Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2013 - IX ZR 64/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist der Verwalter in dem am 10. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die von dem Beklagten steuerlich beraten worden war und von dem Geschäftsführer B. (nachfolgend: Zedent) geleitet wurde.
- 2
- Die Schuldnerin befand sich schon im Jahr 2005 in der Krise. Um den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, stellte der Zedent der Gesellschaft ein Darlehen über insgesamt 80.000 € zur Verfügung. Hierüber informierte er im Dezember 2005 den Beklagten. Dieser riet ihm, hinsichtlich des Rück- zahlungsanspruchs einen Rangrücktritt zu erklären. Am 26. Januar 2006 besprachen der Zedent und der Beklagte die Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004. Am selben Tag gab der Zedent die vom Beklagten angeregte Rangrücktrittserklärung ab und erklärte zusätzlich den Rangrücktritt für die Rückgewähr von Sicherheiten, die er in der Vergangenheit der Schuldnerin zur Verfügung gestellt hatte. Die unter dem 6. Februar 2006 erstellte Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.121,63 € aus.
- 3
- Am 29. September 2006 veräußerte der Zedent seine Anteile an der Schuldnerin. Diese stellte am 5. Dezember 2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der Verfahrenseröffnung forderte der Kläger den Zedenten auf, wegen Kreditrückführungen auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin zwischen dem 26. Januar 2006 und dem 1. September 2006 in Höhe von insgesamt 265.372,03 € Schadensersatz zu leisten, weil dieser die Rückführung des Kredits trotz der Überschuldung der Gesellschaft zugelassen habe. Der Zedent konnte den Betrag nicht zahlen. Er schloss mit dem Kläger am 25. August 2009 einen Vergleich, durch den er unter anderem seine Ansprüche gegen den Beklagten aus steuerlicher Beratung an den Kläger abtrat.
- 4
- Gestützt auf diese Abtretung verlangt der Kläger unter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldens des Zedenten Schadensersatz in Höhe von 132.686,01 €. Er meint, der Beklagte habe es - zuletzt bei der Unterredung am 26. Januar 2006 - schuldhaft unterlassen, auf eine mögliche Überschuldung der Gesellschaft und die Pflicht des Zedenten, die Überschuldung prüfen zu lassen, hinzuweisen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zu der Frage zugelassenen Revision, ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerbe- rater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen sei, soweit die insolvenzrechtliche Innenhaftung des Geschäftsführers in Rede stehe, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil mehrfach (vgl. DStR 2012, 923; NZG 2012, 504; Stbg 2012, 327; DStRE 2012, 970) veröffentlicht ist, hat gemeint , eine Inanspruchnahme des Beklagten aus abgetretenem Recht scheide aus, weil diesen keine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Zedenten treffe. Auf einen stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag könne sich der Kläger nicht stützen. Es habe sich nicht um eine Beratungsleistung gegenüber dem Zedenten, sondern um eine solche gegenüber der GmbH gehandelt. Jedenfalls erschöpften sich die Pflichten des Beklagten in dem erteilten Rat. Eine Verpflichtung zur weiteren Aufklärung des Zedenten könne aus einem solchen Vertrag nicht hergeleitet werden. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt , dass der Zedent den Beklagten Ende des Jahres 2005 oder Anfang des Jahres 2006 überhaupt zu einer Einschätzung dazu aufgefordert habe, ob die GmbH überschuldet und aus diesem Grund etwas zu veranlassen sei.
