werden, in die Meldung variabler Länge wird auf der Basis der Information in dem Kopffeld gesteuert; dadurch gekennzeichnet, daß ein eindeutig der von dem Ausgangsknoten zu übertragenden Meldung variabler Länge zugeordneter Ausgangsidentifizierungscode (SI) in einem Ausgangsidentifizierungsfeld (38) in dem Kopffeld jedes der Schlitze (32) fester Länge vorgesehen wird; daß die Bestimmungsadresse (DA) nur in dem Meldungssegment (40) des ersten Schlitzes fester Länge eingegeben wird; und daß das Wiederzusammensetzen der Schlitze fester Länge an dem Bestimmungsknoten in Übereinstimmung mit dem Ausgangsidentifizierungscode (SI) der an dem Bestimmungsknoten (46) empfangenen Schlitze (32) fester Länge gesteuert wird."
3
Wegen der weiteren Patentansprüche in der Verfahrenssprache und in deutscher Übersetzung wird auf die Patentschrift des Streitpatents verwiesen.
4
Die Klägerin, die von der Lizenznehmerin der Beklagten gemeinsam mit einer weiteren Partei vor dem Landgericht München I wegen Patentverletzung in Anspruch genommen worden ist, hat die Klage zunächst gegen die "Q. Ltd." unter einer Anschrift in München gerichtet, die diejenige der Lizenznehmerin ist, sich jedoch im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens darauf berufen, dass insoweit eine bloße Falschbezeichnung vorgelegen habe. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn u.a. die Veröffentlichungen von William Stallings, Local Networks, An Introduction, New York 1984 (Anlagen K3, K54, K59, K64), Andrew S. Tanenbaum, Computer Networks, Englewood Cliffs 1981 (Anlagen K4, K20), Ken-ichi Yukimatsu, Naoya Watanabe und Takashi Honda, Multicast Communication Facilities in a High Speed Packet Switching Network, in P. Kühn (Hrsg.), New Communication Services: A Challenge to Computer Technology, ICCC 1986, S. 276 - 281 (Anlage K28), Steven Temple, The design of a Ring Communication Network, Diss. Cambridge 1984 (Anlage K35) und die US-Patentschrift 4 493 021 (Agrawal u.a.; Anlage K29) bildeten, nicht schutzfähig sei. Wegen zweier weiterer, nunmehr nicht mehr im Streit stehender Patentansprüche hat sie die Nichtigkeitsgründe der mangelhaften ausführbaren Offenbarung und der Erweiterung gegenüber dem Inhalt der europäischen Patentanmeldung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2, 3) geltend gemacht. Sie hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
5
Die Beklagte hat sich zunächst gegen die Zulässigkeit der Klage gewandt und im Übrigen beantragt, diese abzuweisen. Hilfsweise hat sie das Streitpatent in eingeschränkten Fassungen nach zwei Hilfsanträgen in deutscher Sprache verteidigt. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt.
6
Mit ihrer Berufung vertieft die Beklagte ihren Vortrag zur Zulässigkeit der Klage und stellt die mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatents in Abrede. Sie hat zuletzt den Antrag gestellt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass nur noch die aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Patentansprüche 1 bis 8 verteidigt werden. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
7
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. B. P.
ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat gutachterliche Stellungnahmen von Prof. H. J. C. und Dr. J. F. M. vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


