Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2019 - VII ZR 34/18
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter Pamp sowie die Richterinnen Graßnack, Sacher, Borris und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Restwerklohn aus einer Position eines Einheitspreisvertrags aufgrund einer Mengenmehrung in Anspruch.
- 2
- Der Beklagte beauftragte die Klägerin im Mai 2013 unter Einbeziehung der VOB/B (2009) mit Abbrucharbeiten. Der Beauftragung lag das Angebot der Klägerin vom 2. April 2013 zugrunde, mit dem sie unter anderem die unter Position 02.02.0050 erfasste Leistung "Entsorgung von Bauschutt, Abfallschlüssel -Nummer 170106" (Entsorgung von Bauschutt als Gemisch oder getrennten Fraktionen von Beton, Ziegeln, Fliesen, Keramik, die gefährliche Stoffe enthalten) für die vorgegebene Menge von 1 Tonne zu einem Einheitspreis von 462 €/t netto angeboten hatte. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie in ihrer Urkalkulation eigene Verladekosten von 40 € pro Tonne und, basierend auf Angeboten der H. GmbH, für Deponie- und Transportkosten 292 € pro Tonne und für die Containerstellung 60 € pro Tonne in Ansatz gebracht und auf diese Fremdkosten jeweils 20 % aufgeschlagen habe.
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- Tatsächlich hatte die Klägerin nicht nur 1 Tonne, sondern 83,92 Tonnen zu entsorgen, weil beim Abbruch Bauschutt angefallen war, der Anhaftungen von Teer und Farbe enthielt und als Bauschutt mit gefährlichen Stoffen entsorgt werden musste. Hierfür beanspruchte die Klägerin mit der Schlussrechnung den Einheitspreis von 462 € pro Tonne, insgesamt 38.771,13 € netto, dies ent- spricht 46.137,53 € brutto. Der Beklagte verlangte von der Klägerin wegen der Mehrmengen die Vereinbarung eines neuen Preises und Auskunft über die tatsächlichen Kosten der Entsorgung. Dem kam die Klägerin nach und teilte mit, dass sie für den Transport und für die Containerstellung der H. GmbH 2.296,80 € netto zahlte, was pro Tonne 27,37 € entspricht, und an die N. GmbH für die Entsorgung auf der Deponie 5.387,66 € netto, mithin pro Tonne 64,20 €, zusammen rund 92 € pro Tonne netto. Auf dieser Grundlage errechnete der Beklagte unter Berücksichtigung des Kalkulationszuschlags der Klägerin auf Fremdkosten von 20 % einen Einheitspreis von 109,88 € pro Tonne und hielt diesen für angemessen; er zahlte hierauf insgesamt 10.973,54 € brutto. Eine Einigung über einen neuen Einheitspreis für die Mehrmengen kam nicht zustande.
- 4
- Das Landgericht hat der Klage auf Restwerklohn in Höhe von 1.604,39 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin könne unter Be- rücksichtigung ihrer Urkalkulation die angefallenen Fremdkosten von rund 92 € pro Tonne zuzüglich eines Zuschlags von 20 % (109,88 €/t) und eigene Verladekosten (40 €/t) verlangen und darum nur einen Einheitspreis von 149,88 € pro Tonne netto für die Mehrmengen in Ansatz bringen.
- 5
- Die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Berücksichtigung eines Abschlags auf die Containerkosten ihre Forderung auf Vergütung der Mehrmenge zu einem Einheitspreis von nur noch 406 € pro Tonne weiterverfolgt hat, hat lediglich geringfügigen Erfolg dahingehend gehabt, dass das Berufungsgericht einen neuen Einheitspreis von 150,40 € pro Tonne netto angenommen hat.
- 6
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren zweitinstanzlichen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in BauR 2018, 1275 veröffentlicht ist, sieht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) für die über 110 % hinausgehende Mehrmenge einen Einheitspreis in Höhe von 150,40 € pro Tonne als berechtigt an. Die Voraussetzungen für eine Preisherabsetzung seien gegeben, weil die Mehrmengen zu Ersparnissen zwar nicht bei den Verladeund Deponiekosten, aber bei den Container- und Transportkosten geführt hätten.
- 9
- Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 VOB/B sei es sicherzustellen, dass sich Leistung und Gegenleistung auch bei einer Überschreitung der im Einheitspreisvertrag vorgesehenen Mengen angemessen gegenüberstünden. Für die Preisanpassung sei grundsätzlich der ursprüngliche Angebotspreis fortzuschreiben und es seien nicht die tatsächlich entstandenen Fremdkosten maßgeblich. Etwas Anderes gelte aber, wenn - wie hier - der Auftragnehmer seinen Angebotspreis auf der Grundlage von Nachunternehmerpreisen kalkuliert habe, die dann infolge der Mengenüberschreitung hinfällig geworden und von dem Nachunternehmer auch nicht verlangt worden seien.
- 10
- Dies zu Grunde gelegt sei davon auszugehen, dass die H. GmbH ihre Leistungen nicht zu 292 € pro Tonne (Transport- und Deponiekosten) sowie 60 € pro Tonne (Containerstellung) angeboten hätte. Vielmehr sei davon auszugehen, dass zwar die Deponiekosten mit 64,20 € pro Tonne unverändert geblieben wären, die Klägerin aber den Transport (ursprünglich: 292 €/t abzüglich 64,20 €/t = 227,80 €/t) und die Containerstellung zu einem Preis von 27,37 € pro Tonne (insgesamt also für alle drei Positionen rund 92 €/t) angeboten hätte. Die Klägerin hätte einen GU-Zuschlag von 20 % und ihre eigenen kalkulierten Verladekosten von 40 € pro Tonne netto hinzugerechnet, so dass sie die hier in Rede stehende Leistung zu einem Einheitspreis in Höhe von 150,40 € pro Tonne netto angeboten hätte.
II.
- 11
- Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Klägerin kann von dem Beklagten über den zugesprochenen Betrag hinaus keine weitere Vergütung nach § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B verlangen.
- 12
- 1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Beklagte für die unter der Position 02.02.0050 des Einheitspreisvertrags erfassten Leistungen einen neuen Preis für die den Vordersatz von einer Tonne um mehr als 10 % überschreitenden Mengen verlangen kann.
- 13
- a) § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt, dass für eine über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes eines Einheitspreisvertrags auf Verlangen ein neuer Preis vereinbart werden muss.
- 14
- Die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B sind gegeben, weil die nach dem Abfallschlüssel 170106 zu entsorgende Menge Bauschutt nicht nur 1 Tonne, sondern 83,92 Tonnen betrug und sich der Mengenvordersatz so über den Toleranzrahmen von 10 % hinaus erhöhte. Die Mengenmehrung beruhte allein darauf, dass die vorgefundenen Verhältnisse anders als erwartet waren, weshalb sich die Mengenangabe in Ausschreibung und Angebot als zu niedrig erwies. Die Leistung selbst blieb qualitativ gleich. Der Senat hat die gegen diese Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Rügen der Revisionserwiderung geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Entgegen der Auffassung des Revisionsbeklagten ist aufgrund des Einsatzes größerer Container als ursprünglich vorgesehen nicht von einer Leistungsänderung im Sinne von § 2 Abs. 8 VOB/B auszugehen.
- 15
- Der Beklagte hat die Bestimmung eines neuen, herabgesetzten Einheitspreises verlangt. Er muss daher hinsichtlich der Position 02.02.0050, unter der die Transport- und Entsorgungsleistungen zusammengefasst sind, neu bestimmt werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1969 - VII ZR 29/67, MDR 1969, 655, juris Rn. 32).
- 16
- b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B allerdings nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veran- schlagten Kosten Voraussetzung für den Anspruch auf Bildung eines neuen Einheitspreises ist (a.A. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 126), mag eine solche Veränderung auch der Regelfall sein. Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist für das Preisanpassungsverlangen nur gefordert, dass eine über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes festgestellt ist.
- 17
- 2. Verlangt eine Partei eine Anpassung des Einheitspreises, haben die Parteien gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten einen neuen Einheitspreis zu vereinbaren. Maßgeblich ist danach in erster Linie die getroffene Einigung der Vertragsparteien auf einen neuen Einheitspreis. Eine solche Einigung ist nicht zustande gekommen.
- 18
- 3. a) Wie die Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen vorzunehmen ist, wenn eine Einigung über den neuen Einheitspreis nicht zustande kommt, ist in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelt. Die Bestimmung gibt nur vor, dass bei der von den Parteien zu treffenden Vereinbarung über den neuen Preis Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen sind. Die VOB/B legt die Verantwortung für die neue Preisbestimmung, durch die etwaigen Störungen des Äquivalenzverhältnisses entgegengewirkt werden soll, damit in die Hände der Vertragsparteien, die unter Berücksichtigung der geänderten Umstände einen neuen Preis aushandeln sollen. Dies begründet einen vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in einen neuen Preis, die Parteien sind zur Kooperation verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2005 - VII ZR 14/04, BauR 2005, 1152 = NZBau 2005, 455, juris Rn. 18).
