Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juli 2017 - RiZ (R) 3/16

bei uns veröffentlicht am26.07.2017
vorgehend
Landgericht Zweibrücken, 1 DG 2/14, 31.07.2015
Oberlandesgericht Koblenz, DGH 1/15, 10.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
RiZ(R) 3/16 Verkündet am:
26. Juli 2017
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Prüfungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2017:260717URIZ.R.3.16.0

Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Mayen, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Menges und Harsdorf-Gebhardt, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Koch und Gericke
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs für Richterinnen und Richter bei dem Oberlandesgericht Koblenz vom 10. August 2016 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Antragsteller ist Direktor des Amtsgerichts G. . Er bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle des Vizepräsidenten des Landgerichts L. . Aus Anlass dieser Bewerbung erstellte die Präsidentin dieses Gerichts am 16. Juni 2014 eine Beurteilung, in der es zur dienstlichen Eignung und Leistung des Antragstellers heißt: In Zivilsachen würden die Urteile in manchen Fällen noch mehr an Überzeugungskraft gewinnen, wenn bei der Tatsachenfeststellung der Beweiswürdigung mehr Raum zukäme.
2
Die Beurteilung wurde dem Antragsteller von der Präsidentin des Landgerichts am 18. Juni 2014 eröffnet.
3
Der Antragsteller legte gegen die Beurteilung Widerspruch ein und rügte, die oben wiedergegebene Formulierung greife in seine richterliche Unabhängigkeit ein. Die Präsidentin des Landgerichts half dem Widerspruch nicht ab und führte in ihrem Nichtabhilfebescheid vom 18. Juli 2014 aus: Die beanstandete Formulierung beruht auf der Durchsicht der in der Berufungsinstanz zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung anhängigen Verfahren aus dem Zivilreferat des Widerspruchsführers. Dabei wurde - soweit eine Beweiswürdigung vorzunehmen war - durchgängig folgende Handhabung festgestellt: In den Entscheidungsgründen der jeweiligen Urteile wurden die in den Sitzungsprotokollen aufgenommenen Angaben der Parteien im Rahmen der Anhörung gemäß § 141 ZPO, die Angaben der gehörten Zeugen und die Ausführungen von Sachverständigen ganz oder zumindest in weiten Teilen wörtlich als Zitat wiedergegeben, teilweise über mehrere Seiten. Die Würdigung der wörtlich wiedergegebenen Angaben hat sich auf wenige Zeilen beschränkt.
4
Der Präsident des Oberlandesgerichts Z. wies den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2014 als unbegründet zurück. In dem Bescheid heißt es: Der Formulierung liegt die von der Präsidentin des Landgerichts festgestellte Verfahrensweise des Widerspruchsführers zugrunde, in den Entscheidungsgründen von Urteilen die in den Sitzungsprotokollen aufgenommenen Angaben der Parteien im Rahmen der Anhörung nach § 141 ZPO, die Angaben der gehörten Zeugen und die Ausführungen von Sachverständigen ganz oder zumindest in weiten Teilen wörtlich als Zitat wiederzugeben. (...) Es ist auch nachzuvollziehen , dass die in der Regel nicht juristisch vorgebildeten Parteien schon aus dem unterschiedlichen Umfang, den die Zitierungen der Aussagen einerseits und deren Bewertung andererseits in der Urteilsbegründung einnehmen, möglicherweise schlussfolgern, der Richter habe die Beweise nur zusammengetragen und nicht hinreichend gewürdigt.
5
Der Antragsteller hat beim Dienstgericht einen Antrag nach § 26 Abs. 3 DRiG gestellt und geltend gemacht, die beanstandete Formulierung in der Beurteilung vom 16. Juni 2014 beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit, weil sie darauf abziele, Einfluss auf seine zukünftige Rechtsfindung zu nehmen.
6
Der Antragsteller hat beantragt, festzustellen, dass die Formulierung „In Zivilsachen würden die Urteile in manchen Fällen noch mehr Überzeugungskraft gewinnen, wenn bei der Tatsachen- feststellung der Beweiswürdigung mehr Raum zukäme“ in der Beurteilung vom 16. Juni 2014 durch die Präsidentin des Landgerichts L. ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt und folglich § 26 des Deutschen Richtergesetzes zuwiderläuft.
7
Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten.
8
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgericht hat der Antragsteller mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz hilfsweise beantragt , festzustellen, dass er durch folgende Vorhalte in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt ist:
a) Mündlicher Vorhalt der Präsidentin des Landgerichts L. anlässlich der Eröffnung der Beurteilung vom 16. Juni 2014 am 18. Juni 2014 dahingehend, dass er es zu unterlassen habe, die Beweiswürdigung in den Entscheidungsgründen von Zivilurteilen durch wörtliches Zitat wiederzugeben.
b) Schriftlicher Vorhalt der Präsidentin des Landgerichts L. in der Nichtabhilfeentscheidung vom 18. Juli 2014: „Dabei wurde - soweit eine Beweiswürdigung vorzunehmen war - durchgängig folgende Handhabung festgestellt: in den Entscheidungsgründen der jeweiligen Urteile wurden die in den Sitzungsprotokollen aufgenommenen Angaben der Parteien im Rahmen der Anhörung gemäß § 141 ZPO, die Angaben der gehörten Zeugen und die Ausführungen von Sachverständigen ganz oder zumindest in weiten Teilen wörtlich als Zitat wiedergegeben, teilweise über mehrere Seiten.“
c) Schriftlicher Vorhalt des Präsidenten des Pfälzischen Oberlandesgerichts Z. im Widerspruchsbescheid vom 23. September 2014: „Der Formulierung liegt die von der Präsidentin des Landgerichts festgestellte Verfahrensweise des Widerspruchsführers zu Grunde, in den Entscheidungsgründen von Urteilen die in den Sitzungsprotokollen aufgenommenen Angaben der Parteien im Rahmen der Anhörung nach § 141 ZPO, die Angaben der gehörten Zeugen und die Ausführungen von Sachverständigen ganz oder zumindest in weiten Teilen wörtlich als Zitat wiederzugeben. (...) Es ist auch nachzuvollziehen, dass die in der Regel nicht juristisch vorgebildeten Parteien schon aus dem unterschiedlichen Umfang, den die Zitierungen der Aussagen einerseits und deren Bewertung andererseits in der Urteilsbegründung einnehmen, möglicherweise schlussfolgern, der Richter habe die Beweise nur zusammengetragen und nicht hinreichend gewürdigt.“
9
Das Dienstgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beanstandete Formulierung in der Anlassbeurteilung vom 16. Juni 2014 beeinträchtige nicht die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers. Der mit dem Hilfsantrag erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingeführte Klagegrund könne nicht Gegenstand der Entscheidungsfindung sein; eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung komme nicht in Betracht.
10
Mit seiner Berufung hat der Antragteller seinen Hauptantrag und seinen Hilfsantrag weiterverfolgt. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Dienstgerichtshof für Richterinnen und Richter bei dem Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 10. August 2016 - DGH 1/15, DRiZ 2017, 102). Der Dienstgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Berufung sei auch in Bezug auf die drei Hilfsanträge zulässig, die das Dienstgericht als nicht zulässig erachtet und über die es deshalb nur durch Prozessurteil entschieden habe. Die Berufung habe jedoch in der Sache keinen Erfolg. Weder die im Hauptantrag zitierte Formulierung in der dienstlichen Beurteilung vom 16. Juni 2014 noch die Vorhalte der Präsidentin des Landgerichts L. im Nichtabhilfebescheid vom 18. Juli 2014 und des Präsidenten des Pfälzischen Oberlandesgerichts Z. im Widerspruchsbescheid vom 23. September 2014 beeinträchtigten den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Der vomAntragsteller mit seinem ersten Hilfsantrag behauptete Vorhalt der Präsidentin des Landgerichts bei der Eröffnung der Beurteilung vom 16. Juni 2014 am 18. Juni 2014 würde zwar grundsätzlich einen unzulässigen Eingriff darstellen; es sei aber nicht erwiesen, dass diese Äußerung so, wie vom Antragsteller geschildert, gefallen sei.
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Der Antragsteller verfolgt mit seiner vom Dienstgerichtshof zugelassenen Revision seine zuletzt gestellten Anträge weiter. Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