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I. Das Patentgericht hat zu Recht die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe sachlich geprüft, denn die Klägerin hat nicht eine "falsche", d.h. nicht passiv- legitimierte Partei, sondern die bei Klageerhebung im deutschen Patentregister eingetragene damalige Patentinhaberin, gegen die die Nichtigkeitsklage nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG zu richten war, allerdings unter einer unvollständigen Firmenbezeichnung und unter einer nicht zutreffenden Anschrift, verklagt. Beides erweist sich vorliegend, wie dies schon das Bundespatentgericht zu Recht angenommen hat, als unschädlich:
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1. Bei der Auslegung der Parteibezeichnung ist der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich Anlagen zu berücksichtigen. Wird daraus unzweifelhaft deutlich, welche Partei wirklich gemeint ist, so stände der entsprechenden Auslegung nicht einmal entgegen, dass der Kläger irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person gewählt hat (Sen.Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 144/06, NJW-RR 2008, 582 = MDR 2008, 524).
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Der Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass eine Parteibezeichnung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich ist. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (so auch BGHZ 4, 328, 334; BGH, Urt. v. 26.2.1987 - VII ZR 58/86, NJW 1987, 1946 m.w.N.). Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH NJW 1987, 1946 aaO; Sen.Beschl. v. 28.3.1995 - X ARZ 255/95, NJW-RR 1995, 764 m.w.N.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (so ausdrücklich BAG, Urt. v. 12.2.2004 - 2 AZR 136/03, AP Nr. 50 zu § 4 KSchG 1969). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn der Mangel in Anbetracht der jewei- ligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lässt, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (so BAG aaO). Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert wird, ankommt (so BGHZ 4, 328, 334). An diesen Grundsätzen, die auch im Patentnichtigkeitsverfahren anzuwenden sind, hält der Senat fest. Ihre Anwendung ergibt im vorliegenden Fall, dass sich die Klage von Anfang an gegen die bei Klageerhebung als Patentinhaberin im Register eingetragene Q. Pty. Ltd. gerichtet hat.
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2. Demnach bezeichnete die Angabe in der Klageschrift keine unter der dort genannten Bezeichnung und mit dem genannten Sitz tatsächlich existierende Partei, denn eine Q. mit Ltd. Sitz in M. gab und gibt es nicht. Aus der Anlage K1 zur Klageschrift ergab sich aber mit hinreichender Deutlichkeit, dass sich die Nichtigkeitsklage gegen die Patentinhaberin des Streitpatents, die sich in einer Presseerklärung selbst (weitgehend entsprechend ihrer ursprünglichen Bezeichnung) verkürzt als Q. Ltd. bezeichnet hatte, richten sollte, und nicht gegen das als Lizenznehmerin bezeichnete Tochterunternehmen ("wholly-owned subsidiary") Q. GmbH, dessen Sitz sich bei Klageerhebung in M. befand und das das Streitpatent erst zu einem späteren Zeitpunkt erworben hat. Aus Seite 3 der Klageschrift ergab sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass eine "australische Gesellschaft mbH" als Inhaberin des Streitpatents verklagt werden sollte; der Firmenbestandteil in der Firma der Beklagten "Pty." (Proprietary limited company) entspricht dabei im Wesentlichen der Rechtsform der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dass die Klägerin nicht die korrekte und vollständige Firmenbezeichnung der Beklagten verwendet, sondern den Firmenbestandteil "Pty." weggelassen hat, ist zudem schon deshalb unschädlich, weil die Beklagte selbst öffentlich unter Weglassung dieses Zusatzes aufgetreten ist (vgl. die von der Beklagten herrührende Anlage K1 zur Klage). Die Klageschrift unterscheidet zudem deut- lich zwischen der Patentinhaberin, gegen die die Nichtigkeitsklage gerichtet sein sollte, und deren Lizenznehmerin, deren Klage gegen die Nichtigkeitsklägerin und eine weitere Partei, die S. AG, Anlass für die Nichtigkeitsklage war.
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3. Da sich die Klage somit von Anfang an gegen die tatsächlich als Patentinhaberin passivlegitimierte Partei gerichtet hat, kommt es auf die von den Beklagtenvertretern vorgebrachte (und nach Aktenlage zutreffende) Erwägung, dass die Q. Pty. Ltd. im Zeitpunkt der Richtigstellung der Parteibezeichnung im Schriftsatz der Klägerin vom 3. Juli 2004 nicht mehr als Patentinhaberin im maßgeblichen Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen war, nicht an. Die mit der Klageerhebung begründete Beklagtenstellung der Q. Ltd. Pty. blieb vielmehr trotz der Umschreibung erhalten (vgl. BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer).
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II. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent weiterhin zulässigerweise eingeschränkt verteidigt.
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1. Der Wirksamkeit der eingeschränkten Verteidigung steht nicht entgegen , dass die Beklagte zwar weiterhin prozessführungsbefugt ist, aber nicht festgestellt werden kann, dass sie auch sachbefugt und damit zu Verfügungen über das Patent berechtigt ist. An der Befugnis des zwar prozessual legitimierten , aber nicht materiell berechtigten Beklagten, im Patentnichtigkeitsverfahren durch beschränkte Verteidigung zu verfügen, sind Zweifel geäußert worden (Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. 2008 Rdn. 160). Es kann indessen offen bleiben, ob insoweit die Rechtslage nicht anders zu beurteilen als beim (Teil-)Verzicht auf das Patent, der für seine Wirksamkeit als Verfügung über das Patent voraussetzt, dass der Verfügende sachbefugt ist (vgl. Schwendy in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003 Rdn. 15 zu § 20; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005 Rdn. 12 zu § 20; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl. 2004, S. 593; so schon RG, Urt. v. 8.10.1930 - I 88/30, MuW XXXI, 34, 35). Im vorliegenden Fall könnte die Sachbefugnis allenfalls auf die nunmehr im Register eingetragene Q. GmbH übergegangen sein, für die die Prozessbevollmächtigten der Beklag- ten nach ihrem eigenen Vortrag, an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, ebenfalls erklärungsbefugt waren. Eine entsprechende Einverständniserklärung wurde abgegeben. Dabei ist es jedenfalls nicht erforderlich, dass der materiell Berechtigte dem Verfahren beitritt (a.A. Keukenschrijver aaO); der Senatsbeschluss BGHZ 172, 98, 106 ff. - Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil dort nicht ausgesagt ist, dass der materiell Berechtigte nur im Weg des Beitritts seine Rechte geltend machen kann. Auf den Beitritt kann es zudem schon deshalb nicht ankommen, weil nur die materiellrechtliche Wirksamkeit der Verfügung, nicht aber auch deren prozessuale Wirksamkeit zweifelhaft sein kann.
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2. Die eingeschränkte Verteidigung hält sich auch im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung in der europäischen Patentanmeldung und des erteilten Patents. Insbesondere ergibt sich das in Patentanspruch 1 eingefügte Merkmal, dass der erste Schlitz neben der Bestimmungsadresse (DA) einen ersten Teil eines Informationsfeldes (28) der Meldung (20) enthält, mit hinreichender Deutlichkeit aus Figur 1 der ursprünglich eingereichten und in der Patentschrift enthaltenen Zeichnungen. Die Änderungen führen nicht zu formalen Beanstandungen. Namentlich kann das Patent mit Patentansprüchen in deutscher Sprache verteidigt werden (st. Rspr.; u.a. BGHZ 118, 221 - Linsenschleifmaschine ; BGHZ 147, 306, 314 - Taxol), wenn es auch häufig zweckmäßiger sein wird, das Patent mit Patentansprüchen in der Verfahrenssprache zu verteidigen , um Zweifel an der vollständigen inhaltlichen Übereinstimmung der Sprachfassungen auszuschließen.
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III. 1. Soweit das Streitpatent über die Fassung hinausgeht, in der es in zulässiger Weise beschränkt verteidigt wird, ist es ohne Weiteres für nichtig zu erklären. Dies betrifft insbesondere die Vorrichtungsansprüche 10 und 23 mit den auf diese rückbezogenen Unteransprüchen, daneben auch sämtliche Verfahren zum verbindungsorientierten Übertragen von Meldungen.
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2. Soweit das Streitpatent noch verteidigt wird, hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht schutzfähig und das Streitpatent deshalb auf die auf den Nichtigkeitsgrund mangelnder Schutzfähigkeit gestützte Klage (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52, 54, 56 EPÜ) insgesamt für nichtig zu erklären ist.
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a. Das Streitpatent betrifft in seiner verteidigten Fassung die Übertragung von Meldungen in einem Multiplexsystem und lehrt hierzu Verfahren für die Übertragung von Meldungen willkürlicher, jedoch begrenzter Länge in (ursprünglich ) verbindungslosen Übertragungssystemen, wobei das Verfahren für die wirksame Unterstützung jedweder Adressierungsart selbst in einem System mit kurzen, als Schlitze (slots) bezeichneten Zeitscheiben sorgt. Bei der Datenkommunikation in Multiplexsystemen können Daten in Einheiten, sog. Paketen, ausgetauscht werden, die aus einem Kopffeld (header field), das die Steuerung und vielfach auch das Adressieren der Einheit übernimmt, und der tatsächlichen Information bestehen. In neuen Entwürfen werden hierzu nach den Angaben im Streitpatent nur kleine Schlitze mit fester Länge (fixed length slots) geschaltet. Dies ist dahin zu verstehen, dass die Schlitze auch untereinander gleiche Länge haben können und vielfach auch haben sollen; dies wird in der Regel auch dann der Fall sein, wenn lediglich eine maximale Länge angegeben wird, weil das rationelle Ausnützen der Übertragungskapazitäten in aller Regel dahin führen wird, die maximale Länge jeweils auszunützen; dass sich dabei je nach der Länge der Meldung bei der Übertragung des letzten Schlitzes Schwierigkeiten ergeben können, diese Länge zu erreichen, wird auch durch die Lehre des Streitpatents nicht vermieden. Wenn die schnelle Paketvermittlung eine Kommunikation variabler Länge tragen solle, müsse, so das Streitpatent, die ursprüngliche Meldung segmentiert und an der Bestimmungsstelle wieder zusammengesetzt werden. Bei der Segmentierung müsse die Meldung lediglich in Einheiten einer Größe aufgeteilt werden, die gleich oder kleiner der Schlitzgröße sei. Bei der Übertragung müssten aber von der Bestimmungsstelle alle Segmente der Meldung empfangen und zugeordnet werden. Deshalb sei eine logische Zuordnung zwischen allen Schlitzen der einzelnen Meldung erforderlich.
19
b. Durch das Streitpatent sollen der Aufwand für Adressierung und Steuerung der Datenpakete gering gehalten und eine einfache Wiederzusammensetzung der Meldungen an der Bestimmungsadresse ermöglicht werden.
20
c. Hierzu lehrt das Streitpatent in seinem Patentanspruch 1 mit den Einfügungen , die die verteidigte Fassung vorsieht, 1. ein Verfahren zum verbindungslosen Übertragen 1.1 von Meldungen variabler Länge 1.2 ineinem Netzwerk mit einer Vielzahl von Knoten 1.3 von einem Ausgangsknoten mit einer Ausgangsadresse 1.4 zu einem Bestimmungsknoten mit einer Bestimmungsadresse (destination address) mit folgenden Verfahressschritten: 2. Jede Meldung variabler Länge wird segmentiert 2.1 in eine Vielzahl von Schlitzen (slots) 2.2 die Schlitze 2.2.1 sind von fester und gleicher Länge 2.2.2 sind ein erster, folgende und ein letzter Schlitz, 2.2.3 enthalten jeweils 2.2.3.1 ein Kopffeld (header field) 2.2.3.2 und ein Meldungssegment (message segment), 2.2.4 der erste Schlitz enthält neben der Bestimmungsadresse einen ersten Teil eines Informationsfelds der Meldung, 3. im Kopffeld jedes Schlitzes ist ein Ausgangsidentifizierungsfeld (source identifier field) vorgesehen, 3.1 in das ein Ausgangsidentifizierungscode (source identifier code) eingetragen wird, 3.2 der eindeutig der Meldung zugeordnet (uniquely associated) ist, 4. dieBestimmungsadressewird nur im Meldungssegment des ersten Schlitzes eingegeben, 5. die Schlitze werden 5.1 von dem Ausgangsknoten in das Netzwerk übertragen, 5.2 am Bestimmungsknoten empfangen und 5.3 wieder zusammengesetzt zu der Meldung, 5.3.1 wobei die Steuerung hierzu erfolgt 5.3.1.1 auf der Basis der Information in dem Kopffeld und 5.3.1.2 in Übereinstimmung mit dem Ausgangsidentifizierungscode.
21
d. Unter Schlitzen (slots) sind dabei Dateneinheiten zu verstehen. Die Paketvermittlung stellt sicher, dass die Übertragungsleitung durch einen Benutzer nicht für mehr als einige hundertstel Sekunden blockiert wird (Tanenbaum, unten III. 3. a, Anlage K4, S. 116, Textblock Z. 8 - 10).
22
Die nunmehr nur noch beanspruchte verbindungslose Übertragung erfasst alle Übertragungen, bei denen - unabhängig vom Verbindungsweg - zwischen Senderknoten und Empfängerknoten eine wie auch immer geartete und auch rein logische Verknüpfung hergestellt wird.