- 19
- b) Können sich die Parteien nicht auf einen neuen Einheitspreis verständigen , so entscheidet im Streitfall das angerufene Gericht. Es hat zu prüfen, ob der in Ansatz gebrachte Preis gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2005 - VII ZR 14/04, BauR 2005, 1152 = NZBau 2005, 455, juris Rn. 18; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 30), wobei auch eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06 Rn. 37, BGHZ 179, 213). Der neue Preis kann unmittelbar zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden (BGH, Urteil vom 14. April 2005 - VII ZR 14/04, BauR 2005, 1152 = NZBau 2005, 455, juris Rn. 18).
- 20
- 4. a) Abgesehen von der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Einigung auf einen neuen Einheitspreis können die Vertragsparteien sowohl bei Vertragsschluss für den ungewissen Fall, dass Mengenmehrungen im Sinne dieser Bestimmung eintreten, als auch nachträglich, sobald aufgrund konkret eingetretener Mehrmengen ein neuer Einheitspreis verlangt wird, sich über einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigen. Sie können etwa einen bestimmten Maßstab beziehungsweise einzelne Kriterien oder Faktoren festlegen , nach denen im konkreten Fall der neue Einheitspreis nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - VII ZR 142/12 Rn. 14, BGHZ 197, 52).
- 21
- Ein solche Verständigung über ein Teilelement liegt vor. Die Parteien haben sich darüber geeinigt, dass der von der Klägerin ihrer Kalkulation zu Grunde gelegte GU-Zuschlag in Höhe von 20 % auf Fremdkosten bei der Bildung des neuen Einheitspreises ebenfalls heranzuziehen ist. Die Klägerin hat diesen Zuschlag mit ihrer Klage gefordert. Die Beklagte hat ihrer der Klage entgegengesetzten Berechnung zwar geringere Fremdkosten (Deponie-, Transport- und Containerkosten in Höhe von 92 €/t) zu Grunde gelegt, auf diese aber den geforderten GU-Zuschlag von 20 % aufgeschlagen. Für die verbleibenden Teilelemente der Preisbildung ist keine Einigung zustande gekommen.
- 22
- b) Ein den Senat bindendes übereinstimmendes, stillschweigendes Verständnis der Parteien von der Vertragsklausel des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B im Hinblick auf einen Gesamtmaßstab für die Bestimmung eines neuen Einheitspreises , etwa im Sinne einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - VII ZR 142/12 Rn. 14, BGHZ 197, 52), ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt oder sonst zugrunde zu legen.
- 23
- c) Des Weiteren kann der Maßstab für die Bildung des neuen Einheitspreises nicht durch Rückgriff auf ein allgemeingültiges Verständnis der Regelung durch die beteiligten Verkehrskreise oder eine bestehende Übung bestimmt werden. Die Handhabung in der Praxis folgt unterschiedlichen Ansätzen und differiert zudem zwischen leistungsabhängigen und leistungsunabhängigen Kosten der Leistungserbringung. Rechtsprechung und Literatur zeigen ebenfalls ein uneinheitliches Bild.
- 24
- aa) Der Senat hat hinsichtlich der Frage, nach welchen Kriterien der neue Einheitspreis bei § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B zu bilden ist, im Urteil vom 20. März 1969 (VII ZR 29/67, MDR 1969, 655, juris Rn. 34) lediglich ausgeführt, bei der Berechnung des neuen Einheitspreises sei es nicht zulässig, die bisherigen Preisermittlungsgrundlagen ganz außer Acht zu lassen. Ferner hat er in Fällen, in denen ein nach Maßgabe vorkalkulatorischer Preisfortschreibung gebildeter neuer Einheitspreis in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung stand (§ 138 BGB), auf die übliche Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB abgestellt. Dabei musste er allerdings zur Berechnungsmethode nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht Stellung nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - VII ZR 116/12 Rn. 17, 23, BGHZ 196, 355; Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06 Rn. 11, 29, BGHZ 179, 213).
- 25
- bb) Nach herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ist bei der Preisbildung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die ursprüngliche Kalkulation des Auftragnehmers zu berücksichtigen und sind ihre Einzelbestandteile unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten fortzuschreiben (vorkalkulatorische Preisfortschreibung), wodurch das Vertragspreisniveau bei der Bildung des neuen Einheitspreises beibehalten werden soll (OLG Köln, Urteil vom 30. Dezember 2014 - 17 U 83/13, juris Rn. 43; OLG Hamm, Urteil vom 13. März 2013 - 12 U 74/12, BauR 2013, 1280 = NZBau 2013, 373, juris Rn. 37; OLG Koblenz, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 5 U 934/11, juris Rn. 11; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 U 113/10, BauR 2012, 1400, juris Rn. 60; OLG Dresden, Urteil vom 25. November 2011 - 1 U 571/10, juris Rn. 44; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 125; Althaus/Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 163 ff.; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 19 ff.; Kuffer/Petersen in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 14. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 117 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 213 ff.; BeckOK VOB/B/Kandel, Stand: 31. Januar 2019, § 2 Abs. 3 Rn. 20 ff.; Beck'scher VOB/B-Kommentar/Jansen, 3. Aufl., § 2 Abs. 3 Rn. 14 ff.; Leinemann/Leinemann, VOB/B, 6. Aufl., § 2 Rn. 146). Je nach Kalkulationsmethode des Auftragnehmers und Detailliertheit seiner Urkalkulation finden sich in der Literatur dabei allerdings weit ausdifferenzierte Berechnungsmethoden, wobei in Einzelfragen, etwa hinsichtlich des Umgangs mit nicht auskömmlichen beziehungsweise überhöhten oder spekulativen Einheitspreisen oder mit Kalkulationsirrtümern, viel Streit herrscht (vgl. nur Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 125 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 213 ff.; Beck'scher VOB/B-Kommentar/Jansen, 3. Aufl., § 2 Abs. 5 Rn. 51 ff.).
- 26
- cc) Nach anderen Ansichten soll für die Bestimmung des neuen Einheitspreises entsprechend dem Rechtsgedanken des § 632 Abs. 2 BGB auf ortsübliche, angemessene Marktpreise oder auf die tatsächlich angefallenen Kosten bei Ausführung zuzüglich angemessener Zuschläge abgestellt werden (vgl. Kniffka, BauR 2012, 411; Franz, BauR 2012, 380; Stemmer, BauR 2008, 182; zum Meinungsstand im Übrigen Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 134; Kapellmann/Messerschmidt/ Kapellmann, VOB Teile A und B, § 2 VOB/B Rn. 213 ff.).
- 27
- 5. a) Da § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B keinen Maßstab zur Einheitspreisbildung beinhaltet, die Parteien sich auf einen entsprechenden Maßstab nicht geeinigt haben und er auch nicht aus einem allgemeingültiges Verständnis der Regelung durch die beteiligten Verkehrskreise oder eine bestehende Übung folgt, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 141). Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen können eine planwidrige Regelungslücke enthalten und einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich sein (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - VII ZR 194/13 Rn. 25 m.w.N., BGHZ 214, 340).
- 28
- Danach ist entscheidend, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR 157/17 Rn. 30, BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524; Urteil vom 15. November 2012 - VII ZR 99/10 Rn. 16, BauR 2013, 236). Zu fragen ist also, welchen Maßstab die Parteien zur Bestimmung des neuen Einheitspreises vertraglich zu Grunde gelegt hätten, wenn sie seinerzeit vorhergesehen hätten, dass sie sich nicht auf einen neuen Einheitspreis für die relevanten Mehrmengen einigen können. Dabei entspricht es der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene Veränderung der auszuführenden Leistungen im von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmten Umfang keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll. Dies setzt voraus, dass keine Partei von der unerwarteten Mengenmehrung zum Nachteil der anderen Partei profitiert. Auch muss eine redliche Regelung eine gleichmäßige Verteilung des in der Unvorhersehbarkeit der Mengenmehrung liegenden wirtschaftlichen Risikos gewährleisten. Es gilt auf Seiten des Auftragnehmers eine nicht auskömmliche Vergütung zu vermeiden und auf Seiten des Auftraggebers eine übermäßige Belastung zu verhindern.
- 29
- b) Dies zu Grunde gelegt ergibt die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien nach Treu und Glauben, dass, wenn nichts anderes vereinbart ist, für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten der über 10 v.H. hinausgehenden Leistungsbestandteile zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind.
- 30
- Für die hier noch umstrittenen Preisbestandteile in Gestalt der leistungsabhängigen Kosten bedeutet das, dass auf die durch den Einsatz der Nachunternehmer unmittelbar verursachten Kosten, deren Erforderlichkeit außer Streit steht, zurückgegriffen werden kann. Hinsichtlich des GU-Zuschlags ist hingegen die Vereinbarung der Parteien maßgeblich.
- 31
- c) Dieser Maßstab der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bewirkt für den in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelten Fall, dass die dort vorgesehene Einigung der Parteien als Reaktion auf die eingetretene Mengenmehrung weder bezogen auf einen konkreten Preis noch auf einen Maßstab zur Preisbildung zustande kommt, einen bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien.
