Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - X ZR 153/04

bei uns veröffentlicht am21.04.2009
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 17/03, 21.07.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 153/04 Verkündet am:
21. April 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Druckmaschinen-Temperierungssystem II
EPÜ Art. 138 Abs. 1 lit. c, Art. 69 Abs. 1; PatG § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 14 Abs. 1
Der Gegenstand des Patents geht nicht schon dadurch über den Inhalt der Anmeldung
hinaus, dass er mit Begriffen gekennzeichnet ist, die in den Anmeldungsunterlagen
als solche nicht verwendet worden sind, insbesondere, wenn damit längere
Umschreibungen in den ursprünglich eingereichten Unterlagen zusammenfassend
oder schlagwortartig umschrieben werden.
BGH, Urteil vom 21. April 2009 - X ZR 153/04 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Keukenschrijver, Dr. Lemke, Gröning und Dr. Berger

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Juli 2004 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das europäische Patent 602 312 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 sowie 13 und 14, letztere soweit sie nicht auf Patentanspruch 12 zurückbezogen sind, für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung dieser Patentansprüche hinausgeht: 1. Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen: 1.1. es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwas- ser und der Oberfläche einer Farbverreiberwalze (107) der Druckmaschine ist; 1.2. die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124); 1.3. die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130); 1.4. eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130); 1.5. Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart 'FeuchtwasserOffsetdruck' unter Verwendung der FeuchtwasserAuftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der Kaltwasser -Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die FeuchtwasserAuftragsvorrichtung.
2. Temperierungssystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmetauschervorrichtung mindestens zwei Wärmetauscher (84, 140) enthält, die vom Kältemittel des Kälteerzeu- gers (192, 194, 196, 202, 204, 208) durchströmt werden, dass mindestens einer der Wärmetauscher (84) vom Kaltwasser (Leitungen 83, 85) durchströmt wird und einen Wärmeaustausch zwischen dem Kaltwasser und dem Kältemittel erzeugt, und dass mindestens ein anderer der Wärmetauscher (140) vom Feuchtwasser (Leitungen 139, 180) durchströmt wird und einen Wärmeaustausch zwischen dem Feuchtwasser und dem Kältemittel erzeugt.
3. Temperierungssystem nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Kälteerzeuger einen Kältemittelkreislauf (192, 194, 196, 222) aufweist, welcher mit zwei zueinander parallelen Kältemittelzweigen (198, 199) versehen ist, durch welche gekühltes Kältemittel strömt, dass jeder Kältemittelzweig Mittel (202, 204) zur Einstellung des Kältemitteldurchlasses enthält, dass der eine Kältemittelzweig (198) in Wärmeaustausch (84) mit dem Kaltwasser und der andere Kältemittelzweig (199) in Wärmeaustausch (140) mit dem Feuchtwasser ist.
4. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einem der beiden Vorratsbehälter (80, 132) Mittel (91, 138, 66) zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Niveaus oder Niveaubereiches an darin enthaltenem Kaltwasser oder Feuchtwasser zugeordnet sind.
5. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , gekennzeichnet durch eine, einen Mikrocomputer enthaltende elektronische Steuereinrichtung (66) zur Steuerung oder Regelung der Temperatur des Feuchtwassers und/oder des Kaltwassers mittels der Kühlanlage (190) in Abhängigkeit von einer Temperatur (68, 208, 214).
6. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass ein Kaltwasserkreislauf (80, 82, 83, 84, 85, 2, 107, 88) zur Rezirkulation des Kaltwassers vom ersten Vorratsbehälter (80) über die Kühlanlage (190) zu einer KaltwasserWärmeaustauschvorrichtung (2) der betreffenden Farbverreiberwalze (107) und wieder zurück zum ersten Vorratsbehälter (80), vorgesehen ist.
7. Temperierungssystem nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Kaltwasserkreislauf (80, 84, 85, 2, 107, 88) eine aus dem ersten Vorratsbehälter (80) Kaltwasser herausfördernde erste Pumpe (82) aufweist, und dass stromabwärts der Pumpe (82) eine Entlüftungsleitung (92) an den Kaltwasserkreislauf angeschlossen ist, welche in den ersten Vorratsbehälter (80) für Kaltwasser mündet.
8. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass ein Feuchtwasserkreislauf (132, 138, 139, 140, 180, 142, 170, 146, 120, 150, 154, 158) zur Rezirkulation des Feuchtwassers vom zweiten Vorratsbehälter (132) über die Kühlanlage (190) zu dem betreffenden Rotationskörper (6, 122) und wieder zurück zum zweiten Vorratsbehälter (132), vorgesehen ist.
9. Temperierungssystem nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Feuchtwasserkreislauf (132, 138, 139, 140, 180, 142, 170, 146, 120, 150, 154, 158) eine Feuchtwasser aus dem zweiten Vorratsbehälter (132) herausfördernde zweite Pumpe (138) aufweist, und dass von einer stromabwärts der Kühlanlage (190) gelegenen Stelle aus eine Bypassleitung (182) in den zweiten Vorratsbehälter (132) zurückführt, über welche das Feuchtwasser wahlweise in den zweiten Vorratsbehälter (132) statt zu dem zu befeuchtenden Rotationskörper (6, 122) zurückgeführt werden kann.
10. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur und/oder Strömungsgeschwindigkeit des Kaltwassers in Abhängigkeit von einem Temperatur-Sollwert und dem jeweiligen Temperatur-Istwert einer Druckplattenober- fläche (4) eines Druckplattenzylinders (6) eingestellt oder geregelt wird.
11. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass Kaltwasser (130) aus dem ersten Vorratsbehälter (80) über einen weiteren Wärmetauscher (52) einer Blasluftkühlvorrichtung (2) zur Kühlung von Luft, welche auf den betreffenden Rotationskörper (6) geblasen wird, und alternativ oder gleichzeitig zu Farbverreiberwalzen (107) eines Farbwerkes (106), welches Druckfarbe von einer Farbquelle (108) auf die Druckplattenoberfläche (4) überträgt, zu ihrer Kühlung zugeführt werden kann.
13. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Vorratsbehälter (80) und der zweite Vorratsbehälter (132) je mindestens einen Flüssigkeits-Niveausensor (91, 134) enthalten, der in Abhängigkeit vom Flüssigkeitsniveau ein Signal erzeugt.
14. Temperierungssystem nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmetauschervorrichtung der Kühlanlage (190) mindestens zwei Wärmetauscher (84, 140) aufweist, die im Kältemittelkreislauf parallel zueinander geschaltet sind und deren Kältemittelströmung unabhängig voneinander einstellbar oder regelbar (202, 208, 204, 214) ist, und zwar für jeden dieser Wärmetauscher (84, 140) in Abhängigkeit von einem eigenen Temperatur-Sollwert, dass mindestens einer (84) dieser Wärmetauscher zur Kühlung des Kaltwassers (130) und mindestens ein anderer (140) dieser Wärmetauscher zur Kühlung des Feuchtwassers (124) dient.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin neun Zehntel und die Beklagte ein Zehntel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:



1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 602 312 (Streitpatents), das als Teilanmeldung zu der europäischen Stammanmeldung 553 447 (im Folgenden nur: Anmeldung) unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 4 202 544 vom 30. Januar 1992 angemeldet worden ist. Es umfasst 14 Ansprüche, deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen: 1.1 es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine Feuchtwasser -Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine KaltwasserKühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden Rotationskörpers (6, 107) der Druckmaschine ist; 1.2 die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124); 1.3 die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130); 1.4 eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130); 1.5 Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart 'FeuchtwasserOffsetdruck' unter Verwendung der FeuchtwasserAuftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der KaltwasserKühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung."
2
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
3
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert worden; seine Lehre sei aufgrund offenkundiger Vorbenutzung eines Temperierungssystems mit einer Kälteanlage durch sie, die Klägerin, nicht patentfähig, sie sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dafür hat sie sich unter anderem auf die deutschen Offenlegungsschriften 1 953 590 und 28 49 286 berufen.
4
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 sowie 13 und 14, sofern nicht unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 12 bezogen, für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
5
Durch das angefochtene Urteil hat das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent beschränkt in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Fassung und mit Hilfsanträgen , wegen deren Wortlauts auf die korrigierten Anlagen ihres Schriftsatzes vom 17. April 2009 Bezug genommen wird.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. B. W. , Universität S. , ein schriftliches Gutachten erstellt, welches er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Beide Parteien haben Privatgutachten eingereicht , die Klägerin ein solches von Prof. Dr.-Ing. H. , die Beklagte ein Gutachten von Dr.-Ing. B. .

Entscheidungsgründe:



7
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als das in zulässiger Weise beschränkt verteidigte Streitpatent im Umfang des Angriffs der Nichtigkeitsklage ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären ist, soweit es über die verteidigte Fassung hinausgeht (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 ff. - Carvedilol II). Im Übrigen war das Rechtsmittel zurückzuweisen.
8
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine. Die Druckwerke solcher Maschinen müssen im Betrieb gekühlt werden. Das kann der Streitpatentschrift zufolge auf verschiedene Weise geschehen, nämlich indem Blasluftkühlvorrichtungen Kaltluft an die Oberfläche der zylindrischen, rotierenden Druckplatten blasen, indem die Farbverreiberwalzen innen mit Kühlflüssigkeit durchströmt werden oder (gekühlte) Befeuchtungsflüssigkeit auf die Oberfläche der Druckplatte aufgebracht wird.
9
Die Beschreibung gibt als Aufgabe der Erfindung an, das Temperierungssystem so auszubilden, dass das Druckwerk der Maschinen wahlweise mit einer dieser Kühlungsmodalitäten, kombiniert mit zweien davon oder mit allen zusammen betrieben werden kann. Dies soll ohne umfangreiche Baumaßnahmen , vorzugsweise auf einfache Weise durch Umschalten von Ventilen und ohne den Aus- oder Umbau von Maschinenteilen, erfolgen. Außerdem soll das System preiswert hergestellt werden können und der zum Betrieb erforderliche Energieaufwand in jeder der drei Modalitäten gering sein.
10
2. Dafür schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 in der hauptsächlich verteidigten Fassung ein Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine vor (ohne Bezugszeichen) mit 1. mindestens zwei verschiedenen Arten von Kühlvorrichtungen , 1.1 wovon die eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung durch Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser auf den betreffenden Rotationskörper der Druckmaschine und 1.2 die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche einer Farbverreiberwalze ist, wobei 2.1 die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung einen ersten Vorratsbehälter für das Kühlwasser und 2.2 die Kaltwasser-Kühlvorrichtung einen zweiten Vorratsbehälter für das Kaltwasser enthält, mit 3. einerKühlanlage 3.1 mit einem einzigen Kälteerzeuger und 3.2 mit einer Wärmetauschervorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen 3.2.1 dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser sowiezwischen 3.2.2 dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser undmit 4. Mitteln zum wahlweisen Umschalten zwischen 4.1 der Betriebsart "Feuchtwasser-Offsetdruck" unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung 4.1.1 mit gleichzeitiger Kühlung durch oder 4.1.2 ohne gleichzeitige Kühlung durch die KaltwasserKühlvorrichtung 4.2 und der Betriebsart "wasserloser Offsetdruck" unter Verwendung der Kaltwasser-Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die FeuchtwasserAuftragsvorrichtung.
11
3. Dazu sind folgende Erläuterungen angezeigt.
12
a) Beim "Feuchtwasser-Offsetdruck" (auch: Nassoffset) handelt es sich um das zum Prioritätszeitpunkt herkömmliche und damals vorherrschende Offset -Druckverfahren, bei dem die Druckplatte vor dem Druck mit einer (kühlbedürftigen ) Flüssigkeit, regelmäßig Wasser, dem Alkohol zugesetzt wird, und die das Streitpatent als "Feuchtwasser" bezeichnet, benetzt wird. Beim Offsetdruck, einem Flachdruckverfahren, sind die Bereiche, die Druckfarbe übertragen sollen , relativ lipophil und die Bereiche der Druckplattenoberfläche, die keine Druckfarbe übertragen sollen, relativ hydrophil und lipophob gehalten. Nach dem Auftragen des Feuchtwassers benetzen sich dementsprechend nur die lipophilen Bereiche der Druckplatte mit der öligen Offsetdruckfarbe, während der aufgetragene Feuchtmittelfilm in den hydrophilen Bereichen ausreichend stabil ist, um eine Benetzung mit der Druckfarbe zu verhindern.