23
Das Informationsfeld der Meldung (Merkmal 2.2.4) versteht der Senat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen dahin, dass dieses die zu übertragenden Daten enthält. Das Meldungssegment umfasst demgegenüber einen Teil dieses Informationsfelds, beim ersten Schlitz zusätzlich die Bestimmungsadresse und gegebenenfalls bestimmte weitere Felder (vgl. Fig. 1, Bezugszeichen 24 und 26), aber nicht den Ausgangsidentifizierungscode (SI) (vgl. Fig. 1); diese Information wird im Kopffeld transportiert (Merkmale 2.2.3.1 und 3). Die Anzeige, ob es sich um den ersten, einen folgenden oder den letzten Schlitz handelt, kann ebenfalls im Kopffeld übermittelt werden, Patentanspruch 1 trifft dafür aber keine Festlegung.
24
Wie der Ausgangsidentifizierungscode eindeutig der Meldung zugeordnet wird, überlässt die Patentschrift des Streitpatents dem Können des nacharbeitenden Fachmanns.
25
3. Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung ist neu (Art. 54 EPÜ). Das Ergebnis von Verhandlung und Beweisaufnahme lässt auch nicht die Wertung zu, dass sich sein Gegenstand für den Fachmann, einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Nachrichtenübertragung in Multiplexsystemen, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hätte (Art. 56 EPÜ).
26
Sowohl das Buch von Tanenbaum (Anlagen K4, K20) als auch die Dissertation von Temple (Anlage K35), der Aufsatz von Yukimatsu (Anlage K28) und das Patent von Agrawal (Anlage K29) beschreiben verbindungsorientierte Übertragungen. Das Buch von Stallings liegt von der nunmehr noch schutzbeanspruchenden Lehre noch weiter ab und hat in der mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr gespielt.
27
a. Das 1981 erschienene Buch "Computer Networks" von Andrew S. Tanenbaum (jeweils Auszüge in Anlagen K4, K20 sowie die in der Berufungsverhandlung einzeln überreichten Seiten 194/195) beschreibt das X.25-Protokoll , das zwischen 1976 und 1984 als Telekommunikationsstandard entwickelt worden ist. Das dort beschriebene Verfahren offenbart, dass die virtuelle Kanalnummer (virtual circuit number), die dem Wiederzusammensetzen der Meldung dient und dem Ausgangsidentifizierungscode (SI) entsprechen mag, zwischen der Sendestelle und der Empfangsstelle ausgehandelt wird. Der erste Schlitz, der auch als Vorschlitz angesprochen werden kann, dient dem Verbindungsaufbau , nämlich der Anfrage, ob der Anruf angenommen wird (call request und call accepted; vgl. Fig. 5-26 (a)). Dieser Verbindungsaufbau entfällt bei der verbindungslosen Übertragung. In dem ersten Schlitz wird nach dem X.25-Protokoll kein Teil des Informationsfelds der Meldung übermittelt (Merkmal 2.2.4). Dies mag zwar auf den ersten Blick anders erscheinen, da Fig. 5-26 (a) in dem ersten Schlitz auch "user data" vorsieht und diese nicht näher spezifiziert werden. Dass es sich dabei indessen nicht um die Daten handeln kann, die übertragen werden sollen, erhellt schon daraus, dass der erste Schlitz dem Verbindungsaufbau dient und dass bei seiner Absendung noch nicht feststeht, ob eine Verbindung überhaupt zustande kommt. Dem Fachmann drängt sich mit dieser Erkenntnis die Überlegung auf, dass es bloße Ressourcenverschwendung wäre, mit der Rufanfrage im ersten Schlitz, deren Ergebnis nicht voraussehbar ist, bereits zu übertragende Daten zu versenden. Damit fehlt es auch an jeglicher Anregung, im ersten Schlitz bereits zu versendende Daten zu übermitteln. In dem ersten Schlitz wird zwar die Bestimmungsadresse (called address) übermittelt, aber nicht im Meldungssegment. Damit ist Merkmal 4 des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht verwirklicht. Die Über- mittlung der Bestimmungsadresse erfolgt vielmehr in einem vorgelagerten Bereich des Schlitzes. Damit wird der Vorteil, den das Streitpatent dadurch erzielt, dass der Kopfteil durch Herausnahme der Bestimmungsadresse klein gehalten wird, nicht verwirklicht.
28
b. Die Dissertation von Steve Temple (Anlage K35) beschreibt Architektur, Protokolle und Realisierung eines lokalen Netzes hoher Leistung (high speed local area network). Die Dissertation entwirft ein neues Netz, den Cambridge Fast Ring, und entwickelt diesen als grundlegende Kommunikationsstruktur. Dabei werden Funktionen für das Senden und Empfangen von Dateneinheiten fester Länge bereitgestellt. Die Daten sowie die Adresse des Ausgangsknotens und des Bestimmungsknotens werden zusammen mit weiterer Steuerinformation in einer als minipacket bezeichneten, festen und unveränderbaren Datenstruktur übertragen. Das in Kapitel 8 beschriebene basic protocol stellt ein Rahmenwerk für die Definition unterschiedlicher weiterer Protokolle dar, so für das Single Shot Protocol (SSP) zum Austausch von Meldungen variabler Länge und das Byte Stream Protocol (BSP) zur verbindungsorientierten Übertragung zwischen beliebigen Knoten im Netz. Dabei werden in jedem minipacket die Adressen des Ausgangsknotens und des Bestimmungsknotens übermittelt, um eine Kommunikationsstruktur für beliebige Anwendungen bereitzustellen. Die Veröffentlichung stellt damit ein universell einsetzbares System zur Verfügung.
29
Jedenfalls im Single Shot Protocol entspricht dabei, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, die Kanalnummer dem Ausgangsidentifizierungscode (SI). Allerdings weist die Kanalnummer nicht die Eindeutigkeit auf, wie sie beim Streitpatent vorgesehen ist, denn verschiedene Bestimmungsknoten könnten die gleiche Kanalnummer auswählen. Damit reicht der Ausgangsidentifizierungscode (die Kanalnummer) in der Form, wie er bei Temple generiert wird, nicht immer zur eindeutigen Zuordnung des minipacket zu einer bestimmten Meldung aus. Auf die jeweilige Übertragung der Bestimmungsadresse kann deshalb in einem universell einsetzbaren System nicht verzichtet werden. Sofern der Fachmann erkennen konnte, dass unter entsprechenden Rahmenbedingungen die Identifizierung über die Kanalnummer eindeutig wie im Streitpatent gestaltbar war, musste er zugleich erkennen, dass er damit die universelle Einsetzbarkeit der Lehre von Temple beeinträchtigen konnte. Auch wenn die Problematik, die sich aus dem Umfang des Kopffelds ergeben konnte ("overhead"-Problem), nach Auskunft des gerichtlichen Sachverständigen zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits bekannt war, erlaubt zur Überzeugung des Senats die auf der anderen Seite zu berücksichtigende Einschränkung der universellen Einsetzbarkeit bei Verzicht auf die Übermittlung der Bestimmungsadresse in jedem minipacket nicht die sichere Würdigung dahin, dass dem Fachmann das Weglassen der Bestimmungsadresse in den folgenden Schlitzen nahegelegt war. Dass der Fachmann, wie es das Bundespatentgericht angenommen hat, nicht davon abgehalten wird, nach entsprechenden Wegen zu suchen, um die Leistungsfähigkeit des Netzes zu steigern, reicht nicht aus, um ein Naheliegen dieser Maßnahme allein aus der Dissertation von Temple und den fachlichen Fähigkeiten des Fachmanns zu bejahen.
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c. Die Veröffentlichung von Ken-ichi Yukimatsu, Naoya Watanabe und Takashi Honda "Multicast Communication Facilities in a High Speed Packet Switching Network" (Multicast-Kommunikationsanlagen in einem Hochgeschwindigkeitsnetzwerk mit Paketvermittlung; Anlage K28) aus dem Jahr 1986 betrifft ein Paket-Multiplexverfahren in einem Ringnetz (logische Schleife) und entsprechende Protokolle. Sie schlägt die Multiplexierung von Meldungen auf kurze Rahmen fester Länge vor, darunter die distance-indexed frame multiple- xing method (das abstandsindizierte Rahmenmultiplexverfahren). Die Bestimmungsadressen werden nur im ersten Rahmen der Meldung übertragen. Jedoch können schon die Abstandsindices nicht mit dem Ausgangsidentifizierungscode gleichgesetzt werden, denn sie sind nicht meldungsspezifisch und, wie der gerichtliche Sachverständige angegeben hat, schwerfällig. Eine Anregung , von den Abstandsindices, die allerdings ebenfalls zur eindeutigen Zuordnung der Meldungsteile geeignet sein mögen, auf einen Ausgangsidentifizierungscode überzugehen, ist der Veröffentlichung nicht zu entnehmen. Dass das erste Paket (call setup packet) auch Information übertragen soll, wird nicht eindeutig beschrieben. Nach S. 280 linke Spalte vorletzter und letzter Absatz soll das call setup packet ein Gruppenlabel und die Zieladressen (destination addresses) enthalten. Soweit ein Rufaufbaupaket für eine empfängerselektive Multicast-Kommunikation, wie es im Folgeabsatz beschrieben ist, auch die Inhalte (the contents) der folgenden Informationspakete enthalten soll, kann dies ersichtlich nicht die zu übermittelnde Nachricht betreffen, sondern allenfalls eine Art Inhaltsverzeichnis oder Angabe des Informationstyps. Jedenfalls kann der Aussage nicht deutlich entnommen werden, dass bereits ein Teil der zu übermittelnden Meldung übertragen werden soll. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin erscheint als durch die Lehre des Streitpatents vermittelt. Zudem ist die Angabe der Bestimmungsadresse im Kopffeld und nicht im Meldungsfeld vorgesehen. Das ebenfalls beschriebene Paketmultiplexverfahren arbeitet nicht mit festen Paketgrößen.
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d. Die US-Patentschrift 4 493 021 (Agrawal; Anlage K29) beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung für ein lokales Netz, die für den Austausch von Daten beliebiger, variabler Länge unter einer Vielzahl am Netz angeschlossener Rechner geeignet sind. Ein Rechner segmentiert dabei eine Datei in eine Anzahl Blöcke mit variabler, aber begrenzter Länge. Die Blöcke werden einem Netzwerk-Adapter übergeben, der sie in Pakete maximaler Länge (256 bytes) segmentiert (s. die Zusammenfassung, "abstract"). Die Segmentierung findet auf zwei Ebenen statt, nämlich zunächst als Segmentierung von Dateien in eine Sequenz von Blöcken (Beschr. Sp. 5 Z. 28 - 30) und sodann als Segmentierung der Blöcke in eine Sequenz von Paketen (Beschr. Sp. 5 Z. 32 - 34), die zusätz- lich mit Steuerinformation versehen werden. Letzteres ist zwar mit der Segmentierung von Meldungen in Schlitze nach dem Streitpatent vergleichbar. Jedoch führt die Anfügung von Steuerinformation an die Pakete (packet header und transport header) ersichtlich zu einer Vermehrung der mitzutransportierenden Steuerdaten, während das Streitpatent darauf abzielt, die Steuerdaten im Kopffeld zu vermindern.
32
e. Auch eine Zusammenschau der genannten Entgegenhaltungen führt nicht in naheliegender Weise zu Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung. Es fehlt schon an der Anregung, auf das auf einen call request setzende verbindungsorientierte System zu verzichten, das sämtliche Entgegenhaltungen kennzeichnet und das, wie ausgeführt, der Erkenntnis entgegensteht , bereits im ersten Schlitz Teile der zu transportierenden Information zu übermitteln (Merkmal 2.2.4). Aber auch wenn der Fachmann in Erwägung zog, die Verbindung ohne "Vorschlitz" aufzubauen, erhielt er noch keine Anregung , sich gerade die jetzt noch verteidigte Lösung zu erschließen. Denn weder der Veröffentlichung von Temple noch denen von Tanenbaum oder Yukimatsu ist zu entnehmen, dass es ausreichen könnte, die Bestimmungsadresse im Meldungsfeld des ersten Schlitzes zu übermitteln, und in der US-Patentschrift ist diese Erkenntnis jedenfalls verstellt, weil die nur im ersten Rahmen enthaltene Bestimmungsadresse bei unbefangener Betrachtung dort als Teil des Kopffelds erscheint. Letzteres schließt der Senat aus den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach ein Kopffeld als der Bereich angesehen wurde , der sich durch eine vorbestimmte Reihung von Feldern bestimmter Länge mit den erforderlichen Steuerdaten auszeichnet. Schließlich handelt es sich bei der Merkmal 4 ausfüllenden Maßnahme auch nicht um eine selbstverständliche oder im Belieben des Fachmanns stehende Maßnahme (vgl. hierzu Senat BGHZ 156, 179, 189 f. - blasenfreie Gummibahn I), denn sie erfüllt die Funktion , den Kopfteil des Schlitzes "schlank" zu halten und nicht mit dort nicht mehr notwendigen Informationen zu befrachten. Damit sind Umstände gegeben, die auch eine Wertung dahin, dass der Fachmann allein auf Grund seines Fachwissens oder seines Fachkönnens in naheliegender Weise in der Lage gewesen wäre, die Bestimmungsadresse im Meldungsfeld und nicht im Kopf des Schlitzes unterzubringen, nicht erlauben. Das gilt unabhängig von der Feststellung , dass das "overhead"-Problem zum Prioritätszeitpunkt bekannt war.
33
4. Die verteidigten Patentansprüche 2 bis 8 werden von Patentanspruch 1 mitgetragen.
34
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 91, 92, 97 ZPO. In der beschränkten Verteidigung des Streitpatents in der Berufungsinstanz sieht der Senat keine teilweise Berufungsrücknahme (vgl. Sen.Urt. v. 17.2.2004 - X ZR 48/00, GRUR 2004, 583, 584 - Tintenstandsdetektor).
Scharen Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.06.2004 - 4 Ni 8/03 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 201/02 Verkündet am:
24. April 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verpackungsmaschine

