Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2004 - X ZR 124/02

bei uns veröffentlicht am13.01.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 124/02 Verkündet am:
13. Januar 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. März 2002 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 26. April 1988 angemeldeten und unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 291 194 (Streitpatents), das
"Immunoassays and devices therefor" betrifft und 23 Patentansprüche umfaßt. Für das Streitpatent wurden die Prioritäten der britischen Patentanmeldungen 8 709 873 vom 27. April 1987 und 8 725 457 vom 30. Oktober 1987 in Anspruch genommen.
Gegen die Erteilung des Streitpatents erhob die Klägerin Einspruch beim Europäischen Patentamt. Die Technische Beschwerdekammer 3.3.4 verwies mit Entscheidung vom 27. Januar 2000 (T 0681/98) die Sache an die erste Instanz mit der Auflage, "das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hauptantrags" der Patentinhaberin sowie einer daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten. Die Einspruchsabteilung entschied entsprechend mit Zwischenentscheidung vom 24. April 2001 (Pat600/29L-95-E). Die hiergegen erhobenen Beschwerden der Klägerin und anderer Einsprechenden wies die Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 4. Juli 2002 (T 094/01) zurück.
Während des Einspruchsbeschwerdeverfahrens hat die Klägerin Nichtigkeitsklage erhoben und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er unter den Gesichtspunkten der Ausführbarkeit und Wiederholbarkeit der technischen Lehre nicht ausreichend offenbart sei. Die Nichtigkeitsklage sei trotz des noch anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahrens zulässig. Der Gegenstand des Streitpatents könne wegen der ersten unanfechtbar gewordenen Entscheidung der Beschwerdekammer nicht mehr verändert werden. Das noch anhängige Verfahren betreffe die Beschreibung, die lediglich der Interpretation und Auslegung diene, soweit hierfür überhaupt Bedarf bestehe. Da sie, die
Klägerin, den mangelnden Rechtsbestand des Streitpatents im Verletzungsverfahren nicht geltend machen könne, sei sie in ihren Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt, wenn die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von der Erledigung des Einspruchsverfahrens abhänge. Um die Ungleichbehandlung von Verletzungsbeklagten in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Verletzungsbeklagen in anderen Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens aufzuheben, denen die Möglichkeit offen stehe, sich im Verletzungsverfahren mit dem Einwand der Nichtigkeit des Streitpatents zu verteidigen, müsse § 81 Abs. 2 PatG dahin ausgelegt werden, daß die Nichtigkeitsklage zulässig sei, wenn die Fassung der Patentansprüche nicht mehr angegriffen werden könne.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 291 194 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
Das Bundespatentgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


1. Die Berufung ist zulässig. Zwar enthalten der Schriftsatz vom 13. Mai 2002, mit dem die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts eingelegt hat, sowie der Schriftsatz vom 11. Juni 2002, mit dem sie ihr Rechtsmittel begründet hat, keine förmlichen Anträge. Die Klägerin hat damit weder in der Berufungsschrift noch in der Berufungsbegründung (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 PatG) den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufungsanträge formuliert; vielmehr hat sie erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf Hinweis der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. November 2002 Berufungsanträge eingereicht. Gleichwohl ist die Berufung zulässig.
Der Senat hat in seiner Entschließung vom 8. Januar 1991 (GRUR 1991, 448), die vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 111 PatG durch das 2. PatÄndG am 1. November 1998 ergangen ist, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (Sen.Urt. v. 19.10.1954 - I ZR 29/53, GRUR 1955, 283, 284 f. - Elektronenerzeugung; Urt. v. 30.9.1959 - I ZR 59/57, GRUR 1960, 27 - Verbindungsklemme) ausgeführt, daß die Berufungsschrift im Patentnichtigkeitsverfahren die Berufungsanträge enthalten muß (§ 111 PatG a.F.). Dazu bedürfe es allerdings nicht eines förmlichen Antrages. Vielmehr sei es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergäben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das erstinstanzliche Urteil angefochten werden solle. Diese Grundsätze gelten auch nach der Neuregelung des § 111 Abs. 3 Nr. 1 PatG entsprechend, wonach
nunmehr die Berufungsbegründung nur "die Erklärung" enthalten muß, "inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge)". Das entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für Berufungsverfahren nach der ZPO, die in § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. eine wortgleiche Regelung vorsah (BGH Urt. v. 4.6.1986 - IVb ZR 51/85, FamRZ 1987, 58, 59; Urt. v. 6.5.1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264, 3265 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung, die mit hinreichender Eindeutigkeit die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und die Weiterverfolgung des bisherigen Sachbegehrens als Ziel des Rechtsmittels erkennen läßt. Die Berufungsklägerin hat im einzelnen Gründe vorgetragen, die ihre Auffassung stützen sollen, die Nichtigkeitsklage sei von Anfang an zulässig gewesen, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht hinreichend offenbart und das Streitpatent daher für nichtig zu erklären.
2. Es kann dahinstehen, ob die Nichtigkeitsklage in dem Verfahren vor dem Bundespatentgericht zulässig war. Sie ist jetzt jedenfalls zulässig, so daß nunmehr in der Sache zu entscheiden ist. Da das Bundespatentgericht noch keine Gelegenheit hatte, über die von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu entscheiden, ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§§ 99 PatG, 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO n.F. analog; Sen.Urt. v. 13.1.2004 - X ZR 212/02, zur Veröffentlichung bestimmt ).
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Patentgesetz - PatG | § 99