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I. Die Revision des Antragstellers hat keinen Erfolg.
13
1. Mit dem Hauptantrag begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass die beanstandete Formulierung in seiner dienstlichen Beurteilung durch die Präsidentin des Landgerichts L. vom 16. Juni 2014 ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
14
a) Der Dienstgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Hauptantrag zulässig ist.
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aa) Behauptet ein Richter, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt, so entscheidet gemäß § 26 Abs. 3 DRiG auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes. Die Zulässigkeit eines solchen Prüfungsantrags setzt lediglich die schlichte - nachvollziehbare - Behauptung einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht voraus. Die Frage, ob die beanstandete Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit tatsächlich beeinträchtigt, ist eine Frage der Begründetheit des Prüfungsantrags (BGH, Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 16 mwN; Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 13). Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht“ ist entsprechend dem auf einen umfassenden Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG weit auszulegen. Es genügt bereits eine Einflussnahme, die sich lediglich mittelbar auf die rechtsprechende Tätigkeit des Richters auswirkt oder darauf abzielt. Erforderlich ist jedoch, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten Richter oder eine bestimmte Gruppe von Richtern wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwi- schen der Justizverwaltung und dem Richter oder bestimmten Richtern gekommen ist oder ein konkreter Bezug zur Tätigkeit eines Richters besteht. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer Richter befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser Richter in bestimmter Richtung auszuwirken (BGH, Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 17 mwN; Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 14).
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bb) Nach diesen Maßstäben ist der mit dem Hauptantrag gestellte Prüfungsantrag zulässig. Der Antragsteller hat nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihm beanstandete Formulierung in der von der Präsidentin des Landgerichts L. erstellten dienstlichen Beurteilung vom 16. Juni 2014 bei objektiver Betrachtung einen konkreten Bezug zu seiner rechtsprechenden Tätigkeit hat und geeignet ist, sich mittelbar auf diese Tätigkeit auszuwirken und damit seine richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Die dienstliche Beurteilung eines Richters bewertet seine bisherige Amtsführung und kann sich damit auf sein künftiges dienstliches Verhalten auswirken. Sie stellt deshalb eine Maßnahme der Dienstaufsicht dar (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2005 - RiZ(R) 2/04, BGHZ 162, 333, 337 f., mwN; Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 17).
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b) Der Dienstgerichtshof hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Hauptantrag unbegründet ist.
18
aa) Nach § 26 Abs. 1 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Nach § 26 Abs. 2 DRiG umfasst die Dienstaufsicht vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis , dem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäftes vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.
19
bb) Der Dienstgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der Frage, ob die beanstandete Formulierung in der Beurteilung des Antragstellers als Maßnahme der Dienstaufsicht seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt, folgende Grundsätze gelten:
20
(1) Die beanstandete Formulierung in der dienstlichen Beurteilung ist ausschließlich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Ob sie im Übrigen rechtmäßig ist, ist im Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG nicht zu entscheiden (BGH, Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 19).
21
(2) Zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit gehören in erster Linie die eigentliche Rechtsfindung und die ihr mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen einschließlich nicht ausdrücklich vorgeschriebener, dem Interesse der Rechtsuchenden dienender richterlicher Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (sogenannter Kernbereich). Sie sind dienstaufsichtlichen Maßnahmen grundsätzlich entzogen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff vor. Dagegen unterliegt die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs , die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäftes oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig angesehen werden können (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris Rn. 16 f., mwN; Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 21).
22
(3) Eine dienstliche Beurteilung beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit nicht schon dann, wenn sie die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten bewertet. Das entspricht vielmehr dem Zweck einer solchen Beurteilung. Sie verletzt die richterliche Unabhängigkeit vielmehr nur dann, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll. In dieser Richtung muss die dienstliche Beurteilung eines Richters sich allerdings auch jeder psychischen Einflussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn die in ihr enthaltene Kritik den Richter veranlassen könnte, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder Sachentscheidung als ohne diese Kritik zu treffen (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris Rn. 15 mwN; Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZRR 2015, 826 Rn. 22). Dementsprechend weist die auf § 5 Abs. 1 des rheinland -pfälzischen Landesrichtergesetzes (LRiG) und § 15 Abs. 1 Satz 2 der rheinland-pfälzischen Laufbahnverordnung (LbVO) beruhende Verwaltungsvorschrift des rheinland-pfälzischen Ministeriums der Justiz vom 4. Juni 2007 in Ziffer 5.1 (jetzt Ziffer 6.1 der Verwaltungsvorschrift des rheinland-pfälzischen Ministeriums der Justiz vom 15. August 2016) darauf hin, dass die Erteilung der Beurteilung eine Maßnahme der Dienstaufsicht ist und bei der Beurteilung von Richterinnen und Richtern deshalb die durch § 26 Abs. 1 und 2 des Deutschen Richtergesetzes für die Dienstaufsicht gezogenen Grenzen zu beachten sind.
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cc) Der Dienstgerichtshof ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass nach diesen Grundsätzen die angegriffene Formulierung in der Beurteilung des Antragstellers seine richterliche Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt.
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(1) Der Dienstgerichtshof hat angenommen, die Formulierung in der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 16. Juni 2014 betreffe zwar den Kernbereich seiner richterlichen Tätigkeit; sie beeinträchtige ihn aber nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Die Bewertung der Urteilstechnik des Antragstellers durch die Präsidentin des Landgerichts nehme keinen Einfluss auf seine Entscheidungen in der Sache oder im Verfahren. Die in der Beurteilung angesprochenen Verfahren seien zum Zeitpunkt der Beurteilung bereits abgeschlossen gewesen. Die Bewertung betreffe zudem nicht die Entscheidungen selbst, sondern allein die Güte ihrer Begründung. Die Beurteilerin habe mit ihrer konstruktiven Kritik lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie die vom Antragsteller gewählte Art der Abfassung der Entscheidungsgründe für nicht so überzeugend halte wie die ihrer Auffassung nach übliche Darstellung von Parteivortrag und Zeugenaussage in indirekter Rede. Eine solche Bewertung der Arbeitsweise eines Richters sei weder willkürlich noch unsachlich oder herabsetzend ; sie sei vielmehr unter Berücksichtigung der Bedeutung von dienstlichen Beurteilungen für künftige Personalentscheidungen grundsätzlich zulässig. Es sei zwar unzulässig, wenn die Bewertung der Urteilstechnik eines Richters zugleich die Aufforderung enthalte, künftig in der vom Beurteiler gewünschten Art und Weise zu verfahren. Eine solche Aufforderung könne der beanstandeten Textpassage der dienstlichen Beurteilung aber nicht entnommen werden. Auch aus der subjektiven Sicht des Antragstellers liege keine Weisung seiner Dienstvorgesetzten vor. Der Antragsteller habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgerichtshof erklärt, er habe sich von der Bewertung seiner Urteilstechnik durch die Beurteilung nicht beeinflussen lassen und begründe seine zivilgerichtlichen Entscheidungen immer noch in der von ihm für richtig erachteten Weise.
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(2) Die Feststellung des Inhalts einer dienstlichen Beurteilung und die Würdigung der darin im Einzelfall verwendeten Formulierungen ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte und unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 137 Abs. 2 VwGO). Sofern keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben werden, ist das Revisionsgericht grundsätzlich an die im Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Die tatrichterliche Würdigung einer Äußerung oder Erklärung, auch in einer Beurteilung, ist nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ob wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen wurde, oder ob sie sonst auf Rechtsfehlern beruht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2013 - RiZ(R) 2/12, NVwZ-RR 2014, 202 Rn. 18; Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris Rn. 18, jeweils mwN; Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 25).
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(3) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung der beanstandeten Formulierung in der Beurteilung des Antragstellers durch den Dienstgerichtshof revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, bei der beanstandeten Formulierung handele es sich unter Berücksichtigung der ergänzenden Hinweise in der Nichtabhilfeentscheidung und im Widerspruchsbescheid , wie diese Formulierung zu verstehen sei - entgegen der Ansicht des Dienstgerichtshofs - um eine deutliche Anweisung an den Antragsteller, wie er seine Urteile aufbauen solle, wenn er künftig eine bessere Beurteilung wolle. Damit versucht die Revision lediglich, die tatrichterliche Würdigung durch ihre abweichende Beurteilung zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler des Dienstgerichtshofs aufzuzeigen.