- 7
- Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zedenten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien ebenfalls nicht gegeben. Der Zedent sei nicht in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten einbezogen gewesen. Zwar komme eine solche Einbeziehung in Betracht, wenn aufgrund einer fehlerhaften Beratung durch den Steuerberater das Risiko einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach §§ 191, 219 AO bestehe oder der Steuerberater wegen unrichtiger Angaben in der Steuererklärung für eine gegen den Geschäftsführer verhängte Geldstrafe wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung haften müsse (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274). Vorliegend fehle es aber an der Schutzwürdigkeit des Zedenten und der Zumutbarkeit der Haftungserweiterung für den Beklagten, der seine Leistungen vorrangig im Interesse der Gesellschaft zu erbringen habe. Deren Geschäftsführer sei zur eigenverantwortlichen Prüfung der Überschuldung verpflichtet, soweit er Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG aF leiste. Dem steuerlichen Berater der Gesellschaft sei das Risiko, für solche Zahlungen haften zu müssen, nicht zumutbar. Es fehle auch an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Aus dem Umstand, dass er bei Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 zutreffend über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft informiert und der Zedent auf die Feststellung des Fehlbetrages durch die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen reagiert habe, sei zu entnehmen, dass dem Zedenten die Überschuldungssituation bewusst gewesen sei.
II.
- 8
- Die Revision ist zulässig, soweit sie die Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer drittschützenden Pflicht bei der steuerlichen Beratung der GmbH erreichen will. Im Übrigen ist sie mangels einer Zulassung unstatthaft und damit unzulässig (§ 543 Abs. 1 ZPO).
- 9
- Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf die Frage zugelassen , ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen ist, soweit es um die Haftung des Geschäftsführers wegen der Verletzung der Pflicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG (entsprechend § 64 Abs. 2 GmbHG aF) gegenüber der Gesellschaft geht. Dies ergibt sich, was ausreichend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177; vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 11; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18), aus den Urteilsgründen. Die Zulassungsfrage betrifft lediglich einen an den Kläger abgetretenen Anspruch des Zedenten aus einer möglichen Verletzung der drittschützenden Pflichten des mit der Schuldnerin bestehenden Beratervertrages. Ansprüche aus dem von dem Kläger behaupteten Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten werden von dieser Frage nicht berührt. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs ist möglich (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703; vom 16. September 2009, aaO; vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 21; Ackermann in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. § 543 Rn. 4 f; Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 543 Rn. 60; MünchKomm -ZPO/Krüger,4. Aufl., § 543 Rn. 35; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 543 Rn. 11; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 543 Rn. 22).
- 10
- Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, wie hier auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Zulassungsentscheidung so auszulegen, dass das Berufungsgericht die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4). Deshalb ist die Revision als unzulässig zu verwerfen, soweit sie Ansprüche des Klägers aus einem Beratungsvertrag des Zedenten mit dem Beklagten weiterverfolgt.
III.
- 11
- Im Umfang der Zulassung bleibt die Revision des Klägers ohne Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
- 12
- 1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte aus dem mit der Schuldnerin abgeschlossenen Beratervertrag nicht die Pflicht hatte, die Schuldnerin auf eine möglicherweise bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung und die Pflicht des Geschäftsführers, eine Überschuldungsprüfung in Auftrag zu geben, hinzuweisen.
- 13
- a) Der Beklagte hatte für die Schuldnerin seit deren Gründung 2001 fortlaufend die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die Lohnabrechnungen der Mitarbeiter, die Meldungen an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger , die Jahresabschlüsse und die Bilanzen zu fertigen und diese bei den Prüfungen der genannten Stellen zu unterstützen. Diese Tätigkeiten sind nach ihrem Gesamtbild als Wahrnehmung der allgemeinen steuerlichen Interessen des Auftraggebers einzustufen. Im Streitfall hat die Schuldnerin dem Beklagten aber nicht den ausdrücklichen Auftrag erteilt, die GmbH in der Frage des Bestehens einer Insolvenzantragspflicht zu beraten. Die Pflicht zum Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Überprüfung der Insolvenzantragsvoraussetzungen ergibt sich aber auch nicht aus der Verletzung einer allgemeinen Vertragspflicht.
- 14
- Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, WM 1987, 661, 662; vom 26. Januar 1995 - IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358, 361). Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1966 - VII ZR 132/64, WM 1967, 72, 73; vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 19/79, WM 1980, 308, 309; vom 26. Januar 1995, aaO). Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1304; vom 26. Januar 1995, aaO 362; vom 21. Juli 2005 - IX ZR 6/02, WM 2005, 1904, 1905 unter B. I. 1.a; Vill in Zugehör/G.Fischer/ Vill/D.Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 550 ff).