a) Eine Klageerweiterung ist im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren stets
zuzulassen, wenn der Beklagte einwilligt oder der Bundesgerichtshof die
Klageerweiterung für sachdienlich hält.

b) Die Vorschriften des § 529 Abs. 1 und des § 531 Abs. 2 ZPO sind im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren
nicht entsprechend anwendbar.
BGH, Urteil vom 24. April 2007 - X ZR 201/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 19. März 2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 226 693 wird im Umfang der Patentansprüche 1, 19, 20 und 21 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des während des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 226 693 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 25. April 1986 beruht, für die die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 20. Dezember 1985 in Anspruch genommen worden ist. Das Streitpatent umfasst 21 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 19, 20 und 21 wie folgt lauten: "1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel, mit einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, mit einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und einer Quersiegelstation (6), die hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet ist und Quersiegelbacken (81, 82) aufweist, welche an zwei um parallele Achsen synchron und gegenläufig drehbaren Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet sind, wobei jede Siegelbacke von einem relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbaren Backenhalter (36) gehalten ist, und wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Form- schulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) einstellbar ist.
19. Verpackungsmaschine nach einem der vorhergehenden Ansprüche , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufes der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist zur Herstellung einer gleichschnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Quersiegelbacken (81, 82, 81a, 82a) im Bereich der Siegelzone (D-C).
20. Verpackungsmaschine nach Anspruch 19, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist.
21. Verpackungsmaschine nach Anspruch 20, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Winkelgeschwindigkeit der Schlauchbeutelträger (26, 27) etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zunimmt und danach wieder abnimmt."
2
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht für patentfähig. Sie beruft sich auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften: (1) US-Patentschrift 3 850 780 (Anl. NK 3) (2) deutsche Offenlegungsschrift 27 01 443 (Anl. NK 4) (3) US-Patentschrift 4 023 327 (Anl. NK 7) (4) US-Patentschrift 2 950 588 (Anl. NK 8) (5) US-Patentschrift 4 549 386 (Anl. E 2) (6) deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Anl. E 3) (7) deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Anl. E 5)
3
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "dass der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind, dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mir Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ist."
4
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag, soweit abgewiesen, weiterverfolgt und ferner die Patentansprüche 19 bis 21 angreift.
5
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen, wobei sie die Patentansprüche 19 bis 21 mit der Maßgabe verteidigt, dass sich die Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 auf die Anspruchsfassung des angefochtenen Urteils beziehen soll, und Patentanspruch 1 hilfsweise folgende Fassung erhalten soll: 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel mit 1.1 einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. die Quersiegelstation (6) 2.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet , 2.2 und weist Quersiegelbacken (81, 82) auf; 3. die Quersiegelbacken (81, 82) sind an zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 4. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 5. jede Siegelbacke ist von einem Backenhalter (36) gehalten; 6. der Backenhalter (36) ist relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbar; 7. die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes; 7a. der Hüllstofftransport und die Quersiegelung sind getrennt; 8. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen; 9. die Hüllstoffförderer liegen im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) an; 10. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar; 10a. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ; 11. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist derart einstellbar, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist.
6
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. H. R. , ein , schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. habil. J. H. , D. , in ihrem Auftrag verfasst hat; die Beklagte hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. B. C. , A. , für sie erstattet hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
8
I. Die Klage ist zulässig.
9
1. Obwohl das Streitpatent durch Zeitablauf erloschen ist, hat die Klägerin ein fortbestehendes Interesse an der Nichtigerklärung, da sie aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür; st. Rspr.).
10
2. Die Klage ist auch insoweit zulässig, als sie in zweiter Instanz auf die Patentansprüche 19 bis 21 erweitert worden ist.
11
Die Klageerweiterung, der die Beklagte widersprochen hat, ist entsprechend § 533 Nr. 1 ZPO als sachdienlich zuzulassen, da sie zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet, und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (vgl. Sen.Urt. v. 6.4.2004 - X ZR 132/02, BGH Rep. 2004, 1107, m.w.N.). Soweit § 533 Nr. 2 ZPO die Zu- lassung einer Klageänderung weiterhin davon abhängig macht, dass diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, kommt eine entsprechende Anwendung auf das Patentnichtigkeitsberufungsverfahren nicht in Betracht, da die Anwendung des § 529 Abs. 1 ZPO ihrerseits wegen der selbständigen Regelung des Umfangs der Sachprüfung im Berufungsrecht des Patentgesetzes ausscheidet (vgl. Sen.Urt. v. 13.1.2004 - X ZR 212/02, GRUR 2004, 354 - Crimpwerkzeug; Sen.Beschl. v. 7.6.2005 - X ZR 174/04, GRUR 2005, 888 - Anschlussberufung im Patentnichtigkeitsverfahren

).