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(a) Entgegen der Ansicht der Revision steht die Annahme des Dienstgerichtshofs , es handele sich nicht um eine Anweisung an den Antragsteller, nicht in Widerspruch zu der weiteren Annahme des Dienstgerichthofs, die Präsidentin des Landgerichts habe „konstruktive Kritik“ am Antragsteller geübt. Es mag sein, dass der Begriff der „konstruktiven Kritik“ - wie die Revision geltend macht - einen Verbesserungsbedarf und eine Verbesserungsmöglichkeit impliziert. Daraus folgt aber nicht, dass derjenige, der „konstruktive Kritik“ übt, den Kritisierten damit anweist, seine kritisierte Verhaltensweise in Zukunft zu ändern. Eine im Rahmen einer Beurteilung geübte „konstruktive Kritik“ kann vielmehr auch dahin zu verstehen sein, dass der Beurteiler dem Beurteilten damit aufzeigt, welches Verhalten gegenüber dem kritisierten Verhalten aus seiner Sicht vorzugswürdig gewesen wäre.
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Der Hinweis in der dienstlichen Beurteilung darauf, dass die Urteile des Antragstellers in manchen Fällen noch mehr Überzeugungskraft gewinnen würden , wenn bei der Tatsachenfeststellung der Beweiswürdigung - im Verhältnis zur Darstellung des Ergebnisses der Beweisaufnahme - mehr Raum zukäme, betrifft methodische Standards der Rechtsanwendungstechnik und rechtfertigt bei objektiver Betrachtung grundsätzlich nicht die Annahme, er laufe auf eine - die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigende - direkte oder indirekte Weisung oder psychische Einflussnahme hinaus, wie der Antragsteller künftig verfahren oder entscheiden soll. Eine solche Formulierung ist im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als die vom Dienstgericht des Bundes als zulässig erachtete Formulierung in einer dienstlichen Beurteilung, dass Urteile und Beschlüs- se des beurteilten Richters „allerdings in manchen Fällen durch eine eingehendere Würdigung des Parteivortrags an Überzeugungskraft gewinnen würden“ (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1976 - RiZ(R) 4/76, DRiZ 1976, 382 = juris Rn. 4 und 23). Sie hält sich ebenso wie diese im Rahmen zulässiger, die Entscheidungsfreiheit des Antragstellers nicht in Frage stellender Kritik an dessen Arbeitsweise im Allgemeinen. Dabei ist, wie der Dienstgerichtshof mit Recht angenommen hat, zu berücksichtigen, dass dienstliche Beurteilungen ihren Zweck, ein differenziertes Bild von der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu geben, um den am besten geeigneten Bewerber für ein öffentliches Amt ermitteln zu können (Art. 33 Abs. 2 GG), nur erfüllen können, wenn sie inhaltlich aussagekräftig sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 1120/12, DRiZ 2013, 106 Rn. 12; Kammerbeschluss vom 17. Februar 2017 - 2 BvR 1558/16, juris Rn. 8, jeweils mwN).
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(b) Die Revision macht zwar zutreffend geltend, aus dem vom Dienstgerichtshof festgestellten Umstand, dass der Antragsteller weitermache wie bisher , folge entgegen der Ansicht des Dienstgerichtshofs nicht, dass auch aus der subjektiven Sicht des Antragstellers keine an ihn gerichtete Weisung durch seine Dienstvorgesetzte vorliege. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Antragsteller bei objektiver Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 15) davon ausgehen durfte , es liege eine an ihn gerichtete Weisung durch seine Dienstvorgesetzte vor. Das ist nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Dienstgerichtshofs nicht der Fall.
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(c) Die Revision rügt, die Präsidentin des Landgerichts habe in unzulässiger Weise die Rolle der Dienstaufsicht mit ihrer Rolle als Vorsitzender der für Berufungen gegen Urteile des Antragstellers zuständigen Berufungskammer des Landgerichts vermengt. Die Überzeugungskraft einer Beweiswürdigung könne nicht Gegenstand einer dienstlichen Beurteilung sein, sondern allenfalls im Rahmen der Überprüfung einer Entscheidung im Wege des Rechtsmittels eine Rolle spielen. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
31
Soweit sie damit möglicherweise auf die Behauptung hinaus will, im Kernbereich richterlicher Tätigkeit sei eine Korrektur nur im Wege des Rechtsmittelzugs möglich und eine Bewertung der richterlichen Amtsführung im Wege der Dienstaufsicht per se ein Verstoß gegen § 26 Abs. 3 DRiG, ist darauf zu verweisen, dass in einer dienstlichen Beurteilung die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten auch dann bewertet werden dürfen, wenn sie den Kernbereich richterlicher Tätigkeit betreffen, solange eine solche Beurteilung nicht auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll (vgl. oben Rn. 22).
32
Soweit die Revision mit ihrer Rüge die sachliche Berechtigung der Kritik an der vom Antragsteller praktizierten Art und Weise der Beweiswürdigung in Frage stellt, ist darauf hinzuweisen, dass die sachliche Berechtigung der dienstlichen Beurteilung nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens ist. Im Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG ist die beanstandete Formulierung in der dienstlichen Beurteilung ausschließlich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt (BGH, Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 Rn. 19). Die Kontrolle der allgemeinen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Dienstaufsicht einschließlich dienstlicher Beurteilungen obliegt dagegen den Verwaltungsgerichten (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2001 - RiZ(R) 5/00, DRiZ 2002, 14, 15 = juris Rn. 33 mwN).
33
dd) Der Antragsteller macht ohne Erfolg geltend, die dienstliche Beurteilung vom 16. Juni 2014 beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit, weil bei deren Eröffnung seine die richterliche Unabhängigkeit betreffenden Einwendungen nicht aktenkundig gemacht worden seien.
34
(1) Nach der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes kann die dienstliche Beurteilung eines Richters wegen Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit unzulässig sein, wenn bei deren Eröffnung entgegen den landesrechtlichen Vorschriften die richterliche Unabhängigkeit möglicherweise betreffende Einwendungen des Richters nicht aktenkundig gemacht worden sind (BGH, Urteil vom 23. August 1985 - RiZ(R) 10/84, BGHZ 95, 313, 320 bis 324; Urteil vom 25. September 2002 - RiZ(R) 4/01, DRiZ 2003, 367 Rn. 22).
35
(2) Der Antragsteller beruft sich darauf, im vorliegenden Fall fehle ein den Anforderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschrift genügender Vermerk über seine Einwendungen. In dem Vermerk über die Eröffnung der dienstlichen Beurteilung sei nicht dokumentiert, dass die Präsidentin des Landgerichts die angegriffene Formulierung in der dienstlichen Beurteilung im Rahmen von deren mündlicher Erörterung darauf gestützt habe, er stelle das Beweisergebnis in unzulässiger Weise in direkter Rede dar, und dass er dagegen Einwendungen unter Hinweis auf den sich daraus ergebenden Verstoß gegen seine richterliche Unabhängigkeit erhoben habe.
36
Damit kann der Antragsteller keinen Erfolg haben, weil sein Klageantrag das beanstandete Verhalten nicht erfasst und eine Klageänderung in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04, BGHZ 170, 152 Rn. 30; Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 108/09, AnwB 2011, 872 Rn. 32). Der Antragsteller hat nicht beantragt, die Unzulässigkeit der dienstlichen Beurteilung festzustellen, die sich nach seiner Ansicht aus der fehlenden Dokumentierung der seine richterliche Unabhängigkeit möglicherweise beeinträchtigenden Einwendungen ergibt. Er hat vielmehr allein die Feststellung beantragt, dass die beanstandete Formulierung in der dienstlichen Beurteilung seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtige. Der Antragsteller kann im Revisionsverfahren daher nicht mehr mit seinem Vorbringen gehört werden, die dienstliche Beurteilung beeinträchtige seine richterliche Unabhängigkeit, weil bei deren Eröffnung seine die richterliche Unabhängigkeit möglicherweise betreffenden Einwendungen nicht aktenkundig gemacht worden seien.
37
2. Mit dem ersten Hilfsantrag erstrebt der Antragsteller die Feststellung, dass der - von ihm so bezeichnete - mündliche Vorhalt der Präsidentin des Landgerichts L. anlässlich der Eröffnung seiner Beurteilung vom 16. Juni 2014 am 18. Juni 2014 ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Auch dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
38
a) Der Dienstgerichtshof ist im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller den ersten Hilfsantrag in der Berufungsinstanz wirksam zur Entscheidung gestellt hat.
39
aa) Der Dienstgerichtshof hat angenommen, die Berufung sei auch in Bezug auf die Hilfsanträge zulässig, die das Dienstgericht als nicht zulässig erachtet und über die es deshalb nur durch Prozessurteil entschieden habe. Der Dienstgerichtshof überprüfe als Berufungsgericht nicht nur das erstinstanzliche Urteil, sondern habe als zweite Tatsacheninstanz umfassend über den Streitgegenstand zu befinden; eine mögliche Zurückverweisung wegen fehlender Sachentscheidung der Hilfsanträge sei von keinem der Beteiligten beantragt worden.
40
bb) Entgegen der Ansicht des Dienstgerichtshofs hat das Dienstgericht weder die Hilfsanträge als unzulässig erachtet noch hat es über die Hilfsanträge durch Prozessurteil entschieden. Das Dienstgericht hat vielmehr - zutreffend - angenommen, der mit dem Hilfsantrag erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingeführte Klagegrund könne nicht Gegenstand der Entscheidungsfindung sein; eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung komme nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001 - 9 B 50/01, NVwZ-RR 2002, 217, 219 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - IX ZB 152/08, NJW-RR 2009, 853, 854). Das Dienstgericht ist deshalb davon ausgegangen, die Hilfsanträge seien nicht wirksam zur Entscheidung gestellt worden; es hat über die Hilfsanträge daher nicht - auch nicht durch Prozessurteil - entschieden.
41
cc) Mit den danach erstmals in der Berufungsinstanz wirksam zur Entscheidung gestellten Hilfsanträgen hat der Antragsteller seine Klage erweitert und damit geändert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 1996 - 6 B 16/96, juris Rn. 4). Der Antragsgegner hat sich auf die geänderte Klage eingelassen. Danach ist seine Einwilligung in die Änderung der Klage anzunehmen (§ 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 91 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO) und die Änderung der Klage zulässig (§ 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 91 Abs. 1, § 125 Abs. 1 VwGO). Dabei ist belanglos, ob dem Antragsgegner die rechtliche Natur des Vorbringens des Antragstellers als einer Klageänderung bewusst geworden ist (vgl. dazu bereits BVerwG, Urteil vom 6. April 1955 - V C 276.54, BVerwGE 2, 65,