- 15
- b) Gemessen an diesen Grundsätzen war es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Anders als bei einem ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff) besteht eine solche Pflicht bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht. Sie würde die Verantwortlichkeit des Beraters, sich mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten zu befassen, erheblich erweitern. Der Berater müsste dann trotz der Beschränkung seiner Hauptpflichten auf die steuerrechtliche Beratung (vgl. § 33 StBerG und BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10 f) auch die allgemeine wirtschaftsrechtliche Beratung, zu der die Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen zu zählen ist, im Blick haben und der Gesellschaft neben steuerrechtlichen Ratschlägen ohne besonderen Auftrag auch insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Hinweise erteilen.
- 16
- c) Die Unterdeckung in der im Rahmen des Steuerberaters erstellten Bilanz kann zwar einen indiziellen Hinweis auf die möglicherweise drohende oder bereits eingetretene Überschuldung geben, sie weist diese aber nicht aus (Pape, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 19 Rn. 53; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 10). Festgestellt werden kann die Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO nur durch Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als die vom Steuerberater zu fertigende Bilanz. Die insolvenzrechtliche Überschuldung ist deshalb aus der Handelsbilanz auch nicht ohne weiteres zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2008 - II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 8; vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732 Rn. 5 mwN).
- 17
- aa) Im Hinblick auf die rechtlich komplexe Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorliegt (vgl. HmbKomm -InsO/Schröder, 4. Aufl., § 19 Rn. 12 ff; MünchKomm-InsO/Drukarcyk/ Schüler, 2. Aufl., § 19 Rn. 52 ff; Pape, aaO Rn. 34 ff; Sikora in Pape/Uhländer, InsO, § 19 Rn. 9 ff; Uhlenbruck, aaO Rn. 28 ff), hätte sich der Steuerberater mit schwierigen Rechtsfragen zu befassen, die für ihn - auch im Fall der Feststellung einer Unterdeckung in der Handelsbilanz - in aller Regel nicht offen zutage liegen. Ihm kann deshalb nicht die Pflicht auferlegt werden, auf bloßen äußeren Verdacht hin den Hinweis zu erteilen, die Gesellschaft sei möglicherweise überschuldet im Sinne des § 19 InsO, oder ohne konkreten Auftrag zunächst eine Fortführungsprognose zu erstellen (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff; Sikora aaO Rn. 16 ff) und sodann - je nach Ergebnis dieser Prognose - eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung nach Fortführungs- oder Zerschlagungswerten (vgl. Pape, aaO Rn. 52 ff; Sikora aaO Rn. 28 ff) vorzunehmen.
- 18
- Die Erkenntnis der Überschuldung setzt vielmehr voraus, dass weitere Untersuchungen - etwa hinsichtlich des Vorhandenseins von stillen Reserven und der bestehenden Fortführungsaussichten - angestellt werden, die für den Steuerberater nicht ohne weiteres aus dessen Kenntnis der steuerlichen Situation des Unternehmens folgen. So sind bei der Erstellung der Fortführungsprognose des § 19 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz InsO, die nach der Aufhebung des § 6 Abs. 3 FMStG durch Art. 18 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418) auf Dauer ausreicht, um eine rechnerische Überschuldung zu überwinden (vgl. Pape, aaO Rn. 34), subjektive und prognostische Elemente zu berücksichtigen, die sich dem Steuerberater im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht ohne weiteres erschließen. Ob Fortführungswilligkeit der Beteiligten besteht, ein umsetzbarer Finanzplan gegeben ist und ein schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept für die Zukunft vorliegt (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff), kann der Steuerberater den Erkenntnissen, die er bei Wahrnehmung des allgemeinen Mandats gewinnt, nicht entnehmen. Für ihn wird nur die bilanzielle Überschuldung offenbar, die nicht einmal aus- reicht, um eine rechnerische Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz InsO erkennbar zu machen.