12
II. Soweit die Beklagte die Patentansprüche 19 bis 21 in ihrer (unmittelbaren oder mittelbaren) Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 des erteilten Patents nicht mehr verteidigt, ist das Streitpatent in diesem Umfang ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären. Aber auch im Übrigen führt die Berufung im Umfang des Patentanspruchs 1, auch soweit das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen hat, und ferner im Umfang der mit der zweitinstanzlichen Klageerweiterung angegriffenen Patentansprüche 19 bis 21 zur Nichtigerklärung des Streitpatents, da sich dessen Gegenstand, auch in der Fassung des Hilfsantrags , als dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt und daher nicht patentfähig erweist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artt. 52 Abs. 1, 56 EPÜ).
13
1. Das Streitpatent betrifft eine Verpackungsmaschine zum Herstellen , Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material. Die Maschine weist ein - vorzugsweise vertikal verlaufendes - Füllrohr auf, das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, wobei ein Längssiegelorgan die sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn verbindet.
Hinter der Ausgangsöffnung des Füllrohrs ist eine Quersiegelstation angeordnet , deren Siegelbacken von Backenhaltern gehalten werden und mit diesen schwenkbar an Backenträgern angeordnet sind, die um parallele Achsen synchron gegenläufig drehbar sind. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbands.
14
Die Streitpatentschrift beschreibt, dass aus der deutschen Offenlegungsschrift 21 26 498 eine Verpackungsmaschine dieser Art bekannt ist, bei der der Vorschub des Folienschlauches durch die Schweißbacken erfolgt. Da nach dem Lösen der Quersiegelbacken vom Schlauch und dem Angreifen der nächsten Quersiegelbacken notwendig eine gewisse Zeit verstreicht, ist die Abzugsbewegung diskontinuierlich, was - neben den erheblichen Massenkräften durch die hohen Gewichte der Siegelbacken - die mögliche Arbeitsgeschwindigkeit begrenzt. Bei bekannten kontinuierlich arbeitenden Vorrichtungen bereitet die Anpassung an unterschiedliche Beutellängen Schwierigkeiten.
15
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, bei hoher Arbeitsleistung eine kontinuierliche Verarbeitung von Beuteln frei wählbarer Länge zu ermöglichen (vgl. Sp. 2 Z. 56-61 der Streitpatentschrift).
16
Das soll nach Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils mit folgender Merkmalskombination erreicht werden (Zusätze des Hilfsantrags kursiv): 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband (5) aus heißversiegelbarem Material mit 1.1 einem - vorzugsweise vertikal verlaufenden - Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter (11), an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband (5) zu einem Schlauch (4) formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen, die 2.1 ständig umlaufen und 2.2 im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen; 3. die Quersiegelstation (6) 3.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres (3) angeordnet , 3.2 und weist Siegelbacken (81, 82) auf; 4. Die Siegelbacken (81, 82) sind jeweils 4.1 von einem Backenhalter (36) gehalten und 4.2 über diesen schwenkbar an einem von zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 5. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 6. Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt; 7. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar 7.1 auf jede beliebige Relation 7.2 durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27), 7.2a derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist, 7.3 wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken (81, 82) während ihres Kontaktes mit dem Hüllstoffschlauch (4) höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes (5) ist.
17
Die Patentansprüche 19 bis 21 fügen folgende Merkmale hinzu: 7.4 wobei das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufs der Siegelbackenträger (26, 27) zur Herstellung einer gleich schnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Siegelbacken (81, 82) im Bereich der Siegelzone (D-C) veränderlich ist (Patentanspruch 19), 7.5 derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauchs (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist (Patentanspruch 20), 7.6 indem diese etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zu- und danach wieder abnimmt (Patentanspruch 21).
18
Die nebenstehend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
19
2. Der Gegenstand der verteidigten Patentansprüche 1 und 19 bis 21 war dem Fachmann am Prioritätstag durch den Stand der Technik nahegelegt.
20
a) Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts wird durch das der Erfindung zugrunde liegende Problem ein an einer Fachhochschule ausgebildeter DiplomIngenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen in der Entwicklung von Verpackungsmaschinen angesprochen. Dies wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und entspricht im Wesentlichen der Beurteilung durch den gerichtlichen Sachverständigen und die Privatgutachter der Parteien.
21
b) Eine Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material mit Füllrohr, Formschulter, Längssiegelorgan und Quersiegelstation war aus der US-Patentschrift 2 950 588 (Druckschrift 4) bekannt. Die Quersiegelstation ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet und weist Siegelba- cken (die faces 46) auf. Sie sind jeweils von einem Backenhalter (die body 45) gehalten und über diesen schwenkbar an einem Siegelbackenträger (crank 52) angeordnet. Die Siegelbackenträger sind um parallele Achsen (der Wellen 28, 57) synchron gegenläufig drehbar, wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes entspricht (Sp. 6 Z. 23 f.). Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt: Zum Abzug des Hüllstoffbandes sind Hüllstoffförderer (film feed rollers 44) vorgesehen, die ständig umlaufen und im Bereich unterhalb der Formschulter mit Reibschluss am Hüllstoff anliegen. Das entspricht , wie auch die Beklagte nicht bezweifelt, im Umfang der Merkmale 1 bis 6 sowie 7.3 der technischen Lehre des Streitpatents.
22
Hingegen ist, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, und entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts bei der bekannten Vorrichtung das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer und der Siegelbackenträger nicht wie von Merkmal 7 gefordert einstellbar. Denn zur Verarbeitung unterschiedlicher Beutellängen sind auf dem Hüllstoffband Markierungen (60) vorgesehen, die von einem photoelektrischen Sensor (59) abgetastet werden, der über ein Relais (61) eine elektrische Kupplung (29) steuert, die die Antriebswellen für die Siegelbackenträger mit dem Motor (24) verbindet. Je nach Größe des Abstands zwischen zwei Markierungen werden die Siegelbackenträger während ihres Umlaufs für eine bestimmte Zeit angehalten. Werden sie in Bewegung gesetzt, laufen sie mit konstanter Geschwindigkeit um, die gewährleistet, dass sie sich in der Siegelzone mit gleicher Geschwindigkeit wie der Hüllstoffschlauch bewegen (Sp. 4 Z. 37-54). Dies stellt keine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten im Sinne des Merkmals 7 dar. Das Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeiten bleibt vielmehr konstant, damit in der Siegelzone keine Geschwindigkeitsdifferenz auftritt (Merkmal 7.3).
Stehen die Siegelbackenträger hingegen still, gibt es keine Relation zwischen zwei Umfangsgeschwindigkeiten.
23
Der Erwägung der Klägerin, unter der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Sinne des Merkmals 7 sei deren durchschnittliche Umfangsgeschwindigkeit zu verstehen, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere kann dieses Verständnis nicht damit begründet werden, dass das Streitpatent es zulässt und in den Merkmalen 7.4 und 7.5 sogar erfordert, dass sich die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger während eines Umlaufs verändert. Vielmehr ergibt sich umgekehrt aus dem Umstand, dass sich erfindungsgemäß nicht nur die Geschwindigkeiten ändern, sondern das Geschwindigkeitsverhältnis selbst während eines Umlaufs der Siegelbackenträger veränderlich sein kann (Merkmal 7.4), dass unter dem Geschwindigkeitsverhältnis im Sinne des Merkmals 7 die Relation der beiden Geschwindigkeiten über einen gegebenen Drehwinkel zu verstehen ist.
24
c) Gleichwohl war es dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, die bekannte Vorrichtung dadurch weiterzubilden, dass er für eine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten Sorge trug, wie sie die Merkmale 7 bis 7.6 des Streitpatents vorschreiben.
25
aa) Bei einer Analyse der Vorrichtung nach der Druckschrift 4, wie sie von einem Diplom-Ingenieur erwartet werden konnte, war erkennbar, dass die Steuerung des Siegelbackenträgerumlaufs es in einfacher Weise ermöglichte, Beutel unterschiedlicher Länge zu verarbeiten, dass der Steuerungsmechanismus jedoch relativ unflexibel war. Das Hüllstoffmaterial musste mit (lesbaren) Markierungen versehen und zur Anbringung solcher Markierungen geeignet sein, und eine Änderung der Beutellänge setzte die Zuführung eines mit anderen Markierungen versehenen Hüllstoffbandes voraus. Schon darin hat der ge- richtliche Sachverständige einen aus der fachmännischen Sicht des Prioritätszeitpunkts nach Abhilfe verlangenden Nachteil gesehen. Zudem beschränkte die Regelung des Siegelbackenträgerumlaufs durch unterschiedlich lange Stillstandszeiten den regelbaren Bereich möglicher (durchschnittlicher) Umlaufgeschwindigkeiten ; auch dies fiel aus der Sicht des um Prozessoptimierung bemühten Fachmanns ins Gewicht. Schließlich mussten diesem auch das Abbremsen der Siegelbackenträger bis zum Stillstand und das Wiederanfahren innerhalb sehr kurzer Arbeitstakte ungünstig erscheinen.
26
All dies bot hinreichenden Anlass für die Prüfung, wie die Umlaufgeschwindigkeit der Siegelbackenträger in anderer Weise gesteuert werden konnte. Insoweit gehörte es, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, im Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen, dass bei zwei von einem einzigen Motor angetriebenen Maschinenteilen, die zeitweise unterschiedliche Ansteuerungen erforderten, ohne besonderen Aufwand anstelle einer Kupplungsverbindung ein zweiter Schrittmotor vorgesehen und gesondert angesteuert werden kann. Sah der Fachmann sich, sofern es dessen überhaupt bedürfen sollte, nach einem Vorbild für eine derartige Steuerung um, so fand er in der US-Patentschrift 4 549 386 (Druckschrift 5) eine Verpackungsmaschine, bei der die Quersiegelbacken mikroprozessorgesteuert von einem eigenen Motor angetrieben werden.
27
Der Bitte der Beklagten, diese Druckschrift nach § 531 Abs. 2 ZPO wegen verspäteter Einführung erst in der Berufungsinstanz außer Betracht zu lassen , kann nicht entsprochen werden. Abgesehen davon, dass auch nach § 531 Abs. 2 ZPO unstreitiges neues Vorbringen, wie es der Inhalt der USPatentschrift 4 549 386 als solcher darstellt, nicht zurückgewiesen werden könnte (BGHZ 161, 138), findet die Vorschrift aus den zu I. dargelegten Grün- den im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren keine Anwendung. Die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 PatG liegen nicht vor.
28
bb) Erwog der Fachmann eine Regelung der in der Druckschrift 5 beschriebenen Art für den Siegelbackenträgerantrieb, musste ihm dabei bewusst sein, dass er den Gleichlauf von Siegelbackenträgern und Hüllstofftransport im Bereich der Siegelzone beibehalten musste, jedenfalls die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes sein durfte (vgl. Merkmal 7.3), um Beschädigungen des Hüllstoffbandes auszuschließen. Daraus ergab sich zwangsläufig die Konsequenz, einerseits eine von der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger mit der Folge einer beliebigen Geschwindigkeitsrelation (Merkmale 7 bis 7.2) und der Möglichkeit einer kontinuierlichen Drehung (Merkmal 5 i.d.F. des Hilfsantrags) vorzusehen, andererseits im Bereich der Siegelzone den Gleichlauf mit der Folge eines im Sinne des Merkmals 7.4 veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses beizubehalten.
29
cc) Zur Umsetzung eines solchen veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses bot es sich an, die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Bereich der Siegelzone zweckentsprechend zu wählen (Merkmale 7.5 und 7.6). Eine solche Abstimmung konnte, wie auch die Streitpatentschrift bemerkt (Sp. 11 Z. 23-27) "mit konventionellen Mitteln erfolgen", wobei hierfür sowohl rein mechanische als auch elektronische Lösungen zur Verfügung standen. Dies zeigen sowohl die deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Druckschrift 6) als auch die deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Druckschrift 7), die jeweils entsprechende Steuerkurven für Siegelbackenträger offenbaren, und ist auch von der Beklagten zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen worden.
30
dd) Schließlich musste es zweckmäßig erscheinen, die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff in weitgehender Annäherung an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes zu wählen (Merkmal 7.2a). Denn bei einer höheren Geschwindigkeit müsste, wenn die Beutel vollständig gefüllt werden sollten, der Hüllstoff diskontinuierlich gefördert werden, was unerwünscht ist. Eine wesentlich niedrigere Geschwindigkeit führte hingegen zu einer unerwünschten Verlangsamung des Herstellungsprozesses und wäre zudem mit der offenkundigen Gefahr einer stärkeren Beanspruchung der frischen Quersiegelnaht verbunden.
31
ee) Insgesamt gelangte der Fachmann damit in naheliegender Weise zu einem Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen 1 bis 7.6 der Patentansprüche 1 und 19 bis 21.
32
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.03.2002 - 1 Ni 8/01 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 112/99 Verkündet am:
1. Oktober 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Kupplungsvorrichtung II
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b; IntPatÜG Art. II § 1 Nr. 2
Die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung der geschützten Erfindung
benötigt, müssen nicht im Patentanspruch enthalten sein; es genügt,
wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben.
BGH, Urt. v. 1. Oktober 2002 - X ZR 112/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 20. April 1999 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 111 092 (Streitpatents ), das auf einer Anmeldung vom 8. Oktober 1983 beruht, mit der Prioritäten schweizerischer Patentanmeldungen vom 18. Oktober 1982 und 18. August 1983 geltend gemacht worden sind. Das Streitpatent betrifft eine Kupplungsvorrichtung. Es hat im Einspruchsverfahren aufgrund der Entscheidung der Be-

