Bundesgerichtshof Urteil, 24. Apr. 2007 - X ZR 201/02

bei uns veröffentlicht am24.04.2007
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 8/01, 19.03.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 201/02 Verkündet am:
24. April 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verpackungsmaschine

a) Eine Klageerweiterung ist im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren stets
zuzulassen, wenn der Beklagte einwilligt oder der Bundesgerichtshof die
Klageerweiterung für sachdienlich hält.

b) Die Vorschriften des § 529 Abs. 1 und des § 531 Abs. 2 ZPO sind im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren
nicht entsprechend anwendbar.
BGH, Urteil vom 24. April 2007 - X ZR 201/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 19. März 2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 226 693 wird im Umfang der Patentansprüche 1, 19, 20 und 21 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des während des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 226 693 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 25. April 1986 beruht, für die die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 20. Dezember 1985 in Anspruch genommen worden ist. Das Streitpatent umfasst 21 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 19, 20 und 21 wie folgt lauten: "1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel, mit einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, mit einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und einer Quersiegelstation (6), die hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet ist und Quersiegelbacken (81, 82) aufweist, welche an zwei um parallele Achsen synchron und gegenläufig drehbaren Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet sind, wobei jede Siegelbacke von einem relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbaren Backenhalter (36) gehalten ist, und wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Form- schulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) einstellbar ist.
19. Verpackungsmaschine nach einem der vorhergehenden Ansprüche , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufes der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist zur Herstellung einer gleichschnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Quersiegelbacken (81, 82, 81a, 82a) im Bereich der Siegelzone (D-C).
20. Verpackungsmaschine nach Anspruch 19, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist.
21. Verpackungsmaschine nach Anspruch 20, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Winkelgeschwindigkeit der Schlauchbeutelträger (26, 27) etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zunimmt und danach wieder abnimmt."
2
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht für patentfähig. Sie beruft sich auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften: (1) US-Patentschrift 3 850 780 (Anl. NK 3) (2) deutsche Offenlegungsschrift 27 01 443 (Anl. NK 4) (3) US-Patentschrift 4 023 327 (Anl. NK 7) (4) US-Patentschrift 2 950 588 (Anl. NK 8) (5) US-Patentschrift 4 549 386 (Anl. E 2) (6) deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Anl. E 3) (7) deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Anl. E 5)
3
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "dass der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind, dass zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mir Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen, und dass das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ist."
4
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag, soweit abgewiesen, weiterverfolgt und ferner die Patentansprüche 19 bis 21 angreift.
5
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen, wobei sie die Patentansprüche 19 bis 21 mit der Maßgabe verteidigt, dass sich die Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 auf die Anspruchsfassung des angefochtenen Urteils beziehen soll, und Patentanspruch 1 hilfsweise folgende Fassung erhalten soll: 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel mit 1.1 einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. die Quersiegelstation (6) 2.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet , 2.2 und weist Quersiegelbacken (81, 82) auf; 3. die Quersiegelbacken (81, 82) sind an zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 4. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 5. jede Siegelbacke ist von einem Backenhalter (36) gehalten; 6. der Backenhalter (36) ist relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbar; 7. die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes; 7a. der Hüllstofftransport und die Quersiegelung sind getrennt; 8. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind ständig umlaufende Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen; 9. die Hüllstoffförderer liegen im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) an; 10. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar; 10a. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ; 11. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist derart einstellbar, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist.
6
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. H. R. , ein , schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. habil. J. H. , D. , in ihrem Auftrag verfasst hat; die Beklagte hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. B. C. , A. , für sie erstattet hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
8
I. Die Klage ist zulässig.
9
1. Obwohl das Streitpatent durch Zeitablauf erloschen ist, hat die Klägerin ein fortbestehendes Interesse an der Nichtigerklärung, da sie aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür; st. Rspr.).
10
2. Die Klage ist auch insoweit zulässig, als sie in zweiter Instanz auf die Patentansprüche 19 bis 21 erweitert worden ist.
11
Die Klageerweiterung, der die Beklagte widersprochen hat, ist entsprechend § 533 Nr. 1 ZPO als sachdienlich zuzulassen, da sie zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet, und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (vgl. Sen.Urt. v. 6.4.2004 - X ZR 132/02, BGH Rep. 2004, 1107, m.w.N.). Soweit § 533 Nr. 2 ZPO die Zu- lassung einer Klageänderung weiterhin davon abhängig macht, dass diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, kommt eine entsprechende Anwendung auf das Patentnichtigkeitsberufungsverfahren nicht in Betracht, da die Anwendung des § 529 Abs. 1 ZPO ihrerseits wegen der selbständigen Regelung des Umfangs der Sachprüfung im Berufungsrecht des Patentgesetzes ausscheidet (vgl. Sen.Urt. v. 13.1.2004 - X ZR 212/02, GRUR 2004, 354 - Crimpwerkzeug; Sen.Beschl. v. 7.6.2005 - X ZR 174/04, GRUR 2005, 888 - Anschlussberufung im Patentnichtigkeitsverfahren

).


