Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2018 - 1 StR 351/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:210218U1STR351.17.0
bei uns veröffentlicht am21.02.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 351/17
vom
21. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2018:210218U1STR351.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin D. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin M. , Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 2. Februar 2017 werden verworfen.
2. Die Rechtsmittelführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Ferner werden der Staatskasse die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf den Strafausspruch beschränkten Rechtsmitteln. Die Nebenklägerinnen erstreben mit ihren Revisionen die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes.
2
Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts stand die später getötete Ehefrau des Angeklagten ab dem Spätsommer 2015 im Rahmen eines Online- Spiels über das Internet in Kontakt mit dem Zeugen J. . Es entwickelte sich daraus eine tägliche auch telefonisch und mittels WhatsApp geführte Kommunikation zwischen beiden. Einige Tage vor der verfahrensgegenständlichen Tötungstat trafen sich die Geschädigte und der Zeuge erstmals persönlich, verbrachten ein Wochenende miteinander und waren dabei intim. Gegenüber dem Angeklagten hatte die Geschädigte wahrheitswidrig behauptet, einen Teil des Wochenendes mit einer Freundin zu verbringen. Nach der Rückkehr eröffnete die Geschädigte, ohne die Beziehung zu dem Zeugen J. zu offenbaren, dem Angeklagten, nicht mehr mit ihm zusammenleben zu wollen. An den darauf folgenden Tagen kam es zu einem zweiten, vom Landgericht so bezeich- neten „Beziehungsgespräch“. Dabei relativierte die Geschädigte ihre zuvor ge- äußerten Trennungsabsichten. Am Folgetag regte sie sogar einen gemeinsamen Urlaub mit der Familie der Schwester des Angeklagten an.
4
In der Tatnacht verließ die Geschädigte mit der unrichtigen Behauptung, mit einer Freundin telefonieren zu wollen, die gemeinsame Wohnung und führte ein knapp eineinhalbstündiges Telefonat mit dem Zeugen J. . Nach ihrer Rückkehr kam es zu einem erneuten Gespräch mit dem Angeklagten über ihre Beziehungsprobleme. Dabei offenbarte sie dem Angeklagten erstmals, „Gefühle für einen anderen Mann zu haben“. Auf die wiederholte Frage des weinen- den Angeklagten nach Intimverkehr mit diesem Mann bejahte dies die Geschädigte unter Lachen. Der Angeklagte erkannte nunmehr das täuschende Verhalten der Geschädigten an den vorangegangenen Tagen, war aufgrund dessen tief gekränkt und geriet wegen des als hämisch empfundenen Lachens bei der Beantwortung der Frage nach Intimitäten mit dem anderen Mann in erhebliche Wut. Er ging deshalb auf die Geschädigte los. Im Zuge der Auseinandersetzung mit der sich wehrenden Geschädigten, die mittlerweile rücklings auf dem Bett lag, drückte der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz über einen Zeitraum von wenigstens drei Minuten mit aller Kraft ihren Hals zu. Sie wurde nach rund einer Minute dieser Einwirkung bewusstlos und verstarb an einer zentralen Lähmung als Folge der durch die massive Einwirkung auf den Hals hervorgerufenen Sauerstoffunterversorgung des Gehirns.

II.

5
Die Revisionen der Nebenklägerinnen D. und M. bleiben erfolgslos. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler das Vorliegen von Mordmerkmalen und damit einen Schuldspruch wegen Mordes verneint.
6
1. Beide Rechtsmittel sind zulässig erhoben. Die Revisionsbegründung der Nebenklägerin D. lässt aufgrund des dort formulierten Antrags und der Sachausführungen unmissverständlich erkennen, dass mit der Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes statt wie geschehen wegen Totschlags ein im Rahmen der durch § 400 Abs. 1 StPO beschränkten Rechtsmittelbefugnis der Nebenklage statthaftes Rechtsmittelziel verfolgt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2016 – 2 StR 454/15 Rn. 2 mwN [NStZ-RR 2016, 351 nur redaktioneller Leitsatz]). Auch die Revision der Nebenklägerin M. genügt den aus § 400 Abs. 1 StPO resultierenden Begründungsanforderungen. Zwar verhält sich diese Begründungsschrift vornehmlich zu der als fehlerhaft gewerteten Anwendung von § 213 Alt. 2 StGB seitens des Landgerichts, was von der Nebenklage nicht isoliert gerügt werden kann (BGH, Beschluss vom 21. April 1999 – 2 StR 64/99, NStZ-RR 2000, 40). Die Zulässigkeit des Rechtsmittels wird aber durch die vollumfängliche inhaltliche Bezugnahme auf die Begründungschrift der Nebenklägerin D. herbeigeführt.
7
2. Die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
8
a) Heimtücke hat das Landgericht ohne durchgreifenden Rechtsfehler wegen fehlender Arglosigkeit der Geschädigten verneint. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung erweist sich unter Berücksichtigung des dafür geltenden eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (siehe nur BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17 Rn. 17 mwN) als tragfähig. Der aus einer Äußerung der Geschädigten gegenüber ihrer Mutter, sie befürchte einen Messerangriff des Angeklagten, sollte dieser von ihrer (der Geschädigten ) Beziehung zu dem Zeugen J. erfahren, gezogene Schluss auf Argwohn gegenüber dem Angeklagten erweist sich als möglich und ist deshalb revisionsrechtlich hinzunehmen. Der Senat besorgt nicht, dass das Landgericht dieser Beweiswürdigung ein zu enges rechtliches Verständnis der Heimtücke, insbesondere des Elements der Arglosigkeit, zugrunde gelegt hat. Die Beweiswürdigung zu der bereits emotional aufgeladenen Gesprächssituation und der konkretisierten Erwartung („Messer in den Bauch rammen“) der Geschädigten einer „heftigen Reaktion“ des Angeklagten lässt erkennen, dass das Landge- richt bezüglich der Arglosigkeit darauf abgestellt hat, ob das Opfer bei Vornahme der (ersten) vom Tötungsvorsatz getragenen Tathandlung mit einem Angriff auf sein Leben gerechnet hat (dazu nur BGH, Beschluss vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17, NStZ 2018, 97). Gerade das wird mit tragfähigen Erwägungen bejaht.
9
b) Auch die Verneinung des Vorliegens niedriger Beweggründe hält unter Berücksichtigung des dem Tatgericht dabei zustehenden Beurteilungsspielraums (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525 Rn. 7 und vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 393 sowie Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, NStZ-RR 2011, 7, 8 jeweils mwN) rechtlicher Prüfung stand.
10
Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders , d.h. in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692 Rn. 14 und vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525 Rn. 7 mwN). Daran gemessen trägt die Gesamtschau der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zu der handlungsleitenden Wut des Angeklagten über das vorangegangene Verhalten der Geschädigten (UA S. 14 f.) einerseits und dem Abstellen auf die unmittelbar tatauslösende „spontane affektive Erregung“ (UA S. 63) andererseits die Ablehnung niedriger Beweggründe. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will, nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden muss (siehe nur BGH, Urteil vom 25. Juli

2006

5 StR 97/06,NStZ-RR 2006, 340, 342; Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl., § 211 Rn. 105 mwN). Gerade der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden (vgl. BGH aaO). Gleiches gilt im Ergebnis für die beweiswürdigend belegte spontane affektive Erregung (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 393) des Angeklagten, die aus seiner Wut über das täuschende Vorverhalten der Geschädigten und deren Reaktion in Gestalt von Grinsen und Lachen auf sein Weinen bei Offenbarung ihres intimen Verhältnisses zum Zeugen J. resultierte.
11
3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob auf die zulässigen, weil die unterbliebene Verurteilung aus einem zur Nebenklage berechtigenden Delikt – hier § 211 StGB – beanstandenden Revisionen der Nebenklägerinnen der wegen Totschlags ergangene Strafausspruch revisionsrechtlicher Überprüfung unterliegt. Der Senat neigt mit dem 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 23. April 2002 – 3 StR 106/02, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Prüfungsumfang 3; siehe zudem BGH, Urteile vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ-RR 2011, 73, 74 und vom 30. Juli 2015 – 4 StR 561/14, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Prüfungsumfang 5, aber auch LR/Hilger, 26. Aufl., § 400 Rn. 20) wegen der Beschränkung der Rechtsmittelberechtigung der Nebenklage durch § 400 Abs. 1 Alt. 1 StPO dazu, einen derartigen Prüfungsumfang zu verneinen. Anderenfalls würde der Nebenklage mittelbar die durch die genannte gesetzliche Beschränkung gerade ausgeschlossene Möglichkeit eröffnet, ohne Schuldspruchänderung eine andere, dem Angeklagten nachteilige Rechtsfolge zu erreichen. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an. Denn aus den nachfolgenden, die Revision der Staatsanwaltschaft betreffenden Gründen (unten III.) ergibt sich, dass der Strafausspruch keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler enthält.

III.

12
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft erzielt keinen Erfolg.
13
1. Ausweislich der Einlegungsschrift vom 2. Februar 2017 und nach dem Inhalt der Begründungschrift, die sich ausschließlich zu den Voraussetzungen des minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB verhält, ist die Revision trotz des umfassenden Aufhebungsantrags auf den Strafausspruch beschränkt. Die Beschränkung ist nach den dafür geltenden Maßstäben (dazu nur BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17 Rn. 10) wirksam. Einer vom Schuldspruch unabhängigen Überprüfung des Strafausspruchs entgegenstehende Gründe sind, auch im Hinblick auf die Anwendung von § 213 Alt. 2 StGB (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1977 – 4 StR 291/77 Rn. 4 ff. [insoweit nicht abgedruckt in NJW 1977, 2086] und vom 21. März 2017 – 1 StR 663/16, StV 2017, 543 f.), nicht ersichtlich.
14
2. Der Strafausspruch enthält keine den Angeklagten begünstigenden, revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegenden Rechtsfehler.
15
Die Annahme oder Nichtannahme eines minderschweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB kann als Akt der Strafzumessung lediglich auf dafür maßgebliche Rechtsfehler überprüft werden (siehe nur BGH, Urteile vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 und vom 9. Februar 2017 – 1 StR 415/16, NStZ-RR 2017, 168 f. jeweils mwN). Solche liegen jedoch nicht vor. Das Tatgericht hat die Annahme eines allgemeinen minderschweren Falls des Totschlags in der rechtlich gebotenen Weise auf eine Gesamtwürdigung gestützt. Die in diese eingestellten Strafzumessungskriterien lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Sie durften sämtlich mit der erfolgten Bewertungsrichtung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, ohne damit gegen anerkannte Strafzwecke zu verstoßen.
16
Auch durchgreifende Lücken enthält die Gesamtabwägung nicht. Wie der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, war das Landgericht rechtlich nicht gehalten, die zur Tatzeit bestehende Blutalkoholkonzentration der Geschädigten von 0,86 Promille zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen.
17
Soweit die Staatsanwaltschaft eine nähere Aufklärung der Art der von der Geschädigten gegenüber dem Angeklagten eingeräumten Intimität mit dem Zeugen J. vermisst, zeigt sie keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils auf. Eine Aufklärungsrüge wurde nicht erhoben.
18
3. Der Strafausspruch enthält allerdings auch keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, was der Senat gemäß § 301 StPO jedenfalls aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft in dem durch diese bestimmten Umfang (siehe BGH, Urteil vom 20. September 2017 – 1 StR 64/17 Rn. 38 mwN) zu prüfen hat.
19
a) Die Ablehnung eines minder schweren Falls des Totschlags gemäß § 213 Alt. 1 StGB, dessen Anwendung zu einer Berücksichtigung der vom Landgericht für das Vorliegen eines allgemeinen minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB herangezogenen strafmilderden Erwägungen bereits innerhalb des Sonderstrafrahmens und damit zu einer geringeren Strafe hätte führen können, hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
20
aa) Das Landgericht hat das dem Tötungsgeschehen vorausgehende Verhalten der Geschädigten als schwere Beleidigung gewertet, wobei es in dem festgestellten Grinsen und Lachen im Kontext der Offenbarung von Intimitäten mit dem Zeugen J. eine „massive Erschwerung“ der Kränkung gesehen hat (UA S. 63 f.). Dennoch seien die „Tatbestandsvoraussetzungen“ des § 213 Alt. 1 StGB nicht gegeben, weil die Geschädigte den Angeklagten nicht bewusst provoziert habe (UA S. 64 und 65).
21
bb) Mit diesen Erwägungen kann sich das Landgericht auf ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützen, die als notwendige Bedingung des § 213 Alt. 1 StGB eine vorsätzliche schwere Beleidigung im Sinne der vorgenannten Vorschrift verlangt (BGH, Urteil vom 8. April 1986 – 1 StR 104/86, BGHSt 34, 37 f.), jedenfalls aber für erforderlich hält, dass das provozierende Tatopfer sich des beleidigenden Charakters des eigenen Verhaltens bewusst gewesen sein muss (vgl. BGH, Urteile vom 26. März 1986 – 3 StR 49/86 und vom 25. November 1987 – 3 StR 479/87, NStZ 1988, 216; siehe auch BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 11 „Provokation des Tatop- fers muss bewusst von diesem ausgehen“).
22
cc) An der Tragfähigkeit einer vorsätzlich oder zumindest im Bewusstsein des provozierenden Charakters erfolgten Provokation (in der Gestalt einer „Misshandlung“ oder „schweren Beleidigung“) als eigenständiger notwendiger Bedingung des § 213 Alt. 1 StGB bestehen aus Sicht des Senats Zweifel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für das Eingreifen von § 213 Alt. 1 StGB darauf an, ob das provozierende Verhalten des späteren Tatopfers nach seinem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls geeignet ist, die „Jähtat als eine verständliche Reaktion“ des Täters auf das provozierende Verhalten des Opfers der nachfolgenden Tötungstat erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 mwN). Dafür genügen nur solche Provokationen, die bei objektiver Betrachtung – nicht nur aus Sicht des Täters (BGH, Beschluss vom 8. September 2016 – 1 StR 372/16, NStZ-RR 2017, 11, 12 mwN) – geeignet sind, den Täter die erlittene Kränkung als schwere Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit empfinden zu lassen und ihn deswegen in eine heftige Gemütsbewegung zu versetzen (BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10; vgl. auch Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist auf der Grundlage einer Gesamtbewertung vorzunehmen , in die alle Umstände einzubeziehen sind, die dem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Provokation durch das spätere Tatopfer sein Gepräge geben (siehe nur BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340; Urteile vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582, 583 mwN und vom 21. März 2017 – 1 StR 663/16, StV 2017, 543, 544 Rn. 15).
23
Nach diesen Grundsätzen erschließt sich die Erforderlichkeit einer subjektiven Komponente des provozierenden Opferverhaltens als notwendige Bedingung des § 213 Alt. 1 StGB nicht. Die Begünstigung des Täters findet ihre Ursache darin, dass bei einem nach sozialethischen Maßstäben vorzunehmenden Wertungsakt (Schneider aaO, § 213 Rn. 17; vgl. auch Momsen in Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 213 Rn. 16) bei objektiver Betrachtung des Gewichts des provozierenden Verhaltens nachvollzogen werden kann, warum sich der Täter zu der Tötungstat hat hinreißen lassen. Je deutlicher das provozierende Verhalten geeignet ist, als schwere Beeinträchtigung der Persönlichkeit des Täters gewertet zu werden, desto eher wird wegen der dadurch typischerweise ausgelösten heftigen Gemütsbewegung § 213 Alt. 1 StGB zur Anwendung gelangen. Eigenständiges Gewicht als notwendige Anwendungsvoraussetzung kann einem Provokationsvorsatz oder -bewusstsein wegen der erforderlichen Auswirkungen der Provokation auf die Gemütslage des Täters dabei aber nicht zukommen. Damit wird das Provokationsbewusstsein des späteren Opfers im Rahmen von § 213 Alt. 1 StGB nicht bedeutungslos. Vielmehr ist es regelmäßig als Abwägungsfaktor im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Gewichts des der Tötung vorausgehenden Opferverhaltens einzustellen. Fehlte dem späteren Opfer des Tötungsdelikts – für den Täter erkennbar – das Bewusstsein durch eine Misshandlung oder schwere Beleidigung den Täter zu provozieren, wäre dies typischerweise als das Gewicht der Provokation minderndes Kriterium zu berücksichtigen.
24
dd) Im Ergebnis hält die Ablehnung von § 213 Alt. 1 StGB durch das Landgericht dennoch Stand. Denn auf der Grundlage seiner rechtsfehlerfrei festgestellten, für die Gesamtwürdigung relevanten Umstände kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht zur Annahme der Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB gelangt wäre, wenn es ein Provokationsbewusstsein nicht als notwendige Bedingung verstanden hätte. Es hat bei der Bewertung der Schwere der Beleidigung dem Grinsen und Lachen der Geschädigten als Reaktion auf das Weinen des Angeklagten bei Offenbaren von Intimitäten mit dem Zeugen J. entscheidendes Gewicht beigemessen (UA S. 63 f.). Das ist im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn weder die Aufnahme eines ehewidrigen intimen Verhältnisses als solches (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1981 – 1 StR 508/81, NStZ 1982, 27) noch dessen Eingeständnis gegenüber dem Ehepartner (Fischer, StGB, 65. Aufl., § 213 Rn. 6) vermögen in aller Regel die Voraussetzungen der Provokationsalternative zu begründen. Es bedurfte daher weiterer auf den Einzelfall bezogener Umstände, um von einer die Begünstigung auslösenden „schweren Beleidigung“ ausgehen zu können. Solche hat das Landgericht zwar vor allem in dem Verhalten der Geschädigten bei dem Einräumen des intimen Kontakts zum Zeugen J. gesehen. Im Rahmen der erfolgten Gesamtwürdigung war das Landgericht aber berechtigt, das rechtsfehlerfrei festgestellte Fehlen eines Beleidigungsbewusstseins der Geschädigten als ausschlaggebendes Kriterium gegen die Anwendung von § 213 Alt. 1 StGB zu gewichten. Dass es dabei eine derartige Komponente offenbar als notwendige Bedingung erachtet hat, steht nicht entgegen. Denn das Landgericht durfte im Rahmen der ihm zustehenden Wertung diesen Aspekt als tragend gegen das Eingreifen der Provokationsalternative beurteilen.
25
b) Die Annahme eines unbenannten minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB wirkt sich nicht zu Lasten des Angeklagten aus.
26
c) Die konkrete Strafzumessung des Landgerichts innerhalb des Sonderstrafrahmens aus § 213 StGB weist unter Berücksichtigung der begrenzten revisionsgerichtlichen Überprüfung (siehe nur BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 226/17 Rn. 9 mwN [in NStZ-RR 2018, 56 nur redaktioneller Leitsatz
]) keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
27
aa) Soweit die Revision des Angeklagten befürchtet, das Landgericht habe den rechtsfehlerfrei festgestellten direkten Tötungsvorsatz des Angeklagten unter Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB zu dessen Lasten berücksichtigt, findet dies im Urteil keine Stütze. Die tatrichterlichen Strafzumessungserwägungen haben die Vorsatzform nicht zum Gegenstand. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine solche Berücksichtigung überhaupt rechtsfehlerhaft wäre (vgl. dazu die Anfrage in BGH, Beschluss vom 1. Juni 2016 – 2 StR 150/15, NStZ 2017, 216 ff.).
28
bb) Die Höhe der innerhalb des Ausnahmestrafrahmens aus § 213 StGB gefundenen Strafe ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar kann es im Einzelfall rechtsfehlerhaft sein, wenn das Tatgericht bei einer Vielzahl von festgestellten Schuldminderungsgründen und ausdrücklich festgestellten Fehlens von Schulderhöhungsgründen ohne nähere Begründung eine deutlich oberhalb des Mindestmaßes liegende Strafe verhängt (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 StR 119/16, NStZ-RR 2016, 241 f. mwN). Allerdings kann aus dem Fehlen expliziter Benennung von die Strafzumessungsschuld erhöhenden Gründen nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, solche lägen nach Wertung des Tatrichters nicht vor. Denn in den Urteilsgründen muss er lediglich die nach seiner Beurteilung für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungsgesichtspunkte ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch möglich (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 226/17 Rn. 14 mwN).
29
Bei der konkreten Zumessung der Strafe hat das Landgericht ausgeführt , den bereits für die Annahme des Ausnahmestrafrahmens aus § 213 StGB herangezogenen Strafmilderungsgrundes deshalb lediglich noch mit geringerem Gewicht berücksichtigt zu haben. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Verhängung einer Strafe im oberen Bereich des Strafrahmens aus § 213 StGB ist dann nicht zu beanstanden. Bei dem Eingreifen eines – wie hier – Ausnahmestrafrahmens kann das Gewicht von zu dessen Begründung herangezogenen Strafmilderungsgründen so weit relativiert sein, dass sie innerhalb dieses Rahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermögen und deshalb gegen den Täter sprechende Umstände, insbesondere die Schwere der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens rechtfertigen (BGH, Urteil vom 21. April 1987 – 1 StR 77/87, BGHSt 34, 355, 360). Die getroffenen Feststellungen zum Tötungsgeschehen belegen den Schweregrad der Tat.

IV.

30
Die ebenfalls wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten dringt aus den vorstehend zu III.3.c) dargelegten Gründen nicht durch.

V.

31
Für die vorliegende Konstellation ist im Revisionsverfahren eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Beteiligten nur insofern veranlasst , als diese das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten betrifft (BGH, Urteil vom 4. September 2014 - 4 StR 473/13 Rn. 96 [insoweit in BGHSt 59, 292 ff. nicht abgedruckt]). Raum Graf Jäger Cirener Radtke

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2014 - 4 StR 473/13

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Jan. 2015 - 4 StR 433/14

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4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2018 - 1 StR 351/17.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2019 - 1 StR 150/19

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2018 - 1 StR 422/18

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Referenzen

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

2
Nach § 400 Abs. 1 StPO ist ein Nebenkläger nicht befugt, das Urteil mit dem Ziel anzufechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Ist der Angeklagte – wie hier – wegen eines nebenklagefähigen Delikts verurteilt worden, dann bedarf die Revision des Nebenklägers eines genauen Antrages oder einer Begründung, die deutlich macht, dass er eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich des Nebenklagedelikts verfolgt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 445/15; Beschluss vom 25. November 2015 – 1 StR 349/15). Diese Voraussetzungen hat der Nebenkläger hier nicht erfüllt. Er hat seine Revision vielmehr allein mit der nicht ausgeführten Formalrüge und mit der in allgemeiner Form erhobenen Sachrüge begründet. Weitere Ausführungen, aus denen sich das Ziel des Rechtsmittels entnehmen ließe, sind bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht eingegangen, so dass die Revision zu verwerfen ist. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

17
3. Die der Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes zugrunde liegenden Erwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 10 jeweils mwN) – als rechtfehlerhaft. Das Landgericht hat seiner Beweiswürdigung bereits einen nicht rechtsfehlerfreien rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Zudem liegen revisible Fehler u.a. das Fehlen einer Gesamtwürdigung und überzogene Anforderungen an die eigene Überzeugungsbildung zugrunde.
7
a) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, und vom 24. Januar 2006 – 5 StR 410/05, NStZ-RR 2006, 140, jeweils mwN). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 1. März 2012 aaO). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die Intimpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation fraglich erscheinen lassen (BGH, Urteile vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, und vom 2. Mai 1990 – 3 StR 11/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 18).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 433/14
vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23. April 2014 werden verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von drei Jahren angeordnet. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten mit der Sachrüge; der Angeklagte macht ferner die Verletzung formellen Rechts geltend. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am 22. Mai 2013 traf der Angeklagte kurz nach 13 Uhr auf der Straße den späteren Geschädigten M. , der drei Monate zuvor versucht hatte, in dem vom Vater des Angeklagten betriebenen Lebensmittelgeschäft eine Flasche Wodka zu stehlen. Der Angeklagte, der damals in dem Lebensmittelgeschäft an der Kasse tätig war, und M. , dem nach dem Diebstahlsversuch die Flucht gelungen war, erkannten einander wieder. Der Angeklagte fasste M. an den Schultern und forderte ihn auf, stehen zu bleiben bis die Polizei eintreffe. Der Geschädigte empfand die Situation als bedrohlich ; er stieß den Angeklagten zurück und entfernte sich rasch. Daraufhin stieg der unter einer „starken affektiven Anspannung“ stehende Angeklagte in seinen Pkw, um M. zu folgen; er wollte ihn nicht (erneut) entkommen lassen und fuhr in die Richtung los, in die sich M. entfernt hatte. Kurze Zeit später sah er den auf dem rechten Bürgersteig in Fahrtrichtung des Angeklagten gehenden M. , der zu diesem Zeitpunkt Ohrhörer trug und nicht mehr mit einem Auftauchen und einem Angriff seitens des Angeklagten rechnete. Als der Angeklagte den Geschädigten erkannte, entschloss er sich spontan, ihm einen „Denkzettel“ zu verpassen; er wollte M. anfahren, um ihn „für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen“. Der Angeklagte lenkte sein Fahrzeug auf den Gehsteig, wo er M. mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h von hinten erfasste. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass der Geschädigte sich bei diesem Vorgehen verletzen und möglicherweise zu Tode kommen könnte; damit fand er sich ab. Er bezog jedoch – schon aufgrund der Schnelligkeit des Geschehens – nicht in seine Überlegungen ein, dass der ihm den Rücken zuwendende Geschädigte dem Angriff gegenüber arg- und wehrlos war. M. wurde durch den Anstoß in den Kniekehlen getroffen, prallte auf die Motorhaube und die Windschutzscheibe des Fahrzeugs, schlug dort mit dem Kopf auf und wurde schließlich nach rechts in eine Böschung geschleudert. Er erlitt hierdurch unter anderem eine Kalottenfraktur und eine Hirnblutung, die zwar abstrakt, jedoch nicht konkret lebensbedrohlich waren.
4
Nach der Kollision kam der Pkw des Angeklagten zunächst annähernd oder ganz zum Stillstand, bevor der Angeklagte beschleunigte und zum Geschäft seines Vaters fuhr. Die Entfernung zwischen dem Ort der ersten Begegnung des Angeklagten und M. und dem Kollisionsort betrug etwa 350 m.
5
2. Das Schwurgericht hat das Anfahren des Geschädigten als versuchten Totschlag (§ 212 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) gewertet. Hingegen liege kein versuchter Mord vor; niedrige Beweggründe seien schon objektiv nicht gegeben, an einer heimtückischen Tötung fehle es aus subjektiven Gründen. Das Weiterfahren nach der Kollision erfülle den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB).

II.