- 19
- bb) Die im Schrifttum mehrheitlich und vereinzelt auch in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, der Steuerberater habe im Rahmen seiner Vertragspflichten zur Beratung und Schadensverhütung kraft seines überlegenen Wissens den Geschäftsführer einer GmbH darüber aufzuklären, dass er verpflichtet sei, zur Klärung der Insolvenzreife eine Überschuldungsbilanz aufzustellen und bei Feststellung der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft fristgerecht zu beantragen, wenn Überschuldung der Gesellschaft gemäß § 19 Abs. 2 InsO unmittelbar drohe oder bereits eingetreten sei (vgl. LG Wuppertal, ZInsO 2011, 1997, 1998 f; LG Saarbrücken, ZInsO 2012, 330, 337; Hölzle, DStR 2003, 2075; Gräfe, DStR 2010, 618 ff; Mutschler, DStR 2012, 539, 540; Reck, ZInsO 2000, 121, 122; Schmittmann, StuB 2009, 696; Sundermeier/Gruber, DStR 2000, 929; Wagner/ Zabel, NZI 2008, 660; Zugehör, NZI 2008, 652, 653; K. Schmidt in Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl., Rn. 1.182; Gräfe in Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 291 Stichwort : Überschuldung), ist mit der Beschränkung der Pflichten des Steuerberaters auf die steuerliche Beratung bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auch aus der vertraglichen Nebenpflicht , den Mandanten vor Schaden zu bewahren, ergibt sich nicht die Verpflichtung des Steuerberaters, auf einen möglicherweise bestehenden Anlass zur Prüfung der Insolvenzreife hinzuweisen. Die Annahme, den Steuerberater treffe eine Hinweispflicht kraft seines überlegenen Wissens (vgl. Mutschler, aaO) oder seiner besonderen Autorität (vgl. K. Schmidt, aaO), ist nicht gerechtfertigt. Ein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung hat der Steuerbera- ter durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, nicht. Sein Wissen steht vielmehr hinter dem des Geschäftsführers zurück, der nicht nur die reinen Zahlen kennt, sondern auch die für eine Fortführungsprognose maßgeblichen weiteren Umstände. Der Geschäftsführer muss beurteilen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Dass der äußere Anlass für eine Überschuldungsprüfung gegeben ist, kann er ohne weiteres aus der Handelsbilanz , vorausgesetzt diese ist zutreffend erstellt, entnehmen, wenn diese eine Unterdeckung aufweist. Eine - möglicherweise auch drittschützende - Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden kann deshalb nur eintreten, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt ist (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff).
- 20
- Dem Steuerberater ist aufgrund der Erstreckung seines Berufsbildes gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG auf "eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen" grundsätzlich gestattet, entsprechende Aufgaben wahrzunehmen , wenn er den Auftrag dazu hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10). Ein Konflikt zu § 5 Abs. 1 RDG tritt nicht ein, denn die Insolvenzund die Sanierungsberatung gehört als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers (Gräfe, DStR 2010, 618, 619). Deshalb ist diese berufsrechtlich zulässige Sonderberatung aber noch nicht Inhalt jedes steuerlichen Dauermandats.
- 21
- Zutreffend sind die Entscheidungen und Literaturmeinungen, die eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters auf die Pflichten bei möglicher Insolvenzreife im Falle eines allgemeinen Mandats ablehnen (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 378 f; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 ff; Hoth, ZInsO 2011, 1009; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rn. 101). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (OLG Celle, ZInsO 2011, 1004, 1005). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen , die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht ; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11). Weist die Handelsbilanz der Gesellschaft eine Überschuldung aus, hat er nach diesen Grundsätzen eine Überschuldungsprüfung selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben. Auf den Steuerberater der Gesellschaft, den im Rahmen eines allgemeinen Mandats die Pflicht zur steuerlichen Beratung der Gesellschaft trifft, kann er diese Aufgabe nicht ohne besonderen Auftrag abwälzen.