13
b) Beim "wasserlosen Offsetdruck" im Sinne von Merkmal 4.2 der Merkmalsgliederung werden die nicht druckenden Stellen im Allgemeinen von einem Silikongummi gebildet. "Feuchtwasser" kommt dann nicht zum Einsatz. Der wasserlose Offsetdruck ist zwar seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt , konnte sich aber, auch nachdem das japanische Unternehmen Toray in den 70er Jahren mit der - in der Streitpatentschrift erwähnten und für dieses Verfahren speziell konzipierten - Toray-Druckplatte hervorgetreten war, bis zum Prioritätstag nur in Spezialsegmenten erfolgreich behaupten.
14
c) Der Wortlaut des verteidigten Patentanspruchs 1 weist dem "wasserlosen Offsetdruck" allein die innenseitige Kühlung der Farbverreiberwalzen mit hindurchströmender Kühlflüssigkeit zu, die in der Streitpatentschrift als "Kaltwasser" bezeichnet ist und für die Wasser verwendet wird, welches mit Zusatzmitteln versetzt sein kann (Merkmale 1.2, 4.2). Eine Blasluftkühlung mit Hilfe von Kaltwasser ist mithin nicht Voraussetzung für die Verwirklichung der Erfindung nach dem verteidigten Patentanspruch 1.
15
Angesichts dessen kann keine entscheidende Bedeutung für die Auslegung des Patents dem Umstand zukommen, dass die Blasluftkühlung in den Ausführungsformen mitbeschrieben war und ist. Damit wird die Erfindung lediglich in ihren gesamten Möglichkeiten dargestellt. Die Schlussfolgerung, die Blasluftkühlung müsse notwendig vorhanden sein, kann deshalb ebenso wenig gezogen werden, wie dies aus dem Umstand hervorgeht, dass die diesem Element zugeordnete Bezugsziffer (2) bei den Bezugszeichen für die Kaltwasser -Kühlvorrichtung aufgeführt ist. Dies dient der Vollständigkeit der Beschrei- bung, erlaubt aber ebenfalls nicht die Auslegung, dass eine Blasluftkühlung notwendig vorhanden sein muss.
16
d) Die Bezeichnung des Feuchtwasser- bzw. wasserlosen Offsetdrucks als "Betriebsart" in Patentanspruch 1 ist im Lichte des Gegenstands des Anspruchs zu sehen, der sich auf ein Druckmaschinen-Temperiersystem beschränkt , das unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftrags- bzw. der Kaltwasserkühlvorrichtung (Merkmale 4.1, 4.2) betrieben wird. Die Übertragung des Druckbilds auf den Druckträger, namentlich die Umrüstung der auf den Druckzylinder aufgebrachten, jeweils nur für den Feuchtwasser- oder den wasserlosen Druck geeigneten Druckplatten oder gar der Druckbetrieb selbst, also die Herstellung von Druckerzeugnissen, ist vom Gegenstand der Erfindung nicht eingeschlossen.
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II. Der Gegenstand des Streitpatents geht nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (Art. 138 Abs. 1 lit. c, 2. Alt. EPÜ) hinaus.
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1. Das betrifft zum einen die Kennzeichnung beanspruchter Vorrichtungsteile als "Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung", "KaltwasserKühlvorrichtung" und "Kälteerzeuger". Denn der Inhalt einer Anmeldung wird nicht schon dadurch erweitert, dass der Gegenstand des erteilten Schutzrechts mit Begriffen umschrieben ist, die in den Anmeldungsunterlagen als solche nicht benutzt worden sind. Das gilt namentlich dann, wenn damit längere Umschreibungen in den Anmeldungsunterlagen zusammenfassend oder schlagwortartig bezeichnet werden. Entscheidend ist, dass diesen Oberbegriffen oder Schlagworten in den Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend behandelte Elemente eindeutig und in der Weise lückenlos und abschließend zugeordnet sind, dass keine Auslassungen oder Hinzufügungen vorliegen. Solche Erweiterungen zeigt die Berufung nicht auf und sie sind auch nicht erkennbar. Vielmehr lassen sich den beanstandeten Begriffen die dazu korrespondierenden Angaben in den Anmeldungsunterlagen eindeutig zuordnen.
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Die "Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung" dient, wie der Begriff es erwarten lässt, der Aufbringung der für den Nassoffsetdruck erforderlichen gekühlten Flüssigkeit auf die Druckkörperoberfläche. Welche Merkmale sie aufweist, erschließt sich dem Fachmann aus den Anmeldungsunterlagen einschließlich der Figuren, insbesondere der Figur 2 (Feuchtwasserwanne und -vorlauf- sowie Entlüftungsleitung [120, 142, 174], zweite Pumpe [138], zweiter Vorratsbehälter [132], Ventile [146, 184], Alkohol- und Niveausensor [162, 134]).
20
Der Begriff "Kaltwasser-Kühlvorrichtung" fasst in gleicher Weise ursprungsoffenbarte Lösungsmittel zusammen. Diese Vorrichtung bezieht sich auf die Kühlung mittels Blasluft-Kühlvorrichtung 2 und die Kühlung der Farbverreiberwalzen 107 (Sp. 7 Z. 50 ff.), deren Versorgung mit "Kaltwasser" der erste Vorratsbehälter 80 zugeordnet ist, von dem aus das Kühlmedium mithilfe der Pumpe 82 über die Kaltwasservorlaufleitung 85 an die Kühlungsorte gepumpt wird und wohin es über die Kaltwasserrücklaufleitung zurückfließt, wobei das Kaltwasserniveau im Behälter mit einem Niveausensor 91 überwacht wird (Sp. 5 Z. 58 übergreifend Sp. 6 Z. 1 ff.; Z. 56; Sp. 7 Z. 36 ff.).
21
Der Begriff "Kälteerzeuger" wird in Anspruch 1 als Synonym für den in den Anmeldungsunterlagen offenbarten "einzigen Kältemittelkreislauf" verwendet. Die deckungsgleiche Zuordnung der jeweiligen Merkmale ergibt sich aus den übereinstimmend verwendeten Bezugszeichen (vgl. Anmeldung Sp. 10 Z. 14 ff.).
22
2. Der Gegenstand des Streitpatents ist ferner nicht dadurch unzulässig erweitert, dass die Blasluftkühlung lediglich fakultativ vorgesehen ist. Dem stehen nicht die soeben gemachten Ausführungen zur "Kaltwasser-Kühlvorrichtung" und deren Offenbarung in den Ursprungsunterlagen entgegen. Von der Frage, welche Elemente dem Begriff der Kaltwasser-Kühlvorrichtung zugeordnet werden können, zu trennen ist die Frage, ob zu einem Temperierungssystem , so wie es Gegenstand der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist, notwendig eine Blasluftkühlung gehört oder ob danach lediglich vorgesehen ist, dass neben der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung eine KaltwasserKühlvorrichtung vorhanden ist, die allein in der Kühlung der Farbverreiberwalzen bestehen kann. Letzteres ist der Fall.
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a) Für die Beantwortung kommt es nicht auf die etwaigen subjektiven Vorstellungen des Erfinders bzw. Anmelders an - für die der Betrieb des Temperatursystems mit einer Blasluft-Kühlvorrichtung nach den Umständen im Zeitpunkt der Stammanmeldung durchaus im Vordergrund gestanden haben mag -, sondern maßgeblich ist allein der objektive Gehalt der Anmeldungsunterlagen. Deren Auslegung (vgl. dazu Sen.Beschl. v. 8.7.2008 - X ZB 13/06, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II) ergibt, dass die Blasluft-Kühlvorrichtung nicht zwingend zu jedem patentgemäßen Temperierungssystem gehört.
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b) Die Kühlungsmöglichkeiten beim wasserlosen Offsetdruck sind in den Anmeldungsunterlagen so dargestellt, dass die Oberfläche der Druckplatte dabei entweder durch Blasluft- oder durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberwalzen oder durch beide Systeme zugleich gekühlt werden kann (vgl. Sp. 7 Z. 31 ff.: "Die Oberfläche 4 der Druckplatten 6 kann durch Luft 40, 41, 42 der Blasluftkühlvorrichtung 2 und/oder durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberrollen gekühlt…werden"). Dabei versteht der Fachmann eine Kühlung der Ober- fläche der (auf den Druckzylinder aufgespannten) Druckplatten durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberwalzen als mittelbare Übertragung von Kälte von einem auf einen anderen Rotationskörper oder über mehrere solche Körper hinweg.
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Somit stehen nach der Anmeldung Blasluftkühlung und Kühlung der Farbverreiberwalzen für sich wahlweise auch einzeln als KaltwasserKühlvorrichtungen zur Verfügung. Das kommt in den Anmeldungsunterlagen im Übrigen auch an anderer Stelle zum Ausdruck (Sp. 8 Z. 7 ff.), wodurch unterstrichen wird, dass der Einsatz einer Blasluftkühlung für ein patentgemäßes Temperierungssystem nicht konstitutiv ist. Damit stimmt schließlich überein, dass auch der gerichtliche Sachverständige die Blasluftkühlung im wasserlosen Offsetdruck technisch nicht als unabdingbar erforderlich ansieht. Die europäische Teilanmeldung kann für einen Gegenstand eingereicht werden, der nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinausgeht (Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ). Wie oben dargelegt (I 3 d), ergibt die Auslegung der Anmeldungsunterlagen , dass die Betriebsart der Blasluft-Kühlvorrichtung schon danach nur fakultativ vorgesehen war.
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3. Die Ursprungsanmeldung ist auch nicht durch Eröffnung einer vierten Kühlbetriebsart, nämlich die Kombination des Feuchtwasser-Offsetdrucks mit gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung (Merkmal 4.1.1), erweitert. Allerdings sind in der Beschreibung ausdrücklich nur drei Druckarten erwähnt (Sp. 8 Z. 6 ff.). Zum Offenbarungsgehalt gehört aber auch, was der Fachmann aus den Zeichnungen als zu der angemeldeten Erfindung gehörend erfährt. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, schließt der Fachmann aus der schematischen Darstellung des gesamten Systems in Figur 2 und dabei insbesondere aus dem Umstand, dass an den Vor- laufleitungen zwischen Vorratsbehältern und Kühlvorrichtungen Ventile angebracht sind, dass gleichzeitig die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung und die Kaltwasserkühlung bei dem Nassoffsetdruck genutzt werden kann, der nach der angemeldeten Erfindung möglich ist. Nur dies steht im Übrigen auch im Einklang mit den Erkenntnissen, die der Stand der Technik bot, weil bereits in der 1971 veröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 1 953 590 als nachteilig beschrieben ist, entweder nur die Temperatur des Befeuchtungsmittels oder die bestimmter Walzen des Farbwerks zu beeinflussen, und vorgeschlagen wird, neben der Temperierung des Feuchtwassers auch die der Farbverreiberund /oder Auftragswalzen zu steuern und zu regeln.
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4. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die "Mittel zum Umschalten" (Merkmal 4) seien in der Stammanmeldung nicht offenbart. Dieses Merkmal definiert ebenfalls eindeutig die zugeordneten Elemente, deren ursprüngliche Offenbarung die Klägerin nicht in Zweifel zieht. Ob und inwieweit der Fachmann imstande ist, anhand dieser Angaben das wahlweise Umschalten zwischen den verschiedenen Betriebsarten nachzuarbeiten, ist keine Frage der unzulässigen Erweiterung, sondern allenfalls eine solche der nicht hinreichend deutlichen und vollständigen Offenbarung (dazu unten III 2).
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5. Der Gegenstand des Streitpatents ist schließlich nicht durch die einleitende Bezeichnung als "Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine" anstelle des ursprünglich verwendeten Begriffs "Druckplatten-Temperierungssystem für eine Druckmaschine" erweitert. Denn der nunmehr gewählten - wie übrigens auch der ursprünglichen - Bezeichnung kommt kein eigener Kennzeichnungsgehalt zu; sie beinhaltet keine Handlungsanweisung , die über das hinausginge, was die oben aufgeführten und - wie ausgeführt - bereits zur Anmeldung gehörenden Merkmale nicht ohnehin defi- nierten. Insbesondere auch die Wortwahl "Rotationskörper" ist durch die Anmeldungsunterlagen gedeckt, weil sowohl bei dem angemeldeten Gegenstand als auch nach dem nunmehr verteidigten Anspruch nicht nur die Druckplatte an der Kühlung teilhaben kann.
29
III. Die Klägerin stützt die Nichtigkeitsklage im Zusammenhang mit der Merkmalsgruppe 4 im Berufungsrechtszug erstmals auch auf den Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung der Erfindung (Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ; Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG). Die darin liegende Klageänderung (Keukenschrijver , Nichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. Rdn. 127, 244 m.w.N.) ist als sachdienlich zuzulassen.