67).

42
b) Der Zulässigkeit des ersten Hilfsantrags steht ferner nicht entgegen, dass insoweit das in § 78 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 56 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e LRiG, § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgesehene Vorverfahren nicht durchgeführt worden ist. Ein Prüfungsantrag ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn sich die oberste Dienstbehörde im Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG sachlich auf den Antrag eingelassen und seine Zurückweisung als unbegründet beantragt hat (BGH, Urteil vom 10. August 2001 - RiZ(R) 5/00, NJW 2002, 359 = juris Rn. 30; Urteil vom 14. Februar 2013 - RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 14 mwN; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14/98, NVwZ-RR 2000, 172, 173 mwN). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Antragsgegner hat sich im vorliegenden Prüfungsverfahren sachlich auf den Antrag eingelassen und dessen Abweisung beantragt.
43
c) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, entgegen der Ansicht des Dienstgerichtshofs werde der Antragsteller durch den mündlichen Vorhalt der Präsidentin des Landgerichts anlässlich der Eröffnung seiner Beurteilung vom 16. Juni 2014 am 18. Juni 2014 in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt.
44
aa) Der Dienstgerichtshof hat angenommen, es stellte zwar grundsätzlich einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers dar, wenn die Präsidentin des Landgerichts ihm bei der Eröffnung der Beurteilung vom 16. Juni 2014 am 18. Juni 2014 vorgehalten hätte, er habe die von ihm angewandte Begründungstechnik künftig zu unterlassen. Es sei aber nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgerichtshof nicht erwiesen, dass diese Äußerung so, wie vom Antragsteller geschildert, gefallen sei. Der Antragsteller und seine Beurteilerin hätten auf Befragen durch den Dienstgerichtshof übereinstimmend erklärt, dass es mehrere Gespräche im Zusammenhang mit der Bewerbung des Antragstellers auf die Stelle des Vizepräsidenten des Landgerichts L. gegeben habe. Es sei ferner erwiesen, dass im Rahmen der Eröffnung der dienstlichen Beurteilung die Urteilstechnik des Antragstellers thematisiert worden sei. Im Hinblick auf die Frage, ob dem Antragsteller das Hineinkopieren von Teilen des Protokolls in die schriftlichen Entscheidungsgründe untersagt worden sei, stünden sich zwar die Aussage der informatorisch befragten Beurteilerin, die sich sicher gewesen sei, sich nicht derartig geäußert zu haben, und die Behauptung des Antragstellers gegenüber. Der Antragsteller habe allerdings seine ursprüngliche Aussage während der mündlichen Verhandlung vor dem Dienstgerichtshof in einem wesentlichen Punkt eingeschränkt. Er habe im weiteren Verlauf seiner Befragung und im sich daran anschließenden Rechtsgespräch deutlich gemacht, dass ihm seine Handhabung nicht generell für die Zukunft untersagt worden sei, er dies vielmehr aus der Rüge im Zusammenhang mit den Ausführungen im Nichtabhilfe- bescheid und im Widerspruchsbescheid geschlossen habe. Auf Vorhalt habe der Antragsteller sodann eingeräumt, es habe sich dabei nicht um die Wiedergabe einer tatsächlich so gefallenen Formulierung, sondern um seine Wertung gehandelt. Der Dienstgerichtshof hat angenommen, es lasse sich unter diesen Umständen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen, dass die mit dem ersten Hilfsantrag behauptete Äußerung tatsächlich so gemacht worden sei.
45
bb) Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Revision haben keinen Erfolg. Die Revision versucht auch insoweit lediglich, die tatrichterliche Beurteilung durch ihre eigene Würdigung zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler des Dienstgerichtshofs aufzuzeigen.
46
(1) Die Revision macht geltend, die Feststellung des Dienstgerichtshofs, der Antragsteller habe gesagt, dass ihm die Handhabung nicht generell für die Zukunft untersagt worden sei und es sich nicht um eine so gefallene Formulierung , sondern um seine Wertung handele, treffe nicht zu. Der Antragsteller habe dies so nie gesagt. Der Dienstgerichtshof habe die im Protokoll richtig wiedergegebene Äußerung des Antragstellers „das ergibt sich [nach] meiner Auffassung ganz eindeutig aus der Nichtabhilfeentscheidung und dem Widerspruchsbescheid“ unzulässig dahin umgedeutet, die beanstandete Äußerung der Präsidentin des Landgerichts sei im Rahmen der Eröffnung der dienstlichen Beurteilung nicht gefallen. Dass es sich bei dieser Beurteilung um eine unzulässige Verdrehung handele, ergebe sich aus dem im Protokoll richtig wiedergegebenen Kontext seiner Äußerung: Wenn mir vorgehalten wird, dass die Vertreterin der Beklagten gesagt hat, es sei zu unterlassen, die Beweiswürdigung in den Entscheidungsgründen von Zivilurteilen durch wörtliches Zitat wiederzugeben, so ist das zutreffend. (...) Der Satz, dass sie mich gar nicht beeinflussen dürfe, was die Abfassung der Urteile betreffe, ist nicht gefallen. (...) Als ich sie angesprochen habe, was dieser Satz solle, sagte sie zu mir, so wie sie ihre Urteile abfassen geht es nicht.
47
Damit dringt die Revision nicht durch. Sie beruft sich vergeblich darauf, der Beweiswürdigung des Dienstgerichtshofs lägen Äußerungen des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung zugrunde, die so nicht gefallen seien.
48
Enthält der Tatbestand des Urteils andere als offenbare Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, so kann nach § 78 Abs. 1 Satz 1 LRiG, § 119 Abs. 1 VwGO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils die Berichtigung beantragt werden. Das gilt auch dann, wenn die Entscheidungsgründe des Urteils unrichtige oder unklare Feststellungen enthalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5/99, juris Rn. 31 mwN). Danach kann der Antragsteller nach Versäumung der genannten Frist nicht mehr geltend machen, seine in den Entscheidungsgründen des Urteils angeführten Äußerungen seien tatsächlich so gar nicht gefallen. Der Tatbestand des Urteils liefert nach § 173 Satz 1 VwGO, § 314 Satz 1 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Das gilt auch, soweit derartige Feststellungen in den Entscheidungsgründen des Urteils enthalten sind (BGH, Urteil vom 19. Mai 1998 - XI ZR 216/97, BGHZ 139, 36, 39). Der Beweis kann nach § 173 Satz 1 VwGO, § 314 Satz 2 ZPO zwar durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden. Zwischen den tatsächlichen Feststellungen in der angegriffenen Entscheidung und dem Protokoll der mündlichen Verhandlung besteht im vorliegenden Fall aber kein Widerspruch. Aus den tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Dienstgerichtshofs ergibt sich, dass der Antragsteller zunächst die protokollierten Angaben gemacht und diese anschließend in dem im Urteil wiedergegebenen Sinn eingeschränkt hat.
49
Danach ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass der Antragsteller - wie im Protokoll festgehalten - zunächst erklärt hat, es treffe zu, dass die Vertreterin des Antragsgegners (also die Präsidentin des Landgerichts) gesagt habe, es sei zu unterlassen, die Beweiswürdigung in den Entscheidungsgründen von Zivilurteilen durch wörtliches Zitat wiederzugeben, und dass der Antragsteller - wie im Urteil wiedergegeben - diese Erklärung sodann im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung eingeschränkt und ausgeführt hat, das Verbot, die Beweiswürdigung in den Entscheidungsgründen von Zivilurteilen durch wörtliches Zitat wiederzugeben, ergebe sich nach seiner Auffassung aus der Nichtabhilfeentscheidung und dem Widerspruchsbescheid. Die Beurteilung des Dienstgerichtshofs, die beanstandete Äußerung der Präsidentin des Landgerichts sei im Rahmen der Eröffnung der dienstlichen Beurteilung nicht gefallen , beruht demnach entgegen der Ansicht der Revision nicht auf einer unvertretbaren Würdigung des Vorbringens des Antragstellers, sondern auf der rechtsfehlerfreien Feststellung, dass der Antragsteller seine frühere Äußerung im Verlauf der mündlichen Verhandlung eingeschränkt hat.
50
(2) Die Revision macht vergeblich geltend, die Behauptung der Präsidentin des Landgerichts „Im Gegenteil ist es so gewesen, dass ich in diesem Gespräch gesagt habe, ich könne ihm keine Vorgaben machen, wie das Urteil in Zukunft abzusetzen sei.“ sei nicht plausibel, weil sie ihrer im folgenden Satz aufgestellten Behauptung „Ich habe ihn auch gefragt, warum er auf diese Handhabung übergegangen sei.“ widerspreche. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus dem Umstand, dass die Präsidentin des Landgerichts den Antragsteller gefragt hat, warum er auf diese Handhabung übergegangen sei, nicht, dass sie diese Handhabung als unzulässig beanstandet hat.
51
(3) Die Revision macht weiter vergeblich geltend, aus der Nichtabhilfeentscheidung und dem Widerspruchsbescheid ergebe sich zweifelsfrei, dass die in der schriftlichen Beurteilung geäußerte Kritik an der vom Antragsteller geübten Art der Beweiswürdigung bei der mündlichen Eröffnung der Beurteilung erörtert worden sei. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass die Behauptung des Antragstellers, die Präsidentin des Landgerichts habe ihn bei der Eröffnung der Beurteilung angewiesen, die von ihm angewandte Begründungs- technik künftig zu unterlassen, nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Dienstgerichtshofs nicht erwiesen ist. Aus den vom Antragsteller beanstandeten Formulierungen in der Nichtabhilfeentscheidung und im Widerspruchsbescheid ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision - nicht, dass die Präsidentin des Landgerichts dem Antragsteller im Rahmen der Eröffnung der Beurteilung die Weisung erteilt hat, die Darstellung des Beweisergebnisses in direkter Rede zu unterlassen.
52
(4) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, selbst wenn es keine ausdrückliche Weisung gegeben hätte, verstieße es gegen die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers, dass die Präsidentin des Landgerichts bei der Eröffnung der Beurteilung und der Nichtabhilfeentscheidung jedenfalls nicht hinreichend deutlich darauf hingewiesen habe, dass sie die Form der Darstellung des Beweisergebnisses durch den Antragsteller nicht in Frage stellen wolle , sondern nur dessen angeblich fehlende Begründungstiefe bei der Beweiswürdigung. Nach der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes kann es allerdings die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen, wenn in einer dienstlichen Beurteilung die Amtsführung eines Richters - im dortigen Fall die Form der Verhandlungsführung - verallgemeinernd negativ bewertet wird, ohne konkrete Beobachtungen des Beurteilers in Bezug zu nehmen, weil dies als eine allgemeine Kritik an der Amtsführung des Richters verstanden werden und auf die Weisung hinauslaufen kann, zukünftig anders oder im Sinne des Beurteilers zu verfahren (BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268 Rn. 21 bis 23). So verhält es sich im Streitfall allerdings nicht. Die Präsidentin des Landgerichts hat die Amtsführung des Antragstellers bereits mit der beanstandeten Formulierung in der dienstlichen Beurteilung nicht nur verallgemeinernd negativ bewertet, sondern konkret ausgeführt, dass seine Urteile in Zivilsachen in manchen Fällen noch mehr Überzeugungskraft gewinnen würden, wenn bei der Tatsachenfeststellung der Beweiswürdigung mehr Raum zukäme.
53
3. Mit dem zweiten und dem dritten Hilfsantrag begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass der - von ihm so bezeichnete - schriftliche Vorhalt der Präsidentin des Landgerichts L. in der Nichtabhilfeentscheidung vom 18. Juli 2014 und der schriftliche Vorhalt des Präsidenten des Pfälzischen Oberlandesgerichts Z. im Widerspruchsbescheid vom 23. September 2014 ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigen. Diese Anträge sind unzulässig.
54
a) Gegenstand des Prüfungsverfahrens nach § 78 Abs. 1 Satz 1, § 56 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e LRiG ist nach § 78 Abs. 1 Satz 1 LRiG in sinngemäßer Anwendung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt - die dienstliche Beurteilung des Antragstellers durch die Präsidentin des Landgerichts L. vom 16. Juni 2014 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 - RiZ(R) 1/14, juris Rn. 28). Der Widerspruchsbescheid ist nach § 78 Abs. 1 Satz 1 LRiG, § 79 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 VwGO nur dann Gegenstand des Prüfungsverfahrens, wenn er erstmalig eine Beschwer enthält. Er kann nach § 78 Abs. 1 Satz 1 LRiG, § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch dann alleiniger Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Es kann im Streitfall offenbleiben, ob eine Nichtabhilfeentscheidung Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2011 - 9 C 2/11, BVerwGE 140, 245 Rn. 16; Posser/Wolff in BeckOK VwGO, 41. Edition, Stand: 01.04.2017, § 72 Rn. 15 mwN). Ein Nichtabhilfebescheid kann - ebenso wie ein Widerspruchsbescheid - jedenfalls dann nicht Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein, wenn er gegenüber dem ursprünglichen Bescheid keine erstmalige oder zusätzliche Beschwer enthält.
55
b) Danach können der Nichtabhilfebescheid und der Widerspruchsbescheid nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens sein. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Dienstgerichtshofs enthält keiner der beiden Bescheide gegenüber der ursprünglichen Maßnahme eine erstmalige oder zusätzliche Beschwer.
56
aa) Der Dienstgerichtshof hat angenommen, die vom Antragsteller mit diesen Hilfsanträgen gerügten Äußerungen im Nichtabhilfebescheid und im Widerspruchsbescheid seien nicht als eigenständige Eingriffe in seine richterliche Unabhängigkeit zu bewerten. Die Ausführungen in diesen Bescheiden beträfen die vom Antragsteller erhobenen Rügen bei der Eröffnung seiner dienstlichen Beurteilung und bezögen sich allein auf die vom Antragsteller beanstandete Textpassage in der Anlassbeurteilung vom 16. Juni 2014. Sie enthielten keine eigenständige Aufforderung, die betreffende Handhabung künftig zu unterlassen , und griffen daher nicht in die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers ein.
57
bb) Die Revision macht geltend, wenn die Präsidentin des Landgerichts die Vorgehensweise des Antragstellers tatsächlich nicht bei der mündlichen Eröffnung der Beurteilung beanstandet hätte, würden jedenfalls die entsprechenden Ausführungen in der Nichtabhilfeentscheidung und in dem Widerspruchsbescheid erstmals und damit eigenständig in die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers eingreifen. Selbst wenn in den Äußerungen im Nichtabhilfeentscheid und im Widerspruchsbescheid keine eigenständigen Eingriffe zu sehen wären, verstärkten sie doch die Kritik in der Bewertung des Antragstellers. Es werde generell Kritik an der Art und Weise geübt, wie der Antragsteller seine Urteile im Rahmen der Zivilprozessordnung verfasse. Soweit es im Widerspruchsbescheid heiße, es sei auch nachzuvollziehen, dass die in der Regel nicht juristisch vorgebildeten Parteien schon aus dem unterschiedlichen Umfang, den die Zitierungen der Aussagen einerseits und deren Bewertung andererseits in der Urteilsbegründung einnähmen, möglicherweise schlussfolgerten , der Richter habe die Beweise nur zusammengetragen und nicht hinreichend gewürdigt, sei dem entgegenzuhalten, dass eine Würdigung der Beweise auf einer halben Seite selbst bei einer viele Seiten umfassenden Darstellung der Beweise sinnvoll sein könne. Es komme allein auf die - im vorliegenden Fall nicht kritisierte - Qualität und nicht auf die Quantität der Beweiswürdigung an. Die Würdigung der Beweise durch den Richter sei einer Wertung durch die Dienstaufsicht entzogen.
58
cc) Damit dringt die Revision nicht durch. Der Dienstgerichtshof hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Nichtabhilfebescheid und der Widerspruchsbescheid keine eigenständige Beschwer des Antragstellers enthalten. Sie bezögen sich allein auf die vom Antragsteller beanstandete Formulierung in der dienstlichen Beurteilung vom 16. Juni 2014, dass in Zivilsachen die Urteile in manchen Fällen noch mehr Überzeugungskraft gewinnen würden, wenn bei der Tatsachenfeststellung der Beweiswürdigung mehr Raum zukäme. Sie beschränke sich darauf, diese Aussage dahin zu erläutern, dass in den Entscheidungsgründen der Urteile über mehrere Seiten die in den Sitzungsprotokollen aufgenommenen Angaben von Parteien, Zeugen und Sachverständigen ganz oder zumindest in weiten Teilen wörtlich als Zitat wiedergegeben würden, sich die Würdigung dieser Angaben indessen auf wenige Zeilen beschränke. Diese Beurteilung lässt keinen revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehler erkennen.