(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nic

Patentgesetz - PatG | § 81


(1) Das Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz wird dur

Patentgesetz - PatG | § 111


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Patentgerichts auf der Verletzung des Bundesrechts beruht oder nach § 117 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Das Recht ist verletzt

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2004 - X ZR 212/02

bei uns veröffentlicht am 13.01.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 212/02 Verkündet am: 13. Januar 2004 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2004 - X ZR 124/02.

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2008 - X ZR 154/05

bei uns veröffentlicht am 04.11.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 154/05 Verkündet am: 4. November 2008 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgericht

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(1) Das Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz wird durch Klage eingeleitet. Die Klage ist gegen den im Register als Patentinhaber Eingetragenen oder gegen den Inhaber der Zwangslizenz zu richten. Die Klage gegen das ergänzende Schutzzertifikat kann mit der Klage gegen das zugrundeliegende Patent verbunden werden und auch darauf gestützt werden, daß ein Nichtigkeitsgrund (§ 22) gegen das zugrundeliegende Patent vorliegt.

(2) Klage auf Erklärung der Nichtigkeit des Patents kann nicht erhoben werden, solange ein Einspruch noch erhoben werden kann oder ein Einspruchsverfahren anhängig ist. Klage auf Erklärung der Nichtigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats kann nicht erhoben werden, soweit Anträge nach § 49a Abs. 4 gestellt werden können oder Verfahren zur Entscheidung über diese Anträge anhängig sind.

(3) Im Falle der widerrechtlichen Entnahme ist nur der Verletzte zur Erhebung der Klage berechtigt.

(4) Die Klage ist beim Patentgericht schriftlich zu erheben. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die Gegenpartei beigefügt werden. Die Klage und alle Schriftsätze sind der Gegenpartei von Amts wegen zuzustellen.

(5) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sind anzugeben. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht in vollem Umfang, so hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Das gerichtliche Aktenzeichen eines das Streitpatent betreffenden Patentstreits und dessen Streitwert sollen angegeben werden.