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1. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, weil nicht offenbart sei, auf welche Weise im Zusammenhang mit einem wahlweisen Umschalten zwischen Betriebsarten (Merkmalsgruppe 4) der dazu ebenfalls erforderliche Wechsel der Druckplatten vom Feuchtwasser- zum wasserlosen Offsetdruck bewerkstelligt werden solle. Wie ausgeführt (oben I 3 d), ist Gegenstand des Streitpatents allein die Bereitstellung eines DruckmaschinenTemperierungssystems , welches unter anderem derart ausgebildet sein soll, dass in kurzer Zeit und ohne umfangreiche Baumaßnahmen von der einen Betriebsart auf eine andere umgestellt werden kann (europäische Patentanmeldung 553 447 Sp. 1 Z. 33 ff.). Die Bestimmung "zum wahlweisen Umschalten" in der Merkmalsgruppe 4 bringt dementsprechend lediglich zum Ausdruck, dass auf den Druckbetrieb mit der einen oder anderen Kühlungstechnik soll umgestellt werden können. Maßnahmen zur Umstellung des Druckvorgangs als solchen müssen deshalb nicht offenbart werden.
31
2. Die Erfindung ist nicht deshalb unzureichend offenbart, weil nicht ausgeführt ist, welche Mittel letztlich das Umschalten zwischen den verschiedenen Kühlbetriebsarten bewirken. Das Erfordernis der ausführbaren Offenbarung bedeutet nicht, dass die Lehre alle im Einzelnen zur Erreichung des erfindungsgemäßen Ziels erforderlichen Schritte detailliert beschreiben müsste. Es reicht aus, wenn dem Fachmann ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Unschädlich ist, wenn er bei der Nacharbeitung auf Unvollkommenheiten stößt, die er als solche erkennt und mit Hilfe seines Wissens im Sinne der Erfindung überwinden kann, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen (vgl. Sen.Urt. v. 4.11.2008 - X ZR 154/05, Tz. 20 m.w.N.). So verhält es sich hier. Als Umschaltmittel sind ein Mikrocomputer der Steuereinrichtung (66) und die damit regelbaren Ventile (86, 114, 146, 184) sowie eine zweite Pumpe (138) vorgesehen. Der Fachmann schloss daraus, dass das Umschalten durch regelungstechnische Maßnahmen, namentlich durch entsprechende Programmierung des Mikrocomputers der Steuerungseinheit, erreicht werden sollte. Die dafür erforderlichen Schritte vermochte er am Prioritätstag, gegebenenfalls mit Unterstützung durch einen Regelungstechniker, ohne Entfaltung erfinderischer Tätigkeit zu vollziehen.
32
IV. Der Gegenstand des Streitpatents ist patentfähig (Art. 52 ff. EPÜ).
33
1. Der Gegenstand des Streitpatents ist neu (Art. 54 EPÜ).
34
Die deutsche Offenlegungsschrift 1 953 590 offenbart jedenfalls keine Kühlanlage mit einem einzigen Kälteerzeuger (Merkmal 4). Das Gleiche gilt für den Prospekt "Sulzer - Kältezentrum" (Anl. K 6). Der Prospekt von technotrans für Kältezentralen für Offsetrotationen (Anl. K 7) offenbart jedenfalls nicht die Merkmalsgruppe 4. Die deutsche Offenlegungsschrift 28 49 286 bezieht sich auf eine Kühlvorrichtung für flüssige Schmier-, Arbeits- und/oder Kühlmittel, die schon die druckmaschinenspezifischen Merkmale 1.1 und 1.2 und darüber hinaus auch nicht die Merkmalsgruppe 4 aufweist. Das Wasserkreislaufschema vom 30. Januar 1987 (technotrans TemperierungsSysteme, Anl. K 12 i.V. mit K 19-21) sieht keinen direkten Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser vor; dieses wird vielmehr über den Kaltwasserkreislauf gekühlt. In der Bedienungsanleitung für das "technotrans TemperierungsSystem" (Anl. K 18), die sich auf Anlagen wie die in K 12 dargestellte bezieht, ist zudem, wie der gerichtliche Sachverständige unwidersprochen und überzeugend dargelegt hat, eine Offenbarung der Merkmale 2.1 und 2.2 ebenso wenig ersichtlich wie eine solche der Merkmalsgruppe 4. Die deutsche Auslegeschrift 1 119 877 offenbart Mittel zum wahlweisen Umschalten zwischen Nass- und Trockenoffset (Merkmal 4), darüber hinaus aber kein Temperierungssystem.
35
2. Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 56 EPÜ).
36
a) Die Weiterentwicklung von Druckmaschinen-Peripheriegeräten wie dem vom Streitpatent unter Schutz gestellten Temperierungssystem wurde zum Prioritätszeitpunkt, wie in der Erörterung mit dem Sachverständigen und den Parteien erarbeitet worden ist, nicht von den Druckmaschinenherstellern selbst vorangetrieben. Sie wurde von Systemanbietern geleistet und im Falle eines Geräts der kältetechnischen Systemausstattung vorwiegend, abgesehen von auf dem Gebiet der Kältetechnik erfahrenen Technikern, von Ingenieuren mit Fachhochschulabschluss geleistet. Diese verfügten über zusätzliche Erfahrung in den druckmaschinenspezifischen Anforderungen und zogen gegebenenfalls für die Auslegung der Kältesysteme Druckereifachleute hinzu.
37
b) Zweifel, dass die Erfindung diesem Fachmann nahegelegt war, ergeben sich allerdings nicht daraus, dass zu deren Lösung die Merkmalsgruppe 4 gehört.
38
aa) Druckmaschinen, die mit allen drei in Betracht kommenden Kühlsystemen (Kühlung des Feuchtwassers, innenseitige Kühlung der Farbverreiberrollen , Blasluftkühlung) ausgerüstet sind, sind aus der deutschen Offenlegungsschrift 1 953 590 bekannt. Dass die Blasdüse für die Luftkühlung nach der genannten Schrift auf den Gummizylinder gerichtet ist, um die Oberflächentemperatur des Gummituchs zu beeinflussen, und nicht auf den Druckplattenzylinder, könnte aber unerheblich sein, weil der Fachmann die Möglichkeit, mit der Blasdüse statt des Gummituchs die Druckplatte zu kühlen, als Alternative in Betracht gezogen haben könnte.
39
bb) In dieser deutschen Offenlegungsschrift sind Mittel zum Umschalten von der einen auf die andere Kühlbetriebsart (Merkmalsgruppe 4) entgegen der Ansicht der Klägerin nicht offenbart, sondern nur Mittel zum Ein- und Abschalten der Kältemaschinen i.V. mit dem unabhängigen Regeln der Temperatur des Befeuchtungsmittels sowie der Walzen (Beschreibung S. 16 ff. i.V. mit Fig. 3). Um zur Merkmalsgruppe 4 zu gelangen, musste der Fachmann jedoch lediglich erkennen, dass Mittel wie elektronisch gesteuerte Schaltungen, die eine Kältemaschine einschalten, wenn eine bestimmte Vorlauftemperatur unterschritten wird und die die Maschine wieder abschalten, wenn diese Temperatur erreicht ist, nur geringfügig abgewandelt werden mussten, um von einer auf eine oder mehrere andere Betriebsarten umzuschalten oder eine Betriebsart zuzuschalten. Dazu bedurfte es zum Prioritätszeitpunkt, auch vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Stands der Regelungstechnik, keiner besonderen fachmännischen Fähigkeiten.
40
c) Dagegen kann nicht angenommen werden, dass dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war, das Temperierungssystem mit einer Kühlanlage auszustatten, die nur einen einzigen Kälteerzeuger (Merkmalsgruppe
3) vorsieht.
41
aa) Die deutsche Offenlegungsschrift 1 953 590 gab ihm dafür keine Anregung. Die dort offenbarte Temperaturregelungseinrichtung weist eine Mehrzahl von im Prinzip gleich ausgebildeten und individuell temperaturgeregelten Kühlvorrichtungen auf (S. 15), mit denen die Temperatur der Walzen und des Befeuchtungsmittels unabhängig voneinander auf unterschiedliche Werte geregelt werden (Beschreibung S. 16 ff.). Ein solches System gibt Hinweise auf einen dezentralen Aufbau. Da dieser Aufbau ein als solches sachgerecht funktionierendes Kühlungskonzept darstellt, erscheint es nicht geeignet, den Fachmann zur Verwendung eines einzigen Kälteerzeugers zu führen.
42
bb) Die Erfindung war dem Fachmann auch nicht durch die in der deutschen Offenlegungsschrift 28 49 286 offenbarte Kühlvorrichtung nahegelegt. Diese Schrift befasst sich mit dem - heterogenen - Kühlungsbedarf von Werkzeugmaschinen , nämlich von deren zur Schmierung von Lagern, Spindelstöcken , Getrieben oder dergleichen benötigten Schmiermitteln, der Kühlung in geschlossenen Kreisläufen unter relativ hohem Druck zirkulierender Arbeitsmittel wie Hydrauliköl und schließlich der (erneuten) Kühlung flüssiger (erwärmter) Kühlmittel, die insbesondere bei Zerspanungsmaschinen die Abfuhr der Wärme aus Werkzeug, Werkstück und entstehenden Spänen bezwecken. Das technische Problem, diese drei in unterschiedlichen Kreisläufen zirkulierenden Kühlmedien zentralisiert zu kühlen, löst diese Schrift durch drei eigenständige, den einzelnen Kühlmedienkreisläufen zugeordnete Verdampfer, die mit einer Kältemaschine in der Weise verbunden sind, dass alle drei Verdampfer gemeinsam mit dem Ausgang eines Kondensators einerseits und dem Eingang eines Verdichters andererseits verbunden sind. Damit lag zwar durchaus eine Kühlanlage vor, die die Merkmale 3.1 und 3.2 aufwies und im Übrigen den technisch abweichend ausgestalteten Kühlobjekten angepasst war.
43
cc) Wie die eingehende Erörterung mit dem Sachverständigen zur Überzeugung des Senats aber ergeben hat, hat der zur Prioritätszeit tätige Fachmann bei der Konstruktion eines hier interessierenden Systems eine Schrift wie die deutsche Offenlegungsschrift 28 49 286 nicht berücksichtigt.
44
(1) Der angesprochene Fachmann hat sich für die Lösung der ihm insoweit angetragenen Entwicklungsaufgabe mit den von Konkurrenten gefundenen Lösungen einschließlich der eventuell auf diesem Gebiet erteilten und angemeldeten Schutzrechte vertraut gemacht, ergänzend gegebenenfalls Kompendien zur Kältetechnik zurate gezogen und vielleicht noch Fachtagungen besucht. Breiter angelegte Untersuchungen, namentlich die Ausschöpfung aller an den Patentklassifikationen ansetzenden grundlegenden Recherchemöglichkeiten , wurde unter den zeitlichen Vorgaben und sonstigen Sachzwängen, denen die Suche nach einer industriell nutzbaren Lösung schon seinerzeit unterlag, ebenso als den üblichen Aufwand überschreitend angesehen, wie etwa die Einschaltung eines Fachhochschulinstituts zu Forschungszwecken.
45
(2) Keine Bedeutung kann dabei dem Umstand beigemessen werden, dass in der Offenlegungsschrift erwähnt wird, die der Erfindung zugrunde liegenden Kühlprobleme könnten unter anderem auch bei Druckmaschinen auftreten. Maßgeblich dafür, ob eine Schrift für einen nach Weiterentwicklung trachtenden Fachmann von Interesse erscheint, ist nicht, wie der Anmelder die An- wendungsmöglichkeiten seiner Erfindung einschätzt, sondern, ob diese Anmeldung im Radius der Erkundigungen liegt, deren Einbeziehung der Fachmann in Erwägung zieht. Das ist hier aus den dargelegten Gründen zu verneinen.
46
dd) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann nicht durch das mit den Anlagen K 12, K 19-21 gezeigte Temperiersystem nahegelegt. Abgesehen von der Frage, inwieweit dieses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, gab seine Ausgestaltung ohne einen direkten Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser, sondern mit einer Hintereinanderschaltung (Kaskadenschaltung) der Kreisläufe für das Kaltwasser und für das Feuchtwasser, bei der die gesamte Wärmelast ausschließlich über das Kaltwasser zum Wärmetauscher (84) abgeführt wird, dem Fachmann keine Anregung für die streitpatentgemäße Lösung.