59
II. Danach war die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Mayen Menges Harsdorf-Gebhardt Koch Gericke
Vorinstanzen:
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 31.07.2015 - 1 DG 2/14 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 10.08.2016 - DGH 1/15 -

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(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(1) Für die Revision im Versetzungsverfahren und im Prüfungsverfahren gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht wirkt an dem Verfahren nicht mit.

(2) Die Revision ist stets zuzulassen.

(3) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

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einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
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(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

30
Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die von Stein/Jonas/ Schumann (aaO 21. Aufl. § 260 Rdn. 53) aufgezeigte Möglichkeit, einer Abweisung als unzulässig durch Fallenlassen der Bedingung zu entgehen, in der Revisionsinstanz nicht mehr besteht. In der Revisionsinstanz kann ein Hilfsantrag nicht mehr zum Hauptantrag erhoben werden, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revision nicht statthaft ist (BGHZ 28, 136, 137 m. zust. Anm. Fischer LM § 561 ZPO Nr. 20; BFHE 137, 478; Wieczorek/Schütze/Prütting ZPO 3. Aufl. § 559 Rdn. 34; Gottwald, Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz S. 371; a.A. Schiller, Die Klageänderung in der Revisionsinstanz in Zivil- sachen S. 60, 180 f.). Insoweit handelt es sich nämlich um eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung, weil die zuvor nur alternativ geltend gemachten Klagebegehren nunmehr kumulativ verfolgt werden. Das übersieht Schiller (aaO S. 180) bei seiner Argumentation, der Beklagte habe sich bereits in den Tatsacheninstanzen gegen den Hilfsantrag verteidigen können und mit einem rechtskräftigen Urteil darüber rechnen müssen. Mit einer Verurteilung sowohl auf den Haupt- als auch auf den Hilfsantrag hin brauchte er nicht zu rechnen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 152/08
vom
19. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstands bleibt eine nach Schluss der
mündlichen Verhandlung geltend gemachte Klageerweiterung grundsätzlich außer
Ansatz.
BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - IX ZB 152/08 - LG Bonn
AGSiegburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 19. März 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 13. Juni 2008 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 655,35 € (569,63 € + 85,72 €) festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar in Anspruch. Sie haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht nach teilweiser Klagerücknahme beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 414,59 € nebst Zinsen sowie weiterer 18,76 € zu verurteilen, und im Übrigen den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Erledigungserklärung ist einseitig geblieben. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung haben die Kläger einen Schriftsatz eingereicht, durch den sie im Wege der Klageerhöhung eine Verurteilung der Beklagten auf Zahlung von weiteren 85,72 € beantragt haben. Die- sen Schriftsatz hat das Amtsgericht der Beklagten formlos mit dem Hinweis übermittelt , dass ein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht gegeben sei.
2
Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Kläger 321,29 € nebst Zinsen zu zahlen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

II.


3
Das Landgericht hat ausgeführt, die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei nicht erreicht. Die Beschwer der Kläger belaufe sich bei günstigster Berechnung unter Einbeziehung der Kosten für den erledigten Teil auf höchstens 569,63 €. Bei der Bemessung der Beschwer bleibe die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommene Klageerhöhung um 85,72 € außer Betracht, weil sie in dem angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden sei und daher keine Beschwer zu Lasten der Kläger begründe.

III.


4
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beschwerdegegenstand von über 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht ist.