- 22
- d) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463), demzufolge ein Steuerberater aus positiver Vertragsverletzung wegen verspäteter Stellung eines Konkursantrags wegen Überschuldung zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, steht dieser Entscheidung nicht entgegen. In dem Verfahren aus dem Jahre 1987 ging es nicht um eine Schadensersatzpflicht des Beraters wegen des unterlassenen Hinweises auf eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht. Dort war Grund für die Haftung des Steuerberaters vielmehr die fehlerhafte Erstellung der Bilanz , welche die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Der Beratungsfehler lag mithin nicht in einer unterlassenen Warnung von einer möglicherweise bestehenden Insolvenzreife, sondern in der Schlechterfüllung des Auftrags, die Bilanz anzufertigen. Auf dieser fehlerhaften Grundlage konnte auch der Geschäftsführer der Auftraggeberin keine sachgerechten Entschließungen fassen.
- 23
- e) Soweit der Beklagte dem Zedenten im Dezember 2005 auf Nachfrage den Rat erteilt hat, hinsichtlich der Rückzahlung des der Schuldnerin zur Verfügung gestellten Kredits eine Rangrücktrittserklärung abzugeben und der Zedent diesem Rat im Januar 2006 gefolgt ist, kann hieraus eine Haftung des Beklagten nicht abgeleitet werden. Die Empfehlung, eine entsprechende Erklärung abzugeben, welcher der Zedent ohne nähere Erkundigung nach deren Sinn und Zweck gefolgt sein will, war richtig; Rangrücktritte werden typischerweise im Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 273). Der Rücktritt war unter Umständen geeignet die bestehende Unterkapitalisierung zu beseitigen. Dass der Beklagte den Zedenten mit seiner Empfehlung in die Irre geführt und bei diesem die fehlerhafte Vorstellung hervorgerufen habe, er brauche sich um die Frage der Überschuldung nicht mehr zu kümmern, weil mit der Abgabe der Erklärungen am 26. Januar 2006 alles getan sei, um der Pflicht zur Überprüfung der möglicherweise gegebenen Insolvenzreife der Schuldnerin zu genügen, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Dieser stützt seine Klage vielmehr auf die Behauptung , der Beklagte habe es gänzlich unterlassen, den Zedenten auf die bestehende Insolvenzgefahr aufmerksam zu machen. Der Vorwurf, der Beklagte ha- be außerhalb der Grenzen seines Mandats die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Zedenten verursacht, weil er diesem fälschlich den Eindruck vermittelt habe, der sich aus der Bilanz für das Jahr 2004 ergebende Anlass , eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen, habe sich erledigt, kann dem Beklagten nicht gemacht werden. Dieser Anlass bestand nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ungeachtet der erklärten Rangrücktritte weiter.
- 24
- 2. Eine Einbeziehung des Zedenten in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten, die zur Entstehung abtretbarer Ansprüche aus Beratungsverschulden im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppungshaftung führen könnten, kommt nicht in Betracht.
- 25
- a) Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 173; vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 17; vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274 Rn. 6). Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden insbesondere bei solchen Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater ), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 260 f; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 18).
- 26
- b) Eine Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater kann hiernach zwar nicht generell verneint werden. Der Geschäftsführer kommt bestimmungsgemäß mit dem Vertrag in Berührung und für den Steuerberater, bei dem es sich grundsätzlich um eine Person handelt, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, ist ohne weiteres erkennbar, dass die Prüfung der Überschuldung für den Geschäftsführer rechtliche Wirkungen hat (zur Einbeziehung des Geschäftsführers in den ausdrücklichen Prüfauftrag des Steuerberaters vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 27 ff).