(6) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Kosten des Verfahrens Sicherheit; § 110 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend. Das Patentgericht setzt die Höhe der Sicherheit nach billigem Ermessen fest und bestimmt eine Frist, innerhalb welcher sie zu leisten ist. Wird die Frist versäumt, so gilt die Klage als zurückgenommen.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Patentgerichts auf der Verletzung des Bundesrechts beruht oder nach § 117 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das Patentgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 212/02 Verkündet am:
13. Januar 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 227 Abs. 1 ZPO ist im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren entsprechend
anzuwenden.
Leidet das Verfahren vor dem Bundespatentgericht an einem Mangel, kann die Patentnichtigkeitssache
ohne Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 538
Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurückverwiesen werden.
BGH, Urt. v. 13. Januar 2004 - X ZR 212/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 13. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin werden das am 4. Juni 2002 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts und das Verfahren vor dem Bundespatentgericht aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 542 144 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 6. November 1992 beruht, mit der die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 12. November 1991 in Anspruch genommen worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch am 21. Mai 1997 veröffentlichte Streitpatent umfaßt elf Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 4 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut haben:
"1. Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) od. dgl. durch Verformen von Klemmorganen (90, 90 ) des Kontaktelementes (88) mittels Druckelementen a eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs (84), bei der eine um die Achse (A) eines in Druckrichtung weisenden Arretierbolzens (16) od. dgl. Halteorganes drehbar und druckorganseitig vorgesehene Verstellscheibe (13) des Crimpwerkzeuges (84) einer klemmorganseitigen weiteren Verstellscheibe (14) des Crimpwerkzeuges (84) koaxial drehbar zugeordnet ist, wobei beide Verstellscheiben jeweils mit zumindest einer in Druckrichtung (x) spiralartig ansteigenden Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die erste druckorganseitige Verstellscheibe (13) zur Bestimmung der Preßtiefe
mit Auflagepunkten (97 , 98 ) einer Druckplatte (15) zusam- d d menwirkt und die weitere Verstellscheibe (14) sich zum Verstellen eines Isolations-Crimpers (76) an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Druckplatte (15) in eine zentrische Ausnehmung der weiteren Verstellscheibe (14) einsetzbar dimensioniert ist und an ihrer Oberfläche (96) mit zwei teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97 , 98 ) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte d d für die darüberliegende, druckorganseitige Verstellscheibe (13) versehen ist."
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche in der erteilten Fassung wird auf die europäische Patentschrift 0 542 144 B 1 verwiesen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sei gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht patentfähig. Die Beklagte hat der Nichtigkeitsklage widersprochen und zunächst beantragt, diese abzuweisen. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat die Beklagte sodann das Streitpatent nur noch in einer geänderten Fassung verteidigt. Hiernach dienen aus der Beschreibung des Streitpatents entnommene sowie ein Teil der ursprünglich erst mit Patentanspruch 4 beanspruchten
Merkmale als zusätzliche Kennzeichnung des mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstands.
Die Klägerin hat auf die geänderte Fassung mit der Erklärung reagiert, sie halte diese Fassung für unzulässig, weil der neue Patentanspruch 1 eine vollständige Lösung nicht offenbare. Im übrigen hat die Klägerin Vertagung beantragt, weil im Hinblick auf den neuen Patentanspruch 1 eine weitere Recherche zur Frage der Neuheit und der Erfindungshöhe erforderlich sei.
Das Bundespatentgericht hat dem zuletzt gestellten Antrag der Beklagten folgend unter Abweisung der Nichtigkeitsklage im übrigen das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentansprüche 1 und 4 folgende Fassung erhalten (im folgenden sind bei Patentanspruch 1 aus der Beschreibung entnommene Merkmale kursiv, aus dem ursprünglichen Patentanspruch 4 entnommene Merkmale zusätzlich unterstrichen wiedergegeben):
"1. Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) od. dgl. durch Verformen von Klemmorganen (90, 90 ) des Kontaktelementes (88) mittels Druckelementen a eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs (84), bei der eine um die Achse (A) eines in Druckrichtung weisenden Arretierbolzens (16) od. dgl. Halteorganes drehbar und druckorganseitig vorgesehene Verstellscheibe (13) des Crimp-Werkzeuges (84) einer klemmorganseitigen weiteren Verstellscheibe (14) des Crimpwerkzeuges (84) ko-
axial drehbar zugeordnet ist, wobei beide Verstellscheiben jeweils mit zumindest einer in Druckrichtung (x) spiralartig an- steigenden Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die erste druckorganseitige Verstellscheibe (13) zur Bestimmung der Preßtiefe mit Auflagepunkten (97 , 98 ) einer Druckplatte (15) zusam- d d menwirkt und die weitere Verstellscheibe (14) sich zum Verstellen eines Isolations-Crimpers (76) an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt, daß sich zwei Ringflächen (65, 68) der ersten druckorganseitigen Verstellscheibe (13) in Umfangsrichtung über etwa 360° erstrecken, gegeneinander um 180° versetzt und in radialer Richtung aufeinanderfolgend angeordnet sind, und daß die Druckplatte (15) an ihrer Oberfläche (96) mit zwei teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97 , 98 ) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte für die d d druckorganseitige Verstellscheibe (13) versehen ist.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Druckplatte (15) in eine zentrische Ausnehmung der weiteren Verstellscheibe (14) einsetzbar dimensioniert ist."
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Klägerin beantragt hauptsächlich,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
Gestützt auf eine mit der Berufungsbegründung in das Verfahren eingeführte weitere Entgegenhaltung beantragt die Klägerin ferner hilfsweise,
das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfange für nichtig zu erklären,
da in Anbetracht dieses Stands der Technik das Streitpatent auch in der geänderten Fassung nicht patentfähig sei.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel der Klägerin entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des erstinstanzlichen Verfahrens sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht, weil das Verfahren im ersten Rechtszug an einem Mangel gelitten hat.
1. Der Senat entnimmt der Berufungsbegründung, daß die Klägerin sich mit ihrem Hauptantrag (auch) dagegen wendet, daß ihr vor dem Bundespatentgericht gestellter Antrag, die Verhandlung zu vertagen, zurückgewiesen wor-
den ist, indem das Bundespatentgericht im Anschluß an diesen Antrag die mündliche Verhandlung geschlossen und ein Urteil in der Sache verkündet hat. Diese Rüge ist berechtigt. Es war im Streitfall gemäß § 227 Abs. 1 ZPO, § 99 Abs. 1 PatG prozeßordnungswidrig, ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsklage durch Urteil zu entscheiden.