47
ee) Es kann schließlich auch nicht angenommen werden, die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung habe bereits auf Grund des allgemeinen Fachwissens und des regelmäßig vorhandenen fachmännischen Strebens nach Verbesserung vorhandener Lösungen nahegelegen. Einen einzigen Kälteerzeuger einzusetzen, stellt eine komplexe Verbesserung dar, die gleichermaßen kostengünstig ist, indem sie Material einspart, wie sie die Reparaturanfälligkeit des Systems durch die verminderte Zahl von eingebauten Einzelteilen herabsetzt, den Platzbedarf für das Aggregat deutlich reduziert und damit dem stets drängenden Bedürfnis nach räumlicher Platzersparnis entspricht und die gegenüber einer Anlage mit mehreren Kältemaschinen zudem eine verbesserte Energiebilanz aufweisen kann. Das bedingt Überlegungen in ganz unterschiedliche Richtungen. Eine so vielseitige Weiterentwicklung kann nicht als das ohne Weiteres zu erwartende Ergebnis der Befassung eines durchschnittlich befähigten, um Weiterentwicklung bemühten Fachmanns gesehen werden.
48
3. Die angegriffenen Unteransprüche haben mit dem verteidigten Hauptanspruch Bestand.
49
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
Scharen Keukenschrijver Lemke
Gröning Berger
Vorinstanz:
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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

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Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

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(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 13/06
vom
8. Juli 2008
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend die Einspruchssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Momentanpol II
Für die Feststellung des Offenbarungsgehalts der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen
gilt nichts anderes als für die Auslegung der in einem Patentanspruch
verwendeten Begriffe und dessen Lehre zum technischen Handeln.
BGH, Beschl. v. 8. Juli 2008 - X ZB 13/06 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens sowie den Richter Gröning

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Patentinhabers wird der Beschluss des 8. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 16. Mai 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Rechtsbeschwerdeführer ist Inhaber des am 18. Oktober 1988 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 14. März 1988 angemeldeten und am 28. Januar 2003 erteilten (Veröffentlichung der Erteilung: 12. Juni 2003) deutschen Patents 38 35 367 (Streitpatents). Es betrifft ein mit einem Schlepper verbindbares und mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks ausgestattetes Mähwerk und umfasst 40 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet: "1. Mähwerk, das mit einem Schlepper verbindbar ist, mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks , welches Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zulässt, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Ausgleichsvorrichtung derart ausgebildet ist, dass die Schwenkachse (2) des Schneidwerks durch einen unterhalb der Arbeitsebene angeordneten Momentanpol verläuft, und dass die Ausgleichsvorrichtung Lenker (9, …) aufweist, wobei mindestens einer der Lenker (9, …) sich in geneigter Lage von vorne oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks hin erstreckt und in Betriebsstellung der Momentanpol bzw. die Schwenkachse derart ist, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse (2) ausweicht."
2
Gegen das Patent haben die Einsprechenden Einspruch eingelegt und sich dafür unter anderem auf den Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) berufen. Das Einspruchsverfahren ist vor dem Bundespatentgericht durchgeführt worden.
3
Der Patentinhaber hat das Streitpatent in erster Linie in seiner erteilten Fassung und hilfsweise mit einem durch Merkmale des Anspruchs 6 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ergänzten Patentanspruch 1 verteidigt.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent widerrufen. Dagegen richtet sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Patentinhabers , deren Zurückweisung die Einsprechenden beantragen.
5
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung uneingeschränkt statthaft (§ 147 Abs. 3 Satz 5 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 in Verbindung mit § 100 Abs. 1 PatG) und auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel, das die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision eröffnet (st. Rspr., vgl. zuletzt BGHZ 172, 108 - Informationsübermittlungsverfahren I), führt zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht.
6
2. Der Streitpatentschrift zufolge sind im Stand der Technik an Schlepper angebaute oder angehängte Mähwerke bekannt, die beim Arbeitseinsatz je nach Geländeformation gegenüber dem Schlepper auf- und abbewegt werden. Als nachteilig erweise sich, wie in der Beschreibung weiter ausgeführt wird, dass die Mähwerke bei unebenen Böden zu Nickbewegungen gezwungen würden , die zu ungleichmäßiger Schnitthöhe führten, bzw., dass die Mähwerke sich im Betrieb schräg stellten und die Schneidwerkzeuge vorne in den Boden eindrängen , wodurch eine unbefriedigende Arbeitsqualität geliefert werde und Beschädigungen an der Grasnarbe und an der Maschine die Folge sein könnten. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, diese Nachteile zu vermeiden und das Schneidwerk unabhängig von den Bewegungen des Schleppers dem Bodenverlauf anzupassen, so dass auch plötzlich auftretende Hindernisse leicht überwunden werden können. Dazu stellt Patentanspruch 1 ein Mähwerk unter Schutz, 1. das mit einem Schlepper verbunden werden kann und 2. mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks ausgestattet ist, die 2.1 Lenker aufweist, 2.2 so ausgebildet ist, dass die Schwenkachse des Schneidwerks durch einen unterhalb der Arbeitsebene angeordneten Momentanpol verläuft, 2.3 Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zulässt, und wobei 3. mindestens einer der Lenker sich in geneigter Lage von vorn oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks hin erstreckt und 4. in Betriebsstellung der Momentanpol bzw. die Schwenkachse derart ist, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse ausweicht.
7
Nach dem Hilfsantrag soll sich der Schutz auf ein Mähwerk mit den Merkmalen 1 sowie 3 und 4 beziehen, bei dem die Ausgleichsvorrichtung (2) 2.1 Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zulässt, 2.2 als Gelenkviereck so ausgebildet ist, dass 2.1.1 dessen Basis von einem Teil des Anbaubocks (8), 2.1.2 die Schwinge von einem Teil des Mähwerkrahmens (70) und 2.1.3 deren Lenker (9, …) durch Koppelglieder gebildet werden, die 2.1.4 das Schneidwerk mit dem Anbaubock verbinden und 2.1.5 dass der Schnittpunkt der verlängert gedachten Koppelglieder auf der ideellen Schwenkachse des Schneidwerks liegt und den Momentanpol bildet und 2.1.6 die Schwenkachse (2) des Schneidwerks (1, 23) durch einen unterhalb der Ebene der Schneidmesser (23) angeordneten Momentanpol verläuft.
8
Die in Anmeldungsunterlagen und Patentschrift identische Figur 2 zeigt ein Ausführungsbeispiel:
9
3. Das Bundespatentgericht hat eine unzulässige Erweiterung angenommen und zur Begründung ausgeführt: Dem schriftlichen Teil der Anmeldungsunterlagen könne zwar entnommen werden, wo die ideelle Schwenkachse der Höhe nach verlaufe, daraus ergebe sich aber noch nicht die genaue Lage oder Lagemöglichkeit dieser Achse, so dass die Zeichnung zur Auslegung heranzuziehen sei. Trotz aller Unterschiedlichkeit der Ausgestaltungen bezüglich Richtungsführung, Anstellung und Anlenkung der Lenker zeigten sämtliche Ausführungsbeispiele, die eine Quer-Ausgleichsvorrichtung zum Gegenstand hätten (Fig. 1, 2 sowie 14-17), immer wieder einen auf der Schwenkachse (2) liegenden Schnittpunkt in der Mitte unterhalb des Mähkreisels. Für einen Fachmann , einen Fachhochschulingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Aufhängungen für landwirtschaftliche Geräte, sei dies daher ersichtlich diejenige Position für eine virtuelle Schwenkachse, die zunächst zweifelsfrei als zur Erfindung gehörend offenbart sei. Darüber hinaus könne die textliche Offenbarung einer Schwenkachse "unterhalb der Aufstandsfläche des Mähwerks" bzw. "in der Nähe der Aufstandsfläche des Mähwerks" noch einen gewissen Spielraum für die Positionierung dieser Achse schaffen bis hin zu einer Verschiebung etwas nach vorne oder hinten im Rahmen der Grenzen der Aufstandsfläche des Mähwerks (31). Eine unbegrenzte Verschiebbarkeit der Schwenkachse über diese geometrische Fläche hinaus, wie dies nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung bzw. nach dem Hilfsantrag möglich sei, könne aufgrund der Offenbarungslage in den ursprünglichen Unterlagen nicht als für einen maßgeblichen Durchschnittsfachmann erfindungswesentlich offenbarte Lehre erachtet werden. Vielmehr müsste ein Hauptanspruch zumindest dahin beschränkt werden, dass die Schwenkachse unterhalb der Aufstandsfläche des Mähwerks angeordnet sei.
10
4. Der Gegenstand des Streitpatents geht entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus.
11
a) Das Bundespatentgericht hat aus der Verwendung der Begriffe "unterhalb der Arbeitsebene" (Merkmal 3.3 des Hauptanspruchs) bzw. "unterhalb der Ebene der Schneidmesser" (Merkmal 3.4 des Hilfsantrags) für die vom Gegenstand des Hauptanspruchs abgedeckten Positionen der Quer-Schwenkachse hergeleitet, dass diese durch beliebige Punkte unterhalb oder außerhalb des Mähwerks verlaufen könne, und zwar vorn, soweit die Lenkerneigung von vorn oben nach hinten unten dies noch erlaube bis weit über das hintere Ende des Mähwerks hinaus. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird vom Patentinhaber auch nicht beanstandet.
12
b) Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung der Patentansprüche abweichend von den ursprünglichen Unterlagen formuliert werden. Den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG füllen entsprechende Änderungen erst aus, wenn der Gegenstand der Anmeldung erweitert oder ein Aliud an die Stelle der angemeldeten Erfindung gesetzt wird; der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, der nicht von vornherein als zur Erfindung gehörend von den Anmeldungsunterlagen umfasst war. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist durch Vergleich des Gegenstands des erteilten Patents mit den ursprünglichen Unterlagen zu ermitteln. Darin offenbart ist alles, was sich dem fachkundigen Leser ohne Weiteres aus der Gesamtheit der Unterlagen erschließt ; Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche formulierte technische Lehre, deren Gehalt durch Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung zu ermitteln ist (st. Rspr., vgl. zuletzt Sen.Urt. v. 23.10.2007 - X ZR 104/06, m.w.N. in Tz. 14).
13
c) aa) Die vom Patentgericht im Einspruchsverfahren vorgenommene Auslegung der Anmeldungsunterlagen unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Zwar teilen die Anmeldungsunterlagen nicht den Rechtsnormcharakter (vgl. BGHZ 164, 261 - Seitenspiegel; 172, 120 - Kettenradanordnung) des erteilten Schutzrechts. In ihnen offenbart sich jedoch die technische Lehre, die zur Schutzrechtserteilung angemeldet wird und unter Schutz gestellt werden soll. Welchen Inhalt sie hat, kann sachgerecht nur unter Anwendung der für die Auslegung des erteilten Patents geltenden objektiven Maßstäbe (vgl. Melullis, FS für Ullmann, S. 503, 505) erfolgen.
14
bb) Grundlage der Auslegung eines Patents bildet zwar das fachmännische Verständnis von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs. In tatsächlicher Hinsicht ist dies jedoch nur insoweit von Bedeutung, als es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können. Das Verständnis des Patentanspruchs selbst durch den Durchschnittsfachmann ist dagegen unmittelbarer tatsächlicher Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 164, 261 - Seitenspiegel ). Für die Feststellung des Offenbarungsgehalts der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen gilt nichts anderes.
15
d) Die an diesen Maßstäben orientierte Auslegung ergibt nicht die vom Bundespatentgericht angenommene horizontale Beschränkung für die Positionen der Schwenkachse auf den Raum unterhalb der Aufstandsflächen der Mähwerke in Gestalt von Mähtrommeln oder - kreiseln.
16
aa) Der Entscheidung des Bundespatentgerichts liegt zur Geometrie die Annahme zugrunde, wonach sich die Stellung des Momentanpols, durch den die ideelle Schwenkachse verläuft, jedenfalls bei der allein noch unter Schutz gestellten, lenkergeführten Ausgleichsvorrichtung horizontal verändert, wenn die Vorderseite des Schneidwerks auf ein Hindernis trifft und nach oben und hinten ausweicht (Merkmal 5). In den Anmeldungsunterlagen kommt dies in der Beschreibung zu Figur 14 zum Ausdruck. Danach stellt der durch den Schnittpunkt der beiden Verlängerungen der Koppelglieder (Merkmal 2.1.3 des Hilfsantrags ) gebildete Momentanpol die "augenblickliche" Querschwenkachse dar (Offenlegungsschrift Sp. 4 Z. 42 ff.).