12
II. Soweit die Beklagte die Patentansprüche 19 bis 21 in ihrer (unmittelbaren oder mittelbaren) Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 des erteilten Patents nicht mehr verteidigt, ist das Streitpatent in diesem Umfang ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären. Aber auch im Übrigen führt die Berufung im Umfang des Patentanspruchs 1, auch soweit das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen hat, und ferner im Umfang der mit der zweitinstanzlichen Klageerweiterung angegriffenen Patentansprüche 19 bis 21 zur Nichtigerklärung des Streitpatents, da sich dessen Gegenstand, auch in der Fassung des Hilfsantrags , als dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt und daher nicht patentfähig erweist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artt. 52 Abs. 1, 56 EPÜ).
13
1. Das Streitpatent betrifft eine Verpackungsmaschine zum Herstellen , Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material. Die Maschine weist ein - vorzugsweise vertikal verlaufendes - Füllrohr auf, das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, wobei ein Längssiegelorgan die sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn verbindet.
Hinter der Ausgangsöffnung des Füllrohrs ist eine Quersiegelstation angeordnet , deren Siegelbacken von Backenhaltern gehalten werden und mit diesen schwenkbar an Backenträgern angeordnet sind, die um parallele Achsen synchron gegenläufig drehbar sind. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbands.
14
Die Streitpatentschrift beschreibt, dass aus der deutschen Offenlegungsschrift 21 26 498 eine Verpackungsmaschine dieser Art bekannt ist, bei der der Vorschub des Folienschlauches durch die Schweißbacken erfolgt. Da nach dem Lösen der Quersiegelbacken vom Schlauch und dem Angreifen der nächsten Quersiegelbacken notwendig eine gewisse Zeit verstreicht, ist die Abzugsbewegung diskontinuierlich, was - neben den erheblichen Massenkräften durch die hohen Gewichte der Siegelbacken - die mögliche Arbeitsgeschwindigkeit begrenzt. Bei bekannten kontinuierlich arbeitenden Vorrichtungen bereitet die Anpassung an unterschiedliche Beutellängen Schwierigkeiten.
15
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, bei hoher Arbeitsleistung eine kontinuierliche Verarbeitung von Beuteln frei wählbarer Länge zu ermöglichen (vgl. Sp. 2 Z. 56-61 der Streitpatentschrift).
16
Das soll nach Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils mit folgender Merkmalskombination erreicht werden (Zusätze des Hilfsantrags kursiv): 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband (5) aus heißversiegelbarem Material mit 1.1 einem - vorzugsweise vertikal verlaufenden - Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter (11), an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband (5) zu einem Schlauch (4) formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und 1.4 einer Quersiegelstation (6); 2. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind Hüllstoffförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen, die 2.1 ständig umlaufen und 2.2 im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluss am Hüllstoff (5) anliegen; 3. die Quersiegelstation (6) 3.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres (3) angeordnet , 3.2 und weist Siegelbacken (81, 82) auf; 4. Die Siegelbacken (81, 82) sind jeweils 4.1 von einem Backenhalter (36) gehalten und 4.2 über diesen schwenkbar an einem von zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet; 5. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig kontinuierlich drehbar; 6. Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt; 7. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar 7.1 auf jede beliebige Relation 7.2 durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27), 7.2a derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes annäherbar ist, 7.3 wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken (81, 82) während ihres Kontaktes mit dem Hüllstoffschlauch (4) höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes (5) ist.
17
Die Patentansprüche 19 bis 21 fügen folgende Merkmale hinzu: 7.4 wobei das Verhältnis zwischen der Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauches (4) und der Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) während eines Umlaufs der Siegelbackenträger (26, 27) zur Herstellung einer gleich schnellen Bewegung von Hüllstoffschlauch (4) und Siegelbacken (81, 82) im Bereich der Siegelzone (D-C) veränderlich ist (Patentanspruch 19), 7.5 derart, dass die Abzugsgeschwindigkeit des Hüllstoffschlauchs (4) konstant und die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) veränderlich ist (Patentanspruch 20), 7.6 indem diese etwa bis zur Mitte der Siegelzone (D-C) zu- und danach wieder abnimmt (Patentanspruch 21).
18
Die nebenstehend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
19
2. Der Gegenstand der verteidigten Patentansprüche 1 und 19 bis 21 war dem Fachmann am Prioritätstag durch den Stand der Technik nahegelegt.
20
a) Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts wird durch das der Erfindung zugrunde liegende Problem ein an einer Fachhochschule ausgebildeter DiplomIngenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen in der Entwicklung von Verpackungsmaschinen angesprochen. Dies wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und entspricht im Wesentlichen der Beurteilung durch den gerichtlichen Sachverständigen und die Privatgutachter der Parteien.
21
b) Eine Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material mit Füllrohr, Formschulter, Längssiegelorgan und Quersiegelstation war aus der US-Patentschrift 2 950 588 (Druckschrift 4) bekannt. Die Quersiegelstation ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet und weist Siegelba- cken (die faces 46) auf. Sie sind jeweils von einem Backenhalter (die body 45) gehalten und über diesen schwenkbar an einem Siegelbackenträger (crank 52) angeordnet. Die Siegelbackenträger sind um parallele Achsen (der Wellen 28, 57) synchron gegenläufig drehbar, wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes entspricht (Sp. 6 Z. 23 f.). Hüllstofftransport und Quersiegelung sind getrennt: Zum Abzug des Hüllstoffbandes sind Hüllstoffförderer (film feed rollers 44) vorgesehen, die ständig umlaufen und im Bereich unterhalb der Formschulter mit Reibschluss am Hüllstoff anliegen. Das entspricht , wie auch die Beklagte nicht bezweifelt, im Umfang der Merkmale 1 bis 6 sowie 7.3 der technischen Lehre des Streitpatents.
22
Hingegen ist, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, und entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts bei der bekannten Vorrichtung das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer und der Siegelbackenträger nicht wie von Merkmal 7 gefordert einstellbar. Denn zur Verarbeitung unterschiedlicher Beutellängen sind auf dem Hüllstoffband Markierungen (60) vorgesehen, die von einem photoelektrischen Sensor (59) abgetastet werden, der über ein Relais (61) eine elektrische Kupplung (29) steuert, die die Antriebswellen für die Siegelbackenträger mit dem Motor (24) verbindet. Je nach Größe des Abstands zwischen zwei Markierungen werden die Siegelbackenträger während ihres Umlaufs für eine bestimmte Zeit angehalten. Werden sie in Bewegung gesetzt, laufen sie mit konstanter Geschwindigkeit um, die gewährleistet, dass sie sich in der Siegelzone mit gleicher Geschwindigkeit wie der Hüllstoffschlauch bewegen (Sp. 4 Z. 37-54). Dies stellt keine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten im Sinne des Merkmals 7 dar. Das Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeiten bleibt vielmehr konstant, damit in der Siegelzone keine Geschwindigkeitsdifferenz auftritt (Merkmal 7.3).
Stehen die Siegelbackenträger hingegen still, gibt es keine Relation zwischen zwei Umfangsgeschwindigkeiten.
23
Der Erwägung der Klägerin, unter der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Sinne des Merkmals 7 sei deren durchschnittliche Umfangsgeschwindigkeit zu verstehen, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere kann dieses Verständnis nicht damit begründet werden, dass das Streitpatent es zulässt und in den Merkmalen 7.4 und 7.5 sogar erfordert, dass sich die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger während eines Umlaufs verändert. Vielmehr ergibt sich umgekehrt aus dem Umstand, dass sich erfindungsgemäß nicht nur die Geschwindigkeiten ändern, sondern das Geschwindigkeitsverhältnis selbst während eines Umlaufs der Siegelbackenträger veränderlich sein kann (Merkmal 7.4), dass unter dem Geschwindigkeitsverhältnis im Sinne des Merkmals 7 die Relation der beiden Geschwindigkeiten über einen gegebenen Drehwinkel zu verstehen ist.
24
c) Gleichwohl war es dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, die bekannte Vorrichtung dadurch weiterzubilden, dass er für eine Einstellbarkeit des Verhältnisses der Umfangsgeschwindigkeiten Sorge trug, wie sie die Merkmale 7 bis 7.6 des Streitpatents vorschreiben.
25
aa) Bei einer Analyse der Vorrichtung nach der Druckschrift 4, wie sie von einem Diplom-Ingenieur erwartet werden konnte, war erkennbar, dass die Steuerung des Siegelbackenträgerumlaufs es in einfacher Weise ermöglichte, Beutel unterschiedlicher Länge zu verarbeiten, dass der Steuerungsmechanismus jedoch relativ unflexibel war. Das Hüllstoffmaterial musste mit (lesbaren) Markierungen versehen und zur Anbringung solcher Markierungen geeignet sein, und eine Änderung der Beutellänge setzte die Zuführung eines mit anderen Markierungen versehenen Hüllstoffbandes voraus. Schon darin hat der ge- richtliche Sachverständige einen aus der fachmännischen Sicht des Prioritätszeitpunkts nach Abhilfe verlangenden Nachteil gesehen. Zudem beschränkte die Regelung des Siegelbackenträgerumlaufs durch unterschiedlich lange Stillstandszeiten den regelbaren Bereich möglicher (durchschnittlicher) Umlaufgeschwindigkeiten ; auch dies fiel aus der Sicht des um Prozessoptimierung bemühten Fachmanns ins Gewicht. Schließlich mussten diesem auch das Abbremsen der Siegelbackenträger bis zum Stillstand und das Wiederanfahren innerhalb sehr kurzer Arbeitstakte ungünstig erscheinen.
26
All dies bot hinreichenden Anlass für die Prüfung, wie die Umlaufgeschwindigkeit der Siegelbackenträger in anderer Weise gesteuert werden konnte. Insoweit gehörte es, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, im Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen, dass bei zwei von einem einzigen Motor angetriebenen Maschinenteilen, die zeitweise unterschiedliche Ansteuerungen erforderten, ohne besonderen Aufwand anstelle einer Kupplungsverbindung ein zweiter Schrittmotor vorgesehen und gesondert angesteuert werden kann. Sah der Fachmann sich, sofern es dessen überhaupt bedürfen sollte, nach einem Vorbild für eine derartige Steuerung um, so fand er in der US-Patentschrift 4 549 386 (Druckschrift 5) eine Verpackungsmaschine, bei der die Quersiegelbacken mikroprozessorgesteuert von einem eigenen Motor angetrieben werden.
27
Der Bitte der Beklagten, diese Druckschrift nach § 531 Abs. 2 ZPO wegen verspäteter Einführung erst in der Berufungsinstanz außer Betracht zu lassen , kann nicht entsprochen werden. Abgesehen davon, dass auch nach § 531 Abs. 2 ZPO unstreitiges neues Vorbringen, wie es der Inhalt der USPatentschrift 4 549 386 als solcher darstellt, nicht zurückgewiesen werden könnte (BGHZ 161, 138), findet die Vorschrift aus den zu I. dargelegten Grün- den im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren keine Anwendung. Die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 PatG liegen nicht vor.
28
bb) Erwog der Fachmann eine Regelung der in der Druckschrift 5 beschriebenen Art für den Siegelbackenträgerantrieb, musste ihm dabei bewusst sein, dass er den Gleichlauf von Siegelbackenträgern und Hüllstofftransport im Bereich der Siegelzone beibehalten musste, jedenfalls die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontaktes mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes sein durfte (vgl. Merkmal 7.3), um Beschädigungen des Hüllstoffbandes auszuschließen. Daraus ergab sich zwangsläufig die Konsequenz, einerseits eine von der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger mit der Folge einer beliebigen Geschwindigkeitsrelation (Merkmale 7 bis 7.2) und der Möglichkeit einer kontinuierlichen Drehung (Merkmal 5 i.d.F. des Hilfsantrags) vorzusehen, andererseits im Bereich der Siegelzone den Gleichlauf mit der Folge eines im Sinne des Merkmals 7.4 veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses beizubehalten.
29
cc) Zur Umsetzung eines solchen veränderlichen Geschwindigkeitsverhältnisses bot es sich an, die Winkelgeschwindigkeit der Siegelbackenträger im Bereich der Siegelzone zweckentsprechend zu wählen (Merkmale 7.5 und 7.6). Eine solche Abstimmung konnte, wie auch die Streitpatentschrift bemerkt (Sp. 11 Z. 23-27) "mit konventionellen Mitteln erfolgen", wobei hierfür sowohl rein mechanische als auch elektronische Lösungen zur Verfügung standen. Dies zeigen sowohl die deutsche Offenlegungsschrift 22 24 407 (Druckschrift 6) als auch die deutsche Offenlegungsschrift 33 38 105 (Druckschrift 7), die jeweils entsprechende Steuerkurven für Siegelbackenträger offenbaren, und ist auch von der Beklagten zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen worden.
30
dd) Schließlich musste es zweckmäßig erscheinen, die Abzugsgeschwindigkeit für den Hüllstoff in weitgehender Annäherung an die Fallgeschwindigkeit des zu verpackenden Gutes zu wählen (Merkmal 7.2a). Denn bei einer höheren Geschwindigkeit müsste, wenn die Beutel vollständig gefüllt werden sollten, der Hüllstoff diskontinuierlich gefördert werden, was unerwünscht ist. Eine wesentlich niedrigere Geschwindigkeit führte hingegen zu einer unerwünschten Verlangsamung des Herstellungsprozesses und wäre zudem mit der offenkundigen Gefahr einer stärkeren Beanspruchung der frischen Quersiegelnaht verbunden.
31
ee) Insgesamt gelangte der Fachmann damit in naheliegender Weise zu einem Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen 1 bis 7.6 der Patentansprüche 1 und 19 bis 21.
32
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.03.2002 - 1 Ni 8/01 (EU) -

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 212/02 Verkündet am: 13. Januar 2004 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 24. Apr. 2007 - X ZR 201/02.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2010 - X ZR 67/05

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 67/05 Verkündet am: 9. November 2010 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgericht

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Okt. 2007 - X ZR 104/06

bei uns veröffentlicht am 23.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 104/06 Verkündet am: 23. Oktober 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2008 - X ZR 154/05

bei uns veröffentlicht am 04.11.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 154/05 Verkündet am: 4. November 2008 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgericht

Referenzen

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 17/02 Verkündet am:
15. November 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Koksofentür
PatG (1981) §§ 81, 14, 21 Abs. 1 Nr. 4, 38

a) Das nach Erlöschen des Streitpatents erforderliche besondere eigene
Rechtsschutzbedürfnis des Nichtigkeitsklägers an der Nichtigerklärung des
Streitpatents ist nach rechtskräftiger Verurteilung des Nichtigkeitsklägers in
einem Verletzungsrechtsstreit jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Nichtigkeitskläger
für den Fall der Nichtigerklärung des Streitpatents eine Restitutionsklage
in Betracht zieht.

b) Bezugszeichen im Patentanspruch schränken den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel
ein.

c) Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren ist
es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle
der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch
aufgenommen werden.
BGH, Urt. v. 15. November 2005 - X ZR 17/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 8. November 2001 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des am 23. Juni 1979 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika angemeldeten deutschen Patents 29 25 730 (Streitpatents), das eine "Koksofentür" betrifft, drei Patentansprüche umfasste und inzwischen nach Ablauf der Schutzdauer erloschen ist. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "1. Koksofentür mit einem der Türleibung der Ofenkammer zugekehrten , vom Türrahmen kragarmartig vorspringenden Dich- tungselement, dessen zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist[,] und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, dadurch gekennzeichnet, daß der Spannrahmen aus einer am Türrahmen befestigten und von diesem kragarmartig vorspringenden Federmembran (20) besteht, die über ihre zur Dichtfläche hin abgewinkelte Außenkante (44) mit dem Dichtungselement (30) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden, ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelten Abschnitt (52) verbunden ist."
2
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die Klägerin ist von der Beklagten wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen und durch rechtskräftig gewordenes Grundurteil des Landgerichts Düsseldorf auf eine Schadensersatzklage hin verurteilt worden. Sie hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Gegenstand des Streitpatents sei eine Dichtung für eine Koksofentür, die aus zwei Teilen bestehe, nämlich einem um die Tür herumführenden kragenartig vorspringenden Dichtungselement und einer Vorrichtung zur Erzeugung einer elastischen Kraft. Dabei sei aus der ursprünglich offenbarten Dichtungsvorrichtung mit einem schneidkantenartigen Dichtungselement und einer Stützvorrichtung eine Dichtvorrichtung geworden, die lediglich noch das schneidkantenartige Dichtungselement sowie eine kragarmartig vorspringende Federmembran vorsehe, womit das Stützglied völlig entfallen sei.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der beklagten Patentinhaberin, die beantragt, un- ter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
5
Prof. W. im Auftrag des Se- hat nats ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Berufung führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Bundespatentgerichts zur Abweisung der Klage.
7
I. Allerdings ist die Nichtigkeitsklage im vorliegenden Fall auch nach Erlöschen des Streitpatents infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer weiterhin zulässig. In diesem Fall ist zwar ein besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Nichtigerklärung des abgelaufenen Patents erforderlich (st. Rspr.; zuletzt Sen.Urt. v. 22.02.2005 - X ZR 148/00, Umdruck S. 6; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 2. Aufl. 2005, Rdn. 120, je m.w.N.). Dieses kann aber bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Nichtigkeitsklägers im Verletzungsstreit vorliegen, weil eine Nichtigerklärung des angegriffenen Patents der im Verletzungsprozess unterlegenen Partei die Möglichkeit eröffnen würde, im Wege der Restitutionsklage gegen ihre Verurteilung vorzugehen (vgl. BPatGE 33, 240 = GRUR 1993, 732; Keukenschrijver, aaO; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, Rdn. 46 zu § 81; Mes, PatG GebrMG, 2. Aufl. 2005, Rdn. 42 zu § 81 PatG). Nachdem die Nichtigkeitsklägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie für den Fall der Nichtigerklärung die Durchführung eines Restitutionsverfahrens in Betracht ziehe, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigkeitsklage ohne weiteres zu bejahen.
8
II. Der Senat vermag aber der Auffassung des Bundespatentgerichts nicht beizutreten, der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund greife durch, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (§ 22 Abs. 1 PatG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG; "unzulässige Erweiterung", sachlich übereinstimmend mit § 13 Abs. 1 Nr. 4 PatG 1978; Art. XI § 3 Abs. 5 IntPatÜG; vgl. zur Anwendbarkeit der §§ 21, 22 PatG 1981 BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer).
9
1. Das Streitpatent schützt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür mit einem vorspringenden Dichtungselement und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, wobei der Spannrahmen aus einer Federmembran (20) besteht, in besonderer Ausgestaltung. Diese Abdichtung kommt im Wesentlichen allein mit mechanischen Mitteln aus. Damit soll eine Abdichtung geschaffen werden, die in ihrer Zuverlässigkeit und Einsatzfähigkeit mindestens das Ergebnis anderer, z.B. aus der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 vorbekannter Einrichtungen erreicht (vgl. die Angaben zur "Aufgabe" in der Beschreibung des Streitpatents Sp. 3 Z. 46-52). In der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 ist eine mit einer Sperrgasdichtung ausgestattete Koksofentür beschrieben, bei der ein Dichtungselement mit seiner äußeren, als Schneide ausgebildeten Kante gegen eine Dichtungsfläche der Türleibung mittels einer von Druckzylindern gebildeten Spannvorrichtung gedrückt wird. Diese Druckzylinder drücken dabei starre Schienen gegen die als Zackenkante ausgebildete Schneidkante.
10
2. Das Streitpatent stellt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür unter Schutz, bei der
(1)
das Dichtungselement (1.1) der Türleibung der Ofenkammer zugekehrt ist, (1.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (1.3) seine zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist,
(2)
miteiner Spannvorrichtung, (2.1) die bei Verriegelung der Tür die Dichtungsschneide belastet (2.2) über einen Spannrahmen, wobei
(3)
der Spannrahmen aus einer Federmembran besteht, die (3.1) am Türrahmen befestigt ist, (3.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (3.3) eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenkante aufweist, wobei
(4)
diese Außenkante verbunden ist (4.1) mit dem Dichtungselement, (4.2) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden Abschnitt, (4.2.1) der ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelt ist.
11
3. Dabei hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Formulierung in Patentanspruch 1, der Spannrahmen "bestehe" aus einer Federmembran, nicht in dem Sinn zu verstehen ist, dass die Federmembran notwendig das einzige Element des Spannrahmens sein solle. Das Wort "besteht" ist hier jedenfalls auch in dem Sinn verwendet, dass der Spannrahmen neben der Federmembran noch weitere Elemente aufweisen kann, wie dies etwa die ein Ausführungsbeispiel wiedergebende Figur 10 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt, insbesondere die dort dargestellten Abschnitte 44 und 46. Im Übrigen schränken die Bezugszeichen im Patentanspruch den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel ein (vgl. EPA - techn. Beschwerdekammer - T 237/84 ABl. EPA 1987, 309; Ullmann in Benkard, PatG, 9. Aufl. 1993, Rdn. 14 zu § 14 PatG; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Rdn. 53 zu § 14; Schulte, aaO Rdn. 142 zu § 34; so schon zum früheren Recht BGH, Urt. v. 30.10.1962 - I ZR 46/61, GRUR 1963, 563, 564 - Aufhängevorrichtung). Die Nennung von Bezugszeichen im Patentanspruch 1 des Streitpatents führt daher nicht zu einer Beschränkung des Gegenstands des Patents auf Ausgestaltungen, die den Darstellungen entsprechen , in denen diese Bezugszeichen verwendet werden.
12
4. Eine erfindungsgemäße Ausgestaltung wird in den jeweils verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 (Darstellung einer Vorderansicht der Tür auf der Stoßrichtungsseite), 7 (Schnitt bei 7-7 in Fig. 1), 8 (Schnitt entlang 8-8 in Fig. 7) und 10 (Schnitt entlang 10-10 in Fig. 8) des Streitpatents gezeigt: Fig. 1
13
Hier bezeichnen die Bezugszeichen 14 die Koksofenwand mit den Türleibungen 12 und der mit Feuerfeststeinen ausgekleideten Koksofentür. Der Türkörper weist die Grundplatte 32, das Hauptrahmenschweißstück 34, die Seitenplatten 36 und 38 und die Bodenplatte 40 auf. Das Stützglied 42 ist im Ausführungsbeispiel in die drei Abschnitte 48, 50, 52 aufgeteilt. Die Spannvorrichtung übt Druck auf die Schneide 52 aus, die gegen die Leibung 12 gedrückt wird.


14
Die Federmembran ist mit dem Befestigungsabschnitt 46 am Türrahmen befestigt. Der weitere Abschnitt 44 ist in Richtung Leibung abgewinkelt und an seinem Ende mit der Dichtungskante 52 verbunden.
15
III. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass sich der in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Gegenstand nicht den Anmeldeunterlagen entnehmen lasse, und dass Patentanspruch 1 des Streitpatents damit unzulässig erweitert sei. Der geschützte Gegenstand unterscheide sich von dem ursprünglich offenbarten durch die Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4. Denn die Dichtungsvorrichtung 18 für die Koksofentür 10 bestehe nach der ursprünglichen Offenbarung aus einem dichtenden Schneideelement (schneidkantenartiges Dichtungselement oder Schneidkantenelement) 30 und einer Stütz- oder Trägervorrichtung (Stützglied, Dichtungskantenträgerelement ) 42. Dabei beständen das Schneideelement 30 aus den Teilabschnitten 48, 50 und 52 und die Stütz- oder Trägervorrichtung 42 aus den Abschnitten 44 und 46, wie sich aus der ursprünglichen Beschreibung Seiten 7/8, dem ursprünglichen Schutzanspruch 1, aus der Beschreibung Seite 8 Abs. 3, Seite 11 Abs. 2 bis Seite 12 und der Figur 10 der Zeichnungen ergebe. Die Funktion , die das Stützelement 42 haben solle, werde im Schutzanspruch 1 der Anmeldung damit beschrieben, dass auf das schneidkantenartige Dichtungselement 30 eine gleichmäßige Vorspannung ausgeübt werden solle. Das für die Stützvorrichtung zu verwendende Material sei nicht beschrieben. Die aus elastischem , federndem Material hergestellte Membran 20, die einen Teil der Stützvorrichtung 42 überdecke, könne zusätzlich zur Erhöhung der Vorspannung verwendet werden, wie sich aus den Schutzansprüchen 2 und 5 der Anmeldeunterlagen sowie aus Seite 8 Abs. 3 und Seite 17 Abs. 2 der ursprünglichen Beschreibung ergebe. Eine solche Dichtungsvorrichtung sei auch in Figur 10 dargestellt. Aus den Hervorhebungen der physikalischen Eigenschaften der Membran, die nach den Schutzansprüchen 4 und 5 sowie der Beschreibung Seite 17 2. Absatz der ursprünglichen Unterlagen eine Blattfeder oder Membran sein solle, die nach Seite 8 Abs. 3 der ursprünglichen Unterlagen aus elastischem , federndem Material hergestellt sei und unmittelbar einen Teil der Stützvorrichtung überdecke, leite der Fachmann, ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus, ab, dass das Stützelement 42 andere physikalische Werkstoff- eigenschaften aufweise als die fakultative, zusätzlich einsetzbare Membran. Der Fachmann werde deshalb auf eine relativ starre Konstruktion der aus dem Schneidelement 30 und der fest mit diesem verbundenen Stützvorrichtung 42 bestehenden, durch eine zusätzliche Federmembran zu verstärkenden Dichtvorrrichtung 18 schließen. Nach Patentanspruch 1 des erteilten Patents entfalle demgegenüber die ursprünglich zwingend notwendige, relativ starre Stütz- und Trägervorrichtung 42 mit den Abschnitten 44 und 46. Die ursprüngliche Stützvorrichtung 42 werde - was aus den ursprünglichen Unterlagen wegen der dort verwendeten unterschiedlichen Begriffe "Stützvorrichtung" und "Membran" nicht herleitbar sei - durch die Federmembran aus einem elastischen, federnden Material ersetzt.
16
IV. Diese Beurteilung erweist sich im Ergebnis als unzutreffend.
17
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch die Anmeldung offenbart , was sich aus der Sicht des Fachmanns des betreffenden Gebiets der Technik ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt. Zur Feststellung, ob der Nichtigkeitsgrund der "unzulässigen Erweiterung" vorliegt, ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist dabei die durch die Patentansprüche definierte Lehre (vgl. Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn). Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass dabei den in der Anmeldung bezeichneten Patentansprüchen eine gleich hervorragende Bedeutung zukommt. Nicht maßgeblich ist demgegenüber, wie die Beklagte ihr Schutzbegehren später interpretiert hat, worauf die Klägerin nunmehr schriftsätzlich abgestellt hat. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung aus der Sicht eines Fachmanns erkennen ließ, der von den ursprünglichen Unterlagen abweichende Lösungsvorschlag des Patents solle von vornherein vom Schutzbegehren umfasst werden (vgl. zuletzt Sen.Urt. v.
05.07.2005 - X ZR 30/02 - Einkaufswagen II, Umdruck S. 7 f., zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.), d.h. als zur Erfindung gehörend ("gehörig") offenbart sein (vgl. Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl. 2004, S. 562 f.).
18
2. Die in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Lehre ist durch die ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart. Auch die Merkmalsgruppen 3 und 4 seines Patentanspruchs 1 stellen nämlich allenfalls Konkretisierungen und Einschränkungen dieser allgemeinen Lehre im Sinn des in den ursprünglichen Unterlagen beschriebenen und zeichnerisch dargestellten Ausführungsbeispiels und nicht zugleich auch eine Erstreckung auf einen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Gegenstand dar.
19
a) Eine allgemeine Beschreibung dessen, was durch die Erfindung geleistet werden soll, findet sich zunächst auf Seite 7/8 der Anmeldungsunterlagen. Danach weist die Koksofentür einen Hauptrahmen und eine Dichtungsvorrichtung auf, die auf dem Hauptrahmen angeordnet ist und einen dichten, gleichmäßigen und nicht festhaftenden Sitz zwischen dem Hauptrahmen und der zugehörigen Ofentürleibung gewährleistet. Die Dichtungsvorrichtung enthält dabei ein dichtendes Schneidelement, das auf dem Hauptrahmen so angeordnet ist, dass es sich entlang der zugehörigen Türleibung erstreckt, und ferner eine Stütz- oder Trägervorrichtung, die am Hauptrahmen der Tür angeordnet ist und eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausübt. Die Trägeranordnung (d.h. die Trägervorrichtung ) weist dabei ein Dichtungskantenträgerelement auf, das am Hauptrahmen befestigt ist und von diesem vorspringt und mit dem dichtenden Schneidelement in der Nähe seines freien Endes verbunden ist. Das dichtende Schneidelement ist so angeordnet, dass es mit der zugehörigen Türleibung unter einem Winkel in Verbindung tritt, den die Anmeldeunterlagen mit beispiels- weise etwa 25° beziffern. Bei Verriegelung der Tür am Ofen wird die Dichtungskante gegen die Türleibung gedrückt, um die gewünschte Dichtung zu erzielen.
20
b) Innerhalb dieser allgemeinen Lehre hält sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des erteilten Patents.
21
aa) Die vom Bundespatentgericht als nicht offenbart angesehene Elastizität der Federmembran (20) ist in der ursprünglichen Beschreibung Seite 7 f. nicht angesprochen. Daher stellt sie zunächst eine Einschränkung gegenüber der ursprünglich offenbarten Lehre dar. Die zusätzlich in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4 sind jedoch in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart. Dies folgt insbesondere aus der ursprünglich eingereichten Figur 10 und der Beschreibung, namentlich Seite 11. Diese Figur zeigt die Federmembran (nach der ursprünglichen Beschreibung Seiten 11, 13, 16, 17 "Membran"; Seiten 17, 19, 20 "Feder", "Blattfeder") (20), die über den Abschnitt 46 und das Abstandsstück 26 am Türrahmen 16 (mit der Grundplatte 32; vgl. ursprüngliche Unterlagen S. 11) befestigt ist. Dass die Federmembran zusammen mit den weiteren Abschnitten 44 und 46 kragarmartig vom Türrahmen vorspringt und eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenfläche aufweist, ist unmittelbar der Figur 10 jedenfalls dann zu entnehmen, wenn man die Membran 20 und die Abschnitte 44 und 46 als Einheit ansieht, was sich aus der Figur 10 allerdings nicht unmittelbar ergibt. Für einen Fachmann, einen Diplomingenieur des Maschinenbaus, folgt die Möglichkeit , diese Teile als Einheit auszubilden, nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen jedoch aus der ursprünglichen Offenbarung , wo es heißt, dass das Schneidelement so auf dem Hauptrahmen angeordnet ist, dass eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausgeübt wird (S. 7 3. Abs.). Darüber , dass sich die Merkmale der Merkmalsgruppe 4 unmittelbar der Figur 10 entnehmen lassen, besteht kein Streit; der Senat ist hiervon auch überzeugt.