- 32
- aa) Zunächst spricht für eine Anknüpfung an die tatsächlich erforderlichen Kosten, dass diese ohne Weiteres ermittelt werden können und insofern eine realistische Bewertung ermöglichen. Diese für den Zeitpunkt des Anfalls der Mehrmengen vorzunehmende Bewertung bildet die Kostenwirklichkeit am sichersten ab. Ihr gebührt darum der Vorzug vor der hypothetischen Überlegung , welchen Einheitspreis der Auftragnehmer angeboten beziehungsweise die Parteien zur Zeit des oft länger zurückliegenden Vertragsschlusses wohl vereinbart hätten, hätten sie die Mengenmehrung damals bedacht und einen höheren Vordersatz zugrunde gelegt.
- 33
- bb) Die Anknüpfung an die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge stellt sich für keine der Vertragsparteien als zum Nachteil der anderen Partei wirkender Vorteil dar. Der Auftragnehmer erhält so für die relevanten Mehrmengen eine auskömmliche Vergütung. Es widerspräche Treu und Glauben, würde er aufgrund der nicht vorhergesehenen Mengenmehrung auf Kosten seines Vertragspartners einen über die angemessenen Zuschläge hinausgehenden Gewinn erwirtschaften oder der Auftraggeber von einem infolge der Mengenmehrung für den Auftragnehmer unauskömmlich oder unwirtschaftlich gewordenen Preis profitieren.
- 34
- Entgegen der Auffassung der Revision hat die Klägerin darum auch keinen Anspruch darauf, dass ihr unternehmerische Gewinne uneingeschränkt verbleiben, die sich aus der Möglichkeit ergeben, die relevanten Mehrmengen im Vergleich zu ihrer Urkalkulation günstiger an Nachunternehmer zu beauftragen. Den Interessen der Klägerin wird durch den vereinbarten GU-Zuschlag von 20 % auf die erforderlichen Fremdkosten hinreichend Rechnung getragen.
- 35
- cc) Es bedarf des Rückgriffes auf die vorkalkulatorische Preisfortschreibung nicht, um der Störung des Äquivalenzverhältnisses adäquat zu begegnen. Das Preisanpassungsverlangen betrifft nur die relevanten Mehrmengen, während die im Wettbewerb zustande gekommene Vergütungsvereinbarung im Übrigen unangetastet bleibt, denn für die angebotene beziehungsweise im Vertrag vereinbarte Menge zuzüglich des Toleranzzuschlages von 10 % verbleibt es bei der vereinbarten Vergütung. Die der Anwendung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B folgende Aufspaltung der Leistungsposition in zwei Teile trägt dem Grundgedanken Rechnung, dass für die im Vertrag aufgelisteten Mengen die Vertragsparteien einen Preis verbindlich festgelegt haben, welchen sie bezogen auf diese Leistungsposition und in der Gesamtschau als Synallagma von Leistung und Gegenleistung für angemessen hielten. An diesem müssen sie sich festhalten lassen. Für die Bestimmung des neuen Preises gilt das Vertragspreisgefüge aber gerade nicht mehr. Soweit die Befürworter der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung darauf abstellen, dass das Vertragspreisniveau erhalten bleiben und den vertraglichen Abreden zur Wirksamkeit verholfen werden soll, sieht die Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nach ihrem Wortlaut gerade nicht vor, dass der für die ursprünglich erwartete Ausführungsmenge vereinbarte Preis, wenn auch in angepasster Form, für die diesen Rahmen überschreitende Ausführungsmenge fortgelten soll. Vielmehr kann der neue Einheitspreis selbständig und losgelöst davon bestimmt werden.
- 36
- dd) Gegenüber der Auffassung, es sei in den Fällen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B der Maßstab der üblichen Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB anzuwenden, verspricht die Anknüpfung an denjenigen der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge ein redlicheres Ergebnis. Die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge etwa für Baustellengemeinkosten, allgemeine Geschäftskosten und Gewinn sind der speziellere und damit gerechtere Maßstab, weil dadurch den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls Rechnung getragen werden kann.
- 37
- d) Danach sind als tatsächliche Kosten für die den Toleranzrahmen von 10 % übersteigenden Mehrleistungen die von dem Berufungsgericht festgestellten Kosten für Containerstellung, Transport und Deponie in Gesamthöhe von 92 € pro Tonne - mithin zuzüglich des Zuschlags von 20 % 110,40 € pro Tonne - sowie die eigenen Verladekosten der Klägerin in Höhe von 40 € pro Tonne anzusetzen (gesamt: 150,40 €/t). Rechtsfehler zum Nachteil der Revisions- klägerin sind insoweit nicht erkennbar. Die Erforderlichkeit dieser Kosten steht zwischen den Parteien außer Streit.
- 38
- 6. Danach bleibt die Revision ohne Erfolg, weil der vom Berufungsgericht als angemessen bestimmte Einheitspreis von 150,40 € pro Tonne für die über 1,1 Tonnen hinausgehenden Mengen gerechtfertigt ist.
III.
- 39
- Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 03.05.2017 - 14 O 161/16 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.12.2017 - 7 U 105/17 -
BESCHLUSS
VII ZR 34/18
vom
18. September 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:180919BVIIZR34.18.0
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. September 2019 durch den
Vorsitzenden Richter Pamp sowie die Richterinnen Graßnack, Sacher, Borris und
Dr. Brenneisen
beschlossen:
Das Urteil des Senats vom 8. August 2019 - VII ZR 34/18 - wird
im Rubrum dahin berichtigt, dass das beklagte Land vertreten
wird durch das N. Landesamt für Bau und
Liegenschaften, W. straße 4, H. .
Gründe:
Das Senatsurteil vom 8. August 2019 ist hinsichtlich der Vertreterbezeichnung- 1
- auf Beklagtenseite offenbar unrichtig, § 319 ZPO. Durch Beschluss der
N. Landesregierung vom 24. Mai 2017 (Nds. MBl. Nr. 23/2017,
S. 732) ist die dort als Vertreterin des Landes angegebene Oberfinanzdirektion
bereits mit Ablauf des 1. Oktober 2017 aufgelöst und zugleich mit Wirkung vom
2. Oktober 2017 das N. Landesamt für Bau und Liegenschaften
(N. ) als Rechtsnachfolger der Oberfinanzdirektion als für Hochbau,
Liegenschaftsverwaltung und Staatserbschaftsangelegenheiten zuständiger Stelle
errichtet worden. Diese Änderung des Vertretungsverhältnisses ist offenbar, da sie
sich aus der vorgenannten Veröffentlichung im N. Ministerialblatt,
die der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom
22. August 2019 vorgelegt hat, ergibt. Die Klägerin hat erklärt, dass gegen die mit
diesem Schriftsatz zugleich beantragte Berichtigung des Passivrubrums des Urteils
vom 8. August 2019 keine Einwände bestehen.
Borris Brenneisen
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 03.05.2017 - 14 O 161/16 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.12.2017 - 7 U 105/17 -
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. Oktober 2013 verkündete Urteil des 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 1 O 340/12 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen i.H.v. 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin macht gegen die Beklagte Rest-Werklohn in Form von Stillstandskosten geltend. Wegen des Sachvorbringens der Parteien im ersten Rechtszug und de dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
4Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Nachdem sie erstinstanzlich im Wege der Teilklage lediglich 87.412,53 € geltend gemacht hatte, hat sie ihre Klageforderung im Berufungsverfahren auf den vollen ihrer Ansicht nach ihr zustehenden Betrag von 127.302,36 € erhöht und begehrt zudem erstmals 10.000,00 € Schadenersatz für ein baubegleitend eingeholtes Privat-Gutachten.
5Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
6Sie rügt, das Landgericht habe den Sachverhalt im Tatbestand des Urteils teilweise falsch dargestellt. Wenn es dort heiße, „den Parteien sei klar gewesen, dass es zu archäologischen Funden kommen könne“, dann werde dadurch unzutreffender Weise suggeriert, dass beide Parteien in uneingeschränktem Umfang mit derartigen Funden im Rahmen der Herstellung der Baumaßnahme gerechnet hätten bzw. hätten rechnen müssen. Allein im Bereich des Schachtbauwerkes habe man jedoch mit derartigen Funden gerechnet. Dies sei auch das Ergebnis der Beweisaufnahme.