a) § 227 Abs. 1 ZPO ist gemäß § 99 Abs. 1 PatG im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren entsprechend anzuwenden, weil das Patentgesetz keine Bestimmung darüber enthält, ob und gegebenenfalls wann ein Termin vor dem Bundespatentgericht vertagt werden kann, und das Patentnichtigkeitsverfahren gegenüber dem Zivilprozeßverfahren keine Besonderheiten aufweist, die eine Heranziehung des § 227 Abs. 1 ZPO ausschließen. Die Regelung in § 87 Abs. 2 PatG verlangt nur ein Patentnichtigkeitsverfahren in erster Instanz möglichst in einer Sitzung zu erledigen und läßt damit schon dem Wortlaut nach andere Verfahrensweisen zu. Dem so verstandenen Beschleunigungsgebot für das erstinstanzliche Patentnichtigkeitsverfahren widerspricht die Anwendung von § 227 Abs. 1 ZPO nicht. Denn auch hiernach kommt eine Vertagung nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich nur dann, wenn hierfür ein erheblicher Grund streitet. Dieses Erfordernis verlangt außerdem nach einer Prüfung, die nicht nur Rechte der Beteiligten oder deren beachtenswerte Interessen , sondern auch das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens berücksichtigt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.1999 - 7 B 155.99, Buchholz 303, § 227 ZPO Nr. 29).

b) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, die insbesondere vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Anwendung des § 173 VwGO ent-
wickelt worden ist, sind eine Vertagung der mündlichen Verhandlung rechtfertigende erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 regelmäßig solche, die den Anspruch auf rechtliches Gehör einer oder mehrerer Parteien berühren und die auch gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern (BVerwG, Beschl. v. 23.01.1995 - 9 B 1.95, NJW 1995, 1231). Angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie des Anspruchs auf rechtliches Gehör verbleibt dem Gericht dann auch kein Ermessensspielraum. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und eines insoweit prozeßordnungsgemäßen Verfahrens muß die mündliche Verhandlung vertagt werden (BVerwG, Urt. v. 29.09.1994 - 3 C 28.92, NJW 1995, 1441).
Diese Notwendigkeit besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung immer dann, wenn nach dem für das Gericht ersichtlichen oder gegebenenfalls auf Verlangen des Gerichts (vgl. § 227 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemachten Sachstand durch die Ablehnung einer Vertagung der eine solche beantragenden Partei die Möglichkeit entzogen wäre, sich in der betreffenden Instanz sachgemäß und erschöpfend über alle Tatsachen, Beweisergebnisse oder sonstigen verhandelten Fragen zu erklären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.1997 - 5 CB 69.74, Buchholz 310, § 108 Nr. 100), die Grundlage der zu treffenden Entscheidung sind (BVerfGE 7, 239, 241; BGH, Urt. v. 16.05.1977 - VIII ZR 311/75, MDR 1978, 46 m.w.N.). Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn die Vertagung beantragende Partei von dem Gericht oder der Gegenseite mit einer Tatsachen- oder einer Rechtsfrage konfrontiert wird, mit der sie sich nicht "aus dem Stand" auseinanderzusetzen vermag, zu der sie sachlich fundiert vielmehr nur dann Stellung nehmen kann, wenn sie angemes-
sene Zeit für Überlegung und Vorbereitung hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.03.1992 - 4 CB 2.91, NVwZ-RR 1993, 275), die anders, etwa durch eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, nicht in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt werden kann.