schwerdekammer 3.2.1. des Europäischen Patentamts vom 11. Februar 1992 eine neue Fassung erhalten. Danach umfaßt das Streitpatent 16 Ansprüche; Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
"Kupplungsvorrichtung zur drehfesten und auswechselbaren Verbindung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungseinrichtung mit zwei koaxialen Kupplungsorganen (1, 3) und einer dazwischengefügten , in Umfangsrichtung starren Mitnehmerscheibe (6), wobei das eine Kupplungsorgan (1) an der Bearbeitungseinrichtung befestigt ist, und mit wenigstens zwei von der Kupplungsfläche abstehenden Mitnehmerzapfen (7, 8) versehen ist, wobei die Mantelfläche der Mitnehmerzapfen (7, 8) zumindest teilweise konisch ausgebildet ist, wobei das andere Kupplungsorgan (3) das Werkstück trägt, und beim Werkstückwechsel zusammen mit diesem von dem einen Kupplungsorgan (1) lösbar ist, und wobei Mittel (2, 5) vorgesehen sind, die die beiden Kupplungsorgane (1, 3) in axialer Richtung lösbar gegeneinander verspannen, wobei ferner die Mitnehmerscheibe (6) aus Federstahl besteht und im Abstand von der Kupplungsfläche (16) des anderen Kupplungsorgans (3) drehfest mit diesem verbunden und mit Öffnungen (19, 20) versehen ist, die korrespondierend zu den Mitnehmerzapfen (7, 8) angeordnet sind und deren Kanten (21) die konischen Mantelflächen (10, 13) der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise derart übergreifen, daß die Federstahlscheibe (6) in gespanntem Zustand der Kupplungsvorrichtung im Bereich der Öffnungen (19, 20) axial elastisch deformiert ist, und wobei eines (3) der beiden Kupplungsorgane (1, 3) mit drei über die Kupplungsfläche (16) vorstehenden Abstands-

zapfen (22) versehen ist, deren Stirnflächen (23) beim Kupplungseingriff gegen die Kupplungsfläche (9) des anderen Kupplungsorgans (1) aufliegen."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 16 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage die Nichtigerklärung des Streitpatents für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang beantragt. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig , weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das europäische Patent 0 111 092 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
In zweiter Instanz zieht die Klägerin auch in Zweifel, daß die erfindungsgemäße Lehre in der Patentschrift so offenbart werde, daß ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Akademischer Direktor Dr.-Ing. O. W. hat als gerichtlicher Sachver- ständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat keinen Erfolg.
Soweit in der Erstreckung der Klage auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit eine Klageerweiterung liegt, ist diese als sachdienlich zuzulassen.
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Kupplungsvorrichtung zur drehfesten und auswechselbaren Verbindung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungseinrichtung wie z.B. einer Drehbank, einer Fräsmaschine oder einer Schleifmaschine. Die Streitpatentschrift weist einleitend (Sp. 1 Z. 21 f.) darauf hin, daß im Präzisionswerkzeugbau außerordentlich hohe Anforderungen an die Genauigkeit gestellt würden, mit der ein Werkstück bearbeitet werden könne. Es müsse insbesondere gewährleistet sein, daß ein zu bearbeitendes Werkstück in genau definierter Lage in eine Bearbeitungseinrichtung eingespannt werden könne. An die Zentrizität würden dabei hohe Anforderungen gestellt. Außerdem sei es häufig notwendig, das zu bearbeitende Werkstück nacheinander in mehreren Bearbeitungseinrichtungen einzuspannen, um daran verschiedene Bearbeitungsvorgänge durchzuführen. Dies erfordere eine absolut zentrische und - je nach Arbeitsvorgang - auch winkelgenaue Einspannung in der jeweiligen

Bearbeitungseinrichtung. Diese Anforderungen stellen sich nach der Streitpa- tentschrift beispielsweise bei der Herstellung von Elektrodenkörpern für Erodiermaschinen ; die Anforderungen an die Maßgenauigkeit liegen dabei in einer Größenordnung von wenigen Tausendstel Millimetern.
Ein Einspannen des Werkstücks in eine Bearbeitungseinrichtung in genau definierter Lage mit nur geringen Toleranzen in bezug auf Exzentrizität läßt sich nach der Streitpatentschrift mit Hilfe von bekannten Konussitzen erzielen. Diese gewährleisteten zwar eine zwangsläufige Zentrierung mit sehr hoher Genauigkeit, seien andererseits jedoch anfällig gegen Verschmutzungen. Ein verunreinigter Konussitz sei entweder in seiner Genauigkeit beeinträchtigt oder lasse sich infolge übermäßiger Selbsthemmung nicht oder fast nicht mehr lösen. Bei einem Konussitz werde auch nicht die Forderung nach einer winkelgerechten Einspannung des Werkzeugs erfüllt. Die weiter gebräuchlichen Spannfutter haben nach der Streitpatentschrift den Nachteil, daß sie für Verschmutzungen anfällig sind und damit eine winkelgerechte Einspannung des Werkstücks nicht gewährleistet ist. Außerdem sei es bei hohen Anforderungen an die Zentrizität der Einspannung notwendig, Konussitz oder Spannfutter mit sehr hoher Präzision zu fertigen, was insbesondere dann hohen Aufwand und hohe Kosten mit sich bringe, wenn viele solcher Einspannvorrichtungen notwendig seien. Neben dieser Kritik am Stand der Technik sieht es die Streitpatentschrift als erstrebenswert an, bei einer Vielzahl von benötigten Einspannvorrichtungen die Werkstücke möglichst schnell und einfach in die Bearbeitungseinrichtungen einspannen zu können. Als Nachteil der aus der deutschen Patentschrift 1 257 496 bekannten Kupplungsvorrichtung bezeichnet die Streitpatentschrift , daß auch sie die Zentrizität und Repetiergenauigkeit der Verbindung nicht gewährleiste und sich nicht leicht lösen lasse.

Hieraus ist die dem Streitpatent zugrundeliegende Problemstellung abzuleiten , eine Kupplungsvorrichtung zur drehfesten auswechselbaren Verbin- dung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungsvorrichtung zu schaffen, die nicht nur eine hochpräzise zentrische Einspannung, sondern zugleich auch eine genau definierte Winkellage des Werkstücks bezogen auf die Bearbeitungsvorrichtung gewährleistet, insbesondere auch dann, wenn die Verbindung oft gelöst und an gleicher oder anderer Stelle wieder hergestellt wird. Die Verbindung soll sich zudem schnell und einfach lösen lassen. Schließlich soll die Kupplungsvorrichtung möglichst unempfindlich gegen Verschmutzungen sein.
Die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung besteht nach dem Inhalt des Patentanspruchs 1 aus einer Kupplungsvorrichtung zur drehfesten und auswechselbaren Verbindung eines Werkstücks mit einer Bearbeitungseinrichtung
1. mit zwei axialen Kupplungsorganen, wobei
1.1 das eine Kupplungsorgan
1.1.1 an der Bearbeitungseinrichtung befestigt und
1.1.2 mit wenigstens zwei von der Kupplungsfläche abstehenden Mitnehmerzapfen versehen ist,
1.1.2.1 wobei die Mantelfläche der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise konisch ausgebildet ist;

1.2 das andere Kupplungsorgan
1.2.1 das Werkstück trägt,
1.2.2 beim Werkstückwechsel zusammen mit diesem von dem einen Kupplungsorgan lösbar ist und
1.3 eines der beiden Kupplungsorgane mit drei Abstandszapfen versehen ist,
1.3.1 die über die Kupplungsfläche vorstehen und
1.3.2 deren Stirnflächen beim Kupplungseingriff gegen die Kupplungsfläche des anderen Kupplungsorgans aufliegen ;
2. mit Mitteln, die die beiden Kupplungsorgane in axialer Richtung gegeneinander verspannen;
3. mit einer Mitnehmerscheibe, die
3.1 zwischen die Kupplungsorgane gefügt und
3.2 in Umfangsrichtung starr ist,
3.3 aus Federstahl besteht,