17
bb) Für den Verlauf der genauen Lage oder Lagemöglichkeit dieser Schwenkachse hat das Bundespatentgericht den Zeichnungen einen Stellen- wert beigemessen, der ihnen - unabhängig von der Frage der Bedeutung von Ausführungsbeispielen für die Patentauslegung (vgl. dazu Sen.Urt. v. 12.12.2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 - Schussfädentransport; v. 12.2.2008 - X ZR 153/05 - Mehrgangnabe) - nach der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht zukommt. Dass die Schwenkachse bei den Figuren, die lenkergeführte Ausführungen zeigen, mittig unterhalb der Mähkreisel verläuft, beruht ersichtlich darauf, dass Ausgleichsvorrichtungen bei waagerechter Stellung dieser Mähwerke gezeigt werden und die Aufhängungspunkte der Ausgleichsvorrichtungen - mit Ausnahme der Figur 15 - gleichschenklige Trapeze bilden, so dass der Momentanpol i. S. des Streitpatents geometrisch zwangsläufig zentral im Schnittpunkt der verlängerten Schenkel der Trapeze liegt. Für Figur 15 gilt insoweit allein die Besonderheit, dass die Ausgleichsvorrichtung besonders konstruiert ist, ohne dass sich das auf die Position der Schwenkachse in waagerechter Ruhestellung auswirkte. Dem Bundespatentgericht kann zwar darin zugestimmt werden, dass die in den Figuren offenbarte mittige Position dem Spektrum der zur Erfindung gehörenden Positionen der Schwenkachse zuzurechnen ist. Aus fachmännischer Sicht ist die Position des Momentanpols und der Schwenkachse in waagerechter Stellung der Schneidwerke jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Nach dem Gegenstand der Anmeldung kommt es vielmehr darauf an, welchen Wanderungsbewegungen der Momentanpol , durch den die Schwenkachse läuft, unterliegt, wenn die Mähkreisel die waagerechte Position - etwa bei Auftreffen auf ein Hindernis (Merkmal 4) - verlassen. Das zeigen die Figuren nicht. Sie geben dem Fachmann vielmehr lediglich einen Überblick über die unterschiedlichen Aufhängungsmöglichkeiten für die Schneidwerke.
18
cc) Dem Bundespatentgericht kann nicht darin beigepflichtet werden, dass die häufige textliche Erwähnung einer Schwenkachse "in der Nähe" bzw.
"unterhalb der Aufstandsfläche des Mähwerks" (lediglich) noch einen gewissen Spielraum für die Positionierung dieser Achse schafft.
19
Aus Sicht des Fachmanns besteht in Anbetracht des Inhalts der Anmeldungsunterlagen technisch-physikalisch keine Veranlassung, in der Formulierung des Anspruchs 3 Anhaltspunkte für eine Beschränkung der angemeldeten Lehre hinsichtlich des horizontalen Verlaufs der Schwenkachse auf den Raum unterhalb der Mähkreisel zu sehen.
20
Nach Anspruch 1 der Anmeldeunterlagen verläuft die Schwenkachse quer zur Fahrtrichtung unterhalb einer die Schwenkbewegung zulassenden Quer-Ausgleichsvorrichtung. Diese Angabe beschreibt allein und ganz allgemein , wo die Schwenkachse vertikal verläuft, nämlich "unterhalb einer … QuerAusgleichsvorrichtung". Anhaltspunkte dafür, diesen Angaben in Anspruch 1 den Sinngehalt einer horizontalen Beschränkung beizulegen, sind nicht ersichtlich und auch das Bundespatentgericht hat solche nicht gesehen.
21
Das fachmännische Bestreben geht dahin, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen (Sen.Urt. v. 23.10.2007 - X ZR 275/02 Tz. 19). Insoweit besteht keine Veranlassung, den horizontalen Verlauf der Schwenkachse in dem in den Anmeldungsunterlagen formulierten Anspruch 3 auf die Fläche unterhalb der Mähtrommeln zu begrenzen. Die Anmeldungsunterlagen enthalten in ihrer Gesamtheit keine Anhaltspunkte dafür, dass die offenbarte Lehre insbesondere hinsichtlich des Merkmals 4 auf diesen Ausschnitt begrenzt sein soll. Mangels solcher beschränkenden Anhaltspunkte ist aus fachmännischer Sicht deshalb davon auszugehen, dass der horizontale Verlauf der Schwenkachse nach der Lehre des Patents nur den Schranken unterliegen soll, die erfindungsgemäßen Ausführungen aus technisch-physikalischen Gründen gesetzt sind. Das ist die Abfolge aller Momentanpole, die sich im Verlauf von Ausweichbe- wegungen i. S. von Merkmal 4 als Schnittpunkte der ideell verlängerten beiden Koppelglieder bis zur technisch maximal möglichen Lenkerneigung bilden. Die Lenkerneigung ist dadurch begrenzt, dass zumindest einer der Lenker schräg von oben nach unten verläuft und verlaufen muss, weil sich sonst kein Momentanpol unterhalb der Quer-Ausgleichsvorrichtung bilden kann.
22
dd) Die Anmeldungsunterlagen so zu verstehen, dass sich der Begriff "unterhalb" in Anspruch 3 lediglich auf die vertikale Position der Schwenkachse und nicht auch auf die horizontale, bezieht, ist keine Auslegung unterhalb des Wortlauts im Sinne einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts. Die Auslegung ergibt, dass die Präposition "unterhalb" in der Lexikografie dieser Unterlagen (vgl. dazu BGHZ 150, 149 - Schneidmesser I) ausschließlich vertikal zu verstehen ist. Das entspricht im Übrigen auch nach allgemeinem Sprachgebrauch einem möglichen Sinngehalt dieser Präposition; diese kann allein eine lediglich vertikale Position beschreiben und muss nicht zusätzlich eine horizontale Ausdehnung einschließen.
23
ee) Diese Auslegung der Anmeldungsunterlagen steht nicht in Widerspruch zu Feststellungen des Beschwerdegerichts, an die die Rechtsbeschwerdeerwiderung das Rechtsbeschwerdegericht gebunden sehen möchte. Das Bundespatentgericht hat im Zusammenhang mit seiner Auslegung keine Feststellungen zu Gesichtspunkten wie den objektiven technischen Gegebenheiten, dem Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, ihren Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen und ihrer methodischen Herangehensweise getroffen. Nur daran wäre der Senat, wie ausgeführt (oben II.3.c)bb), gebunden.
24
III. Die Sache ist danach zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 108 PatG).
25
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.05.2006 - 8 W (pat) 302/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 154/05 Verkündet am:
4. November 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. Juni 2005 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das europäische Patent 291 194 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht: 1. Analytisches Testgerät, umfassend einen trockenen porösen Träger (10), unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für einen Analyten, welches unmarkierte Reagenz auf dem porösen Träger in einer Nachweiszone (14) permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, und in trockenem Zustand in einer Zone (12) stromaufwärts von der Nachweiszone ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für dieselbe Nachweissubstanz, welches markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist, so dass die Flüssigkeitsprobe , die dem Gerät zugeführt ist, das markierte Reagenz aufnehmen und danach in die Nachweiszone eindringen kann, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a s s der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb eines hohlen Gehäuses (30) enthalten sind, das aus feuchtigkeitsundurchlässigem, festem Material aufgebaut ist, der poröse Träger direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derart in Verbindung steht, dass flüssige Testprobe auf den porösen Träger aufgebracht werden kann, das Gehäuse Mittel (32) zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, der Markierungsstoff ein Direktmarkierungsstoff in Form eines Farbsols, Goldsols oder gefärbter Latexteilchen ist, das markierte Reagenz in einer ersten Zone (12) des trockenen porösen Trägers enthalten ist und das unmarkierte Reagenz in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone immobilisiert ist, wobei die beiden Zonen derartig angeordnet sind, dass eine auf den porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone dringen kann, und der poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst. 2. Testgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass gefärbte Latexteilchen eines maximalen Durchmessers von nicht größer als etwa 0,5 μm den Direktmarkierungsstoff darstellen. 3. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse aus opakem oder durchscheinendem Material besteht und mit mindestens einer Öffnung (32) versehen ist, durch die das Analysenergebnis beobachtet werden kann.
4. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse aus Kunststoffmaterial geformt ist. 5. Testgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst, der bzw. die mit einer Schicht von durchsichtigem feuchtigkeitsundurchlässigen Material verstärkt ist, wobei die durchsichtige Schicht in der Nähe der Öffnung(en) mit der Innenseite des Gehäuses in Kontakt steht, um den Eintritt von Feuchtigkeit oder Probe zu verhindern. 6. Testgerät nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Verstärkungsmaterial ein durchsichtiges Kunststoffmaterial ist. 7. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das poröse Trägermaterial Nitrocellulose ist. 8. Testgerät nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Nitrocellulose eine Porengröße von mindestens 1 μm hat. 9. Testgerät nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Porengröße mehr als 5 μm beträgt. 10. Testgerät nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Porengröße 8 bis 12 μm beträgt. 11. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es in dem porösen Träger stromabwärts von der Nachweiszone (209) eine Kontrollzone (210) aufweist, um anzuzeigen, dass die Flüssigkeitsprobe über die Nachweiszone hinausgedrungen ist, wobei die Kontrollzone ebenfalls außerhalb des Gehäuses beobachtbar ist. 12. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der poröse Träger ein Streifen mit einer Absorptionsmittelfalle (18) an seinem distalen Ende ist, wobei die Falle eine ausreichende Absorptionskapazität hat, damit jegliches ungebundenes markiertes Reagenz aus der Nachweiszone ausgewaschen werden kann. 13. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das markierte Reagenz als Oberflächenschicht auf den porösen Träger aufgebracht ist. 14. Testgerät nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass der poröse Träger in dem Bereich, auf den das markierte Reagenz aufgebracht wird, mit einem Glasurmaterial vorbehandelt ist. 15. Testgerät nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass das Glasurmaterial ein Zucker ist. 16. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das immobilisierte Reagenz in der Nachweiszone über die gesamte Dicke des Trägers in der Nachweiszone imprägniert ist. 17. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Nachweissubstanz hCG ist.
18. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass die Nachweissubstanz LH ist. 19. Testgerät nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das frei bewegliche Reagenz statt als spezifisches Bindungsmittel für eine Nachweissubstanz in Gegenwart einer Nachweissubstanz an einer Konkurrenzreaktion teilnehmen kann. 20. Analysenverfahren, bei dem ein Testgerät nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 19 mit einer wässrigen Flüssigkeitsprobe , die vermutlich die Nachweissubstanz enthält, derartig in Kontakt gebracht wird, dass die Probe durch Kapillarwirkung durch den porösen Träger über die erste Zone in die Nachweiszone dringt und das markierte Reagenz mit ihr aus der ersten Zone in die Nachweiszone wandert, wobei das Vorliegen einer Nachweissubstanz in der Probe durch Beobachten des Ausmaßes (sofern gegeben) bestimmt wird, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 26. April 1988 unter Inanspruchnahme der Priorität britischer Patentanmeldungen vom 27. April und 30. Oktober 1987 (Nrn. 8 709 873 und 8 725 457) angemeldeten und mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 291 194 (Streitpatents). Es betrifft ein analytisches Testgerät sowie ein Analysenverfahren und umfasst in der im europäischen Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrechterhaltenen Fassung 22 Patentansprüche. Ansprüche 1 und 22 lauten in der Verfahrenssprache: "1. An analytical test device comprising a dry porous carrier (10), unlabelled specific binding reagent for an analyte which unlabelled reagent is permanently immobilised in a detection zone (14) on the porous carrier and is therefore not mobile in the moist state, and in the dry state in a zone (12) upstream from the detection zone a labelled specific binding reagent for the same analyte which labelled specific binding reagent is freely mobile within the porous carrier when in the moist state, such that liquid sample applied to the device can pick up labelled reagent and thereafter permeate into the detection zone, c h a r a c t e r i s e d i n t h a t the porous carrier and the labelled specific binding reagent are contained within a hollow casing (30) constructed of moisture-impervious solid material, the porous carrier communicates directly or indirectly with the exterior of the casing such that liquid test sample can be applied to the porous carrier, the casing incorporates means (32) enabling the extent (if any) to which the labelled reagent becomes bound in the detection zone to be observed, the label is a particulate direct label, the labelled reagent is contained in a first zone (12) of the dry porous carrier, and the unlabelled reagent is immobilised in a detection zone spatially distinct from the first zone, the two zones being arranged such that liquid sample applied to the porous carrier can permeate via the first zone into the detection zone.