c) So lagen die Dinge auch hier. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht war zunächst nur der Bestand des Streitpatents in der erteilten Fassung streitig. Dieser Streit umfaßte keinen Patentanspruch, der Gegenstand der Fassung ist, mit welcher die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung hervorgetreten ist. Erst durch die Verteidigung des Streitpatents lediglich im Umfang dieser neuen Fassung wurde deshalb die Frage entscheidungserheblich, ob das bisherige Vorbringen der Klägerin zur Rechtfertigung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds diesen auch gegenüber der verteidigten Fassung ausfülle, mit der Folge, daß sich die Klägerin nunmehr fragen mußte, was der verteidigten Fassung entgegengehalten werden könne. Das verlangte nach Überlegung und Vorbereitung. Da nichts dafür ersichtlich oder gar festgestellt ist, daß die Klägerin eine auf die neue, verteidigte Fassung ausgerichtete Recherche im Stand der Technik bereits durchgeführt hatte, gehörte hierzu auch diese Maßnahme, zumal die Klägerin ausdrücklich eine neue, auf die nunmehr verteidigte Fassung ausgerichtete Recherche als notwendig bezeichnet hatte, um sich vollständig zur Patentfähigkeit der verteidigten Fassung äußern zu können. Denn regelmäßig kann erst durch eine Recherche Kenntnis vom relevanten Stand der Technik erlangt werden, der Entscheidungsgrundlage für den hier geltend gemachten Nichtigkeitsgrund ist. Da auch nichts dafür ersichtlich ist, daß im Streitfall ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, mußte deshalb angenommen werden, daß eine sachgemäße
und erschöpfende Äußerung der Klägerin zu der verteidigten Fassung des Streitpatents erst nach Ablauf einer angemessenen Frist für eine neue Recherche im Stand der Technik möglich war.