3.4 drehfest mit dem anderen Kupplungsorgan verbunden ist,
3.5 im Abstand von der Kupplungsfläche des anderen Kupplungsorgans mit diesem verbunden ist und
3.6 mit Öffnungen versehen ist,
3.6.1 die korrespondierend zu den Mitnehmerzapfen angeordnet sind und
3.6.2 deren Kanten die konischen Mantelflächen der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise derart übergreifen, daß die Federstahlscheibe in gespanntem Zustand der Kupplungsvorrichtung im Bereich der Öffnungen axial elastisch deformiert ist.
2. Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist danach eine Kupplungsvorrichtung, die aus zwei Kupplungsorganen besteht, die axial (z.B. durch eine Schraube) verbunden werden können. Eines der beiden Kupplungsorgane ist an der Bearbeitungseinrichtung befestigt. Dieses weist wenigstens zwei von der Kupplungsfläche abstehende Mitnehmerzapfen auf, deren Mantelfläche zumindest teilweise konisch ausgebildet ist. Das andere Kupplungsorgan trägt das Werkstück und ist mit diesem von dem an der Bearbeitungseinrichtung befestigten Kupplungsorgan zu lösen. Zwischen die Kupplungsorgane ist eine Federstahlscheibe gefügt, die drehfest mit dem Kupplungsorgan verbunden ist, das das Werkstück trägt. Diese Federstahlscheibe

weist Öffnungen auf, die mit den Mitnehmerzapfen korrespondieren. Über die Mitnehmerzapfen und die korrespondierenden Öffnungen erfolgt beim zunächst kraftfreien Positionieren die exakte Ausrichtung und Fixierung der beiden Kupplungsorgane zueinander in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung, d.h. in der Ebene der Mitnehmerscheibe. Die Kanten der korrespondierenden Öffnungen übergreifen die konischen Mantelflächen der Mitnehmerzapfen zumindest teilweise. An einem der beiden Kupplungsorgane befinden sich drei Abstandszapfen , die über die Kupplungsfläche vorstehen. Werden die zunächst in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung fixierten Kupplungsorgane verspannt, kommen die drei die Mitnehmerscheibe durchgreifenden Abstandszapfen an der Oberfläche des anderen Kupplungsorgans zur Anlage, bis sie fest anliegen. Dadurch wird die Ausrichtung der beiden Kupplungsorgane auch in der z-Achse erreicht.
Die Ausrichtung der Kupplungsorgane über Mitnehmerscheibe und Abstandshalter hat zum einen den Vorteil, daß auf mit den Abstandshaltern korrespondierende Vertiefungen oder die Verwendung von nut- und federartigen Mitnehmern verzichtet werden kann, in denen sich Schmutz sammeln kann mit der Folge, daß eine genaue Auflage und damit eine präzise Ausrichtung der Kupplungsorgane zueinander nicht mehr gewährleistet ist. Zum anderen kann bei ihr auf eine vollkommen präzise Abstimmung der Mitnehmerzapfen und aller mit ihnen korrespondierenden Öffnungen in der Mitnehmerscheibe verzichtet werden. Die Öffnungen für die Mitnehmerzapfen müssen nur auf eine exakte Mitnahme ausgerichtet sein; in radialer Richtung können sie, sofern sie nur in ihrem Zusammenwirken die exakte Ausrichtung der Kupplungsorgane in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung gewährleisten, wie in dem Ausführungsbeispiel gezeigt nach Art eines Langlochs gestaltet sein, dessen Maße

nur größenordnungsmäßig auf den korrespondierenden Zapfen abgestimmt sein müssen, weil die Federstahlscheibe und ihre Materialeigenschaften beim Eindringen der Zapfen in die korrespondierenden Öffnungen dazu führen, daß diese an den Rändern axial elastisch verformt und die Öffnungen aufgespreizt werden.
Die Positionierung der beiden Kupplungsorgane erfolgt demnach in getrennten Schritten: Die Zentrierung der beiden Kupplungsorgane und die Winkellage des Kupplungsorgans, das das Werkstück trägt, im Verhältnis zu dem anderen Kupplungsorgan wird durch das Eingreifen der Mitnehmerzapfen in die korrespondierenden Öffnungen erreicht, wobei die Kanten der Öffnungen in lose aufgesetzter Position die konische Mantelfläche der Zapfen nur zum Teil übergreifen. Die genaue Ausrichtung der beiden Kupplungsorgane in der z-Achse wird durch das Aufliegen der verspannten Abstandszapfen auf der Kupplungsfläche des mit der Bearbeitungseinrichtung verbundenen Kupplungsorgans bewirkt. Damit wird die Ausrichtung der Kupplungsorgane in der Drehachse gewährleistet und eine reibschlüssige Übertragung von Kräften und Drehmomenten von dem einen auf das andere Kupplungsorgan ermöglicht. Beim Verspannen werden zugleich die in lose aufgesetztem Zustand die Mantelfläche der Zapfen nur teilweise übergreifenden Ränder der korrespondierenden Öffnungen aufgespreizt. Dadurch werden eventuell vorhandene Schmutzpartikel und Abrieb beiseite geschoben und verteilen sich in dem Zwischenraum zwischen der Mitnehmerscheibe und der Oberfläche der Kupplungsorgane , so daß diese Verunreinigungen die Genauigkeit des zentrischen und winkelgenauen Ausrichtens nicht beeinträchtigen.

3. In der bevorzugten Ausführung beschreibt die Streitpatentschrift eine Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Lehre, bei der zwei Mitnehmerzapfen und zwei korrespondierende Öffnungen vorhanden sind; der gerichtliche Sachverständige hat dies als die einzig sinnvolle Ausführungsform bezeichnet, bei der sich die mit der Lehre des Streitpatents angestrebten Vorteile auf einfache Weise verwirklichen lassen. Einer der beiden Zapfen ist bei dieser Ausgestaltung zentrisch angeordnet und weist eine kegelstumpfförmige Kontur auf, der andere ist exzentrisch zur Drehachse angeordnet und kann auch radiusparallel verlaufende Seitenflächen besitzen. Die mit dem zentrisch angeordneten Zapfen korrespondierende Öffnung ist zentral und kreisrund, die andere Öffnung ist ein Langloch mit radiusparallelen Seitenkanten. Bei dieser Gestaltung übernimmt der zentrisch angeordnete Zapfen in Zusammenwirken mit der korrespondierenden Öffnung die Zentrierung der Kupplungsorgane, während der exzentrisch angeordnete Zapfen und das diesem korrespondierende Langloch für die exakte Winkellage der Kupplungsorgane zueinander verantwortlich ist (Streitpatentschrift Sp. 4 Z. 35-42). Damit beschreibt die Streitpatentschrift ein Ausführungsbeispiel, wie es mit Patentanspruch 2 beansprucht wird. Der gerichtliche Sachverständige hat dazu überzeugend ausgeführt, es seien jedoch auch Ausgestaltungen mit mehr als zwei Mitnehmerzapfen technisch möglich. Auch eine andere Gestaltung der Öffnungen, etwa zwei runde Öffnungen, komme in Betracht. Es seien dann allerdings engere Toleranzen einzuhalten.
Der Fachmann, der sich mit der Streitpatentschrift befaßt, wird danach, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, die Ausgestaltung, wie sie Gegenstand von Patentanspruch 2 und wie sie allein in der Beschreibung dargestellt ist, für die optimale, allerdings nicht für die allein mögliche Lösung halten. Als einen solchen Fachmann durchschnittlichen Wissens und Könnens

sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen einen als Maschinenbautechniker ausgebildeten Konstrukteur von Spannwerkzeugen und Spannmitteln für Werkzeugmaschinen an, der sich durch mehrjährige Berufserfahrung einschlägige Kenntnisse auf diesem Spezialgebiet erworben hat.
4. Zu Unrecht macht die Klägerin hinsichtlich des Patentanspruchs 1 mangelnde Ausführbarkeit geltend. Jedenfalls das auch unter Patentanspruch 1 fallende Ausführungsbeispiel, in dem weitere Elemente in Patentanspruch 2 genannt sind, ist ausführbar. Damit ist aber auch Ausführbarkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gegeben. Hierfür ist es nach der Rechtsprechung des Senats nämlich nicht erforderlich, daß alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentanspruchs 1 fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können (vgl. Sen. BGHZ 147, 306, 317 - Taxol). Insbesondere müssen die Angaben , die der Fachmann zur Ausführung benötigt, nicht in Patentanspruch 1 enthalten sein, es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben (vgl. Sen.Beschl. v. 16.06.1998 - X ZB 3/97, GRUR 1998, 899, 900 - Alpinski). Dies ist hier der Fall.
II. 1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt , daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruht und deshalb patentfähig ist. Der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1, Art. 56 EPÜ liegt deshalb nicht vor. Zwar enthält die Gesamtkombination, wie sie das Streitpatent lehrt, zahlreiche Komponenten, die bereis im Formenschatz der Technik vorhanden waren. Ein solches Vorhandensein von Einzelmerkmalen begründet für sich jedoch noch nicht das Naheliegen ihrer Kombination

(Sen.Urt. v. 12.05.1998 - X ZR 115/96, GRUR 1999, 145, 148 - Stoßwellen- Lithotripter).

a) Die Kupplungsvorrichtung nach der deutschen Patentschrift 1 257 496, die in der Streitpatentschrift erwähnt wird, besteht ähnlich wie die Vorrichtung nach dem Streitpatent aus zwei koaxialen Kupplungsorganen und einer dazwischengefügten, in Umfangsrichtung starren Mitnehmerscheibe, wobei das eine Kupplungsorgan mit zwei von der Kupplungsfläche abstehenden Mitnehmerzapfen versehen und die Mantelfläche dieser Mitnehmerzapfen konisch ausgebildet ist. Die dort vorgeschlagene Kupplung dient jedoch einem anderen Zweck, sie soll nämlich bekannte Kupplungen so ausgestalten, daß sie nur in einer einzigen relativen Winkelstellung der Kupplungshälften einrückbar sind und die Drehbewegung spielfrei übertragen. Dagegen kommt es weder auf die Zentrizität der Verbindung noch auf die rasche und einfache Lösbarkeit und Repetiergenauigkeit an. Die Kupplung nach der deutschen Patentschrift 1 257 496 eignet sich zum Kuppeln eines in einem Gestell auf einem Kraftfahrzeug schwenkbar gelagerten Geräts, z.B. eines Fernrohrs, mit der Welle eines am Gestell abnehmbaren befestigten Synchrogebers. Die Kupplung besteht aus einem ersten Kupplungsorgan, aus einem an diesem beweglich geführten Mitnehmer, aus dazwischen angeordneten Teilen zum spielfreien Übertragen der Drehbewegung zwischen den Kupplungsorganen und dem Mitnehmer und schließlich aus dem zweiten Kupplungsorgan, das zur Schwenkachse , beispielsweise des Fernrohrs, gleichachsig angeordnet ist und von dem schwenkbaren Fernrohr spielfrei mitgenommen wird.
Im Unterschied zur Kupplungsvorrichtung nach dem Streitpatent werden die beiden Kupplungsorgane nach der Entgegenhaltung bei der Montage nicht