5
1. Fehlt es - wie im Streitfall - an einer Zulassung durch das Erstgericht (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), ist eine Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes unterscheidet sich begrifflich sowohl von dem erstinstanzlichen Streitwert als auch der Beschwer: Der Streitwert bestimmt die Grenzen der Beschwer, die im Falle einer Teilstattgabe den Streitwert unterschreiten, ihn aber selbst bei einer uneingeschränkten Verurteilung oder Klageabweisung nicht überschreiten kann. In Übereinstimmung mit dem Verhältnis von Streitwert zu Beschwer begrenzt der Wert der Beschwer seinerseits den Wert des mit einem Rechtsmittel zu verfolgenden Beschwerdegegenstandes , der - wenn der Rechtsmittelführer die ihm nachteilige Entscheidung teils hinnimmt - geringer, aber selbst bei einem unbeschränkten Rechtsmittel keinesfalls höher als die Beschwer sein kann (Jauernig NJW 2001, 3027 f). Mit dem Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist darum der Wert der Beschwer gemeint, den der Rechtsmittelführer mit dem Ziel ihrer Beseitigung zur Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht stellt (RGZ 160, 204, 213; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl. § 511 Rn. 46; Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 511 Rn. 18). Aus diesen Erwägungen muss der Rechtsmittelführer mit der Berufung die Beseitigung einer Beschwer von mehr als 600 € verfolgen.
6
2. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Klägers ist grundsätzlich von der "formellen Beschwer" auszugehen. Danach ist der Kläger insoweit beschwert, als das angefochtene Urteil von seinen Anträgen abweicht (BGHZ 50, 261, 263; BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990 - VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704). Im Blick auf den Teilerfolg der Klage beträgt die Beschwer der Kläger bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhand- lung nach den rechtlich zutreffenden und von den Klägern unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts höchstens 569,63 €. Angesichts dieser Beschwer kann der Beschwerdegegenstand von 600 € nicht erreicht sein.
7
3. Die Rechtsbeschwerde meint, wegen der uneingeschränkten Weiterverfolgung des erstinstanzlich abgewiesenen Klagebegehrens erhöhe sich die Beschwer der Kläger um den nach Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemachten weiteren Zahlungsanspruch über 85,72 € auf 655,35 €. Dem kann nicht beigetreten werden.
8
a) Gemäß § 296a ZPO können nach Schluss der mündlichen Verhandlung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Da die Vorschrift lediglich Angriffsmittel, aber nicht den Angriff und damit die Klage selbst betrifft, werden zwar neue Sachanträge von ihrem Regelungsbereich nicht erfasst (vgl. nur Musielak/Huber aaO § 296a Rn. 3). Wie sich jedoch aus § 256 Abs. 2, § 261 Abs. 2, § 297 ZPO ergibt, ist die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz unzulässig, weil Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen (BGH, Urt. v. 2. Juni 1966 - VII ZR 41/64, WM 1966, 863, 864; Beschl. v. 9. Juli 1997 - IV ZB 11/97, NJW-RR 1997, 1486; Musielak/Huber, aaO; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 22. Aufl. § 296a Rn. 26; Zöller/Greger, ZPO 27. Aufl. § 296a Rn. 2a; HK-ZPO/Saenger, 2. Aufl. § 296a Rn. 3; Frank O. Fischer NJW 1994, 1315, 1316; vgl. zur Unzulässigkeit einer nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Widerklage: BGH, Beschl. v. 12. Mai 1992 – XI ZR 251/91, NJW-RR 1992, 1085; Urt. v. 19. April 2000 - XII ZR 334/97, NJW 2000, 2512, 2513).
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b) Mangels einer Antragstellung in mündlicher Verhandlung darf über eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden (BGH, Beschl. v. 9. Juli 1997, aaO; OLG München ZIP 1981, 321, 322; Stein/Jonas/Leipold, aaO). In Einklang damit hat das Amtsgericht von einer Entscheidung über die Klageerweiterung abgesehen. Da die Klageerweiterung mithin nicht Gegenstand der Ausgangsentscheidung wurde, ist ihr Wert bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstandes außer Betracht zu lassen (BGH, Beschl. v. 9. Juli 1997, aaO).
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp

Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 21.11.2007 - 118 C 474/06 -
LG Bonn, Entscheidung vom 13.06.2008 - 8 S 247/07 -

(1) Für das Verfahren in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 3 und 4 (Prüfungsverfahren) gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht wirkt an dem Verfahren nicht mit.

(2) Ein Vorverfahren findet nur in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 4 statt.

(3) Das Verfahren wird in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 3 durch einen Antrag der obersten Dienstbehörde, in den Fällen der Nummer 4 durch einen Antrag des Richters eingeleitet.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Für das Verfahren in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 3 und 4 (Prüfungsverfahren) gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht wirkt an dem Verfahren nicht mit.

(2) Ein Vorverfahren findet nur in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 4 statt.

(3) Das Verfahren wird in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 3 durch einen Antrag der obersten Dienstbehörde, in den Fällen der Nummer 4 durch einen Antrag des Richters eingeleitet.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, so kann die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.

(2) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme durch Beschluß. Der Beschluß ist unanfechtbar. Bei der Entscheidung wirken nur die Richter mit, die beim Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Wasser- und Abwassergebührenbescheid.

2

Er wurde mit Bescheid vom 28. Februar 2006, der mit Hilfe einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage erstellt wurde, keine Unterschrift trägt und im Briefkopf und der Grußformel den beklagten Zweckverband als erlassende Behörde ausweist, für sein Grundstück in T. zu Wasser- und Abwassergebühren in Höhe von 607,12 € herangezogen. Auf seinen Widerspruch hin teilte der Beklagte unter dem 23. Juni 2006 mit, dass nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne und dieser zuständigkeitshalber an das Landratsamt G. als Widerspruchsbehörde abzugeben sei. Das Landratsamt G. wies den Widerspruch zurück. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

4

Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil er zwar formal den Zweckverband als erlassende Behörde ausweise, aber inhaltlich von dem privatrechtlich organisierten Geschäftsbesorger des Beklagten, der S. GmbH, erlassen worden sei. Die S. GmbH habe nahezu lückenlos alle Aufgabenbereiche des Beklagten, der über kein eigenes Personal verfüge, übernommen und eigenständig bearbeitet. Da sie im Außenverhältnis nicht als selbständig handelnder Hoheitsträger in Erscheinung getreten sei, sei sie jedoch nicht als Beliehene tätig geworden. Eine Beleihung wäre zudem unzulässig gewesen, weil die Aufgabe der Abwasserbeseitigung nach dem Thüringer Wassergesetz nur auf Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen werden könne. Auch für ein Mandat fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Eine Verwaltungshilfe scheide ebenfalls aus, da der Geschäftsbesorger nicht nur einzelne Hilfstätigkeiten, sondern die gesamte öffentliche Aufgabe übernommen habe. In der Mitteilung des Beklagten über die Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde liege keine eigenständige Einzelfallregelung des Abgabenschuldverhältnisses. Der Erlass des Widerspruchsbescheids führe zu keiner anderen Beurteilung. Dieser könne zwar grundsätzlich gestaltbildend auf den Ausgangsbescheid einwirken. Es fehle aber schon an einer von der Ausgangsbehörde selbst getroffenen Regelung, die hätte bestätigt oder umgestaltet werden können. Im Widerspruchsbescheid erstmals einen Verwaltungsakt zu sehen, scheide auch deshalb aus, weil es sich bei der Erhebung von Wasser- und Abwassergebühren um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handele, bei der die Aufsichtsbehörde auf die bloße Rechtsaufsicht beschränkt sei. Der Rechtsfehler, dass der Bescheid nicht durch den Beklagten erlassen worden sei, könne nicht durch Umdeutung ausgeräumt werden.

5

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte im Wesentlichen, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Bescheid sei entgegen dem äußeren Anschein inhaltlich nicht von dem Beklagten erlassen worden, verkenne die bundesrechtlichen Voraussetzungen des Vorliegens und der Wirksamkeit eines (Abgaben-)Verwaltungsakts. Durch die Nichtabhilfeentscheidung des Beklagten, jedenfalls aber durch die Zurückweisung des Widerspruchs durch die Widerspruchsbehörde sei eine etwa fehlende Regelung der Ausgangsbehörde ersetzt worden.

6

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2009 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 8. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

9

1. Das Oberverwaltungsgericht hat, indem es davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem angefochtenen Gebührenbescheid um einen Verwaltungsakt handelt, den Verwaltungsaktsbegriff, der als Begriff des Prozessrechts der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 42, 68, 70, 75, 79 VwGO) auch dem Bundesrecht angehört (Urteil vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <306>), nicht verkannt. Bei dem Gebührenbescheid handelt es sich um eine auf unmittelbare Außenwirkung gerichtete Entscheidung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Sinne des bundesrechtlichen Verwaltungsaktsbegriffs, wie er in § 35 Satz 1 VwVfG definiert ist. Sein Erlass ist auch dem Beklagten und damit einer Behörde im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG) zuzurechnen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Beklagte den für ihn tätig gewordenen privatrechtlich organisierten Geschäftsbesorger vertraglich ausdrücklich ermächtigt, Veranlagungen zu Gebühren und Beiträgen durchzuführen und Gebühren- und Beitragsbescheide zu erstellen und zu versenden. Anders als in dem von der Revision zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2006 - BVerwG 10 B 38.06 - (juris Rn. 6) ist hier die Mitwirkung des Privaten nach außen nicht erkennbar geworden, sondern allein im internen Bereich geblieben. Als Entscheidungsträger ist nach außen nicht der Geschäftsbesorger, sondern ausschließlich der Beklagte aufgetreten. Der angefochtene Bescheid hat daher nicht den Charakter einer allein von einer Privatperson getroffenen Maßnahme. Dass der Beklagte den Inhalt des Gebührenbescheids nicht kannte und ihn vor seinem Erlass nicht auf seine Richtigkeit hin überprüfen konnte, führt zu keiner anderen Beurteilung der Verwaltungsaktsqualität. Erforderlich, aber auch genügend für die Annahme eines Verwaltungsakts in Abgrenzung von einem Nichtakt (Scheinverwaltungsakt) ist dann, wenn die betreffende Maßnahme eine Behörde als Entscheidungsträger ausweist, intern jedoch ein Privater sie getroffen hat, dass die nach außen in Erscheinung tretende Behörde das Tätigwerden des Privaten als Geschäftsbesorger veranlasst hat, der Geschäftsbesorger also mit ihrem Wissen und Wollen tätig geworden ist. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn die von dem Geschäftsbesorger durchzuführende Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach so hinreichend genau bestimmt ist, dass ohne Weiteres feststellbar ist, ob er sich im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeit gehalten hat. Dies war hier nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der Fall. Durch den Geschäftsbesorgungsvertrag und die von ihm erlassenen satzungsrechtlichen Regelungen hat der Beklagte die Grundlagen für das Tätigwerden des Geschäftsbesorgers geschaffen und gleichzeitig den Umfang der Aufgabenwahrnehmung im Einzelnen festgelegt. Innerhalb dieses Rahmens hat sich der Geschäftsbesorger bewegt, so dass sein Tätigwerden dem beklagten Zweckverband als eigenes Handeln zuzurechnen ist.