22. An analytical method in which a test device according to any one of claims 1 to 21 is contacted with an aqueous liquid sample suspected of containing the analyte, such that the sample permeates by capillary action through the porous carrier via the first zone into the detecting zone and the labelled reagent migrates therewith from the first zone to the detecting zone, the presence of analyte in the sample being determined by observing the extent (if any) to which the labelled reagent becomes bound in the detecting zone."
2
Die Klägerin, die von der Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat während des laufenden Einspruchsbeschwerdeverfahrens Nichtigkeitsklage erhoben, die das Bundespatentgericht durch Urteil vom 7. März 2002 als unzulässig abgewiesen hat. Auf die Berufung der Klägerin hat der Senat diese Entscheidung nach Abschluss des Einspruchsverfahrens durch sein am 13. Januar 2004 verkündetes Urteil (X ZR 124/02, Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 64) aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Dort hat die Klägerin geltend gemacht, das Streitpatent sei nicht patentfähig. Sein Gegen- stand sei nicht neu, wobei die Priorität der britischen Patentanmeldungen nicht wirksam in Anspruch genommen werden könne, es beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart , dass ein Fachmann sie ausführen könne. Außerdem gehe der Gegenstand des Patents über den Inhalt der europäischen Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Zur Begründung hat sich die Klägerin u.a. auf folgende Veröffentlichungen gestützt: europäische Patentanmeldung 149 158 (NK 10), Veröffentl. der internat. Patentanmeldung WO 86/03839 (NK 11), europäische Patentanmeldung 183 442 (NK 12), europäische Patentanmeldung 250 137 (NK 13), europäische Patentanmeldung 284 232 (NK 14), europäische Patentanmeldung 299 428 (NK 15), europäische Patentanmeldung 286 371 (NK 16), europäische Patentanmeldung 032 270 (NK 19), US-Patentschrift 4 552 839 (NK 23), US-Patentschrift 3 888 629 (NK 28), US-Patentschrift 4 235 601 (NK 29), US-Patentschrift 4 361 537 (NK 30), europäische Patentanmeldung 186 799 (NK 32), Veröffentl. der internat. Patentanmeldung WO 86/04683 (NK 38), deutsche Auslegeschrift 1 245 619 (NK 39).
3
Durch das angefochtene Urteil hat das Bundespatentgericht das Streitpatent antragsgemäß mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des ersten Berufungsverfahrens auferlegt.
4
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in erster Linie in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung, in der in Anspruch 1 u.a. Merkmale der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Ansprüche 2, 3 und 6 aufgenommen worden sind; ferner mit Hilfsanträgen, wegen deren Fassung auf den Schriftsatz vom 31. Oktober 2008 und die Sitzungsniederschrift vom 4. November 2008 Bezug genommen wird. Im Übrigen beantragt die Beklagte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Berufung. Sie sieht Gegenstand und Schutzbereich des Streitpatents in der verteidigten Fassung als unzulässig erweitert an und hält seine Lehre auch in dieser Fassung nicht für patentfähig.
5
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. F. B. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
I. Soweit das Streitpatent über die Fassung der mit dem Hauptantrag zulässigerweise (dazu unten III 2) vorgenommenen Beschränkung hinausgeht, ist es ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 - Carvedilol II). Die Änderungen sind formal nicht zu beanstanden; namentlich kann das Patent mit Patentansprüchen in deutscher Sprache verteidigt werden (st. Rspr., vgl. BGHZ 147, 306 - Taxol), auch wenn es häufig zweckmäßig sein wird, dies in der Verfahrenssprache zu tun, um Zweifel an der vollständigen inhaltlichen Übereinstimmung der Sprachfassungen zu vermeiden (Sen.Urt. v. 23.9.2008 - X ZR 135/04 - Multiplexsystem, zur Veröffentlichung vorgesehen).
7
Im Umfang der beschränkten Verteidigung des Streitpatents hat die Berufung Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
8
II. Die Nichtigkeitsklage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents zulässig, weil die Klägerin daraus wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird und sie deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st. Rspr., vgl. etwa Sen.Urt. v. 24.4.2007 - X ZR 201/02, GRUR 2008, 90 - Verpackungsmaschine).
9
III. 1. Das Streitpatent betrifft Assays, insbesondere Immunoassays und analytische Testgeräte dafür. Bei Immunoassays handelt es sich um bioanalytische Verfahren, welche sich die spezifische Bindungsfähigkeit von Liganden und Liganden-Bindungspartnern (auch: spezifische Bindungspaare, "sbp"), insbesondere die von Antikörpern und Antigenen bzw. Haptenen zunutze machen, um das Vorhandensein von Analyten in flüssigen Proben feststellen zu können. Zum Nachweis der oft nicht direkt sichtbaren Bindungsreaktionen wurden Verfahren zur indirekten Beobachtung eingesetzt, die die Markierung eines der Glieder des spezifischen Bindungspaars mit einem Radioisotop, einem Chromophor , einem Fluorophor oder die eine enzymatische Markierung vorsahen. Radiomarkierungen, Chromophore bzw. Fluorophore können mittels Strahlungsdetektoren , Spektrophotometern oder mit dem bloßen Auge nachgewiesen werden; bei Enzymmarkierungen wird ein nachweisbares Signal durch die Aktivierung einer Verbindung wie etwa eines Farbstoffs im Rahmen eines Reaktionssystems erzeugt.
10
Ursprünglich in Vorrichtungen wie Reagenzgläsern mittels Zentrifugierung und Ausfällung durchgeführt (sogenannte Flüssigphasenassays), ist, der Beschreibung des Streitpatents zufolge, bei spezifischen Bindungsassays wie Immunoassays auch die Verwendung von mit Reagenzien imprägnierten Teststreifen vorgeschlagen worden (sogenannte Festphasenassays). Dabei bewegt sich die auf einen Teil des Teststreifens aufgetragene Probe mit Hilfe eines eluierenden Lösungsmittels, wie Wasser, durch das Material des Teststreifens in oder durch eine dort vorgesehene Nachweiszone, in der ein für die in der Probe vermutete Nachweissubstanz spezifisches Bindungsreagenz immobilisiert ist, um die Nachweissubstanz gegebenenfalls zu binden. Das Maß dieser Bindung kann mit markierten Reagenzien bestimmt werden, die ebenfalls im Teststreifen enthalten sind oder anschließend darauf aufgebracht werden. Der Streitpatentschrift zufolge erfordern alle kommerziell erhältlichen Geräte die Durchführung einer Reihe von aufeinander folgenden Arbeitsschritten, bevor das Testergebnis ablesbar ist, was notwendigerweise Zeit erfordere und Fehlerquellen einführe.
11
Als Aufgabe der Erfindung bezeichnet die Streitpatentschrift die Anpassung und Verbesserung der bekannten Techniken zur Bereitstellung diagnostischer Testgeräte insbesondere für den privaten Gebrauch, die auch von einer ungeübten Person schnell und bequem zu handhaben sind, vom Benutzer möglichst wenige Arbeitsschritte erfordern und bei denen das Analyseergebnis innerhalb von Minuten nach dem Probenauftrag - beispielsweise Urin im Fall eines Schwangerschafts- oder Ovulationstests - vorliegt.
12
Dazu schlägt das Streitpatent in der verteidigten Fassung im Patentanspruch 1 ein analytisches Testgerät vor, umfassend 1. ein hohles, aus einem feuchtigkeitsundurchlässigen Material aufgebautes Gehäuse, das 2. einen trockenen porösen Träger (10) enthält, der 2.1 einen Streifen oder eine Folie von porösem Material umfasst, 2.2 mit dem Äußeren des Gerätes 2.2.1 direkt oder 2.2.2 indirekt derart in Verbindung steht, dass flüssige Testprobe darauf aufgebracht werden kann, und der 3. ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für eine Nachweissubstanz enthält, das 3.1 sich in trockenem Zustand in einer ersten Zone (12) des trockenen porösen Trägers, 3.2 stromaufwärts von einer Nachweiszone befindet und das 3.3 in feuchtem Zustand innerhalb des porösen Trägers frei beweglich ist, wobei 4. der Markierstoff ein Direktmarkierstoff in Form eines Farbsols, Goldsols oder gefärbten Latexteilchens ist, ferner 5. unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für denselben Analyten, 5.1 das auf dem porösen Träger, 5.2 in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone (14) permanent immobilisiert 5.3 und (daher) in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, wobei 6. die beiden Zonen derartig angeordnet sind, dass eine auf den porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone dringen kann, 7. die Flüssigkeitsprobe, die dem Gerät zugeführt ist, 7.1 das markierte Reagenz aufnehmen 7.2 und danach in die Nachweiszone eindringen kann und 8. das Gehäuse Mittel (32) zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, sowie, in Anspruch 20, ein Analysenverfahren, bei dem 1. ein Testgerät nach irgendeinem der Ansprüche 1 bis 19 mit einer wässrigen Flüssigkeitsprobe in Kontakt gebracht wird, 2. die Probe durch Kapillarwirkung durch den porösen Träger über die erste Zone in die Nachweiszone dringt und 3. das markierte Reagenz mit ihr aus der ersten Zone in die Nachweiszone wandert und 4. das Vorliegen einer Nachweissubstanz in der Probe durch Beobachten des Ausmaßes bestimmt wird, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist.
13
2. Die Beschränkung von Patentanspruch 1 ist zulässig; durch sie wird insbesondere der Schutzbereich des Streitpatents nicht erweitert.
14
a) Eine Schutzbereichserweiterung erfolgt zunächst nicht dadurch, dass das dem Begriff "direct label" (Direktmarkierungsstoff) beigefügte Wort "particulate" (teilchenförmig) entfällt. Als solche Markierungsstoffe kamen zunächst jegliche Einheiten ("entities") in Betracht, deren Vorhandensein ohne Weiteres nachgewiesen werden kann, insbesondere Direktmarkierungsstoffe. Diese werden als Einheiten definiert, die in natürlichem Zustand entweder mit bloßem Auge oder mit Hilfe eines optischen Filters und/oder einer angelegten ("applied" ) Stimulation, z.B. UV-Licht zum Hervorrufen einer Fluoreszenz, leicht sichtbar sind. Als besonders geeignete Beispiele werden winzige farbige Teilchen ("particles"), z.B. Farbsole, Metallsole (wie Goldsole) und gefärbte Latexteilchen angesprochen (vgl. die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung , Anl. NK 1, S. 4 Z. 42 ff.). Insoweit mag zweifelhaft sein, ob der ausdrücklichen Aufnahme eines Hinweises auf den Teilchencharakter der Markierungsstoffe überhaupt sachliche Bedeutung zukommen konnte. Dass diese Eigenschaftsangabe in dem verteidigten Patentanspruch entfallen ist, kann schon deshalb nicht zu einer Erweiterung führen, weil sich der teilchenförmige Charakter der Direktmarkierungsstoffe zwingend aus der abschließenden Aufzählung derjenigen Markierungsstoffe ergibt, für die Schutz beansprucht wird und die allesamt teilchenförmig sind. Die Formulierung "… in Form eines Farbsols …" im verteidigten Patentanspruch 1 ist entgegen der Ansicht der Klägerin ebenfalls von der ursprünglichen Offenbarung gedeckt. Sie bringt nämlich nur zum Ausdruck, dass die drei genannten Direktmarkierungsstoffe allein noch vom Streitpatent erfasst werden sollen.
15
b) Ebenfalls keine Erweiterung des Schutzbereichs von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung liegt in der Umschreibung, wonach der trockene poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material "umfasst" (Merkmale 2 und 2.1). Soweit die Klägerin meint, dadurch würden Ausgestaltungen eingeschlossen, bei denen sich das markierte Bindungsreagenz in einem gesonderten Träger vor dem eigentlichen Trägerstreifen für den chromatografischen Fluss befinden könne, unterscheidet sie nicht hinreichend zwischen der Frage der Platzierung des Bindungsreagenzes, die allein den Schutzbereich betrifft, und der Frage der Ausgestaltung des porösen Trägers, die die Auslegung des erteilten Patents berührt (nachstehend III 2 d). Das mar- kierte Bindungsreagenz ist in trockenem Zustand auch in der verteidigten Fassung von Anspruch 1 des Streitpatents in einer ersten Zone des porösen Trägers enthalten (Merkmale 3, 3.1). Diese merkmalsmäßige Zuordnung des Bindungsreagenzes zum Träger wird durch Verwendung des Verbs "umfasst" im Zusammenhang mit der Bestimmung des porösen Trägers nicht außer Kraft gesetzt. Der Schutzbereich des Patents wird deshalb nicht erweitert.