axial gegeneinander verspannt und damit auch nicht zentriert. Das erwähnte spielfreie Übertragen der Drehbewegung soll nach Anspruch 1 der deutschen Patentschrift 1 257 496 dadurch erreicht werden, daß die Druckfeder aus zwei parallelen biegsamen Drähten besteht; mittels dieser Federelemente wird die an dem ersten Kupplungsorgan angebrachte Mitnehmerscheibe gegen das zweite Kupplungsorgan gedrückt und damit werden die konischen Zapfen in die Öffnungen der Mitnehmerscheibe eingeführt, so daß die beiden Kupplungsorgane in der x-y-Ebene gekoppelt sind; eine gleichartige Fixierung in z-Richtung ist dem nicht zu entnehmen.
Damit gibt die deutsche Patentschrift 1 257 496 keine Anregung für eine optimale Zentrierung der Kupplungsorgane. Es geht bei ihr nicht um ein präzises Ausrichten, sondern um eine federnde Verbindung; eine Festlegung in der z-Achse erfolgt nicht. Erst recht lassen sich ihr keine Anregungen entnehmen, wie Mitnehmerzapfen und korrespondierende Öffnungen auszugestalten sind, um eine hochpräzise zentrische Einspannung und eine genau definierte Winkellage des Werkstücks in bezug auf die Bearbeitungseinrichtung zu erreichen. Schließlich ergibt sich keinerlei Hinweis, im Sinne des Merkmals 3.6.2 die Kanten der Öffnungen, in die die Mitnehmerzapfen eingreifen, so auszugestalten , daß sie ohne zusätzliche Hilfsmittel fest mit der korrespondierenden Scheibe zusammenwirken können, ohne auf die dort vorgesehenen Öffnungen präzise ausgerichtet zu sein. Anregungen, bei der Ausrichtung die Verformbarkeit der Federstahlscheibe auszunutzen und so die Notwendigkeit einer präzisen Abstimmung der Mitnehmerzapfen und der mit ihnen korrespondierenden Öffnungen zu vermeiden, lassen sich der Schrift nicht entnehmen.


b) Die US-Patentschrift 3.386.315 offenbart einen Indexmechanismus für eine Werkzeugdrehhalterung auf einer Drehbank. Der Indexmechanismus dient dazu, die Drehhalterung entsprechend dem gewünschten Arbeitsvorgang präzise zu positionieren. Auf einem Werkzeugschlitten ist ein scheibenförmiger Indextisch fest verschraubt. Durch eine Bohrung im Zentrum des Indextisches ist eine Spindel geführt, die am unteren Ende mit der Unterseite des Indextisches verschraubt ist. Die Spindel ist von einem Werkzeugsupport umgeben, der um die Spindel drehbar ist. Indextisch und Werkzeugsupport sind voneinander beabstandet. Auf dem äußeren Peripherieabschnitt des Indextisches sind auf der dem Werkzeugschlitten abgewandten Oberfläche vier radiale Rippen in Winkelintervallen von ca. 90 ° vorgesehen. Jede der Rippengruppen umfaßt eine radiale Nut, die in der oberen Fläche des Indextisches ausgebildet ist und einen Wulst, der beiderseits der Nut vorgesehen ist. Der Indextisch besitzt weiterhin vier kleine Ausnehmungen von kreisförmiger Gestalt, die gegenüber den inneren Enden der Nuten auf einem Kreisbogen angeordnet sind, dessen Zentrum in der Achse der Spindel liegt. An der Unterfläche des Werkzeugsupports ist ein kreisförmiges elastisches Blech befestigt, das an der dem Indextisch zugewandten Seite vier radiale Wülste aufweist, die in Winkelintervallen von ca. 90 ° angeordnet sind. Die Anordnung ist so getroffen, daß die Wülste in die gegenüber am Indextisch liegenden Nuten eingreifen können.
Die Ausrichtung des Werkzeugssupports in x-y-Ebene verläuft dabei in drei Schritten. Der Werkzeugsupport ist auf einer Seite mit einer Vertikalbohrung versehen, in welcher ein Positionierstift eingefangen ist. Dieser Positionierstift wird durch eine Spiralfeder so lange abwärts gedrückt, bis das untere Ende des Stiftes aus der vertikalen Bohrung durch die federnde Scheibe bis zum Kontakt mit der Oberfläche des Indextisches ragt. Wenn sich der Positio-

nierstift über einer der kreisförmigen Ausnehmungen auf der Oberfläche des Indextisches befindet, kann er in die Ausnehmung greifen und wirkt vorübergehend als Haltestift (US-Patentschrift Sp. 3 Z. 44-55 = deutsche Übers. S. 4 2. Abs.). Sodann kommt ein Sicherheitsstift zum Einsatz. Dieser befindet sich z.B. in Fig. 1 der Entgegenhaltung an der unteren Fläche des Werkzeugssupports und erstreckt sich durch die elastische Scheibe. Wird der Werkzeugsupport nach unten gedrückt, so fällt der Sicherheitsstift in eine der kreisförmigen Ausnehmungen auf der Oberfläche des Indextisches und bewirkt dort eine immer noch vorläufige, aber festere Ausrichtung. Wird der Werkzeugsupport sodann weiter abwärts gedrückt, beginnen die Wülste auf der elastischen Scheibe die benachbarten Nuten auf dem Indextisch zu ergreifen. Wenn die Wülste auf der elastischen Positionierscheibe und die zugeordneten Wülste auf dem Indextisch übereinanderliegen, liegt der Sicherheitsstift gegen die Oberfläche des Indextisches an. Dadurch wird eine weitere Abwärtsbewegung des Werkzeugsupports verhindert. Erst mit dem festen Eingriff der Wülste in die Nuten ist sodann eine endgültige Festlegung auf der x-y-Ebene erfolgt. Die z-Ausrichtung, die beim Streitpatent durch Auflage der drei von einem Kupplungsteil vorstehenden Abstandszapfen auf dem anderen Kupplungsorgan geschieht , erfolgt bei dem Indextisch durch Auflage einer vom Werkzeugsupport abstehenden Ringschulter.
Die Ausrichtung in x-y-Richtung, die bei der US-Patentschrift in den geschilderten drei Schritten verläuft, faßt das Streitpatent in einem einzigen zusammen , indem die exakte Positionierung in der x-y-Ebene und in Umfangsrichtung allein über Mitnehmerzapfen und korrespondierende Öffnungen erfolgt. Danach bestehen zwar Ähnlichkeiten zwischen der Lehre des Streitpatents und derjenigen der US-Patentschrift, was den Ablauf der Ausrichtung in

der x-y-Ebene betrifft. Beim Streitpatent kommen jedoch völlig andere Mittel zum Einsatz, für die der Fachmann in der US-Patentschrift kein Vorbild und auch keine Anregung fand.
Das Ineinandergreifen mehrerer Arbeitsschritte wie bei dem US-Patent verlangt ein hohes Maß an Präzision, bei dem nicht nur die einzelnen Schritte, sondern auch die bei deren Zusammenwirken eingesetzten Teile mit großer Genauigkeit aufeinander abgestimmt sein müssen. Der gerichtliche Sachverständige hat zur Überzeugung des Senats ausgeführt, daß die in der letzten Stufe der Ausrichtung in der x-y-Ebene verwendete Nut-Feder-Kombination eine exakte relative Lage von Nut und Feder erfordert, die bei der Entgegenhaltung u.a. über den Sicherungsstift gewährleistet wird, der damit ebenfalls in seiner Endstellung präzise ausgerichtet sein muß. In gleicher Weise kann der weitere, im ersten Schritt einer vorläufigen Positionierung dienende Stift seine Funktion nur erfüllen, wenn er fest in der Vertiefung ruht, die ihn aufnehmen soll, wenn er durch die im Ausführungsbeispiel gezeigte Feder herabgedrückt wird. Da er nicht eine Öffnung durchgreift, sondern in einer Vertiefung ruht, setzt die durch ihn bewirkte Sicherung ebenfalls ein gewisses Maß an Präzision voraus. Um von dieser Lösung mehrfach gestufter und aufeinander abgestimmter Maßnahmen zu derjenigen des Streitpatents zu gelangen, bedurfte es daher auch aus diesem Grunde nicht nur eines Wechsels der einzelnen Komponenten und ihrer Gestaltung; notwendig war vielmehr ein Übergang auf ein anderes Lösungskonzept, das in der Entgegenhaltung nicht angelegt ist. Die bei ihr schon in der x-y-Ebene erforderlichen mehreren Arbeitsschritte mußten auf einen einzigen reduziert und dabei erkannt werden, daß und mit welchen Mitteln dies ohne Verlust der Genauigkeit bei der Ausrichtung zu erzielen ist. Dafür konnte der Fachmann der Schrift nichts entnehmen.


c) Der übrige Stand der Technik liegt weiter ab, was auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, und vermochte dem Fachmann ebenfalls keine Anregung zu geben, die ihn, ohne daß es eines erfinderischen Schrittes bedurft hätte, zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents geführt hätte.
Deshalb hat Patentanspruch 1 des Streitpatents Bestand und mit ihm die Patentansprüche 2 bis 16, die die zweckmäßige Ausgestaltung des Gegenstands von Patentanspruch 1 betreffen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.