d) Das Bundespatentgericht hat hieraus gleichwohl ein Vertagungserfordernis nicht abgeleitet, weil es mit der verteidigten Fassung ein in der Streitpatentschrift beschriebenes und in den Figuren gezeigtes Ausführungsbeispiel als beansprucht angesehen hat. Bei einer Beschränkung eines erteilten Patents auf ein darin offenbartes Ausführungsbeispiel könne ein Nichtigkeitskläger schwerlich geltend machen, hierzu sei nicht bereits vor der Beschränkung eine Recherche notwendig gewesen, weil schon ein Nachweis fehlender Neuheit oder Erfindungshöhe bezüglich eines Ausführungsbeispiels zur Vernichtung des Patents in der erteilten Fassung führen müsse. Mit dieser Argumentation hat das Bundespatentgericht der Sache nach höchstrichterliche Rechtsprechung angewendet, wonach der Betroffene zunächst seinerseits alles in seinen Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche getan haben muß, um sich in der mündlichen Verhandlung rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1988 - III ZR 69/88, BGHR ZPO § 227; BVerwG, Urt. v. 29.09.1994 - 3 C 28.92, NJW 1995, 1441). Diese Rechtsprechung ist jedoch ergangen und auf Fälle zugeschnitten, in denen die Partei oder ein postulationsfähiger Vertreter im Termin nicht erschienen ist und fraglich gewesen ist, ob eine Verhinderung bestand, durch Wahrnehmung des Termins sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Aus dieser Rechtsprechung kann deshalb für das Patentnichtigkeitsverfahren nicht abgeleitet werden, der Kläger müsse im Hinblick auf die in diesem Verfahren bestehende Möglichkeit einer beschränkten Verteidigung des angegriffenen Schutzrechts mit geänderten Patentansprüchen
jedenfalls eine Recherche nach Maßgabe der darin offenbarten Ausführungsbeispiele oder gar jede Recherche bereits durchgeführt haben, die sich im Falle nachträglicher beschränkter Verteidigung als sinnvoll erweisen könne, anderenfalls er nicht geltend machen könne, wegen der nunmehr beschränkten Verteidigung des Streitpatents seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nur nach Vertagung wahren zu können. Sinn und Zweck einer Terminsbestimmung ist es, daß die Beteiligten sich in bestimmter Weise, nämlich in mündlicher Verhandlung , rechtliches Gehör verschaffen können. Es kann deshalb erwartet werden, daß jeder Beteiligte sich darauf einrichtet, einen anberaumten Termin auch wahrzunehmen. Zieht sich ein Patentinhaber im Laufe der mündlichen Verhandlung im Patentnichtigkeitsverfahren auf eine Verteidigung des Schutzrechts in geänderter Fassung zurück, steht hingegen die Art und Weise des Angriffs gegen das Schutzrecht in Frage, also insbesondere, was hierzu vorgetragen werden soll und aufgrund welcher Ermittlungen dieser Vortrag erfolgt. Das ist jedoch in den sich aus dem Wahrheitsgebot ergebenden Grenzen allein dem Kläger überlassen. Damit ist eingeschlossen, zunächst auf eine Recherche nach Maßgabe eines im erteilten Schutzrecht offenbarten Ausführungsbeispiels zu verzichten und sich darauf einzurichten, zur Vorbekanntheit und zum Naheliegen der Merkmale, die zur Kennzeichnung des geschützten Gegenstandes in den erteilten Patentanspruch aufgenommen sind, auf andere, einem selbst geeignet erscheinenden Weise vortragen zu können. Denn im Falle des hier geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds hat die Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit nach Maßgabe dieser Merkmale zu erfolgen. Es muß deshalb in aller Regel genügen, hierauf in der mündlichen Verhandlung auf eine mögliche Weise eingehen zu können.

e) Die ergänzende Begründung des Bundespatentgerichts, nämlich gegen die "Unvorhersehbarkeit" der erfolgten Beschränkung, spreche auch, daß für einen Fachmann einerseits der "Kern der Erfindung", andererseits die Möglichkeiten der Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik durchaus erkennbar erschienen, ändert an der Mißachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts. Wenn das Bundespatentgericht hiermit gemeint haben sollte, die Klägerin habe bereits, bevor die Beklagte zum Mittel der Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Patentansprüchen gegriffen habe, jedenfalls mit der Möglichkeit einer Beschränkung auf ein offenbartes Ausführungsbeispiel rechnen können und deshalb sich darauf einrichten müssen, hierzu in der anberaumten mündlichen Verhandlung sachgerecht Stellung zu nehmen, könnte dem nicht beigetreten werden. Auch im Nichtigkeitsverfahren trifft die Parteien zwar eine Prozeßförderungspflicht. Durch sie sollen die Parteien jedoch angehalten werden, Vorbringen nicht aus prozeßtaktischen Gründen zurückzuhalten (vgl. Sen.Urt. v. 15.10.2002 - X ZR 69/01, NJW 2003, 200). Deshalb kann hieraus beispielsweise eine Verpflichtung der Partei, tatsächliche Umstände , die ihr nicht bekannt sind, erst zu ermitteln, grundsätzlich nicht abgeleitet werden. Im Regelfall kann dann aber auch ebensowenig eine Ermittlungspflicht hinsichtlich solcher Umstände angenommen werden, mit deren Hilfe man zwar auch schon den Angriff gegen das erteilte Patent hätte führen können, die allein entscheidende Bedeutung jedoch überhaupt erst erlangen, sobald der Patentinhaber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich bei der Verteidigung seines Schutzrechts auf ein Ausführungsbeispiel zurückzuziehen.