16
c) Eine unzulässige Schutzbereichserweiterung liegt des Weiteren nicht darin, dass gefärbte Latexteilchen ohne Begrenzung ihres Durchmessers in den Hauptanspruch aufgenommen worden sind. Diese Teilchen sind als solche ohne Beschränkung auf einen bestimmten Höchstdurchmesser in den Anmeldungsunterlagen als Direktmarkierungsstoff offenbart (NK 1 S. 4 Z. 44 f.). Dass die Teilchen in Patentanspruch 2 nur in Verbindung mit einer Größenangabe genannt sind, nötigt nicht zu der Aufnahme dieser Größenangabe in den verteidigten Patentanspruch 1 (vgl. Busse/Keukenschrijver, 6. Aufl., § 83 PatG Rdn. 37; vgl. zur Aufnahme einzelner Merkmale eines Ausführungsbeispiels BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer).
17
d) Mit der Beschränkung, dass der trockene poröse Träger einen Streifen oder eine Folie von porösem Material "umfasst" (Merkmale 2, 2.1), geht die von Anspruch 1 in der verteidigten Fassung beschriebene Ausgestaltung des porösen Trägers nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung oder das erteilte Patent hinaus. Danach sollte das Trägermaterial vorzugsweise in Form eines Streifens oder einer Folie bestehen. Das Gerät konnte gemäß der Erfindung daher auch, falls gewünscht, zwei oder mehrere diskrete Körper von porösem Festphasenmaterial, z.B. getrennte Streifen oder Folien für die Aufnahme von Reagenzien, vereinigen, und zwar, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht ausschließlich parallel nebeneinander angeord- net (NK 1 S. 5 Z. 20 ff.). Demnach blieb es dem Fachmann überlassen, den porösen Träger den jeweiligen Erfordernissen entsprechend unterschiedlich auszugestalten. Diesen Rahmen überschreitet das Streitpatent in der verteidigten Fassung nicht; insbesondere wird durch die Aufnahme der Merkmale des früheren Anspruchs 6 in den Hauptanspruch entgegen der Ansicht der Klägerin keine von der Ursprungsoffenbarung nicht erfasste "Zwischenebene" geschaffen.
18
IV. Soweit das Streitpatent noch verteidigt wird, liegt keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der Art. 138 EPÜ, Art. II § 6 IntPatÜG vor.
19
1. Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen kann.
20
a) Das Erfordernis der ausführbaren Offenbarung bedeutet nicht, dass die Lehre alle im Einzelnen zur Erreichung des erfindungsgemäßen Ziels erforderlichen Schritte detailliert beschreiben müsste. Es reicht aus, wenn dem Fachmann ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Unschädlich ist, wenn er bei der Nacharbeitung auf Unvollkommenheiten stößt, die er als solche erkennt und mit Hilfe seines Wissens im Sinne der Erfindung überwinden kann, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen (vgl. Busse/ Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 34 Rdn. 273 ff.; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 34 Rdn. 364; Benkard/Schäfers, EPÜ, Art. 83 Rdn. 43). Die Erforderlichkeit von Versuchen ist unschädlich, solange sie das übliche Maß nicht übersteigen (Keukenschrijver, aaO Rdn. 293 m.w.N. in Fn. 639). Das gilt namentlich dann, wenn die Lehre, wie hier, den Einsatz biochemischer Reagenzien und die Herbeiführung entsprechender Reaktionen betrifft.
21
b) Danach ist im Streitfall unschädlich, dass der Fachmann einzelne Parameter wie Fließgeschwindigkeit, Konzentration und Bindungsstärke (Affinität) sowohl des zu immobilisierenden als auch des markierten Antikörpers erst, wie der gerichtliche Sachverständige meint, nach Experimenten einstellen konnte, zumal Anmeldungsunterlagen und Streitpatentschrift zu Fließgeschwindigkeit und Teilchen- bzw. Porengröße Angaben enthalten (Anlage NK 1, S. 11 Rdn. 15 ff.; geänderte Streitpatentschrift Abs. 75 ff.). Der danach noch erforderliche Versuchsaufwand übersteigt das dem Fachmann zumutbare Maß nicht.
22
c) Der Nichtigkeitsgrund unzureichender Offenbarung besteht auch nicht in Bezug auf die Resolubilisierung der teilchenförmigen, an die Markierungsantikörper gekoppelten Direktmarkierungsstoffe.
23
Wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ist die Lehre insoweit jedenfalls bei Einbeziehung der in den Unteransprüchen 13 bis 15 enthaltenen Anweisungen ausführbar. Damit wird dem Fachmann (dazu unten 3 b aa), was ausreicht, ein gangbarer Weg zur Ausführung der Erfindung mit allen von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung beanspruchten Direktmarkierungsstoffen offenbart (ähnlich BGHZ 147, 306 - Taxol für die allgemeine Beanspruchung eines Verfahrensschritts in Form einer allgemein bezeichneten Reaktion bei nacharbeitbarer Offenbarung eines ausführbaren Wegs zur Durchführung dieser Reaktion in der Patentschrift). Die zur Ausführung der Erfindung benötigten Angaben müssen nicht abschließend dem Hauptanspruch zu entnehmen sein. Es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt erschließen (vgl. Sen.Urt. v. 1.10.2002 - X ZR 112/99, GRUR 2003, 223 - Kupplungsvorrichtung

II).


24
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist nicht wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären.
25
a) Der Gegenstand des Anspruchs ist neu. Das gilt ungeachtet der Frage , ob das Streitpatent die Priorität einer der beiden britischen Patentanmeldungen 8 725 457 bzw. 8 709 873 (NK 5, 6) wirksam in Anspruch nehmen kann, auch dann, wenn für die Neuheit auf den Anmeldetag des Streitpatents selbst abgestellt wird und die Entgegenhaltungen NK 13, NK 14 und NK 16 bei der Neuheitsprüfung berücksichtigt werden.
26
aa) Die am 23. Dezember 1987 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 250 137 (NK 13) betrifft ein Verfahren zum Nachweis eines Liganden in einer Probe. Es verwendet mit kolloidalem Gold zwar einen Direktmarkierungsstoff. Dieser wird jedoch nicht (in trockenem Zustand) auf einen porösen Träger aufgebracht, sondern ist Bestandteil eines Reagenzes, das mit einer Probe flüssig vorvermischt wird und einen Liganden-Bindungspartner oder einen Liganden enthält, der direkt oder indirekt mit dem kolloidalen Gold markiert ist. Bei diesem Verfahren fehlt es an der Merkmalsgruppe 3 des Streitpatents; außerdem ist kein hohles Gehäuse beschrieben (Merkmale 1 und 8 des Streitpatents ). Ob die Schrift, wie die Klägerin meint, sämtliche Merkmale des Streitpatents vorwegnimmt, wenn die in der Beschreibung erwähnten USPatentschriften 3 888 629, 4 325 601 und 4 361 537 (NK 28 bis 30) einbezogen werden, kann dahinstehen. Die Neuheit einer Erfindung ist grundsätzlich im Wege des Einzelvergleichs zu prüfen. Eine in einer Vorveröffentlichung in Bezug genommene weitere Schrift kann nur berücksichtigt werden, wenn hinreichend deutlich gemacht wird, welche daraus ersichtlichen Informationen in Bezug genommen und zur Grundlage der Vorveröffentlichung gemacht werden und diese dem Leser zum jeweils maßgeblichen Datum zugänglich sind (vgl.
Keukenschrijver, aaO, § 3 PatG Rdn. 111). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die genannten amerikanischen Patentschriften nicht erfüllt.
27
bb) Die am 7. März 1988 eingereichte europäische Patentanmeldung 284 232 (Anl. NK 14) offenbart kein Gehäuse mit Mitteln zum eventuellen Feststellen des Ausmaßes, bis zu dem das Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist (Merkmale 1 und 8 des Streitpatents), und zwar auch nicht, soweit in der Beschreibung von im Stand der Technik vorzufindenden festen Trägern (solid supports) die Rede ist (S. 2 Ziff. 6-13). Damit sind Elemente gemeint, die funktionell dem porösen Träger des Streitpatents entsprechen und nicht seinem hohlen Gehäuse. Das ist, wovon auch die Klägerin ausgeht (Berufungserwiderung S. 34) offensichtlich für den in der Entgegenhaltung erwähnten Tauchstreifens ("dip-stick"), gilt aber auch für die daneben genannten Röhren. Damit sind Kapillarrohre mit einem geringen Durchmesser gemeint, wie sie etwa in der europäischen Patentanmeldung 149 168 (Anl. NK 10) beschrieben sind und bei denen die Kapillarwirkung gerade durch den geringen Durchmesser gefördert wird.
28
cc) Die europäische Patentanmeldung 286 371 (NK 16) beschreibt eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Durchführung von Assayverfahren, die ein Gehäuse und einen trockenen porösen Träger mit einer (immunosorbierenden) Zone umfassen, in welcher ein Mitglied eines spezifischen Bindungspaares immobilisiert sein kann, um den komplementären Bindungspartner zu fangen. Letzterer und seiner Markierung dienende Komponenten - in der Diktion dieser Schrift: Mitglied(er) eines signalerzeugenden Systems - sind vorzugsweise aber in flüssiger Form, gewöhnlich in einem wässrigen Medium, in mindestens einem zerbrechbaren Behälter in dem Gehäuse eingeschlossen, also nicht nach Maßgabe der Merkmalsgruppe 3 des Streitpatents auf dem porösen Träger enthal- ten. Die Schrift erwähnt lediglich, dass Mitglieder des spezifischen Bindungspaares und, falls gewünscht, Mitglieder des signalerzeugenden Systems an das als poröser Träger dienende saugfähige Material gebunden sein können, und zwar nicht-diffundierend oder diffundierend, je nachdem, ob der jeweils durchgeführte Assay die Bewegung eines derartigen Mitglieds entlang des Streifens erfordere oder nicht. Mit diesen Hinweisen offenbart die Patentanmeldung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ein in trockenem Zustand in einer ersten Zone des porösen Trägers enthaltenes direktmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für eine Nachweissubstanz (Merkmale 3, 3.1). Das gilt um so mehr, als das signalerzeugende System der Beschreibung zufolge meistens ein chromophores Substrat und Enzym umfasst, wobei chromophore Substrate enzymatisch in Farbstoffe, die Licht im ultravioletten oder sichtbaren Bereich absorbieren , in Phosphore oder in Fluoreszenzfarbstoffe überführt werden und daneben für die Markierung noch Radioisotope erwähnt werden. Der in der Anmeldung enthaltene Hinweis auf die US-Patentschrift 4 555 839 (NK 23) und die dort beschriebenen Assaymethoden (Sp. 27 Z. 27 ff.) mag zwar die Möglichkeit der Verwendung von Direktmarkierungsstoffen in flüssigen Medien offenbaren , dies aber nicht auf die in der Merkmalsgruppe 3 beschriebenen Weise.
29
dd) Die europäische Patentanmeldung 299 428 (NK 15) datiert mit dem 13. Juli 1988 von einem Tage, der nach der Anmeldung des Streitpatents liegt. Soweit in dieser Schrift für die Priorität auf die amerikanische Patentanmeldung 72 459 mit Datum vom 13. Juli 1987 Bezug genommen wird, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Anmeldung der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung des Streitpatents zugänglich gemacht worden ist. Vielmehr hat die amerikanische Anmeldung die bei der Neuheitsprüfung vorauszusetzende Publizität erst durch die Veröffentlichung auf sie hin erteilten US-Patents erlangt, was jedenfalls nicht vor dem Tag der Anmeldung des Streitpatents geschehen ist.
30
Abgesehen davon wird in dieser Entgegenhaltung kein Gehäuse offenbart , sondern vielmehr in einer Ausführungsform chromatografisches Substratmaterial auf einem inerten Trägerstreifen und eine Deckplatte, die, bis auf einen Endbereich, über die Länge des chromatografischen Materials vorgesehen ist (Anl. NK 12 S. 12 Z. 53). Damit sind die Merkmale 1 und 8 des Streitpatents nicht erfüllt.
31
b) Das Ergebnis von Verhandlung und Beweisaufnahme lässt nicht die Wertung zu, dass sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hat.