- 27
- Vorliegend fehlt aber schon eine Hinweis- und Warnpflicht des Beraters gegenüber seiner Auftraggeberin, so dass eine Haftung des Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bereits daran scheitert, dass den Beklagten aus dem mit der GmbH abgeschlossenen allgemeinen Steuerberatungsvertrag keine Schutzpflichten hinsichtlich der Aufklärung über eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht treffen. Dies ergibt die Auslegung der vertraglichen Pflichten, die den Steuerberater aus einem allgemeinen steuerrechtlichen Beratungsmandat treffen. Die drittschützenden Pflichten aus einem solchen Vertrag können nicht weiter reichen als die dem Berater gegenüber seiner eigentlichen Vertragspartei obliegenden Warn- und Hinweispflichten. Der Dritte, der selbst keine vertraglichen Beziehungen zu dem Berater hat, kann nicht erwarten, dass dieser ihn über Gefahren und mögliche Risiken aufklärt , auf die er im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht hinzuweisen hat. Diese Pflichtenlage ist nur dann anders zu beurteilen, wenn der Berater ausdrücklich damit beauftragt ist, eine Überprüfung der Insolvenzreife vorzuneh- men, denn hier wird die Feststellung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt oder auszuschließen ist, dem Auftraggeber schon bei Erfüllung der Hauptpflicht geschuldet.
- 28
- c) Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Belehrungsbedürftigkeit der Auftraggeberin, von welcher der Berater grundsätzlich auch dann auszugehen hat, wenn es um die Beratung einer rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Person geht, die möglicherweise auch selbst über einschlägige Kenntnisse verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14; vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 37, jeweils mwN), begründet die Haftung des Beklagten nicht. Nur wenn die insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Beratung als Haupt- oder Nebenaufgaben zum Vertragsinhalt des Steuerberaters gehört, kann mit einem Teil der Rechtsprechung erwogen werden, ob eine Hinweispflicht des Beraters dann entfällt, wenn der Geschäftsführer sich der bestehenden Insolvenzgefahr bereits bewusst ist (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 381 f, bestätigt durch BGH, Beschluss vom 24. Februar 1994 - IX ZR 126/93, unveröffentlicht; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 f).
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 10.08.2011 - 8 O 551/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 8 U 45/11 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.
(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.
(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.
(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.
(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.
(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.
(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.
(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften haben die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Dazu gehören auch die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, und deren steuerrechtliche Beurteilung.
(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.
(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.
(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
(1) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Berufs bekannt geworden ist. Sie gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.
(1a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dürfen nicht tätig werden, wenn eine Kollision mit eigenen Interessen gegeben ist.
(1b) Berät oder vertritt ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter mehrere Auftraggeber in derselben Sache, ist er bei Interessenkollisionen verpflichtet, auf die widerstreitenden Interessen der Auftraggeber ausdrücklich hinzuweisen und darf nur vermittelnd tätig werden.
(1c) Die Absätze 1a und 1b gelten auch für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausüben, der einem Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a unterliegt oder der nach Absatz 1b nur vermittelnd tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1 bleibt bestehen, wenn der dem Tätigkeitsverbot unterliegende Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Auftraggeber der Tätigkeit nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 1a oder Absatz 1b, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots oder einer Beschränkung auf vermittelnde Tätigkeit erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten auch ohne Einwilligung des Auftraggebers offenbart werden.
(2) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert.
(2a) Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sind verpflichtet, sich fortzubilden.
(3) Mit dem Beruf eines Steuerberaters oder eines Steuerbevollmächtigten sind insbesondere vereinbar
- 1.
die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, niedergelassener europäischer Rechtsanwalt oder vereidigter Buchprüfer; - 2.
eine freiberufliche Tätigkeit, die die Wahrnehmung fremder Interessen einschließlich der Beratung zum Gegenstand hat; - 3.
eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen; - 4.
die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten, sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter ihm übertragene Aufgaben in Forschung und Lehre überwiegend selbständig erfüllt; nicht vereinbar hingegen ist die Tätigkeit eines Lehrers oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst; - 5.
eine freie schriftstellerische Tätigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtätigkeit; - 6.
die Durchführung von Lehr- und Vortragsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Prüfung als Wirtschaftsprüfer und vereidigter Buchprüfer und zur Fortbildung der Mitglieder der Steuerberaterkammern und deren Mitarbeiter.
(4) Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere
- 1.
eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist; - 2.
eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59. Eine Tätigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung ist stets mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten unvereinbar.
(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Andere Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 kann auch eine andere Rechtsdienstleistung sein.
(2) Als erlaubte Nebenleistungen gelten Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer der folgenden Tätigkeiten erbracht werden: