Bundesgerichtshof Urteil, 29. Jan. 2019 - VI ZR 117/18

bei uns veröffentlicht am29.01.2019
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 4 O 346/14, 24.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 117/18 Verkündet am:
29. Januar 2019
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wahrscheinlichkeitsangaben im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung vor
einer ärztlichen Behandlung haben sich grundsätzlich nicht an den in Beipackzetteln
für Medikamente verwendeten Häufigkeitsdefinitionen des Medical Dictionary
for Regulatory Activities zu orientieren. Dies gilt auch, wenn die Wahrscheinlichkeitsangaben
in einem (schriftlichen) Aufklärungsbogen enthalten
sind.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 117/18 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2019:290119UVIZR117.18.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2019 durch die Richterin von Pentz als Vorsitzende, den Richter Offenloch, die Richterin Dr. Roloff, die Richterin Müller und den Richter Dr. Allgayer
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 2018 wird, soweit die Klage auf Behandlungsfehler gestützt wird, als unzulässig verworfen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsrechtszugs trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen angeblicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit der Einbringung einer Knieprothese.
2
Der Kläger, der an einer medialen Gonarthrose (Arthrose des Kniegelenks ) rechts litt, wurde am 24. November 2011 im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus endoprothetisch versorgt. Vor der Operation war er unter Verwendung eines Aufklärungsbogens mündlich aufgeklärt worden. In dem Aufklärungsbogen wird unter anderem ausgeführt: "Können Komplikationen auftreten? Trotz größter Sorgfalt kann es während oder nach dem Eingriff zu Komplikationen kommen, die u.U. eine sofortige Behandlung erfordern […]. Zu nennen sind:  […] [...]  im Laufe der Zeit gelegentlich Lockerung oder ext- rem selten Bruch der Prothese; ein Austausch der Prothese ist dann erforderlich. […]. […]."
3
Am 7. November 2013, also knapp zwei Jahre nach der Operation, stellte sich der Kläger erneut in der Sprechstunde der Beklagten vor und berichtete über zunehmende Belastungsschmerzen des rechten Kniegelenks, die seit etwa sechs Monaten mit zunehmender Tendenz bestünden. Es stellte sich heraus , dass sich die im November 2011 eingebrachte Prothese gelockert hatte. Sie wurde ausgebaut und schließlich durch ein neues Implantat ersetzt.
4
Unter anderem mit den Behauptungen, im Rahmen der Operation vom 24. November 2011 falsch behandelt und vor der Operation unzutreffend aufgeklärt worden zu sein, macht der Kläger gegenüber der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € geltend. Darüber hinaus verlangt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden aus der angeblich fehlerhaften Behandlung vom November 2011 zu ersetzen , soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision hat es - im Tenor ohne Beschränkung - zugelassen und zur Begründung ausgeführt, die Sache habe im Hinblick auf die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung, ob sich etwaige verbale Risikobeschreibungen ("gelegentlich", "selten", "sehr selten" etc.) in Aufklärungsbögen an den Häufigkeitsdefinitionen des Medical Dictionary for Regulatory Activities (im Folgenden: MedDRA), die in Medikamentenbeipackzetteln Verwendung fänden, zu orientieren hätten. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

A.

6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in MedR 2018, 486 veröffentlicht ist, hat Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz verneint. Der Nachweis, dass den für die Beklagte tätigen Ärzten ein Behandlungsfehler unterlaufen sei, sei dem Kläger nicht gelungen. Auch sei die Einwilligung des Klägers in den Eingriff nicht in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Aufklärung unwirksam gewesen. Vor dem Hintergrund der glaubhaften Aussagen des Zeugen Dr. Sch., den von diesem in Bezug genommenen Eintragungen in den beim Aufklärungsgespräch verwendeten Aufklärungsbogen und den zu den Ausführungen des Zeugen nicht im Widerspruch stehenden Angaben des Klägers in seiner informatorischen Anhörung sei der (Berufungs-)Senat insbesondere auch davon überzeugt, dass Dr. Sch. den Kläger über das Risiko aufgeklärt habe, dass es zu einer Lockerung der Prothese kommen könne, die einen Austausch der Prothese erforderlich mache.
7
Entgegen der Annahme des Klägers seien die Risiken der Operation im Rahmen der Aufklärung nicht heruntergespielt worden. Ein Herunterspielen von Risiken könne insbesondere nicht darin gesehen werden, dass in dem Aufklärungsbogen die Rede davon sei, es könne im Laufe der Zeit "gelegentlich" zu einer Lockerung kommen. Denn die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Lockerung nach der Implantation einer Knie-Prothese liege auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen im Bereich von bis zu 8,71 %. Dieses Risiko sei von dem natürlichen Wortsinn des Wortes "gelegentlich" ohne weiteres gedeckt. Dass dies nicht der Definition des Wortes "gelegentlich" im MedDRA entspreche, wonach "gelegentlich" dahingehend zu verstehen sei, dass es sich um Nebenwirkungen handle, die bei einem bis zu zehn von 1.000 Behandelten (0,1 - 1%) aufträten, sei unerheblich. Denn entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung müssten sich etwaige verbale Risikobeschreibungen wie "gelegentlich", "selten" oder "sehr selten" in Aufklärungsbögen nicht an den Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA orientieren, die in Medikamentenbeipackzetteln Verwendung fänden.

B.

8
Die Revision ist nur zum Teil zulässig und hinsichtlich des zulässigen Teils unbegründet.
9
I. Nicht statthaft und damit unzulässig ist die Revision, soweit sie den auf Behandlungsfehler gestützten Schadensersatzanspruch betrifft. Das Berufungsgericht hat die Revision insoweit nicht zugelassen; die vom Kläger für diesen Fall vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen (vgl. zur Vorgehens- weise: BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, juris und BGH, Beschluss vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, juris).
10
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. nur Senatsurteil vom 10. Oktober 2017 - VI ZR 520/16, NJW 2018, 402 Rn. 8, mwN). Werden in Arzthaftungssachen - wie im Streitfall - sowohl Behandlungsfehler geltend gemacht als auch eine unrichtige oder unzureichende Eingriffsaufklärung gerügt, so handelt es sich bei dem auf Behandlungsfehler gestützten Schadensersatzanspruch einerseits und dem auf Aufklärungsfehler gestützten Schadensersatzanspruch andererseits um derart selbständige Teile des Streitstoffs. Zwar besteht zwischen beiden Ansprüchen eine Verknüpfung dergestalt, dass es Ziel des Schadensersatzbegehrens des Patienten ist, eine Entschädigung für die bei ihm aufgrund der Behandlung eingetretenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen, doch liegen den Haftungstatbeständen räumlich und zeitlich verschieden gelagerte Sachverhalte zugrunde, an denen unterschiedliche Personen beteiligt sein können (Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2012 - VI ZR 396/12, GesR 2013, 50, mwN). Die Zulassung der Revision kann mithin auf einen der beiden Teile beschränkt werden (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. E 26; vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 27/17, juris; vom 9. Januar 2018 - VI ZR 106/17, VersR 2018, 1147 Rn. 5 und 20; Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414 Rn. 7).
11
2. Dem Berufungsurteil ist eine solche Beschränkung der Revisionszulassung auf die den Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungsfehlern betreffende Zurückweisung der Berufung zu entnehmen. Zwar enthält die Entschei- dungsformel des Berufungsurteils keinen entsprechenden Zusatz. Die Beschränkung der Revisionszulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich die Beschränkung aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (Senatsurteil vom 10. Oktober 2017 - VI ZR 520/16, NJW 2018, 402 Rn. 9, mwN).
12
Das ist hier der Fall. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Berufungsgericht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob sich etwaige verbale Risikobeschreibungen wie etwa "gelegentlich", "selten" oder "sehr selten" in Aufklärungsbögen an den Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA zu orientieren haben, in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei. Diese Frage betrifft allein den auf Aufklärungsfehler gestützten Schadensersatzanspruch.
13
II. Die gegen die Abweisung der Klage unter dem Gesichtspunkt von Aufklärungsfehlern gerichtete Revision ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist aber unbegründet. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Würdigung des Berufungsgerichts, Dr. Sch. habe den Kläger vor der Operation vom 24. November 2011 ordnungsgemäß aufgeklärt, lässt keine Rechtsfehler erkennen.
14
1. Entgegen der Auffassung der Revision kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufklärung des Klägers vor der Operation vom 24. November 2011 deshalb fehlerhaft gewesen wäre, weil das Risiko einer Lockerung des Implantats von Seiten der Beklagten verharmlost worden wäre. Insbesondere begegnet die Annahme des Berufungsgerichts, verbale Risikobeschreibungen in ärztliche Eingriffe betreffende Aufklärungsbögen hätten sich nicht an den Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA zu orientieren, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
15
a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats , dass ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten bedürfen, um rechtmäßig zu sein. Die wirksame Einwilligung des Patienten setzt dabei dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus (vgl. nur Senatsurteile vom 11. Oktober 2016 - VI ZR 462/15, NJW-RR 2017, 533 Rn. 8; vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13, NJW 2015, 74 Rn. 6; vom 7. November 2006 - VI ZR 206/05, BGHZ 169, 364 Rn. 7; vom 14. März 2006 - VI ZR 279/04, BGHZ 166, 336 Rn. 6; jetzt § 630d BGB). Dabei müssen die in Betracht kommenden Risiken nicht exakt medizinisch beschrieben werden. Es genügt vielmehr , den Patienten "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile vom 11. Oktober 2016 - VI ZR 462/15, aaO, Rn. 10; vom 6. Juli 2010 - VI ZR 198/09, NJW 2010, 3230 Rn. 11; vom 14. März 2006 - VI ZR 279/04, BGHZ 166, 336 Rn. 13; vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91, NJW 1992, 2351, 2353, juris Rn. 19; vom 7. Februar 1984 - VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103, 106, 108, juris Rn. 18, 22). Dabei ist es nicht erforderlich, dem Patienten genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen. Erweckt der aufklärende Arzt beim Patienten aber durch die unzutreffende Darstellung der Risikohöhe eine falsche Vorstellung über das Ausmaß der mit der Behandlung verbundenen Gefahr und verharmlost dadurch ein verhältnismäßig häufig auftretendes Operationsrisiko, so kommt er seiner Aufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nach (Senatsurteil vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91, NJW 1992, 2351, 2352, juris Rn. 19).
16
b) Nach diesen Grundsätzen wäre der Kläger im Streitfall dann nicht ordnungsgemäß über das Risiko der Lockerung des Implantats aufgeklärtworden und die von ihm erteilte Einwilligung in die Operation vom 24. November 2011 deshalb unwirksam, wenn die Angabe, es komme "gelegentlich" zu Lockerungen der Prothese, das nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in Höhe von 8,71 % bestehende Lockerungsrisiko verharmlost hätte. Dies hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.
17
aa) In Rechtsprechung (OLG Nürnberg, VersR 2016, 195, 197, juris Rn. 42; LG Bonn, NJW 2015, 3461, 3462, juris Rn. 23; vgl. ferner OLG Nürnberg , Urteil vom 7. Oktober 2011 - 5 U 410/11, juris Rn. 26; OLG Bamberg, Urteil vom 20. Juli 2015 - 4 U 16/14, juris Rn. 36) und Literatur (etwa BeckOK BGB/Förster, 48. Ed. 1.11.2018, BGB § 823 Rn. 844; Slizyk, Imm-DAT, Kommentierung , 15. Auflage 2019, Rn. 360; BeckOGKBGB/Spindler, 1.7.2018, BGB § 823 Rn. 816.1; MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2016, BGB § 630e Rn. 9) wird teilweise allerdings die Auffassung vertreten, Wahrscheinlichkeitsangaben in Aufklärungsbögen hätten sich an den für Beipackzettel für Medikamente gebräuchlichen Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA zu orientieren, die unter "gelegentlich" eine Wahrscheinlichkeit von nur 0,1 bis 1 % fassen. Dies wird - wenn überhaupt - mit der Erwägung begründet, weil weitaus häufiger Medikamente verordnet und eingenommen als Operationen durchgeführt würden und die in den Beipackzetteln verwendeten Häufigkeitsdefinitionen daher weithin bekannt seien, müsse angenommen werden, dass Häufigkeitsangaben, die in Aufklärungsbögen über ärztliche Behandlungen verwendet würden, mangels gegenteiliger Hinweise ebenso verstanden würden, wie sie in den Medikamentenbei- packzetteln ausdrücklich definiert seien. Es sei nicht ersichtlich, was einen Patienten zu der Annahme veranlassen solle, die in standardisierten Aufklärungsbögen verwendeten Häufigkeitsangaben seien völlig anders zu verstehen als solche in Beipackzetteln für Arzneimittel (OLG Nürnberg, VersR 2016, 195, 197, juris Rn. 42). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung nicht (ebenso etwa Bergmann/Wever, MedR 2016, 37; dies., Das Krankenhaus 2016, 138, 140; Gödicke, MedR 2018, 489 f.; BeckOK BGB/Katzenmeier, 48. Ed. 1.11.2018, BGB § 630e Rn. 14; Kunze, GesR 2015, 534, 535; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht , 5. Auflage 2018, Rz. A 992 f.; Rehborn/Gescher in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 630e BGB, Rn. 8; vgl. ferner OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15. September 2015 - 8 U 115/12, juris Rn. 94; LG Hamburg, Urteil vom 1. April 2016 - 303 O 34/14, juris Rn. 44; zweifelnd auch Strücker-Pitz, GuP 2015, 157, 159).
18
bb) Ausgangspunkt der Überlegungen müssen dabei Sinn und Zweck der Pflicht des Arztes zur (Eingriffs-) Aufklärung sein. Die Aufklärungspflicht soll das Selbstbestimmungsrecht des Patienten sichern, indem gewährleistet wird, dass der Patient eine zutreffende Vorstellung davon hat, worauf er sich einlässt, wenn er der vorgesehenen Behandlung zustimmt (vgl. nur Senatsurteil vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02, NJW 2003, 2012, 2014, juris Leitsatz und Rn. 18 ff.; Palandt/Weidenkaff, 78. Auflage, § 630e Rn. 1, Spickhoff/Greiner, 3. Aufl., §§ 823 ff. BGB Rn. 201; Pauge/Offenloch, Arzthaftungsrecht, 14. Aufl., Rn. 379). Dementsprechend muss die Aufklärung für den Patienten sprachlich und inhaltlich verständlich (vgl. § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) sein, wobei es auf die individuelle Verständnismöglichkeit des Patienten ankommt (Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - VI ZR 462/15, NJW-RR 2017, 533 Rn. 10). Bestehen keine Besonderheiten, kann auf den allgemeinen Sprachgebrauch im konkreten Kontext abgestellt werden.
19
cc) Danach umfasste der von Dr. Sch. im Streitfall verwendete Begriff "gelegentlich" eine Komplikationsrate von 8,71 %.
20
(1) Wird das Wort "gelegentlich" - wie hier - nicht im Sinne von "bei passenden Umständen" (vgl. zu dieser Bedeutung: Duden, Das Bedeutungswörterbuch , 4. Auflage, "gelegentlich" unter a) gebraucht, so hat es nach allgemeinem Sprachverständnis, was der erkennende Senat selbst beurteilen kann (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2018 - VI ZR 143/17, NJW 2018, 1671 Rn. 32 ff.), die Bedeutung von "nicht regelmäßig" (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl., "gelegentlich" unter b); synonym werden etwa die Begriffe "ab und an", "ab und zu", "dann und wann", "das ein oder andere Mal", "des Öfteren", "hier und da", "hin und wieder", "manchmal", "mitunter", "öfter", "stellenweise", "streckenweise" , "vereinzelt" oder "von Zeit zu Zeit" verwendet (Duden, Das Synonymwörterbuch , 5. Aufl., "1gelegentlich" unter b). "Gelegentlich" bezeichnet mithin in dieser Wortbedeutung eine gewisse Häufigkeit, die größer als "selten", aber kleiner als "häufig" ist. Eine konkrete (mathematische) Häufigkeitszahl ist dem Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch - jedenfalls außerhalb besonderer Kontexte - nicht zugeordnet. Der erkennende Senat teilt vor diesem Hintergrund die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich eine statistische Häufigkeit im - wie hier - einstelligen Prozentbereich nach allgemeinem Sprachgebrauch ohne weiteres unter den Begriff "gelegentlich" fassen lässt.
21
(2) Für die Aufklärung von Patienten vor ärztlichen Eingriffen gelten insoweit keine Besonderheiten. Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff "gelegentlich" auf der Grundlage des allgemeinen Sprachgebrauchs in diesem Kontext anders als sonst verwendet und verstanden wird, vermag der Senat nicht zu erkennen. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ergeben sich solche Anhaltspunkte insbesondere nicht aus dem MedDRA. Dabei handelt es sich um eine Sammlung standardisierter medizinischer Begriffe, die von dem International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) entwickelt wurde, um den internationalen Austausch von Informationen im Zusammenhang mit der Zulassung von Medizinprodukten zu erleichtern. In dieser Sammlung werden unter anderem die Häufigkeiten unerwünschter Arzneimittelwirkungen definiert (vgl. http://www.ich.org/products/meddra.html, zuletzt abgerufen am 14. Januar 2019). Danach gilt eine Häufigkeit von 8,71 % nicht als "gelegentlich", sondern als "häufig"; als "gelegentlich" gelten Häufigkeiten von 0,1 % bis 1 %. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass sich diese - vom sonstigen allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden - Definitionen für die im Streitfall relevante , die Eingriffsaufklärung betreffende Kommunikation zwischen Arzt und Patient allgemein durchgesetzt haben.
22
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Laie mit den Definitionen des MedDRA regelmäßig (nur) über Packungsbeilagen für Medikamente in Berührung kommt, in denen die Begrifflichkeiten des MedDRA auf der Grundlage einer entsprechenden Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (vgl. zum für den Streitfall relevanten Zeitpunkt: Bekanntmachung von Empfehlungen zur Gestaltung von Packungsbeilagen nach § 11 des Arzneimittelgesetzes [AMG] für Humanarzneimittel [gemäß § 77 Abs. 1 AMG] und zu den Anforderungen von § 22 Abs. 7 Satz 2 AMG [Überprüfung der Verständlichkeit von Packungsbeilagen] vom 30. November 2006, BAnz 2006, S. 7332) hinsichtlich der Häufigkeit von Nebenwirkungen Verwendung finden. Allerdings zeigen die Ergebnisse der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Studie zum "Verständnis von Nebenwirkungen im Beipackzettel" von Ziegler, Hadlak, Mehlbeer und König (Deutsches Ärzteblatt 2013, 669), dass die Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA nicht einmal in diesem Kontext Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben. Denn danach verstehen selbst Pharmazeuten und Ärzte im Kontext eines Arzt-Patienten-Gesprächs über die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen eines Medikaments unter dem Begriff "gelegentlich" im Mittel eine Wahrscheinlichkeit von 10 %. Entspricht aber sogar das kontextbezogene Sprachverständnis von Fachleuten nicht den Definitionen der MedDRA, so kann erst recht nicht davon ausgegangen werden, dass das kontextbezogene Sprachverständnis von Laien insoweit vom sonstigen allgemeinen Sprachverständnis abweicht. Dies gilt umso mehr, wenn man in den Blick nimmt, dass es im Streitfall nicht um die von der dargestellten Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erfasste Häufigkeit von Nebenwirkungen eines Medikaments geht, sondern darum, wie häufig sich das spezifische Risiko eines operativen Eingriffs verwirklicht.
23
(3) Besonderheiten, die dazu führen könnten, dass der Begriff "gelegentlich" in der konkreten Aufklärungssituation anders als üblich zu verstehen war, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist es entgegen der Annahme der Revision ohne Belang, dass der Begriff "gelegentlich" im Streitfall nicht nur mündlich verwendet wurde, sondern er auch in dem beim Aufklärungsgespräch von Dr. Sch. verwendeten Aufklärungsbogen enthalten war. Die Bedeutung des Begriffes ist davon unabhängig, ob er (auch) schriftlich oder (nur) mündlich verwendet wird.
24
2. Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger sei über den möglichen Zeitpunkt einer Lockerung der Prothese ordnungsgemäß aufgeklärt worden.
25
a) Zunächst vertritt die Revision die Auffassung, das Berufungsgericht habe den vom Kläger geltend gemachten Aufklärungsfehler grundlegend missverstanden. So habe sich das Berufungsgericht mit der Frage befasst, ob der Kläger überhaupt darüber aufgeklärt worden sei, dass eine Lockerung der Prothese auftreten könne. Der Kläger habe aber darauf abgestellt, über den Zeit- rahmen, innerhalb dessen mit einer Lockerung zu rechnen sei, im Unklaren gelassen worden zu sein.
26
Der von der Revision damit geltend gemachte Gehörsverstoß liegt nicht vor. Entgegen der Darstellung der Revision hat sich das Berufungsgericht mit der ordnungsgemäßen Aufklärung über den zeitlichen Horizont einer möglichen Lockerung ausdrücklich befasst. Es ist davon ausgegangen, Dr. Sch. habe dem Kläger mitgeteilt, es gebe eine sogenannte Früh- sowie eine sogenannte Spätlockerung , der zeitliche Rahmen sei insoweit nicht absehbar, eine Prothese halte in der Regel mehrere Jahre und es habe im Krankenhaus der Beklagten Patienten gegeben, "die zehn Jahre und mehr ohne Probleme mit einer solchen Prothese herumgelaufen seien".
27
b) Entgegen dem weiteren Einwand der Revision beruht die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden, schließlich auch nicht deshalb auf einem Rechtsfehler, weil der Kläger auf der Grundlage der ihm erteilten Aufklärung hätte annehmen dürfen, jedenfalls zehn Jahre mit der Prothese leben zu können. Einen entsprechenden Aussagegehalt hat das Berufungsgericht den Angaben des Dr. Sch. im Aufklärungsgespräch rechtsfehlerfrei nicht entnommen. Die vom Berufungsgericht festgestellten, oben genannten Angaben des Dr. Sch. lassen für das von der Revision angenommene Verständnis keinen Raum. von Pentz Offenloch Roloff Müller Allgayer
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.02.2016 - 2-4 O 346/14 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.02.2018 - 8 U 78/16 -