32
aa) Der zur Zeit der Anmeldung des Streitpatents mit der Weiterentwicklung von Immunoassays befasste Fachmann verfügte über einen Hochschulabschluss in den Fächern Biochemie oder Biotechnologie bzw. in einem verwandten natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fach und war in einem Großunternehmen beschäftigt. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit auf diesem Gebiet lag seinerzeit in den Händen solcher Unternehmen, die für die Entwicklung ihrer Produkte gegebenenfalls interdisziplinäre Teams zusammenstellten.
33
bb) Die aufgabengemäße Verbesserung von Testgeräten für Immunoassays erforderte, die gegenständliche Ausgestaltung der Geräte dem Bedürfnis eines unkomplizierten Einsatzes in Laienhand anzupassen. Ineinandergreifend mit dieser konstruktiven Aufgabe musste das mithilfe des Geräts durchzuführende Testverfahren hin zu der angestrebten Ein-Schritt-Analyse weiterentwickelt werden. Die vom Streitpatent in der verteidigten Fassung aufgefundene Lösung dieser komplexen Entwicklungsaufgabe ergab sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
34
(1) Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts gab die europäische Patentanmeldung 149 168 (NK 10) dem Fachmann keine richtungsweisenden Anregungen für die konstruktive Wahl des Gehäuses zur Aufnahme des porösen Trägers, auch wenn diese Anmeldung, wie das Streitpatent, eine vereinfachte Anwendung bei Immunoassays anstrebt. Vorgeschlagen wird dort, Kapillarröhrchen mit entsprechend geringem Durchmesser (vgl. NK 10 S. 11 Z. 27 ff.) mit festen Matrizen zu packen, auf denen die für die Durchführung von Assays erforderlichen Reagenzien aufgebracht sind, um anschließend das untere Ende des Röhrchens - das die Funktion des porösen Trägers des Streitpatents übernimmt - in eine Probenlösung zu tauchen oder die Kapillaritätswirkung bei einer Blutentnahme durch Andrücken des Röhrchens an den Bereich der Einstichstelle hervorzurufen. Diese Lösung lag vom Streitpatent recht weit ab.
35
(2) Im Ergebnis nichts anderes gilt für die europäische Patentanmeldung 183 442 (NK 12). Sie beschreibt eine Chromatografie-Vorrichtung und ein Verfahren zu deren Anwendung, insbesondere für die quantitative Bestimmung der Menge eines Analyten. Die Vorrichtung umfasst allerdings ein Gehäuse, welches einen saugfähigen Streifen aufnimmt, der an einem Ende mit der in einem flüssigen Medium gelösten Probe, die mutmaßlich den Analyten enthält, in Verbindung gebracht werden kann. Das Nachweisverfahren nutzt das Bindungsverhalten von Liganden und Rezeptoren - in der Terminologie der Schrift: Mitglieder eines spezifischen Bindungspaars "sbp" - aus. Ein sbp-Mitglied - und zwar der homologe oder reziproke Bindungspartner des jeweiligen Analyten - ist unbeweglich, nicht-diffundierbar, in einem als "immunosorbierende Zone" bezeichneten Bereich des verwendeten Teststreifens aufgebracht. Zum Nachweis des Analyten ist ein sogenanntes signalerzeugendes System vorgesehen, das eine oder mehrere Komponenten aufweisen kann, von denen mindestens eine an ein sbp-Mitglied konjugiert ist. Das signalerzeugende System ermöglicht, das Gebiet in der immunosorbierenden Zone, an das der Analyt gebunden ist, von dem Gebiet zu unterscheiden, in welchem er nicht enthalten ist, so dass die Entfernung von einem vorher bestimmten Punkt auf dem Immunochromatogramm ein Maß für die Menge an Analyt in der Probe ist. Offenbart ist somit eine Lehre, welche die Merkmale bzw. Merkmalsgruppen 1, 2, 7 und 8 aufweist und darüber hinaus lediglich die Merkmale 3.3, 5.1 und 5.3, wohingegen die Merkmale 4 und 6 fehlen. Bezüglich des Testverfahrens selbst bleibt die Entgegenhaltung NK 12 im Wesentlichen den im Stand der Technik dominierenden enzymatischen Markierungen verhaftet und kann deshalb den damit einhergehenden höheren Detektionsaufwand nicht reduzieren. Zur Durchführung des Assays wird das untere Ende des Teststreifens mit der Probe in Kontakt gebracht , die zuvor in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst worden ist, welches ein oder mehrere Mitglieder des signalerzeugenden Systems enthalten kann. Infolge der Kapillarwirkung durchwandert die Probenlösung den saugfähigen Träger einschließlich der immunosorbierenden Zone. Wenn das nachweisbare Signal, gegebenenfalls nach Entwicklung des auf Enzymbasis funktionierenden Assays, erzeugt worden ist, kann die Entfernung von einem Ende des Chromatogramms als quantitatives Maß der Menge an Analyten in der Probe unter Verwendung der am Gehäuse vorgesehenen Anzeigemittel in Form einer graduierten Skala (NK 12 S. 9 Z. 9 ff.) gemessen werden. Mit Blick auf die im Vergleich zum Streitpatent unterschiedliche Bedeutung der Anzeigemittel in dieser Entgegenhaltung fehlt dem in ihr beschriebenen Gehäuse auch eine hinreichende Vorbildfunktion für die Lehre des Streitpatents.
36
(3) Zu einem aufgabengemäß verbesserten Testgerät führten den Fachmann entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts auch nicht die europäische Patentanmeldung 186 799 (NK 32) und die internationale Patentanmeldung WO 86/04683 (NK 38).
37
In der ersteren Anmeldung werden ein analytisches Mittel und Verfahren zum Nachweis oder zur Bestimmung einer Komponente eines bioaffinen Bindungspaars offenbart. Das dabei verwendete flächenförmige diagnostische Mittel besteht aus einem oder mehreren hintereinander angeordneten Streifen, die untereinander über ihre Kanten in für wässrige Lösungen saugfähigem Kontakt stehen und aus entsprechendem Material, wie beispielsweise Cellulose o. Ä. bestehen. Die Streifen enthalten die für das jeweilige diagnostische Mittel notwendigen Reagenzkomponenten. Einer der bioaffinen Bindungspartner wird in der sogenannten Festphasenzone an das Trägermaterial in dem Funktionsbereich gebunden, der zum Nachweis des Analyten vorgesehen ist. Zumindest ein markierter Reaktand befindet sich in einer vorgelagerten Zone und wird, wenn eine Lösungsmittelprobe aufgetragen wird, vom ankommenden Lösungsmittel verflüssigt in die Festphasenzone transportiert, wo er durch ein bioaffines Bindungssystem gebunden wird. Die Erfindung weist die Merkmalsgruppen 2, 3, 5, 6 und 7 auf. Sie offenbart dagegen kein Gehäuse (Merkmal 1) und dementsprechend auch nicht das Merkmal 8 und bedient sich auch nicht eines Direktmarkierstoffs (Merkmal 4), sondern bevorzugt eine Enzymmarkierung, die chromogene, Fluoreszenz oder Chemilumineszenz erzeugende Substratsysteme erfordert und erwähnt des Weiteren eine Chemilumineszenzmarkierung, die allerdings erst nach Zugabe eines Reagenzes gemessen wird.
38
Einen Direktmarkierungsstoff offenbart ebenfalls nicht die internationale Patentanmeldung WO 86/04683 (NK 38).
39
(4) Um zum Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung zu gelangen, bedurfte es mehr, als zusätzlich zu den aus den Entgegenhaltungen NK 32 und NK 38 ersichtlichen Vorschlägen die im Stand der Technik bekannten partikelförmigen Direktmarkierungsstoffe in Betracht zu ziehen.
40
Die europäische Patentanmeldung 32 270 (NK 19) schlägt die Verwendung von kolloidalen Farbstoffpartikeln in wässrigen Lösungen vor. Der Vorzug dieser Markierungen besteht den Anmeldungsunterlagen zufolge darin, dass die Enzym/Substrat-Inkubation weggelassen werden kann. Der Bindungsschritt zwischen der Nachweissubstanz und dem partikelmarkierten Nachweisreagenz erfolgt in einer Lösung, bevor die Probe auf den porösen Träger aufgetragen wird. Genauso verhält es sich bei der US-Patentschrift 4 552 839 (NK 23), in der teilchenförmige Direktmarkierungsstoffe zwar beschrieben sind, die aber ebenfalls gelöst auf den porösen Träger aufgebracht werden. Die Verwendung von Direktmarkierungsstoffen in gelöstem Zustand führte nicht zu der vom Streitpatent aufgefundenen einfachen Ein-Schritt-Analyse, bei welcher der Anwender lediglich die Flüssigkeitsprobe in Kontakt mit dem Testgerät bringen muss, um kurze Zeit später ein Testergebnis ablesen zu können. Um den Test so zu vereinfachen, musste der Fachmann die vergleichsweise umständliche Vermischung der Probe mit dem Bindungsreagenz vor der Aufbringung auf den Teststreifen durch eine einfache und sicher anwendbare Alternative ersetzen. Dazu musste er erkennen, dass die direktmarkierten Bindungsreagenzien auch in trockenem Zustand im Träger untergebracht werden können, um sie von der infolge der Kapillarwirkung aufsteigenden Probe wieder auflösen und mitsamt der Probenflüssigkeit zum auf dem porösen Träger immobilisierten komplementären Bindungspartner schwemmen zu lassen.
41
(5) Zu dieser Lösung führte den Fachmann auch nicht der in der internationalen Patentanmeldung WO 86/03839 (NK 11) beispielhaft beschriebene qualitative Schwangerschaftstest (Beispiel X). Bei diesem wird eine Nitrocellulosemembran als Träger eingesetzt, die mit einer Abdeckung versehen wird, welche eine etwa 2 mm2 große Öffnung aufweist. Ein Tupfer, der mit lyophilisiertem Gold markierte Anti-hCG-Antikörper enthält, wird in Probeurin, welcher möglicherweise hCG enthält, angefeuchtet und dann für etwa 30 Sekunden mit der Membranabdeckung in Kontakt gebracht, damit der Urin aus dem Tupfer in die Membran diffundieren kann. Konzentrationen von hCG von über 50 mIU/ml, die im Allgemeinen eine Schwangerschaft anzeigen, können durch die Anwesenheit eines roten Flecks diagnostiziert werden; schwächere Konzentrationen erzeugen keinen solchen Fleck.
42
Die bloße Verwendung eines lyophilisierten Direktmarkierungsstoffs in diesem Beispiel gibt keinen zur Lehre des verteidigten Streitpatents führenden Hinweis. Die Benutzung eines mit markierten Antikörpern imprägnierten Tupfers , der mit Urin zu benetzen und dann auf die Membran aufzubringen ist, führt ebenso wenig zu einem aufgabengemäß problemlos und fehlerunanfällig von Laienhand ausführbaren Ein-Schritt-Analysensystem, wie dieses Beispiel dem Fachmann keine Anregung dafür gibt, das trockene markierte Bindungsreagenz in einer ersten Zone eines porösen Trägers zu platzieren, um es von der durch Kapillarität aufsteigenden Probenflüssigkeit zu einem einer weiteren Zone stromabwärts des Trägers fixierten Bindungspartners transportieren zu lassen. Vielmehr findet die Detektion punktuell an der Stelle statt, an der der Tupfer mit der mit polyklonalen Antikörpern gesättigten Membran in Berührung gebracht wird. Insgesamt bietet dieses Testverfahren keine Anregungen für die vom Streitpatent aufgabengemäß angestrebte Verbesserung der marktüblichen Testgeräte für den privaten Gebrauch, wie dies im Ergebnis auch schon die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in ihrer Entscheidung vom 27. Januar 2000 - T 0681/98 befunden hat.
43
cc) Die europäischen Patentanmeldungen 284 232 (NK 14) und 286 371 (NK 16) sind bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen (Art. 56 Satz 2 i. V. mit Art. 54 Abs. 3 EPÜ). Die europäische Patentanmeldung 299 428 (NK 15) ist ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt, liegt das für sie maßgebliche Anmeldedatum zeitlich nach dem des Streitpatents (oben IV 2 a dd).
44
Die europäische Patentanmeldung 250 137 (NK 13) ist zwar dem Stand der Technik zuzurechnen, gab dem Fachmann aber keine Anregungen zur Auffindung zu der vom Streitpatent in seiner verteidigten Fassung unter Schutz gestellten Lehre.
45
3. Die nachgeordneten Ansprüche und der nebengeordnete Verfahrensanspruch haben mit dem verteidigten Hauptanspruch Bestand.
46
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 07.06.2005 - 3 Ni 11/01 (EU) -

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.