10

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Bescheid sei inhaltlich von dem privaten Geschäftsbesorger erlassen worden, steht nicht im Widerspruch zur Qualifizierung des Gebührenbescheids als Verwaltungsakt und ist nicht willkürlich. Widersprüchlich und willkürlich wäre das Berufungsurteil nur dann, wenn die Formulierung, der Bescheid sei formal dem Beklagten zuzurechnen, inhaltlich aber nicht von ihm, sondern dem Geschäftsbesorger erlassen worden, so verstanden werden müsste, dass es nach Auffassung des Berufungsgerichts schon an einer dem Beklagten zurechenbaren Entscheidung, die die Begriffsmerkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, fehlt. Das ist indes nicht der Fall.

11

Das Oberverwaltungsgericht prüft und bejaht in dem angegriffenen Urteil zunächst die Zuständigkeit des Beklagten zum Erlass von Wasser- und Abwassergebührenbescheiden und stellt dann fest, dass der Beklagte nach der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB dem objektiven Erklärungswert des angegriffenen Bescheids nach formal als diejenige Körperschaft anzusehen sei, die den Bescheid erlassen habe. Damit geht es der Sache nach davon aus, dass es sich bei dem Gebührenbescheid um eine dem Beklagten zurechenbare Einzelfallregelung im Sinne des bundesrechtlichen Verwaltungsaktsbegriffs handelt. Mit der dann folgenden Gegenüberstellung von formaler Zurechnung und inhaltlichem Erlass des Bescheids stellt das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht das Vorliegen eines Verwaltungsakts wieder in Frage. Mit dieser Gegenüberstellung will das Oberverwaltungsgericht vielmehr deutlich machen, dass mit der Feststellung der Verwaltungsaktsqualität des Bescheids aufgrund der Zurechenbarkeit zum Beklagten nicht schon über dessen Rechtmäßigkeit entschieden ist. Dies lässt einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen. Von der Prüfung der Handlungsform, also vorliegend der Frage, ob überhaupt ein im Wege der Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt vorliegt, ist die Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns zu unterscheiden. Die Rechtmäßigkeitskontrolle behördlichen Handelns setzt voraus, dass die gewählte Handlungsform bestimmt ist. Aus der Unterscheidung zwischen der Bestimmung der Handlungsform und der Rechtmäßigkeitsprüfung der Handlung folgt, dass dann, wenn eine behördliche Handlung die Begriffsmerkmale des Verwaltungsaktsbegriffs erfüllt, Verstöße gegen Vorschriften des Verfahrens- und des sachlichen Rechts und selbst besonders schwere Fehler, die den Verwaltungsakt nichtig machen und zu seiner Unwirksamkeit führen (vgl. §§ 44, 43 Abs. 3 VwVfG), nichts daran ändern, dass begrifflich ein - wenn auch rechtswidriger oder nichtiger - Verwaltungsakt vorliegt.

12

2. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen Bundesrecht verstoßen, indem es in Auslegung und Anwendung von Thüringer Landesrecht zu dem Ergebnis gekommen ist, eine gesetzliche Ermächtigung für die Aufgabenwahrnehmung durch den privaten Geschäftsbesorger habe nicht existiert und der Beklagte habe gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft und die sich daraus ergebende Pflicht verstoßen, das zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ganges der Geschäfte erforderliche Personal einzustellen.

13

Der vom Beklagten hierin gesehene Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG scheidet schon deswegen aus, weil der Beklagte keine Gemeinde ist. Er ist aber auch kein Gemeindeverband im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG. Gemeindeverbände sind kommunale Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder denen Selbstverwaltungsaufgaben obliegen, die nach Gewicht und Umfang denen der Gemeinden vergleichbar sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 <112>). Der Beklagte ist dagegen als Zweckverband auf den Zweck der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung beschränkt (ebenso ThürVerfGH, Urteil vom 23. April 2009 - VerfGH 32.05 - ThürVBl 2009, 197 <198>).

14

Selbst wenn mit dem Beklagten eine mittelbare Schutzwirkung des Art. 28 Abs. 2 GG zugunsten gemeindlicher Zweckverbände anzunehmen wäre, würde es nicht zu dem in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden gewährleisteten Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, und dem nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG den Gemeindeverbänden im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs zustehenden Recht auf Selbstverwaltung gehören, die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung einer privatrechtlichen Gesellschaft zu überlassen. Zu der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Befugnis der eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte gehört auch die Organisationshoheit (Urteil vom 6. April 2005 - BVerwG 8 CN 1.04 - BVerwGE 123, 159 <162> m.w.N.). In eingeschränktem Umfang gilt dies auch für die Gemeindeverbände nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433, 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <352 f.>). Die Organisationshoheit umfasst die Befugnis der Gemeinde, sich dafür zu entscheiden, eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrzunehmen. Hieraus folgt jedoch kein Recht der Gemeinde, Verwaltungstätigkeiten ohne gesetzliche Ermächtigung auf Private zu übertragen. Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit, der die Gemeinde verpflichtet, ihre Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 a.a.O. S. 367, 372 f.), steht einem so weitgehenden Verständnis der Organisationsfreiheit entgegen. Im Übrigen würde, selbst wenn die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für eine Privatisierung von Verwaltungstätigkeiten den Garantiegehalt der kommunalen Selbstverwaltung berührte, nichts für einen Eingriff in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie für Gemeinden und Gemeindeverbände durch eine Beschränkung der Einschaltung privater Dritter bei der Erledigung von Selbstverwaltungsangelegenheiten sprechen (hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 - 2 BvR 445/91 - BVerfGE 91, 228 <238> m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 6. April 2005 a.a.O.).

15

3. Ein Bundesrechtsverstoß liegt auch nicht darin begründet, dass das Berufungsgericht der Nichtabhilfeentscheidung und der Abgabenachricht des Beklagten vom 23. Juni 2006 nicht die Bedeutung einer eigenständigen Einzelfallregelung beigemessen hat.

16

Bundesrecht ist insoweit berührt, als das Abhilfeverfahren in §§ 72, 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO geregelt ist. Insoweit wird das Verfahren bundesrechtlich bestimmt. Ausdrücklich geregelt ist in § 72 VwGO nur die Abhilfeentscheidung. Mit ihr ändert die Ausgangsbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt ganz oder teilweise ab und gestaltet damit das Verwaltungsrechtsverhältnis. Der Abhilfebescheid ist selbst Verwaltungsakt (vgl. statt vieler Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 72 Rn. 14). Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch dagegen für nicht zulässig oder nicht begründet, so ist sie zur Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde verpflichtet. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 4. Februar 2011 - BVerwG 9 B 55.10 - (juris Rn. 10), mit dem er die Nichtzulassungsbeschwerde in einem weiteren Klageverfahren gegen den Beklagten zurückgewiesen hat, ausgeführt, dass die in § 72 VwGO nicht vorgeschriebene Abgabenachricht eine unselbständige Verfahrenshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und keine Regelung im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs (des Bundesrechts) darstellt. Daran hält er fest. Dafür, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist ausschlaggebend, ob die Behörde nach dem objektiven Sinngehalt ihrer Entscheidung, d.h. wie sie der Empfänger bei objektiver Würdigung aller Umstände verstehen konnte, Rechte des Betroffenen im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs "regelt", d.h. begründet, ändert, aufhebt oder verbindlich feststellt oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte verbindlich ablehnt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <364>). Die Abgabenachricht enthält keine solche verbindliche Ablehnung. Sie erschöpft sich vielmehr in der Mitteilung der Ausgangsbehörde, auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens an ihrer Beurteilung der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheids festzuhalten und den Widerspruch deshalb der Widerspruchsbehörde zur abschließenden Entscheidung weiterleiten zu wollen.

17

Die an den Kläger gerichtete Nichtabhilfemitteilung vom 23. Juni 2006 hat keinen darüber hinausreichenden rechtlichen Gehalt. Der äußere Aufbau des Schreibens weist zwar mit seiner Unterscheidung in einen "Tenor" und eine Begründung Ähnlichkeiten mit einem Verwaltungsakt auf. Es fehlt aber an einer Einzelfallregelung. Der "Tenor" zu I beschränkt sich im Gegensatz zu dem "Tenor" zu II, mit dem der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO ausdrücklich abgelehnt wird, auf die ausdrücklich als solche bezeichnete Mitteilung, dass dem Widerspruch nach eingehender Prüfung nicht abgeholfen werden könne. Der fehlende Regelungscharakter des Schreibens wird durch den Hinweis in der Begründung unterstrichen, der Widerspruch sei "zuständigkeitshalber" an das Landratsamt G. abzugeben, wegen der Kostenpflichtigkeit des Widerspruchsverfahrens werde mit der Abgabe aber noch einen Monat gewartet.

18

4. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Erlass des Widerspruchsbescheids führe zu keiner anderen Beurteilung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Gebührenbescheids, verletzt Bundesrecht im Ergebnis ebenfalls nicht.

19

Die Begründung des Berufungsurteils, dass es an einer von der Ausgangsbehörde selbst getroffenen Regelung fehle, die bestätigt oder umgestaltet werden könnte, steht allerdings mit § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht in Einklang (a). Dagegen ist die weitere Begründung, der Erlass des Widerspruchsbescheids führe auch deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil es sich bei der Erhebung von Wasser- und Abwassergebühren um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handele, bei der die Aufsichtsbehörde auf die bloße Rechtsaufsicht beschränkt sei, bundesrechtlich nicht zu beanstanden (b).