22
Darauf, ob sich Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung auch im Übrigen an das in den Figuren dargestellte Ausführungsbeispiel und an dessen Beschreibung auf Seite 10 ff. der Anmeldeunterlagen hält, kommt es für die Beurteilung der Erweiterung nicht an. Denn der Patentinhaber ist nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufzunehmen , um eine zulässige Beschränkung herbeizuführen (Sen.Urt. v. 21.10.2003 - X ZR 220/99, Umdruck S. 21, unter Hinweis auf Sen.Beschl. v. 23.01.1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126= GRUR 1990, 432, 433 - Spleißkammer). Hierzu bestand vorliegend schon deshalb kein Anlass, weil die Offenbarung auf Seite 7 f. der ursprünglichen Unterlagen einen allgemeineren Gegenstand betraf. Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren wäre es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden (vgl. Senat - Spleißkammer aaO).
23
bb) Eine Einschränkung des Inhalts, dass die ursprünglichen Unterlagen das Dichtelement als starres Element offenbarten, wie sie das Bundespatentgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen gestellt hat, ist der ursprünglichen Offenbarung auf Seite 7 f. nicht zu entnehmen. Die Frage, ob das Ausführungsbeispiel ein starres Element betrifft, beschränkt den Offenbarungsgehalt der weiter gefassten ursprünglichen Unterlagen nicht. Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung nachdrücklich bestätigt hat, geht eine Differenzierung zwischen einem aus den Teilen mit den Bezugszeichen 46, 44 und 48 gebildeten festen Rahmen und einem federelastischen Element an der technischen Wirklichkeit vorbei. Mit Blick auf den Zweck der Vorrichtung müsse sich auch der Rahmen auf Grund der aufgewendeten Kräfte verformen, um eine hinreichende Abdichtung zu gewährleisten und bei Wegnahme der Kräfte in seinen Ausgangszustand zurück- kehren; der Sachverständige hat dies überzeugend als einen Vorgang der Elastizität im Gegensatz zu einer zu dauerhaften Veränderungen führenden Verformung bezeichnet.
24
Diesen erkennbar von Sachkunde getragenen Folgerungen des gerichtlichen Sachverständigen tritt der Senat bei. Auch sie entziehen der allein die Annahme der Erweiterung tragenden Feststellung des Bundespatentgerichts die Grundlage, dass die Dichtungsvorrichtung 18 nach den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine relativ starre Konstruktion darstelle, während nach Patentanspruch 1 des erteilten Streitpatents die Dichtungsvorrichtung nicht mehr starr sei.
25
cc) Die Frage, ob auch eine Ausführungsform, bei der die Federmembran (20) mit dem Abschnitt 46 in einem einzigen Teil zusammenfällt, eine Benutzung des Streitpatents darstellt, betrifft allein die Prüfung der Patentverletzung und ist im Nichtigkeitsverfahren nicht zu erörtern.
26
V. Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe, sind in der Berufungsverhandlung nicht mehr geltend gemacht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben.
27
Sie folgen insbesondere nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass der Begriff "Spannrahmen" in den ursprünglichen Unterlagen nicht enthalten sei. Die Aufnahme eines nicht ursprungsoffenbarten Begriffs stellt nämlich - anders als die Aufnahme eines nicht ursprünglich offenbarten technischen Merkmals - dann keine unzulässige Änderung dar, wenn die entsprechende technische Lehre selbst offenbart war.
28
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.11.2001 - 3 Ni 39/00 -

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 132/02 Verkündet am:
6. April 2004
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Daß die Prüfung einer erstmals in der Berufungsinstanz auf die Aufrechnung
mit einer Gegenforderung gegründeten Einwendung die Entscheidung verzögern
würde, rechtfertigt es nicht, die Geltendmachung der Gegenforderung als
nicht sachdienlich anzusehen, wenn deren Berücksichtigung zur endgültigen
Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des
anhängigen Verfahrens bildet (hier: Wechsel des Bestellers vom Leistungsverweigerungsrecht
wegen Mängeln des Werks zur Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs
).
BGH, Urt. v. 6. April 2004 - X ZR 132/02 - OLG Naumburg
LG Halle
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 28. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. März 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Vergütung für die Herstellung und Lieferung von Vorhängen aus Glasfasergewebe.
Nachdem die Klägerin die Vorhänge hergestellt und geliefert und die Beklagte sie im Messezentrum ... aufgehängt hatte, machten sich Falten
bemerkbar, deren Ursache zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 28. September 2000 forderte die Beklagte die Klägerin zur Beseitigung der Faltenbildung und weiterer, im einzelnen aufgeführter Mängel auf und setzte ihr hierfür eine Frist bis zum 13. Oktober 2000. Die Klägerin kam dieser Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht nach.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 93.010,60 DM, Zug um Zug gegen Beseitigung der Faltenbildung an den Vorhängen, verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, wobei die Beklagte ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht zurückgenommen hat.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgetragen, daß sie die Mängel der Vorhänge beseitigt habe, nachdem die Klägerin der Aufforderung zur Mängelbeseitigung im Schreiben vom 28. September 2000 nicht nachgekommen sei. Sie hat die Aufrechnung mit einem Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 49.167,07
Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, an die Klägerin 93.010,60 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat den Werklohnanspruch der Klägerin als fällig angesehen. Auf den Streit der Parteien über die Abnahme komme es nicht an, weil die Beklagte das Werk mittlerweile selbst fertiggestellt habe und keine weiteren Arbeiten mehr von der Klägerin verlange. Die Zulassung der erstmals im Berufungsrechtszug erklärten Aufrechnung, der die Klägerin nicht zugestimmt habe, sei nicht sachdienlich. Jedenfalls das Vorbringen der Beklagten zur Höhe des zur Aufrechnung gestellten Anspruchs bedürfe noch der Substantiierung. Die Zulassung der Aufrechnung im Berufungsrechtszug sei jedoch regelmäßig nicht sachdienlich, wenn die Aufrechnungsforderung aufgrund eines gerichtlichen Hinweises erst noch mit Substanz vorgetragen werden müsse.
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Allerdings rügt sie zu Unrecht, die Auffassung des Berufungsgerichts, der Unternehmer könne nach Ablauf der gemäß § 634 Abs. 1 BGB (in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung; im folgenden a.F.) vor Abnahme wirksam gesetzten Frist ohne weiteres die vereinbarte Vergütung beanspruchen und es sei Sache des Bestellers, mit dem Anspruch auf Ersatz der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten aufzurechnen, stehe in Widerspruch zu der Beweislastregel, wonach der Unternehmer vor Abnahme die Freiheit des Werks von Mängeln darlegen und beweisen müsse, um seinen Vergütungsanspruch durchzusetzen.
Denn das Berufungsgericht spricht zwar im Tatbestand seines Urteils an einer Stelle davon, die Beklagte habe die Aufrechnung mit einem Schadenser- satzanspruch erklärt. In den Entscheidungsgründen heißt es jedoch im Einklang mit den Schriftsätzen der Beklagten vom 13. und 14. Februar 2002, auf die das Berufungsgericht sich bezieht, daß die Beklagte die Aufrechnung mit einem Anspruch nach § 633 Abs. 3 BGB a.F. auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten erklärt habe. Das stimmt damit überein, daß die Beklagte in dem Schreiben vom 28. September 2000 - entgegen der durch den Tatbestand des Berufungsurteils nicht gestützten Behauptung der Revision - keine Ablehnungsandrohung ausgesprochen, sondern nur eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat.
Ein Abwicklungsverhältnis hat das Berufungsgericht somit nicht zugrundegelegt. Es hat vielmehr als unstreitig angesehen, daß das Werk - jedenfalls nach der Mängelbeseitigung - fehlerfrei sei. Die Klägerin konnte daher den vereinbarten Werklohn verlangen, soweit ihr Vergütungsanspruch nicht durch Aufrechnung mit dem Anspruch der Beklagten auf Aufwendungsersatz erloschen war.
2. Es hält jedoch der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, daß das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit der Berücksichtigung der Aufrechnung verneint hat.

a) Nach § 530 Abs. 2 ZPO in der auf das Berufungsverfahren anwendbaren , bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (im folgenden a.F.) ist die auf die Aufrechnung einer Gegenforderung gegründete Einwendung des Beklagten im Berufungsverfahren nur zuzulassen, wenn der Kläger einwilligt oder das Gericht die Geltendmachung in dem anhängigen Verfahren für sachdienlich hält.

Bei der Entscheidung über die Zulassung der Aufrechnung oder der entsprechend zu behandelnden Widerklage handelt es sich um eine Ermessensentscheidung , die in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (BGHZ 33, 398, 400). Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozeßwirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt , ob und inwieweit die Zulassung der Aufrechnung oder der Widerklage zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGHZ aaO; BGH, Urt. v. 4.10.1976 - VIII ZR 139/75, WM 1976, 1278, 1280; Urt. v. 19.3.1992 - IX ZR 14/91, ZIP 1992, 558, 562 f.).
Es steht deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem solchen Fall der Sachdienlichkeit nicht entgegen, daß durch die Zulassung der Aufrechnung oder der Widerklage neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen notwendig werden und die Erledigung des Rechtsstreits dadurch verzögert wird (BGH, Urt. v. 5.5.1983 - VII ZR 117/82, WM 1983, 1162, 1163; Urt. v. 10.1.1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urt. v. 26.5.1986 - II ZR 237/85, WM 1986, 1200, 1201; Urt. v. 19.10.1999 - XI ZR 308/98, NJW 2000, 143, 144).
Zwar ist andererseits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschiedentlich auch ausgesprochen worden, daß der Tatrichter die Sachdienlichkeit verneinen darf, wenn die Prüfung des Einwandes die Entscheidung verzögern würde (BGHZ 5, 373, 377 f.; 17, 124, 125; BGH, Urt. v. 7.5.1987
- VII ZR 158/86, BGHR ZPO § 530 Abs. 2 - Sachdienlichkeit 1; Beschl. v. 17.3.1988 - III ZR 170/87, BGHR ZPO § 530 Abs. 2 - Sachdienlichkeit 2; Sen.Urt. v. 7.1.2003 - X ZR 16/01, NJW-RR 2003, 738).
Dabei geht es aber um solche Fälle, in denen nicht die sachgerechte Erledigung des bisherigen Streitstoffs in Rede steht, sondern das Gericht bei Zulassung des neuen Vorbringens zur Beurteilung und Entscheidung eines neuen, bis dahin zwischen den Parteien nicht erörterten Streitstoffs genötigt würde. In diesen Fällen kann nicht unberücksichtigt bleiben, ob ohne Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Rechtsstreit entscheidungsreif wäre (vgl. BGHZ 5, 373, 377 f.; BGH, Urt. v. 20.5.1953 - II ZR 206/52, LM ZPO § 523 Nr. 1; Urt. v. 4.10.1976 - VIII ZR 139/75, NJW 1977, 49; Urt. v. 7.5.1987 aaO; Sen.Urt. v. 7.1.2003 aaO).

b) Das läßt das Berufungsgericht außer Acht, wenn es die Zulassung der Aufrechnung im Berufungsrechtzug regelmäßig als nicht sachdienlich ansehen will, wenn die Aufrechnungsforderung aufgrund eines gerichtlichen Hinweises erst noch mit Substanz vorgetragen werden muß.
Der Streit der Parteien ging von Anfang an darum, ob und gegebenenfalls inwieweit die von der Klägerin an die Beklagte gelieferten Vorhänge mangelhaft seien. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Werklohnklage stattgegeben, der Beklagten jedoch durch Zug-um-Zug-Verurteilung einen Nachbesserungsanspruch zugebilligt. Indem das Berufungsgericht es der Beklagten verwehrt hat, im Hinblick auf die behauptete Mängelbeseitigung in dem anhängigen Rechtsstreit nunmehr Aufwendungsersatz statt Nachbesserung zu beanspruchen, hat es ein Urteil gefällt, das die vom Landgericht betriebene Sachaufklärung entwertet und den Streit der Parteien in der Sache unentschie-
den läßt. Hierdurch hat das Berufungsgericht dasjenige verfehlt, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das maßgebende Kriterium für die Zulassung der Aufrechnung darstellt, nämlich die sachgemäße und endgültige Erledigung des Streitstoffs im Rahmen des anhängigen Verfahrens, die einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt.
3. Im übrigen ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die zur Aufrechnung gestellte Aufwendungsersatzforderung der Beklagten sei nicht hinreichend substantiiert dargetan, nicht rechtsfehlerfrei.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen (u.a. BGH, Urt. v. 16.3.1998 - II ZR 323/96, ZIP 1998, 956, 957; Sen.Urt. v. 7.3.2001 - X ZR 160/99, NJW-RR 2001, 887). Die Beklagte hat in dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftsatz vom 13. Februar 2002 zur Rechtfertigung ihrer Gegenforderung dargetan, welche Mängel die von der Klägerin gelieferten Vorhänge aufgewiesen hätten und mit welchem Aufwand an Material und (nach Stundenzahl und Stundenlohn spezifizierten) Arbeitslohn sie diese beseitigt habe. Dem war zwanglos die Behauptung zu entnehmen, daß dieser Aufwand zur Beseitigung der Mängel erforderlich gewesen sei. Diese Behauptung war dem Beweis insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zugänglich; der vom Berufungsgericht vermißten Darlegung, welche Arbeiten im einzelnen mit welchem Stundenaufwand erforderlich gewesen seien , um konkret zu bezeichnende Mängel zu beseitigen, bedurfte es nicht.
4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht deshalb im Ergebnis richtig, weil die Beklagte das Urteil des Landgerichts, durch das sie zur
Zahlung Zug um Zug gegen Nachbesserung verurteilt worden ist, nicht (mehr) angefochten hat. Zwar steht der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn ihr Gegenanspruch - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - durch Aufrechnung gegen die Klageforderung erloschen ist. In diesem Fall darf die Beklagte aber auch nicht uneingeschränkt zur Zahlung verurteilt werden. Denn die Zug-um-Zug-Verurteilung ist gegenüber der unbeschränkten Verurteilung ein Weniger (BGHZ 27, 241, 249; 117, 1, 3). Der Klägerin darf indes nichts zugesprochen werden, was ihr materiell-rechtlich nicht zusteht und prozessual durch den Wegfall der Zug-um-Zug-Verurteilung über das hinausgeht, was ihr das Landgericht unangefochten zuerkannt hat (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.1992 - V ZR 86/91, NJW 1993, 324, 325). Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken, die der prozessualen Geltendmachung der Aufrechnungsforderung im wiedereröffneten Berufungsrechtszug Rechnung trägt.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 212/02 Verkündet am:
13. Januar 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 227 Abs. 1 ZPO ist im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren entsprechend
anzuwenden.
Leidet das Verfahren vor dem Bundespatentgericht an einem Mangel, kann die Patentnichtigkeitssache
ohne Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 538
Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurückverwiesen werden.
BGH, Urt. v. 13. Januar 2004 - X ZR 212/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 13. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin werden das am 4. Juni 2002 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts und das Verfahren vor dem Bundespatentgericht aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 542 144 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 6. November 1992 beruht, mit der die Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 12. November 1991 in Anspruch genommen worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch am 21. Mai 1997 veröffentlichte Streitpatent umfaßt elf Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 4 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut haben:
"1. Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) od. dgl. durch Verformen von Klemmorganen (90, 90 ) des Kontaktelementes (88) mittels Druckelementen a eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs (84), bei der eine um die Achse (A) eines in Druckrichtung weisenden Arretierbolzens (16) od. dgl. Halteorganes drehbar und druckorganseitig vorgesehene Verstellscheibe (13) des Crimpwerkzeuges (84) einer klemmorganseitigen weiteren Verstellscheibe (14) des Crimpwerkzeuges (84) koaxial drehbar zugeordnet ist, wobei beide Verstellscheiben jeweils mit zumindest einer in Druckrichtung (x) spiralartig ansteigenden Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die erste druckorganseitige Verstellscheibe (13) zur Bestimmung der Preßtiefe
mit Auflagepunkten (97 , 98 ) einer Druckplatte (15) zusam- d d menwirkt und die weitere Verstellscheibe (14) sich zum Verstellen eines Isolations-Crimpers (76) an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Druckplatte (15) in eine zentrische Ausnehmung der weiteren Verstellscheibe (14) einsetzbar dimensioniert ist und an ihrer Oberfläche (96) mit zwei teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97 , 98 ) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte d d für die darüberliegende, druckorganseitige Verstellscheibe (13) versehen ist."
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche in der erteilten Fassung wird auf die europäische Patentschrift 0 542 144 B 1 verwiesen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sei gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht patentfähig. Die Beklagte hat der Nichtigkeitsklage widersprochen und zunächst beantragt, diese abzuweisen. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat die Beklagte sodann das Streitpatent nur noch in einer geänderten Fassung verteidigt. Hiernach dienen aus der Beschreibung des Streitpatents entnommene sowie ein Teil der ursprünglich erst mit Patentanspruch 4 beanspruchten
Merkmale als zusätzliche Kennzeichnung des mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstands.
Die Klägerin hat auf die geänderte Fassung mit der Erklärung reagiert, sie halte diese Fassung für unzulässig, weil der neue Patentanspruch 1 eine vollständige Lösung nicht offenbare. Im übrigen hat die Klägerin Vertagung beantragt, weil im Hinblick auf den neuen Patentanspruch 1 eine weitere Recherche zur Frage der Neuheit und der Erfindungshöhe erforderlich sei.
Das Bundespatentgericht hat dem zuletzt gestellten Antrag der Beklagten folgend unter Abweisung der Nichtigkeitsklage im übrigen das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentansprüche 1 und 4 folgende Fassung erhalten (im folgenden sind bei Patentanspruch 1 aus der Beschreibung entnommene Merkmale kursiv, aus dem ursprünglichen Patentanspruch 4 entnommene Merkmale zusätzlich unterstrichen wiedergegeben):
"1. Vorrichtung zum Verbinden eines Drahtes (85) mit einem Kontaktelement (88) od. dgl. durch Verformen von Klemmorganen (90, 90 ) des Kontaktelementes (88) mittels Druckelementen a eines auswechselbar in einer Presse angeordneten Crimpwerkzeugs (84), bei der eine um die Achse (A) eines in Druckrichtung weisenden Arretierbolzens (16) od. dgl. Halteorganes drehbar und druckorganseitig vorgesehene Verstellscheibe (13) des Crimp-Werkzeuges (84) einer klemmorganseitigen weiteren Verstellscheibe (14) des Crimpwerkzeuges (84) ko-
axial drehbar zugeordnet ist, wobei beide Verstellscheiben jeweils mit zumindest einer in Druckrichtung (x) spiralartig an- steigenden Ringfläche (65, 68, 108) versehen sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die erste druckorganseitige Verstellscheibe (13) zur Bestimmung der Preßtiefe mit Auflagepunkten (97 , 98 ) einer Druckplatte (15) zusam- d d menwirkt und die weitere Verstellscheibe (14) sich zum Verstellen eines Isolations-Crimpers (76) an der ersten Verstellscheibe (13) abstützt, daß sich zwei Ringflächen (65, 68) der ersten druckorganseitigen Verstellscheibe (13) in Umfangsrichtung über etwa 360° erstrecken, gegeneinander um 180° versetzt und in radialer Richtung aufeinanderfolgend angeordnet sind, und daß die Druckplatte (15) an ihrer Oberfläche (96) mit zwei teilkreisförmigen, um 180° versetzten Druckflächen (97 , 98 ) ansteigender Oberfläche als Auflagepunkte für die d d druckorganseitige Verstellscheibe (13) versehen ist.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Druckplatte (15) in eine zentrische Ausnehmung der weiteren Verstellscheibe (14) einsetzbar dimensioniert ist."
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Klägerin beantragt hauptsächlich,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
Gestützt auf eine mit der Berufungsbegründung in das Verfahren eingeführte weitere Entgegenhaltung beantragt die Klägerin ferner hilfsweise,
das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfange für nichtig zu erklären,
da in Anbetracht dieses Stands der Technik das Streitpatent auch in der geänderten Fassung nicht patentfähig sei.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel der Klägerin entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des erstinstanzlichen Verfahrens sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht, weil das Verfahren im ersten Rechtszug an einem Mangel gelitten hat.
1. Der Senat entnimmt der Berufungsbegründung, daß die Klägerin sich mit ihrem Hauptantrag (auch) dagegen wendet, daß ihr vor dem Bundespatentgericht gestellter Antrag, die Verhandlung zu vertagen, zurückgewiesen wor-
den ist, indem das Bundespatentgericht im Anschluß an diesen Antrag die mündliche Verhandlung geschlossen und ein Urteil in der Sache verkündet hat. Diese Rüge ist berechtigt. Es war im Streitfall gemäß § 227 Abs. 1 ZPO, § 99 Abs. 1 PatG prozeßordnungswidrig, ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsklage durch Urteil zu entscheiden.