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Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 22 Zulassungsunterlagen


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Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 11 Packungsbeilage


(1) Fertigarzneimittel, die nicht zur klinischen Prüfung bestimmt sind und die nicht nach § 21 Absatz 2 Nummer 1a, 1b oder 3 von der Zulassungspflicht freigestellt sind, dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur mit einer Packungsbeilage in den V

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 630e Aufklärungspflichten


(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dr

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(1) Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 279/04 Verkündet am: 14. März 2006 H o l m e s, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

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bei uns veröffentlicht am 25.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 131/02 Verkündet am: 25. März 2003 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 823 Aa a

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2010 - VI ZR 198/09

bei uns veröffentlicht am 06.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 198/09 Verkündet am: 6. Juli 2010 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2018 - VI ZR 143/17

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 143/17 Verkündet am: 13. März 2018 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2018 - VI ZR 106/17

bei uns veröffentlicht am 09.01.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 106/17 vom 9. Januar 2018 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 286 E; GG Art. 103 Abs. 1 a) Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzend

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2017 - VI ZR 520/16

bei uns veröffentlicht am 10.10.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 520/16 Verkündet am: 10. Oktober 2017 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2016 - VI ZR 462/15

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 462/15 Verkündet am: 11. Oktober 2016 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Landgericht Hamburg Urteil, 01. Apr. 2016 - 303 O 34/14

bei uns veröffentlicht am 01.04.2016

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Sept. 2014 - VI ZR 443/13

bei uns veröffentlicht am 30.09.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR443/13 Verkündet am: 30. September 2014 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

(2) Die Aufklärung muss

1.
mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,
2.
so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
3.
für den Patienten verständlich sein.
Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.

(3) Der Aufklärung des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat.

(4) Ist nach § 630d Absatz 1 Satz 2 die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, ist dieser nach Maßgabe der Absätze 1 bis 3 aufzuklären.

(5) Im Fall des § 630d Absatz 1 Satz 2 sind die wesentlichen Umstände nach Absatz 1 auch dem Patienten entsprechend seinem Verständnis zu erläutern, soweit dieser aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Absatz 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 64/12
Verkündet am:
7. März 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 675; GmbHG aF § 64 Abs. 2

a) Das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH begründet bei üblichem Zuschnitt
keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz
auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu
geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht.

b) Eine entsprechende drittschützende Pflicht trifft den steuerlichen Berater auch gegenüber
dem Geschäftsführer der Gesellschaft nicht.
BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12 - OLG Köln
LG Aachen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Im Umfang der Zulassung durch das Berufungsgericht wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2012 zurückgewiesen. Die weitergehende Revision wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist der Verwalter in dem am 10. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die von dem Beklagten steuerlich beraten worden war und von dem Geschäftsführer B. (nachfolgend: Zedent) geleitet wurde.
2
Die Schuldnerin befand sich schon im Jahr 2005 in der Krise. Um den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, stellte der Zedent der Gesellschaft ein Darlehen über insgesamt 80.000 € zur Verfügung. Hierüber informierte er im Dezember 2005 den Beklagten. Dieser riet ihm, hinsichtlich des Rück- zahlungsanspruchs einen Rangrücktritt zu erklären. Am 26. Januar 2006 besprachen der Zedent und der Beklagte die Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004. Am selben Tag gab der Zedent die vom Beklagten angeregte Rangrücktrittserklärung ab und erklärte zusätzlich den Rangrücktritt für die Rückgewähr von Sicherheiten, die er in der Vergangenheit der Schuldnerin zur Verfügung gestellt hatte. Die unter dem 6. Februar 2006 erstellte Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.121,63 € aus.
3
Am 29. September 2006 veräußerte der Zedent seine Anteile an der Schuldnerin. Diese stellte am 5. Dezember 2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der Verfahrenseröffnung forderte der Kläger den Zedenten auf, wegen Kreditrückführungen auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin zwischen dem 26. Januar 2006 und dem 1. September 2006 in Höhe von insgesamt 265.372,03 € Schadensersatz zu leisten, weil dieser die Rückführung des Kredits trotz der Überschuldung der Gesellschaft zugelassen habe. Der Zedent konnte den Betrag nicht zahlen. Er schloss mit dem Kläger am 25. August 2009 einen Vergleich, durch den er unter anderem seine Ansprüche gegen den Beklagten aus steuerlicher Beratung an den Kläger abtrat.
4
Gestützt auf diese Abtretung verlangt der Kläger unter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldens des Zedenten Schadensersatz in Höhe von 132.686,01 €. Er meint, der Beklagte habe es - zuletzt bei der Unterredung am 26. Januar 2006 - schuldhaft unterlassen, auf eine mögliche Überschuldung der Gesellschaft und die Pflicht des Zedenten, die Überschuldung prüfen zu lassen, hinzuweisen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zu der Frage zugelassenen Revision, ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerbe- rater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen sei, soweit die insolvenzrechtliche Innenhaftung des Geschäftsführers in Rede stehe, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I.


6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil mehrfach (vgl. DStR 2012, 923; NZG 2012, 504; Stbg 2012, 327; DStRE 2012, 970) veröffentlicht ist, hat gemeint , eine Inanspruchnahme des Beklagten aus abgetretenem Recht scheide aus, weil diesen keine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Zedenten treffe. Auf einen stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag könne sich der Kläger nicht stützen. Es habe sich nicht um eine Beratungsleistung gegenüber dem Zedenten, sondern um eine solche gegenüber der GmbH gehandelt. Jedenfalls erschöpften sich die Pflichten des Beklagten in dem erteilten Rat. Eine Verpflichtung zur weiteren Aufklärung des Zedenten könne aus einem solchen Vertrag nicht hergeleitet werden. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt , dass der Zedent den Beklagten Ende des Jahres 2005 oder Anfang des Jahres 2006 überhaupt zu einer Einschätzung dazu aufgefordert habe, ob die GmbH überschuldet und aus diesem Grund etwas zu veranlassen sei.
7
Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zedenten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien ebenfalls nicht gegeben. Der Zedent sei nicht in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten einbezogen gewesen. Zwar komme eine solche Einbeziehung in Betracht, wenn aufgrund einer fehlerhaften Beratung durch den Steuerberater das Risiko einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach §§ 191, 219 AO bestehe oder der Steuerberater wegen unrichtiger Angaben in der Steuererklärung für eine gegen den Geschäftsführer verhängte Geldstrafe wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung haften müsse (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274). Vorliegend fehle es aber an der Schutzwürdigkeit des Zedenten und der Zumutbarkeit der Haftungserweiterung für den Beklagten, der seine Leistungen vorrangig im Interesse der Gesellschaft zu erbringen habe. Deren Geschäftsführer sei zur eigenverantwortlichen Prüfung der Überschuldung verpflichtet, soweit er Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG aF leiste. Dem steuerlichen Berater der Gesellschaft sei das Risiko, für solche Zahlungen haften zu müssen, nicht zumutbar. Es fehle auch an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Aus dem Umstand, dass er bei Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 zutreffend über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft informiert und der Zedent auf die Feststellung des Fehlbetrages durch die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen reagiert habe, sei zu entnehmen, dass dem Zedenten die Überschuldungssituation bewusst gewesen sei.

II.


8
Die Revision ist zulässig, soweit sie die Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer drittschützenden Pflicht bei der steuerlichen Beratung der GmbH erreichen will. Im Übrigen ist sie mangels einer Zulassung unstatthaft und damit unzulässig (§ 543 Abs. 1 ZPO).
9
Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf die Frage zugelassen , ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen ist, soweit es um die Haftung des Geschäftsführers wegen der Verletzung der Pflicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG (entsprechend § 64 Abs. 2 GmbHG aF) gegenüber der Gesellschaft geht. Dies ergibt sich, was ausreichend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177; vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 11; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18), aus den Urteilsgründen. Die Zulassungsfrage betrifft lediglich einen an den Kläger abgetretenen Anspruch des Zedenten aus einer möglichen Verletzung der drittschützenden Pflichten des mit der Schuldnerin bestehenden Beratervertrages. Ansprüche aus dem von dem Kläger behaupteten Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten werden von dieser Frage nicht berührt. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs ist möglich (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703; vom 16. September 2009, aaO; vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 21; Ackermann in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. § 543 Rn. 4 f; Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 543 Rn. 60; MünchKomm -ZPO/Krüger,4. Aufl., § 543 Rn. 35; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 543 Rn. 11; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 543 Rn. 22).
10
Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, wie hier auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Zulassungsentscheidung so auszulegen, dass das Berufungsgericht die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4). Deshalb ist die Revision als unzulässig zu verwerfen, soweit sie Ansprüche des Klägers aus einem Beratungsvertrag des Zedenten mit dem Beklagten weiterverfolgt.

III.


11
Im Umfang der Zulassung bleibt die Revision des Klägers ohne Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
12
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte aus dem mit der Schuldnerin abgeschlossenen Beratervertrag nicht die Pflicht hatte, die Schuldnerin auf eine möglicherweise bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung und die Pflicht des Geschäftsführers, eine Überschuldungsprüfung in Auftrag zu geben, hinzuweisen.
13
a) Der Beklagte hatte für die Schuldnerin seit deren Gründung 2001 fortlaufend die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die Lohnabrechnungen der Mitarbeiter, die Meldungen an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger , die Jahresabschlüsse und die Bilanzen zu fertigen und diese bei den Prüfungen der genannten Stellen zu unterstützen. Diese Tätigkeiten sind nach ihrem Gesamtbild als Wahrnehmung der allgemeinen steuerlichen Interessen des Auftraggebers einzustufen. Im Streitfall hat die Schuldnerin dem Beklagten aber nicht den ausdrücklichen Auftrag erteilt, die GmbH in der Frage des Bestehens einer Insolvenzantragspflicht zu beraten. Die Pflicht zum Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Überprüfung der Insolvenzantragsvoraussetzungen ergibt sich aber auch nicht aus der Verletzung einer allgemeinen Vertragspflicht.
14
Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, WM 1987, 661, 662; vom 26. Januar 1995 - IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358, 361). Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1966 - VII ZR 132/64, WM 1967, 72, 73; vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 19/79, WM 1980, 308, 309; vom 26. Januar 1995, aaO). Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1304; vom 26. Januar 1995, aaO 362; vom 21. Juli 2005 - IX ZR 6/02, WM 2005, 1904, 1905 unter B. I. 1.a; Vill in Zugehör/G.Fischer/ Vill/D.Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 550 ff).
15
b) Gemessen an diesen Grundsätzen war es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Anders als bei einem ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff) besteht eine solche Pflicht bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht. Sie würde die Verantwortlichkeit des Beraters, sich mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten zu befassen, erheblich erweitern. Der Berater müsste dann trotz der Beschränkung seiner Hauptpflichten auf die steuerrechtliche Beratung (vgl. § 33 StBerG und BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10 f) auch die allgemeine wirtschaftsrechtliche Beratung, zu der die Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen zu zählen ist, im Blick haben und der Gesellschaft neben steuerrechtlichen Ratschlägen ohne besonderen Auftrag auch insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Hinweise erteilen.
16
c) Die Unterdeckung in der im Rahmen des Steuerberaters erstellten Bilanz kann zwar einen indiziellen Hinweis auf die möglicherweise drohende oder bereits eingetretene Überschuldung geben, sie weist diese aber nicht aus (Pape, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 19 Rn. 53; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 10). Festgestellt werden kann die Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO nur durch Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als die vom Steuerberater zu fertigende Bilanz. Die insolvenzrechtliche Überschuldung ist deshalb aus der Handelsbilanz auch nicht ohne weiteres zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2008 - II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 8; vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732 Rn. 5 mwN).
17
aa) Im Hinblick auf die rechtlich komplexe Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorliegt (vgl. HmbKomm -InsO/Schröder, 4. Aufl., § 19 Rn. 12 ff; MünchKomm-InsO/Drukarcyk/ Schüler, 2. Aufl., § 19 Rn. 52 ff; Pape, aaO Rn. 34 ff; Sikora in Pape/Uhländer, InsO, § 19 Rn. 9 ff; Uhlenbruck, aaO Rn. 28 ff), hätte sich der Steuerberater mit schwierigen Rechtsfragen zu befassen, die für ihn - auch im Fall der Feststellung einer Unterdeckung in der Handelsbilanz - in aller Regel nicht offen zutage liegen. Ihm kann deshalb nicht die Pflicht auferlegt werden, auf bloßen äußeren Verdacht hin den Hinweis zu erteilen, die Gesellschaft sei möglicherweise überschuldet im Sinne des § 19 InsO, oder ohne konkreten Auftrag zunächst eine Fortführungsprognose zu erstellen (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff; Sikora aaO Rn. 16 ff) und sodann - je nach Ergebnis dieser Prognose - eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung nach Fortführungs- oder Zerschlagungswerten (vgl. Pape, aaO Rn. 52 ff; Sikora aaO Rn. 28 ff) vorzunehmen.
18
Die Erkenntnis der Überschuldung setzt vielmehr voraus, dass weitere Untersuchungen - etwa hinsichtlich des Vorhandenseins von stillen Reserven und der bestehenden Fortführungsaussichten - angestellt werden, die für den Steuerberater nicht ohne weiteres aus dessen Kenntnis der steuerlichen Situation des Unternehmens folgen. So sind bei der Erstellung der Fortführungsprognose des § 19 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz InsO, die nach der Aufhebung des § 6 Abs. 3 FMStG durch Art. 18 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418) auf Dauer ausreicht, um eine rechnerische Überschuldung zu überwinden (vgl. Pape, aaO Rn. 34), subjektive und prognostische Elemente zu berücksichtigen, die sich dem Steuerberater im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht ohne weiteres erschließen. Ob Fortführungswilligkeit der Beteiligten besteht, ein umsetzbarer Finanzplan gegeben ist und ein schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept für die Zukunft vorliegt (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff), kann der Steuerberater den Erkenntnissen, die er bei Wahrnehmung des allgemeinen Mandats gewinnt, nicht entnehmen. Für ihn wird nur die bilanzielle Überschuldung offenbar, die nicht einmal aus- reicht, um eine rechnerische Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz InsO erkennbar zu machen.
19
bb) Die im Schrifttum mehrheitlich und vereinzelt auch in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, der Steuerberater habe im Rahmen seiner Vertragspflichten zur Beratung und Schadensverhütung kraft seines überlegenen Wissens den Geschäftsführer einer GmbH darüber aufzuklären, dass er verpflichtet sei, zur Klärung der Insolvenzreife eine Überschuldungsbilanz aufzustellen und bei Feststellung der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft fristgerecht zu beantragen, wenn Überschuldung der Gesellschaft gemäß § 19 Abs. 2 InsO unmittelbar drohe oder bereits eingetreten sei (vgl. LG Wuppertal, ZInsO 2011, 1997, 1998 f; LG Saarbrücken, ZInsO 2012, 330, 337; Hölzle, DStR 2003, 2075; Gräfe, DStR 2010, 618 ff; Mutschler, DStR 2012, 539, 540; Reck, ZInsO 2000, 121, 122; Schmittmann, StuB 2009, 696; Sundermeier/Gruber, DStR 2000, 929; Wagner/ Zabel, NZI 2008, 660; Zugehör, NZI 2008, 652, 653; K. Schmidt in Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl., Rn. 1.182; Gräfe in Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 291 Stichwort : Überschuldung), ist mit der Beschränkung der Pflichten des Steuerberaters auf die steuerliche Beratung bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auch aus der vertraglichen Nebenpflicht , den Mandanten vor Schaden zu bewahren, ergibt sich nicht die Verpflichtung des Steuerberaters, auf einen möglicherweise bestehenden Anlass zur Prüfung der Insolvenzreife hinzuweisen. Die Annahme, den Steuerberater treffe eine Hinweispflicht kraft seines überlegenen Wissens (vgl. Mutschler, aaO) oder seiner besonderen Autorität (vgl. K. Schmidt, aaO), ist nicht gerechtfertigt. Ein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung hat der Steuerbera- ter durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, nicht. Sein Wissen steht vielmehr hinter dem des Geschäftsführers zurück, der nicht nur die reinen Zahlen kennt, sondern auch die für eine Fortführungsprognose maßgeblichen weiteren Umstände. Der Geschäftsführer muss beurteilen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Dass der äußere Anlass für eine Überschuldungsprüfung gegeben ist, kann er ohne weiteres aus der Handelsbilanz , vorausgesetzt diese ist zutreffend erstellt, entnehmen, wenn diese eine Unterdeckung aufweist. Eine - möglicherweise auch drittschützende - Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden kann deshalb nur eintreten, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt ist (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff).
20
Dem Steuerberater ist aufgrund der Erstreckung seines Berufsbildes gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG auf "eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen" grundsätzlich gestattet, entsprechende Aufgaben wahrzunehmen , wenn er den Auftrag dazu hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10). Ein Konflikt zu § 5 Abs. 1 RDG tritt nicht ein, denn die Insolvenzund die Sanierungsberatung gehört als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers (Gräfe, DStR 2010, 618, 619). Deshalb ist diese berufsrechtlich zulässige Sonderberatung aber noch nicht Inhalt jedes steuerlichen Dauermandats.
21
Zutreffend sind die Entscheidungen und Literaturmeinungen, die eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters auf die Pflichten bei möglicher Insolvenzreife im Falle eines allgemeinen Mandats ablehnen (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 378 f; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 ff; Hoth, ZInsO 2011, 1009; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rn. 101). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (OLG Celle, ZInsO 2011, 1004, 1005). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen , die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht ; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11). Weist die Handelsbilanz der Gesellschaft eine Überschuldung aus, hat er nach diesen Grundsätzen eine Überschuldungsprüfung selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben. Auf den Steuerberater der Gesellschaft, den im Rahmen eines allgemeinen Mandats die Pflicht zur steuerlichen Beratung der Gesellschaft trifft, kann er diese Aufgabe nicht ohne besonderen Auftrag abwälzen.
22
d) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463), demzufolge ein Steuerberater aus positiver Vertragsverletzung wegen verspäteter Stellung eines Konkursantrags wegen Überschuldung zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, steht dieser Entscheidung nicht entgegen. In dem Verfahren aus dem Jahre 1987 ging es nicht um eine Schadensersatzpflicht des Beraters wegen des unterlassenen Hinweises auf eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht. Dort war Grund für die Haftung des Steuerberaters vielmehr die fehlerhafte Erstellung der Bilanz , welche die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Der Beratungsfehler lag mithin nicht in einer unterlassenen Warnung von einer möglicherweise bestehenden Insolvenzreife, sondern in der Schlechterfüllung des Auftrags, die Bilanz anzufertigen. Auf dieser fehlerhaften Grundlage konnte auch der Geschäftsführer der Auftraggeberin keine sachgerechten Entschließungen fassen.
23
e) Soweit der Beklagte dem Zedenten im Dezember 2005 auf Nachfrage den Rat erteilt hat, hinsichtlich der Rückzahlung des der Schuldnerin zur Verfügung gestellten Kredits eine Rangrücktrittserklärung abzugeben und der Zedent diesem Rat im Januar 2006 gefolgt ist, kann hieraus eine Haftung des Beklagten nicht abgeleitet werden. Die Empfehlung, eine entsprechende Erklärung abzugeben, welcher der Zedent ohne nähere Erkundigung nach deren Sinn und Zweck gefolgt sein will, war richtig; Rangrücktritte werden typischerweise im Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 273). Der Rücktritt war unter Umständen geeignet die bestehende Unterkapitalisierung zu beseitigen. Dass der Beklagte den Zedenten mit seiner Empfehlung in die Irre geführt und bei diesem die fehlerhafte Vorstellung hervorgerufen habe, er brauche sich um die Frage der Überschuldung nicht mehr zu kümmern, weil mit der Abgabe der Erklärungen am 26. Januar 2006 alles getan sei, um der Pflicht zur Überprüfung der möglicherweise gegebenen Insolvenzreife der Schuldnerin zu genügen, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Dieser stützt seine Klage vielmehr auf die Behauptung , der Beklagte habe es gänzlich unterlassen, den Zedenten auf die bestehende Insolvenzgefahr aufmerksam zu machen. Der Vorwurf, der Beklagte ha- be außerhalb der Grenzen seines Mandats die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Zedenten verursacht, weil er diesem fälschlich den Eindruck vermittelt habe, der sich aus der Bilanz für das Jahr 2004 ergebende Anlass , eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen, habe sich erledigt, kann dem Beklagten nicht gemacht werden. Dieser Anlass bestand nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ungeachtet der erklärten Rangrücktritte weiter.
24
2. Eine Einbeziehung des Zedenten in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten, die zur Entstehung abtretbarer Ansprüche aus Beratungsverschulden im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppungshaftung führen könnten, kommt nicht in Betracht.
25
a) Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 173; vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 17; vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274 Rn. 6). Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden insbesondere bei solchen Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater ), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 260 f; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 18).
26
b) Eine Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater kann hiernach zwar nicht generell verneint werden. Der Geschäftsführer kommt bestimmungsgemäß mit dem Vertrag in Berührung und für den Steuerberater, bei dem es sich grundsätzlich um eine Person handelt, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, ist ohne weiteres erkennbar, dass die Prüfung der Überschuldung für den Geschäftsführer rechtliche Wirkungen hat (zur Einbeziehung des Geschäftsführers in den ausdrücklichen Prüfauftrag des Steuerberaters vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 27 ff).
27
Vorliegend fehlt aber schon eine Hinweis- und Warnpflicht des Beraters gegenüber seiner Auftraggeberin, so dass eine Haftung des Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bereits daran scheitert, dass den Beklagten aus dem mit der GmbH abgeschlossenen allgemeinen Steuerberatungsvertrag keine Schutzpflichten hinsichtlich der Aufklärung über eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht treffen. Dies ergibt die Auslegung der vertraglichen Pflichten, die den Steuerberater aus einem allgemeinen steuerrechtlichen Beratungsmandat treffen. Die drittschützenden Pflichten aus einem solchen Vertrag können nicht weiter reichen als die dem Berater gegenüber seiner eigentlichen Vertragspartei obliegenden Warn- und Hinweispflichten. Der Dritte, der selbst keine vertraglichen Beziehungen zu dem Berater hat, kann nicht erwarten, dass dieser ihn über Gefahren und mögliche Risiken aufklärt , auf die er im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht hinzuweisen hat. Diese Pflichtenlage ist nur dann anders zu beurteilen, wenn der Berater ausdrücklich damit beauftragt ist, eine Überprüfung der Insolvenzreife vorzuneh- men, denn hier wird die Feststellung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt oder auszuschließen ist, dem Auftraggeber schon bei Erfüllung der Hauptpflicht geschuldet.
28
c) Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Belehrungsbedürftigkeit der Auftraggeberin, von welcher der Berater grundsätzlich auch dann auszugehen hat, wenn es um die Beratung einer rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Person geht, die möglicherweise auch selbst über einschlägige Kenntnisse verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14; vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 37, jeweils mwN), begründet die Haftung des Beklagten nicht. Nur wenn die insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Beratung als Haupt- oder Nebenaufgaben zum Vertragsinhalt des Steuerberaters gehört, kann mit einem Teil der Rechtsprechung erwogen werden, ob eine Hinweispflicht des Beraters dann entfällt, wenn der Geschäftsführer sich der bestehenden Insolvenzgefahr bereits bewusst ist (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 381 f, bestätigt durch BGH, Beschluss vom 24. Februar 1994 - IX ZR 126/93, unveröffentlicht; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 f).
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 10.08.2011 - 8 O 551/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 8 U 45/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 64/12
vom
7. März 2013
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 7. März 2013

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg, weil sie keinen Zulassungsgrund aufdeckt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
2
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig.
3
a) Soweit der Kläger vorsorglich Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Abweisung von Ansprüchen aus einem selbstständigen Auskunftsvertrag zwischen dem Beklagten und dem Geschäftsführer der Schuldnerin erhoben hat, ist diese Erklärung als uneingeschränkte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auszulegen. Als bedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wäre die Erklärung auch dann unzulässig, wenn die vorsorgliche Ein- legung so verstehen ist, dass über die Nichtzulassungsbeschwerde nur für den Fall entschieden werden soll, dass die Revisionszulassung durch das Berufungsgericht nur eingeschränkt erfolgt ist. In diesem Fall verstieße die Erklärung gegen den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen, die unmittelbar auf die Verfahrenslage einwirken. Diese können nicht einmal - was in Bezug auf andere Prozesshandlungen ausnahmsweise zulässig sein kann - von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden, sondern sind schlechthin bedingungsfeindlich (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 80/07, NJW-RR 2008, 85 Rn. 15 mwN; BAG, NJW 1996, 2533, 2534 mwN; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rn. 266; Zöller /Greger, ZPO, Vor § 128, 29. Aufl., Rn. 20). Danach ist es unzulässig, eine Nichtzulassungsbeschwerde nur für den Fall einzulegen, dass eine eingelegte Revision unzulässig ist, weil das Berufungsgericht diese nicht zugelassen hat (vgl. BAG, aaO; BAGE 49, 244, 246).
4
b) Als Prozesshandlung unterliegt die Erklärung der Nichtzulassungsbeschwerde der Auslegung. Die verfahrensrechtliche Erklärung ist frei zu würdigen und es ist unter Heranziehung aller erkennbaren Umstände und unter Beachtung der durch die gewählten Bezeichnungen bestehenden Auslegungsgrenzen zu ermitteln, welcher Sinn der Erklärung aus objektiver Sicht beizumessen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007, aaO Rn. 11; vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05, NJW-RR 2006, 862, 863 mwN). Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einerseits nur vorsorglich erfolgen sollte, andererseits jedoch im Anschluss an die Begründung der Revision eine vollständige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abgegeben worden ist, in der beschränkt auf den Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde eine vermeintliche Obersatzabweichung gerügt wird, mit der das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Senats abge- wichen sei. Dies spricht letztlich für eine unbedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde , die in jedem Fall durchgeführt werden sollte.
5
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
6
a) Das Berufungsgericht hat an den Kläger abgetretene Ansprüche aus einem im Dezember 2005 konkludent abgeschlossenen selbstständigen Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten aus tatsächlichen und aus rechtlichen Gründen verneint. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt , dass es zum Abschluss eines solchen Vertrages gekommen sei. Der Rat, eine Rangrücktrittserklärung abzugeben, sei für die GmbH von Bedeutung gewesen und deshalb dem Mandatsverhältnis mit der Gesellschaft zuzuordnen. Für einen weitergehenden Vertragsschluss mit dem Zedenten persönlich fehlten hinreichende Anhaltspunkte.
7
b) Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg. Gegen die tatsächliche Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines konkludent abgeschlossenen Auskunftsvertrags nicht dargelegt sind, wird nichts vorgebracht, was eine Zulassung der Revision erfordern könnte. Die geltend gemachte Obersatzabweichung liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist nicht von dem Rechtsgrundsatz abgewichen, der Berater habe im Rahmen seines Auftrags grundsätzlich von der Beratungsbedürftigkeit des Mandanten auszugehen , diesen umfassend zu beraten, auf wirtschaftliche Fehlentscheidungen hinzuweisen und vor möglichen Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2036 mwN). Vielmehr hat es schon den Abschluss eines Steuerberatervertrags verneint, bei dessen Erfüllung sich die Belehrungs- und Schutzbedürftigkeit des Mandanten hätte auswirken können. Gründe, die der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts entgegenstehen könnten, sind der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.
8
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 10.08.2011 - 8 O 551/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 8 U 45/11 -
8
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 2. Mai 2017 - VI ZR 262/16, aaO Rn. 15; vom 21. September 2015 - VI ZR 100/14, aaO Rn. 19; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn. 59). Die Zulassung der Revision kann insbesondere auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkt werden, über die gemäß § 280 ZPO vorab durch Zwischenurteil entschieden werden kann (Senatsurteil vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, NJW-RR 2012, 759 Rn. 3; BGH, Urteile vom 12. April 2011 - XI ZR 341/08, NJW-RR 2011, 1287 Rn. 10; vom 5. Februar 1998 - III ZR 103/97, NJW 1998, 1138, 1139 f., insoweit in BGHZ 138, 67 nicht abgedruckt; vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92, NJW 1993, 1799, insoweit in BGHZ 121, 367 nicht abgedruckt ; Beschluss vom 15. März 2011 - II ZR 141/10, juris Rn. 9). Zu den über § 280 ZPO vorab klärungsfähigen Fragen gehört auch die Statthaftigkeit der gewählten Klageart (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1978 - IV ZB 105/78, NJW 1979, 427, 428; MünchKomm/Prütting, ZPO, 5. Aufl., § 280 Rn. 3 iVm MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, aaO, Vorb. zu § 253 Rn. 10, 22).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 396/12
vom
24. Oktober 2012
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Oktober 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin
Diederichsen und den Richter Pauge

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO). Rechts- oder sonstige Verfahrensfehler, die eine Zulassung der Revision gebieten könnten, sind ersichtlich nicht gegeben. Es ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht , dem neuen und erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gebrachten Vortrag des Klägers nicht nachgegangen ist, Messungen des Kopfumfanges seien fehlerhaft unterblieben und seiner Mutter seien im Kreißsaal Medikamente verabreicht worden, die sie nicht vertragen habe. Auch die erstmals mit der Berufungsbegründung geltend gemachte Rüge einer fehlenden Aufklärung über die Alternative einer sectio war verspätet, nachdem in erster Instanz die Klage ausschließlich auf Behandlungsfehler gestützt worden ist. Zwischen den Ansprüchen wegen unzureichender ärztlicher Aufklärung einerseits und wegen fehlerhafter Behandlung andererseits besteht zwar eine Verknüpfung dergestalt , dass es Ziel des Schadensersatzbegehrens des Patienten ist, eine Entschädigung für die bei ihm aufgrund der Behandlung eingetretenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen, doch liegen den Haftungstatbeständen räumlich und zeitlich verschieden gelagerte Sachverhalte zugrunde, an denen unterschiedliche Perso- nen beteiligt sein können. Auch sind die Schadensereignisse im Allgemeinen weder hinsichtlich der Auswirkungen noch hinsichtlich des Verschuldens gleichwertig (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05, VersR 2007, 414 und vom 4. November 1975 - VI ZR 226/73, VersR 1976, 293, 294). Es handelt sich dabei jedenfalls um neuen Tatsachenvortrag, der vom Berufungsgericht mit Recht nicht mehr berücksichtigt worden ist (§§ 530, 531 Abs. 2 ZPO). Die beantragte Prozesskostenhilfe kann danach nicht bewilligt werden.
Galke Zoll Wellner Diederichsen Pauge
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 01.07.2011 - 4 O 154/09 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 08.08.2012 - 7 U 128/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 27/17
vom
18. Dezember 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:181218BVIZR27.17.0
Richterin am Bundesgerichtshof von Pentz als Vorsitzende, die Richter Wellner und Offenloch, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Klein

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. Dezember 2016 zugelassen, soweit das Berufungsgericht auf Aufklärungsfehler gestützte Schadensersatzansprüche verneint hat. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen, weil sie insoweit nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 S. 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

von Pentz Wellner Offenloch Roloff Klein
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 29.01.2016 - 4 O 307/11 -
OLG Celle, Entscheidung vom 05.12.2016 - 1 U 19/16 -
5
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage wegen einer fehlerhaften Zahnersatzkonstruktion zurückgewiesen hat (1.). Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet (2.).
7
1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Revision uneingeschränkt in dem Umfang zulässig, in dem sie vom Kläger eingelegt worden ist (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision nicht nur beschränkt auf den Vorwurf des Behandlungsfehlers zugelassen. In der Urteilsformel findet sich keine Einschränkung. Zwar könnte sich eine Eingrenzung auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergeben (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. November 1991 - VI ZR 171/91 - NJW 1992, 1039 f. - insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 116, 104 ff.; BGH, BGHZ 48, 134, 136; Urteile vom 16. März 1988 - VIII ZR 184/87 - NJW 1988, 1778 und vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92 - NJW 1993, 1799). Im Streitfall ist jedoch eine solche nicht anzunehmen, weil zur Beurteilung der Frage des Streitgegenstands der Berufung, wegen derer das Berufungsgericht die Revision zuge- lassen hat, der gesamte Streitstoff herangezogen werden muss, über den das Berufungsgericht entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02 - VersR 2003, 1441, 1442).
8
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 2. Mai 2017 - VI ZR 262/16, aaO Rn. 15; vom 21. September 2015 - VI ZR 100/14, aaO Rn. 19; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn. 59). Die Zulassung der Revision kann insbesondere auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkt werden, über die gemäß § 280 ZPO vorab durch Zwischenurteil entschieden werden kann (Senatsurteil vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, NJW-RR 2012, 759 Rn. 3; BGH, Urteile vom 12. April 2011 - XI ZR 341/08, NJW-RR 2011, 1287 Rn. 10; vom 5. Februar 1998 - III ZR 103/97, NJW 1998, 1138, 1139 f., insoweit in BGHZ 138, 67 nicht abgedruckt; vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92, NJW 1993, 1799, insoweit in BGHZ 121, 367 nicht abgedruckt ; Beschluss vom 15. März 2011 - II ZR 141/10, juris Rn. 9). Zu den über § 280 ZPO vorab klärungsfähigen Fragen gehört auch die Statthaftigkeit der gewählten Klageart (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1978 - IV ZB 105/78, NJW 1979, 427, 428; MünchKomm/Prütting, ZPO, 5. Aufl., § 280 Rn. 3 iVm MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, aaO, Vorb. zu § 253 Rn. 10, 22).

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

8
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein Arzt grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haftet, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist. Richtig ist auch, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13, VersR 2015, 196 Rn. 6; vom 7. November 2006 - VI ZR 206/05, BGHZ 169, 364 Rn. 7) und dass der aufklärungspflichtige Arzt nachzuweisen hat, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat (Senatsurteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13, VersR 2014, 588 Rn. 11). Auch trifft es zu, dass insoweit in erster Linie der Inhalt des Aufklärungsgesprächs maßgeblich ist, weil es jedenfalls bei Eingriffen der vorliegenden Art eines solchen bedarf und schriftliche Merkblätter nur ergänzend verwendet werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02, NJW 2003, 2012, 2013 mwN und nunmehr - zur Notwendigkeit des Gesprächs - § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB). Das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat, ist lediglich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs (Senatsurteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13, VersR 2014, 588 Rn. 13).
6
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein Arzt grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haftet, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist. Richtig ist auch, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 7. November 2006 - VI ZR 206/05, BGHZ 169, 364 Rn. 7). Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Patient über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen. Risikostatistiken sind für das Maß der Aufklärung von nur geringem Wert (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1, 5; vom 22. April 1980 - VI ZR 37/79, VersR 1981, 456, 457, und vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94, VersR 1996, 330, 331; BGH, Urteil vom 7. Juli 1994 - III ZR 52/93, BGHZ 126, 386, 389). Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik. Maßgebend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (Senatsurteile vom 7. Februar 1984 - VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103, 106 und vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94, aaO).
6
1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten bedürfen , um rechtmäßig zu sein, und dass diese Einwilligung nur wirksam erteilt werden kann, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten , seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Nur so werden sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt (grundlegend Senatsurteile BGHZ 29, 46; 29, 176). Davon geht das Berufungsgericht aus und das zieht auch die Revision nicht in Zweifel.

(1) Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1827 Absatz 1 Satz 1 die Maßnahme gestattet oder untersagt. Weitergehende Anforderungen an die Einwilligung aus anderen Vorschriften bleiben unberührt. Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.

(2) Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass der Patient oder im Fall des Absatzes 1 Satz 2 der zur Einwilligung Berechtigte vor der Einwilligung nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 aufgeklärt worden ist.

(3) Die Einwilligung kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen werden.

8
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein Arzt grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haftet, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist. Richtig ist auch, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13, VersR 2015, 196 Rn. 6; vom 7. November 2006 - VI ZR 206/05, BGHZ 169, 364 Rn. 7) und dass der aufklärungspflichtige Arzt nachzuweisen hat, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat (Senatsurteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13, VersR 2014, 588 Rn. 11). Auch trifft es zu, dass insoweit in erster Linie der Inhalt des Aufklärungsgesprächs maßgeblich ist, weil es jedenfalls bei Eingriffen der vorliegenden Art eines solchen bedarf und schriftliche Merkblätter nur ergänzend verwendet werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02, NJW 2003, 2012, 2013 mwN und nunmehr - zur Notwendigkeit des Gesprächs - § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB). Das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat, ist lediglich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs (Senatsurteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13, VersR 2014, 588 Rn. 13).
11
1. Das Berufungsgericht entspricht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt allerdings der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach muss der Patient "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106, 108; 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht da- von ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104, 105; vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330, 331).
6
1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten bedürfen , um rechtmäßig zu sein, und dass diese Einwilligung nur wirksam erteilt werden kann, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten , seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Nur so werden sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt (grundlegend Senatsurteile BGHZ 29, 46; 29, 176). Davon geht das Berufungsgericht aus und das zieht auch die Revision nicht in Zweifel.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

(2) Die Aufklärung muss

1.
mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,
2.
so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
3.
für den Patienten verständlich sein.
Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.

(3) Der Aufklärung des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat.

(4) Ist nach § 630d Absatz 1 Satz 2 die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, ist dieser nach Maßgabe der Absätze 1 bis 3 aufzuklären.

(5) Im Fall des § 630d Absatz 1 Satz 2 sind die wesentlichen Umstände nach Absatz 1 auch dem Patienten entsprechend seinem Verständnis zu erläutern, soweit dieser aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Absatz 3 gilt entsprechend.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der am … 1943 geborene Kläger erhebt gegen die beklagte Krankenhausträgerin nach einer radikalen Prostatektomie Behandlungs- und Aufklärungsfehlervorwürfe wegen einer postoperativen Harninkontinenz. Er stützt darauf im Wesentlichen Schmerzensgeldansprüche aber auch materielle Ersatzansprüche.

2

Der Kläger leidet seit 2006 an einer Depression. Nachdem seine Frau an Brustkrebs erkrankte, wurde auch bei dem Kläger - nach Stanzbiopsien in den Jahren 2004 bis 2009 - im Januar 2009 Prostatakrebs (PSA von 12 und Gleason Score 3+4=7) festgestellt. Er stellte sich im Anschluss daran selbständig in der M.-Klinik am U. der Beklagten vor. Am 2.3.2009 führte er dort ein Gespräch mit Prof. H. H., über das eine Kurzdokumentation vorliegt. Überdies war er bei seinem niedergelassenen Urologen Dr. K. in Behandlung.

3

Der Kläger wurde am 7.4.2009 bei der Beklagten stationär aufgenommen. Er verfügte dabei über einen Aufklärungsbogen, für dessen vollständigen Inhalt auf Anlage K 4 Bezug genommen wird. Ein solcher Aufklärungsbogen, mit Kugelschreiber bearbeitet und bezeichnet und zweimal unterschrieben, liegt auch den Original-Krankenunterlagen der Beklagten bei. Der Kläger führte weiter ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt Prof. H..