f) Der Streitfall weist keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigten, von den vorstehenden Grundsätzen abzuweichen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kern der Erfindung und Möglichkeiten zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik - wie vom Bundespatentgericht angenommen - durchaus erkennbar waren. Auch hiermit mußte die Klägerin sich zunächst nicht befassen. Ihre Klage richtete sich gegen das Streitpatent in der erteilten Fassung. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund erforderte eine Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht etwa nach Maßgabe des Kerns der Erfindung, sondern nach Maßgabe der zur Kennzeichnung des geschützten Gegenstandes in den betreffenden erteilten Patentanspruch aufgenommenen Merkmale. Zur Vorbekanntheit im Stand der Technik und zum Naheliegen allein dieser Merkmale hatte die Klägerin gemäß § 81 Abs. 5 PatG durch Angabe entsprechender Tatsachen vorzutragen. Da sie dies durch Hinweis auf ihr insoweit geeignet erscheinende Entgegenhaltungen getan hatte und im Hinblick auf das Streitpatent in der verteidigten Fassung ein Nachschieben von Gründen nicht in Rede stand, hatte mithin im Streitfall die Klägerin der ihr obliegenden Prozeßförderungspflicht Genüge getan.
2. Der Mangel im erstinstanzlichen Verfahren führt zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Mangel die Qualität und Folgen hat, die nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Zurückverweisung erlauben.

a) Da das Patentgesetz keine das Berufungsverfahren in Nichtigkeitssachen betreffende Regelung enthält, ob und gegebenenfalls wann bei einem Verfahrensfehler in erster Instanz die Sache zurückverwiesen werden kann,
muß aus den im Senatsbeschluß vom 26. September 1996 (X ZR 14/94, GRUR 1997, 119 - Schwimmrahmen-Bremse) erörterten Gründen die bestehende Lücke möglichst gesetzesimmanent geschlossen werden. Damit bildet § 99 Abs. 1 PatG die sachgerechte Norm, weil diese Vorschrift einerseits auf eine weitgehend vollständige Verfahrensordnung verweist, hiernach andererseits aber auch Besonderheiten des Patentnichtigkeitsverfahrens Rechnung getragen werden kann und muß. Das wiederum führt dazu, daß - wie im Zivilprozeß gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen das Berufungsgericht die Sache zurückverweisen kann, wenn das Verfahren des erstinstanzlichen Gerichts an einem Mangel gelitten hat, daß diese Möglichkeit aber nicht an die weiteren Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geknüpft ist.
Das Patentnichtigkeitsverfahren ist dadurch geprägt, daß in der ersten Instanz unter Mitwirkung technischer Richter entschieden wird. Hierdurch erübrigt sich in dieser Instanz regelmäßig die Hinzuziehung eines Sachverständigen ; es kann so vergleichsweise kostengünstig und schnell in der Sache entschieden werden. Diese Möglichkeit auch nutzen zu können, haben die Parteien des Patentnichtigkeitsverfahrens nach der Ausgestaltung dieses Verfahrens ein Anrecht. Hiermit vertrüge es sich nicht, wenn der Senat - wie nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgesehen - eine Zurückverweisung wegen eines Verfahrensmangels nur in den Fällen aussprechen könnte, in denen der Mangel wesentlich ist und eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig macht. Da der Senat nicht auf durch entsprechende Ausbildung gewährleisteten technischen Sachverstand von Mitgliedern zurückgreifen kann, muß er nämlich in Patentnichtigkeitsberufungsverfahren regelmäßig einen Sachver-
ständigen hinzuziehen. Der damit verbundene Kosten- und Zeitaufwand belastet die Parteien auch in den Fällen, in denen der Verfahrensmangel als nicht wesentlich eingestuft werden kann und/oder nur eine vergleichsweise schnell zu erledigende und mit vergleichsweise geringen zusätzlichen Kosten verbundene Beweiserhebung vor dem Senat zu erwarten ist. Deshalb muß auch in diesen Fällen die Zurückverweisung der Patentnichtigkeitssache an das Bundespatentgericht in Betracht kommen.

b) Der Senat wählt im Streitfall die mithin mögliche Zurückverweisung statt der eigenen Sachentscheidung. Aus den genannten Gründen ist es sachgerecht , daß das sachkundig besetzte Bundespatentgericht sich mit dem nunmehr von der Klägerin gegen das Schutzrecht in der verteidigten Fassung Vorgebrachten befaßt und zunächst dieses Gericht auf dieser Grundlage in der Sache entscheidet.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck