Bundesgerichtshof Urteil, 09. Feb. 2017 - 1 StR 415/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:090217U1STR415.16.0
09.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 415/16
vom
9. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:090217U1STR415.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 8. Februar 2017 in der Sitzung am 9. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Bellay, Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 –, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung am 9. Februar 2017 – als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 –, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 – als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 –, Justizangestellte – bei der Verkündung am 9. Februar 2017 – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 24. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Angeklagte wurde im Alter von fünfzehn Jahren zum ersten Mal schwanger. Mit dem Vater des Kindes hatte sie keine feste Beziehung. Ihre Schwangerschaft hatte sie den Eltern gegenüber bis zum achten Schwanger- schaftsmonat verheimlicht, weshalb es mehrmals zu Vorhaltungen bzw. Vorwürfen seitens der Eltern kam. Sie brachte am 16. Dezember 2009 ihren Sohn R. zur Welt. Nachdem sie mit dem Gedanken gespielt hatte, das Kind zur Adoption frei zu geben und bereits Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen hatte, entschied sich die Angeklagte aber doch dafür, das Kind im Haus ihrer Eltern selbst aufzuziehen und ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Während sich die Angeklagte an ihrem Arbeitsplatz befand, kümmerte sich entweder deren Mutter oder eine Tagesmutter um das Kind.
4
Anfang des Jahres 2015 hatte die Angeklagte eine neue Beziehung, die im März 2015 einvernehmlich beendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Angeklagte noch nicht, dass sie erneut schwanger geworden war. Die Schwangerschaft bemerkte sie erst im vierten Schwangerschaftsmonat. Sie sprach weder mit ihren Eltern, bei denen sie wohnte, ihrer ebenfalls im Haus lebenden Schwester, noch mit anderen Personen über die Schwangerschaft und nahm auch keine ärztliche Hilfe in Anspruch, sondern ging weiter – wie gewohnt – ihrer Arbeit nach. Sowohl gegenüber ihren Eltern als auch gegenüber ihrer Personalchefin , die sie wegen ihres Erscheinungsbildes angesprochen und eine erneute Schwangerschaft vermutet hatten, verneinte sie dies jeweils vehement. Es war ihr Plan, im Vorfeld der Entbindung eine Klinik aufzusuchen, das Kind dort zu gebären und anschließend zur Adoption freizugeben. Diesen Plan schob sie immer weiter vor sich her, ohne in irgendeiner Weise für die Geburt Vorbereitungen zu treffen.
5
In der Nacht vom 5. auf den 6. November 2015 wachte die Angeklagte, die wegen einer Erkältung gesundheitlich beeinträchtigt war, nachts auf und begab sich zur Toilette ins Badezimmer. Als sie dort sehr starke Schmerzen empfand, realisierte sie, dass die Geburt ihres Kindes unmittelbar bevorstand. Sie zog ihre Hose aus, setzte sich auf den Fußboden im Badezimmer und be- nutzte einen Badvorleger als Unterlage. Dort brachte sie unter starken Schmerzen ein 53 cm großes und 3.584 Gramm schweres Mädchen zur Welt. Das Kind war normal entwickelt, lebensfähig, ohne Missbildungen und atmete. Da die Angeklagte in dieser Situation für sich keinen Ausweg sah, entschloss sie sich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geburt, das neugeborene Kind zu töten. Dazu nahm sie eine 17 Millimeter breite Kordel aus einem im Badezimmer befindlichen Kapuzensweatshirt, legte diese um den Hals des Kindes, fixierte die massiv zugezogene Schlinge mit einem Knoten und drosselte das Neugeborene auf diese Weise mit der Kordel so lange, bis das Kind – wie von der Angeklagten beabsichtigt – verstarb. Zu diesem Zeitpunkt litt die Angeklagte an einer schweren akuten Belastungsreaktion.
6
Anschließend deckte sie das tote Kind mit Handtüchern zu, reinigte sich von den Folgen der Geburt und steckte die Leiche des Kindes – ohne Durchtrennung der Nabelschnur – zusammen mit der Plazenta und den Handtüchern in einen blauen Plastiksack. Diesen verbrachte sie zu ihrem Auto und legte ihn dort in den Kofferraum. Das Badezimmer und der mit Blut verschmierte Badvorleger wurden von der Angeklagten gereinigt, ohne dass von diesen Vorgängen jemand im Haus etwas mitbekam. Die Angeklagte brachte anschließend in den Morgenstunden ihren Sohn zu seiner Tagesmutter und ging ihrer gewohnten Arbeit nach. Am 11. November 2015 wurde von den Eltern der Angeklagten der Plastiksack mit der Leiche des Kindes im Kofferraum des Fahrzeugs der Angeklagten gefunden.
7
2. Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagte zur Tatzeit unter einer schweren akuten Belastungsreaktion litt und sich deshalb zum Zeitpunkt der Tötung ihres Kindes nicht ausschließbar im Zustand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB befand. Ihre Einsichtsfähigkeit war aber weder aufgehoben „noch in erheblicher Weise vermindert“.

II.


8
Die auf Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg; das angefochtene Urteil ist rechtsfehlerfrei.
9
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen Totschlags (§ 212 StGB).
10
Insbesondere ist das Landgericht bei der Angeklagten auch rechtsfehlerfrei nicht von einem völligen Ausschluss der Steuerungsfähigkeit gemäß § 20 StGB ausgegangen. Es hat sich insoweit den Ausführungen der Sachverständigen angeschlossen, die – entgegen dem Vorbringen der Revision – ausdrücklich (UA S. 31, 35, 36 und 37) dargetan hat, dass bei der Angeklagten zum Tatzeitpunkt zwar eine schwere akute Belastungsreaktion vorlag, die hinsichtlich ihrer Intensität aber nur eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB, nicht jedoch deren vollständige Aufhebung zur Folge hatte.
11
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revi- sionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107). Dabei kann im Rahmen der Strafzumessung auch ein Vortatverhalten berücksichtigt werden, wenn ein schuldrelevanter Zusammenhang mit der Tat besteht (BGH, Urteile vom 16. April 2014 – 2 StR 608/13, BfHR StGB § 225 Konkurrenzen 4 und vom 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 28; Beschluss vom 29. Januar 2013 – 4 StR 532/12, NStZ-RR 2013, 170, 171).
13
Im Rahmen der Strafzumessung muss dabei, soweit das Gesetz einen minder schweren Fall – wie hier in § 213 StGB – vorsieht und auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund – wie hier mit §§ 21, 49 Abs. 1 StGB – gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl gesetzwürdigend zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind in einem nächsten Schritt die den vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände einzube- ziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt erachtet, darf er im Rahmen seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zu Grunde legen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 9. August 2016 – 1 StR 331/16 mwN).
14
b) Nach diesen Maßstäben liegt hier kein Rechtsfehler vor.
15
aa) Das Landgericht hat die gebotene Prüfungsreihenfolge beachtet und ist nach einer Gesamtwürdigung zunächst davon ausgegangen, dass ein minder schwerer Fall des § 213 2. Alt. StGB ohne Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes der verminderten Schuldfähigkeit nicht erfolgen kann. In einem zweiten Schritt hat das Landgericht dann einen solchen minder schweren Fall aber unter Verbrauch dieses vertypten Strafmilderungsgrundes (§ 50 StGB) angenommen.
16
bb) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts weisen auch im Übrigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Dabei hat das Landgericht im Rahmen der Gesamtabwägung (UA S. 40 ff.) zu Gunsten der Angeklagten deren Geständnis, die fehlenden Vorahndungen, die besonderen Belastungen durch die überraschende Geburtssituation einschließlich des damit einhergehenden Blutverlustes, die spontane Durchführung der Tat sowie deren besondere Haftempfindlichkeit einbezogen. Soweit das Landgericht zu Lasten der Angeklagten vor allem als rechtsgutsbezogenes Vortatverhalten berücksichtigt hat, dass sie die besondere Geburtssituation selbst verschuldet hat, indem sie trotz Kenntnis der Schwangerschaft spätestens ab dem vierten Monat über einen längeren Zeitraum hinweg die Möglichkeit hatte, sich anderen Personen oder auch Einrichtungen – wie dem Jugendamt – zu offenbaren, handelt es sich um im Rahmen der Strafzumessung zulässigerweise zu berücksichtigende Erwägungen. Hinzu kommt, dass die Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts durchaus über die intellektuellen Fähigkeiten verfügte, andere Lösungsmöglichkeiten zu finden und in einer fast identischen Ausgangssituation bei der Geburt des ersten Kindes auch selbst erfahren hat, dass ihr letztlich von allen Seiten geholfen wurde, was die Angeklagte nach ihrer eigenen Einlassung auch so empfunden hat. Da das Landgericht damit zu Lasten der Angeklagten ausdrücklich (UA S. 42) nur ein sorgfaltswidriges Verhalten vor der eigentlichen Tat berücksichtigt hat, durch das offensichtlich Gefahren für das ungeborene Kind begründet wurden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. März 2016 – 5 StR 68/16, NStZ-RR 2016, 139; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 227/09, NStZ 2010, 214, 215), und nicht die eigentliche Geburtssituati- on, liegt darin auch kein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB.

III.


17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Raum Graf Bellay Radtke Bär

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

Strafgesetzbuch - StGB | § 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,2. seinem Hausstand angehört,3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder4.

Strafgesetzbuch - StGB | § 50 Zusammentreffen von Milderungsgründen


Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

17
Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verlet- zung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04).
12
Es ist Aufgabe des Tatgerichts, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 Rn. 17 mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 Rn. 17 mwN).

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 608/13
vom
16. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Mai 2013 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des Totschlags in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig ist. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kostenentscheidung wird verworfen. 2. Die Kosten der Rechtsmittel sowie die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu seinen Ungunsten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Zugleich wendet sie sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte die Mitangeklagte M. und deren am 4. Dezember 2010 geborene Tochter L. -S. , das spätere Tatopfer, im Sommer 2012 kennen und zog alsbald mit ihnen zusammen. Das Zusammenleben verlief zunächst harmonisch. Mit der Erziehung des Kindes durch die Kindesmutter war der Angeklagte indes nicht einverstanden. Er war der Ansicht, „dass L. -S. falsch, d.h. zu lasch, erzogen werde und sich zu sehr an ihre Mutter klammere“ (UA S. 24).Der An- geklagte fing an, die „Erziehung“ von L. -S. zu übernehmen. So zwang er das Kind, „das keine gute Esserin war“, zur Nahrungsaufnahme und wählte dabei – im Einzelnen geschilderte – erniedrigende Methoden, etwa, dass das Mädchen zu Boden gefallene Essensbrocken aufheben und essen musste.
3
Im November 2012 begann der Angeklagte, das Kind zu schlagen. Auch die Mitangeklagte forderte er mehrfach auf, „L. -S. mit der flachen Hand auf den Po zu schlagen“ (UA S. 26). Schlug die Kindesmutter nur zögerlich oder – nachseiner Vorstellung – „nicht fest genug“ zu, schlug er selbst mit der flachen Hand auf das Gesäß des Kindes.
4
Aufgrund seines zunehmenden Alkoholkonsums steigerte sich auch die Aggressivität des alkoholgewöhnten Angeklagten.
5
Am 17. Dezember 2012 befand sich der Angeklagte, der im Verlauf des Morgens eine halbe 0,7 Liter Flasche Wodka getrunken hatte, in einer für ihn „als desolat und ausweglos empfundenen, persönlichen Situation“ (UA S. 31). Er wusste, dass er in Kürze eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen sollte und dass ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Diebstahls geführt wurde. Hinzu kamen Streitigkeiten mit einer früheren Lebensgefährtin und der Mitangeklagten sowie seine berufliche Perspektivlosigkeit und finanzielle Probleme.
6
Der Angeklagte hörte L. -S. laut weinen. Es gelang ihm nicht, das Kind zu beruhigen, die sich gegen die Zuwendungen des Angeklagten körperlich sperrte; vielmehr steigerte es sich in einen „Schreikampf“ (UA S. 32) hinein.
Die Stimmung des Angeklagten schlug in eine „starke Genervt- und Ge- reiztheizt“ um, und er verlor „schließlich die Nerven“. Er schlug L. -S. mindestens sechsmal mit der Faust kräftig ins Gesicht und gegen den Kopf. Als Folge dieser Schläge fiel das Kind zweimal mit dem Gesicht auf den Laminatboden des Kinderzimmers. Der Angeklagte riss sie jeweils wieder an den Haaren vom Boden hoch und versetzte ihr zusätzlich „einen Schlag mit der rechten Faust in ihr Gesicht und/oder gegen ihren Kopf“ (UA S. 32). Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass seine Handlungen zum Tode von L. -S. führen könnten; diesen nahm er auch billigend in Kauf. Als L. -S. „plötzlich still“ war, ließ er von ihr ab und verließ das Kinderzimmer, ohne sich weiter um sie zu kümmern.
7
Nachdem die mitangeklagte Kindesmutter gegen 15.00 Uhr nach Hause zurückgekommen war, sah sie zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach ihrer Tochter. L. -S. befand sich in einem komatösen Zustand. Als sie auf den Rücken gedreht wurde, erbrach sie sich mehrfach und begann zu stöhnen; ihr Körper war schlaff und ohne eigene Körperspannung. Ihre Vitalfunktionen waren deutlich eingeschränkt und verschlechterten sich stetig; sie befand sich bereits in einem Zustand starker Bewusstseinsveränderung. Weder der Angeklagte noch die Kindesmutter kümmerten sich um das Kind.
8
Als Folge der körperlichen Misshandlungen hatte L. -S. „durchgehend starke Kopfschmerzen, teils auch sog. Vernichtungskopfschmerzen“ (UA S. 41), die bis zum Zustand tiefer Bewusstlosigkeit andauerten. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in der Nacht vom 19. Dezember auf den 20. Dezember 2012 verstarb L. -S. aufgrund eines zentralen Regulationsversagens nach hochgradiger, durch die Gewalteinwirkung verursachter Schwellung des Hirngewebes.
9
Nachdem der Angeklagte und die Mitangeklagte am nächsten Morgen den Tod des Kindes festgestellt hatten, beschlossen sie, den Leichnam zu „entsorgen“ (UA S. 42) und den Eindruck zu erwecken, dass L. -S. Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden sei. Der Angeklagte und die Mitangeklagte warfen deshalb den zuvor von ihnen entkleideten Leichnam des Kindes in ein Gebüsch und verteilten Kleidungsstücke von L. -S. in unmittelbarerNähe. Bei der Polizei gaben sie sodann eine Vermisstenanzeige auf, die zu einem polizeilichen Sucheinsatz führte.
10
2. Das Landgericht hat die Tat als Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 StGB) gewertet; Mordmerkmale seien nicht gegeben.
11
Die sachverständig beratene Strafkammer ist zu der Überzeugung gelangt , dass der alkoholabhängige Angeklagte trotz einer – auf seinen Angaben beruhenden – errechneten Blutalkoholkonzentration von maximal 2,23‰ voll schuldfähig gewesen sei. Weder bei seinem psychomotorischen Leistungsverhalten noch bei seinen intrapsychischen Vorgängen sei eine alkoholbedingte Veränderung erkennbar; kognitive Beeinträchtigungen zur Tatzeit seien ebenfalls nicht feststellbar. Auch habe keine die Schuldfähigkeit beeinflussende affektive Ausnahmesituation bestanden.
12
Das Landgericht hat die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB gebildet. Zu Gunsten hat die Schwurgerichtskammer u.a. das umfassende Geständnis des jungen Angeklagten, dessen Reue, die erstmalige Inhaftierung, seinen schwierigen Werdegang und seinen familiären Hintergrund berücksichtigt. Zu seinen Lasten hat das Landgericht u.a. bewertet, dass der Angeklagte tateinheitlich zwei Straftatbestände verwirklicht habe, und dieser mehrfach, wenn auch nicht einschlägig, strafrecht- lich in Erscheinung getreten sei. Der besonders brutalen Tatausführung komme angesichts der affektbedingten Enthemmung nur geringes strafschärfendes Gewicht zu. Das Nachtatverhalten hat das Landgericht ebenso strafschärfend berücksichtigt, wie dem Umstand, dass das Kind als Folge der Misshandlungen ganz erhebliche Schmerzen erlitten hat.

II.

13
Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.
14
1. Ungeachtet des umfassend gestellten Aufhebungsantrags ist die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision – wie die Revisionsbegründung deutlich macht – wirksam auf den Strafausspruch beschränkt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. April 1989 – 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3, insoweit in BGHSt 36, 167 ff. nicht abgedruckt). Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung dem Vortatverhalten des Angeklagten gegenüber dem Tatopfer kein entsprechendes Gewicht beigemessen habe; in die nach § 212 Abs. 2 StGB vorgenommene Gesamtwürdigung sei dieser Umstand nicht eingestellt.
15
2. Das auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hindert nicht, den Tenor der landgerichtlichen Entscheidung wie geschehen klarzustellen. Dass der Angeklagte wegen Totschlags in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zu bestrafen ist und das Landgericht auch insoweit verurteilen wollte, ergibt sich unmissverständlich aus den Urteilsgründen.
16
a) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts wird die Qualifikation gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht von § 212 StGB verdrängt. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass beide Tatbestände im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen.
17
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt Gesetzeseinheit nur vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständenerschöpfend erfasst wird. Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine – wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige – Erscheinungsform des anderen Tatbestandes sein (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; Fischer, StGB, 61. Aufl., Vor § 52 Rdn. 39, jeweils mwN).
18
Diese Voraussetzungen sind in § 212 StGB und § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB gerade nicht erfüllt. § 225 StGB enthält spezifisches Unrecht. Neben der körperlichen Unversehrtheit wird – über § 223 StGB hinaus – auch die psychische Integrität einer unter besonderen Schutzverhältnissen stehenden Person geschützt (vgl. Hirsch in LK, StGB, 11. Aufl., § 225 Rdn. 1; Horn/Wolters in SKStGB , 57. Lfg., § 225 Rdn. 2; Paeffgen in NK-StGB, 4. Aufl., § 225 Rdn. 2; Hardtung in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 225 Rdn. 1; Engländer in Matt/Renzikowski, StGB § 225 Rdn. 1; Fischer, aaO, § 225 Rdn. 2, jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 116).
19
In diesem Fall gebietet schon die Klarstellungsfunktion des Schuldspruchs die Annahme von Tateinheit. Andernfalls brächte der Schuldspruch den Unrechtsgehalt einer Handlung, die – wie hier – mehrere Straftatbestände erfüllt , nicht erschöpfend zum Ausdruck. Mit dieser Begründung hat der Bundes- gerichtshof schon in der Entscheidung vom 30. März 1995 (4 StR 768/94, BGHSt 41, 113) bei Zusammentreffen von Quälen eines Schutzbefohlenen im Sinne von § 223b StGB (a.F.) und Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB a.F.) Tateinheit bejaht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – 4 StR 357/98, BGHR StGB § 223b Konkurrenzen 4, für das Verhältnis von Misshandlung eines Schutzbefohlenen und schwerer Körperverletzung). Für das Verhältnis von (schwerer) Misshandlung von Schutzbefohlenen und Totschlag, der weder eine bloße qualifizierte Körperverletzung darstellt noch an eine spezifische Täter-Opfer-Beziehung anknüpft, gilt nichts anderes (so auch: Neumann in NK-StGB, 4. Aufl., § 212 Rdn. 36; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 212 Rdn. 20; Safferling in Matt/Renzikowski, StGB, § 212 Rdn. 86; aA Schneider in Münchener Kommentar , aaO, § 212 Rdn. 92, jeweils mwN).
20
b) Der Senat ändert den Schuldspruch klarstellend dahin ab, dass der Angeklagte des Totschlags in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig ist. Um dem sich aus § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO ergebenden Erfordernis der rechtlichen Bezeichnung der Straftat Rechnung zu tragen, ist diese Qualifikation in der Urteilsformel kenntlich zu machen (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2003 – 3 StR 373/02, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4).
21
3. Der Strafausspruch weist keine den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
22
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt der Revisionsführerin. Vor- und Nachtatverhalten sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen , wenn ein schuldrelevanter Zusammenhang mit der Tat besteht (vgl. Senat , Urteil vom 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 28; BGH, Beschluss vom 29. Januar 2013 – 4 StR 532/12, NStZ-RR 2013, 170, 171; Fischer, aaO, § 46 Rdn. 32, 46 ff.). Die fehlende Berücksichtigung entsprechenden relevanten Verhaltens im Rahmen der Strafzumessung stellt einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler dar (vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 StR 493/10, NStZ 2011, 512, 513, zur fehlenden Berücksichtigung des Nachtatverhaltens).
23
b) Das Landgericht hat dem festgestellten Vortatverhalten des Angeklagten – mit Blick auf dessen Auswirkungen auf die Tatschuld – indes ausreichend Rechnung getragen.
24
Die „Exerzierübungen und Handgreiflichkeiten“ (UA S. 89) des Angeklagten gegenüber L. -S. hat das Landgericht bei der Gesamtbewertung nicht aus dem Blick verloren. Es hat die „Erziehungsmethoden“ des Angeklagten bereits im Rahmen der Erwägungen zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe berücksichtigt und eine Nähe (auch) zu diesem Mordmerkmal angenommen (UA S. 137, 146). Die Schwurgerichtskammer hat all dieses im Zusammenhang mit § 212 Abs. 2 StGB rechtsfehlerfrei gewürdigt. Die (auch) im Vortatverhalten zum Ausdruck kommende Gesinnung des Angeklagten hat das Landgericht strafschärfend berücksichtigt (UA S. 138, 147), was sich nicht zuletzt in der im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelten Strafe niedergeschlagen hat.
25
4. Der Strafausspruch enthält auch keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler (§ 301 StPO).
26
a) Das Tatgericht hat erkennbar berücksichtigt, dass ein bestimmtes, auf die Beseitigung der Leiche oder von Spuren der Tat gerichtetes Verhalten nicht schon für sich allein zur Annahme eines Strafschärfungsgrundes berechtigt (vgl. auch Fischer, aaO, § 46 Rdn. 49 mwN), sondern allein dann, wenn es – wie hier – Rückschlüsse auf die innere Einstellung der Tat zulässt oder den Unrechtsgehalt der Tat erhöht (vgl. auch Senat, Beschluss vom 6. Dezember 1996 - 2 StR 468/96, NStZ-RR 1997, 196 mwN). Seine Bewertung, dass der Ange- klagte den Leichnam menschenverachtend „entsorgt“ hat, wird durch die Fest- stellungen gedeckt und weist keinen Rechtsfehler auf. Ebenso geht der Versuch des Angeklagten, den Eindruck zu erwecken, dass L. -S. Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden sei, über noch zulässiges, nicht strafzumessungsrelevantes Täterverhalten hinaus. Mit diesen der eigentlichen Tat nachfolgenden Handlungen hat der Angeklagte erneut seine rechtsfeindliche Einstellung dokumentiert (vgl. auch Senat, Beschluss vom 27. November 2011 – 2 StR 493/10, NStZ 2011, 512, 513).
27
b) Rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die dem Kind zugefügten, „über einen Zeitraum von mindestens 54 Stunden“ andauernde starke Schmerzen strafschärfend berücksichtigt hat.
28
5. Die von der Staatsanwaltschaft „vorsorglich“ eingelegte sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils ist unbegründet. Die Kostenentscheidung entspricht dem Gesetz (§ 465 StPO).
29
Der Senat weist darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft gemäß Nr. 148 Abs. 1 RiStBV nur ausnahmsweise ein Rechtsmittel lediglich vorsorglich einlegen soll; auch ein solches Rechtsmittel ist zu begründen (vgl. Nr. 156 Abs. 1 RiStBV). Entspricht eine Kostenentscheidung – wie hier – der Rechtslage wird eine gesonderte („vorsorgliche“) Anfechtung regelmäßig nicht in Betracht kom- men (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 2 RiStBV). Fischer RiBGH Prof. Dr. Schmitt Krehl ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Eschelbach Zeng

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 96/00
vom
19. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Juli 2000,
an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Juni 1999 wird mit den Feststellungen aufgehoben
a) auf die Revision der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang
b) auf die Revision der Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , mit der sie eine Verurteilung wegen Mordes erstrebt, und die Revision der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte, Mutter von zwei Kindern, das dritte Kind ohne Wissen ihres Ehemanns abgetrieben, die Schwangerschaft und Geburt des vierten Kindes vor ihrer Familie verheimlicht, schon vor seiner Geburt Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen und es unmittelbar danach zur Adoption freigegeben. Bei den Erklärungen zur Vermittlung und Anmeldung des Kindes hatte sie die Unterschrift ihres Ehemannes gefälscht, den Notartermin hatte sie mit Ausreden hinausgeschoben. Die Angeklagte wollte wegen der finanziellen und häuslichen Situation der Familie kein weiteres Kind aufziehen. Zwei Monate nach der Geburt dieses Kindes wurde die Angeklagte erneut schwanger. Auch die Schwangerschaft und Geburt des fünften Kindes am 19. Dezember 1998 verheimlichte die Angeklagte ihrem Ehemann. Nachdem sie das Kind zunächst im Krankenhaus belassen hatte, holte sie es zwei Tage später im Beisein einer Jugendamtsmitarbeiterin ab. Zu Hause legte sie das Kind in der Waschküche in einen Schlafsack, zog den Reißverschluß zu und bedeckte ihn mit einem Berg von Wäschestücken. Das Kind erstickte.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch enthält Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten.

a) Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht ist von bedingtem Tötungsvorsatz ausgegangen. Nach den Feststellungen, hat die Angeklagte das Kind aus einem plötzlichen Entschluß heraus - "das Kind muß weg”- getötet. Ange-
sichts dessen und der erkennbar äußerst gefährlichen Handlung ist für die Annahme , die Angeklagte habe den Tod des Kindes nicht als sichere Folge ihres Handelns vorausgesehen (und damit auch gewollt), kein Raum. Das kann auch für die Ermittlung der Beweggründe der Angeklagten Bedeutung haben.

b) Das Landgericht hat einen Mord aus niedrigen Beweggründen verneint , weil der Angeklagten nicht ausschließbar das Bewußtsein gefehlt habe, daß ihr Handeln nach allgemeiner sittlicher Wertung auf niedrigster Stufe lag. Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken.
Zwar ist es richtig, daß sich der Täter bei einem Handeln aus niedrigen Beweggründen bei der Tat der Umstände bewußt sein muß, die den Antrieb zum Handeln als besonders verwerflich erscheinen lassen, wobei es allerdings – entgegen den mißverständlichen Urteilsausführungen – bedeutungslos ist, ob der Täter seine Motive selbst als niedrig bewertet (BGH NStZ 1989, 363; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 27). Ob diese subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, kann aber nicht beurteilt werden, ohne daß zuvor geklärt und dargelegt worden ist, welche Motivation der Tat zugrunde lag und ob diese Motivation als niedrig einzustufen ist.
Das Landgericht hat es unterlassen, das Tötungsmotiv der Angeklagten festzustellen. Nur im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Tötungsvorsatz hat es ausgeführt, daß sich die Angeklagte in einem Zwiespalt befunden habe, weil sie die Schwangerschaft vor dem Ehemann, der Verwandtschaft und Bekanntschaft verschwiegen hatte. Auch wenn es danach naheliegend ist, daß die Angeklagte aus Angst und Scham vor den Konsequenzen einer Offenbarung gehandelt hat, die möglicherweise nicht nur sie, sondern – bei Ehepro-
blemen – auch ihre Kinder getroffen hätte, lassen sich die konkreten Tatantriebe der – wie an anderer Stelle ausgeführt – von ihrem Leben überforderten Angeklagten dem Urteil nicht entnehmen.
Von dieser dem Tatrichter obliegenden Pflicht zur Feststellung und umfassenden Würdigung konnte hier auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil die Angeklagte – wovon das Landgericht ausgegangen ist – sich spontan zur Tötung des Kindes entschlossen hat. Abgesehen davon, daß sich diese Annahme unter anderem auf die Einlassung der Angeklagten stützt, nach der tatauslösend die Erinnerung an die – nach den Feststellungen nicht stattgefundene - Vergewaltigung gewesen sei, ist die Annahme niedriger Beweggründe auch bei einer Spontantat nicht ausgeschlossen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11). Spontaneität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und der psychischen Verfassung der Angeklagten aber Anlaß sein, die subjektive Seite des Mordmerkmals besonders sorgfältig zu prüfen.
2. Der Strafausspruch enthält Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten , die zu seiner Aufhebung auf die Revision der Angeklagten führen.
Das Landgericht hat u. a. folgende gegen die Angeklagte sprechende Umstände aufgeführt:
”Durch die Tötung des Säuglings zerstörte die Angeklagte ihre Familie. Ihre zwei zur Tatzeit zehn und sechs Jahre alten Kinder haben aufgrund der bevorstehenden langen Haftstrafe während wichtiger Entwicklungsphasen ihre Mutter nicht an ihrer Seite. Darüber hinaus wurde den Kindern durch die Tat
der Angeklagten deutlich vor Augen geführt, daß ihrer Mutter die Kinder wenig wert sind, zumal sie ein weiteres Kind zur Adoption freigegeben hatte. Auch hat die Angeklagte einen hohen Vertrauensbruch gegenüber ihrem Mann begangen. Mit für die Ehe wichtigen gemeinsamen Entscheidungen hat sie es nicht genau genommen, sie hat ihrem Mann gegenüber drei Schwangerschaften verschwiegen. Sie hat sich ohne Rücksprache mit diesem zu einer Abtreibung und zu einer Freigabe zur Adoption entschieden und beides auch durchgeführt. Als letztes sprach auch gegen die Angeklagte, daß sie in ihrem persönlichen Umfeld die nachhaltigen Komplikationen erst auslöste, in dem sie immer wieder Lügengeschichten verbreitete.”
Diese Strafzumessungserwägungen sind rechtlich bedenklich. Insbesondere hat die Strafkammer damit Umstände verwertet, die nicht im schuldrelevanten Zusammenhang mit der Tat stehen.
Ein außerhalb der Tatausführung liegendes Verhalten darf bei der Strafzumessung nur Berücksichtigung finden, wenn eine Beziehung zu der Tat besteht , die Rückschlüsse auf eine höhere Tatschuld zuläßt. Ein solcher die Tatschuld erhöhender Zusammenhang des ehelichen Fehlverhaltens der Angeklagten bei der vorangegangenen dritten und vierten Schwangerschaft mit der Tötung des fünften Kindes, die durch das Verschweigen dieser fünften Schwangerschaft veranlaßt war, ist im Urteil nicht dargetan.
Auch soweit die Strafkammer strafschärfend die Folgen der langen gegen die Angeklagte verhängten Haftstrafe berücksichtigt hat, handelt es sich um Umstände, die nicht geeignet sind, die Tatschuld zu kennzeichnen. Zudem führt diese Erwägung – in der Art eines Zirkelschlusses - zu einer weiteren
Verlängerung der Haftstrafe mit den der Angeklagten vorgeworfenen ungünstigen Folgen.
Jähnke Niemöller Detter Bode Otten

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 532/12
vom
29. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 19. Juli 2012 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Nach den Feststellungen stach der Angeklagte am 5. Oktober 2010 dem Zeugen H. ohne nachvollziehbaren äußeren Anlass ein Messer mit einer Klingenlänge von etwa 7,5 cm in den Bereich des linken Brustkorbs. Der Zeuge erlitt eine ca. 7 cm tiefe Stichwunde, die mit einem Faden genäht werden musste. Da weder die Lunge, noch die innere Schicht des Brustkorbs verletzt wurden , bestand keine konkrete Lebensgefahr (Fall II. 2a der Urteilsgründe). Am 20. Oktober 2011 packte der Angeklagte in den Räumlichkeiten einer Buchhandlung seine ehemalige Lebensgefährtin, die Zeugin B. , von hinten an den Haaren und schlug mehrfach mit der Faust auf sie ein. Als die Zeugin am Boden lag, hielt er sie mit der linken Hand fest und fügte ihr mit einem CutterMesser Verletzungen im oberen linken Brustbereich und im Nacken zu. Die Stichverletzung im Brustbereich musste genäht werden. Es ist eine sichtbare Narbe zurückgeblieben. Die Zeugin leidet auch weiterhin an einer posttraumatischen Belastungsstörung (Fall II. 2b der Urteilsgründe).
3
Das Landgericht hat den Angeklagten in beiden Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gesprochen und gegen ihn Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten (Fall II. 2a) und drei Jahren und neun Monaten (Fall II. 2b) verhängt. Aus diesen Einzelfreiheitsstrafen hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten gebildet.

II.


4
Der Strafausspruch hält aus mehreren Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
1. Die beiden verhängten Einzelstrafen können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht jeweils sowohl im Rahmen der Prüfung eines minderschweren Falls gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB, als auch bei der konkreten Strafzumessung ein zulässiges Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten gewertet hat.
6
a) Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf im Fall II. 2a erklärt, den Zeugen H. geschlagen zu haben, als dieser nach einer zunächst verbal geführten Auseinandersetzung eine Teleskopstange mit einem kleinen Ball an der Spitze in die Hand nehmen wollte (UA 16). Im Fall II. 2b habe ihn die Zeugin B. mit einer Handtasche geschlagen. Er habe gesehen, dass er an der rechten Hand geblutet habe und ein Messer in der linken Hand der Zeugin wahrgenommen. Dieses Messer habe er ihr wegnehmen wollen. Schließlich habe er sie an der linken Schulter ergriffen und „herumgewirbelt“. Auch glaube er um sich geschlagen zu haben, weil er das Gefühl hatte, sich wehren zu müssen (UA 17). Das Landgericht hat in diesen Einlassungen einen schulderhöhenden Umstand gesehen, weil der Angeklagte den Zeugen H. und die Zeugin B. verdächtigt habe, sich ihm gegenüber der versuchten bzw. der vollendeten Körperverletzung schuldig gemacht zu haben (UA 31). Dies ist rechtsfehlerhaft.
7
b) Grundsätzlich ist es einem Angeklagten nicht verwehrt, sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch nicht überschritten (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692; MükoStGB/Miebach, 2. Aufl., § 46 Rn. 129). Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463; Beschluss vom 27. April 1989 – 1 StR 10/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4; SSWStGB /Eschelbach, § 46 Rn. 124). Dies ist hier nicht der Fall. Der Angeklagte hat sich auf die wahrheitswidrige Behauptung eines drohenden (Fall II. 2a der Urteilsgründe ) bzw. eines bereits eingeleiteten Angriffs (Fall II. 2b der Urteilsgründe ) der Zeugen beschränkt. Darüber hinausgehende Verleumdungen oder Herabwürdigungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1990 – 3 StR 85/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8; Beschluss vom 11. Mai 1989 – 1 StR 184/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 5), die eine straferschwerende Bewertung rechtfertigen könnten, sind in seinem Vorbringen nicht enthalten. Auch hat der Angeklagte die Zeugen nicht einer besonders verwerflichen Handlung bezichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1990 – 3 StR 160/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10), sodass nicht angenommen werden kann, dass es ihm darum ging, ihr Ansehen über das verfolgte Verteidigungsziel hinaus zu beschädigen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 1994 – 1 StR 71/94, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten

13).


8
2. Die Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2b der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Zeugin B. ) ist auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht straferschwerend berücksichtigt hat, dass es zum Einsatz eines Messers kam (UA 31). Hierin liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB, da die Verwendung des Messers bereits zur Begründung der Strafbarkeit des Angeklagten nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB herangezogen worden ist. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abgehoben hat, dass es mit dem Messereinsatz zu einer Steigerung der Übergriffe des Angeklagten auf die Zeugin gekommen ist, wird damit nicht lediglich das Vortatverhalten des Angeklagten gewürdigt, sondern auch die Verwendung des Messers mit negativem Vorzeichen in die Bewertung einbezogen.
9
3. Durch die Aufhebung der Einzelstrafen verliert auch die Bestimmung der Gesamtstrafe ihre Grundlage.
10
Da es sich bei den aufgezeigten Fehlern um bloße Wertungsfehler handelt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch bestehen bleiben. Ergänzende – hierzu nicht in Widerspruch tretende – Feststellungen sind möglich (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 5 StR 453/12).

Mutzbauer Cierniak Franke Bender Quentin

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 331/16
vom
9. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:090816B1STR331.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. August 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 23. März 2016 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter unerlaubter Durchfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen übernahm der Angeklagte am 16. Oktober 2015 in Südafrika einen mit Heroingemisch präparierten Koffer von seinem nicht näher bekannten Auftraggeber namens „ A. “ zum Weitertrans- port nach Rom in Italien. Er hatte den Auftrag, den Koffer einem dort ansässigen Hintermann zu übergeben. Hierfür wurden ihm 2.000 Euro in Aussicht gestellt. Der Angeklagte gab den Koffer am Flughafen Johannesburg in Südafrika als Transitgepäck auf und trat den von seinem Auftraggeber vorgebuchten und im Voraus bezahlten Flug über München nach Rom an.
3
Der Angeklagte reiste am Morgen des Folgetags am Flughafen München in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beabsichtigte, noch am selben Tag nach Rom weiterzureisen. In dem von ihm als Transitgepäck aufgegebenen Koffer befanden sich etwas mehr als 2,5 kg Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 52,1 % Diacetylmorphin-Hydrochlorid. Bei der Einreise hatte der Angeklagte keinen Zugriff auf die Betäubungsmittel.

II.


4
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Nachprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge führt zur Aufhebung im Strafausspruch. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
5
Der Schuldspruch wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Demgegenüber hat der Strafausspruch keinen Bestand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: „Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist – wie hier gemäß § 27 Abs. 2 S. 2, § 49 Abs. 1 StGB – auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht nur geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Dies ist vielmehr nur der erste Schritt. Vermögen die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind in die weitere Prüfung die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (std. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 – 1 StR 629/14, NStZ 2015, 696). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Indem das Landgericht für die Verneinung eines minder schweren Falls lediglich allgemeine Strafzumessungsgründe gewürdigt hat, hat es die Prüfung versäumt, ob nicht wegen Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB ein minder schwerer Fall des § 29a Abs. 2 BtMG vorliegt, der einen dem Angeklagten günstigeren Strafrahmen eröffnet. Da insbesondere vor dem Hintergrund der zu Recht mit deutlichem Gewicht zugunsten des Angeklagten berücksichtigten, die Identifizierung des Hintermanns in Südafrika gestattenden Angaben in der Hauptverhandlung (UA S. 17) nicht auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei Beachtung der gebotenen Prüfungsreihenfolge zu einer anderen Strafrahmenwahl gekommen wäre, deren Obergrenze mit der ausgeurteilten Strafe überschritten ist, muss der Strafausspruch aufgehoben werden. Die bisherigen Feststellungen können bestehen bleiben, nachdem es sich lediglich um Wertungsfehler handelt. Die neu entscheidende Strafkammer ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch ste- hen.“
6
Dem schließt sich der Senat an. Graf Jäger Cirener Mosbacher Fischer

Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 68/16
(alt: 5 StR 296/14)
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung
ECLI:DE:BGH:2016:150316B5STR68.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2016 beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. November 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts ist zu bemerken: Der Senat muss nicht entscheiden, ob – wofür viel spricht – nicht schon allein die Entscheidung der erstgebärenden und hinsichtlich des Geburtsverlaufs völlig unerfahrenen Angeklagten, ihr Kind ohne fremde Hilfe zur Welt zu bringen, angesichts der damit offensichtlich verbundenen Gefahren für das Kind eine relevante Sorgfaltspflichtverletzung darstellt (vgl. aber – nicht tragend – BGH, Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 227/09, NStZ 2010, 214, 215). Denn vorliegend kam hinzu, dass die Angeklagte an einer Blutgerinnungsstörung leidet und bereits einmal während einer Regelblutung ohnmächtig geworden war (vgl. auch BGH, aaO). Mit Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Angeklagte im Blick auf diese und weitere gefahrerhöhenden Umstände ihre im Nebenzimmer schlafenden Eltern hätte herbeirufen müssen. Dass hierdurch der während der Bewusstlosigkeit der Angeklagten eingetretene Erstickungstod des Säuglings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre, hat die Schwurgerichtskammer entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei begründet.
Sander Schneider Dölp König Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 227/09
vom
12. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. November
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwältin
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 1. Dezember 2008 wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch hinsichtlich der Tat III 1 der Urteilsgründe ,
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagte und - zu ihren Ungunsten - die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestütz- ten Revisionen; die Angeklagte erhebt darüber hinaus eine Verfahrensrüge. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem Rechtsmittel, dass das Landgericht im Fall III 1 der Urteilsgründe nicht von einem Totschlag durch aktives Tun sowie dass es bei beiden Taten von minder schweren Fällen des Totschlags (§ 213 2. Alt. StGB) ausgegangen ist.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagte brachte in der Zeit von 1984 bis 2004 sechs eheliche Kinder lebend zur Welt. Drei Entbindungen (in den Jahren 1984, 1985 und 1990) erfolgten im Krankenhaus, in das sie sich von ihrem Ehemann jeweils unmittelbar vor dem Geburtsbeginn hatte bringen lassen. Dreimal (in den Jahren 1986, 1988 - Tat III 1 - und 2004 - Tat III 2) kam es zu ungewollten Schwangerschaften , die die Angeklagte nicht nur vor ihrer Familie und ihren Bekannten, sondern auch vor ihrem Ehemann verheimlichte. Sie gebar diese Kinder heimlich und, obwohl ihr Ehemann im Hause war, ohne fremde Hilfe im Badezimmer. Die Kinder waren lebensfähig, verstarben jedoch kurz nach ihrer Geburt, weil ihnen nicht die erforderliche Fürsorge entgegengebracht wurde.
4
Im Jahre 1986 brachte die Angeklagte das Kind unter der laufenden Dusche zur Welt. Beim Durchtrennen der Nabelschnur bemerkte sie, dass das Kind leblos war, und glaubte, es sei während der Geburt verstorben. Tatsächlich war das lebend geborene Kind dadurch erstickt, dass Duschwasser in seine Lunge gelangt war. Die Angeklagte berichtete niemandem von dem Tod des Kindes, an dem sie sich wegen der heimlich durchgeführten Geburt schuldig fühlte. Sie begann, zur Bekämpfung dieser Schuldgefühle abends regelmäßig Bier zu trinken.
5
Diesen Alkoholkonsum stellte sie auch nicht ein, als sie im Jahre 1988 wieder ungewollt schwanger wurde, obwohl ihr die schädlichen Auswirkungen auf das ungeborene Kind bekannt waren. Als nachts die Wehen einsetzten, entschloss sie sich, ihren Mann davon nicht zu informieren und das Kind in der Duschwanne allein zur Welt zu bringen. Mit dem Risiko, dass es dabei wiederum zum Tod des Neugeborenen kommen könnte, fand sie sich ab. Als der Geburtsvorgang ins Stocken geriet, zog die Angeklagte "panisch" an dem bereits herausgetretenen Kopf des Kindes, bis dieses samt Mutterkuchen austrat. Dabei glitt ihr das Kind aus den Händen und fiel zu Boden, wobei es einen Schrei ausstieß. Beim Aufheben des Kindes rutschte die Angeklagte auf dem vom Fruchtwasser nassen Fliesenboden aus und stürzte auf ihr Gesäß. In dieser Stellung verharrend hielt sie das Kind, das sie bei dem Sturz "reflexartig schützend" an sich genommen hatte, einige Minuten lang so fest an sich gedrückt, dass es erstickte. Auch diesmal verheimlichte sie den Tod des Kindes. Ihre Schuldgefühle steigerten sich weiter, was dazu führte, dass sie verstärkt auch schon tagsüber Alkohol zu sich nahm.
6
Während der Schwangerschaft mit ihrem 1990 geborenen "Wunschkind" verzichtete sie allerdings auf den Konsum von Alkohol. Danach setzte sie ihren Alkoholmissbrauch fort und steigerte ihn sogar noch, indem sie auch hochprozentige Alkoholika trank.
7
Diese Gewohnheit behielt sie während ihrer nächsten - ungewollten - Schwangerschaft bei. Als sich im Spätsommer/Herbst 2004 Zeichen der beginnenden Geburt zeigten, entschloss sie sich erneut zu einer - wie sie wusste, risikobehafteten - Alleingeburt. Sie war bereits alkoholisiert und begab sich unter Mitnahme einer Tasse Jägermeister-Cola in das im Dachgeschoss gelegene Badezimmer. Während der Wehen legte sie sich in die mit heißem Wasser gefüllte Badewanne, wo sie infolge der hohen Wassertemperatur und ihrer Blutalkoholkonzentration von etwa 1 ‰ vorübergehend das Bewusstsein verlor. Nach der in der Badewanne erfolgten Geburt legte sie das Kind auf ihren Bauch, danach wurde sie erneut bewusstlos. Als sie wieder erwachte, war das Neugeborene verstorben, weil es während des Geburtsverlaufs Fruchtwasser eingeatmet und auf Grund einer Blutalkoholkonzentration von 0,52 ‰ unter einer Anpassungsstörung gelitten hatte. Diese wäre bei einer sofortigen adäquaten Versorgung durch einen Arzt oder Geburtshelfer gut beherrschbar gewesen. Auch dieses Geschehen hielt die Angeklagte geheim und legte die Leiche zu den beiden anderen toten Kindern in die Tiefkühltruhe, wo sie bis zu ihrer Entdeckung im Jahre 2008 verblieben.

II.


8
Revision der Angeklagten
9
Die Revision der Angeklagten erweist sich als unbegründet.
10
1. Die von ihr erhobene Verfahrensrüge hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
11
2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.
12
a) Dies gilt zunächst insoweit, als das Landgericht im Fall III 1 der Urteilsgründe einen Totschlag durch Unterlassen angenommen hat.
13
Die Garantenstellung der Angeklagten gegenüber ihrem Kind ergab sich aus ihrer Stellung als Mutter. Damit traf sie vom Einsetzen der Geburtswehen an (vgl. Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn. 26) die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um das Leben des Kindes zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1955 - 2 StR 102/55; Urteil vom 29. April 1969 - 1 StR 49/69, GA 1970, 86).
14
Da die Schwangerschaft problemlos verlaufen war, musste die Angeklagte nicht mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko für das Kind während der Geburt rechnen. Eine Hausgeburt wäre daher nicht von vornherein pflichtwidrig gewesen. Die Angeklagte hatte sich aber nicht nur zu einer solchen, sondern auch dazu entschlossen, das Kind heimlich und ohne fremde Hilfe im Badezimmer zur Welt zu bringen, obwohl bereits ein unter derartigen Umständen geborenes Kind zu Tode gekommen war.
15
Es kann dahinstehen, ob, wie das Landgericht meint, eine werdende Mutter stets verpflichtet ist, sich für die Geburt fremder Hilfe zu vergewissern. Die Annahme einer solchen Handlungsverpflichtung ohne Bezug zu einer konkreten , mit der Geburt einhergehenden Gefahr erscheint sehr weit gehend. Eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Hilfe bei der Geburt wird aber immer dann anzunehmen sein, wenn es für die Schwangere im Hinblick auf bekannte Vorerkrankungen oder sonstige Risiken absehbar ist, dass bei der Geburt Gefahren für Leib oder Leben des Kindes entstehen können.
16
Die Angeklagte traf die Pflicht, einen für das Kind möglichst sicheren Geburtsverlauf und die erforderliche Erstversorgung des Neugeborenen sicherzustellen. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Angeklagte gegen diese Pflicht verstoßen hat, indem sie ihr Kind im Badezimmer und nicht in einer schützenden Umgebung, etwa im Bett, zur Welt brachte. Wie der tatsächliche Verlauf der Geburt zeigt, war das Neugeborene dadurch erheblichen Gefährdungen ausgesetzt: Erst fiel das Kind auf den gefliesten Boden, dann stürzte die Angeklagte mit dem Kind im Arm. Auf Grund ihres durch den äußerst schmerzhaften Geburtsvorgang beeinträchtigten Zustands war die Angeklagte nicht in der Lage, ihr Kind vor diesen Gefahren zu bewahren.
17
Zwar waren nicht diese Stürze todesursächlich, sondern das mehrminütige Ansichpressen des Kindes durch die Angeklagte. Dieses aktive Tun unterbricht aber dann nicht in relevanter Weise den Kausalzusammenhang, wenn man - wie es das Landgericht zugunsten der Angeklagten getan hat - unterstellt , dass das Ansichpressen nicht mit Tötungsvorsatz geschah, sondern lediglich aus Unachtsamkeit der noch von den Anstrengungen der Geburt beeinträchtigten Angeklagten erfolgte. Eine solche Fehlreaktion im unmittelbaren Anschluss an die Geburt liegt noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren. Sie wäre vermieden worden, wenn die Angeklagte ihrer Garantenpflicht entsprechend für einen möglichst sicheren Geburtsverlauf gesorgt hätte.
18
Da die Angeklagte sich nach den Feststellungen damit abgefunden hatte, dass es auch diesmal wieder auf Grund der von ihr gewählten Art und Weise der Entbindung zum Tod des Kindes kommen werde [UA 9], ist auch der bedingte Tötungsvorsatz hinsichtlich des konkret eingetretenen Erfolges belegt.
19
b) Die Verurteilung im Fall III 2 der Urteilsgründe weist ebenfalls keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler auf.
20
In diesem Fall ergab sich die Garantenstellung der Angeklagten nicht nur aus ihrer Eigenschaft als Mutter, sondern auch aus schädigendem Vorverhalten. Der Angeklagten war bewusst, dass wegen ihres erheblichen und regelmäßigen Alkoholkonsums während der Schwangerschaft und der weiteren Alkoholaufnahme unmittelbar vor der Geburt besondere gesundheitliche Risiken für das Kind bestanden. Sie war daher, wie sie wusste, verpflichtet, die Geburt nicht ohne ärztlichen Beistand durchzuführen. Die unterlassene Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe war kausal für den Tod des Neugeborenen, da der Sauerstoffmangel , an dem das Kind durch eine Anpassungsstörung und die akute Alkoholisierung gestorben ist, bei zeitnaher ärztlicher Betreuung hätte behoben werden können.
21
3. Schließlich ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass das sachverständig beratene Landgericht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten bei Begehung beider Taten trotz der bei ihr vorliegenden Persönlichkeitsstörung vom ängstlich-vermeidenden Typ (ICD-10 F 60.6) verneint hat. Die Diagnose "Persönlichkeitsstörung" lässt für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit des Täters nicht zu. Es bedarf vielmehr einer Gesamtschau, ob die Störung in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen belastet wie eine krankhafte seelische Störung. Eine solche hat das Landgericht vorgenommen.

III.


22
Revision der Staatsanwaltschaft
23
1. Mit Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass das Landgericht im Fall III 1 der Urteilsgründe ohne nähere Erläuterung davon ausgegangen ist, die Angeklagte habe bei dem zum Ersticken führenden festen Ansichpressen des Kindes nur fahrlässig gehandelt.
24
Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist insoweit Lücken auf, denn sie lässt wesentliche Aspekte unerörtert, die für ein vorsätzliches Handeln sprechen können: Zunächst hätte sich das Landgericht damit auseinandersetzen müssen, ob davon ausgegangen werden kann, dass einer erfahrenen Mutter wie der Angeklagten nicht bewusst ist, dass ein dessen Atmung behinderndes Ansichpressen eines Neugeborenen über mehrere Minuten zu seinem Tod führen kann. Vor allem hätte das Gericht das Gesamtverhalten der Angeklagten während der Schwangerschaft in den Blick nehmen müssen, zumal sich dieses deutlich von demjenigen unterschied, welches die Angeklagte während der Schwangerschaft mit den drei überlebenden Kindern gezeigt hatte. Anders als bei diesen stellte sie diesmal ihren Alkoholkonsum während der Schwangerschaft nicht ein, obwohl ihr die schädlichen Folgen für das Kind bekannt waren. Sie hielt die Schwangerschaft sogar vor ihrem Ehemann geheim, was allein zur Vermeidung ärztlicher Untersuchungen, gegen die sie eine Abneigung hatte, nicht zu erklären ist, da ihr Ehemann sie auch bei den offenbarten Schwangerschaften nicht dazu angehalten hatte. Zur Entbindung ließ sie sich diesmal nicht wie bei ihren "Wunschkindern" ins Krankenhaus bringen, sondern nahm die Strapazen einer heimlichen Hausgeburt ohne jeden Beistand auf sich. Allein aus ihrer ängstlich-vermeidend geprägten Persönlichkeitsstruktur erscheint dies nicht verständlich, zumal die Angeklagte die Existenz eines weiteren lebenden Kindes vor ihrem Ehemann ohnehin nicht hätte verheimlichen können.
25
Die Sache bedarf insoweit erneuter tatrichterlicher Würdigung.
26
Sollte das Gericht in der neuen Hauptverhandlung zu dem Ergebnis kommen, dass die Angeklagte den Tod des Neugeborenen vorsätzlich herbeigeführt hat, so wäre in diesem aktiven Tun der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607; Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, BGHR StGB § 13 Abs. 1 Tun 3; vgl. auch Fischer StGB 56. Aufl. Rdn. 17 vor § 13 m.w.N.) zu sehen mit der Folge, dass von vornherein allein darauf und nicht auf die unterlassene Absicherung des Geburtsverlaufs abzustellen wäre.
27
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall III 1 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
28
Zwar lässt die Strafrahmenwahl bezüglich der Tat III 2 der Urteilsgründe entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft für sich genommen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat die wesentlichen Erschwernis- und Milderungsgründe gegeneinander abgewogen. Dabei hat es bedacht, dass das Vorliegen einer Wiederholungstat der Annahme eines minder schweren Falles des Totschlags grundsätzlich entgegenstehen kann, diese jedoch nicht zwingend ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 4 StR 296/03, NStZ-RR 2004, 80, 81 m.w.N.). Im Rahmen der erforderlichen tatrichterlichen Gesamtwürdigung hat es insbesondere den Zeitablauf von 16 Jahren zwischen beiden Taten sowie die Tatsache, dass die Angeklagte zur Tatzeit an einer massiven Alkoholkrankheit mit einem Abhängigkeitssyndrom litt, mildernd berücksichtigt.
Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen, auch wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre.
29
Sollte die neu entscheidende Schwurgerichtskammer im Fall III 1 der Urteilsgründe aber zu einem Schuldspruch wegen durch aktives Tun begangenen Totschlags kommen, könnte sich dies auch auf die Strafzumessung im Fall III 2 der Urteilsgründe auswirken.

IV.


30
Auf Anregung der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.