7Darüber hinaus sei dem Landgericht eine falsche rechtliche Würdigung vorzuwerfen. Es komme nicht darauf an, dass ihr kein Anspruch aus § 2 Abs. 3, 5, 6 VOB/B, § 642 BGB zustehe. Richtige Anspruchsgrundlage sei § 313 BGB. Ohne eine genaue Begründung habe das Landgericht hierzu nur oberflächlich ausgeführt. Sie habe in erster Instanz auf zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes Bezug genommen. Die dort abgehandelten Sachverhalte seien mit dem Vorliegenden vergleichbar, so dass das Landgericht zutreffender Weise zu einem Anspruch zu ihren Gunsten aus § 313 BGB hätte kommen müssen. Im Übrigen sei die Ausschreibung der Beklagten hinsichtlich der drei in Rede stehenden Positionen des Leistungsverzeichnisses ohnehin nicht wirksam, da ein Verstoß gegen § 7 VOB/A vorliege. Auch hierzu habe sie ausführlich in erster Instanz vorgetragen, ohne dass das Landgericht dazu ausreichend Stellung genommen habe. Insgesamt sei dessen rechtliche Würdigung damit unzutreffend. Vielmehr hätte es angesichts des von ihr vorgelegten Privat-Gutachtens der Firma C in eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eintreten müssen.
8Die Klägerin beantragt sinngemäß,
9unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Bonn i.V.m. ihrer Klageerweiterung die Beklagte zu verurteilen, an sie 127.302,36 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aus einem Betrag i.H.v. 87.412,53 € bzw. aus 39.889,83 € zu zahlen,
10die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Kosten zur Einholung des Privat-Gutachtens i.H.v. 10.000,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
11sowie die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Kosten i.H.v. 1.150,35 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen und die Klägerin mit der Klageerweiterung abzuweisen.
14Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als richtig. Sie weist darauf hin, dass für die Rüge eines fehlerhaft dargestellten Tatbestandes § 320 ZPO einschlägig sei. Einen entsprechenden Antrag habe die Klägerin, wie insofern unstreitig ist, nicht gestellt. Das Ergebnis der Beweisaufnahme habe das Landgericht zutreffend dargestellt und bewertet.
15Ebenso wenig sei die rechtliche Würdigung des Landgerichts zu beanstanden. Wenn die Klägerin nun ausführe, es sei unerheblich, ob ihr ein Anspruch aus § 2 Abs. 3, 5, 6 VOB/B zustehe, so sei darauf hinzuweisen, dass sie selbst diese Anspruchsgrundlage in den Prozess eingeführt und ausführlich dazu Stellung genommen habe. Richtig sei lediglich, dass das Landgericht die Anspruchsgrundlage § 313 BGB knapp behandelt, dafür aber präzise verneint habe. Die Parteien hätten vorliegend eine vertragliche Vereinbarung wegen der in Rede stehenden Positionen getroffen. Diese Vereinbarung gehe dem Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Insgesamt sei dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, und auch darin habe das Landgericht recht, weshalb sich die Kostengrundlage durch die Überschreitung der Vordersätze geändert haben sollte. Auf das Privat-Gutachten der Firma C könne sich die Klägerin ohnehin nicht berufen. Dort habe man sich nicht mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage beschäftigt, habe das Vorliegen einer Äquivalenzstörung nicht untersucht, habe auch nicht untersucht, ob der Klägerin Mehrkosten über ihr Angebotskalkulation hinaus entstanden seien, und zudem lasse das Privat-Gutachten jede Beachtung der vereinbarten Preise vermissen. Schließlich sei darin auf § 2 Abs. 5 VOB/B abgestellt worden, was rechtlich unzutreffend sei. Darüber hinaus habe die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung selbst die Ansicht vertreten, auf diese Anspruchsgrundlage komme es überhaupt nicht an. Insgesamt sei deshalb das Privat-Gutachten ungeeignet, um den Vortrag der Klägerin zu substantiieren. Schließlich sei ihre Ausschreibung im Hinblick auf § 7 VOB/A nicht zu beanstanden.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
17II.
18Die zulässige, insbesondere form- und fristgemäß eingelegte Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin Rest-Werklohn wegen Stillstandskosten nicht zugesprochen. Für einen weitergehenden Anspruch ist die Klägerin darlegungs- und beweisfällig geblieben.
19- 20
1. Soweit die Klägerin die Rüge erhebt, das Landgericht habe den Sachverhalt im Tatbestand teilweise unrichtig dargestellt, kann sie damit keinen Erfolg haben.
Abgesehen davon, dass die Berichtigung des Tatbestandes gemäß § 320 ZPO binnen 2 Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden muss, geht die diesbezügliche Berufungsrüge der Klägerin fehl. Vielmehr gibt der Tatbestand in jeglicher Hinsicht zutreffend den Vortrag der Parteien in erster Instanz wieder. Dem entspricht die Passage: „Den Parteien war klar, dass es zu archäologischen Funden kommen konnte. Im Bereich eines sogenannten Schachtbauwerkes ging man von der Möglichkeit größerer archäologischer Funde aus, da dieser Bereich eine Vergrößerung durch eine Verbreiterung erfuhr und hier größere Aushubarbeiten in gewachsenem Boden, nämlich in einem Bereich, in dem noch kein altes Kanalbauwerk vorhanden war, stattfanden.“ Darin ist eine Wertung zum Umfang der erwarteten archäologischen Funde nicht enthalten. Erst recht wird durch die vom Landgericht gewählte Formulierung Entsprechendes nicht suggeriert. Vielmehr wird der zwischen den Parteien unstreitige Sachverhalt dargestellt, der darüber hinaus im Leistungsverzeichnis und in Ziffer 12.12 der Besonderen Vertragsbedingungen dadurch zum Ausdruck kommt, dass beide mit archäologischen Funden anlässlich der Kanalbauarbeiten rechneten.
22Zutreffend hat das Landgericht darüber hinaus bei der Darstellung des streitigen Vorbringens der Klägerin ausgeführt, dass sie behauptet hat, „die Beklagte habe ihr Leistungsverzeichnis darauf ausgelegt gehabt, das im Bereich der Kanaltrasse nicht mit archäologischen Funden zu rechnen sei“, und demgegenüber die davon abweichende Sachdarstellung der Beklagten: „… nicht nur im Bereich des Schachtbauwerkes, sondern auf der gesamten Kanallänge, wenn auch in etwas geringerem Umfang.“
23- 24
2. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht kann sie sich bei der Berechnung ihrer Rest-Werklohnforderung nicht auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, stützen. Vielmehr ist der Anspruch der Klägerin auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 VOB/B zu berechnen. Insofern ist sie jedoch darlegungs- und beweisfällig geblieben.
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH BauR 2011, 1162, NJW-RR 2011, 886; BauR 2011, 1646 = NJW 2011, 3287) stellt § 2 Abs. 3 VOB/B für den Fall der Überschreitung der Massenansätze über 10 % hinaus eine abschließende Regelung dar. Die vorgenannte Norm ist nicht auf eine bestimmte prozentuale Überschreitung beschränkt. Für die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, ist kein Raum, weil für die Frage, wie die Vergütung bei Massenüberschreitungen zu ermitteln ist, eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde (BGHZ 179, 213 Rz. 36).
26Anderes kann gelten, wenn die Parteien eine bestimmte Menge zur Geschäftsgrundlage ihres Vertrages gemacht haben und diese überschritten wird. Grundsätzlich allerdings ist dem Einheitspreisvertrag, so wie er hier vorliegt, der Umstand immanent, dass eine Mengenänderung eintritt. Deshalb besteht in der Regel kein Grund für die Annahme, dass eine bestimmte Menge zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben worden ist. Anderes kann bei einer ungewöhnlichen Preisbildung gelten. Die darin angelegte Störung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung wirkt sich bei erheblichen Mengenänderungen viel stärker aus (BGH BauR 2011, 1162 = NJW-RR 2011, 886).
27Die Frage, ob ein bestimmter Umstand nach der gemeinsamen Vorstellung der Parteien zur Geschäftsgrundlage erhoben worden, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln. Allerdings wird die Grundlage der Preisermittlung regelmäßig nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages. Der Unternehmer allein trägt das Risiko einer unauskömmlichen Kalkulation (BGH BauR 2011, 1664 = NJW 2011, 3287).
28b) Das von der Beklagten erstellten Leistungsverzeichnis ist im Hinblick auf die hier relevanten Positionen 01.01.0003 (1,000 Wo Stillstandskosten pro Woche), 01.01.0004 (2,000 Tage Stillstandskosten pro Tag) und 01.01.0005 (8,000 h Stillstandskosten pro Stunde) entgegen der Berufungsbegründung nicht dahin zu verstehen bzw. auszulegen, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgingen, dass Stillstandszeiten wegen archäologischer Funde nur in dieser Höhe anfallen würden bzw. jedenfalls nicht wesentlich mehr. Im letzten Absatz von Ziff. 12.12 der Ausschreibung heißt es allgemein gehalten insoweit lediglich: „Die Kanalbaumaßnahme liegt innerhalb eines eingetragenen Bodendenkmals. Die Kanalbaumaßnahme wird archäologisch begleitet. Für den Fall, dass Funde zutage treten, sind die Bauarbeiten zu unterbrechen.“
29c) Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang gegen die vom Landgericht vorgenommene Würdigung der Zeugenaussagen wendet, kann sie damit keinen Erfolg haben.
30Die Beweisaufnahme erster Instanz ist einer Überprüfung durch das Berufungsgericht nur insoweit zugänglich, als gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründet sind und eine erneute Feststellung gebieten. Dies bedeutet, dass eine Überprüfung nur darauf hin erfolgen kann, ob die Beweisaufnahme an einem Rechtsfehler leidet, also in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen zuwider läuft oder wesentliche Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt lässt oder ob konkrete Gesichtspunkte vorhanden sind, die einen solchen Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung möglich sein lassen und deshalb Zweifel am erstinstanzlich gefundenen Ergebnis begründen. Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts weder zu beanstanden noch im Ergebnis im Zweifel zu ziehen.
31Das Landgericht hat die Aussagen der vernommenen Zeugen umfassend gewürdigt und ist verfahrensfehlerfrei zu seiner Ansicht gelangt, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen wären, dass die in das Leistungsverzeichnis eingestellten Vordersätze nicht oder nicht wesentlich überschritten würden. Zu Recht ist das Landgericht auch zu dem Beweisergebnis gelangt, dass nie die Rede davon gewesen sei, dass allein im Bereich des Schachtbauwerkes mit archäologischen Funden gerechnet werden musste. Den Zeugenaussagen ist zu entnehmen, dass man im Bereich der Kanaltrasse zwar mit einem Weniger an Funden gerechnet hat. Da die Schachtung aber sowohl breiter als auch zum Teil 25 cm tiefer ausgeführt werden sollte als im alten Schacht, musste man auch in diesem Bereich mit archäologischen Funden rechnen, wenn sich auch herausgestellt hat, dass diese umfangreicher als erwartet waren.
32Dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich zudem entnehmen, dass es sich bei den in das Leistungsverhältnis eingestellten Vordersätzen um bloße Schätzwerte aufgrund bereits gemachter Erfahrungen in einer Parallelstraße gehandelt hat, wo ebenfalls Grabungen stattgefunden hatten. Darüber hinaus war auch der Klägerin unstreitig bekannt, dass sie ihre Arbeiten in einem Teil des C2 Stadtgebietes, dem sogenannten „S“ auszuführen hatten, in dem aufgrund der Historie jederzeit mit Stillstandszeiten wegen archäologischer Funde zu rechnen war, sodass sie die Angaben der Beklagten im Leistungsverzeichnis schon von daher keinesfalls als Maximalwerte und auch nicht als annähernde Höchstwerte auffassen konnte und durfte. Dass es bei Einheitspreisverträgen sogar regelmäßig zu Mengenänderungen kommt, solches diesem Vertragstypus gerade zu immanent ist, dazu wurde bereits ausgeführt.
33d) Ebenso wenig vermag der Senat die Rechtsansicht der Klägerin zu teilen, dass schon der unstreitige Umstand allein, dass tatsächlich 3,5 Tage und 263,8 Stunden an Stillstandszeiten angefallen sind, geeignet ist, unter Außerachtlassung von § 2 Abs. 3 VOB/B vom Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 313 BGB auszugehen. § 2 Abs. 3 VOB/B enthält gerade eine Regelung für den Fall, wie die Mehrvergütung bei Mengenüberschreitungen zu ermitteln ist. Soweit sich die Klägerin auf die eingangs bereits angeführten beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2011 stützt, sind diese vom Sachverhalt her mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
34aa) Soweit es den Beschluss vom 22. März 2011 (BGH BauR 2011, 1162 = NJW-RR 2011, 886) betrifft, so hatte das Berufungsgericht seine Entscheidung, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt, damit begründet, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen waren, dass der von der dortigen Beklagten ausgeschriebene Vordersatz von 5 t zu entsorgender Abfälle jedenfalls annähernd den zu erwartenden Massen entsprechen und auch der von der Klägerin angebotene Einheitspreis von 2.413,25 €/t auf einem realistisch kalkulierten Angebot beruhen würde. Tatsächlich ging es um ca. 610 t, wobei die Klägerin ihrerseits einen Nachunternehmer mit dieser Leistung zu einem Einheitspreis von 62,10 €/t beauftragte. Hieraus folgt, dass es sich um einen extremen Ausnahmefall handelte und es letztlich nach Treu und Glauben als unangemessen erschien, dass der Kläger als Auftragnehmer seine Leistung zu dem angebotenen, extrem überhöhten Preis würde abrechnen dürfen.
35Der vorliegend zu entscheidende Fall unterscheidet sich von dem vom Bundesgerichtshof beurteilten zum einen schon dadurch, dass, wie ausgeführt, die Parteien gerade nicht davon übereinstimmend ausgehen konnten, die im Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen Vordersätze entsprächen jedenfalls annähernd den zu erwartenden Massen. Zum anderen spricht zur Überzeugung des Senats vieles dafür, dass sich die Klägerin bei der Kalkulation des von ihr in das Leistungsverzeichnis der Beklagten eingesetzten Einheitspreise verkalkuliert hat, weil sie nicht alle Kostenfaktoren mit einbezogen hat und sie nun im Nachhinein versucht, diesen Fehler rückgängig zu machen. Ob es sich bei der Fehlkalkulation um ein Versehen handelt oder aber die Klägerin versucht hat, sich im Hinblick auf die Zuschlagserteilung gegenüber mitbietenden Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, vermag der Senat zwar nicht zu beurteilen. Den von der Beklagten vorgelegten Kalkulationsunterlagen der Klägerin (Anlage B10 = Bl. 204 f. d. A.), bei denen es sich allerdings nicht um die Urkalkulation handeln kann, da dort als Datum der 22. April 2010 zu lesen ist, das Angebot der Klägerin jedoch schon aus Dezember 2009 stammt, ist zu entnehmen, dass die Klägerin bei der Kalkulation der Kosten der Stillstandszeiten nur Personalkosten nebst eines Zuschlags für die allgemeinen Geschäftskosten einbezogen hat. Von LKW- oder Baggerkosten ist dort nicht die Rede. In der Ausschreibung war in den drei in Rede stehenden Positionen seitens der Beklagten ausdrücklich wie folgt formuliert worden bezüglich der der zu erwartenden Baustillstandszeiten: „Einzurechnen sind sämtliche Kosten (Geräte, Lohn, Mieten, Vorhaltung usw) infolge der eingetretenen Arbeitsunterbrechung.“
36Auch lässt sich der Kalkulation der Klägerin entnehmen, dass sie von durchschnittlich 3,3 Leuten auf der Baustelle ausging. Wie dies zu einer Kostenmehrung von fast 175.000,00 € hat führen können, die die Klägerin letztlich fordert, ist nicht annähernd plausibel. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die ursprünglich vorgesehene Bauzeit unstreitig nicht überschritten wurde trotz der Stillstandszeiten. Es drängt sich deshalb die Annahme auf, dass die Klägerin die anlässlich der Ausschreibung vorgenommene Kalkulation nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sogar die Beklagte nach Prüfung des Angebots der Klägerin augenscheinlich Bedenken wegen der geringen Höhe der von der Klägerin für die Stillstandszeiten eingesetzten Einheitspreise hatte und dieser deshalb mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 (Anlage B 7 = Bl. 199 GA) mitteilte, es hätten sich Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebotes ergeben. Unter dem 22. Dezember 2009 gab die Klägerin jedoch die erbetene Erklärung ab und teilte mit (Anlage B 8 = Bl. 201 GA): „Nach Prüfung unseres Angebotes nach der Wirtschaftlichkeit halten wir fest, dass der Wettbewerbspreis auskömmlich, angemessen und insgesamt geschlossen ist. Des weiteren halten wir fest, dass gemäß VOB/A § 24 Nr. 1 die von uns ausgewiesenen Preise ernst gemeint und wahr sind und somit Ihnen keine verdeckte Mischkalkulation vorliegt.“ Um so mehr fällt es auf, wenn die Klägerin nunmehr fast 175.000,00 € an Mehrvergütung verlangt abzüglich der von der Beklagten unstreitig geleisteten rund 40.000,00 € für Stillstandszeiten.
37Hat aber der Werkunternehmer bewusst unter Wert kalkuliert, muss er sich auch bei der Vergütung der über 110 % hinausgehenden Mehrmengen an den von ihm kalkulierten Ansätzen festhalten lassen (Keldungs, in: Ingenstau/Korbion, VOB, 18. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 27). Liegt eine unbewusste oder ihm aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht zurechenbare Fehlkalkulation vor, dann kann der Unternehmer grundsätzlich ebenfalls keine Preisanpassung verlangen. Eine Ausnahme ist nur dann möglich, wenn – 1. – der Auftraggeber die Fehlkalkulation erkennt und den Auftragnehmer nicht hinweist, - 2. – wenn die Massenänderungen auf ein vorwerfbares Unterlassen des Auftraggebers zurückzuführen sind (unvollständige oder unsorgfältige Planung) oder – 3. – bei unvorhersehbaren Preissteigerungen (Keldungs, a.a.O.).
38Keine der drei Varianten ist im vorliegenden Fall einschlägig, insbesondere auch nicht die zweite. Wie schon dargelegt konnte die Klägerin nicht davon ausgehen im Rahmen ihrer Angebotskalkulation, dass die von der Beklagten in das Leistungsverzeichnis eingestellten drei in Rede stehenden Positionen endgültige Mengen enthielten. Vielmehr spricht, wie schon angesprochen, vieles dafür, dass die Klägerin ihre Kalkulation unvollständig erstellt hat. In diesem Fall muss sie sich an den von ihr eingestellten Einheitspreisen festhalten lassen. Nicht der Auftraggeber hat hier die Ursache für eine mögliche Fehlkalkulation gesetzt, sondern der Auftragnehmer, die Klägerin, selbst. Die Beklagte hat vielmehr sogar ausdrücklich nachgefragt und um Bestätigung gebeten vor Zuschlagserteilung, dass die Kalkulation auskömmlich und ernst gemeint sei.
39bb) Soweit die Klägerin meint, aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30. Juni 2011 (BauR 2011, 1646 = NJW 2011, 3287) Positives für sich im vorliegenden Fall herleiten zu können, kann sie damit keinen Erfolg haben. Es handelte sich in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall
40um einen Pauschalpreisvertrag aufgrund einer funktionalen Ausschreibung. Des weiteren ging es um einen Ausgleichsanspruch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B a.F. Dass und warum die Klägerin sich nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, stützen kann, wurde vorstehend schon dargelegt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann.
41- 42
3. Die Ausschreibung der Beklagten verstößt auch nicht gegen § 7 Abs. 1 VOB/A. Der insoweit von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
a) Insbesondere hat die Beklagte der Klägerin kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auferlegt.
44aa) Hintergrund der Regelung ist es, dass der Bieter geschützt und verhindert werden soll, dass ein öffentlicher Auftraggeber aufgrund seiner Marktmacht dem auf öffentliche Aufträge angewiesenen Bieter Wagnisse aufbürgen kann, die normale vertragliche Risiken überschreiten (OLG Saarbrücken ZfBR 2006, 829; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 7 VOB/A Rn. 37). Was unter einem „ungewöhnlichen Wagnis“ zu verstehen ist, ist in der VOB/A nicht definiert. Da durch die VOB keine Besserstellung der Vertragspartner im Vergleich zum zivilrechtlichen Vertragsrecht bewirkt werden soll und gerade Bauverträgen in der Regel ein nicht unbeträchtliches Risiko innewohnt, sind nur solche Wagnisse gemeint, die a) kalkulatorisch wegen des Grades der Ungewissheit und der unbekannten Größenordnung erhebliche finanzielle und zeitliche, letztlich unkalkulierbare Risiken haben können und b) von der im Gesetz oder der VOB vorgesehenen Risikoverteilung zwischen öffentlichem Auftraggeber und Auftragnehmer abweichen (Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/A/B, 4. Aufl., § 7 VOB/A Rn. 20). Als „ungewöhnliche Wagnisse“ in diesem Sinne werden jegliche Freizeichnungen für die Richtigkeit der auftraggeberseitigen Planung oder Unterlagen oder des von diesem vorgeschriebenen Bauverfahrens angesehen (Kapellmann, a.a.O., Rn. 23), desweiteren wenn dem Bieter beispielsweise das Setzungsrisiko einer Mülldeponie auferlegt wird (Kapellmann, a.a.O., Rnr. 20). Demgegenüber liegt bei einem Auftrag zur Räumung von Munition ein „ungewöhnliches Wagnis“ nicht schon deshalb vor, weil der voraussichtliche Leistungsumfang durch Hochrechnung aufgrund Untersuchungen von Testfeldern ermittelt wurde, wenn weder dem Auftraggeber noch dem Auftragnehmer der tatsächliche Umfang der vorhandenen und zu beseitigenden Munition bekannt ist (OLG Naumburg VergabeR 2006, 278; Kratzenberg, a.a.O., Rn. 39).
45bb) Dies vorausgeschickt hat die Beklagte der Klägerin kein „ungewöhnliches Wagnis“ aufgebürdet. Keine der Parteien konnte im Vorhinein wissen, in welchem Umfang archäologische Funde anlässlich der Ausschachtungsarbeiten tatsächlich auftreten würden. Mit solchen war allerdings unstreitig im Bereich des sogenannten Schachtbauwerkes zu rechnen, allerdings, wenn auch in geringerem Umfang, im Bereich der schon vorhandenen Kanaltrasse, für die allerdings eine Verbreiterung und auch eine Vertiefung um ca. 25 cm vorgesehen waren. Dass die Beklagte in das Leistungsverzeichnis geschätzte Stillstandszeiten von 1 Woche, 2 Tagen und 8 Stunden aufgenommen hatte, beruhte auf den Erfahrungen einer Grabung in einer Parallelstraße.
46Hiernach vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Klägerin eine ordnungsgemäße Kalkulation, die sie, wie oben schon ausgeführt, schon im Ansatz unterlassen hat, nicht möglich gewesen wäre. Es ging schlicht darum zu kalkulieren, welche Kosten entstehen würden, wenn die Arbeiten infolge archäologischer Funde zwecks deren Bergung vorübergehend eingestellt werden müssten. Es handelte sich folglich nicht um die Kalkulation einer nicht abschätzbaren Mehrleistung, etwa vermehrter Handschachtung anstatt – wie vorgesehen – des Einsatzes eines Baggers wegen nicht vorhersehbarer besonderer Bodenverhältnisse, sondern um eine Kalkulation der Kosten für eine Nichtleistung infolge Stillstandes. Bezeichnend ist es in diesem Zusammenhang schließlich auch, dass das Bauvorhaben trotz der im Vorhinein nicht exakt abschätzbaren Arbeitsunterbrechungen in der von Anfang an vorgesehenen Bauzeit ausgeführt werden konnte. Auch von daher ist es nicht ansatzweise nachvollziehbar, dass hierdurch entsprechend der Behauptung der Klägerin Mehrkosten i. H. v. rund 175.000,00 € angefallen sein sollen.
47b) aa) Rechtlichen Bedenken unterliegt die Ausschreibung der Beklagten auch nicht für den Fall, dass es sich bei den drei in Rede stehenden Positionen um sogenannte Bedarfspositionen/Eventualpositionen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 VOB/A handeln sollte. Solche dürfen nach dieser Norm „grundsätzlich“ nicht in eine Leistungsbeschreibung aufgenommen werden, weil durch eine Häufung die Ausschreibung völlig intransparent wird und die Gefahr von Manipulationen gegeben ist (Kapellmann, a.a.O., Rdnr. 29). Ausnahmsweise sind Bedarfspositionen dann zulässig, wenn objektive Gründe für die Annahme sprechen, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Notwendigwerden der Leistung spricht, eine sichere Beurteilung aber nicht möglich ist, insbesondere hinsichtlich der auszuführenden Menge (Kapellmann, a.a.O., Rdnr. 30 f.; Kratzenberg, a.a.O. Rdnr. 47).
48bb) Dies vorausgeschickt spricht hier nichts gegen die Ausgestaltung der drei in Rede stehenden Positionen in der Ausschreibung als Bedarfs- bzw. Eventualpositionen. Zum einen kann bei der hier zu beurteilenden Ausschreibung von einer Häufung nicht gesprochen werden, so dass keine Manipulationsgefahr bestand. Zum anderen war die von der Beklagten vorgenommene Ausgestaltung der drei Leistungspositionen erforderlich, weil es objektiv unmöglich war genau vorherzusagen, in welchem Umfang archäologische Funde im Verlauf der Grabungsarbeiten entdeckt würden und zu welchen Stillstandszeiten es dadurch kommen würde. Dass die Klägerin nicht davon ausgehen konnte, dass die im Leistungsverzeichnis angegebenen Vordersätze Maximalwerte darstellten, die jedenfalls nicht wesentlich übertroffen werden würden, wurde oben schon dargelegt. Es ist nicht erkennbar, dass die insoweit vorzunehmende Kalkulation die Klägerin bei ordnungsgemäßer Durchführung vor schwierige Probleme gestellt hätte. Es ging nicht um die Kalkulation von mengenmäßig nicht abschätzbaren Mehrleistungen, sondern allein darum, welche Kosten der Klägerin durch Stillstand entstehen würden. Dadurch, dass sie trotz der Vorgabe der Beklagten augenscheinlich unzureichend kalkuliert hat, weil sie die meisten kostenrelevanten Faktoren nicht berücksichtigt zu haben scheint, wird die Wirksamkeit der Ausschreibung nicht tangiert.
49- 50
4. Aus dem vorstehend Ausgeführten ergibt sich, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch aus § 2 Abs. 3 VOB/B zustehen könnte. Ob ihr jedoch über die seitens der Beklagten insoweit unstreitig gezahlten 35.860,68 € ein weiterer Zahlungsanspruch zusteht, vermag der Senat nicht zu beurteilen, da die Klägerin diesbezüglich darlegungs- und beweisfällig geblieben ist.
a) Geht die tatsächlich erbrachte Leistung bei einem Einheitspreisvertrag um nicht mehr als 10 % über den vertraglich vorgesehenen Umfang hinaus, gilt der Einheitspreis, d. h. bis zur Grenze von 110 % sind auf dessen Basis die Mehrleistungen zu berechnen und zu vergüten. Für die darüber hinaus erbrachte Leistung kann auf Verlangen eines Vertragspartners die Vereinbarung eines neuen Preises gefordert werden. Ausgangspunkt für dessen Berechnung sind die Preisermittlungsgrundlagen des bisherigen Einheitspreises (Keldungs, a.a.O., § 2 Abs. 3 VOB/B Rdnr. 16, 17 f.). Es erfolgt mithin bei Massenänderungen eine Preisfortschreibung.
52b) Bereits das Landgericht hatte rechtlich zutreffend in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass eine Preisfortschreibung vorzunehmen ist, der Vortrag der Klägerin hierzu jedoch nicht ausreichend und überzeugend ist, nämlich dass ihr die von ihr behaupteten Mehrkosten tatsächlich entstanden sind, da maßgebliche Anspruchsgrundlage für ihr Begehren nach Mehrvergütung § 2 Nr. 3 VOB/B ist.
53Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2014 hat der Senat mehrfach darauf hingewiesen, dass es an substantiiertem Vortrag der Klägerin im Hinblick auf die von ihr vorzunehmende Preisfortschreibung bisher fehlt, insbesondere dass die Urkalkulation nicht offen gelegt wurde. Aus diesem Grunde sei der Beweisantritt der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens ungeeignet und auf Ausforschung gerichtet. Auch die von der Beklagten vorgelegten Kalkulationsunterlagen der Klägerin, so der Senat weiter, seien ungeeignet, da es sich augenscheinlich nicht um deren Urkalkulation handele, was sich aus dem Datum ergebe. Das von ihr vorgelegte Privat-Gutachten der Firma C sei ebenfalls ungeeignet, weil es sich nicht an der hier maßgeblichen Anspruchsgrundlage des § 2 Abs. 3 VOB/B orientiere, sondern an § 2 Abs. 5 VOB/B und sich vom Bauzeitenplan völlig gelöst habe. Es eigne sich deshalb nicht dazu, substantiiert zu belegen, durch welches Mehr an Arbeit der Klägerin welches Mehr an Kosten entstanden sein könne.
54Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu erklärt, die Vorlage der Urkalkulation seiner Mandantin sei unnötig, weil sich deren Klageanspruch infolge von Anfang an angelegter Äquivalenzstörung nicht aus § 2 Abs. 3 VOB/B, sondern aus § 313 BGB ergebe. Schriftsatznachlass hat die Klägerin nicht beantragt.
55- 56
5. Aus dem vorstehend Ausgeführten ergibt sich zugleich, dass die Klägerin weder die Kosten für das eingeholte Privat-Gutachten erstattet verlangen kann, noch ihr ein Zinsanspruch zusteht.
- 58
6. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 60
7. Mangels Vorlage der entsprechenden Voraussetzungen ist die Revision nicht zuzulassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 127.302,36 €
62(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
-
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster vom 13. Juli 2017 aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers hinsichtlich der Klage auf Zahlung von 1.785,57 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2016 zurückgewiesen worden ist.
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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg vom 7. Dezember 2016 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
-
Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 1.785,57 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2016 zu zahlen.
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Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Mai 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. E. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Er verlangt als Restwerklohn die Zahlung eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von 1.785,57 €.
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Die spätere Insolvenzschuldnerin erbrachte für die Beklagte, ein Bauträger, im Jahr 2011 Elektroinstallationsarbeiten im Rahmen der Errichtung des Neubaus eines Geschäftshauses. Sie rechnete ihre Leistungen mit der Schlussrechnung vom 31. Dezember 2011 vereinbarungsgemäß in Höhe von 9.397,76 € netto ab, wobei sie in der Rechnung ausführte:
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"Die Umsatzsteuer für diese umsatzsteuerpflichtige Leistung schuldet der Leistungsempfänger gemäß § 13b UStG."
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Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag und führte die Umsatzsteuer in Höhe von 1.785,57 € an das Finanzamt ab. Dies entsprach der Anwendung von § 13b UStG in der damaligen bundesweiten Praxis der Finanzämter.
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Mit Urteil vom 22. August 2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20) entschied der Bundesfinanzhof, dass § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 [= § 13b Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2011] entgegen der einschlägigen Umsatzsteuer-Richtlinie (Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005) einschränkend dahin auszulegen sei, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankomme, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Dies treffe auf Bauträger nicht zu, die die erbrachten Leistungen für die Bebauung eigener, zur Veräußerung vorgesehener Grundstücke verwenden (BFHE 243, 20 Rn. 50 ff.).
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Die Beklagte beantragte daraufhin beim Finanzamt die Erstattung der von ihr entrichteten Umsatzsteuer. Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 9. Februar 2016 teilte das Finanzamt dem Kläger mit, dass die Beklagte die Erstattung der Umsatzsteuer beantragt habe. Es wies darauf hin, die Insolvenzschuldnerin sei als Bauleisterin verpflichtet, eine die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung auszustellen und die Umsatzsteuer anzumelden. Unter Umständen bestehe zivilrechtlich die Möglichkeit, die geschuldete Umsatzsteuer nachträglich von dem Bauträger zu fordern. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG eröffne die Möglichkeit, einen entsprechenden Zahlungsanspruch mit Wirkung an Zahlungs Statt an das Finanzamt abzutreten.
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Der Kläger stornierte daraufhin die Schlussrechnung der Insolvenzschuldnerin und übermittelte der Beklagten eine den Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 1.785,57 € ausweisende, korrigierte Rechnung. Mit gesondertem Schreiben forderte er die Beklagte zur Zahlung des Umsatzsteuerbetrags unter Fristsetzung bis zum 9. März 2016 auf. Eine Abtretung an das Finanzamt erfolgte nicht. Das Finanzamt erließ gegenüber der Insolvenzschuldnerin einen Umsatzsteuerbescheid über den oben genannten Betrag, gegen den der Kläger Einspruch eingelegt hat. Eine Entscheidung über den Einspruch steht aus.
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Der Kläger hat im Jahr 2016 Klage erhoben. Die Beklagte, die der Auffassung ist, der Anspruch bestehe nicht, hat vorsorglich die Einrede der Verjährung erhoben.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
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Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers führt - von der Höhe des Zinsausspruchs abgesehen - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
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I.
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Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
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Eine vertragliche Regelung, aus welcher sich unmittelbar eine entsprechende Zahlungsverpflichtung der Beklagten ergeben könne, bestehe nicht.
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Dem Kläger stehe auch nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung kein Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer zu. Zwar sei davon auszugehen, dass der durch den Bauträger beauftragte Unternehmer vertragsgemäß letztlich nicht mit der Umsatzsteuer belastet sein solle. Dies führe aber nicht zur Bejahung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs. Es sei nämlich die Regelung in § 27 Abs. 19 UStG zu berücksichtigen, nach der sich der Unternehmer durch Abtretung des Erstattungsanspruchs von der Umsatzsteuerschuld befreien könne. Unter Berücksichtigung kaufmännischer Gesichtspunkte hätten sich die Vertragsparteien auf eine möglichst komplikationslose Regelung mit der Zielsetzung eingelassen, es bei der bereits durchgeführten Abwicklung des steuerrechtlichen Vorgangs zu belassen.
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Der Kläger könne eine Zahlung auch nicht im Rahmen einer Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) beanspruchen. Es fehle an dem Merkmal der Unzumutbarkeit, weil der Kläger eine Belastung mit der Umsatzsteuer durch eine Abtretung vermeiden könne.
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II.
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Das hält der rechtlichen Überprüfung - mit Ausnahme der Bestätigung der teilweisen Abweisung des Zinsanspruchs - nicht stand.
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Die Erwägung des Berufungsgerichts, eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe nicht, dass der Kläger als Restwerklohn Zahlung eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von 1.785,57 € verlangen könne, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
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1. Der Senat kann die von dem Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung uneingeschränkt überprüfen.
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a) Die Auslegung von Willenserklärungen ist zwar grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17, BauR 2018, 99 Rn. 24 = NZBau 2017, 718 m.w.N.). Auch die ergänzende Vertragsauslegung gehört zu dem Bereich tatrichterlicher Feststellung, die grundsätzlich nur eingeschränkt von dem Revisionsgericht überprüft werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, NZM 2015, 211 Rn. 65; Urteil vom 17. April 2002 - VIII ZR 297/01, NJW 2002, 2310, juris Rn. 18 m.w.N.).
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b) aa) Etwas anderes gilt jedoch bei der (ergänzenden) Auslegung von typischen Vertragsgestaltungen, die über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus regelmäßig mit gleichförmigem Inhalt im geschäftlichen Verkehr verwendet werden. Solche Verträge unterliegen im Interesse einer einheitlichen Handhabung einer vollen inhaltlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2012 - XII ZR 41/11, NZM 2013, 148 Rn. 16; Urteil vom 24. Januar 2008 - III ZR 79/07, NJW-RR 2008, 562 Rn. 11; Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292, juris Rn. 25; vgl. auch MünchKommBGB/Busche, 7. Aufl., § 133 Rn. 70).
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bb) So liegt der Fall hier. Bis zum Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20) entsprach es auf Grundlage der einschlägigen Umsatzsteuer-Richtlinie der bundesweiten Praxis der Finanzverwaltung, bei Bauträgern wie im Streitfall deren Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b UStG a.F. anzunehmen. Daran haben sich die Vertragsparteien bei derartigen Verträgen mit Bauträgern vielfach orientiert. Die vorliegende Auslegungsproblematik ist dementsprechend Gegenstand einer Vielzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 8. März 2018 - 8 U 80/17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. November 2017 - 23 U 23/16; OLG Frankfurt, Urteil vom 16. Oktober 2017 - 29 U 182/16; OLG Köln, NZBau 2017, 44; LG Heilbronn, Urteil vom 18. Dezember 2017 - 6 O 344/17; LG Düsseldorf, Urteil vom 22. Dezember 2016 - 16 O 325/15; LG Bonn, Urteil vom 20. Juli 2016 - 1 O 12/16; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 1 O 1399/15). Im Interesse der Rechtssicherheit und der einheitlichen Handhabung der auf diese Praxis der Finanzverwaltung ausgerichteten Verträge ist eine allgemein verbindliche Auslegung sachlich geboten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - III ZR 79/07, NJW-RR 2008, 562 Rn. 11).
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2. Die Vereinbarung der Parteien weist eine Regelungslücke auf.
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a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke, d.h. eine planwidrige Unvollständigkeit, aufweist. Das ist dann der Fall, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017 - VII ZR 194/13, BauR 2017, 1361 Rn. 25 = NZBau 2017, 596; Urteil vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, NZM 2015, 211 Rn. 70; Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJW-RR 2013, 494 Rn. 9).
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b) Eine solche Regelungslücke ist gegeben. Die Parteien haben keine Regelung für den Fall getroffen, dass für die Insolvenzschuldnerin die Gefahr besteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldnerin die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Diese Gefahr beruht auf dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20) und der Reaktion der Beklagten hierauf. Der von ihr gestellte Erstattungsantrag begründet gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Befugnis des Finanzamts, die gegen die Insolvenzschuldnerin wirkende Steuerfestsetzung zu ändern. Diese Gefahr besteht unbeschadet des Streits, ob dieser Vorschrift eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung zukommt (verneinend BFHE 257, 177 Rn. 62 mit Nachweisen zum Streitstand).
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aa) Die Vertragsparteien gingen bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Steuerschuldnerschaft der Beklagten aus. Dies zeigt sich an der von der Insolvenzschuldnerin zunächst erteilten Rechnung, mit der sie nur über ein Entgelt ohne Steuerbetrag abrechnete und dabei ausdrücklich auf die Steuerschuldnerschaft der Beklagten hinwies. Das entsprach dem Verständnis der Beklagten als Bauträger, da sie die auf die Leistung der Insolvenzschuldnerin entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abführte. Die Vereinbarung der Vertragsparteien orientierte sich an der damaligen Praxis der Finanzverwaltung.
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bb) Diese Verwaltungspraxis hat der Bundesfinanzhof (Urteil vom 22. August 2013 - V R 37/10, BFHE 243, 20 Rn. 50) verworfen und § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 [= § 13b Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2011] einschränkend dahin ausgelegt, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankomme, dass der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwende. Dies treffe auf Bauträger nicht zu, welche die erbrachten Bauleistungen für die Bebauung eigener, zur Veräußerung vorgesehener Grundstücke verwenden. Danach war die Beklagte nicht Steuerschuldnerin.
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Soweit das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 5. Februar 2014 (BStBl. I 2014, 233) und vom 8. Mai 2014 (BStBl. I 2014, 823) als Reaktion auf das genannte Urteil des Bundesfinanzhofs eine Vereinfachungs-/Nichtbeanstandungsregelung vorgesehen hat, nach der die Beteiligten es einvernehmlich bei der ursprünglichen steuerlichen Beurteilung belassen können, hat die Beklagte hiervon, indem sie einen Erstattungsantrag gestellt hat, keinen Gebrauch gemacht. Aufgrund dieses Erstattungsantrags hat das Finanzamt gegen die Insolvenzschuldnerin einen Umsatzsteuerbescheid erlassen.
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3. Die deshalb in dem Vertrag bestehende Lücke ist im Rahmen der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass der Vergütungsanspruch um den Umsatzsteuerbetrag von 1.785,57 € zu erhöhen ist.
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a) Liegt eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor, ist zu ermitteln, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Der Senat kann die erforderliche ergänzende Vertragsauslegung selbst vornehmen, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2000 - V ZR 334/98, NJW-RR 2000, 894, 895, juris Rn. 13; Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 f., juris Rn. 10).
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aa) Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist der hypothetische Parteiwille Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts, so dass darauf abzustellen ist, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJW-RR 2013, 494 Rn. 12; Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11, BGHZ 191, 336 Rn. 16; Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679 Rn. 7, jeweils m.w.N.).
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bb) Nach diesen Maßstäben hätten die Vertragsparteien, wenn sie vorhergesehen hätten, dass die Steuerschuldnerschaft bezüglich der Umsatzsteuer nicht bei der Beklagten, sondern bei der (späteren) Insolvenzschuldnerin liegt und dass für diese aufgrund des von der Beklagten gestellten Erstattungsantrags die Gefahr bestehen würde, wegen der Heranziehung als Steuerschuldnerin die Umsatzsteuer abführen zu müssen, eine um den Umsatzsteuerbetrag von 1.785,57 € erhöhte Vergütung vereinbart.
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(1) Übereinstimmendes Verständnis der Vertragsparteien war, dass die auf die Werkleistung entfallende Umsatzsteuer von der Beklagten zu tragen sein sollte; sie sollte also als Leistungsempfängerin insgesamt den Bruttobetrag zahlen. Dementsprechend ist es gerechtfertigt, dass der Kläger von der Beklagten die um den Umsatzsteuerbetrag von 1.785,57 € erhöhte Vergütung verlangen kann, weil das Finanzamt gegen die Insolvenzschuldnerin einen Umsatzsteuerbescheid in entsprechender Höhe erlassen hat.
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(2) Dem stehen schutzwürdige Interessen der Beklagten nicht entgegen, da sie durch ihren Erstattungsantrag erst das Umsatzsteuerverfahren gegen die Insolvenzschuldnerin ausgelöst hat. Damit hat sie zugleich die Gefahr einer doppelten Belastung mit dem Umsatzsteuerbetrag begründet.
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b) Die Erforderlichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht im Hinblick auf § 27 Abs. 19 UStG verneint werden. Die in § 27 Abs. 19 UStG erwähnte Abtretungsmöglichkeit betrifft nicht die Frage, ob sich ein Zahlungsanspruch des leistenden Unternehmers aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt. Dadurch wird ein gegen den Bauträger gerichteter Anspruch weder begründet noch ausgeschlossen.
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Die Beklagte hat kein berechtigtes Interesse, dass der Kläger von der Abtretungsmöglichkeit Gebrauch macht. Für sie ist es unerheblich, ob ihr als Anspruchsteller der Kläger oder das Finanzamt gegenübertritt.
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4. Die ergänzende Vertragsauslegung hat Vorrang vor den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2012 - V ZR 23/11 Rn. 14; Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11, BGHZ 191, 336 Rn. 19; Urteil vom 14. Januar 2000 - V ZR 416/97, NJW-RR 2000, 1652, 1653, juris Rn. 8), so dass es keines Rückgriffs auf § 313 Abs. 1 BGB mehr bedarf. Soweit der Bundesfinanzhof (BFHE 257, 177 Rn. 49 ff.) in einem ähnlich gelagerten Fall eine Anpassung über § 313 BGB vorgenommen hat, ist eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß Art. 95 Abs. 3 GG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 RsprEinhG nicht erforderlich. Einer Vorlage bedarf es nur, wenn die Beantwortung der Rechtsfrage entscheidungserheblich ist (BGH, Beschluss vom 8. November 2017 - VII ZB 9/15 Rn. 22, MDR 2018, 553). Das ist hier nicht der Fall, da der Senat nicht im Ergebnis von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs abweicht.
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5. Der geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt.
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Der Lauf der hier maßgeblichen regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Der Anspruch des Klägers ist erst mit Eintritt der Gefahr entstanden, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Im Streitfall ist diese Gefahr erst mit dem nach Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20) gestellten Erstattungsantrag der Beklagten eingetreten. Die Verjährungsfrist war mithin bei Erhebung der Klage im Jahr 2016 noch nicht abgelaufen.
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6. Der ausgeurteilte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 34 Satz 1 EGBGB. Ein weitergehender Zinsanspruch ist nicht begründet.
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III.
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Das Berufungsurteil und das Urteil des Amtsgerichts können danach überwiegend keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da nach den festgestellten Tatsachen die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
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Kartzke
Jurgeleit
Graßnack
Frau Richterin am Bundesgerichtshof
Borris ist wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung gehindertBrenneisen
Kartzke
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.