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a) Das in §§ 68 ff. VwGO normierte Widerspruchsverfahren ist unbeschadet seiner Eigenschaft als Sachurteilsvoraussetzung für die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage (§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Verwaltungsverfahren im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts. Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen (Urteile vom 18. April 1986 - BVerwG 8 C 81.83 - Buchholz 316 § 3 VwVfG Nr. 2 S. 3 und vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 14.88 - BVerwGE 84, 178 <181>). Auch im gerichtlichen Verfahren setzt sich die Einheit fort, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zeigt. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie besitzt grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1978 - BVerwG 7 C 68.77 - BVerwGE 57, 130 <145> und vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274 <280>). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht (Urteile vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <307 f.>, vom 6. Dezember 1978 - BVerwG 8 C 24.78 - BVerwGE 57, 158 <161>, vom 21. November 1980 - BVerwG 7 C 18.79 - BVerwGE 61, 164 <168> und vom 26. Juni 1987 - BVerwG 8 C 21.86 - BVerwGE 78, 3 <5>; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 79 Rn. 1; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 79 Rn. 2; kritisch dagegen Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 79 Rn. 24; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 79 Rn. 3; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 79 Rn. 11 - jeweils m.w.N.). Hieran gemessen steht der Umstand, dass der Beklagte die Prüfung der Gebührenforderung und die Erstellung der Bescheide dem privaten Geschäftsbesorger übertragen hat, einer Gestaltung des Ausgangsbescheids nicht entgegen. Wenn selbst eine Willenserklärung ohne Verwaltungsaktsqualität durch einen Widerspruchsbescheid in einen Verwaltungsakt umgestaltet werden kann, muss es erst recht möglich sein, einen bloß formal der Behörde zurechenbaren Verwaltungsakt durch Nachholen einer materiellen, behördlich verantworteten Regelung zu gestalten. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts verletzt mithin Bundesrecht.

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b) Die grundsätzliche Zulässigkeit einer Gestaltänderung des bloß formalen Verwaltungsakts durch die Widerspruchsbehörde schließt allerdings Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit der Widerspruchsbehörde durch Bundes- oder Landesrecht nicht aus. § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 VwGO ermächtigt den Landesgesetzgeber, die in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgeschriebene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren auszuschließen. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO ist der Landesgesetzgeber zudem befugt, von der dort normierten Zuständigkeit der Selbstverwaltungsbehörde für den Erlass des Widerspruchsbescheids in Selbstverwaltungsangelegenheiten durch eine andere Zuständigkeitsbestimmung abzuweichen. Von diesen Ermächtigungen hat der Thüringer Landesgesetzgeber durch die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen landesrechtlichen Vorschriften (§ 2 Abs. 2, § 117 Abs. 1 ThürKO, § 43 Abs. 1 Satz 2, § 46 Nr. 1 ThürKGG) Gebrauch gemacht, indem er bei Widersprüchen gegen den Verwaltungsakt eines Zweckverbandes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises grundsätzlich der staatlichen Aufsichtsbehörde die Zuständigkeit zum Erlass von Widerspruchsbescheiden übertragen, sie aber dabei auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt hat. In für das Revisionsgericht verbindlicher Auslegung dieser landesrechtlichen Vorschriften hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Überprüfungsrecht und die Entscheidungskompetenz der durch § 46 Nr. 1 ThürKGG zum Erlass des Widerspruchsbescheids berufenen Aufsichtsbehörde auf die ihr als solche zukommenden Befugnisse beschränkt ist. Dazu gehöre nicht die Befugnis zu einer eigenen Sachentscheidung (vgl. auch zur reformatio in peius OVG Weimar, Urteil vom 21. Juli 2010 - 4 KO 173/08 - LKV 2011, 92 <95>). Diese Auffassung des Berufungsgerichts steht nicht im Widerspruch zu Bundesrecht.

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§ 68 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 VwGO ermöglicht dem Landesgesetzgeber nicht nur den gänzlichen Ausschluss des Widerspruchsverfahrens, sondern auch eine Beschränkung der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Widerspruchsbehörde (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <48>; BVerwG, Urteil vom 20. Juli 1984 - BVerwG 7 C 28.83 - BVerwGE 70, 4 <9 f.>; Beschluss vom 5. Mai 1988 - BVerwG 7 B 76.88 - NJW 1988, 2632; ebenso Geis, in: Sodan/Ziekow a.a.O. § 68 Rn. 185; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner a.a.O. § 68 Rn. 11; Rennert, in: Eyermann a.a.O. § 68 Rn. 15; Funke-Kaiser, in: Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 18; Kopp/Schenke a.a.O. § 68 Rn. 18). Ob der Widerspruchsbehörde eine erstmalige materielle Regelung des Rechtsverhältnisses zu Lasten des Widerspruchsführers aufgrund einer Einschränkung ihrer grundsätzlich umfassenden Kontroll- und Ersetzungsbefugnis verwehrt ist, richtet sich nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht einschließlich seiner Zuständigkeitsvorschriften (vgl. Urteil vom 29. August 1986 - BVerwG 7 C 51.84 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 83 S. 55 zur reformatio in peius).

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Die Annahme einer Einschränkung der Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde steht auch nicht im Widerspruch zur Aussage des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 26. Juni 1987 - BVerwG 8 C 21.86 - (BVerwGE 78, 3 <5 f.>), dass die sich aus § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ergebende Möglichkeit zu einer Gestaltänderung durch die Widerspruchsbehörde keine Rücksicht darauf nehme, ob die Widerspruchsbehörde rechtmäßig gehandelt habe. Diese Aussage ist im Zusammenhang mit der prozessualen Ausgangssituation des damaligen Falles zu sehen, die dadurch gekennzeichnet war, dass die Klägerin eine ihrem objektiven Erklärungsinhalt nach missverständliche Willensäußerung der Verwaltung erhalten hatte und ihre hiergegen gerichtete Anfechtungsklage daher nicht zuletzt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) als zulässig angesehen werden musste. Nur vor dem Hintergrund, dass es nicht zu Lasten des Bescheidempfängers gehen dürfe, wenn er Anfechtungsklage erhebe und sich damit so verhalte, "wie sich zu verhalten ihm der Widerspruchsbescheid - bei objektiver Würdigung - nahegelegt hat" (Urteil vom 26. Juni 1987 a.a.O. S. 5), ist die Formulierung zu verstehen, dass die Frage, ob die Widerspruchsbehörde so handeln durfte, wie sie gehandelt hat, keine Rolle spiele. Eine vergleichbare Konstellation, bei der die Schutzwürdigkeit der Erstbehörde vor Eingriffen in ihre Rechte durch die Widerspruchsbehörde abzuwägen wäre mit der prozessualen Schutzwürdigkeit des Betroffenen, liegt im Fall des Klägers nicht vor. Hinzu kommt ein weiterer Unterschied, der eine Übertragung der Aussagen des Urteils vom 26. Juni 1987 auf den vorliegenden Fall ausschließt. Im damaligen Fall lag mit der in einen Bescheid umgestalteten Rechnung materiell eine Sachentscheidung über die Wasseranschlusskosten durch die für den Bescheiderlass sachlich zuständige Ausgangsbehörde vor; hieran fehlt es im vorliegenden Fall aufgrund der umfassenden Aufgabenübertragung auf den privaten Geschäftsbesorger. Die Widerspruchsbehörde hätte mithin mit einer Umgestaltung des Ausgangsverwaltungsakts erstmals eine materiell behördlich verantwortete Entscheidung getroffen, wozu sie nach der irrevisiblen Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht nicht zuständig gewesen wäre.

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5. Ein Bundesrechtsverstoß liegt auch nicht in der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der angegriffene Gebührenbescheid sei einer Umdeutung nicht zugänglich. Das Oberverwaltungsgericht ist zu diesem Ergebnis in Auslegung der Vorschriften des Thüringer Landesrechts (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ThürKAG i.V.m. §§ 125, 128 AO) und damit irrevisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gekommen. Das Revisionsgericht ist daher auf eine Überprüfung darauf beschränkt, ob der durch die Auslegung ermittelte Inhalt der nicht revisiblen Normen mit Bundesrecht, insbesondere mit den Grundrechten und den bundesverfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 55.96 - BVerwGE 106, 177 <180>). Das ist hier der Fall. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Grundsätze der Umdeutung nach § 47 VwVfG verkannt, erschöpft sich in der Kritik der Auslegung des Thüringer Landesrechts durch das Berufungsgericht, ohne darzutun, inwiefern Bundesrecht einer solchen Auslegung entgegensteht. Gleiches gilt für die Kritik an der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Erklärung des Beklagten, er mache sich "den Bescheid seinem Inhalt nach vollumfänglich zu eigen", sei nicht ausreichend, um den Mangel des Ausgangsbescheids zu heilen. Das Berufungsurteil verweist insoweit zutreffend auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1970 - BVerwG 7 C 10.70 - (BVerwGE 35, 334 <343>), wonach die Zustimmung der zuständigen Behörde zu einer von einem Privaten getroffenen Maßnahme nicht ausreicht, um die fehlende hoheitliche Anordnung zu ersetzen.

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6. Die Verfahrensrügen haben ebenfalls keinen Erfolg.

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Weder hat das Berufungsgericht gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen noch hat es seine Aufklärungspflicht verletzt. Als aktenwidrig rügt die Revision die Feststellung des Berufungsgerichts, eine eigenständige Einzelfallregelung sei dem Schreiben des Beklagten vom 23. Juni 2006 nicht zu entnehmen. Diese Rüge greift nicht durch. Ihr Erfolg setzt voraus, dass ein zweifelsfreier, also offensichtlicher Widerspruch zwischen den Feststellungen der Vorinstanz und dem Akteninhalt besteht (stRspr; Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 m.w.N.). Ein solcher Widerspruch liegt, wie sich aus den Ausführungen oben unter 3. ergibt, nicht vor. Die Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) kann schon deswegen nicht durchgreifen, weil es darauf, ob die im Schreiben vom 23. Juni 2006 behauptete eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage durch die dort angegebene Bearbeiterin stattgefunden hat, nach der maßgeblichen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Schreibens durch das Oberverwaltungsgericht nicht ankam.

(1) Für die Revision im Versetzungsverfahren und im Prüfungsverfahren gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht wirkt an dem Verfahren nicht mit.

(2) Die Revision ist stets zuzulassen.

(3) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.