a) § 227 Abs. 1 ZPO ist gemäß § 99 Abs. 1 PatG im erstinstanzlichen Patentnichtigkeitsverfahren entsprechend anzuwenden, weil das Patentgesetz keine Bestimmung darüber enthält, ob und gegebenenfalls wann ein Termin vor dem Bundespatentgericht vertagt werden kann, und das Patentnichtigkeitsverfahren gegenüber dem Zivilprozeßverfahren keine Besonderheiten aufweist, die eine Heranziehung des § 227 Abs. 1 ZPO ausschließen. Die Regelung in § 87 Abs. 2 PatG verlangt nur ein Patentnichtigkeitsverfahren in erster Instanz möglichst in einer Sitzung zu erledigen und läßt damit schon dem Wortlaut nach andere Verfahrensweisen zu. Dem so verstandenen Beschleunigungsgebot für das erstinstanzliche Patentnichtigkeitsverfahren widerspricht die Anwendung von § 227 Abs. 1 ZPO nicht. Denn auch hiernach kommt eine Vertagung nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich nur dann, wenn hierfür ein erheblicher Grund streitet. Dieses Erfordernis verlangt außerdem nach einer Prüfung, die nicht nur Rechte der Beteiligten oder deren beachtenswerte Interessen , sondern auch das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens berücksichtigt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.1999 - 7 B 155.99, Buchholz 303, § 227 ZPO Nr. 29).

b) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, die insbesondere vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Anwendung des § 173 VwGO ent-
wickelt worden ist, sind eine Vertagung der mündlichen Verhandlung rechtfertigende erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 regelmäßig solche, die den Anspruch auf rechtliches Gehör einer oder mehrerer Parteien berühren und die auch gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern (BVerwG, Beschl. v. 23.01.1995 - 9 B 1.95, NJW 1995, 1231). Angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie des Anspruchs auf rechtliches Gehör verbleibt dem Gericht dann auch kein Ermessensspielraum. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und eines insoweit prozeßordnungsgemäßen Verfahrens muß die mündliche Verhandlung vertagt werden (BVerwG, Urt. v. 29.09.1994 - 3 C 28.92, NJW 1995, 1441).
Diese Notwendigkeit besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung immer dann, wenn nach dem für das Gericht ersichtlichen oder gegebenenfalls auf Verlangen des Gerichts (vgl. § 227 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemachten Sachstand durch die Ablehnung einer Vertagung der eine solche beantragenden Partei die Möglichkeit entzogen wäre, sich in der betreffenden Instanz sachgemäß und erschöpfend über alle Tatsachen, Beweisergebnisse oder sonstigen verhandelten Fragen zu erklären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.1997 - 5 CB 69.74, Buchholz 310, § 108 Nr. 100), die Grundlage der zu treffenden Entscheidung sind (BVerfGE 7, 239, 241; BGH, Urt. v. 16.05.1977 - VIII ZR 311/75, MDR 1978, 46 m.w.N.). Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn die Vertagung beantragende Partei von dem Gericht oder der Gegenseite mit einer Tatsachen- oder einer Rechtsfrage konfrontiert wird, mit der sie sich nicht "aus dem Stand" auseinanderzusetzen vermag, zu der sie sachlich fundiert vielmehr nur dann Stellung nehmen kann, wenn sie angemes-
sene Zeit für Überlegung und Vorbereitung hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.03.1992 - 4 CB 2.91, NVwZ-RR 1993, 275), die anders, etwa durch eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, nicht in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt werden kann.

c) So lagen die Dinge auch hier. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht war zunächst nur der Bestand des Streitpatents in der erteilten Fassung streitig. Dieser Streit umfaßte keinen Patentanspruch, der Gegenstand der Fassung ist, mit welcher die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung hervorgetreten ist. Erst durch die Verteidigung des Streitpatents lediglich im Umfang dieser neuen Fassung wurde deshalb die Frage entscheidungserheblich, ob das bisherige Vorbringen der Klägerin zur Rechtfertigung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds diesen auch gegenüber der verteidigten Fassung ausfülle, mit der Folge, daß sich die Klägerin nunmehr fragen mußte, was der verteidigten Fassung entgegengehalten werden könne. Das verlangte nach Überlegung und Vorbereitung. Da nichts dafür ersichtlich oder gar festgestellt ist, daß die Klägerin eine auf die neue, verteidigte Fassung ausgerichtete Recherche im Stand der Technik bereits durchgeführt hatte, gehörte hierzu auch diese Maßnahme, zumal die Klägerin ausdrücklich eine neue, auf die nunmehr verteidigte Fassung ausgerichtete Recherche als notwendig bezeichnet hatte, um sich vollständig zur Patentfähigkeit der verteidigten Fassung äußern zu können. Denn regelmäßig kann erst durch eine Recherche Kenntnis vom relevanten Stand der Technik erlangt werden, der Entscheidungsgrundlage für den hier geltend gemachten Nichtigkeitsgrund ist. Da auch nichts dafür ersichtlich ist, daß im Streitfall ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, mußte deshalb angenommen werden, daß eine sachgemäße
und erschöpfende Äußerung der Klägerin zu der verteidigten Fassung des Streitpatents erst nach Ablauf einer angemessenen Frist für eine neue Recherche im Stand der Technik möglich war.

d) Das Bundespatentgericht hat hieraus gleichwohl ein Vertagungserfordernis nicht abgeleitet, weil es mit der verteidigten Fassung ein in der Streitpatentschrift beschriebenes und in den Figuren gezeigtes Ausführungsbeispiel als beansprucht angesehen hat. Bei einer Beschränkung eines erteilten Patents auf ein darin offenbartes Ausführungsbeispiel könne ein Nichtigkeitskläger schwerlich geltend machen, hierzu sei nicht bereits vor der Beschränkung eine Recherche notwendig gewesen, weil schon ein Nachweis fehlender Neuheit oder Erfindungshöhe bezüglich eines Ausführungsbeispiels zur Vernichtung des Patents in der erteilten Fassung führen müsse. Mit dieser Argumentation hat das Bundespatentgericht der Sache nach höchstrichterliche Rechtsprechung angewendet, wonach der Betroffene zunächst seinerseits alles in seinen Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche getan haben muß, um sich in der mündlichen Verhandlung rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1988 - III ZR 69/88, BGHR ZPO § 227; BVerwG, Urt. v. 29.09.1994 - 3 C 28.92, NJW 1995, 1441). Diese Rechtsprechung ist jedoch ergangen und auf Fälle zugeschnitten, in denen die Partei oder ein postulationsfähiger Vertreter im Termin nicht erschienen ist und fraglich gewesen ist, ob eine Verhinderung bestand, durch Wahrnehmung des Termins sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Aus dieser Rechtsprechung kann deshalb für das Patentnichtigkeitsverfahren nicht abgeleitet werden, der Kläger müsse im Hinblick auf die in diesem Verfahren bestehende Möglichkeit einer beschränkten Verteidigung des angegriffenen Schutzrechts mit geänderten Patentansprüchen
jedenfalls eine Recherche nach Maßgabe der darin offenbarten Ausführungsbeispiele oder gar jede Recherche bereits durchgeführt haben, die sich im Falle nachträglicher beschränkter Verteidigung als sinnvoll erweisen könne, anderenfalls er nicht geltend machen könne, wegen der nunmehr beschränkten Verteidigung des Streitpatents seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nur nach Vertagung wahren zu können. Sinn und Zweck einer Terminsbestimmung ist es, daß die Beteiligten sich in bestimmter Weise, nämlich in mündlicher Verhandlung , rechtliches Gehör verschaffen können. Es kann deshalb erwartet werden, daß jeder Beteiligte sich darauf einrichtet, einen anberaumten Termin auch wahrzunehmen. Zieht sich ein Patentinhaber im Laufe der mündlichen Verhandlung im Patentnichtigkeitsverfahren auf eine Verteidigung des Schutzrechts in geänderter Fassung zurück, steht hingegen die Art und Weise des Angriffs gegen das Schutzrecht in Frage, also insbesondere, was hierzu vorgetragen werden soll und aufgrund welcher Ermittlungen dieser Vortrag erfolgt. Das ist jedoch in den sich aus dem Wahrheitsgebot ergebenden Grenzen allein dem Kläger überlassen. Damit ist eingeschlossen, zunächst auf eine Recherche nach Maßgabe eines im erteilten Schutzrecht offenbarten Ausführungsbeispiels zu verzichten und sich darauf einzurichten, zur Vorbekanntheit und zum Naheliegen der Merkmale, die zur Kennzeichnung des geschützten Gegenstandes in den erteilten Patentanspruch aufgenommen sind, auf andere, einem selbst geeignet erscheinenden Weise vortragen zu können. Denn im Falle des hier geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds hat die Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit nach Maßgabe dieser Merkmale zu erfolgen. Es muß deshalb in aller Regel genügen, hierauf in der mündlichen Verhandlung auf eine mögliche Weise eingehen zu können.

e) Die ergänzende Begründung des Bundespatentgerichts, nämlich gegen die "Unvorhersehbarkeit" der erfolgten Beschränkung, spreche auch, daß für einen Fachmann einerseits der "Kern der Erfindung", andererseits die Möglichkeiten der Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik durchaus erkennbar erschienen, ändert an der Mißachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts. Wenn das Bundespatentgericht hiermit gemeint haben sollte, die Klägerin habe bereits, bevor die Beklagte zum Mittel der Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Patentansprüchen gegriffen habe, jedenfalls mit der Möglichkeit einer Beschränkung auf ein offenbartes Ausführungsbeispiel rechnen können und deshalb sich darauf einrichten müssen, hierzu in der anberaumten mündlichen Verhandlung sachgerecht Stellung zu nehmen, könnte dem nicht beigetreten werden. Auch im Nichtigkeitsverfahren trifft die Parteien zwar eine Prozeßförderungspflicht. Durch sie sollen die Parteien jedoch angehalten werden, Vorbringen nicht aus prozeßtaktischen Gründen zurückzuhalten (vgl. Sen.Urt. v. 15.10.2002 - X ZR 69/01, NJW 2003, 200). Deshalb kann hieraus beispielsweise eine Verpflichtung der Partei, tatsächliche Umstände , die ihr nicht bekannt sind, erst zu ermitteln, grundsätzlich nicht abgeleitet werden. Im Regelfall kann dann aber auch ebensowenig eine Ermittlungspflicht hinsichtlich solcher Umstände angenommen werden, mit deren Hilfe man zwar auch schon den Angriff gegen das erteilte Patent hätte führen können, die allein entscheidende Bedeutung jedoch überhaupt erst erlangen, sobald der Patentinhaber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich bei der Verteidigung seines Schutzrechts auf ein Ausführungsbeispiel zurückzuziehen.

f) Der Streitfall weist keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigten, von den vorstehenden Grundsätzen abzuweichen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kern der Erfindung und Möglichkeiten zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik - wie vom Bundespatentgericht angenommen - durchaus erkennbar waren. Auch hiermit mußte die Klägerin sich zunächst nicht befassen. Ihre Klage richtete sich gegen das Streitpatent in der erteilten Fassung. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund erforderte eine Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht etwa nach Maßgabe des Kerns der Erfindung, sondern nach Maßgabe der zur Kennzeichnung des geschützten Gegenstandes in den betreffenden erteilten Patentanspruch aufgenommenen Merkmale. Zur Vorbekanntheit im Stand der Technik und zum Naheliegen allein dieser Merkmale hatte die Klägerin gemäß § 81 Abs. 5 PatG durch Angabe entsprechender Tatsachen vorzutragen. Da sie dies durch Hinweis auf ihr insoweit geeignet erscheinende Entgegenhaltungen getan hatte und im Hinblick auf das Streitpatent in der verteidigten Fassung ein Nachschieben von Gründen nicht in Rede stand, hatte mithin im Streitfall die Klägerin der ihr obliegenden Prozeßförderungspflicht Genüge getan.
2. Der Mangel im erstinstanzlichen Verfahren führt zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Mangel die Qualität und Folgen hat, die nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Zurückverweisung erlauben.

a) Da das Patentgesetz keine das Berufungsverfahren in Nichtigkeitssachen betreffende Regelung enthält, ob und gegebenenfalls wann bei einem Verfahrensfehler in erster Instanz die Sache zurückverwiesen werden kann,
muß aus den im Senatsbeschluß vom 26. September 1996 (X ZR 14/94, GRUR 1997, 119 - Schwimmrahmen-Bremse) erörterten Gründen die bestehende Lücke möglichst gesetzesimmanent geschlossen werden. Damit bildet § 99 Abs. 1 PatG die sachgerechte Norm, weil diese Vorschrift einerseits auf eine weitgehend vollständige Verfahrensordnung verweist, hiernach andererseits aber auch Besonderheiten des Patentnichtigkeitsverfahrens Rechnung getragen werden kann und muß. Das wiederum führt dazu, daß - wie im Zivilprozeß gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen das Berufungsgericht die Sache zurückverweisen kann, wenn das Verfahren des erstinstanzlichen Gerichts an einem Mangel gelitten hat, daß diese Möglichkeit aber nicht an die weiteren Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geknüpft ist.
Das Patentnichtigkeitsverfahren ist dadurch geprägt, daß in der ersten Instanz unter Mitwirkung technischer Richter entschieden wird. Hierdurch erübrigt sich in dieser Instanz regelmäßig die Hinzuziehung eines Sachverständigen ; es kann so vergleichsweise kostengünstig und schnell in der Sache entschieden werden. Diese Möglichkeit auch nutzen zu können, haben die Parteien des Patentnichtigkeitsverfahrens nach der Ausgestaltung dieses Verfahrens ein Anrecht. Hiermit vertrüge es sich nicht, wenn der Senat - wie nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgesehen - eine Zurückverweisung wegen eines Verfahrensmangels nur in den Fällen aussprechen könnte, in denen der Mangel wesentlich ist und eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig macht. Da der Senat nicht auf durch entsprechende Ausbildung gewährleisteten technischen Sachverstand von Mitgliedern zurückgreifen kann, muß er nämlich in Patentnichtigkeitsberufungsverfahren regelmäßig einen Sachver-
ständigen hinzuziehen. Der damit verbundene Kosten- und Zeitaufwand belastet die Parteien auch in den Fällen, in denen der Verfahrensmangel als nicht wesentlich eingestuft werden kann und/oder nur eine vergleichsweise schnell zu erledigende und mit vergleichsweise geringen zusätzlichen Kosten verbundene Beweiserhebung vor dem Senat zu erwarten ist. Deshalb muß auch in diesen Fällen die Zurückverweisung der Patentnichtigkeitssache an das Bundespatentgericht in Betracht kommen.

b) Der Senat wählt im Streitfall die mithin mögliche Zurückverweisung statt der eigenen Sachentscheidung. Aus den genannten Gründen ist es sachgerecht , daß das sachkundig besetzte Bundespatentgericht sich mit dem nunmehr von der Klägerin gegen das Schutzrecht in der verteidigten Fassung Vorgebrachten befaßt und zunächst dieses Gericht auf dieser Grundlage in der Sache entscheidet.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 174/04 Verkündet am:
6. Mai 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 28. September 2004 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das deutsche Patent 195 35 104 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten: "1. Vorrichtung zum Montieren von zumindest einem Sonnenkollektor (10) auf einem Sparren (12) und Latten (14) aufweisenden Dach sowohl in In-Ziegel-Montage als auch in Auf-Ziegel-Montage mit einer sich zumindest annähernd über die Breite des Kollektors (10) erstreckenden Schiene (16) mit zwei Schenkeln (17, 17’), dadurch gekennzeichnet, dass die Schenkel (17, 17’) senkrecht auf der Dachebene stehend unterschiedlich hoch sind und einer der Schenkel (17) zur Halterung des Kollektors (10) und der andere Schenkel (17’) als Auflage für den Kollektor (10) dient, wobei die Schiene (16) einen im Wesentlichen U-förmigen Querschnitt hat mit einer Grundfläche (24) zwischen den Schenkeln (17, 17’), die direkt auf dem Dachsparren (12) befestigbar ist, der als Auflage für den Kollektor (10) dienende kürzere Schenkel (17’) eine Auflagefläche (26) für den Kollektor (10) aufweist, deren Abstand (x) von der Grundfläche (24) der Schiene (16) der Stärke einer Dachlatte entspricht, und wobei zumindest ein Schenkel (17, 17’) abgewinkelt ist.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) aus Stahl besteht.
3. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) Langlöcher (28) aufweist.
4. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) außenseitig einen Vorsprung (18) aufweist, der in eine Vertiefung am unteren Rand des Kollektors (10) eingreift.
5. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass an dem zur Halterung des Kollektors (10) dienenden Schenkel (17a, 17b) eine Abwinkelung (18a, 18b) vorgesehen ist, die ungefähr die gleiche Länge wie eine parallel zur Dachebene vorstehende Wand (22a, 22b) des Kollektors (10) hat.
6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) bei Auf-Ziegel- Montage an einem stufenförmigen Halteeisen (34) befestigbar ist." Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des am 21. September 1995 angemeldeten deutschen Patents 195 35 104 (Streitpatents), das eine "Vorrichtung zum Montieren von zumindest einem Sonnenkollektor auf einem Dach" betrifft und 11 Patentansprüche umfasst. Die Patentansprüche 1, 2, 4, 5, 6, 7, 9 und 11 lauten nach Durchführung des Einspruchsverfahrens (die Orthographie ist an die neuen Regeln angepasst): "1. Vorrichtung zum Montieren von zumindest einem Sonnenkollektor (10) auf einem Sparren (12) und Latten (14) aufweisenden Dach mit einer sich zumindest annähernd über die Breite des Kollektors (10) erstreckenden Schiene (16) mit zwei Schenkeln (17, 17’), dadurch gekennzeichnet, dass die Schenkel (17, 17’) senkrecht auf der Dachebene stehend unterschiedlich hoch sind und einer der Schenkel (17) zur Halterung des Kollektors (10) und der andere Schenkel (17’) als Auflage für den Kollektor (10) dient.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der zur Halterung des Kollektors (10) dienende Schenkel (17) höher als der als Auflage für den Kollektor dienende Schenkel (17’) ist.
4. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) eine Auflagefläche (26) für den Kollektor (10) aufweist, deren Abstand (x) von der Grundfläche (24) der Schiene (16) der Stärke einer Dachlatte (14) entspricht.
5. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) aus Stahl besteht.
6. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) Langlöcher (28) aufweist.
7. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schiene (16) außenseitig einen Vorsprung (18) aufweist, der in eine Vertiefung am unteren Rand des Kollektors (10) eingreift.
9. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass an dem zur Halterung des Kollektors (10) dienenden Schenkel (17a, 17b) eine Abwinkelung (18a, 18b) vorgesehen ist, die ungefähr die gleiche Länge wie
eine parallel zur Dachebene vorstehende Wand (22a, 22b) des Kollektors (10) hat.
11. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet , dass die Schiene (16) bei Auf-Ziegel-Montage an einem stufenförmigen Halteeisen (34) befestigbar ist."
2
Wegen der weiteren Patentansprüche wird auf die Patentschrift des Streitpatents verwiesen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass das Streitpatent gegenüber umfangreichem Stand der Technik, darunter dem OBO-Bettermann-Katalog "Verbindungs - und Befestigungs-Systeme" (November 1994), nicht patentfähig sei. Sie hat beantragt, das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Hilfsweise hat er das Streitpatent mit folgender Fassung des Patentanspruchs 1 (Einfügungen unterstrichen) sowie mit den auf diesen rückbezogenen Patentansprüchen 2, 4, 5, 6, 7, 9 und 11 (in neuer Nummerierung als Patentansprüche 2 bis 8) und weiter hilfsweise in der Fassung nach dem als Verwendungsanspruch formulierten Hilfsanspruch II verteidigt : "1. Vorrichtung zum Montieren von zumindest einem Sonnenkollektor (10) auf einem Sparren (12) und Latten (14) aufweisenden Dach mit einer sich zumindest annähernd über die Breite des Kollektors (10) erstreckenden Schiene (16) mit zwei Schenkeln (17, 17’), dadurch gekennzeichnet, dass die Schenkel (17, 17’) senkrecht auf der Dachebene stehend unterschiedlich hoch sind und einer der Schenkel (17) zur Halterung des Kollektors (10) und der andere Schenkel (17’) als Auflage für den Kollektor (10) dient, [und] wobei die Schiene (16) einen im Wesentlichen U-förmigen Querschnitt hat mit einer Grundfläche (24) zwischen den Schenkeln (17, 17’), die direkt auf dem Dachsparren befestigbar ist, wobei zumindest ein Schenkel (17, 17’) angewinkelt ist."
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es ihm die Fassung nach Hilfsantrag I gegeben hat.
5
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents unter Abänderung des angefochtenen Urteils. Sie stützt sich zusätzlich zu den schon in erster Instanz genannten Entgegenhaltungen auf behauptete offenkundige Vorbenutzungen von Montagevorrichtungen für Sonnenkollektoren durch die I. Solar AG seit 1993 und die mit verschiedenen Unternehmensveröffentlichungen (insbesondere Anl. E3 bis E5) unterlegte Vorbenutzung der S. Ltd. seit 1976 sowie auf weitere Dokumente aus dem Stand der Technik, darunter den OBO-Bettermann-Katalog "Verbindungs- und Befestigungs-Systeme" (November 1994). Die Anschlussberufung des Beklagten, mit der dieser die vollständige Abweisung der Nichtigkeitsklage begehrt hat, hat der Senat als unzulässig verworfen (Sen.Beschl. v. 5.7.2005 - X ZR 174/04, GRUR 2005, 888 - Anschlussberufung im Patentnichtigkeitsverfahren ); die Kostenentscheidung hat er dabei der Schlussentscheidung vorbehalten. Der Beklagte tritt im Übrigen dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt hilfsweise das Streitpatent mit seinem ersten Hilfsantrag in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Fassung, nach seinem zweiten Hilfsantrag mit weiteren einschränkenden Merkmalen.
6
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. C. W. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


7
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin führt unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Nichtigerklärung des Streitpatents über die Fassung der angegriffenen Entscheidung hinaus; soweit es der Beklagte mit seinem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag I verteidigt, bleibt es demgegenüber ohne Erfolg. Über den engeren Hilfsantrag II des Beklagten braucht deshalb nicht entschieden zu werden. Dabei beschränkt sich die Sachprüfung, nachdem der Beklagte die Entscheidung des Bundespatentgerichts nicht wirksam angefochten hat, auf die Fassung des Patents, die das Bundespatentgericht ihm gegeben hat; die erteilte Fassung dieses Schutzrechts steht nicht mehr zur Überprüfung (Sen.Urt. v. 22.2.2000 - X ZR 111/98, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. 3, S. 470, 476, 485 - Positionierverfahren; vgl. BGH, Urt. v. 21.10.1952 - I ZR 106/51, GRUR 1953, 86 re. Sp. - Schreibhefte II; RG GRUR 1944, 122, 123 - Transformatorkühler; Rogge in Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl. 2006, § 22 PatG Rdn. 52).
8
I. 1. Das Streitpatent betrifft nach Patentanspruch 1 in dessen im Berufungsverfahren zur Überprüfung stehender Fassung, die er durch das angefochtene Urteil erhalten hat, eine Vorrichtung "zum Montieren von zumindest einem Sonnenkollektor" (d.h. eine Vorrichtung, auf die ein oder mehrere Sonnenkollektoren montiert werden können), auf einem Dach. Die Beschreibung des Streitpatents bezeichnet derartige Vorrichtungen als aus der US-Patentschrift 4 336 413 bekannt. Dort seien die zur Befestigung von Paneelen die- nenden Schienen U-förmig und die Schenkel des U erstreckten sich parallel zur Dachebene. U-förmige Abschnitte der Schienen senkrecht zur Dachebene dienten der wasserdichten Verbindung zweier benachbarter Paneele (Beschr. Sp. 1 Z. 3 - 13). In der Praxis werde zwischen den Montagetechniken der In-ZiegelMontage mit Integration der Kollektoren in die Dachziegelfläche und der AufZiegel -Montage unterschieden, bei der die Kollektoren über den Dachziegeln montiert würden. Hierfür würden üblicherweise unterschiedliche Vorrichtungen verwendet, was die Lagerhaltung erschwere. Hausdächer wiesen in aller Regel Dachsparren (d.h. in Richtung der Dachschräge verlaufende Balken) und Dachlatten auf, wobei die Stärke der Dachlatten regelmäßig 24 mm betrage. Bei allen bekannten Montageeinrichtungen seien zusätzliche Halterungen für den Kollektor wie Haltekrallen erforderlich (Beschr. Sp. 1 Z. 61 - 65).
9
2. Durch das Streitpatent soll eine Vorrichtung zur Montage von Sonnenkollektoren bereitgestellt werden, die mit wenig Materialaufwand kostengünstig hergestellt werden kann, eine einfache und wenig aufwändige Montage ermöglicht , eine gute Stabilität aufweist und sowohl für die In-Ziegel-Montage wie für die Auf-Ziegel-Montage verwendet werden kann (vgl. Beschr. Sp. 1 Z. 66 - Sp. 2 Z. 7).
10
3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 in der Fassung, die er durch das Bundespatentgericht erhalten hat, eine Vorrichtung zum Montieren von zumindest einem Sonnenkollektor (10) auf einem Sparren (12) und Latten (14) aufweisenden Dach, (1) die eine Schiene (16) aufweist, die (2) sich zumindest annähernd über die Breite des Kollektors erstreckt , (3) einem im Wesentlichen U-förmigen Querschnitt hat (4) mit zwei Schenkeln (17, 17’), die (4.1) senkrecht auf der Dachebene stehend (4.2) unterschiedlich hoch sind und (4.3) von denen einer (17) zur Halterung des Kollektors und (4.4) der andere (17’) als Auflage für den Kollektor dient, (4.5) wobei zumindest ein Schenkel abgewinkelt ist, und wobei (5) die Grundfläche (24) der Schiene zwischen den zwei Schenkeln direkt auf dem Dachsparren befestigt werden kann.
11
4. Einen schematischen Teilschnitt durch eine patentgemäße Vorrichtung zur In-Ziegel-Montage zeigt die verkleinert wiedergegebene Figur 1 des Streitpatents :
12
II. 1. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1, wie er vom Bundespatentgericht als schutzfähig angesehen wurde, war durch die u.a. in dem dem Bundespatentgericht noch nicht vorliegenden Prospekt (Anl. E4) "Solahart Streamline" der S. W. H. Ltd. in P. , W. im , Jahr 1986 sowie in den Anl. E3 und E5 vorbeschriebenen Schiene zum Befestigen von solaren Heißwassersystemen jedenfalls für den Fachmann, einen Ingenieur oder erfahrenen Techniker, der mit der Entwicklung und Montage von Sonnenkollektoranlagen vor allem in der mittelständischen Wirtschaft befasst war, nahegelegt. Die Vorveröffentlichung dieses Prospekts wie auch der beiden anderen Prospekte Anl. E3 (1994) und E5 (Información tecnica e instalación manual Solahart, Januar 1986) ist durch die Druckdaten für den Senat überzeugend belegt und steht im Übrigen auch nicht im Streit. Der Prospekt zeigt eine Schiene in dem durch das Streitpatent beschriebenen Einsatz, die mit Ausnahme des Merkmals (5) alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Fassung, wie sie vor dem Bundespatentgericht Bestand hatte, aufweist. Die gezeigte Schiene (Merkmal 1) erstreckt sich nämlich über mehr als die Breite des Kollektors (Zeichnung Seite 6; Merkmal 2), hat einen Querschnitt , der zwischen dem längeren Schenkel und dem diesem am nächsten liegenden der kürzeren Schenkel einen im Wesentlichen U-förmigen Abschnitt aufweist (Komponentenliste S. 4, Collector rail 1840; Merkmal 3), und zwar mit drei und damit auch mit zwei Schenkeln (ebenda; Merkmal 4), die senkrecht auf der Dachebene stehen und unterschiedlich hoch sind (Diagramm S. 6; Merkmale 4.1 und 4.2), von denen der längere zur Halterung des Kollektors und die beiden kürzeren als Auflage für den Kollektor dienen (Merkmale 4.3, 4.4). Dies ist zwar in der Anl. E4 nicht deutlich zu sehen, wird jedoch in der ersichtlich die gleiche Montagevorrichtung zeigenden Anl. E5, S. 58 ("Detalle de la sujectión del colector") deutlich gezeigt. Die Anwinklung eines Schenkels, und zwar des längeren, ist in Anl. E4, S. 4, Collector rail 1840, deutlich erkennbar (Merkmal 4.5). Dass die Grundfläche der Schiene zwischen den zwei Schenkeln auch direkt auf dem Dachsparren befestigt werden kann, wird allerdings nicht gezeigt , eine Befestigungsmöglichkeit etwa durch Bohrungen zu schaffen, durch die die Schiene am Sparren festgeschraubt werden kann, setzt jedoch nicht mehr als einfache, dem Fachmann geläufige Überlegungen voraus, nachdem die Befestigung nach Anl. E4 über eine Lasche an dem Befestigungsstreifen (Collector straps) 0847 (S. 4) erfolgt (Merkmal 5).
13
2. a) Dagegen ist die nunmehr mit Hilfsanspruch I verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 schutzfähig. In diese Fassung sind zunächst die beiden Möglichkeiten des Einbaus in In-Ziegel-Montage und Auf-Ziegel-Montage aufgenommen. Dies ist allerdings im Fall des Erzeugnisschutzes zunächst nur dann von Bedeutung, wenn und soweit es sich auf die räumlich-körperliche Ausgestaltung der Schiene auswirkt (vgl. hierzu Sen.Urt. v. 1.4.2008 - X ZR 29/04, Umdruck S. 12), es sich mithin nicht um bloße, für sich nicht schutzbegrenzende Zweckangaben handelt (Sen. BGHZ 112, 140, 155 f. - Befestigungsvorrichtung II; vgl. schon Sen.Urt. v. 7.11.1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen). Dies ist, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, insoweit der Fall, als die In-Ziegel-Montage zur Folge hat, dass der als Auflage für den Kollektor dienende Schenkel eine Auflagefläche aufweisen muss, die von der Grundfläche in Dachlattenstärke beabstandet ist. Dies kommt in dem zusätzlichen Merkmal, (3.1) dass der als Auflage für den Kollektor (10) dienende kürzere Schenkel (17’) eine Auflagefläche (26) für den Kollektor (10) aufweist, deren Abstand (x) von der Grundfläche (24) der Schiene (16) der Stärke einer Dachlatte entspricht, zum Ausdruck. Dieses Merkmal ist in dem erteilten Patent (Patentanspruch 4) enthalten, und in den ursprünglichen Unterlagen (ebenfalls in Patentanspruch
4) als zur Erfindung gehörend offenbart. Zwar besagt es nur, dass der Abstand der Stärke einer Dachlatte entsprechen soll. Diese Stärke ist auch im Patentanspruch nicht definiert, ergab sich zum Anmeldetag aber daraus, dass übliche Dachlatten damals entweder 24 mm oder 30 mm oder 40 mm stark waren. Auf diese Stärken muss der Abstand nach dem verteidigten Patentanspruch eingestellt sein. Zwar sind auch noch andere Möglichkeiten denkbar, mit denen der In-Ziegel-Einbau ermöglicht werden kann, wie das Einbringen einer Zwischen- latte. Dies wird jedoch schon von dem zusätzlichen Merkmal (3.1) nicht erfasst. Diese Abstandsvorgabe ermöglicht es auf einfache Weise, ein und dieselbe Schiene nicht nur für die Auf-Ziegel-Montage, sondern - und zwar ohne zusätzlichen Aufwand und Gefahren für den Halt der Schiene - auch für die In-ZiegelMontage nutzbar zu machen. Der Stand der Technik bot hierfür keine Anregung. Das gilt nicht nur für die vorgenannten "Solahart"-Unterlagen (insbesondere die Anlagen E3, E4 und E5), sondern auch für die bekannte und mit Ausnahme des oben beschriebenen Merkmals 3.1 alle Sachmerkmale erfüllende (wenn auch für die Kollektorenmontage nicht vorgesehene), allerdings eine für die In-Ziegel-Montage nicht geeignete Dimensionierung aufweisende Schiene des OBO-Bettermann-Katalogs (S. 122), die die Katalogabbildung wie folgt zeigt: wie auch für die weiteren von der Klägerin genannten Dokumente, die von der Lösung des Streitpatents insgesamt weiter ab liegen.
14
b) Mit Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I werden auch die mit diesem Patentanspruch verteidigten, weitere Ausgestaltungen darstellenden Patentansprüche 2 bis 6 durch die Schutzfähigkeit dieses Patentanspruchs in seiner hilfsweise verteidigten Fassung getragen.
15
III. Die Kostenentscheidung, die auch die Entscheidung über die bereits als unzulässig verworfene Anschlussberufung erfasst, beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. §§ 91, 92, 97 ZPO. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass über die Anschlussberufung nicht mündlich verhandelt worden ist. Er hat im Rahmen der für die Entscheidung gegebenenfalls heranzuziehenden Billigkeitsgesichtspunkte (§ 121 Abs. 2 Satz 2 PatG) weiter berücksichtigt, dass sich die Zurückweisung der Anschlussberufung auf den Verletzungsstreit nicht ausgewirkt haben dürfte; soweit dies der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in vollem Umfang entsprechen sollte (Beschl. des früheren I. Zivilsenats vom 11.10.1956 - I ZR 28/55, GRUR 1957, 79), könnte er an dieser nicht festhalten. Schließlich hat er berücksichtigt, dass sich sein Ergebnis gegenüber dem Ergebnis, das das Bundespatentgericht gefunden hat, eher als korrigierende Verdeutlichung als als eine substantielle Abweichung darstellt. All dies lässt eine von der Entscheidung erster Instanz abweichende Kostenentscheidung nicht als veranlasst erscheinen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.09.2004 - 3 Ni 50/02 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)