4

Von diesem wurde er am 8.4.2009 operiert. Die Operation erwies sich infolge periprostatischer Entzündungen, Gefäßreichtum und Verwachsungen als schwierig. Es kam zu einem Blutverlust von 1400 ml. Für die Einzelheiten wird auf den OP-Bericht Bezug genommen, Anlage K 11.

5

Der Kläger wurde am 17.4.2009 aus dem Krankenhaus entlassen und stellte sich am 15.6.2009 und am 17.8.2009 wegen einer andauernden Harninkontinenz tagsüber bei vier bis fünf mittelstarken Vorlagen nochmals bei der Beklagten vor.

6

Am 30.11.2011 wurde bei dem Kläger im Universitätsklinikum E., Urologie, wegen anhaltender Beschwerden und unveränderter Harninkontinenz eine Urethroystoskopie durchgeführt, woraus sich der Verdacht auf eine Sphincterinsuffizienz dorsal ergab.

7

Am 4.2.2013 ließ sich der Kläger in der Urologie des U. einen künstlichen Schließmuskel um die Harnröhre implantieren. Wegen andauernder Inkontinenz wurden dem Kläger weitere Operationen angeraten, die er zunächst nicht vornehmen lassen wollte. Im Januar 2014 erfolgte dann ein weiterer Eingriff.

8

Gegenüber der Aufklärungsrüge des Klägers hat sich die Beklagte auf eine hypothetische Einwilligung berufen.

9

Der Kläger ist der Auffassung, die Aufklärung sei zu bemängeln. Denn er sei nicht über das schwerste Risiko der Operation, nämlich die operationsbedingte Inkontinenz, aufgeklärt worden. Ihm seien vielmehr geschönte Zahlen vorgelegt worden. Der Aufklärungsbogen sei suggestiv aufgebaut und vermittele den Eindruck einer Routineoperation mit minimalen Risiken. Die Dauerschäden unter 10) bis 13) würden am Ende und damit untergeordnet erscheinen, während sie wegen der Warnfunktion hätten zuerst genannt werden müssen. Ein Hinweis fehle, dass die Prozentangaben solche der Klinik seien, so dass kein repräsentatives Bild hinsichtlich der Risikoverteilung vermittelt worden sei, denn tatsächlich sei eine Inkontinenz sehr viel häufiger (zwischen 0,5% bis 87%, im Langzeitverlauf etwa 10%). Die Beschreibung, dass es zu einer „Störung des Schließmuskels der Harnröhre“ komme, untertreibe und beschreibe auch nur einen vorübergehenden Zustand, so dass die Darstellung der verschiedenen operativen Methoden zur Verbesserung der Kontinenz vollständige Heilung suggerierten. Eine Aufklärung über das erhöhte Risiko wegen vorangegangener Stanzbiopsien sei gar nicht erfolgt.

10

Er nimmt wegen der verharmlosenden Risikodarstellung auf die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 30.4.2015 (Az. 5 U 2282/13) Bezug.

11

Zum Einwand der hypothetischen Einwilligung behauptet der Kläger, er hätte sich bei richtiger Aufklärung mindestens in einer weiteren Klinik vorgestellt und weitere, umfassende Statistiken mit qualifizierten Ärzten erörtert, sei mithin in einen Entscheidungskonflikt geraten. Er sei nämlich aufgrund der Aufklärung davon ausgegangen, dass es sich um eine Operation mit nur minimalem Risiko im Ein- bis Zweiprozentbereich handeln würde, er in jedem Fall aber durch weitere Operationen vollständig genesen werde. Zudem ließen sich viele Männer am Prostatakrebs gar nicht operieren.

12

Der Kläger erhebt Behandlungsfehlervorwürfe hinsichtlich der Durchführung der Operation. Es sei nämlich versäumt worden, zusätzliche Nähte, sog. „Rocco-Nähte“, durch den dorsalen Sphincterapparat vorzulegen. Aus dem Operationsbericht ergebe sich mit der Blutung ein ungewöhnlicher Zwischenfall.

13

Er behauptet weiter, er sei am 15.6. und am 17.8.2009 nicht behandelt worden; vielmehr habe sich das Gespräch allein um die Potenz des Klägers gedreht, und man habe nur mitgeteilt, dass man wegen der Inkontinenz noch bis Weihnachten warten müsse und dann gegebenenfalls ein Band eingezogen werden müsse. Durch Einleiten von Therapiemaßnahmen aber wären ihm seine Depression und die Lebensgefühlsminderung durch die Inkontinenz erspart geblieben.

14

Der Kläger behauptet, ihm seien Kosten durch Zuzahlungen und erhöhten Bedarf an Unter- und Oberbekleidung in Höhe von € 2.260,- entstanden (Anlage K 10). Seine Leiden rechtfertigten ein Schmerzensgeld in Höhe von € 50.000,-, während die Beklagte auch vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten auszugleichen habe.

15

Erstmals mit Schriftsatz vom 19.2.2016 behauptet der Kläger sodann, das Gespräch am 2.3.2016 sei ohne jeden medizinischen Inhalt gewesen, er habe Fragen nicht stellen können und Prof. H. als unnahbar empfunden. Er bestreitet ebenso erstmalig das Aufklärungsgespräch am 7.4.2009 mit der Zeugin L.. Er behauptet dazu weiter, er hätte sich nicht operieren lassen, sondern zugewartet, wenn er Kenntnis von den Risiken Impotenz und Inkontinenz gehabt hätte. Ihm sei die Operation verkauft worden, obwohl er wegen der Krebserkrankung seiner Frau gar keine Zeit gehabt habe, sich mit eigenen vermeidbaren körperlichen Beschwerden auseinanderzusetzen.

16

Er hält erstmals die Operation auch deshalb für behandlungsfehlerhaft, weil tatsächlich hätte abgewartet werden müssen, Anlagen K 20 – 24, weil der in dem Operationsbericht benannte Assistent namens R. möglicherweise noch nicht die nötige Erfahrung gehabt habe, man angesichts der Blutung bei stark eingeschränkter Sicht weiteroperiert habe, und nicht ersichtlich sei, wann der Bericht erstellt worden sei, und bemängelt nach Anhörung des Sachverständigen nunmehr auch verschiedene Passagen des schriftlichen Gutachtens.

17

Mit Schriftsatz vom 26.2.2016 hat der Kläger seine ursprüngliche Schmerzensgeldvorstellung von € 25.000,- auf € 50.000,- erweitert und erstmals - pauschal - eine fortdauernde Inkontinenz trotz der Operation aus Januar 2014 behauptet.

18

Der Kläger beantragt zuletzt,

19

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.260,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

20

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens € 50.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

21

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche zukünftigen materiellen sowie immateriellen Schäden zu ersetzen, sofern diese aus einer heute nicht absehbaren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes folgen und auf der streitgegenständlichen Behandlung vom 8.4.2009 beruhen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und / oder andere Dritte übergegangen sind;

22

4. ihm die Kosten seiner außergerichtlichen Interessenvertretung in Höhe von € 1.564,26 (1,5 Gebühr auf einen Wert von € 30.000,- nebst Kommunikationspauschale und Mehrwertsteuer) zu ersetzen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Die Beklagte nimmt Behandlungsfehler in Abrede.

26

Sie behauptet, am 2.3.2009 habe es ein umfassendes Gespräch mit Prof. H. und am 7.4.2009 ein Aufklärungsgespräch mit der Ärztin Dr. C. L. gegeben, die beide das Risiko einer auftretenden Harninkontinenz konkret erläutert hätten ebenso wie zusätzliche Risiken durch vorangegangene Biopsien. Prof. H. habe auch ausführlich zu möglichen Behandlungsalternativen und zur Relevanz der weiteren Lebenserwartung und der wahrscheinlichen Begrenzung des Tumors auf die Prostata Stellung genommen.

27

Die angegebenen Prozentzahlen seien solche der Klinik der Beklagten und inhaltlich zutreffend.

28

Die Beklagte behauptet weiter auch eine umfassende Risiko- und Alternativenaufklärung durch den niedergelassenen Urologen Dr. K..

29

Der Kläger sei mit seinen Beschwerden nicht allein gelassen worden, sondern es habe im Anschluss an das Schreiben vom 16.7.2009 ein persönliches Gespräch stattgefunden, in dem Physiotherapie vorgeschlagen worden sei. Der Kläger habe sich danach aber nicht mehr gemeldet. Zudem sei für die konkrete Nachsorge der niedergelassene Urologe / Hausarzt zuständig.

30

Die Beklagte behauptet, der Eingriff im Januar 2014 sei erfolgreich gewesen, die Inkontinenz des Klägers behoben worden.

31

Die Parteien führten vorgerichtlich ein Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern durch. Der Schlichtungssachverständige Prof. Dr. M. W. stellte in seinem Gutachten vom 12. Juni 2012, für dessen Inhalt auf Anlage K 9 Bezug genommen wird, Behandlungs- oder Aufklärungsfehler nicht fest.

32

Das Gericht hat das Gutachten mit Beweisbeschluss vom 12.2.2015 urkundsbeweislich verwertet und Prof. M. W. zum Sachverständigen bestellt. Es hat den Sachverständigen mündlich zur Erläuterung seines Gutachtens angehört und zum Inhalt der Aufklärungsgespräche am 7.4.2009 und 2.3.2009 den Kläger persönlich nach § 141 ZPO angehört und die Zeugen H., L. und G. H. vernommen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsprotokolle vom 15.1.2016 und vom 26.2.2016.

Entscheidungsgründe

33

Die zulässige Klage ist unbegründet.

34

Dem Kläger stehen vertragliche oder deliktische Ersatzansprüche nicht zu, weil die am 8.4.2009 durchgeführte radikale Prostatektomie lege artis durchgeführt worden ist und auch die vor dem Eingriff erfolgte Aufklärung betreffend Behandlungsalternativen und Eingriffsrisiken nicht zu bemängeln ist. Die Kammer folgt hierzu insgesamt dem sorgfältigen, sehr differenzierten und in jeder Hinsicht überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. M. W., das er in seiner Anhörung noch einmal ebenso anschaulich wie kritisch erläutert hat, und den durchgängig glaubhaften Angaben der Zeugen H. und L..

35

Im Einzelnen:

I.

36

Der Sachverständige hat zur Überzeugung der Kammer Behandlungsfehler nicht feststellen können. Die Operation war ohne Frage indiziert, da bei dem Kläger unstreitig ein - lokal begrenztes - Prostatakarzinom vorgelegen hat, das der Sachverständige als behandlungspflichtig bezeichnet hat (GA Seite 7, 11). Intraoperativ hat sich der Eingriff als schwierig erwiesen, ohne dass dies dem Operateur anzulasten wäre. Vielmehr hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass diese Schwierigkeit den Gewebsveränderungen, auch - aber nicht nur - aufgrund vorangegangener Biopsien, und der daraus folgenden schwierigen Präparation geschuldet war (GA Seite 10), die auch für den hohen intraoperativen Blutverlust verantwortlich war (GA Seite 10, Anhörung Seite 4 und 5). Die mit dem hohen Blutverlust zusammenhängenden Vermutungen der Klägerseite etwa einer fehlerhaften Durchtrennung des Sphincters infolge fehlenden Absaugens, fehlender Koagulation, oder eines Hineinoperierens in Biopsienarben hat der Sachverständige in der Anhörung unter Verweis auf die anatomischen Verhältnisse anschaulich widerlegt. Auf die Ausführungen auf Seite 4 und 5 des Sitzungsprotokolls wird verwiesen.

37

Auch sonst ergeben sich Anhaltspunkte für eine Abweichung vom Standard nicht (Anhörung Seite 3). Die von dem Kläger beanspruchte Rocco-Naht hat mit der bei ihm vorliegenden Frage der Funktionsfähigkeit des Sphincters nichts zu tun, sondern betrifft allein eine bisher nicht durch Studien nachgewiesene - mögliche - Verbesserung der Kontinenz in den ersten Monaten nach dem Eingriff, nicht aber die dauerhafte Kontinenz (Anhörung Seite 3).

38

Behandlungsfehler sind auch im postoperativen Zeitraum nicht festzustellen, da ganz unabhängig vom Gesprächsverlauf am 15.6. und am 17.8.2009 und auch unabhängig von der Zuständigkeit des niedergelassenen Urologen für die weitere Therapie eine solche zu den genannten Zeitpunkten noch nicht angezeigt war. Der Sachverständige, dem die Kammer folgt, hat dazu generell und auch für den hiesigen Patienten auf Seite 6 des Anhörungsprotokolls, auf das Bezug genommen wird, die einzelnen, nach sechs Monaten und einem Jahr notwendigen therapeutischen Schritte erläutert und darauf hingewiesen, dass vor den genannten Zeiträumen von bis zu einem Jahr noch mit einer Besserung der Inkontinenz zu rechnen ist, so dass operative Eingriffe zunächst nicht angezeigt sind.

39

Soweit der Kläger schließlich erst mit Schriftsatz vom 19.2.2016, also nach der am 15.1.2016 erfolgten Anhörung und nach der mit Beschluss vom 19.12.2014 erfolgten Fristsetzung nach § 411 Abs. 4 ZPO erstmals weitere „Behandlungsfehlervorwürfe“ erhebt, gehen diese bereits aus Rechtsgründen ins Leere. Denn der darin enthaltene Vorwurf der fehlenden Indikation trägt nicht, da die von dem Kläger behaupteten Behandlungsalternativen in rechtlicher Hinsicht nicht die unzweifelhaft bestehende, relative Indikation betreffen, sondern allein unter Aufklärungsgesichtspunkten relevant sein können. Der erneut bemühte große intraoperative Blutverlust war bereits mit allen denkbaren Facetten Gegenstand des Gutachtens und der Sachverständigenanhörung. Er spielte - neben anderen Faktoren - sicherlich auch eine Rolle bei der Qualität der funktionellen Resultate (GA Seite 10). Eine Standardabweichung geht damit aber erkennbar nicht einher, weil nach den unmissverständlichen sachverständigen Ausführungen zum Absehen von einer Koagulation nur im neurovaskulären Bündel und zum standardmäßigen intraoperativen Absaugen von einem Weiteroperieren bei eingeschränkter Sicht keine Rede sein kann. Soweit sich daran weitere pauschale Vorwürfe betreffend die Dokumentation anschließen, bleibt vage, welche kausalen Folgen der Kläger daraus im Hinblick auf die bei ihm aufgetretene Inkontinenz ableitet. Die Kammer sieht solche nicht. Sie hat auch keinen Anlass, der ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellten und im Widerspruch zum Operationsbericht stehenden Behauptung nachzugehen, der „Assistent“ hätte vielleicht einfach selbst operiert, obwohl er es nicht konnte.

II.

40

Die Kammer ist nach Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass der Kläger vor der Operation ordnungsgemäß über Art und Ausmaß des Eingriffsrisikos „Inkontinenz“ und über mögliche Behandlungsalternativen zu der durchgeführten radikalen Prostatektomie aufgeklärt worden ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den glaubhaften Angaben der Zeugen H. und L., denen der Kläger und seine ebenso vernommene Ehefrau wenig Ergiebiges entgegenzusetzen hatten, und in rechtlicher Hinsicht aus den differenzierten und kritischen Erwägungen des Sachverständigen W. zu Art und Umfang der erfolgten Risikoaufklärung, der das Gericht folgt.

41

1. Die Kammer geht im Tatsächlichen davon aus, dass die in dem Bogen enthaltenen Angaben zum Thema „Harninkontinenz“ auf Seite 19 des Aufklärungsbogens Gegenstand des stattgehabten Aufklärungsgesprächs mit der Zeugin L. waren. Das hat die Zeugin ausweislich Seite 14 des Sitzungsprotokolls vom 26.2.2016 so angegeben, und die Kammer folgt ihr gänzlich, auch wenn die Zeugin keine konkrete Erinnerung an das Aufklärungsgespräch und an den Kläger mehr hatte. Denn sowohl die Eintragungen, die ausführliche Zeichnung und die im Originalbogen enthaltene Unterschrift des Klägers ebenso wie der Zeugin (mit Uhrzeit) führen zur Überzeugung der Kammer davon, dass ein solches Gespräch stattgefunden hat, und dass die Zeugin auch in diesem konkreten Fall nicht von ihrer überzeugend und nachvollziehbar beschriebenen ständigen Übung abgewichen ist, die im Bogen genannten Risiken ausführlich anzusprechen und abzuhaken bzw. einzukreisen. Der Stellenwert, den die Zeugin der Aufklärung über das hier verwirklichte Risiko Inkontinenz beimisst, zeigt sich anschaulich an ihrer Übung, dieses - und das Risiko der erektilen Dysfunktion - nicht nur abzuhaken, sondern, wie hier, einzukreisen. Zudem enthält die sich erst in der mündlichen Verhandlung herausgestellte Tatsache, dass die Zeugin „über Kopf“ aufklärt, also den Bogen nicht für sich sondern für den Patienten lesbar bearbeitet, ein Realitätskriterium, das nicht nur die etwas kindliche Schrift bei „Gleason“ u.a. gut erläutert, sondern eine Fälschung des Bogens durch die Zeugin oder andere nahezu ausgeschlossen erscheinen lässt. Soweit demgegenüber der Kläger auf den ihm ausgehändigten Bogen mit allein seiner Unterschrift abstellt und ein Gespräch in Abrede nimmt, lässt sich ersteres zwanglos damit erläutern, dass er offenbar bei Aufnahme am 7.4.2009 eine Kopie erhalten hat, bevor das Gespräch geführt war aber nachdem er unterzeichnet hatte, und letzteres damit, dass es nach der Lebenserfahrung nur allzu gut möglich ist, dass der Kläger als Patient in seiner Situation nach vielen Jahres des Leidens nicht jede Einzelheit exakt zu erinnern vermag, die im Nachhinein von Belang sein könnte.

42

2. Die in dem Bogen zur Harninkontinenz enthaltenen und dem Kläger mitgeteilten Angaben halten aus Sicht der Kammer nach sachverständiger Beratung auch einer rechtlichen Überprüfung stand. Denn die zur Harninkontinenz enthaltenen ausführlichen Angaben entsprechen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung, also der Vermittlung einer Vorstellung über Chancen und Risiken des Eingriffs im Großen und Ganzen, und zwar gerade auch im Hinblick auf Belastungen, die die weitere Lebensführung des Patienten betreffen. Denn die Angaben zur Häufigkeit einer postoperativen Harninkontinenz in der M.-Klinik der Beklagten und deren Behandlungsmöglichkeiten bewegen sich im Rahmen dessen, was sich durch Studien belegen lässt und sind zwar positiv, aber nicht verharmlosend, so dass die Kammer nicht im Einzelnen aufzuklären hatte, ob die pauschale Angabe von „deutlich unter 2%“ hinsichtlich einer fortbestehenden starken Harninkontinenz und von 95% kontinenten Patienten nach einem Jahr in der M.-Klinik der Beklagten in jeder Hinsicht und jedem Zeitraum den Tatsachen entspricht.

43

Die Kammer schließt sich im Ausgangspunkt den durchaus kritischen Erwägungen des Sachverständigen an, der bereits in seinem schriftlichen Gutachten darauf hingewiesen hat, dass die Studienlage eine breite Schwankungsbreite aufweist, die auch für international renommierte Kliniken und Institute mit großen Fallzahlen teilweise weitaus ungünstigere Ergebnisse nachweist. Andererseits hat der Sachverständige auf Serien von Patienten hingewiesen, die von einem Operateur behandelt wurden und als exzeptionell betrachtet werden müssen, weil sie nur einen Abschnitt der operativen Karriere des Operateurs abbilden. Ebenso führen Faktoren wie verschiedene tumor- und patientenassoziierte präoperative Ausgangsbedingungen, intraoperative Gegebenheiten und auch operateursbezogene Faktoren dazu, dass Studien nicht immer vergleichbar sind. Danach fällt eine Einordnung auch der in der hiesigen Aufklärung genannten Zahlen schwer (GA Seite 12 und 13).

44

Infolgedessen stellt die Kammer für die Beurteilung einer ordnungsgemäßen Aufklärung im Rechtssinne nicht allein - und vor allem dann nicht - auf Prozentangaben ab, wenn sie wie hier ohne Bezugspunkte (Patientengut, Operateur, Tumorart, Erhebungszeitraum) angegeben sind und erkennbar als Durchschnittswert einer Risikobewertung dienen sollen, die mathematisch exakt gar nicht abzuschätzen ist; schon gar nicht für den betroffenen Patienten. Die Kammer stellt daher ebenso wenig allein auf semantische Erwägungen ab (so aber OLG Nürnberg, Urteil vom 30.4.2015, Az. 5 U 2282/13). Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Aufklärung ist vielmehr von Relevanz, ob sie ein adäquates Hilfsmittel für eine Entscheidungsfindung des Patienten bilden kann, die frei von Willensmängeln ist und dem Empfängerhorizont des Patienten Rechnung trägt. Nach den auch hierzu differenzierten Erwägungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließt, ist dies hier aber – noch – der Fall (GA Seite 13 unten; Anhörung Seite 9). Denn maßgeblich ist auch aus Sicht der Kammer, dass sich die Zahlen durchaus in die Studienlage einordnen lassen, wenngleich an oberster Stelle, und der Sachverständige als renommierter aber durchaus kritischer Experte die Zahlen auch auf beharrliche Nachfrage der Kammer für möglich, ja plausibel gehalten hat (Anhörung Seite 8) und den Operateur als bekannten Spezialisten und die Klinik als eine solche mit hoher Operationsfrequenz hat gelten lassen (GA Seite 11).

45

Diese Feststellungen ermöglichen dem Patienten - vermittelt durch die Prozentangaben - eine realistische Risikoeinschätzung im Großen und Ganzen, auch unter Zuhilfenahme des übrigen Textes des Aufklärungsbogens, in dem die Risiken beanstandungsfrei in der Reihenfolge des operativen Vorgehens aufgelistet werden (Anhörung Seite 8) und worin am Ende des Abschnitts die „operativen Methoden zur Verbesserung der Kontinenz“ geschildert sind. Daraus ergibt sich nämlich gerade nicht, und auch nicht etwa unausgesprochen, dass die genannten Methoden immer und in jedem Fall erfolgreich sein müssen. Dies gilt für die Inkontinenz genauso wie für jedes andere Risiko, etwa das Infektionsrisiko (Seite 16 des Aufklärungsbogens) oder die erektile Dysfunktion (Seite 19 des Aufklärungsbogens): Auch mit Hilfsmitteln gelingt nicht bei jedem Patienten wieder eine Erektion und es gibt auch Infektionen, die sich trotz Antibiotika als hartnäckig erweisen. Unabhängig davon, dass das Gericht mangels hinreichend substantiierten und mit Krankenunterlagen belegten klägerischen Vortrags zur Operation aus dem Januar 2014 (trotz Verfügung vom 29.4.2014 und Ziffer 4. des Beschlusses vom 19.12.2014) prozessual ohnehin von dem von der Beklagten behaupteten Operationserfolg auszugehen hätte, würde eine Erstreckung der Aufklärungspflicht auf diese Komplikationenkomplikationen ohnehin zu einer unangemessenen Überfrachtung führen. Daher hat die Kammer über die von dem Sachverständigen zutreffend festgestellte positive Darstellung hinaus in der Nennung der „operativen Möglichkeiten zur Verbesserung der Kontinenz“ auf Seite 19 des Aufklärungsbogens eine Verharmlosung nicht zu erkennen vermocht. Vielmehr hat der Sachverständige den Bogen gleichzeitig als besonders ausführlich bewertet (GA Seite 8 oben: „Als Besonderheit im Vergleich zu den ansonsten verbreiteten kommerziellen Vordrucken werden sämtliche Komplikationen sehr ausführlich erläutert“), so dass auch kein Grund besteht, die geplante Prostatektomie im Grunde als unproblematische Prozedur anzusehen. Allenfalls mag dies eine Gefahr sein, die sich einstellen kann, wenn der Patient die ihm zur Verfügung gestellten Informationen („Die radikale Entfernung der Prostata gehört zu den großen urologischen Operationen. Da die radikale Prostatektomie in unserer Klinik sehr häufig durchgeführt wird, verläuft die Operation in der Mehrzahl der Fälle komplikationslos …“, so etwa Seite 16 des Aufklärungsbogens) nur kursorisch zur Kenntnis nimmt.

46

Die Kammer hat bei ihrer Bewertung der Aufklärung als ordnungsgemäß auch berücksichtigt, dass der Sachverständige sich selbst trotz gleich guter funktioneller Ergebnisse dem Patienten gegenüber mehr Zurückhaltung auferlegt. Auch die Kammer sieht generell die Problematik einer werbenden oder anpreisenden Vorgehensweise, wenngleich sie im Ergebnis die Frage einer positiven oder eher zurückhaltenden Darstellung noch als solche des persönlichen Stils einordnet, die der behandelnde Arzt höchstpersönlich zu entscheiden hat und die in ganz unterschiedlicher Weise die Anforderungen an eine wirksame Aufklärung im Großen und Ganzen - wie hier - erfüllen kann. Die Kammer hat hierzu, auch wenn es darauf wegen der ordnungsgemäßen Aufklärung gar nicht ankam, auch die Angaben des Klägers mitberücksichtigt, die er sowohl in seiner persönlichen Anhörung auf Seite 5 des Protokolls vom 26.2.2016 als auch schriftsätzlich und in Anlagen zum Entscheidungskonflikt gemacht hat. Denn daraus ist trotz der im Laufe des Prozesses sichtlich verschobenen Schwerpunkte seiner Argumentation für die Kammer deutlich geworden, dass es für den Kläger maßgeblich war, sich gerade wegen des Risikos der Inkontinenz bei einem anerkannten Spezialisten operieren zu lassen. Dass er einen solchen eigenständig durch Kontakte aus dem Bekanntenkreis und die allgemeinen Medien recherchiert hat, ist nicht zu beanstanden. Diese Möglichkeit der Informationsbeschaffung, sei sie Folge einer besonderen Bewerbung oder Medienpräsenz der M.-Klinik oder auch nicht, ist Teil der Auswahlautonomie des Patienten, auch wenn sie - im Einzelfall oder vielleicht nur im Nachhinein - dazu führen kann, dass Operationsrisiken als weniger dringlich empfunden werden, als wenn der behandelnde niedergelassene Arzt im vertrauensvollen Gespräch erläuternd in die Auswahl einbezogen worden wäre.

47

3. Schließlich war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch die von dem Kläger ins Feld geführte Aufklärungsbedürftigkeit des erhöhten Operationsrisikos durch vorangegangene Biopsien für die Frage der Inkontinenz nicht relevant, da die Biopsien nicht im Bereich des Sphincters erfolgt sind und daher in keinem Zusammenhang mit der Inkontinenz stehen (Anhörung Seite 5).

48

4. Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger auch über mögliche Alternativen zur stattgehabten radikalen Prostatektomie aufgeklärt worden ist. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Zeugen H., denen die Kammer in Gänze folgt, wenngleich er sich an das konkrete Gespräch nicht erinnern konnte. Dass die von ihm geschilderte Übung generell neben funktionellen und onkologischen Aspekten auch die möglichen Behandlungsansätze Nichtstun, Bestrahlung und operativer Eingriff mit ihren Vor- und Nachteilen erfasst (Seite 9 des Protokolls vom 26.2.2016), veranschaulicht aber die von ihm gefertigte, der Kammer vorliegende Originaldokumentation, die dazu u.a. den Eintrag „sehr langes Gespräch über PCo, Therapieopt. Therapienotwendigkeit“ enthält, die der Zeuge in seiner Befragung weiter erläutert hat. Die von dem Kläger auch nicht in Abrede genommene Empfehlung eines operativen Vorgehens fügt sich hier ebenso logisch ein, wie die von dem Zeugen geschilderte Erörterung der Lebenserwartung des Patienten, die für ein operatives Vorgehen sprach, aber auch für die Erörterung der von dem Kläger nunmehr favorisierten Strategie des Abwartens spricht. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 19.2.2016 die abwartende Strategie nicht nur als „sinnvolle Alternative“ bezeichnet hat, sondern erstmals - wohl - der Auffassung ist, die aktive Überwachung sei der radikalen Prostatektomie vorzugswürdig, ergibt sich aus den dazu überreichten Anlagen K 20 bis K 24 nichts, da der Kläger übersieht, dass sein PSA nicht weniger als 10, sondern mindestens 12 betragen hat und die Begrenztheit des Tumors die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Heilung gerade erhöht. Ohnehin aber hat bereits der Sachverständige auf die erheblichen Risiken und den möglichen letalen Ausgang aufgrund der Krebserkrankung des Patienten hingewiesen, so dass es die bei dem Kläger anklingende Überlegenheit der abwartenden Strategie so nicht gibt. Demgegenüber kann die Kammer gut nachvollziehen, dass der Kläger und die Zeugin H. sich aufgrund ihrer speziellen Situation nur an eine einzige Begebenheit (im Zusammenhang mit anzufertigenden Notizen) aus dem Gespräch erinnern, das für den Patienten und seine Angehörigen in der Regel eine große Belastung ist. Da sie aber gleichzeitig andere Inhalte nicht anzugeben vermochten und jedenfalls ein fünfzehn- oder zwanzigminütiges Gespräch doch eingeräumt haben, hat die Kammer an den Angaben des Zeugen Prof. Dr. H. überhaupt keinen Zweifel.

49

Fehlt es nach allem an Ersatzansprüche begründenden Behandlungsfehlern und Aufklärungsversäumnissen, konnte die Kammer auch dem Feststellungantrag und dem Erstattungsantrag betreffend vorgerichtliche Anwaltskosten nicht entsprechen.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 131/02 Verkündet am:
25. März 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Der Schutz des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten erfordert grundsätzlich,
daß ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen
Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt,
ihm schon in diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff
verbunden sind. Eine erst später erfolgte Aufklärung ist zwar nicht in jedem Fall
verspätet. Eine hierauf erfolgte Einwilligung ist jedoch nur wirksam, wenn unter
den jeweils gegebenen Umständen der Patient noch ausreichend Gelegenheit hat,
sich innerlich frei zu entscheiden. Deshalb ist bei stationärer Behandlung eine
Aufklärung erst am Tag des Eingriffs grundsätzlich verspätet.

b) Eine Haftung wegen nicht ausreichender oder nicht rechtzeitiger Aufklärung ent-
fällt, wenn der Patient über das maßgebliche Risiko bereits anderweitig aufgeklärt
ist.
BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02 - OLG Koblenz
LG Mainz
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. hter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld nach zwei vom Beklagten zu 1) im Klinikum der Beklagten zu 2) durchgeführten Bandscheibenoperationen , die nach seiner Behauptung zu einer kompletten Lähmung seiner Blase geführt haben. Nachdem ein am 10. April 1989 durchgeführtes Kernspintomogramm einen medio-lateral gelegenen Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1 rechts mit deutlicher Komprimierung des Duralschlauches und der rechten Nervenwurzel
S1 gezeigt hatte, suchte der Kläger am 12. April 1989 den Beklagten zu 2) in der Klinik auf. Er klagte über seit mehr als 6 Wochen bestehende Lumboischialgien rechts mit einer Fußheberparese rechts. Konservative Therapien waren erfolglos geblieben. Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion bestanden nicht. Anhand der seitens des Klägers mitgebrachten Krankenunterlagen stellte der Beklagte zu 2) die Operationsindikation und ließ den Kläger für Samstag, den 15. April 1989, zur Operation vormerken, weil am 12. April 1989 kein Bett frei war. Dementsprechend wurde der Kläger am 15. April stationär in der Klinik aufgenommen. Bei der Aufnahmeuntersuchung zeigten sich eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule, positive Nervenwurzeldehnungszeichen , diskrete Fußheberparese rechts, Abschwächung des Achillessehnenreflexes sowie eine Hypästhesie im Dermatom S1 rechts. Am Nachmittag klärte der Beklagte zu 2) den Kläger über die Operationsrisiken auf. Das vom Kläger unterzeichnete Einwilligungsformular erwähnt handschriftlich als mögliche Komplikationen: "Blutung, Nachblutung, entzündliche Komplikationen , neurologische Ausfälle". Gegen 20.00 Uhr erfolgte dann die Operation durch den Beklagten zu 2) und den früheren Beklagten zu 3). Im Anschluß an den bis zum 27. April 1989 dauernden stationären Aufenthalt führte der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme durch. Da er weiterhin über Beschwerden klagte, wurde er am 18. Mai 1989 nochmals in der neurochirurgischen Klinik der Beklagten zu 1) aufgenommen. Nach neuerlicher Aufklärung mit Hinweis auf neurologische Ausfälle als Risiko erfolgte dort am Abend des 26. Mai 1989 eine Reoperation, bei der lediglich Narbengewebe vorgefunden wurde. Während dieses zweiten Klinikaufenthaltes traten Blasenentleerungsstörungen auf, wobei allerdings der genaue Zeitpunkt nicht dokumentiert wurde.
Im weiteren Verlauf schilderte der Kläger häufig wechselnde Beschwerden im Sinne von Sensibilitätsstörungen und Lähmungen im Bereich der unteren Extremitäten. Bei neurologischen Untersuchungen wurden, abgesehen von den Blasenentleerungsstörungen, keine neurologischen Defizite festgestellt, und es wurde die Diagnose eines akuten psychogenen Ausnahmezustands gestellt. Am 9. Juni 1989 wurde der Kläger voll mobil und weitgehend schmerzfrei , bei allerdings weiterhin gestörter Blasenfunktion, nach Hause entlassen. Die Blasenentleerungsstörung bildete sich sodann über Wochen hinweg zunächst zurück, trat nach einem Jahr jedoch in Form einer Blasenlähmung wieder in Erscheinung. Der Kläger ist derzeit darauf angewiesen, sich sechsmal am Tag selbst zu katheterisieren. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung durch Teilurteil bestätigt, soweit sie die früheren Beklagten zu 3) bis 5) betraf. Bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) hat es mit dem angefochtenen Schlußurteil die Berufung zurückgewiesen und die Revision zur Frage der Rechtzeitigkeit der Aufklärung zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Nachweis eines Behandlungsfehlers nicht geführt. Insoweit ergebe sich auch nicht wegen der fest-
gestellten Dokumentationsmängel eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers. Hinsichtlich beider Operationen liege eine wirksame Einwilligung vor. Zwar sei eine Aufklärung, die nur neurologische Störungen erwähne, ohne dies näher zu erklären, unzureichend, weil ein Laie mit einer neurologischen Störung nicht gravierende Störungen wie eine Lähmung der Blase verbinde. Nach Vernehmung der beiden Parteien stehe aber fest, daß der Beklagte zu 2) den Kläger am 15. April 1989 auch darauf hingewiesen habe, daß in seltenen Einzelfällen eine Lähmung der Blase eintreten könne, die in sehr seltenen Fällen von Dauer sei. Die Aufklärung sei im Hinblick auf die konkreten Umstände des Falles rechtzeitig erfolgt. So habe sich der Kläger mit der Erforderlichkeit einer Operation bereits einige Tage davor gedanklich beschäftigt, da bereits seit Mittwoch festgestanden habe, daß operiert werden müsse. Nachdem ihm am Samstag u.a. das (sehr seltene) Risiko einer Blasenlähmung mitgeteilt worden sei, habe er bis zur Operation noch mehrere Stunden Zeit gehabt, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob er sich operieren lassen wolle. Darüber hinaus habe ihm die Möglichkeit offen gestanden, bei Zweifeln seinen Vater oder einen seiner Freunde, beides Ärzte, telefonisch zu kontaktieren, um das Für und Wider einer Operation noch einmal zu besprechen. Da es sich bei der Blasenstörung um ein sehr seltenes Risiko handele, werde der Kläger den Eintritt der schlimmen Folge jedoch für dementsprechend wenig wahrscheinlich gehalten haben.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision, die sich gegen die Auffassung wendet, die Aufklärung sei ausreichend gewesen und rechtzeitig erfolgt, nicht durchweg stand. 1. Die Beschränkung der Revisionszulassung auf die Frage, ob die Aufklärung rechtzeitig erfolgte, hindert den erkennenden Senat nicht, auch zu prüfen , ob das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Überzeugung gewonnen hat, daß der Kläger am 15. April 1989 ausreichend aufgeklärt worden ist. Wird die Revision zugelassen, so erfaßt die Zulassung den Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - VersR 1995, 841; BGHZ 141, 232, 233 f. und 130, 50, 59 m.w.N.; BGH, Urt. vom 5. Februar 1998 - III ZR 103/97 - NJW 1998, 1138, 1139). Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Kläger inhaltlich ausreichend aufgeklärt worden sei, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
a) Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Beklagte zu 2) den Kläger am 15. April 1989 u.a. auf das Risiko einer, möglicherweise auch dauerhaften , Blasenlähmung hingewiesen hat, läßt entgegen der Auffassung der Revision einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Angriffe der Revision hiergegen beschränken sich darauf, die eigene Würdigung an die Stelle der Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht zu setzen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es keiner Aufklärung darüber, daß eine Blasenlähmung und -schwächung nicht zwangsläufig auf eine intraoperative Verletzung zurückzuführen sein muß, sondern sich auch infol-
ge einer Verkettung unglücklicher Umstände entwickeln kann, die vom Arzt nur begrenzt zu beeinflussen sind. Entscheidend ist eine Verdeutlichung des Risikos , wohingegen es im Streitfall keiner Aufklärung darüber bedurfte, daß sich das Risiko auch unabhängig vom ärztlichen Vorgehen verwirklichen könne.
c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das von den Beklagten verwendete "Einwilligungsformular für einen ärztlichen Eingriff" sei völlig unspezifisch und unzureichend gewesen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bedarf es zum Zwecke der Aufklärung grundsätzlich des vertrauensvollen Gesprächs zwischen Arzt und Patienten, auf dessen Inhalt das Berufungsgericht bei seiner Überzeugungsbildung zulässigerweise abgestellt hat (vgl. Senatsurteile vom 8. Januar 1985 - VI ZR 15/83 - VersR 1985, 361, 362). Das schließt die ergänzende Verwendung von Merkblättern nicht aus, in denen die notwendigen Informationen zu dem Eingriff einschließlich seiner Risiken schriftlich festgehalten sind. Daß der Kläger infolge der Verwendung des Formulars bezüglich der Risiken des Eingriffs, etwa durch deren verharmlosende Darstellung , irregeführt worden wäre, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet. 2. Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Aufklärung am Nachmittag des 15. April 1989, des Operationstags, rechtzeitig erfolgt sei.
a) Insoweit geht das Berufungsgericht zwar im Ansatz von der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats aus, nach der der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muß, daß er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 -
VersR 1998, 766, 767; vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 – VersR 1995, 1055, 1056 f.; vom 14. Juni 1994 – VI ZR 178/93 – VersR 1994, 1235, 1236; vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91 - VersR 1992, 960 f.). Zum Schutz des Selbstbestimmungsrechtes erfordert dies grundsätzlich, daß ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt, ihm schon in diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff verbunden sind. Allerdings ist eine erst später erfolgte Aufklärung nicht in jedem Fall verspätet. Vielmehr hängt die Wirksamkeit einer hierauf erfolgten Einwilligung davon ab, ob unter den jeweils gegebenen Umständen der Patient noch ausreichend Gelegenheit hat, sich innerlich frei zu entscheiden (Senatsurteile vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91 - aaO und vom 14. Juni 1994 – VI ZR 178/93 – aaO). Je nach den Vorkenntnissen des Patienten von dem bevorstehenden Eingriff kann bei stationärer Behandlung eine Aufklärung im Verlaufe des Vortages grundsätzlich genügen, wenn sie zu einer Zeit erfolgt, zu der sie dem Patienten die Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts erlaubt (Senatsurteil vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - aaO). Hingegen reicht es bei normalen ambulanten und diagnostischen Eingriffen grundsätzlich aus, wenn die Aufklärung am Tag des Eingriffs erfolgt. Auch in solchen Fällen muß jedoch dem Patienten bei der Aufklärung über die Art des Eingriffs und seine Risiken verdeutlicht werden, daß ihm eine eigenständige Entscheidung darüber, ob er den Eingriff durchführen lassen will, überlassen bleibt (vgl. Senatsurteile vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 – aaO und vom 14. Juni 1994 – VI ZR 178/93 – aaO).
b) Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß seine Wertung von der Entscheidung des erkennenden Senats vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766 abweicht und hat deshalb die Revision zugelassen. Es meint, im Streitfall sei die Aufklärung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls noch als rechtzeitig anzusehen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Wie im
Senatsurteil vom 7. April 1992 dargelegt, wird ein Patient auch bei Aufklärung am Vorabend einer Operation in der Regel mit der Verarbeitung der ihm mitgeteilten Fakten und der von ihm zu treffenden Entscheidung überfordert sein, wenn er - für ihn überraschend - erstmals aus dem späten Aufklärungsgespräch von gravierenden Risiken des Eingriffs erfährt, die seine persönliche zukünftige Lebensführung entscheidend beeinträchtigen können. Ob das im Streitfall verwirklichte Risiko ein solches Gewicht hatte, kann dahinstehen, da die Aufklärung ohnehin erst am Tag des Eingriffs erfolgte. Das war nach den dargelegten Grundsätzen jedenfalls verspätet. Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß sogar bei größeren ambulanten Eingriffen mit beträchtlichen Risiken eine Aufklärung erst am Tag des Eingriffs nicht mehr rechtzeitig sein dürfte, zumal solchen Operationen gewöhnlich Untersuchungen vorangehen, in deren Rahmen die erforderliche Aufklärung bereits erteilt werden kann (Senatsurteil vom 14. Juni 1994 – VI ZR 178/93 – aaO).
c) Die Umstände des Einzelfalls geben keinen Anlaß, von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Der Beklagte zu 2) konnte den Kläger bereits am Mittwoch, dem 12. April 1989, über die Risiken der Bandscheibenoperation aufklären, als er ihm zu dem operativen Eingriff riet und zugleich einen Operationstermin mit ihm vereinbarte. Dies wäre der richtige Zeitpunkt für die Aufklärung gewesen, auch wenn eine rechtzeitige Aufklärung – notfalls durch zusätzliche Einbestellung des Patienten – noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Da der Kläger dem Beklagten zu 2) nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 12. April die Krankenunterlagen mitbrachte, lagen zu diesem Zeitpunkt alle wesentlichen Informationen vor, die dann auch zu der Entscheidung für die Operation führten. Am 15. April 1989 haben sich bei der Aufnahmeuntersuchung grundlegend neue Gesichtspunkte nicht ergeben. Wenn wegen des fehlenden Bettes am 12. April 1989 die statio-
näre Aufnahme für Samstag, den 15. April 1989 vereinbart wurde, kann für diesen Tag von einer "notfallmäßigen Aufnahme" nicht gesprochen werden. Bei dieser Sachlage ist die Aufklärung am Nachmittag des Operationstages in Anbetracht der möglichen erheblichen Folgen des Eingriffs für die Lebensführung des Patienten nicht rechtzeitig erfolgt. Der Beklagte zu 2) hat bei seiner Parteivernehmung selbst darauf hingewiesen, daß es sich bei der Operation um eine Stelle handelte, die zu den empfindlichsten des Menschen überhaupt zähle, und der Operateur in einen Bereich eintrete, in dem die Nerven, u.a. der Blase, des Darms und des Damms verliefen und beeinflußt werden könnten. In Anbetracht dieser möglichen gravierenden Folgen benötigte der Kläger zur Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts eine längere Bedenkzeit für eine Einwilligung in die Operation. Der Umstand, daß er bereits seit einigen Tagen von dem Operationstermin wußte, kann nicht zu einer anderen Wertung führen, weil es bei der Abwägung entscheidend auf die Kenntnis von den Operationsrisiken ankommt. Der Hinweis auf eine mögliche telefonische Nachfrage bei seinem Vater oder einem seiner Freunde geht schon deswegen fehl, weil nicht einmal feststeht, daß der Kläger diese in der verbleibenden Zeit bis zum Beginn der Operationsvorbereitungen erreicht hätte. Ebenso kommt es nicht darauf an, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führen konnte. Entscheidend war vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben konnte. Bei der hier gegebenen möglichen besonders schweren Belastung für die Lebensführung des Patienten war die rechtzeitige Information über das Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107 und 144, 1, 5; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104, 105). Gerade solche schwerwiegenden Risiken können den Patienten veranlassen, eine Operation auch bei bestehender Indikation zu hinterfragen und sich über etwaige Alternativen zu informieren, selbst wenn es sich dabei aus Sicht des
behandelnden Arztes nicht um eine gleichwertige Behandlungsmöglichkeit handeln sollte.
d) Der nicht rechtzeitig aufgeklärte Patient muß allerdings substantiiert darlegen, daß ihn die späte Aufklärung in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt hat, und plausibel machen, daß er, wenn ihm rechtzeitig die Risiken der Operation verdeutlicht worden wären, vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, wobei allerdings an die Substantiierungspflicht zur Darlegung eines solchen Konflikts keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1236; vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91 - VersR 1992, 960, 962). Insoweit weist die Revision jedoch darauf hin, daß der Kläger solche Gründe in der Berufungsinstanz vorgetragen hat. 3. Soweit die Revision eine nicht ausreichende und verspätete Aufklärung vor der zweiten Operation am 26. Mai 1989 geltend macht, kann sie keinen Erfolg haben. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats entfällt eine solche Haftung, wenn feststeht, daß der Patient über das maßgebliche Risiko bereits anderweit aufgeklärt ist, da er dann weiß, in welchen Eingriff er einwilligt (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82 - VersR 1984, 538, 539; vom 22. Januar 1980 - VI ZR 263/78 - VersR 1980, 428, 429; vom 23. Oktober 1979 - VI ZR 197/78 - VersR 1980, 68, 69). Hier war eine inhaltlich ausreichende Aufklärung am 15. April 1989 erfolgt, die für die Operation am 26. Mai 1989 ausreichte, weil sich gegenüber der ersten Operation kein neues Risiko ergeben hat.

III.

Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den im Verfahren weiter relevanten Fragen getroffen hat. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

(2) Die Aufklärung muss

1.
mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,
2.
so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
3.
für den Patienten verständlich sein.
Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.

(3) Der Aufklärung des Patienten bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat.

(4) Ist nach § 630d Absatz 1 Satz 2 die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, ist dieser nach Maßgabe der Absätze 1 bis 3 aufzuklären.

(5) Im Fall des § 630d Absatz 1 Satz 2 sind die wesentlichen Umstände nach Absatz 1 auch dem Patienten entsprechend seinem Verständnis zu erläutern, soweit dieser aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Absatz 3 gilt entsprechend.

8
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein Arzt grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haftet, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist. Richtig ist auch, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13, VersR 2015, 196 Rn. 6; vom 7. November 2006 - VI ZR 206/05, BGHZ 169, 364 Rn. 7) und dass der aufklärungspflichtige Arzt nachzuweisen hat, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat (Senatsurteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13, VersR 2014, 588 Rn. 11). Auch trifft es zu, dass insoweit in erster Linie der Inhalt des Aufklärungsgesprächs maßgeblich ist, weil es jedenfalls bei Eingriffen der vorliegenden Art eines solchen bedarf und schriftliche Merkblätter nur ergänzend verwendet werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02, NJW 2003, 2012, 2013 mwN und nunmehr - zur Notwendigkeit des Gesprächs - § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB). Das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat, ist lediglich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs (Senatsurteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13, VersR 2014, 588 Rn. 13).
32
Das Verständnis des von der Klägerin beanstandeten Sprachgebrauchs in von der Beklagten ihr gegenüber verwendeten Formularen und Vordrucken unterliegt uneingeschränkter revisionsrechtlicher Prüfung. Dies entspricht der Auslegung typischer Willenserklärungen, Allgemeiner Geschäftsbedingungen oder veröffentlichter Stellenanzeigen (vgl. dazu Senat, Urteil vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 504/16, VersR 2018, 114 Rn. 22; BGH, Urteile vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 20; vom 9. April 2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 25; BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 8 AZR 402/15, NZA 2018, 33; BAGE 157, 296 Rn. 29 jeweils mwN; siehe weiter zur revisionsrechtlichen Nachprüfung der Sinndeutung von Äußerungen Senat, Urteile vom 29. November 2016 - VI ZR 382/15, NJW 2017, 1550 Rn. 22; vom 27. September 2016 - VI ZR 250/13, NJW 2017, 482 Rn. 12 jeweils mwN).

(1) Fertigarzneimittel, die nicht zur klinischen Prüfung bestimmt sind und die nicht nach § 21 Absatz 2 Nummer 1a, 1b oder 3 von der Zulassungspflicht freigestellt sind, dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur mit einer Packungsbeilage in den Verkehr gebracht werden, die die Überschrift "Gebrauchsinformation" trägt sowie folgende Angaben in der nachstehenden Reihenfolge allgemein verständlich in deutscher Sprache, in gut lesbarer Schrift und in Übereinstimmung mit den Angaben nach § 11a enthalten muss:

1.
zur Identifizierung des Arzneimittels:
a)
die Bezeichnung des Arzneimittels, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 finden entsprechende Anwendung,
b)
die Stoff- oder Indikationsgruppe oder die Wirkungsweise;
2.
die Anwendungsgebiete;
3.
eine Aufzählung von Informationen, die vor der Einnahme des Arzneimittels bekannt sein müssen:
a)
Gegenanzeigen,
b)
entsprechende Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung,
c)
Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder anderen Mitteln, soweit sie die Wirkung des Arzneimittels beeinflussen können,
d)
Warnhinweise, insbesondere soweit dies durch Auflage der zuständigen Bundesoberbehörde nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 angeordnet oder auf Grund von § 7 des Anti-Doping-Gesetzes oder durch Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 vorgeschrieben ist;
4.
die für eine ordnungsgemäße Anwendung erforderlichen Anleitungen über
a)
Dosierung,
b)
Art der Anwendung,
c)
Häufigkeit der Verabreichung, erforderlichenfalls mit Angabe des genauen Zeitpunkts, zu dem das Arzneimittel verabreicht werden kann oder muss,
sowie, soweit erforderlich und je nach Art des Arzneimittels,
d)
Dauer der Behandlung, falls diese festgelegt werden soll,
e)
Hinweise für den Fall der Überdosierung, der unterlassenen Einnahme oder Hinweise auf die Gefahr von unerwünschten Folgen des Absetzens,
f)
die ausdrückliche Empfehlung, bei Fragen zur Klärung der Anwendung den Arzt oder Apotheker zu befragen;
5.
zu Nebenwirkungen:
a)
eine Beschreibung der Nebenwirkungen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Arzneimittels eintreten können,
b)
bei Nebenwirkungen zu ergreifende Gegenmaßnahmen, soweit dies nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis erforderlich ist, und
c)
einen Standardtext, durch den die Patienten ausdrücklich aufgefordert werden, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung ihren Ärzten, Apothekern, Angehörigen von Gesundheitsberufen oder unmittelbar der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden, wobei die Meldung in jeder Form, insbesondere auch elektronisch, erfolgen kann;
6.
einen Hinweis auf das auf der Verpackung angegebene Verfalldatum sowie
a)
Warnung davor, das Arzneimittel nach Ablauf dieses Datums anzuwenden,
b)
soweit erforderlich besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung und die Angabe der Haltbarkeit nach Öffnung des Behältnisses oder nach Herstellung der gebrauchsfertigen Zubereitung durch den Anwender,
c)
soweit erforderlich Warnung vor bestimmten sichtbaren Anzeichen dafür, dass das Arzneimittel nicht mehr zu verwenden ist,
d)
vollständige qualitative Zusammensetzung nach Wirkstoffen und sonstigen Bestandteilen sowie quantitative Zusammensetzung nach Wirkstoffen unter Verwendung gebräuchlicher Bezeichnungen für jede Darreichungsform des Arzneimittels, § 10 Abs. 6 findet Anwendung,
e)
Darreichungsform und Inhalt nach Gewicht, Nennvolumen oder Stückzahl für jede Darreichungsform des Arzneimittels,
f)
Name und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers und, soweit vorhanden, seines örtlichen Vertreters,
g)
Name und Anschrift des Herstellers oder des Einführers, der das Fertigarzneimittel für das Inverkehrbringen freigegeben hat;
7.
bei einem Arzneimittel, das unter anderen Bezeichnungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach den Artikeln 28 bis 39 der Richtlinie 2001/83/EG für das Inverkehrbringen genehmigt ist, ein Verzeichnis der in den einzelnen Mitgliedstaaten genehmigten Bezeichnungen;
8.
das Datum der letzten Überarbeitung der Packungsbeilage.
Für Arzneimittel, die sich auf der Liste nach Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung der Verfahren der Union für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 138), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, befinden, muss ferner folgende Erklärung aufgenommen werden: „Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung.“ Dieser Erklärung muss ein schwarzes Symbol vorangehen und ein geeigneter standardisierter erläuternder Text nach Artikel 23 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 folgen. Erläuternde Angaben zu den in Satz 1 genannten Begriffen sind zulässig. Sofern die Angaben nach Satz 1 in der Packungsbeilage zusätzlich in einer anderen Sprache wiedergegeben werden, müssen in dieser Sprache die gleichen Angaben gemacht werden. Satz 1 gilt nicht für Arzneimittel, die nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 einer Zulassung nicht bedürfen. Weitere Angaben, die nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, sind zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a nicht widersprechen. Bei den Angaben nach Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a bis d ist, soweit dies nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist, auf die besondere Situation bestimmter Personengruppen, wie Kinder, Schwangere oder stillende Frauen, ältere Menschen oder Personen mit spezifischen Erkrankungen einzugehen; ferner sind, soweit erforderlich, mögliche Auswirkungen der Anwendung auf die Fahrtüchtigkeit oder die Fähigkeit zur Bedienung bestimmter Maschinen anzugeben. Der Inhaber der Zulassung ist verpflichtet, die Packungsbeilage auf aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand zu halten, zu dem auch die Schlussfolgerungen aus Bewertungen und die Empfehlungen gehören, die auf dem nach Artikel 26 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 eingerichteten europäischen Internetportal für Arzneimittel veröffentlicht werden.

(1a) Ein Muster der Packungsbeilage und geänderter Fassungen ist der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich zu übersenden, soweit nicht das Arzneimittel von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist.

(1b) Die nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 und Satz 3 erforderlichen Standardtexte werden von der zuständigen Bundesoberbehörde im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

(1c) Die zuständige Bundesoberbehörde kann im Fall eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses auf Antrag des Zulassungsinhabers im Einzelfall gestatten, dass ein Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 befristet mit einer Packungsbeilage in einer anderen als der deutschen Sprache in den Verkehr gebracht wird. In diesem Fall stellt die zuständige Bundesoberbehörde sicher, dass der Verbraucher in geeigneter Weise Zugang zu den erforderlichen Produktinformationen erhält.

(2) Es sind ferner in der Packungsbeilage Hinweise auf Bestandteile, deren Kenntnis für eine wirksame und unbedenkliche Anwendung des Arzneimittels erforderlich ist, und für die Verbraucher bestimmte Aufbewahrungshinweise anzugeben, soweit dies nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich oder durch Auflage der zuständigen Bundesoberbehörde nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 angeordnet oder durch Rechtsverordnung vorgeschrieben ist.

(2a) Bei radioaktiven Arzneimitteln gilt Absatz 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Vorsichtsmaßnahmen aufzuführen sind, die der Verwender und der Patient während der Zubereitung und Verabreichung des Arzneimittels zu ergreifen haben, sowie besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Entsorgung des Transportbehälters und nicht verwendeter Arzneimittel.

(3) Bei Arzneimitteln, die in das Register für homöopathische Arzneimittel eingetragen sind, gilt Absatz 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass die in § 10 Abs. 4 vorgeschriebenen Angaben, ausgenommen die Angabe der Chargenbezeichnung, des Verfalldatums und des bei Mustern vorgeschriebenen Hinweises, zu machen sind sowie der Name und die Anschrift des Herstellers anzugeben sind, der das Fertigarzneimittel für das Inverkehrbringen freigegeben hat, soweit es sich dabei nicht um den pharmazeutischen Unternehmer handelt. Satz 1 gilt entsprechend für Arzneimittel, die nach § 38 Abs. 1 Satz 3 von der Registrierung freigestellt sind.

(3a) Bei Sera gilt Absatz 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass auch die Art des Lebewesens, aus dem sie gewonnen sind, bei Virusimpfstoffen das Wirtssystem, das zur Virusvermehrung gedient hat, und bei Arzneimitteln aus humanem Blutplasma zur Fraktionierung das Herkunftsland des Blutplasmas anzugeben ist.

(3b) Bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln nach § 39a gilt Absatz 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 anzugeben ist, dass das Arzneimittel ein traditionelles Arzneimittel ist, das ausschließlich auf Grund langjähriger Anwendung für das Anwendungsgebiet registriert ist. Zusätzlich ist in die Packungsbeilage der Hinweis nach § 10 Abs. 4a Satz 1 Nr. 2 aufzunehmen.

(3c) Der Inhaber der Zulassung hat dafür zu sorgen, dass die Packungsbeilage auf Ersuchen von Patientenorganisationen in Formaten verfügbar ist, die für blinde und sehbehinderte Personen geeignet sind.

(3d) Bei Heilwässern können unbeschadet der Verpflichtungen nach Absatz 2 die Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b, Nr. 4 Buchstabe e und f, Nr. 5, soweit der dort angegebene Hinweis vorgeschrieben ist, und Nr. 6 Buchstabe c entfallen. Ferner kann bei Heilwässern von der in Absatz 1 vorgeschriebenen Reihenfolge abgewichen werden.

(4) (weggefallen)

(5) Können die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a und c sowie Nr. 5 vorgeschriebenen Angaben nicht gemacht werden, so ist der Hinweis "keine bekannt" zu verwenden. Werden auf der Packungsbeilage weitere Angaben gemacht, so müssen sie von den Angaben nach den Absätzen 1 bis 3 deutlich abgesetzt und abgegrenzt sein.

(6) Die Packungsbeilage kann entfallen, wenn die nach den Absätzen 1 bis 3 vorgeschriebenen Angaben auf dem Behältnis oder auf der äußeren Umhüllung stehen. Absatz 5 findet entsprechende Anwendung.

(7) Aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen dürfen nur zusammen mit einer Ausfertigung der für das Fertigarzneimittel vorgeschriebenen Packungsbeilage abgegeben werden. Absatz 6 Satz 1 gilt entsprechend. Abweichend von Satz 1 müssen bei der im Rahmen einer Dauermedikation erfolgenden regelmäßigen Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen in neuen, patientenindividuell zusammengestellten Blistern Ausfertigungen der für die jeweiligen Fertigarzneimittel vorgeschriebenen Packungsbeilagen erst dann erneut beigefügt werden, wenn sich diese gegenüber den zuletzt beigefügten geändert haben.

(1) Zuständige Bundesoberbehörde ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, es sei denn, dass das Paul-Ehrlich-Institut zuständig ist.

(2) Das Paul-Ehrlich-Institut ist zuständig für Sera, Impfstoffe, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Gewebe, Allergene, Arzneimittel für neuartige Therapien, xenogene Arzneimittel und gentechnisch hergestellte Blutbestandteile.

(3) (weggefallen)

(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Zuständigkeit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zu ändern, sofern dies erforderlich ist, um neueren wissenschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen oder wenn Gründe der gleichmäßigen Arbeitsauslastung eine solche Änderung erfordern.

(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:

1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers,
2.
die Bezeichnung des Arzneimittels,
3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung,
4.
die Darreichungsform,
5.
die Wirkungen,
6.
die Anwendungsgebiete,
7.
die Gegenanzeigen,
8.
die Nebenwirkungen,
9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln,
10.
die Dosierung,
11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels,
12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung,
13.
die Packungsgrößen,
14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen,
15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).

(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.

(2) Es sind ferner vorzulegen:

1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung),
2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche,
3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung,
4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind,
5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss:
a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person,
b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und
c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung,
6.
(weggefallen)
7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist,
8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
Die Ergebnisse nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 sind durch Unterlagen so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfungen hervorgehen. Dem Antrag sind alle für die Bewertung des Arzneimittels zweckdienlichen Angaben und Unterlagen, ob günstig oder ungünstig, beizufügen. Dies gilt auch für unvollständige oder abgebrochene toxikologische oder pharmakologische Versuche oder klinische Prüfungen zu dem Arzneimittel.

(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar

1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind,
2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist,
3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
Zu berücksichtigen sind ferner die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen.

(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.

(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.

(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.

(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.

(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.

(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.

(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.