6
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
7
1. Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Schwurgericht den Angeklagten nicht – wie von der Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel erstrebt – wegen eines heimtückisch begangenen Mordversuchs verurteilt hat. Die hierzu vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen und die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung weisen – entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft – keinen Rechtsfehler auf.
8
a) Insbesondere liegen – worauf auch der Generalbundesanwalt zutreffend verweist – keine widersprüchlichen Feststellungen vor.
9
Denn der Angeklagte, der zunächst den Geschädigten aufgefordert hatte stehen zu bleiben und bis zum Eintreffen der Polizei zu warten, beabsichtigte bei Aufnahme der Fahrt zunächst nur, den Geschädigten nicht entkommen zu lassen, sondern ihn zu stellen und für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen. Einen Willen, den Geschädigten zu verletzen oder gar zu töten, hat das Schwurgericht für diesen Zeitraum (ausdrücklich) nicht festgestellt. Wenn es sodann ausführt, dass der Angeklagte im Zeitpunkt des Erkennens des Ge- schädigten auf dem Gehsteig den Entschluss fasste, diesem einen „Denkzettel“ zu verpassen und anzufahren, um ihn „in dieserForm für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen“, so liegt darin im Hinblick auf die vielfältigen Mög- lichkeiten, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, kein Widerspruch zu den vorherigen Feststellungen.
10
b) Auch die Beweiswürdigung des Schwurgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
11
aa) Die Annahme einer „starken affektiven Erregung“ des Angeklagten zur Tatzeit hat die Strafkammer hinreichend mit Tatsachen belegt.
12
Denn sie übernimmt hierzu ersichtlich die Ausführungen des psychiatri- schen Sachverständigen zu der von diesem als „nachvollziehbar“ bezeichneten affektiven Anspannung des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Konflikts mit dem Nebenkläger sowie der starken Identifikation des Angeklagten mit seiner Familie und der hohen Wertigkeit der Tätigkeit in dem Lebensmittelgeschäft seines Vaters für den Angeklagten. Es ist ferner durch Zeugenvernehmungen im Zusammenhang mit anderen Ladendiebstählen in der Vergangenheit zu der Überzeugung gelangt, dass dem Angeklagten übertriebene Reaktionen auf solche Taten – auch mit verbal und körperlich aggressivem Verhalten – „nicht wesensfremd“ sind. Schließlich hat das Schwurgericht in Bezug auf die psychische Verfassung des Angeklagten bei dem Tötungsversuch auch bedacht , dass es nach der kurz zuvor handgreiflich verlaufenen offenen Konfrontation zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten diesem (erneut) gelungen war, zu fliehen. Damit hat die auch insofern sachverständig beratene Strafkammer entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht offen gelassen, auf welche Tatsachen sie die Feststellung der „starken affektiven Erregung“ des Angeklagten stützt.
13
bb) Auch die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
(1) Für das im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB erforderliche bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH, Urteile vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31; vom 12. Februar 2009 – 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264; vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN). Anders kann es jedoch bei „Augen- blickstaten“, insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein (BGH, Urteile vom 31. Juli 2014, aaO; vom 17. September 2008 – 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30, 31); auch kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein gefehlt hat (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014, aaO; Urteil vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233 mwN).
15
(2) Daran gemessen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
16
Bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke handelt es sich um eine vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014, aaO; Urteil vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233 mwN). Die für deren Beantwortung maßgeblichen – oben dargestellten – Grundsätze hat das Schwurgericht nicht verkannt, insbesondere nicht den Umstand, dass affektive Erregung und Ausnutzungsbewusstsein einander nicht prinzipiell ausschließen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1957 – GSSt 3/57, BGHSt 11, 139). Es hat sich im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung zudem nicht allein auf die starke affektive Erregung, in der sich der Angeklagte befand, gestützt, sondern daneben maßgeblich auf den spontanen Tatentschluss sowie den schnellen Geschehensablauf abgestellt, zumal die Annäherung des Angeklagten mit seinem Fahrzeug von hinten durch die Ver- folgung des Geschädigten bedingt, aber von ihm nicht gezielt gewählt worden war. Wenn das Schwurgericht angesichts dieser äußeren und inneren Umstände der Tat unter Berücksichtigung des Vorgeschehens eine sichere Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke nicht zu gewinnen vermochte, sondern – unter Bezugnahme auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen – zu der Auffassung gelangte, dass die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten für die Tat des Angeklagten nicht von Bedeutung war und er diese nicht bewusst ausgenutzt hat, so hält sich dies im Rahmen der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Ferner stellt es keinen Widerspruch dar, dass die Strafkammer das Ausnutzungsbewusstsein im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB verneint, aber bedingten Vorsatz hinsichtlich der Tötung des Geschädigten bejaht hat (vgl. Senat, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31).
17
2. Auch im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
18
Die Ablehnung niedriger Beweggründe hält sich ebenfalls innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. zu diesem etwa BGH, Urteile vom 8. März 2012 – 4 StR 498/11, NStZ 2012, 441, 442; vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525; Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, NStZ-RR 2011, 7, 8 jeweils mwN). Zwar liegt dieses Mordmerk- mal bei einem Akt der Selbstjustiz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 89 mwN). Angesichts des – namentlich vom maßgeblichen subjektiven Standpunkt des Angeklagten – durch schuldhaftes Vorverhalten des Opfers gesetzten Tatanlasses, des sich spontan steigernden Ablaufs sowie der Vor- satzform („Denkzettel“) und der psychischen Verfassung des Angeklagten weist die Ablehnung niedriger Beweggründe keinen Rechtsfehler auf (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Mai 2010 – 5 StR 115/10; ferner BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05).

III.


19
Die Revision des Angeklagten ist ebenfalls erfolglos.
20
1. Die Rüge, das Schwurgericht habe bei der Zurückweisung eines Hilfsbeweisantrages gegen Verfahrensrecht verstoßen, ist jedenfalls unbegründet. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 26. September 2014 bemerkt der Senat hierzu:
21
a) Das Schwurgericht hat den Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Gutachtens insbesondere zum Beweis der Tatsache, dass eine Kollisionsgeschwindigkeit eines Pkw Suzuki Swift von 40 – 45 km/h mit einer männlichen Person zwischen 20 und 35 Jahren grundsätzlich nicht bzw. allenfalls in 2 % der Fälle geeignet ist, tödliche Verletzungen herbeizuführen, ohne Rechtsfehler als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
22
Denn ohne Bedeutung ist eine Tatsache dann, wenn auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses ein Zusammenhang zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen, etwa weil sie nur einen möglichen Schluss zulässt, den das Gericht nicht ziehen will (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 54, 56). Dies hat das Schwurgericht hinsichtlich der unter Beweis gestellten Wahrscheinlichkeitsaussagen rechtsfehlerfrei mit der Begründung bejaht, eine lediglich statistisch begründete Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts bei einer PkwFußgänger -Kollision (jeder Art) stehe der Annahme nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall die konkrete Tathandlung (Anfahren einer unvorbereiteten Person auf dem Gehweg von hinten mit erheblicher Geschwindigkeit) objektiv (sehr) gefährlich war und zu schweren und – auch vom Vorsatz umfassten – tödlichen Verletzungen des Fußgängers führen konnte. Vorsatz bedeutet nicht, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für wahrscheinlich oder gar überwiegend wahrscheinlich hält, sondern dass er seinen Eintritt für möglich hält und sich damit abfindet; bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/ Schuster, StGB, 29. Aufl., § 15 Rn. 76 mwN). Dies hat das Schwurgericht auch vor dem Hintergrund, dass es zum konkreten Unfallgeschehen bereits eine Rechtsmedizinerin, einen Biomechaniker und einen Unfallanalytiker angehört hatte, die sich – teilweise – auch zu statistischen Werten für das Todesrisiko bei Pkw-Fußgänger-Kollisionen geäußert haben, nicht verkannt, weshalb es den Hilfsbeweisantrag als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos ablehnen durfte.
23
b) Entgegen der Auffassung der Revision war das Schwurgericht nicht verpflichtet, aufgrund der Stellung der Hilfsbeweisanträge erneut in die Beweisaufnahme einzutreten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2007 – 2 StR 322/07, NStZ 2008, 116; Scheffler, NStZ 1989, 158; Meyer-Goßner/ Schmitt, aaO, § 244 Rn. 44a mwN).
24
2. Der Sachrüge bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
25
a) Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts weist keinen Rechtsfehler auf.
26
Insbesondere hat die Strafkammer in ausreichender Weise belegt, warum sie einen Tötungsvorsatz des Angeklagten bejaht hat. Dass sie dabei – auch und gerade unter Berücksichtigung der psychischen Verfassung des Angeklagten – zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der „Denkzettel“, den der Angeklagte dem Nebenkläger verpassen wollte, mit der Billigung dessen Todes verbunden war, hält sich innerhalb der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Auch stellt es – wie schon oben ausgeführt – keinen Widerspruch dar, dass die Strafkammer das Ausnutzungsbewusstsein im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB verneint , aber bedingten Vorsatz hinsichtlich der Tötung des Geschädigten angenommen hat (vgl. Senat, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31).
27
b) Das Schwurgericht hat ferner ohne Rechtsfehler die Anwendung von § 46a StGB abgelehnt.
28
Diese erfordert unter anderem, dass der Angeklagte die Verantwortung für die begangene Straftat übernimmt (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 1 StR 265/11; Urteile vom 4. Dezember 2014 – 4 StR 213/14; vom 19. De- zember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139, 141; vom 12. Januar2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440; vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34).
29
Das hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Denn der Angeklagte hatte sowohl im Rahmen seiner Vernehmungen im Ermittlungsverfahren als auch in dem Entschuldigungsschreiben vom 26. Juli 2013 an den Geschädigten angegeben, an seinem Fahrzeug sei ein Reifen geplatzt, weshalb er die Kontrolle über den Pkw verloren habe; in der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte – über die Entschuldigung beim Nebenkläger hinaus – lediglich dahin eingelassen, er habe niemanden verletzen oder töten wollen und dies auch nicht billigend in Kauf genommen. Eine Übernahme von Verantwortung in dem oben genannten Sinn musste das Landgericht hierin nicht sehen, da der Angeklagte durch die Darstellung eines Unglücks bzw. unverschuldeten Unfalls trotz der über die Rechtsanwälte erfolgten Zahlungsvereinbarung und deren Erfüllung sowie der Entschuldigung die Rolle des Geschädigten als Opfer einer vorsätzlichen Straftat gerade nicht anerkannt und sie in Bezug zu seinem eigenen Verhalten gesetzt hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13, NStZ-RR 2013, 240; Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304). Darauf, dass der Geschädigte die Entschuldigung des Angeklagten angenommen hat, kommt es nicht entscheidend an (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304).

IV.


30
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Die dem Nebenkläger infolge der zuungunsten des Angeklagten eingelegten und ohne Erfolg gebliebenen Revision der Staatsanwaltschaft entstandenen Auslagen hat dieser selbst zu tragen.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 57/10
vom
25. Oktober 2010
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Tötung von Unbeteiligten in Italien im Zweiten Weltkrieg als Rache
für einen Partisanenangriff.
BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10 – LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 11. August 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

1
Die Strafkammer hat festgestellt:
2
Die zur Heeresgruppe C zählende, vom 1918 geborenen Angeklagten geführte 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 sollte am 26. Juni 1944 nahe dem Weiler Falzone di Cortona (Toskana) eine von Partisanen wegen ihrer Bedeutung für den Rückzug der deutschen Truppen gesprengte Brücke reparieren. Zwei Soldaten, die im Auftrag des Angeklagten Fahrzeuge zum Transport beschaffen sollten, wurden dabei in einem Hinterhalt von Partisanen erschossen, ein dritter wurde verletzt. Da sich die Partisanen nach dem Anschlag auf die Soldaten abgesetzt hatten, beschloss der Angeklagte aus Wut und Rachsucht eine Vergeltungsaktion gegen die männliche Zivilbevölkerung der Gegend. Zunächst meldete er den Vorfall dem Bataillonskommandeur und regte die von ihm geplante Maßnahme gegen die italienischen Zivilisten an, die der Bataillonskommandeur entsprechend dem Wunsch des Angeklagten anordnete und außerdem durch ein Flakgeschütz und Sprengstoff logistisch unterstützte. Am nächsten Tag befahl der Angeklagte, alle in der Gegend erreichbaren männlichen Zivilisten festzunehmen. Am Ende waren dies neun Männer, von denen der älteste 67 Jahre alt war, und zwei Jugendliche von 15 und 16 Jahren. Keiner war der Beteiligung an dem Anschlag oder überhaupt der Unterstützung von Partisanen verdächtig. Sie wurden in einem Haus eingeschlossen.
3
Zwar hatten einige Angst, erschossen zu werden, andere gingen jedoch davon aus, mit dem Leben davon zu kommen und nach Deutschland in ein Konzentrationslager gebracht zu werden, um dort zu arbeiten. Das Haus wurde alsbald in Anwesenheit und auf Befehl des Angeklagten gesprengt. Danach wurde ebenfalls auf seinen Befehl mit Maschinengewehren in die Trümmer geschossen , um noch lebende Opfer zu töten. Am Ende überlebte nur der schwer verletzte 15-jährige. Nach der Reparatur der Brücke verließ die Kompanie am 29. Juni 1944 die Region.
4
Auf dieser Grundlage wurde der Angeklagte wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision macht Verfahrenshindernisse geltend und erhebt Verfahrensrügen sowie die näher ausgeführte Sachrüge. Sie bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

5
Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Weder ist das Verbot der Doppelbestrafung („ne bis in idem“) verletzt (1.), noch ist die Tat verjährt (2.).
6
1. Allerdings wurde der Angeklagte bereits in Abwesenheit durch Urteil des Militärgerichts La Spezia (Italien) vom 28. September 2006, rechtskräftig seit dem 11. November 2008, wegen dieser Tat zu lebenslanger Haft verurteilt.
7
a) Das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - (ABl. EG 2000 L 239/219) ist hier nicht verletzt. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, die grundsätzlich auch Abwesenheitsurteile erfasst (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - C-297/07, NStZ 2009, 454), setzt voraus, dass die in dem Urteil vom 28. September 2006 verhängte Strafe entweder bereits vollstreckt worden ist oder gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates (hier: Italien) nicht mehr vollstreckt werden kann. All dies ist nicht der Fall. Die gegen den Angeklagten in Italien verhängte Freiheitsstrafe ist und wird nicht vollstreckt. Sie könnte aber, wie auch die zuständige italienische Behörde der Strafkammer bestätigt hat, nach italienischem Recht vollstreckt werden.
8
b) Nichts anderes als für Art. 54 SDÜ gilt für das mit Art. 54 SDÜ praktisch identische Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EG über das Verbot der Doppelbestrafung, das zwar noch nicht umfassend in Kraft getreten ist, aber sowohl von der Bundesrepublik als auch von Italien bereits angewendet wird (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Februar 2001 - 2 StR 458/00, BGHSt 46, 307, 309; Schomburg, StV 1999, 246, 247 ; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Einl. Rn. 177b).
9
c) Der Senat hat erwogen, ob das Urteil vom 28. September 2006 etwa im Blick auf eine mögliche Auslieferung des Angeklagten nach Italien oder eine mögliche Vollstreckung dieses Urteils in Deutschland ein Verfahrenshindernis begründen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03). Dies war jedoch zu verneinen.
10
(1) Italien hat bisher keinen Antrag auf Auslieferung des Angeklagten gestellt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich dies ändern könnte, bestehen nicht. Zwingend ausgeschlossen ist ein solcher Antrag aber auch nicht. Die (theoretische) Möglichkeit, dass ein nicht gestellter Antrag doch noch gestellt wird, führt nicht dazu, dass rechtliche Konsequenzen, die ein solcher Antrag im Falle seines Erfolges hätte, ein Verfahrenshindernis begründen würden. Im Übrigen wäre eine Auslieferung des Angeklagten zum Zwecke der Strafvollstreckung nur mit seiner Zustimmung möglich (§ 80 Abs. 3 Satz 1 IRG).
11
(2) Auch ein Antrag von Italien an die Bundesrepublik Deutschland, die Vollstreckung des Urteils vom 28. September 2006 zu übernehmen, ist nicht gestellt. Allerdings müsste die Bundesrepublik im Falle der Ablehnung einer Auslieferung die Strafvollstreckung übernehmen (Art. 4 Nr. 6 RbEuH, vgl. auch § 48 IRG), jedoch ebenfalls nur auf Verlangen des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, hier also von Italien (vgl. Hackner, Schomburg, Lagodny, Gleß, NStZ 2006, 663, 667; Burchard/Brodowsky, StraFo 2010, 179, 185; vgl. auch § 80 Abs. 4 Satz 1 IRG „Ersuchen um Vollstreckung“). Wie dargelegt, kann allein die Möglichkeit eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auf Auslieferung kein Verfahrenshindernis begründen; für die Möglichkeit, auf der Grundlage der Annahme von Erfolglosigkeit des nicht gestellten Auslieferungsantrages einen Antrag auf Übernahme der Vollstreckung zu stellen, gilt nichts anderes.
12
Aus alledem ergibt sich insgesamt, dass das Urteil vom 28. September 2006 deshalb kein Verfahrenshindernis begründet, weil die Vollstreckung dieses Urteils sowohl aus rechtlichen als aus praktischen Gründen weder in Italien noch in Deutschland zu erwarten ist (vgl. Burchard/Brodowsky aaO 186). Auch die Revision zweifelt all dies nicht an.
13
d) Auch die im Vertrag von Lissabon enthaltene Charta der Grundrechte (GrCh), die am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist (BGBl. II S. 1223) und die der Senat daher - anders als noch die Strafkammer - zu beachten hat (§ 354a StPO), führt zu keinem anderen Ergebnis. Allerdings ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 50 GrCh, anders als das entsprechende Verbot in Art. 54 SDÜ (vgl. oben II 1. a), nicht ausdrücklich durch Vollstreckungsbedingungen modifiziert. Jedoch können gemäß Art. 52 Abs. 1 GrCh die in der Charta anerkannten Rechte durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden, die den Wesensgehalt der Charta achten. Art. 54 SDÜ ist eine solche einschränkende Regelung. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta (ABl. EG 2004 C 310/453; aktualisierte Fassung ABl. EU 2007 C 303/17), die ausweislich der Präambel der Charta bei deren Auslegung durch die Gerichte zu berücksichtigen sind. Dort heißt es zu Art. 50 GrCh: „Nach Art. 50 findet der Grundsatz ‚ne bis in idem’ nicht nur innerhalb der Gerichtsbarkeit eines Staates, sondern auch zwischen den Gerichtsbarkeiten mehrerer Mitgliedstaaten seine Anwendung. Dies entspricht dem Rechtsbesitzstand der Union; siehe Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens (…). Die klar eingegrenzten Ausnahmen, in denen die Mitgliedstaaten nach diesen Übereinkommen von dem Grundsatz ‚ne bis in idem’ abweichen können, sind von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt.“
14
Danach besteht kein Zweifel, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ auch im Blick auf Art. 50 GrCh nur nach Maßgabe von Art. 54 SDÜ gilt, also hier nicht eingreift (Burchard/Brodowsky aaO, 184 im Ergebnis ebenso LG Aachen, StV 2010, 237 in einem im Rahmen eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ergangenen Beschluss, der allerdings auf die oben genannten Erläuterungen nicht eingeht; a.A. in einer Anmerkung hierzu Reichling [aaO, 238], der aber die Erläuterungen zur GrCh ebenfalls nicht anspricht).
15
Art. 52 Abs. 2 GrCh, wonach die Ausübung der durch die Charta anerkannten Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union begründet sind, nur im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgen darf, ist hier entgegen der Auffassung der Revision nicht einschlägig. „Ne bis in idem“ ist nicht durch diese Verträge begründet , sondern als über nationales Recht hinausgehender europarechtlicher Grundsatz vom EuGH im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung entwickelt worden (Schwarze/Stumpf, EU-Kommentar, 2. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 12 u. 30 mwN); hierauf findet Art. 52 Abs. 2 GrCh keine Anwendung (Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 52 GrCh Rn. 6 f.).
16
Für die von der Revision in diesem Zusammenhang angeregte Vorlage der Sache an den EuGH ist kein Raum. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist angesichts der dargelegten Erläuterungen offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81 , NJW 1983, 1257; BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 2419/06). Die Klarheit der Rechtslage, die sich aus den Erläuterungen ergibt, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass das Landgericht Aachen (aaO) diese Erläuterungen , die der Sache nach seine Entscheidung bestätigen, nicht erwähnt. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass dadurch eine „mangelnde Verbreitung“ der Erläuterungen „offenkundig“ und nicht zuletzt deshalb eine Vorlage an den EuGH geboten sei (so Burchard/Brodowsky, aaO, 185). Die Präambel der Charta selbst weist auf die Erläuterungen hin, deren Text in einschlägigen Gesetzessammlungen und juristischen Werken, aber auch im Internet ohne weiteres zu finden ist. Der Frage, ob eine noch nicht überall verbreitete Kenntnis der Grundlage einer eindeutigen Rechtslage die Eindeutigkeit der Rechtslage selbst überhaupt in Frage stellen könnte, geht der Senat daher nicht nach. http://www.juris.de/jportal/portal/t/2j4t/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE038302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 -
17
2. Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Anders wäre es nur, wenn die Verjährungsfrist unmittelbar nach der Tat zu laufen begonnen hätte (a) oder wenn die Tat - hierauf hebt die Revision ab - nicht als Mord (§ 211 StGB) zu werten wäre (b). Beides ist nicht der Fall.
18
a) Da Mord zur Tatzeit nach 20 Jahren verjährte (§ 67 Abs. 1, 1. Alt., § 211 Abs. 1 RStGB) wäre im Juni 1964 Verjährung eingetreten, wenn diese nicht bis Kriegsende geruht hätte (§ 69 StGB aF; entspricht § 78b StGB). Sonst hätten die Gesetze vom 13. April 1965 (BGBl. I S. 315), 4. August 1969 (BGBl. I S. 1065) und 16. Juli 1979 (BGBl. I S. 1045) zur Neuberechnung, Verlängerung und Aufhebung der Verjährungsfrist die Tat nicht mehr erfasst (vgl. näher BGH, Urteil vom 1. März 1995 - 2 StR 331/94, NJW 1995, 1297). Geruht hat die Verjährung bis zum Kriegsende (u.a.) dann, wenn die Tat den zu ihrer Verfolgung berufenen Stellen zwar bekannt war, eine Verfolgung aber aus politischen Gründen unterblieb (BGH aaO; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1969 - 2 StR 57/69, BGHSt 23, 137; BGH, Urteil vom 28. Mai 1963 - 1 StR 540/62, BGHSt 18, 367 jew. mwN). So verhält es sich hier. Nach den damaligen Bestimmungen hatte ein militärischer Vorgesetzter eine ihm bekannt gewordene gerichtlich zu verfolgende Straftat eines Untergebenen dem „Gerichtsherrn“ mitzuteilen. Hier meldete der Angeklagte dem Bataillonskommandeur die geplante Racheaktion, der sie auf dessen Wunsch hin „anordnete“ und logistisch unterstützte. Dies entsprach dem auch im angefochtenen Urteil zitierten kurz zuvor ergangenen Befehl von Generalfeldmarschall Kesselring, Oberbefehlshaber der Wehrmacht in Italien, vom 17. Juni 1944 (sog. erster Bandenbefehl). Danach war der „Kampf gegen die Banden“ - also Partisanen - „mit allen (…) Mitteln und (…) größter Schärfe“ durchzuführen. Dem, der bei der Wahl und Schärfe des Mittels bei der Bekämpfung der Banden über das „übliche zurückhaltende Maß“ hinausginge, wurde Deckung zugesagt. Dies belegt, dass die Verfolgung einer Tat im Zusammenhang mit der sog. Bandenbekämpfung, wie die Tötung von „Sühnegefangenen/-geiseln“ (zum Begriff vgl. Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im Zweiten Weltkrieg - Hinweise zur rechtlichen Beurteilung - Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg 1968 S. 3 mwN) als Vergeltung für die Tötung deutscher Soldaten durch Partisanen, aus den genannten Gründen unterbleiben sollte. Auch die von der Strafkammer zur „Verfolgungswahrscheinlichkeit“ der Tat gehörte Sachverständige Dr. von L. , die auf diesem Gebiet intensiv geforscht hat, hält eine Verfolgung einer solchen Tat im Hinblick auf die damalige Befehlslage für ausgeschlossen. Dabei verweist sie auch darauf, dass die vollständig erhaltenen und nunmehr umfassend ausgewerteten Gerichtsakten der Heeresgruppe C insbesondere auch nach diesem Befehl kein Verfahren gegen einen deutschen Soldaten wegen einer Tat zum Nachteil italienischer Zivilisten dokumentieren. Soweit es Hinweise auf die Meldung solcher Vorgänge an zur Mitwirkung an ihrer Strafverfolgung berufene Stellen gibt, wurden diese indes nicht aktenkundig gemacht.
19
Allerdings hat der Bundesgerichtshof auf der Grundlage des Zweifelssatzes die Annahme gebilligt, dass bei einer im Oktober 1943 begangenen, als Mord bewerteten Tötung italienischer Zivilisten durch einen deutschen Offizier die Möglichkeit einer Strafverfolgung schon vor Kriegsende nicht ausgeschlossen gewesen sei (BGH, Urteil vom 1. März 1995 - 2 StR 331/94, NJW 1995, 1297). Jedoch war in jenem Fall die Befehlslage zur Tatzeit am Tatort unklar und es stand die Möglichkeit eines individuellen Exzesses im Raum, der möglicherweise nur deshalb nicht verfolgt wurde, weil er nicht bekannt wurde. Hier war demgegenüber die Befehlslage eindeutig und die Tat kein individueller, unbekannt gebliebener Exzess. Sie geschah vielmehr im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten und mit dessen Unterstützung.
20
Nach alledem hat die Verjährung bis Kriegsende geruht, so dass die genannten Gesetze von 1965, 1969 und 1979 eingreifen und die Tat daher noch verfolgbar ist.
21
b) Weitere Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie als Mord (§ 211 StGB) zu werten ist, da lediglich insoweit die Verjährung aufgehoben ist. Läge etwa (nur) Totschlag (§ 212 StGB) vor, wäre inzwischen Verjährung eingetreten. Ob Mord vorliegt, ist hier daher nicht erst bei der sachlich-rechtlichen Überprüfung des Schuldspruchs, sondern schon bei der Frage, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung vorliegt, von entscheidender Bedeutung.
22
Die Strafkammer hat die von dem Angeklagten befohlene Tötung der italienischen Zivilisten zu Recht als Mord bewertet. Sie hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe rechtsfehlerfrei bejaht.
23
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 130 mwN). Bei einer Tötung aus Wut und Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH aaO mwN). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05; BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - 5 StR 508/06, NStZ 2007, 330, 331; jew. mwN). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285).
24
Diesen Anforderungen an die vorzunehmende Gesamtwürdigung wird das angefochtene Urteil gerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten, sondern vielmehr erst dann, wenn die Gefühlsregungen , auf denen sie beruhen, ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich sind, wie z.B. nach einem vom Opfer begangenen schweren Unrecht oder einer schwerwiegenden Kränkung des Täters durch das Opfer, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008 mwN). Hier war der Angeklagte von der Tötung der beiden zu seiner Kompanie gehörenden Soldaten, die in seinem Auftrag unterwegs waren, durch die Partisanen zwar persönlich betroffen. Die italienischen Zivilisten, deren Tötung der Angeklagte im Rahmen der von ihm befehligten Vergeltungsmaßnahme veranlasste, hatten aber nach den Feststellungen des Landgerichts mit dem Partisanenüberfall nichts zu tun. Keines der Opfer stand in dem Verdacht, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein oder die Partisanen in irgendeiner Form unterstützt zu haben. Hinzu kommt, dass es dem Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts bei der Durchführung der Vergeltungsaktion darum ging, möglichst „alle, junge wie alte, männlichen Einwohner der umliegenden Ortschaften (…), derer seine Einheit habhaft werden konnte“, zu töten. Ein solcher zufälliger, unterschiedsloser und deshalb willkürlicher Rückgriff auf die gesamte männliche Zivilbevölkerung eines ganzen Landstrichs, mit dem Ziel, diese auszulöschen, offenbart ebenfalls die niedere Gesinnung des Angeklagten bei der Tatbegehung, der hierdurch ein außerordentliches Maß an Missachtung der körperlichen Integrität seiner Opfer zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHR StGB § 11 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 40).
25
Dieses Maß an Missachtung zeigt sich darüber hinaus auch besonders in der Vorbereitung und Durchführung der Tötung der unschuldigen Zivilisten auf Anordnung des Angeklagten. Bei der von dem Angeklagten veranlassten Vergeltungsaktion handelte es sich nicht um eine Spontantat (vgl. allgemein zur Bedeutung eines spontanen Tatentschlusses für die Annahme niedriger Beweggründe BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 - 2 StR 96/00, NStZ 2001, 87; BGH, Urteil vom 14. Juli 1988 - 4 StR 210/88, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 11). Sie war vielmehr von dem Angeklagten gründlich vorbereitet. Für die Durchführung war ihm auf seinen Wunsch hin schon am Vortag durch das Bataillonskommando logistische Unterstützung durch mehrere Kisten Sprengstoff und ein Flakgeschütz (das beim Durchkämmen der Wälder dazu eingesetzt werden sollte, die sich dort versteckt haltenden Personen aufzuscheuchen ) gewährt worden. Die ihm unterstellten Zugführer informierte er schon am Vorabend der Tat über die von ihm geplante Vergeltungsaktion. Seine Opfer hingegen ließ er bis zur Sprengung des Gebäudes, in dem sie eingesperrt worden waren, über ihr Schicksal im Ungewissen. Keinem von ihnen war klar, dass ein Angriff auf sein Leben unmittelbar bevorstand, obwohl der Angeklagte dies seit langem schon so entschieden hatte. Angesichts dieser Umstände stellt sich die von dem Angeklagten veranlasste Tötung der Zivilisten durch Sprengung des Gebäudes und das sich anschließende Maschinengewehrfeuer, was jeweils für sich gesehen schon eine entwürdigende und erniedrigende Hinrichtungsart ist (vgl. Gribbohm, Selbst mit einer Repressalquote von zehn zu eins? Über Recht und Unrecht einer Geiseltötung im Zweiten Weltkrieg - Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen Kleine Schriften Bd. 6, S. 29), als besonders menschenverachtend dar (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43 mwN).
26
Eine solche aus Rachsucht motivierte und gründlich vorbereitete Tötung von Unschuldigen, die durch ihr Verhalten keine Veranlassung für die durchgeführte Vergeltungsmaßnahme gegeben haben, durch Sprengung eines Gebäudes und anschließendes Maschinengewehrfeuer kann daher selbst vor dem Hintergrund einer kriegsbedingten Ausnahmesituation nicht mehr als menschlich verständliche Handlung des Angeklagten angesehen werden. Sie ist vielmehr Ausdruck einer auf tiefster Stufe stehenden und besonders verachtenswerten Gesinnung. Mit dieser Wertung hat das Landgericht seinen aufgezeigten Beurteilungsspielraum offensichtlich nicht überschritten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1975 - 1 StR 192/75 ; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03 [Rz. 38]; allgemein zur Tötung von Unbeteiligten vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43).

III.

27
Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen, die auch durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden, unbegründet.

IV.

28
Auch die Sachrüge bleibt erfolglos.
29
Der Angeklagte war erstmals 2005 auf Ersuchen der italienischen Behörden als Beschuldigter vernommen worden. Damals hatte er erklärt, er habe mit der Tat nichts zu tun, so etwas wäre illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar gewesen. Auch im gesamten weiteren Verfahrensverlauf hat er die Tat nicht eingeräumt. Die Strafkammer sieht ihn dennoch als überführt an, weil die Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme ausschließlich von Soldaten der 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 durchgeführt wurde, deren alleiniger befehlshabender Offizier zur Tatzeit der Angeklagte war. Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung sind nicht ersichtlich. Auch die rechtliche Bewertung der Tat durch die Strafkammer als Mord (§ 211 StGB) ist zutreffend (vgl. oben II 2. b).
30
Anders als die Revision meint, ist die Tat auch weder als Kriegsrepressalie gerechtfertigt (1.), noch als Handeln auf Befehl straffrei (2.).
31
1. Eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Bewertung der Tat als eine zur Tatzeit nach Kriegsvölkergewohnheitsrecht zulässige Kriegsrepressalie kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen hierfür sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht fehlen.
32
a) Die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes erfordert neben seinen objektiven Voraussetzungen auch ein oft „Rechtfertigungsvorsatz“ genanntes subjektives Rechtfertigungselement. Die rechtfertigenden Umstände müssen dem Täter bekannt sein und sich im Motiv seines Handelns niederschlagen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 552/51, BGHSt 2, 111, 114 <übergesetzlicher Notstand>; BGH, Beschluss vom 8. März 2000 - 3 StR 67/00, NStZ 2000, 365, 366 ; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1953 - 3 StR 151/53, BGHSt 5, 245, 247 ; BGH MDR 1953, 401 <§ 193 StGB>; LK-Rönnau, 12. Aufl., vor § 32 Rn. 82 Fußn. 295 mwN auch zu anderen Rechtfertigungsgründen). Gründe für die Annahme, bei einer mögli- chen Rechtfertigung wegen einer Kriegsrepressalie gelte anderes, sind nicht ersichtlich (zur Notwendigkeit eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ bei allen Rechtfertigungsgründen vgl. auch eingehend Rönnau aaO Rn. 82 mwN).
33
Hier ist der Angeklagte bei der Tat jedoch nicht davon ausgegangen, er handle im Rahmen einer zur Tat vom Recht gedeckten Kriegsrepressalie. Dagegen spricht seine Einlassung, er habe die von ihm selbst als illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar bewertete Tat nicht begangen.
34
Durch die so begründete Ablehnung eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ entstehen dem Angeklagten hier keine Nachteile aus einem zulässigen Verteidigungsverhalten.
35
Allerdings kann ein die Tat bestreitender Angeklagter nicht zugleich (möglicherweise) strafmildernde Umstände vorbringen. Gleichwohl, so die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insbesondere im Zusammenhang mit § 213 StGB, ist insoweit von der dem Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den konkreten Umständen in Betracht kommt, damit ihm aus zulässigem Verteidigungsverhalten keine Nachteile erwachsen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 1 StR 338/96, NStZ-RR 1997, 99 mwN).
36
Diese Fälle sind dem vorliegenden Fall zwar ähnlich, aber nicht mit ihm identisch. Dort erscheint möglich, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Strafmilderungsgründe beruft, weil er lieber freigesprochen als (nur) milder bestraft werden will. Hier wäre demgegenüber zu unterstellen, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Gesichtspunkte beruft, die (möglicherweise ) zu einem Freispruch wegen eines Rechtfertigungsgrundes führen könnten, weil er lieber mangels Tatnachweises freigesprochen werden will.
37
Letztlich braucht der Senat diesem Unterschied aber nicht näher nachzugehen. Die Strafkammer hat nämlich mit rechtsfehlerfreien Erwägungen im Einzelnen dargelegt, dass der Angeklagte bei der Tat wusste, dass sie unter militärischen Gesichtspunkten keinen Sinn hatte, sondern ausschließlich der Rache für den Anschlag an hieran Unbeteiligten diente, und dass sein Vorgehen deshalb - entsprechend seiner eigenen Bewertung im Rahmen seines Verteidigungsvorbringens - einen rein verbrecherischen Charakter hatte.
38
b) Ohnehin kommt eine Rechtfertigung des Angeklagten mit Blick auf eine nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht als zulässig angesehene Kriegsrepressalie durch Tötung von „Sühnegefangenen“ hier nicht in Betracht (zur Fortgeltung des Kriegsvölkergewohnheitsrechts für sog. „Altfälle“ vgl. Gribbohm aaO S. 32 mwN; zur Zulässigkeit von Kriegsrepressalien vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03, BGHSt 49, 189, 193 mwN und zu deren völkerrechtlichen Grundlagen zusammenfassend Gribbohm aaO S. 5 ff, 25 ff m. zahlr. Nachw.). Die auch nach damaligem Rechtsverständnis hierfür erforderlichen objektiven Voraussetzungen waren nämlich insgesamt nicht erfüllt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Umfeldes, als auch hinsichtlich der Auswahl der Opfer, der Art ihrer Tötung und dem darauf folgenden Geschehen.
39
(1) Regelmäßige Voraussetzung für eine derartige Aktion war, dass sie letztlich im besetzten Gebiet zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diente (Gribbohm aaO S. 25; Artzt/Penner aaO S. 5 f unter Hinweis auf Art. 43 HLKO). Schon daran fehlte es. Das in Rede stehende Gebiet war nicht (mehr) von den Deutschen besetzt, die Alliierten waren wenige Kilometer entfernt, der Angeklagte war mit seinem Truppenteil nur kurzfristig in der Region, um die für den Rückzug wichtige Brücke zu reparieren, eine wie auch immer geartete Berechtigung oder Verpflichtung, gegenüber der einheimischen Bevölkerung noch öffentliche Sicherheit und Ordnung durchzusetzen, bestand, auch wenn sie sonst bestanden haben sollte, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr. Eine im Rahmen von Kriegsgeschehen erfolgte „vorbeugende Erschießung“ zur Abwehr womöglich anderweitig drohender künftiger Gefahren hat der Bundesgerichtshof als „verbrecherisch“ bewertet (BGH, Urteil vom 30. September 1960 - 4 StR 242/60, BGHSt 15, 214, 217). Es ist nicht ersichtlich , warum für eine vorbeugende Tötung Unbeteiligter, die nicht der Wahrung und Durchsetzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem besetzten Gebiet diente, anderes gelten könnte.
40
(2) Kriegsrepressalien waren von der so genannten Humanitätsschranke begrenzt. Wenn auch - um so mehr nach heutigem Verständnis - eine wie auch immer durchgeführte „humane“ Tötung Unschuldiger kaum vorstellbar ist, so fiel unter diesen Begriff jedenfalls schon damals das Verbot von Kriegsrepressalien gegen Frauen und Kinder (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1955 - 3 StR 603/54 ; BGH, Urteil vom 17. März 1967 - 4 StR 464/66, wo zwischen „Kindern“ und „Kleinkindern“ nicht durchgängig unterschieden ist; vgl. auch Artzt/Penner aaO S. 26; v. Münch, Geschichte vor Gericht - Der Fall Engel, S. 55).
41
Die Revision meint, die hier Opfer gewordenen Personen im Alter von damals 15 und 16 Jahren seien keine Kinder gewesen. Der Senat neigt nicht zu dieser Auffassung. Das Gesetz definiert den Begriff des Kindes nicht einheitlich. Die UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 - in Deutschland seit dem 5. April 1992 in Kraft (vgl. die Bekanntmachung vom 10. Juli 1992, BGBl. II S. 990) - definiert in Art. 1 Kinder als Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Entsprechend dem jeweiligen Regelungsbedarf hat der Begriff des Kindes etwa im Strafrecht einen anderen Inhalt als im Unterhaltsrecht oder im Erbrecht. Fehlt, wie hier, mangels Kodifikation eine ausdrückliche Altersgrenze zur Definition des Begriffs des Kindes, ist daher auf den Rege- lungszusammenhang abzustellen (in vergleichbarem Sinne OLG Zweibrücken NStZ 1985, 179, 180). Aus der damals vorgenommenen Gleichsetzung von Frauen und Kindern ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass Kriegsrepressalien nicht gegen solche Personen gerichtet sein sollten, die schon im Ansatz nicht (Frauen) oder noch nicht (Kinder) als reguläre Soldaten in Frage gekommen wären. Nach dem damals geltenden italienischen Wehrpflichtgesetz begann die Wehrpflicht jedoch erst mit 17 Jahren (v. Münch aaO S. 104), so dass hier die beiden von der Vergeltungsaktion betroffenen Jugendlichen nicht zum Militärdienst hätten eingezogen werden können, weshalb sie nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall als Kinder angesehen werden müssen.
42
(3) Als ein für die Beurteilung der „Humanität“ einer Tötung im Rahmen einer Repressalie wesentlicher Gesichtspunkt wurde damals auch vielfach die Art der Tötung angesehen (Gribbohm aaO S. 29; Artzt/Penner S. 26). Als eine entwürdigende und erniedrigende und daher inhumane und von Kriegsrecht nicht gedeckte Tötungsart galt die hier praktizierte Sprengung des Gebäudes, in dem die über ihr Schicksal bewusst im Unklaren gelassenen Opfer gefangen gehalten wurden (Gribbohm aaO S. 28 f). Für das zusätzlich anschließend noch praktizierte Maschinengewehrfeuer gilt nichts anderes (Gribbohm aaO S. 29; vgl. auch v. Münch aaO S. 112).
43
(4) Als völkerrechtlich unumstrittenste Anforderung an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie galt in diesem Zusammenhang die so genannte Notifikation, d.h. die öffentliche Bekanntmachung des Geschehens (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03, BGHSt 49, 189, 193; BGH, Urteil vom 30. September 1960 - 4 StR 242/60, BGHSt 15, 214, 217; Artzt/Penner aaO S. 28; Gribbohm aaO S. 29). Ihr Sinn lag darin, dass einerseits das Ziel der Abschreckung vor künftigen Wiederholungen von gegen die Besatzungsmacht gerichteten Anschlägen erreicht werden sollte (Artzt/Penner aaO) und anderer- seits gezeigt werden sollte, „dass die Maßnahmen der Durchsetzung des Rechts dienen (…) und deshalb das Tageslicht nicht zu scheuen brauchen“ (Gribbohm aaO S. 28). Eine solche Bekanntmachung ist vorliegend nicht erfolgt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie ursprünglich vor Begehung der Tat beabsichtigt gewesen wäre.
44
c) Es mag zwar in Einzelfällen durchaus vorstellbar sein, dass trotz der Nichteinhaltung einzelner, auch nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Gesamtumstände ausnahmsweise von einer zulässigen (Repressal)Maßnahme ausgegangen werden kann (Gribbohm aaO S. 30). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auch eine Gesamtschau der Tatumstände unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte führt hier dazu, dass die Auffassung der Strafkammer, die objektiven Voraussetzungen einer zulässigen Kriegsrepressalie würden hier fehlen, rechtlicher Überprüfung ohne weiteres Stand hält.
45
d) Nachdem die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht vorliegen, braucht der Senat der uneinheitlich beurteilten Frage nicht nachzugehen, welche Konsequenzen sich dann ergeben könnten, wenn zwar die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen, dieser aber gleichwohl wegen des fehlenden „Rechtfertigungsvorsatzes“ nicht eingreift (vgl. hierzu Rönnau aaO Rn. 88, 90 mwN für die unterschiedlichen Auffassungen).
46
2. Die Tat ist schließlich auch nicht nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuchs (MStGB) straffrei, der noch immer für vor seiner Aufhebung durch das Kontrollratsgesetz Nr. 34 mit Wirkung vom 20. August 1946 begangene Taten anwendbar ist (BGH LM § 47 MStGB Nr. 1, 3). Auch in diesem Zusammenhang braucht der Senat der Frage, ob dem Ange- klagten, der sich hier auch nicht auf die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Satz 1 MStGB beruft, durch ein zulässiges Verteidigungsverhalten ein Nachteil entstehen kann, nicht nachzugehen (vgl. oben IV1. a), da bereits die objektiven Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vorliegen.
47
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden MStGB ist, von näher beschriebenen Ausnahmen abgesehen, ein befehlender Vorgesetzter allein verantwortlich, wenn „durch die Ausführung eines Befehls (…) ein Strafgesetz verletzt“ wird (zur heutigen Rechtslage vgl. MünchKommStGB/Dau, § 5 WStG Rn. 4 mwN). Ein Befehl erforderte aber, dass der Vorgesetzte - so ältere militärrechtliche Rechtsprechung - „in gebietender Weise“ (RGSt 58, 110; 64, 69) Gehorsam verlangt (vgl. auch Schölz/Lingens, WStG, 4. Aufl., § 2 Rn. 9). Hieran fehlte es, wenn der Untergebene seinem Vorgesetzten eine Maßnahme vorschlug und deren Genehmigung einforderte. Auch wenn diese Genehmigung durch den Vorgesetzten äußerlich ein Befehl ist, fehlt die zur Entlastung des Untergebenen nötige Alleinverantwortlichkeit des Vorgesetzten, der hier nicht „ausschließlich (…) durch Ausübung seiner Befehlsgewalt (…) die Folgen (…) des Befehls“ herbeigeführt hat (BGH LM § 47 MStGB Nr. 3). Vorliegend beruht die Tat des Angeklagten nicht etwa nur auf dem Befehl seines Vorgesetzten, sondern sie entsprach seinem Plan, den er schon vor Erteilung des Befehls hatte , nämlich eine sog. Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung durchzuführen. Nur deshalb hatte er dem Bataillonskommandeur nahegelegt, einen entsprechenden Befehl zu erteilen. Wer einen solchen Plan hat und den Vorgesetzten zu dessen Genehmigung, auch in Form eines Befehls, - strafrechtlich gesprochen - anstiftet, kann nicht mit dem Vorbringen gehört werden, er hätte diesem Befehl gehorchen müssen, da es in einer solchen Situation an der typischerweise mit der Gehorsamspflicht verbundenen, einer Notstandslage nahe kommenden Konfliktslage eines Untergebenen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1971 - 3 StR 337/68; Schölz/Lingens, aaO zu § 5 WStG Rn. 3). Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass der Angeklagte gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB auch deshalb als Teilnehmer des Mordes zu bestrafen wäre, weil ihm „bekannt gewesen ist, dass der Befehl (…) ein (…) militärisches Verbrechen (…) bezweckte“.
48
3. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Das Alter des Angeklagten, die Dauer des Verfahrens und die Zeitspanne zwischen Tat und Aburteilung sind in Fällen der vorliegenden Art keine derart außergewöhnlichen Umstände, aufgrund derer die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unverhältnismäßig erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01, StV 2002, 598).
Nack Wahl Elf Jäger Sander

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

14
Diese Begründung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat niedrig sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen , erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen nach der Rechtsprechung in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 mwN). Der Täter muss weiterhin die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie - insbesondere auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie dies etwa Verärgerung , Wut und Eifersucht sind - in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (st. Rspr.; vgl. Fischer, aaO, Rn. 82 mwN). Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 419/06, NStZRR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
7
a) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, und vom 24. Januar 2006 – 5 StR 410/05, NStZ-RR 2006, 140, jeweils mwN). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 1. März 2012 aaO). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die Intimpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation fraglich erscheinen lassen (BGH, Urteile vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, und vom 2. Mai 1990 – 3 StR 11/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 18).
5 StR 97/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juli
2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sch.
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K. ,
Rechtsanwalt R.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt M.
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. September 2005 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenklägerin tragen jeweils die Kosten des eigenen Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ohne Erlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt; von dem Anklagevorwurf eines weiteren tatmehrheitlichen Mordversuchs hat es ihn freigesprochen. Das Urteil wird mit Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin angefochten, die jeweils mit der Sachrüge geführt werden. Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der zur Tatzeit 48-jährige Angeklagte stammt aus einfachsten, sozial wenig stabilen Verhältnissen und hat weder Lesen noch Schreiben gelernt. Aufgrund seiner simplen Charakterprägung und seiner geringen Intelligenz (IQ 75) war der Angeklagte auf feste äußerliche Strukturen (Arbeit, Familie) fixiert. In der Ehe mit seiner zweiten Frau S. , einem der beiden späteren Tatopfer, wurden sieben Kinder geboren. Das Familienleben gestaltete sich äußerst problematisch. Beide Ehepartner waren nicht in der Lage, den Kindern Liebe und Geborgenheit zu vermitteln. Der Angeklagte war häufig jähzornig und schlug sowohl seine Frau als auch seine Kinder grundlos. Schon mehrfach hatte S. – bis auf einmal nur kurzzeitig – die Familie verlassen. Zuletzt verschwand sie im Oktober 2003 spurlos und ließ den zu dieser Zeit arbeitslosen Angeklagten und die Kinder alleine.
4
Der Angeklagte bemühte sich zwar, sein Leben und das der Kinder so weit wie möglich in Ordnung zu halten, war aber bald von dieser Aufgabe überfordert. Im November 2003 versuchte er, sich das Leben zu nehmen. Er wurde mit Hilfe einer seiner Töchter und zweier Nachbarn, darunter das zweite spätere Tatopfer H. , gerettet. Nach dem Selbsttötungsversuch des Angeklagten gelang es, Kontakt zu S. herzustellen , die Ende 2003 wieder in die gemeinsame Ehewohnung einzog und erreichte , dass der Angeklagte sich ihr und den Kindern zunächst nicht mehr nähern durfte. Nahezu zeitgleich zog der Zeuge B. , ein langjähriger Freund der Familie, zur Ehefrau des Angeklagten in die gemeinsame Ehewohnung. Der Angeklagte war sehr enttäuscht, gekränkt und verbittert; er fühlte sich – nach über 20 Jahren Ehe – „wie ein Stück Schrott, das aussortiert wird“. Er verharrte aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur in einem Teu- felskreis von tiefer Gekränktheit und dem Gefühl, jeglichen Wert verloren zu haben. Problemlösungen konnte er in seiner geistigen Unbeweglichkeit und charakterlichen Beschränktheit nicht finden. Er empfand große Wut und Hass auf seine Ehefrau und ihren neuen Partner. Trotz Verbesserung der äußeren Verhältnisse und des Kontakts zu den Kindern in den Folgemonaten entwickelte er – gefangen in stetigen Rachegedanken – schließlich den Plan, seine Ehefrau, B. und eventuell sich selbst zu erschießen. Anfang 2005 beschaffte sich der Angeklagte eine Pistole samt dazugehöriger Munition , ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Erlaubnis zu sein.
5
Am Tattag, dem 20. Januar 2005, hatten die getrennt lebenden Eheleute einen Termin beim Jugendamt, zu dem der Angeklagte seine Pistole mitnahm. Obgleich die Besprechung für ihn objektiv eher günstig verlief, war der Angeklagte sehr angespannt; er wurde laut, beschimpfte seine Frau und warf ihr vor, dass sie alles tun würde, damit er nicht die Kinder bekomme. Nach dem Gespräch lehnte der Angeklagte das Angebot eines Beamten, ihn mit dem Auto mitzunehmen, mit dem unzutreffenden Einwand ab, er sei mit dem Fahrrad unterwegs. S. machte sich mit B. und H. – den sie als Nachbarn wie B. zum Schutz vor dem Angeklagten zu dem Termin mitgenommen hatte – zu Fuß auf den Heimweg. Der Angeklagte folgte ihnen. Die drei Personen wechselten verängstigt die Straßenseite. Der Angeklagte verfolgte sie weiter und beschimpfte sie unflätig. Hiervon ließen sich die drei allerdings nicht provozieren, sondern gingen stumm weiter. Dies wirkte auf den unverändert gewaltbereiten, rachsüchtigen und tief gekränkten Angeklagten wie eine Verhöhnung, weil er sich durch diese Vorgehensweise von der gesamten Gruppe ausgeschlossen fühlte. Er zog seine Waffe und lud sie laut vernehmlich durch, wobei er eine Patrone verlor; dies bemerkte B. , der jedoch, ohne zu reagieren, weiterlief. Auch als der Angeklagte zwei Warnschüsse abgab, reagierte die Gruppe nicht.
6
In dieser Situation entschloss sich der Angeklagte, der sich nicht ernst genommen fühlte, seine Waffe gezielt gegen die drei Menschen vor ihm einzusetzen. Hierfür waren Gefühle wie Wut, Hass, Rache, Enttäuschung und die tiefe Kränkung über die Trennung entscheidend, wobei keines der Gefühle besonders bestimmend war. Der Angeklagte erschoss zunächst H. , den er, als dieser sich gerade umdrehte, aus höchstens fünf Metern Entfernung mit einem Schuss tödlich in die Stirnmitte traf. Anschließend erschoss der Angeklagte seine Ehefrau, auf die er insgesamt vier Schüsse abgab, zuletzt einen tödlichen Kopfschuss aus einem Meter Entfernung auf das am Boden liegende Opfer. Währenddessen war B. weitergelaufen und hatte ein Auto angehalten. Obwohl die Munition des Angeklagten noch nicht aufgebraucht war und er auch in dieser Situation noch auf B. hätte schießen können, nahm er nunmehr von seinem Entschluss Abstand , alle drei Personen der Gruppe zu töten.
7
Zwei Stunden später stellte sich der Angeklagte, der einen gehetzten , wenig später zeitweise tief erschütterten Eindruck machte, der Polizei.
8
Das Landgericht hat die Tötung von H. und S. als tateinheitliches Delikt des Totschlags gewertet und die Annahme niedriger Beweggründe maßgeblich unter Hinweis auf die besondere Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten abgelehnt. Hinsichtlich des Zeugen B. hat das Landgericht einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch des Totschlags angenommen.

II.


9
Die Revisionen bleiben erfolglos.
10
1. Die Revision des Angeklagten deckt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Die Überzeugung des Schwurgerichts vom Tötungsvorsatz des Angeklagten bei dem Schuss auf H. unterliegt angesichts der zur Schussentfernung, zur Zielrichtung und zum weiteren Tatablauf rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ersichtlich keinen rechtlichen Bedenken.
11
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Ablehnung von Mord aus niedrigen Beweggründen, die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses und der Teilfreispruch wegen Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der Tötung B. beanstandet werden, ist unbegründet.
12
a) Wie die Bundesanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, ist die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts betreffend B. ersichtlich rechtsfehlerfrei. Nach den nicht zu beanstandenden Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte insoweit aus freien Stücken, ohne an einer weiteren Tötungshandlung gehindert zu sein, von der Tatbegehung Abstand.
13
Die Annahme von Tateinheit ist auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen hinnehmbar (vgl. auch BGH NStZ 2006, 167, 169).
14
b) Die Revision der Staatsanwaltschaft wird von der Bundesanwaltschaft insoweit vertreten, als damit beanstandet wird, das Landgericht habe das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu Unrecht abgelehnt. Allein dieser Einwand bedarf näherer Erörterung, er greift indes ebenfalls nicht durch. Neben der Ablehnung anderer Mordmerkmale, deren Voraussetzungen nicht feststellbar waren (Heimtücke, Ermöglichung einer anderen Straftat), erweist sich auch die Verneinung niedriger Beweggründe letztlich nicht als rechtsfehlerhaft.
15
aa) Beweggründe sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig , wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind und – in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag – als verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH aaO; BGH NJW 2006, 1008, 1011 m.w.N.).
16
Bei den hier zu treffenden Wertungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann. Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist dies auch dann nicht zu beanstanden, wenn ein anderes Ergebnis möglich oder gar näher liegend gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, insoweit in BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7 nicht abgedruckt; BGH NStZ 2006, 284, 285; Altvater NStZ 2006, 86, 89).
17
In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außerstande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 m.w.N.). Der genannte tatgerichtliche Beurteilungsspielraum gilt auch für die Bewertungen im Zusammenhang mit den subjektiven Anforderungen an das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, die mit den objektiven Kriterien in engstem Zusammenhang stehen.
18
bb) Danach ist die Ablehnung niedriger Beweggründe aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden:
19
Das Schwurgericht hat sämtliche Umstände der Tat, der Persön -lichkeit des Angeklagten und seiner Lebensverhältnisse umfänglich dar- gestellt und gewürdigt. Ausführlich hat das Schwurgericht insbesondere die ins Auge springenden Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten herausgestellt, der aufgrund seiner sehr niedrigen Intelligenz und seiner einfachen Persönlichkeitsstruktur, die ihm differenziertere, namentlich selbstkritische Erwägungen verschloss, die Trennung seiner Frau als besonders tiefe Kränkung empfunden hat, von der er sich persönlichkeitsbedingt nicht mehr freimachen konnte.
20
(1) Bei dem Tatopfer S. hat das Schwurgericht erkennbar bedacht, dass nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Ehepartner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, zwangsläufig auf niedrigen Beweggründen beruht. Vielmehr können in einem solchen Fall – wie hier – tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation namentlich dann fraglich erscheinen lassen können , wenn die Trennung von dem Tatopfer ausgegangen ist und der Täter durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32; BGH NStZ 2004, 34 m.w.N.).
21
Die Erwägungen des Schwurgerichts sind in diesem Zusammenhang – entgegen der Auffassung der Bundesanwaltschaft – auch nicht lückenhaft. Dass das Schwurgericht, wie die Bundesanwaltschaft meint, bei seiner Gesamtwürdigung nicht bedacht haben könnte, dass der Jähzorn und die Gewalttätigkeit des Angeklagten seine Ehefrau zur Trennung veranlasst haben, ist schon angesichts der mehrfachen Erwähnung dieser Umstände in den Urteilsgründen ausgeschlossen. Diesen Zusammenhang zu erkennen und selbstkritisch zu würdigen, war der Angeklagte aufgrund seiner Charakterprägung außer Stande. Dies könnte ihm namentlich deshalb auch nicht als schuldhafte Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit angelastet werden, weil die Begleitumstände der Trennung wie die vorangegangener Trennungen nach den getroffenen Feststellungen schon objektiv zwar ein primäres, nicht indes ein alleiniges Verschulden des Angeklagten an der familiären Zerrüttung belegen.
22
(2) Bei dem Tatopfer H. hat das Schwurgericht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entscheidend darauf abgestellt, dass die Motivation des Angeklagten zur Tötung aller drei von ihm Verfolgten auf diffusen Gefühlen der Wut, des Hasses, der Rache, der Enttäuschung und der tiefen Kränkung infolge der Trennung seiner Ehefrau und darauf beruhte, dass der Angeklagte alle drei als eine ihn ausschließende Gemeinschaft wahrgenommen hat, von der er sich zudem verhöhnt wähnte (vgl. UA S. 14). Nach den vom Schwurgericht als glaubhaft angesehenen spontanen Angaben des Angeklagten zu seinem Tatmotiv (UA S. 17) liegt es angesichts der beschriebenen Persönlichkeitsstruktur des jähzornigen Angeklagten zudem fern, dass er die ihn in diesem Moment bestimmenden gefühlsmäßigen Regungen gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern konnte. Der latente Tötungsplan des Angeklagten, der durch den Erwerb und das Mitführen der Tatwaffe und die gezielte Verfolgung der verhassten Opfer belegt wird, ändert angesichts seiner gravierenden, auch von fremd- und selbstzerstörerischen Elementen geprägten Persönlichkeitsdefekte die Beurteilung nicht maßgeblich.
23
Soweit die Bundesanwaltschaft demgegenüber die besondere Sinnlosigkeit der situativen Verärgerung des Angeklagten über die drei von ihm verfolgten Personen und das Fehlen eines vernünftigen Grundes für die Tötung von H. als Beleg für ein als niedrig zu bewertendes Tötungsmotiv herausstellt, trägt sie mit solchen letztlich normativen Erwägungen den in der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten angelegten Besonderheiten der Tatentstehung und Tatbegehung nicht ausreichend Rechnung, die das Schwurgericht ohne Erörterungsmängel oder Wertungsfehler vertretbar in den Mittelpunkt seiner Bewertung gestellt hat. Die unter maßgeblicher Berücksichtigung der beschränkten Sicht des Angeklagten vorgenommene Bewertung auch dieser Tat als von ihm empfundene Verzweiflungstat und nicht als Aktion aus schlechterdings nicht nachzuvollziehendem, nur noch verachtenswertem Hass liegt innerhalb der Grenzen des Beurteilungsspielraums des Tatgerichts, den das Revisionsgericht hinzunehmen hat, wenn- gleich eine andere Beurteilung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei der Tötung des H. , des früheren Lebensretters des Angeklagten, ebenfalls vertretbar gewesen wäre und namentlich angesichts einer gewissen Vorplanung der Tat sogar näher gelegen hätte.
24
c) Schließlich ist die Verhängung der Höchststrafe aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB bei gleichzeitiger Verwerfung einer Anwendung des § 212 Abs. 2 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
25
3. Die Revision der Nebenklägerin ist nur insoweit zulässig, als die Nebenklägerin die Nichtannahme eines Mordmerkmals bei der Tötung ihrer Mutter S. rügt (vgl. § 400 Abs. 1 StPO). In diesem Umfang bleibt die Revision aus den genannten Gründen in der Sache ohne Erfolg.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 433/14
vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 23. April 2014 werden verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von drei Jahren angeordnet. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten mit der Sachrüge; der Angeklagte macht ferner die Verletzung formellen Rechts geltend. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am 22. Mai 2013 traf der Angeklagte kurz nach 13 Uhr auf der Straße den späteren Geschädigten M. , der drei Monate zuvor versucht hatte, in dem vom Vater des Angeklagten betriebenen Lebensmittelgeschäft eine Flasche Wodka zu stehlen. Der Angeklagte, der damals in dem Lebensmittelgeschäft an der Kasse tätig war, und M. , dem nach dem Diebstahlsversuch die Flucht gelungen war, erkannten einander wieder. Der Angeklagte fasste M. an den Schultern und forderte ihn auf, stehen zu bleiben bis die Polizei eintreffe. Der Geschädigte empfand die Situation als bedrohlich ; er stieß den Angeklagten zurück und entfernte sich rasch. Daraufhin stieg der unter einer „starken affektiven Anspannung“ stehende Angeklagte in seinen Pkw, um M. zu folgen; er wollte ihn nicht (erneut) entkommen lassen und fuhr in die Richtung los, in die sich M. entfernt hatte. Kurze Zeit später sah er den auf dem rechten Bürgersteig in Fahrtrichtung des Angeklagten gehenden M. , der zu diesem Zeitpunkt Ohrhörer trug und nicht mehr mit einem Auftauchen und einem Angriff seitens des Angeklagten rechnete. Als der Angeklagte den Geschädigten erkannte, entschloss er sich spontan, ihm einen „Denkzettel“ zu verpassen; er wollte M. anfahren, um ihn „für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen“. Der Angeklagte lenkte sein Fahrzeug auf den Gehsteig, wo er M. mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h von hinten erfasste. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass der Geschädigte sich bei diesem Vorgehen verletzen und möglicherweise zu Tode kommen könnte; damit fand er sich ab. Er bezog jedoch – schon aufgrund der Schnelligkeit des Geschehens – nicht in seine Überlegungen ein, dass der ihm den Rücken zuwendende Geschädigte dem Angriff gegenüber arg- und wehrlos war. M. wurde durch den Anstoß in den Kniekehlen getroffen, prallte auf die Motorhaube und die Windschutzscheibe des Fahrzeugs, schlug dort mit dem Kopf auf und wurde schließlich nach rechts in eine Böschung geschleudert. Er erlitt hierdurch unter anderem eine Kalottenfraktur und eine Hirnblutung, die zwar abstrakt, jedoch nicht konkret lebensbedrohlich waren.
4
Nach der Kollision kam der Pkw des Angeklagten zunächst annähernd oder ganz zum Stillstand, bevor der Angeklagte beschleunigte und zum Geschäft seines Vaters fuhr. Die Entfernung zwischen dem Ort der ersten Begegnung des Angeklagten und M. und dem Kollisionsort betrug etwa 350 m.
5
2. Das Schwurgericht hat das Anfahren des Geschädigten als versuchten Totschlag (§ 212 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) gewertet. Hingegen liege kein versuchter Mord vor; niedrige Beweggründe seien schon objektiv nicht gegeben, an einer heimtückischen Tötung fehle es aus subjektiven Gründen. Das Weiterfahren nach der Kollision erfülle den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB).

II.


6
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
7
1. Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Schwurgericht den Angeklagten nicht – wie von der Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel erstrebt – wegen eines heimtückisch begangenen Mordversuchs verurteilt hat. Die hierzu vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen und die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung weisen – entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft – keinen Rechtsfehler auf.
8
a) Insbesondere liegen – worauf auch der Generalbundesanwalt zutreffend verweist – keine widersprüchlichen Feststellungen vor.
9
Denn der Angeklagte, der zunächst den Geschädigten aufgefordert hatte stehen zu bleiben und bis zum Eintreffen der Polizei zu warten, beabsichtigte bei Aufnahme der Fahrt zunächst nur, den Geschädigten nicht entkommen zu lassen, sondern ihn zu stellen und für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen. Einen Willen, den Geschädigten zu verletzen oder gar zu töten, hat das Schwurgericht für diesen Zeitraum (ausdrücklich) nicht festgestellt. Wenn es sodann ausführt, dass der Angeklagte im Zeitpunkt des Erkennens des Ge- schädigten auf dem Gehsteig den Entschluss fasste, diesem einen „Denkzettel“ zu verpassen und anzufahren, um ihn „in dieserForm für den Ladendiebstahl zur Rechenschaft zu ziehen“, so liegt darin im Hinblick auf die vielfältigen Mög- lichkeiten, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, kein Widerspruch zu den vorherigen Feststellungen.
10
b) Auch die Beweiswürdigung des Schwurgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
11
aa) Die Annahme einer „starken affektiven Erregung“ des Angeklagten zur Tatzeit hat die Strafkammer hinreichend mit Tatsachen belegt.
12
Denn sie übernimmt hierzu ersichtlich die Ausführungen des psychiatri- schen Sachverständigen zu der von diesem als „nachvollziehbar“ bezeichneten affektiven Anspannung des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Konflikts mit dem Nebenkläger sowie der starken Identifikation des Angeklagten mit seiner Familie und der hohen Wertigkeit der Tätigkeit in dem Lebensmittelgeschäft seines Vaters für den Angeklagten. Es ist ferner durch Zeugenvernehmungen im Zusammenhang mit anderen Ladendiebstählen in der Vergangenheit zu der Überzeugung gelangt, dass dem Angeklagten übertriebene Reaktionen auf solche Taten – auch mit verbal und körperlich aggressivem Verhalten – „nicht wesensfremd“ sind. Schließlich hat das Schwurgericht in Bezug auf die psychische Verfassung des Angeklagten bei dem Tötungsversuch auch bedacht , dass es nach der kurz zuvor handgreiflich verlaufenen offenen Konfrontation zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten diesem (erneut) gelungen war, zu fliehen. Damit hat die auch insofern sachverständig beratene Strafkammer entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht offen gelassen, auf welche Tatsachen sie die Feststellung der „starken affektiven Erregung“ des Angeklagten stützt.
13
bb) Auch die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
(1) Für das im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB erforderliche bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH, Urteile vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31; vom 12. Februar 2009 – 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264; vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN). Anders kann es jedoch bei „Augen- blickstaten“, insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein (BGH, Urteile vom 31. Juli 2014, aaO; vom 17. September 2008 – 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30, 31); auch kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein gefehlt hat (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014, aaO; Urteil vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233 mwN).
15
(2) Daran gemessen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke durch das Landgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
16
Bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke handelt es sich um eine vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage (BGH, Urteil vom 31. Juli 2014, aaO; Urteil vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233 mwN). Die für deren Beantwortung maßgeblichen – oben dargestellten – Grundsätze hat das Schwurgericht nicht verkannt, insbesondere nicht den Umstand, dass affektive Erregung und Ausnutzungsbewusstsein einander nicht prinzipiell ausschließen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1957 – GSSt 3/57, BGHSt 11, 139). Es hat sich im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung zudem nicht allein auf die starke affektive Erregung, in der sich der Angeklagte befand, gestützt, sondern daneben maßgeblich auf den spontanen Tatentschluss sowie den schnellen Geschehensablauf abgestellt, zumal die Annäherung des Angeklagten mit seinem Fahrzeug von hinten durch die Ver- folgung des Geschädigten bedingt, aber von ihm nicht gezielt gewählt worden war. Wenn das Schwurgericht angesichts dieser äußeren und inneren Umstände der Tat unter Berücksichtigung des Vorgeschehens eine sichere Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke nicht zu gewinnen vermochte, sondern – unter Bezugnahme auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen – zu der Auffassung gelangte, dass die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten für die Tat des Angeklagten nicht von Bedeutung war und er diese nicht bewusst ausgenutzt hat, so hält sich dies im Rahmen der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Ferner stellt es keinen Widerspruch dar, dass die Strafkammer das Ausnutzungsbewusstsein im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB verneint, aber bedingten Vorsatz hinsichtlich der Tötung des Geschädigten bejaht hat (vgl. Senat, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31).
17
2. Auch im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
18
Die Ablehnung niedriger Beweggründe hält sich ebenfalls innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. zu diesem etwa BGH, Urteile vom 8. März 2012 – 4 StR 498/11, NStZ 2012, 441, 442; vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525; Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, NStZ-RR 2011, 7, 8 jeweils mwN). Zwar liegt dieses Mordmerk- mal bei einem Akt der Selbstjustiz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 89 mwN). Angesichts des – namentlich vom maßgeblichen subjektiven Standpunkt des Angeklagten – durch schuldhaftes Vorverhalten des Opfers gesetzten Tatanlasses, des sich spontan steigernden Ablaufs sowie der Vor- satzform („Denkzettel“) und der psychischen Verfassung des Angeklagten weist die Ablehnung niedriger Beweggründe keinen Rechtsfehler auf (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Mai 2010 – 5 StR 115/10; ferner BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05).

III.


19
Die Revision des Angeklagten ist ebenfalls erfolglos.
20
1. Die Rüge, das Schwurgericht habe bei der Zurückweisung eines Hilfsbeweisantrages gegen Verfahrensrecht verstoßen, ist jedenfalls unbegründet. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 26. September 2014 bemerkt der Senat hierzu:
21
a) Das Schwurgericht hat den Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Gutachtens insbesondere zum Beweis der Tatsache, dass eine Kollisionsgeschwindigkeit eines Pkw Suzuki Swift von 40 – 45 km/h mit einer männlichen Person zwischen 20 und 35 Jahren grundsätzlich nicht bzw. allenfalls in 2 % der Fälle geeignet ist, tödliche Verletzungen herbeizuführen, ohne Rechtsfehler als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
22
Denn ohne Bedeutung ist eine Tatsache dann, wenn auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses ein Zusammenhang zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen, etwa weil sie nur einen möglichen Schluss zulässt, den das Gericht nicht ziehen will (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 54, 56). Dies hat das Schwurgericht hinsichtlich der unter Beweis gestellten Wahrscheinlichkeitsaussagen rechtsfehlerfrei mit der Begründung bejaht, eine lediglich statistisch begründete Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts bei einer PkwFußgänger -Kollision (jeder Art) stehe der Annahme nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall die konkrete Tathandlung (Anfahren einer unvorbereiteten Person auf dem Gehweg von hinten mit erheblicher Geschwindigkeit) objektiv (sehr) gefährlich war und zu schweren und – auch vom Vorsatz umfassten – tödlichen Verletzungen des Fußgängers führen konnte. Vorsatz bedeutet nicht, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für wahrscheinlich oder gar überwiegend wahrscheinlich hält, sondern dass er seinen Eintritt für möglich hält und sich damit abfindet; bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/ Schuster, StGB, 29. Aufl., § 15 Rn. 76 mwN). Dies hat das Schwurgericht auch vor dem Hintergrund, dass es zum konkreten Unfallgeschehen bereits eine Rechtsmedizinerin, einen Biomechaniker und einen Unfallanalytiker angehört hatte, die sich – teilweise – auch zu statistischen Werten für das Todesrisiko bei Pkw-Fußgänger-Kollisionen geäußert haben, nicht verkannt, weshalb es den Hilfsbeweisantrag als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos ablehnen durfte.
23
b) Entgegen der Auffassung der Revision war das Schwurgericht nicht verpflichtet, aufgrund der Stellung der Hilfsbeweisanträge erneut in die Beweisaufnahme einzutreten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2007 – 2 StR 322/07, NStZ 2008, 116; Scheffler, NStZ 1989, 158; Meyer-Goßner/ Schmitt, aaO, § 244 Rn. 44a mwN).
24
2. Der Sachrüge bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
25
a) Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts weist keinen Rechtsfehler auf.
26
Insbesondere hat die Strafkammer in ausreichender Weise belegt, warum sie einen Tötungsvorsatz des Angeklagten bejaht hat. Dass sie dabei – auch und gerade unter Berücksichtigung der psychischen Verfassung des Angeklagten – zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der „Denkzettel“, den der Angeklagte dem Nebenkläger verpassen wollte, mit der Billigung dessen Todes verbunden war, hält sich innerhalb der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Auch stellt es – wie schon oben ausgeführt – keinen Widerspruch dar, dass die Strafkammer das Ausnutzungsbewusstsein im Rahmen des Heimtückemerkmals des § 211 Abs. 2 StGB verneint , aber bedingten Vorsatz hinsichtlich der Tötung des Geschädigten angenommen hat (vgl. Senat, Urteil vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31).
27
b) Das Schwurgericht hat ferner ohne Rechtsfehler die Anwendung von § 46a StGB abgelehnt.
28
Diese erfordert unter anderem, dass der Angeklagte die Verantwortung für die begangene Straftat übernimmt (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 1 StR 265/11; Urteile vom 4. Dezember 2014 – 4 StR 213/14; vom 19. De- zember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 139, 141; vom 12. Januar2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440; vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34).
29
Das hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Denn der Angeklagte hatte sowohl im Rahmen seiner Vernehmungen im Ermittlungsverfahren als auch in dem Entschuldigungsschreiben vom 26. Juli 2013 an den Geschädigten angegeben, an seinem Fahrzeug sei ein Reifen geplatzt, weshalb er die Kontrolle über den Pkw verloren habe; in der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte – über die Entschuldigung beim Nebenkläger hinaus – lediglich dahin eingelassen, er habe niemanden verletzen oder töten wollen und dies auch nicht billigend in Kauf genommen. Eine Übernahme von Verantwortung in dem oben genannten Sinn musste das Landgericht hierin nicht sehen, da der Angeklagte durch die Darstellung eines Unglücks bzw. unverschuldeten Unfalls trotz der über die Rechtsanwälte erfolgten Zahlungsvereinbarung und deren Erfüllung sowie der Entschuldigung die Rolle des Geschädigten als Opfer einer vorsätzlichen Straftat gerade nicht anerkannt und sie in Bezug zu seinem eigenen Verhalten gesetzt hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 109/13, NStZ-RR 2013, 240; Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304). Darauf, dass der Geschädigte die Entschuldigung des Angeklagten angenommen hat, kommt es nicht entscheidend an (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304).

IV.


30
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Die dem Nebenkläger infolge der zuungunsten des Angeklagten eingelegten und ohne Erfolg gebliebenen Revision der Staatsanwaltschaft entstandenen Auslagen hat dieser selbst zu tragen.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Bender Quentin

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 364/10
vom
25. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. November
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 10. Mai 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision beanstandet der Nebenkläger, dass das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint und den Angeklagten deshalb nicht auch wegen tateinheitlichen versuchten Totschlags verurteilt hat. Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen schubsten sich der Angeklagte sowie der Nebenkläger und beleidigten sich gegenseitig. Der Nebenkläger war bereit, sich gegen die von ihm erwarteten Schläge des Angeklagten zu wehren und sich mit ihm zu schlagen. Der Angeklagte drohte dem Nebenkläger, ihn abzustechen und nahm ein mitgeführtes Klappmesser in die Hand. Als der Nebenkläger, der anfangs die Drohung nicht ernst genommen und weiterhin die Konfrontation gesucht hatte, das Messer sah, wich er aus Furcht nach hinten aus und beendete die Beleidigungen. Der Angeklagte folgte ihm und versetzte ihm mit einer schlagenden Bewegung einen Messerstich in den linken Brustkorb. Das Messer drang von oben unterhalb der linken Achsel durch die Rippenbögen in den Körper ein und verletzte den Geschädigten schwer.
3
Das Landgericht ist in seiner Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit direktem Körperverletzungsvorsatz zugestochen hat. Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es im Wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Der Angeklagte habe zwar durch den Stich in den Brustkorb des Geschädigten eine hochgradig gefährliche Gewalthandlung vorgenommen und auch erkannt, dass diese tödlich sein könne. Bei umfassender Würdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände könne daraus jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf eine Billigung des Todes geschlossen werden. Der Angeklagte habe sich bei der Tatbegehung in einem Zustand beträchtlicher affektiver Erregung befunden, sei durch den Konsum von Alkohol und Rauschgift erheblich enthemmt gewesen und durch die Beleidigungen seitens des Nebenklägers spontan zu dem Messerstich hingerissen worden, wobei er diesen vom Herzen weg geführt habe. Aufgrund seiner körperlichen Unterlegenheit habe er gemeint, sich nur mit dem Messer Respekt verschaffen zu können. Er habe erst zugestochen, nachdem der Geschädigte seine Drohung nicht ernst genommen habe. Zudem sei kein Motiv für eine Tötung ersichtlich. Die Äußerung "ich steche dich ab" sei nur eine Machtdemonstration gewesen und habe keine Indizwirkung für einen bedingten Tötungsvorsatz. Der Angeklagte habe lediglich einen einzelnen Messerstich ausgeführt und sei unmittelbar nach der Tat nicht geflüchtet.
4
2. Die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
5
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsge- richtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Die Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes vom Körperverletzungsvorsatz erfordert bei schwerwiegenden Gewalttaten eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Der Täter handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz, wenn er den Eintritt des Todes als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt sowie ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. Dabei stellt die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung für den Nachweis einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, sodass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt. Angesichts der hohen Hemmschwelle bei solchen Delikten bedarf die Frage der Billigung des Todes indes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die vor allem auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 - 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; BGH, Urteil vom 25. November 1987 - 3 StR 449/87, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 4; BGH, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24; BGH, Urteil vom 24. März 1993 - 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35; BGH, Urteil vom 7. November 2002 - 3 StR 216/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55; BGH, Beschluss vom 26. August 2005 - 3 StR 259/05, NStZ-RR 2006, 9 f.). Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (BGH, Beschluss vom 23. April 2003 - 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009,

91).

6
b) Diesen rechtlichen Anforderungen an eine sorgfältige Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes werden die Ausführungen des Landgerichts gerecht. Es hat alle bedeutsamen objektiven und subjektiven Umstände der Tat in seine Überlegungen einbezogen und insbesondere ges ehen, dass der Messerstich in den Brustkorb des Tatopfers eine hochgradig lebensgefährliche Gewalthandlung war, die ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass der Angeklagte den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes auch billigte. Auch hat es sich mit der ausgesprochenen Drohung "ich steche dich ab, du bist tot" auseinandergesetzt. Soweit es wegen des in affektiver Erregung und unter der enthemmenden Wirkung von Alkohol und Rauschgift spontan ausgeführten einzelnen Messerstichs , der körperlichen Unterlegenheit des Angeklagten, der vom Herzen wegführenden Stichbewegung, des fehlenden Tötungsmotivs und des Nachtatverhaltens des Angeklagten seine Zweifel am Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes nicht hat überwinden können, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar hat das Landgericht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen dargestellt hat - die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB unzureichend begründet. Dieser Rechtsfehler schlägt jedoch nicht auf die Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz durch; denn entscheidend ist insoweit, dass der Angeklagte, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, nach den Urteilsfeststellungen die Tat aus einem spontanen, intoxikationsbedingten Handlungsimpuls heraus begangen hat. Die gegen die Überzeugungsbildung der Strafkammer vorgebrachten Beanstandungen des Be- schwerdeführers erschöpfen sich in einer eigenen Beweiswürdigung mit zum Teil urteilsfremdem Vorbringen und zeigen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausführlich dargestellten Gründen keinen Rechtsfehler auf.
7
3. Für die Entscheidung kann offen bleiben, ob die sachverständig beratene Strafkammer rechtsfehlerhaft eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten bejaht und deshalb der Strafzumessung zu Unrecht den gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen der gefährlichen Körperverletzung zugrunde gelegt hat. Denn die Nachprüfung des Revisionsgerichts erstreckt sich bei der Revision eines Nebenklägers lediglich darauf, ob der Schuldspruch wegen eines Nebenklagedelikts rechtsfehlerhaft unterblieben ist, nicht aber auf die Fehlerfreiheit der Strafzumessung. Dies folgt daraus, dass der Strafausspruch des abgeurteilten Nebenklagedeliktes gemäß § 400 Abs. 1 StPO selbst nicht Gegenstand einer zulässigen Revisionsrüge eines Nebenklägers sein kann. Diesem Anliegen des Gesetzgebers würde es widersprechen, wenn eine solche Nachprüfung des Strafmaßes allein dadurch erreicht werden könnte, dass die fehlerhafte Nichtaburteilung eines (weiteren) tateinheitlich begangenen - möglicherweise völlig fern liegenden - Nebenklagedelikts gerügt wird (BGH, Beschluss vom 23. April 2002 - 3 StR 106/02, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Prüfungsumfang 3; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 400 Rn. 7). Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR561/14
vom
30. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Juli 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Erste Staatsanwältin
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter des Nebenklägers B. N. ,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Vertreterin des Nebenklägers Be. N. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter des Nebenklägers F. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 4. Juli 2014 werden verworfen.
Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit dem Führen dieser Waffe und wegen vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 41 Abs. 1 WaffG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Nebenkläger F. , B. N. und Be. N. erstreben mit ihren auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützten und entsprechend beschränkten Revisionen allein die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung jeweils zu ihrem Nachteil , der Nebenkläger B. N. in Tateinheit mit versuchtem Totschlag. Die Revisionen haben keinen Erfolg.

I.

2
1. Die Anklage legte dem Angeklagten zur Last, durch dieselbe Handlung einen versuchten Totschlag zum Nachteil des Nebenklägers B. N. , eine gefährliche Körperverletzung in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der drei Nebenkläger und des H. C. begangen zu haben sowie eine Schusswaffe besessen und geführt und durch Mitsichführen eines Klappmessers einer vollziehbaren Anordnung nach § 41 Abs. 1 oder 2 WaffG zuwider gehandelt zu haben.
3
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts saß der Angeklagte am Nachmittag des 24. August 2013 mit Bekannten, darunter dem H. C. , an einem Tisch vor einem Lokal in der Bi. Innenstadt. Zwei Tische weiter hatten die Nebenkläger gesessen. Beim Verlassen des Lokals blieb der Nebenkläger F. am Tisch des Angeklagten stehen. Es entwickelte sich ein kurzes Streitgespräch. Der Angeklagte wollte aufstehen und gehen, aber F . drückte ihn zurück auf seinen Stuhl. Als sich der Angeklagte erneut erhob und F. von sich schob, schlug ihm F. mit einer Glasflasche gegen die linke Schläfenseite. Die Flasche zersplitterte. Der Angeklagte erlitt eine Platzwunde, die sofort heftig zu bluten begann. Es entstand eine Rangelei zwischen mehreren Personen. Der Angeklagte, der durch den Schlag mit der Flasche benommen und zugleich erregt und aufgebracht war und befürchtete, ihm sollten weitere Verletzungen beigebracht werden, entfernte sich rückwärtsgehend.
4
Der Nebenkläger F. setzte dem Angeklagten mit angewinkelten Armen nach und machte Boxbewegungen in dessen Richtung. Ob er den Angeklagten traf, konnte nicht festgestellt werden. Dem Nebenkläger F. folgten im Abstand von höchstens zwei Metern im Laufschritt die Nebenkläger Be. und B. N. , um den Angeklagten zu dritt weiter anzugreifen. Der Zeuge Cu. folgte ihnen und versuchte vergeblich, B. N. zurückzuhalten. Der Angeklagte befürchtete, dass ihm weitere erhebliche Verletzungen zugefügt würden und empfand die Lage angesichts der eigenen Verletzung und der körperlich überlegenen drei Angreifer - darunter der Profiboxer B. N. - als lebensbedrohlich. Um sich zu verteidigen, nahm er eine geladene Pistole aus seiner Bauchtasche, bewegte sich etwas nach vorn und schoss zweimal auf F. , wobei er die Waffe bewusst nach unten richtete. F. wurde in beide Oberschenkel getroffen und ging zu Boden. B. N. wollte nun den Angriff abbrechen, sich aus der Gruppe lösen und drehte sich um ca. 90° weg. Dies erkannte der Angeklagte aufgrund seiner Verletzung, seiner Erregung und der unübersichtlichen Gemengelage nicht und gab einen Schuss auf B. N. ab, um dessen vermeintlichen weiteren Angriff abzuwehren. Der Schuss streifte dessen rechtes Knie. Nachdem sich B. N. weiter weggedreht hatte, so dass er dem Angeklagten den Rücken zuwandte, wurde er von einem weiteren in Verteidigungsabsicht abgegebenen Schuss getroffen, der in Höhe der rechten Gesäßtasche in den Körper eindrang und in absteigender Richtung das Bein durchschlug. Während B. N. weghumpelte, war Be. N. sehr aufgebracht. Um eine Fortsetzung des Angriffs zu verhindern, schoss der Angeklagte gezielt auf dessen Füße und traf ihn am linken Fuß; der Zeuge C. wurde durch einen Querschläger ebenfalls am Fuß verletzt. Das ganze Geschehen vom Schlag mit der Flasche bis zur Abgabe des fünften Schusses dauerte weniger als eine Minute.
5
Bei seiner wenig später erfolgten Festnahme trug der Angeklagte in seiner Hosentasche ein Klappmesser mit einer ca. 10 cm langen Klinge bei sich, obwohl ihm der Besitz von Waffen durch polizeiliche Anordnung untersagt war.
6
3. Das Landgericht hat einen versuchten Totschlag zum Nachteil des B. N. mangels eines entsprechenden Vorsatzes des Angeklagten verneint. Eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der drei Nebenkläger sei nicht gegeben, weil sich der Angeklagte bezüglich F. und Be. N. bei der Schussabgabe in einer Notwehrsituation befunden habe. Zwar sei das Schießen auf die Beine nicht erforderlich gewesen, vielmehr hätten eine Drohung mit der Waffe oder ein Warnschuss in die Luft zur Abwehr des Angriffs der Nebenkläger gereicht, wobei der Angeklagte, der sich in einer Rückwärtsbewegung befunden habe, auch die Distanz zu den Angreifern hätte vergrößern können. Insoweit habe sich der Angeklagte aber in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befunden. Er habe drei ihm körperlich überlegene Personen auf sich zustürmen sehen und gemeint, diesen Angriff nur durch eine unmittelbare Schussabgabe abwehren zu können. Hinsichtlich des Nebenklägers B. N. habe er zudem infolge seiner Benommenheit durch den Schlag mit der Glasflasche und seiner Erregung nicht erkannt, dass dieser ihn zum Zeitpunkt der Schussabgaben nicht mehr angegriffen habe. Weil er seinen Irrtum nicht habe vermeiden können, scheide auch eine fahrlässige Körperverletzung aus.
7
Das Führen und der Besitz der Pistole im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Notwehrgeschehen seien nicht strafbar. In dem Zeitraum zuvor habe sich der Angeklagte allerdings des Führens und Besitzens einer Schusswaffe schuldig gemacht. Hinsichtlich des Klappmessers, das der Angeklagte nach Verlassen des Tatorts in der Hosentasche getragen habe, liege ein Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 41 Abs. 1 WaffG vor. Dieser sei nicht durch das Notwehrgeschehen gerechtfertigt, weil das Messer nicht zum Einsatz gekommen sei. Zum Führen und zum Besitz der Pistole stehe dies Geschehen in Tatmehrheit, weil das Notwehrgeschehen eine Zäsurwirkung habe.

II.

8
Die Revisionen der Nebenkläger sind unbegründet. Sie führen nur zur sachlich-rechtlichen Nachprüfung des angefochtenen Urteils, soweit der Ange- klagte nicht wegen eines Delikts gegen Leib und Leben der Nebenkläger verurteilt worden ist.
9
1. Die von allen drei Nebenklägern inhaltlich übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 23. Februar 2015 genannten Gründen ohne Erfolg. Zu der Rüge, das Landgericht habe § 261 StPO verletzt, weil es sich in den Urteilsgründen nicht mit dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme von Lichtbildern in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt habe, bemerkt der Senat ergänzend : Diese Rüge ist bereits deshalb nicht zulässig erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revisionsbegründungen die in Augenschein genommenen Lichtbilder nicht enthalten. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, wird in den Urteilsgründen nicht im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder Bezug genommen, so dass die Kenntnisnahme von ihrem Inhalt dem Senat nicht bereits aufgrund der Sachrüge möglich ist.
10
2. Soweit sich die Revisionen mit der Sachrüge gegen die unterbliebene Verurteilung wegen eines Körperverletzungs- beziehungsweise eines versuchten Tötungsdelikts richten, greifen sie im Ergebnis nicht durch.
11
a) Die Beweiswürdigung der Strafkammer beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage, namentlich den in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen und Einzelbildern der beiden Überwachungskameras der Gaststätte , die das Tatgeschehen wiedergeben, und den damit übereinstimmenden Aussagen von unbeteiligten Zeugen. Die den Angeklagten belastenden, einander widersprechenden Aussagen der Nebenkläger sind dadurch größtenteils widerlegt worden.
12
aa) Ein Widerspruch in der Beweiswürdigung liegt nicht darin, dass der Angeklagte mit allen seinen nach unten gerichteten Schüssen die Nebenkläger auch tatsächlich traf, obwohl er infolge seiner heftig blutenden Verletzung benommen und erregt war. Deshalb bedurfte dies auch keiner näheren Erörterung in den Urteilsgründen, zumal sich die Nebenkläger in unmittelbarer Nähe des Angeklagten befanden. Der Nebenkläger F. lief so dicht hinter dem Angeklagten , dass die Strafkammer nicht feststellen konnte, ob er mit seinen Boxhieben den Angeklagten traf. Die Nebenkläger N. waren höchstens zwei Meter hinter dem Nebenkläger F. .
13
bb) Auch die Annahme, dass der Angeklagte bei Abgabe der Schüsse in Verteidigungsabsicht handelte, weil er weitere erhebliche Verletzungen befürchtete , wird von dem festgestellten äußeren Geschehensablauf getragen.
14
b) Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Landgericht lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erkennen.
15
aa) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass sich der Angeklagte zunächst einem rechtswidrigen Angriff durch F. mittels des Schlags mit der Glasflasche und sodann durch alle drei Nebenkläger ausgesetzt sah, die ihm nachrannten, wobei F. Boxbewegungen ausführte, was seine fortbestehende Verletzungsabsicht erkennen ließ. Der Angeklagte, der in Verteidigungsabsicht handelte, durfte diesen Angriff mit dem Mittel abwehren, das einen unmittelbaren Erfolg versprach. Nach allgemeinen notwehrrechtlichen Grundsätzen ist der Angegriffene berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet; der Angegriffene muss sich nicht mit der Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel begnügen, wenn deren Abwehrwirkung zweifelhaft ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war er angesichts der Verfolgung durch drei Angreifer, von denen einer ihn bereits körperlich verletzt hatte, nicht gehalten, zunächst mit der Waffe zu drohen oder einen Warnschuss abzugeben, zumal sich das gesamte Geschehen in weniger als einer Minute abspielte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139 ff.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 32 Rn. 33a mwN). Unter den gegebenen Umständen waren daher die nach unten gerichteten Schüsse auf den Nebenkläger F. durch Notwehr gerechtfertigt. Dies gilt auch für den Schuss auf den Nebenkläger Be. N. , der zum Zeitpunkt der Schussabgabe auf ihn den Angriff auf den Angeklagten nicht erkennbar abgebrochen hatte.
16
bb) Hinsichtlich des Nebenklägers B. N. , der unerkannt vom Angeklagten seinen Angriff beendet hatte, hat das Landgericht dem Angeklagten mit tragfähiger Begründung in analoger Anwendung des § 16 StGB einen Erlaubnistatbestandsirrtum zugebilligt. Dieser Irrtum über die tatbestandlichen Voraussetzungen der Notwehr führt zum Ausschluss des Körperverletzungsvorsatzes , wie das Landgericht zutreffend erkannt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13, NStZ 2014, 30 f.; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139 ff. mwN). Dass das Landgericht auch hinsichtlich des Nebenklägers B. N. unabhängig vom Abbruch des Angriffs rechtsfehlerhaft einen sofortigen Schusswaffeneinsatz nicht für erforderlich hielt und insoweit einen weiteren Irrtum des Angeklagten bejaht hat, begünstigt den Angeklagten im Ergebnis nicht. Auch eine fahrlässige Körperverletzung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint, weil der Angeklagte den Irrtum in der konkreten Situation nicht vermeiden konnte.
17
3. Soweit der Angeklagte wegen Delikten nach dem Waffengesetz verurteilt worden ist, findet eine Überprüfung des Urteils auf materiell-rechtliche Fehler nicht statt.
18
a) Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigt. § 400 StPO wurde durch das Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 mit Wirkung ab 1. April 1987 in die Strafprozessordnung eingefügt, um die als zu weit empfundene Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers als eines bloßen Zusatzbeteiligten einzuschränken (BT-Drucks. 10/5305 S. 15). Es liegt nahe, auch die Prüfung des Revisionsgerichts auf Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten, deren Notwendigkeit sich aus dem nach ständiger Rechtsprechung auf die Nebenklägerrevision anwendbaren § 301 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2010 – 4 StR 589/09, NStZ-RR 2010, 205 f.; vom 23. August 1995 – 2 StR 394/95, NStZ-RR 1996, 130) ergibt, nur in demselben Umfang wie zu dessen Vorteil zu bejahen. Eine umfassende Urteilsüberprüfung auf Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten, wenn lediglich der Nebenkläger Revision eingelegt hat, entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers, der bewusst die revisionsrechtliche Kontrolle bei der Nebenklägerrevision einschränken wollte. Der Prüfungsumfang bei der Nebenklägerrevision erstreckt sich weder auf den Strafausspruch (§ 400 Abs. 1 StPO) noch nach herrschender Meinung auf Taten, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigen, selbst wenn diese materiell -rechtlich mit der zum Anschluss berechtigenden Tat in Tateinheit stehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, BGHSt 43, 15; KMR/Stöckel, § 400 Rn. 9 (Stand: Mai 2013); aA AK/Rössner, StPO, § 400 Rn. 12: Überprüfung der prozessualen Tat).
19
b) Letztlich kann die Frage hier dahingestellt bleiben. Dass der Senat die Verurteilung wegen der auch gegenüber den Körperverletzungsdelikten und dem versuchten Tötungsdelikt tatmehrheitlichen Waffendelikte nicht auf Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten überprüft, ergibt sich bereits aus Folgendem: Nach allgemeiner Meinung eröffnet § 301 StPO die Nachprüfung auf Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nur im Umfang der Urteilsanfechtung (vgl. Jesse in LR-StPO, 26. Aufl., § 301 Rn. 4; Rautenberg in HK-StPO, 5. Aufl., § 301 Rn. 1; Achenbach in AK-StPO, § 301 Rn. 2; Cirener in Graf, StPO, 2. Aufl., § 301 Rn. 1, Hoch in SSW-StPO, § 301 Rn. 1; SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., § 301 Rn. 4; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 400 Rn. 20). Der Prüfungsauftrag des Revisionsgerichts wird durch § 301 StPO nicht über die angefochtenen Teile des Urteils hinaus erweitert (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2011 – 1 StR 428/01 – juris Rn. 11). Ausgeurteilte materiellrechtlich selbständige Taten, die der Nebenkläger mit seinem Rechtsmittel nicht angreift, werden deshalb trotz dessen Revisionseinlegung rechtskräftig und sind bereits deshalb einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 352 StPO). Die Revisionsbegründungen aller drei Nebenkläger lassen hier erkennen, dass sie trotz der umfassenden Aufhebungsanträge das Urteil insoweit nicht anfechten wollten (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04). Alle drei Nebenkläger beanstanden ausschließlich die unterlassene Verurteilung wegen versuchten Tot- schlags bzw. gefährlicher Körperverletzung zu ihren Lasten, die mit den ausgeurteilten Waffendelikten entgegen dem Anklagevorwurf nicht in Tateinheit stünden. Aufgrund dieser wirksamen Beschränkung der Nebenklägerrevisionen ist hinsichtlich der vom Landgericht zutreffend als selbständige materiellrechtliche Taten beurteilten Waffendelikte Rechtskraft eingetreten.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

17
3. Die der Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes zugrunde liegenden Erwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 10 jeweils mwN) – als rechtfehlerhaft. Das Landgericht hat seiner Beweiswürdigung bereits einen nicht rechtsfehlerfreien rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Zudem liegen revisible Fehler u.a. das Fehlen einer Gesamtwürdigung und überzogene Anforderungen an die eigene Überzeugungsbildung zugrunde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 663/16
vom
21. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:210317U1STR663.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft und die des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 12. Juli 2016 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen. Der Angeklagte erhebt die allgemeine Sachrüge; das auf den Strafausspruch beschränkte – vom Generalbundesanwalt nicht vertretene – zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft beanstandet ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Beide Revisionen bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der 22 Jahre alte Angeklagte wohnte ab Mitte August 2015 bei seinen Großeltern, die in verwahrlosten häuslichen Verhältnissen lebten. Er hatte dort von Sommer 2012 bis Sommer 2014 schon einmal Unterschlupf gefunden, war aber dann zu seiner Mutter zurückgekehrt, bis diese sich in stationäre psychische Behandlung begab. Während die Großmutter des Angeklagten weitgehend antriebslos auf dem Sofa saß, neigte der Großvater K. – das spätere Tatopfer – dem übermäßigen Konsum von Alkohol zu. Im alkoholischen Zustand kam es immer wieder zu verbalen aggressiven Ausfällen, die sich während dessen ersten Aufenthalts vor allem gegen den Angeklagten richteten. So wurde der tatsächlich beschäftigungslose Angeklagte von seinem Großvater unter anderem als „Asozialer“, „Gehirnamputierter“ und „faule Sau“ beschimpft. Der Großvater versuchte gegenüber der Nachbarschaft zudem den unzutreffenden Eindruck zu vermitteln, der Angeklagte schlage ihn. Seit dem erneuten Einzug des Angeklagten waren den Nachbarn keine weiteren Streitigkeiten mehr aufgefallen.
4
Am 30. September 2015 kehrte K. in den Abendstunden betrunken nach Hause zu seiner Frau und dem Angeklagten zurück. Er trank dort weiter. In der Nacht stürzte er auf dem Weg vom Wohnzimmer zur Toilette. Der Angeklagte half ihm auf und führte ihn ins Wohnzimmer zurück. Dabei beschimpfte K. ihn als „F. -Zigeuner“, der „zu faul zum Arbeiten“ und „zu dumm zum Mausen“ sei. Daraufhin geriet der Angeklagte angesichts des durch vielfache ähnliche Tiraden belasteten Verhältnisses zu seinem Großvater in gewaltige Wut. Er empfand diese Beschimpfungen als erneute Zumutung und Demütigung, wobei ihn besonders ärgerte, dass er seinen Großvater nicht gereizt hatte, er ihm vielmehr gerade Hilfe leistete. In seiner Wut stieß er seinen Großvater zu Boden, trat ihm heftig gegen Oberkörper und Kopf und stampfte mehrmals wuchtig mit dem Fuß auf seine Brust. Anschließend hob er den schwer Verletzten auf und legte ihn auf das Sofa, wo K. in der Folge verstarb.
5
2. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 1 StGB angenommen, da der Angeklagte aufgrund der kurz zuvor erfolgten schweren Kränkungen durch das Tatopfer, die er nicht schuldhaft veranlasst habe, in Zorn geraten sei. Zwar seien die Vorhaltungen zum „parasitären Lebensstil“ insoweit nicht relevant, da diese tatsächlich zugetroffen hätten. Aber bei den übrigen Angriffen, die auf die persönliche Abstammung und die Eignung zum Geschlechtsverkehr bezogen waren, habe es sich um Beleidigungen ge- handelt. Von der „Warte der beiden Kontrahenten untereinander betrachtet“ seien sie für sich genommen nicht als schwer einzustufen, hätten aber den „Schlusspunkt einer mehrere Jahre langen Reihe von immer wieder ähnlichen Kränkungen“ dargestellt und somit quasi den Tropfen gebildet, der das Fass der dem Angeklagten zumutbaren Demütigungen gleichsam zum Überlaufen gebracht habe.

II.


6
Die Revision des Angeklagten
7
Das Rechtsmittel bleibt erfolglos. Das Urteil zeigt weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.
8
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten vor allem auf der Grundlage von dessen Einlassungsverhalten – so hat er in zahlreichen Varianten der Schilderung des Geschehens entweder angegeben , sich außer an den Sturz des Opfers an nichts zu erinnern, oder die Tätlichkeiten gegenüber seinem Großvater eingeräumt – und der Angaben der Zeugin J. , der gegenüber die Großmutter des Angeklagten das Geschehen geschildert hat, tragfähig belegt. Auch soweit es aufgrund der Vielzahl der jeweils bereits für sich genommen als äußerst gefährlich gewerteten stampfenden Tritte auf einen bedingten Tötungsvorsatz geschlossen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Soweit das sachverständig beratene Landgericht eine alkoholbedingte relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat ausgeschlossen hat, indem es die Angaben des Angeklagten, er sei deutlich betrunken gewesen, auch aufgrund von deren Widersprüchlichkeit als Schutzbehauptung widerlegt betrachtet und sich auf das Leistungsverhalten bei der Tat gestützt hat, ist dies ebenfalls rechtsfehlerfrei dargelegt und begründet. Auch die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass das Landgericht das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB abgelehnt hat, ergibt sich ausreichend aus den dargelegten Sachverständigenangaben hierzu, die es als richtig ansieht.

III.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft
10
1. Das zulässig beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die Annahme der Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB. Die Revisionsführerin macht zum einen geltend, es liege schon keine schwere Beleidigung vor. Denn die festgestellten Beschimpfungen gehörten unter den Beteilig- ten zum alltäglichen Umgangston. Der Annahme, dass es sich um den Tropfen gehandelt habe, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, fehle eine Grundlage in den Feststellungen. Zum anderen habe der Angeklagte auch nicht ohne eigene Schuld gehandelt, da er durch die Fortsetzung seines „parasitären Lebensstils“ trotz Kenntnis der ablehnenden Haltung seinesGroßvaters hierzu die Beleidigung vorwerfbar veranlasst habe.
11
2. Mit diesen Einwänden zeigt die Revision allein eine abweichende Wertung der vom Landgericht berücksichtigten Umstände, aber keinen Rechtsfehler bei der Anwendung des § 213 Alt. 1 StGB auf. Das Rechtsmittel kann daher keinen Erfolg haben. Im Einzelnen gilt:
12
Die Frage, ob von der Strafzumessungsregel des § 213 Alt. 1 StGB Gebrauch zu machen ist, ist revisionsrechtlich nur auf Rechtsfehler überprüfbar. Denn die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines minder schweren Falles unterliegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatgericht insoweit ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 mwN). Solche Rechtsfehler weist das Urteil nicht auf.
13
a) Das Landgericht hat seine Annahme, dass die der Tat unmittelbar vorausgehenden Beleidigungen den Angeklagten als Schlusspunkt einer Vielzahl ähnlicher Tiraden zum Zorn gereizt und er hierdurch zur Tat hingerissen wurde, tragfähig belegt. Dies stützt es auf die vom Angeklagten in verschiedenen geständigen Varianten zum Tathergang angegebene Provokation und die hierdurch ausgelöste Wut durch die unmittelbar zuvor erfolgten Beleidigungen und dessen Schilderung der bei seinem früheren Aufenthalt erfolgten Demüti- gungen. Diese Einlassung findet in den Angaben der Großmutter gegenüber der Zeugin J. Bestätigung. Diese schildert die Tritte als Reaktion darauf, dass das Tatopfer den Angeklagten trotz der Hilfeleistung „dauernd weiter beschimpft“ habe. Die früheren Beleidigungen und Auseinandersetzungen werden durch die Angaben der Großmutter und der Nachbarn bestätigt. Auf dieser Grundlage durfte das Landgericht darauf schließen, dass der dem Tatopfer eigentlich wohlgesonnene Angeklagte, der keinen anderen Anlass hatte, zu die- ser „Jähtat“ durch die Beschimpfungen in der Tatsituation, die denzeitlich vorgelagerten Beleidigungen ähnlich waren und hieran anknüpften, zur Tat hingerissen worden ist. Dass der lernbehinderte Angeklagte sich nicht ausdrücklich selbst darauf berufen hat, dass die Beleidigungen unmittelbar vor der Tat nur ein letzter Tropfen waren, der das Fass zum Überlaufen brachte, steht dem nicht entgegen. Diese Verknüpfung kommt angesichts der festgestellten intellektuellen Leistungsfähigkeit ausreichend in seinen Schilderungen der früheren und der der Tat unmittelbar vorgelagerten Demütigungen zum Ausdruck.
14
b) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat das Landgericht auch den für die Beurteilung des Vorliegens eines minder schweren Falles nach § 213 Alt. 1 StGB rechtlich zutreffenden Maßstab gewählt.
15
aa) Ob eine „schwere Beleidigung“ vorliegt, beurteilt sich nach einem objektiven Maßstab. Die Handlung muss auf der Grundlage aller maßgeblichen Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der subjektiven Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sein (BGH, Urteil vom 13. Mai 1981 – 3 StR 42/81, NStZ 1981, 300; Beschluss vom 8. September 2016 – 1 StR 372/16, NStZ-RR 2017, 11), wobei die Anforderungen nicht zu niedrig anzusetzen sind (BGH, Urteile vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 und vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582 mwN; Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14, NStZ 2015, 218). Maßgebend ist dafür der konkrete Geschehensablauf unter Berücksichtigung von Persönlichkeit und Lebenskreis der Beteiligten, der konkreten Beziehung zwischen Täter und Opfer sowie der tatauslösenden Situation (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 1984 – 1 StR 597/84, NStZ 1985, 216 und vom 12. Mai 1987 – 1 StR 43/87, NStZ 1987, 555; Beschluss vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631; Urteile vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 und vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582). Die Schwere kann sich auch erst aus fortlau- fenden, für sich allein noch nicht schweren Kränkungen ergeben, wenn die Beleidigung nach einer Reihe von Kränkungen gleichsam „der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte“ (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 und vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14, NStZ 2015, 218; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 213 Rn. 5 mwN). Deswegen ist es geboten, in die erforderliche Gesamtwürdigung auch in der Vergangenheit liegende Vorgänge als mitwirkendeUrsachen miteinzubeziehen (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14, NStZ 2015, 218; Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582; Beschluss vom 8. September 2016 – 1 StR 372/16, NStZ-RR 2017, 11).
16
Diesen Anforderungen genügt das Urteil. Das Landgericht hat ausdrücklich eine objektive Bewertung der seitens des Großvaters geäußerten Beleidigungen vorgenommen und dabei berücksichtigt, dass sie im Kontext der in der Vergangenheit vielfach wiederholten, immer wieder ähnlichen Kränkungen standen. Indem es „die Warte der beiden Kontrahenten untereinander betrachtet“ , hat es für die Wertung der Schwere auf den Lebenskreisder Beteiligten abgestellt, was zu dem Ergebnis geführt hat, dass die Beleidigungen unmittelbar vor der Tat für sich genommen nicht als hinreichend schwer gewertet wor- den sind. Es hat dann im Rahmen der erforderlichen „Ganzheitsbetrachtung“ (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582) die Entwicklung des Verhältnisses des Angeklagten zu seinem Großvater, die Demütigungen und die damit verbundene Motivationsgenese ausführlich und sorgfältig erörtert, indem es das „Spannungsverhältnis“ zwischen ihnen, die „Auslösebedingungen ihrer Streitigkeiten“ und die „Art und Weise, wie sie ihre Streitigkeiten ausgetragen haben“ beschrieben und in die Wertung miteinbezo- gen hat. Dabei hat es sowohl den Wiedereinzug des Angeklagten berücksichtigt als auch den Umstand, dass der Angeklagte angegeben hat, mit seinem Großvater gut ausgekommen zu sein, unterbrochen nur von den wiederholten Streitigkeiten. Den ausführlich dokumentierten Inhalt der früheren Kränkungen hat das Landgericht in die ihm obliegende Bewertung des Schweregrades der der Tötungshandlung unmittelbar vorausgegangenen Beleidigung einbezogen. Dass in den wenigen Wochen vor dem abermaligen Einzug des Angeklagten bei seinen Großeltern bis zur Tat keine weiteren Auseinandersetzungen festgestellt sind, steht dem nicht entgegen. Das Landgericht hat sich damit auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Umstand, dass die Reihe der Demütigungen über etliche Monate vor dem Wiedereinzug unterbrochen war, den Beleidigungen nichts von der Schärfe ihrer Wirkungen auf den Angeklagten genommen habe. Dies hält sich im Rahmen der dem Tatgericht obliegenden Wertung und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
17
Dass das Landgericht dabei die Anforderungen an das der Tat vorausgehende Opferverhalten und an die auf die tatauslösende Situation zulaufende Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung zu niedrig angesetzt haben könnte, ist nicht zu besorgen. Dagegen spricht bereits die sorgfältige Auseinandersetzung mit der Erheblichkeit der Demütigungen unter deutlich relativierender Berücksichtigung des Lebenskreises der Beteiligten, aber auch mit dem Umstand, dass die Beleidigungen immer wieder auch vor den Nachbarn erfolgten. Dabei hat es auch den Wiedereinzug des Angeklagten trotz der zu erwartenden weiteren Demütigungen im Blick gehabt. Soweit es dem angesichts der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten keine die Schwere der Beleidigungen weiter abmildernde Wirkung zuerkannt hat, stellt dies eine rechtsfehlerfreie Wertung dar.
18
bb) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei dargetan, dass der Angeklagte ohne eigene Schuld gereizt worden ist.
19
Eigene Schuld des Täters schließt die Annahme einer strafmildernden Provokation nur aus, wenn sie sich gerade auf die ihm vom Opfer zugefügte tatauslösende Kränkung bezieht. Ohne eigene Schuld handelt also der Täter, der die beleidigende Äußerung des Opfers im gegebenen Augenblick entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht vorwerfbar veranlasst hat (BGH, Urteile vom 7. Juli 1983 – 4 StR 218/83, NStZ 1983, 554; vom 11. Januar 1984 – 3 StR 443/83, NStZ 1984, 216; vom 12. Mai 1987 – 1 StR 43/87, NStZ 1987, 555 und vom 22. Oktober 1997 – 3 StR 394/97, NStZ 1998, 191; Schönke/Schröder/ Eser/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 213 Rn. 7 mwN). Nach diesen Maßgaben hat das Landgericht für die auf die Abstammung des Angeklagten und seine Fähigkeiten zum Geschlechtsverkehr abzielenden Beleidigungen, auf die es allein abstellt, keine vorwerfbare Verursachung festgestellt. Dabei hat es gewertet, dass der Angeklagte zwar wieder bei seinen Großeltern eingezogen ist und dadurch eine Situation geschaffen hat, die die späteren Beleidigungen ermöglicht hat, aber insoweit jedenfalls im Hinblick auf die konkreten Umstände einen schuldhaften Bezug verneint. Soweit es sich hierbei maßgeblich aufdas auch positive Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Großvater sowie auf die konkrete tatauslösende Situation der Hilfeleistung durch den Angeklagten bezieht, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Raum RiBGH Prof. Dr. Jäger befindet Bellay sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 5 7 4 / 1 4
vom
26. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
26. Februar 2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf den Strafausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Spätestens ab Februar 2013 traten in der Ehe zwischen dem Angeklagten und seiner später getöteten Ehefrau erhebliche Spannungen auf, die regelmäßig in lautstark geführte verbale Auseinandersetzungen mündeten. Im Rahmen dieser Konflikte belegte die sehr wortgewaltige Ehefrau den Angeklagten mit ehrverletzenden Ausdrücken. Beginnend ab Oktober 2013 nahmen die Streitigkeiten an Heftigkeit zu. Im Hinblick auf eine mögliche Scheidung und damit verbundene Streitigkeiten um das Sorgerecht für die 2009 geborene Tochter und den 2012 geborenen Sohn zeichneten die Eheleute ab November 2013 die Wortgefechte mit ihren jeweiligen Mobiltelefonen auf.
4
Zu Tätlichkeiten kam es trotz der Heftigkeit der verbalen Streitigkeiten nur selten. Bei einem Tritt gegen das Schienbein des Angeklagten brach sich die Ehefrau mehrere Zehen. Als sie im Rahmen einer Auseinandersetzung im November 2013 auf den Angeklagten losging, konnte er sie durch Wegschubsen mühelos abwehren. Überhaupt war der Angeklagte seiner Ehefrau bei ihren wenigen körperlichen Attacken stets überlegen.
5
2. Am Abend des 29. November 2013 brachte der Angeklagte die beiden Kinder zu Bett. Da der Sohn nicht sogleich einschlafen konnte, legte sich der Angeklagte zu ihm ins Bett, schlief dabei aber selbst ein. Dies nahm seine Ehefrau , die ihn später weckte, zum Anlass, ihm vorzuwerfen, er schlafe, um nicht mit ihr über ihre gemeinsamen Eheprobleme reden zu müssen. Es entwickelte sich ein heftiger, zunächst mit Worten geführter Streit zwischen den Eheleuten. Dabei beschimpfte die Ehefrau den Angeklagten als „Schlappschwanz“ und „elendigen Hund“, außerdem sei seine ganze Familie „behindert“.
6
Da ein Versuch des Angeklagten, einen gemeinsamen Bekannten, der bereits bei früheren Auseinandersetzungen als Schlichter tätig geworden war, zu erreichen, scheiterte, wurde der Streit weiter fortgesetzt. Gegen 4.00 Uhr des Folgetages ging die Ehefrau schreiend auf den Angeklagten los und versuchte , diesen mit der Faust gegen den Oberkörper zu schlagen. Diesen Angriff konnte er, ebenso wie einen sich anschließenden durch Wegschubsen abwehren. Bei dem dritten Mal gelang es der Ehefrau, das T-Shirt des Angeklagten zu ergreifen und diesen an der Brust zu kratzen.
7
In diesem Moment verlor wegen des Kratzens der durch die wochenlangen Streitigkeiten und Beschimpfungen zermürbte sowie wegen des begleitenden Schlafmangels – die Streitigkeiten setzten häufig nach dem Ende der Spätschicht des Angeklagten ein – übermüdete Angeklagte die Fassung (UA S. 14). Bei ihm trat ein Affekt auf, der dazu führte, dass er seine Ehefrau nicht erneut wegschubste, sondern deren Hals mit seinen beiden Händen fest umfasste. Er drückte zu, so dass seine Ehefrau nach etwa 8 Sekunden bewusstlos wurde und in sich zusammensackte. Obwohl der Angeklagte wusste, dass er damit ihren Tod herbeiführen würde, ging er mit ihr zu Boden und drückte ihren Hals noch wenigstens drei Minuten lang zu, bis sie tot war. Durch die Einwirkung brach das rechte Zungenbein der Ehefrau. Ihr Tod trat durch Ersticken ein (UA S. 15).
8
Nachdem der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau realisiert hatte, verbrachte er die Leiche in den Keller, um den eventuell aufwachenden Kindern den Anblick der toten Mutter zu ersparen. Im Verlaufe des Nachmittags offenbarte er zunächst seiner Schwester die Tötung der Ehefrau. Später stellte er sich der Polizei.
9
3. Das sachverständig beratene Landgericht hat einen sich als tiefgreifende Bewusstseinsstörung erweisenden affektiven Ausnahmezustand (UA S. 47) bei dem Angeklagten angenommen. Dieser Zustand wurde auch durch das bewusstlose Zusammensacken der Getöteten nicht aufgehoben. Aufgrund des Affekts war bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Angeklagten, sich entsprechend dieser Einsicht zu steuern, erheblich vermindert.
10
4. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 213 StGB geprüft, dessen Vorausset- zungen aber sowohl im Hinblick auf eine vorausgegangene Provokation gemäß § 213 Alt. 1 StGB als auch einen allgemeinen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB verneint. Geringfügige Verletzungen, wie sie dem Angeklagten hier von der Ehefrau zugefügt wurden, erreichten nicht die für eine „Misshandlung“ erforderliche Erheblichkeit. Gleiches gelte für eine in dem Verhalten der getöte- ten Ehefrau möglicherweise liegende „seelische Misshandlung“. Es hat zudem die während der verbalen Auseinandersetzung geäußerten Beleidigungen nicht als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB bewertet. Maßgebend sei eine Beurteilung aufgrund einer Gesamtwürdigung nach objektivem Maßstab unter Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer. In seiner Gesamtwürdigung hat das Tatgericht vor allem auf den Inhalt der in den zahlreichen vorausgegangenen Streitigkeiten erfolgten, den Angeklagten herabwürdigenden Äußerungen der Ehefrau abgestellt. Vor diesem Hintergrund verlören die in der Tatnacht getätigten, zudem im Streit geäußerten Beleidigungen an Gewicht.
11
Ein minder schwerer Fall gemäß § 213 Alt. 2 StGB ist vom Landgericht ebenfalls in Betracht gezogen worden. Auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB hat es einen solchen verneint, den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB jedoch gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert.

II.

12
Die nachträglich beschränkte Revision hat keinen Erfolg. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
13
1. Die durch den dazu ausdrücklich ermächtigten (§ 302 Abs. 2 StPO) Wahlverteidiger in der Revisionshauptverhandlung erklärte, als Teilrücknahme zu wertende Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch, der die Vertreterin des Generalbundesanwalts zugestimmt hat (§ 303 Satz 1 StPO), ist wirksam. Die Beschränkung bezieht sich ungeachtet der Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten auf einen Beschwerdepunkt, der von dem nicht angefochtenen Schuldspruch unabhängig beurteilt werden kann. Das angefochtene Urteil enthält, was einer wirksamen Beschränkung entgegenstehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259), keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
14
2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags hinsichtlich beider Varianten des § 213 StGB ohne Rechtsfehler verneint.
15
a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
16
Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines minder schweren Falls zugrunde liegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist (siehe BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.). Diese Grundsätze über den für das Revisionsgericht geltenden Prüfungsmaßstab gelten nicht nur für die tatrichterliche Beurteilung des unbenannten minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB, sondern auch für die in § 213 Alt. 1 StGB benannten Konstellationen minder schwerer Fälle. Denn bei § 213 StGB insgesamt und nicht lediglich bei seiner zweiten Alternative handelt es sich um eine Strafzumessungsregel (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 – 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 15; siehe auch Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289; H. Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 4, § 213 Rn. 1 mwN).
17
b) Derartige der Revision zugänglichen Rechtsfehler bei der Anwendung von § 213 StGB weist das angefochtene Urteil nicht auf.
18
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können lediglich solche dem späteren Täter zugefügten Misshandlungen die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 1 StGB begründen, die nach ihrem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, die „Jähtat als verständliche Reaktion“ auf das provozierende Verhalten des Opfers der nachfol- genden Tötungstat erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4 StR 37/95, NJW 1995, 1910, 1911; BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96,BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5; aber auch Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1 StR 577/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 3). Diese Voraussetzungen können selbst bei einer lediglich versuch- ten Körperverletzung gegeben sein (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4StR 37/95, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 4; Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5). Da sich die Tötungstat jedoch als „verständliche Reaktion“ auf die vorausgegangene Miss- handlung durch das spätere Opfer erweisen muss, werden eingetretene oder drohende lediglich geringfügige Eingriffe in die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Täters des Tötungsdelikts regelmäßig keine Misshandlung im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB begründen können (Senat, Urteil vom 19. Februar

1991

1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 „nur erhebliche Beeinträchtigungen“ ; vgl. auch Jähnke in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Band 5, § 213 Rn. 4; H. Schneider aaO § 213 Rn. 13 mwN).
19
Dem entsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass es der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen von § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung des menschlichen Lebens gebieten, die Anforderungen an das der Tat vorausgehende Opferverhalten und auch an die auf die tatauslösende Situation zulaufende Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 f.; vom 8. Juli 2014 – 3 StR228/14 Rn. 5). An diesem Gebot hat sich trotz der Verschärfung des Strafrahmens von § 213 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) nichts geändert (Senat, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 1 StR 548/01, NStZ-RR 2002, 140 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – 4 StR 136/98).
20
Ob nach den vorgenannten Grundsätzen eine Misshandlung gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der bisherigen Täter-Opfer-Beziehung und der damit verbundenen Motivationsgenese, zu beurteilen (siehe BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 mwN).
21
(1) An diesen Maßstäben gemessen hält die Bewertung des Tatgerichts, es fehle an einer der Tötungstat vorausgehenden und diese auslösenden erheblichen Misshandlung seitens der später getöteten Ehefrau sachlichrechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat mit einer Gesamtwürdigung bei objektivem Maßstab unter Einbeziehung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt. Dass es eine ge- wisse Erheblichkeit der „Misshandlung“, sowohl unter dem Aspekt der körperli- chen als auch der seelischen Beeinträchtigung, für erforderlich gehalten hat, ist ersichtlich nicht zu beanstanden.
22
(2) Der Senat besorgt auch nicht, dass das Tatgericht seiner Beurteilung des Vorliegens einer Misshandlung rechtsfehlerhaft lediglich die unmittelbar der Tötung vorausgehende Attacke der Ehefrau auf den Angeklagten zugrunde gelegt hat. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorheben, kann § 213 Alt. 1 StGB auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die tatauslösende Misshandlung für sich allein genom- men, zwar keine „schwere Unbill“ darstellt, sieaber gleichsam nur der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt (Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1StR 577/90, StV 1991, 105 f. mwN; siehe auch bzgl. einer vorangegangenen Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 mwN; vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5). Nach dieser Rechtsprechung ist es daher geboten, in die ohnehin erforderliche Gesamtwürdigung auch in der Vergan- genheit liegende Vorgänge als mitwirkende Ursachen einzubeziehen (BGH, jeweils aaO).
23
Auch wenn das Landgericht sich bezüglich einer tatauslösenden Misshandlung nicht ausdrücklich auf die vorgenannten Anforderungen bezogen hat, vermag der Senat nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils auszuschließen , dass dem Tatrichter die Berücksichtigung früherer Misshandlungen im Rahmen der Gesamtwürdigung aus dem Blick geraten ist. Es hat nicht nur die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau einschließlich der jedenfalls im Jahr 2013 in der Intensität deutlich zunehmenden Spannungen und Streitigkeiten festgestellt. Vielmehr verhält sich das angefochtene Urteil auch zu den wenigen früheren Streitigkeiten der Eheleute, bei denen es über die verbale Auseinandersetzung hinaus zu Tätlichkeiten gekommen ist (UA S. 11 unten und S. 12). In diesem Zusammenhang werden die von Seiten der Ehefrau unternommenen seltenen und nicht intensiven körperlichen Angriffe ebenso beschrieben wie die Fähigkeit des Angeklagten, sich dieser Attacken mühelos zu erwehren. Da das Landgericht zudem rechtlich zutreffend von der Berücksichtigung der Gesamtbeziehung zwischen Täter und Opfer ausgeht, lässt sich nicht annehmen, es habe zunächst dazu umfassende Feststellungen getroffen, die dann im Rahmen der Strafzumessung bei der Frage der Anwendung von § 213 StGB unbeachtet geblieben seien.
24
bb) Aus entsprechenden Gründen halten auch die Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen einer tatauslösenden schweren Beleidigung revisionsrechtlicher Prüfung stand.
25
(1) Die Revision und der Generalbundesanwalt zeigen im rechtlichen Ausgangspunkt übereinstimmend zutreffend auf, dass auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer „schweren Beleidigung“ im Sinne von § 213Alt. 1 StGB nicht allein auf die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehenden Vorgänge abzustellen ist. Nach der ständigen Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs ist vielmehr eine „Ganzheitsbetrachtung“ erforderlich , die in der Vergangenheit liegende Vorgänge als „mitwirkende Ursachen“ mit einbezieht. Die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB können dem- nach auch dann erfüllt sein, wenn zwar das Verhalten des Tatopfers vor der Tat isoliert betrachtet „keine schwere Beleidigung darstellt, dennoch aber den Täter zum Zorn reizte und auf der Stelle zur Tat hinriss, weil es nach einer ganzen Reihe von Kränkungen gleichsam nur noch der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen brachte.“ (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 11. Juni 1996 – 1 StR 300/96, StV 1998, 131; vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631 f.; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340; Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 jeweils mwN; Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5; Fischer aaO § 213 Rn. 5 aE mit zahlr. Nachweisen). In die erforderliche Gesamtbewertung sind alle Umstände einzubeziehen, die dem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Provokation durch das spätere Tatopfer sein Gepräge geben (Senat, Urteil vom 10. Oktober 1989 – 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 5).
26
(2) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat ausdrücklich eine objektive Bewertung der seitens der Ehefrau geäußerten Beleidi- gungen unter „Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer“ (UA S. 54) zugrunde gelegt. Die Feststellungen zeichnen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau insgesamt ausführlich und sorgfältig nach (UA S. 7-12). Das umfasst vor allem die ab 2011 einsetzenden Streitigkeiten in der Ehe und deren zunehmende Eskalation seit Februar 2013. Zudem stellt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung den Inhalt der Streitigkeiten ab November 2013 mittels der von den beiden Beteiligten jeweils gefertigten Aufzeichnungen per Mobiltelefon im Einzelnen dar (UA S. 33-37). Dazu gehören auch die von der Ehefrau in diesen verbalen Auseinandersetzungen geäußerten Beleidigungen gegenüber dem Angeklagten.
27
Den ausführlich dokumentierten Inhalt der früheren Streitigkeiten hat das Landgericht in die ihm obliegende Bewertung des Schweregrades der der Tötungstat unmittelbar vorausgegangenen Beleidigungen einbezogen. Da es sich ausdrücklich mit der Bedeutung der früheren Herabwürdigungen für die tatunmittelbaren Äußerungen befasst hat, vermag der Senat auch insoweit auszuschließen , dass das Tatgericht den Aspekt eines sich zu einer schweren Beleidigung aufsummierenden, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Geschehens wiederholter Kränkungen aus dem Blick verloren haben könnte. Der rechtliche Ausgangspunkt des Tatgerichts, die Schwere der der Tat vorausgehenden Beleidigungen unter Berücksichtigung der früheren kränkenden Äußerungen zu beurteilen, ist als solcher ebenfalls rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 1994 – 2 StR 382/94).
28
Hat aber der Tatrichter den für die Beurteilung des Vorliegens eines minder schweren Falls rechtlich zutreffenden Maßstab gewählt, unterliegt die Wertung als solche, ob sich die geäußerten Beleidigungen unter Berücksichtigung des Gesamtgeschehens als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB erweisen , nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 bzgl. der Bewertung eines Fußtritts als erhebliche Misshandlung). Teil dieser dem Tatrichter obliegenden Wertung ist es auch, die Bewertungsrichtung der festgestellten konkreten Umstände (unter Einschluss der dem eigentlichen Tötungsgeschehen vorausgehenden) zu bestimmen und auf dieser Grundlage das Vorliegen der benannten Milderungsgründe aus § 213 Alt. 1 StGB zu beur- teilen. Es ist dem Revisionsgericht verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
29
cc) Ob die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB im Einzelfall aufgrund einer Kumulation von vorausgehender Misshandlung und schwerer Beleidigung verwirklicht werden können (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Tatgerichts , worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist, bildete der der Tötungstat vorausgehende körperliche Übergriff den unmittelbaren Auslösereiz für den affektiven Ausnahmezustand des Angeklagten (UA S. 14 und S. 48). Beruht nach diesen rechtsfehlerfreien Feststellungen der die Tötungstat auslösende Zorn des Angeklagten auf dem körperlichen Angriff durch die Ehefrau und nicht auf vorangegangenen Beleidigungen, hätte die Anwendung von § 213 Alt. 1 StGB weder auf das Vorliegen schwerer Beleidigungen als solcher noch auf das Zusammenwirken von solchen und Misshandlungen gestützt werden können. Maßgeblich sind nämlich nur diejenigen Motive des Täters, die in der Tatsituation einen beherrschenden Einfluss auf den Täter gehabt haben (vgl. Schneider aaO § 213 Rn. 31). War aber eine für § 213 Alt. 1 StGB nicht ausreichend erhebliche Misshandlung der eigentliche Auslösereiz des Affekts, kann nicht auf eine im Motivbündel nur untergeordnete Reizung durch eine (schwere) Beleidigung abgestellt werden (siehe insoweit BGH, Beschluss vom 22. April 2004 – 4 StR 48/04, NStZ 2004, 500 f. mwN).
30
dd) Die Verneinung eines sonst minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB hält ebenfalls sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
31
(1) Das Landgericht ist von der gebotenen Gesamtbewertung aller relevanten Umstände (Fischer aaO § 213 Rn. 12; H. Schneider aaO § 213 Rn. 49 jeweils mwN) ausgegangen. In diese hat es zugunsten des Angeklagten die jeweils nicht die Schwelle von § 213 Alt. 1 StGB erreichenden Misshandlungen bzw. Beleidigungen durch die später getötete Ehefrau einbezogen und den minder schweren Fall zunächst ohne Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB geprüft.
32
Die zu Lasten des Angeklagten wirkende Erwägung des Tatrichters, er habe „seinen zwei kleinen Kindern, die aufgrund ihres jungen Alters von nur ein und vier Jahren der mütterlichen Zuwendung in besonderem Maß bedürfen, durch die Tat die Mutter“ genommen (UA S. 54 f.), ist nicht rechtsfehlerhaft und verstößt insbesondere nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Das Tatgericht hat erkennbar nicht auf das mit nahezu jeder Tötung einhergehende Leid der Angehörigen und dem schmerzlichen Verlust einer Bezugsperson abgestellt. Vielmehr hat es in rechtlich fehlerfreier Weise das spezifische Alter von Sohn und Tochter der Getöteten in den Blick genommen und damit auf eine zulässige einzelfallbezogene Differenzierung nach der Bedeutung des Vorhandenseins der getöteten Bezugsperson für die konkreten Angehörigen abgestellt. Damit erschöpft sich die Erwägung gerade nicht in der Heranziehung einer typischen Tatfolge eines Tötungsdelikts.
33
(2) Gleiches gilt auch für die weitere Strafzumessungserwägung, die beiden Kinder litten erheblich unter dem Verlust der Mutter. Das Landgericht hat damit auf die im konkreten Fall bewirkten verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) abgestellt, die bei beiden Kindern eingetreten sind. Deren Eintritt hat das Tatgericht mit der bei der Tochter weiterhin erfolgenden psychologischen Betreuung mit Feststellungen unterlegt. Dass es dabei die in der Beweiswürdigung ausdrücklich dargestellte zwischenzeitliche Besserung des Zustands der Tochter aus dem Blick verloren haben könnte, ist nicht zu besorgen.
34
Ohne Rechtsfehler hat das Tatgericht das Leiden der Kinder unter dem Verlust der Mutter als verschuldete Auswirkungen der Tat gewertet. Dem steht die Begehung der Tat im Zustand der durch einen Affekt bewirkten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht entgegen. Da seine Einsichtsfähigkeit insgesamt erhalten geblieben ist und er – wie sich sowohl aus dem festgestellten allgemeinen Umgang mit den Kindern als auch aus seinem Nachtatverhalten (Verbringen der Leiche in den Keller, um ihnen den Anblick der toten Mutter zu ersparen) ergibt – um deren Wohl besonders bemüht war, waren die eingetretenen Tatfolgen für ihn vorhersehbar.
35
(3) Angesichts der rechtsfehlerfreien strafschärfenden Berücksichtigung der vorstehend erörterten Umstände bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Verneinung eines sonstigen minder schweren Falls selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 21 StGB. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters zwischen dem Strafrahmen aus § 213 StGB und dem über § 49 Abs. 1 StGB (hier in Verbindung mit § 21 StGB) gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu wählen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 2. November 1983 – 2 StR 492/83, NStZ 1984, 118; Fischer aaO § 213 Rn. 19 mwN). Hat das Tatgericht wie hier sein Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt, hat das Revisionsgericht die Würdigung als solche hinzunehmen, mag auch eine andere ebenfalls in Betracht gekommen sein.
36
3. Die konkrete Strafzumessung weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Wie bereits ausgeführt [II.2.b)dd)] durfte das Landgericht die Auswirkungen der Tat auf die beiden Kinder strafschärfend berücksichtigen.
37
4. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls hätte sich im Übrigen selbst eine rechtsfehlerhafte Ablehnung von § 213 StGB nicht auf die Strafzumessung ausgewirkt. Da nach den Feststellungen hier zwischen den vorausgegangenen Kränkungen bzw. Tätlichkeiten und dem affektiven Ausnahmezustand eine enge Verbindung bestand, sie also auf dieselbe Wurzel zurückzuführen sind (siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 30. April 1991 – 4 StR 140/91, NStE Nr. 24 zu § 213 StGB, vom 24. Oktober 2012 – 5 StR 472/12, NStZ 2013, 341 mwN), hätte eine weitere Milderung des Strafrahmens von § 213 StGB über §§ 21, 49 StGB nicht erfolgen können.

III.

38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, diejenige über die notwendigen Auslagen aus einer entsprechenden Anwendung von § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Rothfuß Graf Radtke RinBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Mosbacher Rothfuß

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 415/16
vom
9. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:090217U1STR415.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 8. Februar 2017 in der Sitzung am 9. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Bellay, Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 –, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung am 9. Februar 2017 – als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 –, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 – als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung vom 8. Februar 2017 –, Justizangestellte – bei der Verkündung am 9. Februar 2017 – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 24. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Angeklagte wurde im Alter von fünfzehn Jahren zum ersten Mal schwanger. Mit dem Vater des Kindes hatte sie keine feste Beziehung. Ihre Schwangerschaft hatte sie den Eltern gegenüber bis zum achten Schwanger- schaftsmonat verheimlicht, weshalb es mehrmals zu Vorhaltungen bzw. Vorwürfen seitens der Eltern kam. Sie brachte am 16. Dezember 2009 ihren Sohn R. zur Welt. Nachdem sie mit dem Gedanken gespielt hatte, das Kind zur Adoption frei zu geben und bereits Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen hatte, entschied sich die Angeklagte aber doch dafür, das Kind im Haus ihrer Eltern selbst aufzuziehen und ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Während sich die Angeklagte an ihrem Arbeitsplatz befand, kümmerte sich entweder deren Mutter oder eine Tagesmutter um das Kind.
4
Anfang des Jahres 2015 hatte die Angeklagte eine neue Beziehung, die im März 2015 einvernehmlich beendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Angeklagte noch nicht, dass sie erneut schwanger geworden war. Die Schwangerschaft bemerkte sie erst im vierten Schwangerschaftsmonat. Sie sprach weder mit ihren Eltern, bei denen sie wohnte, ihrer ebenfalls im Haus lebenden Schwester, noch mit anderen Personen über die Schwangerschaft und nahm auch keine ärztliche Hilfe in Anspruch, sondern ging weiter – wie gewohnt – ihrer Arbeit nach. Sowohl gegenüber ihren Eltern als auch gegenüber ihrer Personalchefin , die sie wegen ihres Erscheinungsbildes angesprochen und eine erneute Schwangerschaft vermutet hatten, verneinte sie dies jeweils vehement. Es war ihr Plan, im Vorfeld der Entbindung eine Klinik aufzusuchen, das Kind dort zu gebären und anschließend zur Adoption freizugeben. Diesen Plan schob sie immer weiter vor sich her, ohne in irgendeiner Weise für die Geburt Vorbereitungen zu treffen.
5
In der Nacht vom 5. auf den 6. November 2015 wachte die Angeklagte, die wegen einer Erkältung gesundheitlich beeinträchtigt war, nachts auf und begab sich zur Toilette ins Badezimmer. Als sie dort sehr starke Schmerzen empfand, realisierte sie, dass die Geburt ihres Kindes unmittelbar bevorstand. Sie zog ihre Hose aus, setzte sich auf den Fußboden im Badezimmer und be- nutzte einen Badvorleger als Unterlage. Dort brachte sie unter starken Schmerzen ein 53 cm großes und 3.584 Gramm schweres Mädchen zur Welt. Das Kind war normal entwickelt, lebensfähig, ohne Missbildungen und atmete. Da die Angeklagte in dieser Situation für sich keinen Ausweg sah, entschloss sie sich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geburt, das neugeborene Kind zu töten. Dazu nahm sie eine 17 Millimeter breite Kordel aus einem im Badezimmer befindlichen Kapuzensweatshirt, legte diese um den Hals des Kindes, fixierte die massiv zugezogene Schlinge mit einem Knoten und drosselte das Neugeborene auf diese Weise mit der Kordel so lange, bis das Kind – wie von der Angeklagten beabsichtigt – verstarb. Zu diesem Zeitpunkt litt die Angeklagte an einer schweren akuten Belastungsreaktion.
6
Anschließend deckte sie das tote Kind mit Handtüchern zu, reinigte sich von den Folgen der Geburt und steckte die Leiche des Kindes – ohne Durchtrennung der Nabelschnur – zusammen mit der Plazenta und den Handtüchern in einen blauen Plastiksack. Diesen verbrachte sie zu ihrem Auto und legte ihn dort in den Kofferraum. Das Badezimmer und der mit Blut verschmierte Badvorleger wurden von der Angeklagten gereinigt, ohne dass von diesen Vorgängen jemand im Haus etwas mitbekam. Die Angeklagte brachte anschließend in den Morgenstunden ihren Sohn zu seiner Tagesmutter und ging ihrer gewohnten Arbeit nach. Am 11. November 2015 wurde von den Eltern der Angeklagten der Plastiksack mit der Leiche des Kindes im Kofferraum des Fahrzeugs der Angeklagten gefunden.
7
2. Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagte zur Tatzeit unter einer schweren akuten Belastungsreaktion litt und sich deshalb zum Zeitpunkt der Tötung ihres Kindes nicht ausschließbar im Zustand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB befand. Ihre Einsichtsfähigkeit war aber weder aufgehoben „noch in erheblicher Weise vermindert“.

II.


8
Die auf Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg; das angefochtene Urteil ist rechtsfehlerfrei.
9
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen Totschlags (§ 212 StGB).
10
Insbesondere ist das Landgericht bei der Angeklagten auch rechtsfehlerfrei nicht von einem völligen Ausschluss der Steuerungsfähigkeit gemäß § 20 StGB ausgegangen. Es hat sich insoweit den Ausführungen der Sachverständigen angeschlossen, die – entgegen dem Vorbringen der Revision – ausdrücklich (UA S. 31, 35, 36 und 37) dargetan hat, dass bei der Angeklagten zum Tatzeitpunkt zwar eine schwere akute Belastungsreaktion vorlag, die hinsichtlich ihrer Intensität aber nur eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB, nicht jedoch deren vollständige Aufhebung zur Folge hatte.
11
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revi- sionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107). Dabei kann im Rahmen der Strafzumessung auch ein Vortatverhalten berücksichtigt werden, wenn ein schuldrelevanter Zusammenhang mit der Tat besteht (BGH, Urteile vom 16. April 2014 – 2 StR 608/13, BfHR StGB § 225 Konkurrenzen 4 und vom 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 28; Beschluss vom 29. Januar 2013 – 4 StR 532/12, NStZ-RR 2013, 170, 171).
13
Im Rahmen der Strafzumessung muss dabei, soweit das Gesetz einen minder schweren Fall – wie hier in § 213 StGB – vorsieht und auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund – wie hier mit §§ 21, 49 Abs. 1 StGB – gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl gesetzwürdigend zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind in einem nächsten Schritt die den vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände einzube- ziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt erachtet, darf er im Rahmen seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zu Grunde legen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 9. August 2016 – 1 StR 331/16 mwN).
14
b) Nach diesen Maßstäben liegt hier kein Rechtsfehler vor.
15
aa) Das Landgericht hat die gebotene Prüfungsreihenfolge beachtet und ist nach einer Gesamtwürdigung zunächst davon ausgegangen, dass ein minder schwerer Fall des § 213 2. Alt. StGB ohne Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes der verminderten Schuldfähigkeit nicht erfolgen kann. In einem zweiten Schritt hat das Landgericht dann einen solchen minder schweren Fall aber unter Verbrauch dieses vertypten Strafmilderungsgrundes (§ 50 StGB) angenommen.
16
bb) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts weisen auch im Übrigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Dabei hat das Landgericht im Rahmen der Gesamtabwägung (UA S. 40 ff.) zu Gunsten der Angeklagten deren Geständnis, die fehlenden Vorahndungen, die besonderen Belastungen durch die überraschende Geburtssituation einschließlich des damit einhergehenden Blutverlustes, die spontane Durchführung der Tat sowie deren besondere Haftempfindlichkeit einbezogen. Soweit das Landgericht zu Lasten der Angeklagten vor allem als rechtsgutsbezogenes Vortatverhalten berücksichtigt hat, dass sie die besondere Geburtssituation selbst verschuldet hat, indem sie trotz Kenntnis der Schwangerschaft spätestens ab dem vierten Monat über einen längeren Zeitraum hinweg die Möglichkeit hatte, sich anderen Personen oder auch Einrichtungen – wie dem Jugendamt – zu offenbaren, handelt es sich um im Rahmen der Strafzumessung zulässigerweise zu berücksichtigende Erwägungen. Hinzu kommt, dass die Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts durchaus über die intellektuellen Fähigkeiten verfügte, andere Lösungsmöglichkeiten zu finden und in einer fast identischen Ausgangssituation bei der Geburt des ersten Kindes auch selbst erfahren hat, dass ihr letztlich von allen Seiten geholfen wurde, was die Angeklagte nach ihrer eigenen Einlassung auch so empfunden hat. Da das Landgericht damit zu Lasten der Angeklagten ausdrücklich (UA S. 42) nur ein sorgfaltswidriges Verhalten vor der eigentlichen Tat berücksichtigt hat, durch das offensichtlich Gefahren für das ungeborene Kind begründet wurden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. März 2016 – 5 StR 68/16, NStZ-RR 2016, 139; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 227/09, NStZ 2010, 214, 215), und nicht die eigentliche Geburtssituati- on, liegt darin auch kein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB.

III.


17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Raum Graf Bellay Radtke Bär

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

38
4. Der Strafausspruch enthält auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten K. , worauf die Prüfung des Senats gemäß § 301 StPO wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft begrenzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt).
11
b) Das Landgericht hat diese rechtlich gebotenen Maßstäbe im Rahmen der vorgenommenen Gesamtbetrachtung ausreichend beachtet. Entgegen den Ausführungen der Revision hat es bei der Bewertung der Provokationslage nicht ausschließlich die Sichtweise des Angeklagten (UA S. 21, 32) zugrunde gelegt, sondern auch das vom Tatopfer so gewollte Verhalten bei dem sich zuspitzenden Streit im Rahmen einer objektiven Betrachtung (UA S. 36) in den Blick genommen. Es ist insoweit nicht zu besorgen, dass die Schwurgerichtskammer verkannt hat, dass die Provokation des Tatopfers von diesem bewusst ausgehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1986 – 1 StR 104/86, BGHSt 34, 37). Sie stellt hierbei maßgeblich darauf ab, dass das Tatopfer in Kenntnis des Vorgeschehens bewusst seine Überlegenheit gegenüber dem Angeklagten dargestellt und ihm deutlich gemacht hat, dass er „ohne sie nichts sei“ (UA S. 37).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 5 7 4 / 1 4
vom
26. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
26. Februar 2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf den Strafausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Spätestens ab Februar 2013 traten in der Ehe zwischen dem Angeklagten und seiner später getöteten Ehefrau erhebliche Spannungen auf, die regelmäßig in lautstark geführte verbale Auseinandersetzungen mündeten. Im Rahmen dieser Konflikte belegte die sehr wortgewaltige Ehefrau den Angeklagten mit ehrverletzenden Ausdrücken. Beginnend ab Oktober 2013 nahmen die Streitigkeiten an Heftigkeit zu. Im Hinblick auf eine mögliche Scheidung und damit verbundene Streitigkeiten um das Sorgerecht für die 2009 geborene Tochter und den 2012 geborenen Sohn zeichneten die Eheleute ab November 2013 die Wortgefechte mit ihren jeweiligen Mobiltelefonen auf.
4
Zu Tätlichkeiten kam es trotz der Heftigkeit der verbalen Streitigkeiten nur selten. Bei einem Tritt gegen das Schienbein des Angeklagten brach sich die Ehefrau mehrere Zehen. Als sie im Rahmen einer Auseinandersetzung im November 2013 auf den Angeklagten losging, konnte er sie durch Wegschubsen mühelos abwehren. Überhaupt war der Angeklagte seiner Ehefrau bei ihren wenigen körperlichen Attacken stets überlegen.
5
2. Am Abend des 29. November 2013 brachte der Angeklagte die beiden Kinder zu Bett. Da der Sohn nicht sogleich einschlafen konnte, legte sich der Angeklagte zu ihm ins Bett, schlief dabei aber selbst ein. Dies nahm seine Ehefrau , die ihn später weckte, zum Anlass, ihm vorzuwerfen, er schlafe, um nicht mit ihr über ihre gemeinsamen Eheprobleme reden zu müssen. Es entwickelte sich ein heftiger, zunächst mit Worten geführter Streit zwischen den Eheleuten. Dabei beschimpfte die Ehefrau den Angeklagten als „Schlappschwanz“ und „elendigen Hund“, außerdem sei seine ganze Familie „behindert“.
6
Da ein Versuch des Angeklagten, einen gemeinsamen Bekannten, der bereits bei früheren Auseinandersetzungen als Schlichter tätig geworden war, zu erreichen, scheiterte, wurde der Streit weiter fortgesetzt. Gegen 4.00 Uhr des Folgetages ging die Ehefrau schreiend auf den Angeklagten los und versuchte , diesen mit der Faust gegen den Oberkörper zu schlagen. Diesen Angriff konnte er, ebenso wie einen sich anschließenden durch Wegschubsen abwehren. Bei dem dritten Mal gelang es der Ehefrau, das T-Shirt des Angeklagten zu ergreifen und diesen an der Brust zu kratzen.
7
In diesem Moment verlor wegen des Kratzens der durch die wochenlangen Streitigkeiten und Beschimpfungen zermürbte sowie wegen des begleitenden Schlafmangels – die Streitigkeiten setzten häufig nach dem Ende der Spätschicht des Angeklagten ein – übermüdete Angeklagte die Fassung (UA S. 14). Bei ihm trat ein Affekt auf, der dazu führte, dass er seine Ehefrau nicht erneut wegschubste, sondern deren Hals mit seinen beiden Händen fest umfasste. Er drückte zu, so dass seine Ehefrau nach etwa 8 Sekunden bewusstlos wurde und in sich zusammensackte. Obwohl der Angeklagte wusste, dass er damit ihren Tod herbeiführen würde, ging er mit ihr zu Boden und drückte ihren Hals noch wenigstens drei Minuten lang zu, bis sie tot war. Durch die Einwirkung brach das rechte Zungenbein der Ehefrau. Ihr Tod trat durch Ersticken ein (UA S. 15).
8
Nachdem der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau realisiert hatte, verbrachte er die Leiche in den Keller, um den eventuell aufwachenden Kindern den Anblick der toten Mutter zu ersparen. Im Verlaufe des Nachmittags offenbarte er zunächst seiner Schwester die Tötung der Ehefrau. Später stellte er sich der Polizei.
9
3. Das sachverständig beratene Landgericht hat einen sich als tiefgreifende Bewusstseinsstörung erweisenden affektiven Ausnahmezustand (UA S. 47) bei dem Angeklagten angenommen. Dieser Zustand wurde auch durch das bewusstlose Zusammensacken der Getöteten nicht aufgehoben. Aufgrund des Affekts war bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Angeklagten, sich entsprechend dieser Einsicht zu steuern, erheblich vermindert.
10
4. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 213 StGB geprüft, dessen Vorausset- zungen aber sowohl im Hinblick auf eine vorausgegangene Provokation gemäß § 213 Alt. 1 StGB als auch einen allgemeinen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB verneint. Geringfügige Verletzungen, wie sie dem Angeklagten hier von der Ehefrau zugefügt wurden, erreichten nicht die für eine „Misshandlung“ erforderliche Erheblichkeit. Gleiches gelte für eine in dem Verhalten der getöte- ten Ehefrau möglicherweise liegende „seelische Misshandlung“. Es hat zudem die während der verbalen Auseinandersetzung geäußerten Beleidigungen nicht als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB bewertet. Maßgebend sei eine Beurteilung aufgrund einer Gesamtwürdigung nach objektivem Maßstab unter Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer. In seiner Gesamtwürdigung hat das Tatgericht vor allem auf den Inhalt der in den zahlreichen vorausgegangenen Streitigkeiten erfolgten, den Angeklagten herabwürdigenden Äußerungen der Ehefrau abgestellt. Vor diesem Hintergrund verlören die in der Tatnacht getätigten, zudem im Streit geäußerten Beleidigungen an Gewicht.
11
Ein minder schwerer Fall gemäß § 213 Alt. 2 StGB ist vom Landgericht ebenfalls in Betracht gezogen worden. Auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB hat es einen solchen verneint, den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB jedoch gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert.

II.

12
Die nachträglich beschränkte Revision hat keinen Erfolg. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
13
1. Die durch den dazu ausdrücklich ermächtigten (§ 302 Abs. 2 StPO) Wahlverteidiger in der Revisionshauptverhandlung erklärte, als Teilrücknahme zu wertende Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch, der die Vertreterin des Generalbundesanwalts zugestimmt hat (§ 303 Satz 1 StPO), ist wirksam. Die Beschränkung bezieht sich ungeachtet der Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten auf einen Beschwerdepunkt, der von dem nicht angefochtenen Schuldspruch unabhängig beurteilt werden kann. Das angefochtene Urteil enthält, was einer wirksamen Beschränkung entgegenstehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 259), keine Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
14
2. Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags hinsichtlich beider Varianten des § 213 StGB ohne Rechtsfehler verneint.
15
a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
16
Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines minder schweren Falls zugrunde liegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist (siehe BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.). Diese Grundsätze über den für das Revisionsgericht geltenden Prüfungsmaßstab gelten nicht nur für die tatrichterliche Beurteilung des unbenannten minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB, sondern auch für die in § 213 Alt. 1 StGB benannten Konstellationen minder schwerer Fälle. Denn bei § 213 StGB insgesamt und nicht lediglich bei seiner zweiten Alternative handelt es sich um eine Strafzumessungsregel (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 – 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 15; siehe auch Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289; H. Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 4, § 213 Rn. 1 mwN).
17
b) Derartige der Revision zugänglichen Rechtsfehler bei der Anwendung von § 213 StGB weist das angefochtene Urteil nicht auf.
18
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können lediglich solche dem späteren Täter zugefügten Misshandlungen die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 1 StGB begründen, die nach ihrem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, die „Jähtat als verständliche Reaktion“ auf das provozierende Verhalten des Opfers der nachfol- genden Tötungstat erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4 StR 37/95, NJW 1995, 1910, 1911; BGH, Urteil vom 4. Mai 1995 – 5 StR 213/95, NStZ 1996, 33; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96,BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5; aber auch Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1 StR 577/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 3). Diese Voraussetzungen können selbst bei einer lediglich versuch- ten Körperverletzung gegeben sein (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4StR 37/95, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 4; Urteil vom 1. August 1996 – 5 StR 214/96, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Misshandlung 5). Da sich die Tötungstat jedoch als „verständliche Reaktion“ auf die vorausgegangene Miss- handlung durch das spätere Opfer erweisen muss, werden eingetretene oder drohende lediglich geringfügige Eingriffe in die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Täters des Tötungsdelikts regelmäßig keine Misshandlung im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB begründen können (Senat, Urteil vom 19. Februar

1991

1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 „nur erhebliche Beeinträchtigungen“ ; vgl. auch Jähnke in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Band 5, § 213 Rn. 4; H. Schneider aaO § 213 Rn. 13 mwN).
19
Dem entsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass es der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen von § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung des menschlichen Lebens gebieten, die Anforderungen an das der Tat vorausgehende Opferverhalten und auch an die auf die tatauslösende Situation zulaufende Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339 f.; vom 8. Juli 2014 – 3 StR228/14 Rn. 5). An diesem Gebot hat sich trotz der Verschärfung des Strafrahmens von § 213 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) nichts geändert (Senat, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 1 StR 548/01, NStZ-RR 2002, 140 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – 4 StR 136/98).
20
Ob nach den vorgenannten Grundsätzen eine Misshandlung gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der bisherigen Täter-Opfer-Beziehung und der damit verbundenen Motivationsgenese, zu beurteilen (siehe BGH, Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 mwN).
21
(1) An diesen Maßstäben gemessen hält die Bewertung des Tatgerichts, es fehle an einer der Tötungstat vorausgehenden und diese auslösenden erheblichen Misshandlung seitens der später getöteten Ehefrau sachlichrechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat mit einer Gesamtwürdigung bei objektivem Maßstab unter Einbeziehung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt. Dass es eine ge- wisse Erheblichkeit der „Misshandlung“, sowohl unter dem Aspekt der körperli- chen als auch der seelischen Beeinträchtigung, für erforderlich gehalten hat, ist ersichtlich nicht zu beanstanden.
22
(2) Der Senat besorgt auch nicht, dass das Tatgericht seiner Beurteilung des Vorliegens einer Misshandlung rechtsfehlerhaft lediglich die unmittelbar der Tötung vorausgehende Attacke der Ehefrau auf den Angeklagten zugrunde gelegt hat. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorheben, kann § 213 Alt. 1 StGB auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die tatauslösende Misshandlung für sich allein genom- men, zwar keine „schwere Unbill“ darstellt, sieaber gleichsam nur der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt (Senat, Urteil vom 4. Dezember 1990 – 1StR 577/90, StV 1991, 105 f. mwN; siehe auch bzgl. einer vorangegangenen Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340 mwN; vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5). Nach dieser Rechtsprechung ist es daher geboten, in die ohnehin erforderliche Gesamtwürdigung auch in der Vergan- genheit liegende Vorgänge als mitwirkende Ursachen einzubeziehen (BGH, jeweils aaO).
23
Auch wenn das Landgericht sich bezüglich einer tatauslösenden Misshandlung nicht ausdrücklich auf die vorgenannten Anforderungen bezogen hat, vermag der Senat nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils auszuschließen , dass dem Tatrichter die Berücksichtigung früherer Misshandlungen im Rahmen der Gesamtwürdigung aus dem Blick geraten ist. Es hat nicht nur die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau einschließlich der jedenfalls im Jahr 2013 in der Intensität deutlich zunehmenden Spannungen und Streitigkeiten festgestellt. Vielmehr verhält sich das angefochtene Urteil auch zu den wenigen früheren Streitigkeiten der Eheleute, bei denen es über die verbale Auseinandersetzung hinaus zu Tätlichkeiten gekommen ist (UA S. 11 unten und S. 12). In diesem Zusammenhang werden die von Seiten der Ehefrau unternommenen seltenen und nicht intensiven körperlichen Angriffe ebenso beschrieben wie die Fähigkeit des Angeklagten, sich dieser Attacken mühelos zu erwehren. Da das Landgericht zudem rechtlich zutreffend von der Berücksichtigung der Gesamtbeziehung zwischen Täter und Opfer ausgeht, lässt sich nicht annehmen, es habe zunächst dazu umfassende Feststellungen getroffen, die dann im Rahmen der Strafzumessung bei der Frage der Anwendung von § 213 StGB unbeachtet geblieben seien.
24
bb) Aus entsprechenden Gründen halten auch die Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen einer tatauslösenden schweren Beleidigung revisionsrechtlicher Prüfung stand.
25
(1) Die Revision und der Generalbundesanwalt zeigen im rechtlichen Ausgangspunkt übereinstimmend zutreffend auf, dass auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer „schweren Beleidigung“ im Sinne von § 213Alt. 1 StGB nicht allein auf die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehenden Vorgänge abzustellen ist. Nach der ständigen Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs ist vielmehr eine „Ganzheitsbetrachtung“ erforderlich , die in der Vergangenheit liegende Vorgänge als „mitwirkende Ursachen“ mit einbezieht. Die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB können dem- nach auch dann erfüllt sein, wenn zwar das Verhalten des Tatopfers vor der Tat isoliert betrachtet „keine schwere Beleidigung darstellt, dennoch aber den Täter zum Zorn reizte und auf der Stelle zur Tat hinriss, weil es nach einer ganzen Reihe von Kränkungen gleichsam nur noch der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen brachte.“ (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 11. Juni 1996 – 1 StR 300/96, StV 1998, 131; vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631 f.; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 454/10, NStZ 2011, 339, 340; Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11 Rn. 10 jeweils mwN; Beschluss vom 8. Juli 2014 – 3 StR 228/14 Rn. 5; Fischer aaO § 213 Rn. 5 aE mit zahlr. Nachweisen). In die erforderliche Gesamtbewertung sind alle Umstände einzubeziehen, die dem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Provokation durch das spätere Tatopfer sein Gepräge geben (Senat, Urteil vom 10. Oktober 1989 – 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 5).
26
(2) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat ausdrücklich eine objektive Bewertung der seitens der Ehefrau geäußerten Beleidi- gungen unter „Berücksichtigung der Gesamtbeziehung von Täter und Opfer“ (UA S. 54) zugrunde gelegt. Die Feststellungen zeichnen die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau insgesamt ausführlich und sorgfältig nach (UA S. 7-12). Das umfasst vor allem die ab 2011 einsetzenden Streitigkeiten in der Ehe und deren zunehmende Eskalation seit Februar 2013. Zudem stellt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung den Inhalt der Streitigkeiten ab November 2013 mittels der von den beiden Beteiligten jeweils gefertigten Aufzeichnungen per Mobiltelefon im Einzelnen dar (UA S. 33-37). Dazu gehören auch die von der Ehefrau in diesen verbalen Auseinandersetzungen geäußerten Beleidigungen gegenüber dem Angeklagten.
27
Den ausführlich dokumentierten Inhalt der früheren Streitigkeiten hat das Landgericht in die ihm obliegende Bewertung des Schweregrades der der Tötungstat unmittelbar vorausgegangenen Beleidigungen einbezogen. Da es sich ausdrücklich mit der Bedeutung der früheren Herabwürdigungen für die tatunmittelbaren Äußerungen befasst hat, vermag der Senat auch insoweit auszuschließen , dass das Tatgericht den Aspekt eines sich zu einer schweren Beleidigung aufsummierenden, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Geschehens wiederholter Kränkungen aus dem Blick verloren haben könnte. Der rechtliche Ausgangspunkt des Tatgerichts, die Schwere der der Tat vorausgehenden Beleidigungen unter Berücksichtigung der früheren kränkenden Äußerungen zu beurteilen, ist als solcher ebenfalls rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 1994 – 2 StR 382/94).
28
Hat aber der Tatrichter den für die Beurteilung des Vorliegens eines minder schweren Falls rechtlich zutreffenden Maßstab gewählt, unterliegt die Wertung als solche, ob sich die geäußerten Beleidigungen unter Berücksichtigung des Gesamtgeschehens als schwer im Sinne von § 213 Alt. 1 StGB erweisen , nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6 bzgl. der Bewertung eines Fußtritts als erhebliche Misshandlung). Teil dieser dem Tatrichter obliegenden Wertung ist es auch, die Bewertungsrichtung der festgestellten konkreten Umstände (unter Einschluss der dem eigentlichen Tötungsgeschehen vorausgehenden) zu bestimmen und auf dieser Grundlage das Vorliegen der benannten Milderungsgründe aus § 213 Alt. 1 StGB zu beur- teilen. Es ist dem Revisionsgericht verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
29
cc) Ob die Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB im Einzelfall aufgrund einer Kumulation von vorausgehender Misshandlung und schwerer Beleidigung verwirklicht werden können (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1991 – 1 StR 659/90, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Beleidigung 6), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen und der Beweiswürdigung des Tatgerichts , worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist, bildete der der Tötungstat vorausgehende körperliche Übergriff den unmittelbaren Auslösereiz für den affektiven Ausnahmezustand des Angeklagten (UA S. 14 und S. 48). Beruht nach diesen rechtsfehlerfreien Feststellungen der die Tötungstat auslösende Zorn des Angeklagten auf dem körperlichen Angriff durch die Ehefrau und nicht auf vorangegangenen Beleidigungen, hätte die Anwendung von § 213 Alt. 1 StGB weder auf das Vorliegen schwerer Beleidigungen als solcher noch auf das Zusammenwirken von solchen und Misshandlungen gestützt werden können. Maßgeblich sind nämlich nur diejenigen Motive des Täters, die in der Tatsituation einen beherrschenden Einfluss auf den Täter gehabt haben (vgl. Schneider aaO § 213 Rn. 31). War aber eine für § 213 Alt. 1 StGB nicht ausreichend erhebliche Misshandlung der eigentliche Auslösereiz des Affekts, kann nicht auf eine im Motivbündel nur untergeordnete Reizung durch eine (schwere) Beleidigung abgestellt werden (siehe insoweit BGH, Beschluss vom 22. April 2004 – 4 StR 48/04, NStZ 2004, 500 f. mwN).
30
dd) Die Verneinung eines sonst minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB hält ebenfalls sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
31
(1) Das Landgericht ist von der gebotenen Gesamtbewertung aller relevanten Umstände (Fischer aaO § 213 Rn. 12; H. Schneider aaO § 213 Rn. 49 jeweils mwN) ausgegangen. In diese hat es zugunsten des Angeklagten die jeweils nicht die Schwelle von § 213 Alt. 1 StGB erreichenden Misshandlungen bzw. Beleidigungen durch die später getötete Ehefrau einbezogen und den minder schweren Fall zunächst ohne Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB geprüft.
32
Die zu Lasten des Angeklagten wirkende Erwägung des Tatrichters, er habe „seinen zwei kleinen Kindern, die aufgrund ihres jungen Alters von nur ein und vier Jahren der mütterlichen Zuwendung in besonderem Maß bedürfen, durch die Tat die Mutter“ genommen (UA S. 54 f.), ist nicht rechtsfehlerhaft und verstößt insbesondere nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Das Tatgericht hat erkennbar nicht auf das mit nahezu jeder Tötung einhergehende Leid der Angehörigen und dem schmerzlichen Verlust einer Bezugsperson abgestellt. Vielmehr hat es in rechtlich fehlerfreier Weise das spezifische Alter von Sohn und Tochter der Getöteten in den Blick genommen und damit auf eine zulässige einzelfallbezogene Differenzierung nach der Bedeutung des Vorhandenseins der getöteten Bezugsperson für die konkreten Angehörigen abgestellt. Damit erschöpft sich die Erwägung gerade nicht in der Heranziehung einer typischen Tatfolge eines Tötungsdelikts.
33
(2) Gleiches gilt auch für die weitere Strafzumessungserwägung, die beiden Kinder litten erheblich unter dem Verlust der Mutter. Das Landgericht hat damit auf die im konkreten Fall bewirkten verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) abgestellt, die bei beiden Kindern eingetreten sind. Deren Eintritt hat das Tatgericht mit der bei der Tochter weiterhin erfolgenden psychologischen Betreuung mit Feststellungen unterlegt. Dass es dabei die in der Beweiswürdigung ausdrücklich dargestellte zwischenzeitliche Besserung des Zustands der Tochter aus dem Blick verloren haben könnte, ist nicht zu besorgen.
34
Ohne Rechtsfehler hat das Tatgericht das Leiden der Kinder unter dem Verlust der Mutter als verschuldete Auswirkungen der Tat gewertet. Dem steht die Begehung der Tat im Zustand der durch einen Affekt bewirkten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht entgegen. Da seine Einsichtsfähigkeit insgesamt erhalten geblieben ist und er – wie sich sowohl aus dem festgestellten allgemeinen Umgang mit den Kindern als auch aus seinem Nachtatverhalten (Verbringen der Leiche in den Keller, um ihnen den Anblick der toten Mutter zu ersparen) ergibt – um deren Wohl besonders bemüht war, waren die eingetretenen Tatfolgen für ihn vorhersehbar.
35
(3) Angesichts der rechtsfehlerfreien strafschärfenden Berücksichtigung der vorstehend erörterten Umstände bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Verneinung eines sonstigen minder schweren Falls selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 21 StGB. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters zwischen dem Strafrahmen aus § 213 StGB und dem über § 49 Abs. 1 StGB (hier in Verbindung mit § 21 StGB) gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu wählen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 2. November 1983 – 2 StR 492/83, NStZ 1984, 118; Fischer aaO § 213 Rn. 19 mwN). Hat das Tatgericht wie hier sein Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt, hat das Revisionsgericht die Würdigung als solche hinzunehmen, mag auch eine andere ebenfalls in Betracht gekommen sein.
36
3. Die konkrete Strafzumessung weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Wie bereits ausgeführt [II.2.b)dd)] durfte das Landgericht die Auswirkungen der Tat auf die beiden Kinder strafschärfend berücksichtigen.
37
4. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls hätte sich im Übrigen selbst eine rechtsfehlerhafte Ablehnung von § 213 StGB nicht auf die Strafzumessung ausgewirkt. Da nach den Feststellungen hier zwischen den vorausgegangenen Kränkungen bzw. Tätlichkeiten und dem affektiven Ausnahmezustand eine enge Verbindung bestand, sie also auf dieselbe Wurzel zurückzuführen sind (siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 30. April 1991 – 4 StR 140/91, NStE Nr. 24 zu § 213 StGB, vom 24. Oktober 2012 – 5 StR 472/12, NStZ 2013, 341 mwN), hätte eine weitere Milderung des Strafrahmens von § 213 StGB über §§ 21, 49 StGB nicht erfolgen können.

III.

38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, diejenige über die notwendigen Auslagen aus einer entsprechenden Anwendung von § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Rothfuß Graf Radtke RinBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Mosbacher Rothfuß

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 372/16
vom
8. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080916B1STR372.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 17. März 2016 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem wurde auf Adhäsionsanträge des Geschädigten H. ein Schmerzensgeldanspruch gegen den Angeklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte zum Ersatz künftiger immaterieller Schäden aus dem tatgegenständlichen Vorfall verpflichtet ist.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts Erfolg; im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

II.

3
Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand; die Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags gemäß § 213 StGB durch das Landgericht erweist sich als rechtsfehlerhaft.
4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts konnte der Angeklagte deswegen nicht schlafen, weil der Geschädigte mit dessen Lebensgefährtin deren Mutter besucht hatte und diese sich ab 23.30 Uhr vor der Haustür laut unterhielten. Nachdem sie der im ersten Stock des Hauses wohnende Angeklagte gegen 24 Uhr durch das Schlafzimmerfenster aufgefordert hatte, leise zu sein, weil er am nächsten Tag früh zur Arbeit müsse, kam es alsbald zu gegen- seitigen Beleidigungen. Dann forderte ihn der Geschädigte wie folgt auf: „Wenn du Eier hast, komm runter!“ Weil seine Ehefrau diese Äußerung mitbekommen hatte, fühlte sich der Angeklagte in seiner Ehre gekränkt und rief nach unten, dass er runterkomme und sie alle umbringe. Auf diesem Weg nahm er eine an der Wand des Wohnungsflures zu Dekorationszwecken hängende Axt mit einer Gesamtlänge von ca. 27 cm mit und lief nach unten vor das Haus. Er lief auf den Geschädigten zu und rief, dass er diesen nun umbringen werde, worauf dieser ihn mit seinem Körper zur Seite drückte, ohne dass er die in der rechten Hand nach unten gehaltene Axt bemerkte. Der Angeklagte hob daraufhin den Arm und schlug mit der Axt mindestens zweimal in Richtung Kopf-/Halsbereich, wobei er den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf nahm. Dieser konnte den Schlägen jedoch ausweichen und zudem den rechten Arm des An- geklagten so fixieren, dass sich die Axt hinter dessen Rücken befand. Der Angeklagte wollte daraufhin dem Geschädigten mit der anderen Hand an den Hals fassen, was dieser jedoch ebenfalls abwehren konnte. Kurz darauf erschien die Ehefrau des Angeklagten, nahm ihm die Axt weg, und ging mit dem Angeklagten zurück in die Wohnung, wo er von der alsbald eintreffenden Polizei festgenommen wurde. Der Geschädigte erlitt durch den Angriff des Angeklagten eine 6 cm lange Schnittwunde am linken Arm, welche im Krankenhaus ambulant behandelt wurde, sowie Kratzer im Hals- und Brustbereich.
5
2. Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB hat das Schwurgericht die Worte des Geschädigten „wenn Du Eier hast, komm runter“ als 'schwere Beleidigung' angesehen. Es hat § 213 Alt.1 StGB aber nicht angenommen, weil nach seiner Auffassung der Angeklagte nicht „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ worden sei, denn er habe zunächst die an der Wand hängende Axt an sich nehmen, die Wohnung verlassen und nach unten gehen müssen, bevor er auf den Geschädigten traf. Indem das Schwurgericht allein auf die Zeitdauer zwischen der provozierenden Aussage des Geschädigten und dessen durchgeführten Angriff abstellte, hat es einen falschen Maßstab angewandt. Maßgebend ist vielmehr, ob der bei einem Täter durch die Provokation hervorgerufene Zorn noch angehalten und ihn zu seiner Tat hingerissen hat (BGH, Beschlüsse vom 28. September 2010 – 5 StR 358/10, NStZ-RR 2011, 10 und vom 26. Juli 1994 – 1 StR 286/94, NStZ 1995, 83) und als nicht durch rationale Erwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 16. April 2007 – 5 StR 134/07, NStZ-RR 2007, 200). Nach den Feststellungen des Schwurgerichts hat der Angeklagte auf die Bemerkung des Geschädigten sofort reagiert und ist nach unten auf die Straße gegangen, wobei er im Vorbeigehen die an der Wand hängende Axt erfasste und mitnahm. Damit liegt eine spontane Reaktion des Angeklagten vor, welche insoweit die Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB erfüllt.
6
3. Auf dem genannten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Schwurgericht, wenn es davon ausge- gangen wäre, dass der Angeklagte „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ worden ist, bereits aufgrund der Beleidigung einen minderschweren Fall nach § 213 Alt. 1 StGB angenommen hätte und bei vollständiger Würdigung aller maßgeblichen Strafzumessungsumstände einen minder schweren Fall angenommen und wegen des Versuchs eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 23, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hätte und damit insgesamt zu einer geringeren Strafe gelangt wäre.
7
Die tatsächlichen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer kann ergänzende Feststellungen zum Strafausspruch treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

III.

8
Ob die Äußerung des Geschädigten „wenn Du Eier hast, komm runter“ als schwere Beleidigung zu verstehen ist, hat der Tatrichter neu zu beurteilen, wobei die Anforderungen nicht zu niedrig anzusetzen sind (BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582, Fischer, StGB, 63. Aufl., § 213 Rn. 5). Dabei kommt es nicht darauf an, wie der Angeklagte die Kundgebung des Geschädigten aufgefasst hat, sondern darauf, ob sie objektiv als schwer beleidigend zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 13. Mai 1981 – 3 StR 42/81, NStZ 1981, 300). Maßgebend ist der konkrete Geschehensablauf unter Berücksichtigung von Persönlichkeit und Lebenskreis der Beteiligten (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 213 Rn. 5) der konkreten Beziehung zwischen Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 12. Mai 1987 – 1 StR 43/87, NStZ 1987, 555) sowie der tatauslösenden Situation (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631). Auch wird zu berücksichtigen sein, welche weiteren Beleidigungen im Vorfeld der Tat zwischen den Beteiligten gewechselt wurden und inwieweit der Geschädigte hierbei unmittelbar beteiligt war.
9
Der neuberufene Tatrichter wird zudem noch in den Blick zu nehmen haben, ob das „Zur-Seite-Stoßen“ des Angeklagten unmittelbar vor seinem An- griff mit der Axt eine „Misshandlung“ im Sinne von § 213 StGB darstellte oder bereits als Abwehrbewegung anzusehen war. Raum Graf Jäger Cirener Fischer
11
b) Das Landgericht hat diese rechtlich gebotenen Maßstäbe im Rahmen der vorgenommenen Gesamtbetrachtung ausreichend beachtet. Entgegen den Ausführungen der Revision hat es bei der Bewertung der Provokationslage nicht ausschließlich die Sichtweise des Angeklagten (UA S. 21, 32) zugrunde gelegt, sondern auch das vom Tatopfer so gewollte Verhalten bei dem sich zuspitzenden Streit im Rahmen einer objektiven Betrachtung (UA S. 36) in den Blick genommen. Es ist insoweit nicht zu besorgen, dass die Schwurgerichtskammer verkannt hat, dass die Provokation des Tatopfers von diesem bewusst ausgehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1986 – 1 StR 104/86, BGHSt 34, 37). Sie stellt hierbei maßgeblich darauf ab, dass das Tatopfer in Kenntnis des Vorgeschehens bewusst seine Überlegenheit gegenüber dem Angeklagten dargestellt und ihm deutlich gemacht hat, dass er „ohne sie nichts sei“ (UA S. 37).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 454/10
vom
21. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
21. Dezember 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 19. Juli 2010 im Strafausspruch aufgehoben ; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg; zum Schuldspruch ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen lernten sich der Angeklagte und E. , das im Jahre 1991 geborene, an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidende spätere Tatopfer, im Sommer 2009 kennen und begannen eine intime Beziehung. Obwohl es zu immer heftigeren Auseinandersetzungen kam, bei denen der Angeklagte sich nicht aggressiv verhielt, E. sich indes häufig selbst verletzte und gegenüber dem Angeklagten gewalttätig wurde, bezogen die beiden eine gemeinsame Wohnung in K. . Das spätere Opfer hatte in der Folgezeit wie schon zuvor intime Kontakte zu mehreren weiteren Männern. Aufgrund der immer weiter eskalierenden Streitigkeiten, in deren Verlauf der Angeklagte auch mit einem Messer und einem Teleskopschlagstock bedroht wurde, kam es mehrfach zu Einsätzen der Polizei. Zuletzt ereignete sich am 4. März 2010 in der gemeinsamen Wohnung eine Auseinandersetzung, die bis in die Nacht andauerte. Während dieser verhielt sich E. erneut aggressiv; sie versetzte dem Angeklagten Schläge und Tritte. Am nächsten Morgen ging der Streit weiter. Nachdem das spätere Opfer den Angeklagten von neuem provoziert und getreten hatte, wollte dieser die Wohnung verlassen. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil E. die Tür verschlossen und die Schlüssel an sich genommen hatte. Sie griff den Angeklagten weiterhin an, schlug ihn mit einem Besenstiel und bedrohte ihn mit einem Messer. Sodann versuchte sie, den Angeklagten mit einem Antennenkabel zu schlagen. Dieser riss ihr das Kabel aus der Hand, wickelte es mehrfach um ihren Hals und zog es solange zu, bis sie sich nicht mehr bewegte. Sodann verknotete er es. Dabei verspürte der Angeklagte zugleich Wut, Aggression und Ohnmacht; er wollte, dass das Opfer mit seinem Verhalten aufhört und wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich bedingt durch einen Ausbruch narzisstischer Wut in einem Affektzustand befand, durch den seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB war.
3
Das Landgericht hat die Strafe dem oberen Bereich des Rahmens des § 213 StGB entnommen. Einen minder schweren Fall nach § 213 1. Alt. StGB hat es allein deshalb verneint, weil das vom Opfer beabsichtigte Schlagen mit einem Antennenkabel gegenüber dem körperlich weit überlegenen Angeklagten nicht als tatbestandsrelevante Provokation angesehen werden könne. Die Würdigung der Gesamtumstände einschließlich des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB führe jedoch zur Annahme eines sonstigen minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB.
4
2. Die Begründung, mit der die Strafkammer einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 1. Alt. StGB abgelehnt hat, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
Den Anforderungen an eine schwere Beleidigung im Sinne des § 213 1. Alt. StGB genügen nur solche Provokationen, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind; denn der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-OpferBeziehung nicht zu niedrig anzusetzen. Mit dieser Maßgabe kann jedoch auch eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Beleidigung dann als schwer zu bewerten sein, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der "Tropfen" war, der "das Fass zum Überlaufen" gebracht hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - 5 StR 254/93, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8; Beschluss vom 21. Mai 2004 - 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631, 632). Erforderlich ist deshalb stets eine Gesamtbetrachtung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 - 1 StR 239/89, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5).
6
Eine solche Gesamtwürdigung lässt das angefochtene Urteil vermissen. Das Landgericht hat ausschließlich den versuchten Angriff des Opfers gegen den Angeklagten mit dem Antennenkabel und damit noch nicht einmal den Verlauf der der Tat vorausgehenden Auseinandersetzung, sondern lediglich die unmittelbar tatauslösende Handlung des Opfers in seine Betrachtung einbezogen. Es hätte indes die gesamte Entwicklung der Beziehung zwischen dem Opfer und dem Angeklagten in den Blick nehmen und prüfen müssen, ob bei einer sachgerechten Bewertung aller maßgebenden Umstände die Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB gegeben sind.
7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Höhe der Strafe, auf die das Landgericht erkannt hat, auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Das Landgericht hat zwar die Voraussetzungen eines minder schweren Falles des Totschlags nach § 213 2. Alt. StGB angenommen. Dabei hat es allerdings den vertypten Strafmilderungsgrund des § 21 StGB in die Beurteilung einbezogen und somit "verbraucht". Es erscheint indes möglich, dass die Strafkammer, hätte sie die Voraussetzungen des § 213 1. Alt. StGB bejaht, den Strafrahmen des § 213 StGB erneut nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und eine geringere Strafe verhängt hätte.
8
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist eine derartige weitere Milderung des Strafrahmens nicht ausgeschlossen; denn der über den Erregungszustand im Sinne des § 213 1. Alt. StGB hinausgehende Affekt, der zu einer von dieser Bestimmung nicht vorausgesetzten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, kann eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung rechtfertigen, ohne dass dem § 50 StGB entgegensteht (BGH, Beschlüsse vom 13. August 1985 - 1 StR 250/85, NStZ 1986, 71; vom 6. November 1985 - 2 StR 590/85, NStZ 1986, 115; vom 8. Juni 1993 - 1 StR 276/93, BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung 3; vom 30. Juli 2008 - 2 StR 270/08, NStZ 2009, 91, 92). Bei der vom neuen Tatgericht gegebenenfalls zu treffenden Entscheidung, ob eine weitere Strafrahmenmilderung angezeigt ist, wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass die Milderungsgründe durch die enge Verknüpfung zwischen der Kränkung und dem psychischen Zustand des Angeklagten auf dieselben Wurzeln zurückgehen (BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - 5 StR 254/93, BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 8; Beschluss vom 30. Juli 2008 - 2 StR 270/08, NStZ 2009, 91, 92).
9
4. Die getroffenen Feststellungen werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt, sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

9
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, BFH/NV 2016, 719; jeweils mwN). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, wistra 2017, 242 mwN). Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106).

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 150/15
vom
1. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2016:010616B2STR150.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
1. Die Hauptverhandlung wird unterbrochen. 2. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Beim vorsätzlichen Tötungsdelikt kann die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden. 3. Er fragt deshalb bei den anderen Strafsenaten an, ob dem zugestimmt oder an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revision des Angeklagten.

A.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts beschloss der 74 Jahre alte Angeklagte R. am 22. Oktober 2013, seine erheblich jüngere und Trennungsabsichten hegende Ehefrau R. zu töten. In Ausführung dieses Tatentschlusses griff er sie auf der Kellertreppe des gemeinsamen Wohnanwesens an und schlug ihr einen Gegenstand gegen den Kopf, wodurch sie die Kellertreppe hinunterstürzte und zu Boden fiel. Nunmehr ergriff der Angeklagte einen etwa 2,8 Kilogramm schweren Feuerlöscher und schlug damit in Tötungsabsicht mindestens fünf Mal wuchtig auf den Kopf seiner am Boden liegenden Ehefrau ein. Sie erlitt durch diese mehrfachen, massiven Gewalteinwirkungen multiple offene Schädel-Hirn-Verletzungen. Weitere stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Oberkörper des Tatopfers führten zu zahlreichen Rippenbrüchen , die linksseitig zu einer mehrfachen Durchsetzung der Brusthöhle und zu Einblutungen in die Lunge führten. Die Ehefrau des Angeklagten verstarb aufgrund der erlittenen massiven Verletzungen innerhalb weniger Minuten.
3
Nach der Tat benachrichtigte der Angeklagte den Rettungsdienst und behauptete in dem Bemühen, ein Sturzgeschehen vorzutäuschen, er habe seine Ehefrau nach Gartenarbeiten blutüberströmt und verletzt im Keller aufgefunden.

B.

4
Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend hält der Senat die Revision des Angeklagten für unbegründet. Allerdings hat das Schwurgericht im Rahmen der Strafzumessung bei der Prüfung der Frage, ob die Tat als ein (sonst) minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 StGB anzusehen ist, zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass „der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“.Auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Schwurgericht neben der brutalen Tatausführung strafschärfend „die Tatsache“ berücksichtigt, dass der Angeklagte seine Ehefrau „absichtlich getötet hat“. Die strafschärfende Be- rücksichtigung der – rechtsfehlerfrei festgestellten – Tötungsabsicht erweist sich nach bisher gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als rechtsfehlerhaft , weil dem Angeklagten damit strafschärfend allein das subjektive Tatbestandsmerkmal direkten Tötungsvorsatzes zur Last gelegt wird und dies gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen verstößt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 7; Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15; Senat, Beschluss vom 25. Juni 2015 – 2 StR 83/15; BGH, Beschluss vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15, NStZRR 2015, 171; Senat, Beschluss vom 23. Oktober 1992 – 2 StR 483/92, StV 1993, 72).
5
Demgegenüber hat der Senat in seinem Beschluss vom 28. Juni 2012 (2 StR 61/12, NStZ 2012, 689) seiner Auffassung Ausdruck verliehen, dass es zwar „in der Regel“ gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, wenn der Tatrichter das Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes straferschwerend bewerte, dies jedoch nicht für Tötungsabsicht gelte. Der Umstand, dass der Täter handelt, um den tödlichen Erfolg herbeizuführen, dürfe strafschärfend berücksichtigt werden.
6
Zu dieser Rechtsauffassung will der Senat zurückkehren und beabsichtigt zu entscheiden, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden kann. Er fragt deshalb wegen Divergenz bei den anderen Strafsenaten an, ob diese ihm folgen oder an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten.

I.

7
1. a) Ausgehend von dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen haben der 3. und der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits früh entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal des Tötungsvorsatzes bei der Strafzumessung nicht noch einmal strafschärfend berücksichtigt werden dürfe (BGH, Urteil vom 28. Juni 1968 – 4 StR 226/68, unveröffentlicht; Beschluss vom 16. September 1986 – 4 StR 457/86, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1; Beschluss vom 26. April 1988 – 4 StR 157/88,NStE Nr. 41 zu § 46 StGB; Beschluss vom 30. Juli 1998 – 4 StR 346/98, NStZ 1999, 23; Beschluss vom 3. Februar2004 – 4 StR 403/03). Der Tatbestand des Totschlags setze vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren „Regelfall“ die Tötung mit direktem Vorsatz sei (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77 –, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 14. August 2008 – 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624). Der Tötung mit direktem Tötungsvorsatz komme deshalb kein gesteigerter Unrechtsgehalt zu, während die Tötung mit bedingtem Tötungsvorsatz eine geringere Tatschwere aufweise (BGH, Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564). In seinem Beschluss vom 17. September 1990 (3 StR 313/90; BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4 – dolus directus) hat der 3. Strafsenat allerdings darauf hingewiesen , dass die strafschärfende Wertung direkten Vorsatzes im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Angeklagten nicht rechtsfehlerhaft sein müsse.
8
b) Der Rechtsauffassung des 3. und des 4. Strafsenats, wonach die strafschärfende Berücksichtigung des direkten Tötungsvorsatzes gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, sind der 1. Strafsenat (Beschluss vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15) und der 5. Strafsenat (Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016,
8) beigetreten.
9
c) Der Senat hatte sich der Auffassung des 3. und 4. Strafsenats zunächst angeschlossen (Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3 – dolus directus) und in der strafschärfenden Berücksichtigung direkten Tötungsvorsatzes einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen gesehen (§ 46 Abs. 3 StGB). Dabei hat er – auch hierin der Rechtsprechung des 3. und 4. Strafsenats folgend (vgl. Beschluss vom 13. Mai 1981 – 3 StR 126/81, NJW 1981, 2204) folgend – die Anerkennung einer strafzumessungsrelevanten Schuldabstufung innerhalb des direkten Vorsatzes und eine Schuldabstufung zwischen Absicht und Wissentlichkeit abgelehnt.
10
d) In seinem Beschluss vom 28. Juni 2012 – 2 StR 61/12 (NStZ 2012, 689) – hat der Senat demgegenüber die vom Tatrichter strafschärfend berücksichtigte Vorsatzform von Tötungsabsicht unbeanstandet gelassen.
11
e) Der 4. Strafsenat hat in seiner Entscheidung vom 26. April 2016 – 4 StR 104/16 die Frage, ob die strafschärfende Berücksichtigung von Tö- tungsabsicht gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoße, ausdrücklich offen gelassen.
12
2. Die Rechtsauffassung, wonach die Vorsatzform als eine selbstständige Strafzumessungstatsache ausscheide oder gegen das Verbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, hat in der Literatur Zustimmung, aber auch Kritik erfahren (zustimmend Fischer StGB, 63. Aufl. § 46 Rn. 30 aE und § 212 Rn. 18; LK StGB/Jähnke, 11. Aufl. § 212 Rn. 45; LK StGB/Theune, 12. Aufl. § 46 Rn. 77; MüKoStGB/Miebach § 46 Rn. 86; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., S. 173, 174; Bruns, Recht der Strafzumessung , 2. Aufl., S. 214; Lackner/Kühl StGB, 28. Aufl. § 46 Rn. 33; zweifelnd Jescheck/Weigend Strafrecht AT, 5. Aufl. S. 887; ablehnend SSWStGB /Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 93, 185; Frisch in 50 Jahre Bundesgerichtshof , Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, S. 269, 290 f.; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, S. 260, 263; Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt , 2010, S. 148 ff.; Foth, JR 1985, 397, 398; Bruns, JR 1981, 512, 513). Ihr ist entgegen gehalten worden, dass der Tatbestand des § 212 StGB bereits bei Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes erfüllt sei und die Feststellung direkten Tötungsvorsatzes als eine Schuldsteigerung anzusehen sei, welche die Tatschuld erhöhe (vgl. Bruns aaO). Die strafschärfende Berücksichtigung der hierin liegenden Schuldsteigerung gerate mit dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen deshalb nicht in Konflikt (SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 93, 185). Darüber hinaus ist darauf hingewiesen worden, dass einem Täter, dem es auf die Beseitigung oder Zerstörung eines durch die Strafrechtsordnung geschützten, fundamentalen Rechtsguts ankomme, die Rechtsordnung nachhaltiger in Frage stelle als der nur bedingt vorsätzlich handelnde Täter (Frisch, BGH-FG, 269, 290; ders., Vorsatz und Risiko, 1983, 498, 499; ZStW 99 (1987) 349, 387 f., 768 ff.; Grünewald aaO S. 154 ff.). Insbesondere der mit „Absicht“ Tötende erschüttere das Vertrauen der Bevölkerung in die Normgeltung in besonderem Maße. Darüber hinaus könne sein zielstrebig auf die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges gerichtetes Verhalten auf seine besondere Gefährlichkeit hindeuten (Frisch, BGH-FG, aaO). Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass das Handlungsunrecht zwischen bedingt vorsätzlichem Handeln einerseits und absichtlichem bzw. wissentlichem Handeln andererseits sich auch deshalb in erhöhter Tatschuld niederschlage, weil das Ausmaß der Bedrohlichkeit des Täterhandelns aus Opferperspektive unterschiedlich sei (Hörnle, aaO, S. 263).

II.

13
Handelt der Angeklagte mit Tötungsabsicht, so ist dies eine die Tatschuld erhöhende und damit taugliche Strafzumessungstatsache. Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt nicht gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen.
14
1. Tötungsabsicht als tauglicher Strafschärfungsgrund
15
a) Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB ist die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe. Zur Ermittlung der für die Straffrage maßgeblichen Strafzumessungsschuld sind alle Umstände heranzuziehen, die den Unrechts - und Schuldgehalt der Tat im Einzelfall kennzeichnen. § 46 Abs. 2 StGB benennt beispielhaft und nicht abschließend einige Bereiche derjenigen Umstände , die für die Strafzumessung aussagekräftig sind. Bewertungsrichtung und Gewicht dieser Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie der Tatrichter, dem hierbei ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt ist.
16
b) Zu den Umständen, die § 46 Abs. 2 StGB beispielhaft als für die Strafzumessung im Einzelfall relevante Tatsachen aufführt, zählen die „Beweggründe und die Ziele des Täters“. Der damit angesprochene subjektive Bereich, die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat und die mit ihr verfolgten Absichten, ist für die Strafzumessung bedeutsam. Er umfasst nicht nur die vom Täter mit seiner – tatbestandsmäßigen – Handlung verfolgten weiteren Ziele, sondern auch seine innere Einstellung zum Taterfolg. Die unterschiedlichen, in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend anerkannten, nach heute herrschender Dogmatik nicht mehr der Schuld, sondern dem Unrecht zuzurechnenden unterschiedlichen Vorsatzformen sind daher strafzumessungsrelevant.
17
aa) Nach herrschender, terminologisch nicht in jeder Hinsicht einheitlicher Auffassung sind im Bereich des Vorsatzes drei Vorsatzformen zu unterscheiden. Der bedingt vorsätzlich handelnde Täter hält bei Vornahme der – rechtsgutsgefährdenden – Handlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfol- ges für möglich und findet sich mit seinem Eintritt ab, auch wenn er auf dessen Eintritt weder abzielt noch ihm dieser auch nur erwünscht ist. Demgegenüber sieht der mit unbedingtem Vorsatz handelnde Täter den Eintritt des tatbestand- lichen Erfolges sicher voraus (dolus directus 2. Grades oder „Wissentlichkeit“) oder er hält den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für sicher oder möglich und erstrebt seinen Eintritt in dem Sinne, dass es ihm auf die Erreichung des tatbestandlichen Erfolges ankommt (dolus directus 1. Grades).
18
bb) Die gesetzgeberische Anerkennung einer Schuldschwereskala gerade auch im Bereich des subjektiven Tatbestands steht außer Frage. Sie zeigt sich nicht nur in den unterschiedlichen gesetzlichen Strafrahmen, die das Strafgesetzbuch für die vorsätzliche (§§ 211, 212 StGB) und die fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) bereitstellt. Der Gesetzgeber differenziert auch in einer Reihe weiterer Vorschriften des Strafgesetzbuchs je nach der Vorsatzform. So sieht der Qualifikationstatbestand des § 226 Abs. 2 StGB in Fällen absichtlicher oder wissentlicher Erfolgsverursachung einer schweren Folge im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB einen höheren Strafrahmen vor. Eine Vielzahl von weiteren Straftatbeständen (vgl. nur §§ 87 Abs. 1, 145, 167a, 183a, 258 ff. StGB) setzt bereits auf der Ebene des Straftatbestands absichtliches oder wissentliches Handeln voraus. Eine Reihe von Staatsschutzdelikten wiederum (§§ 88 Abs. 1, 89, 90 Abs. 3 (Qualifikation des § 90 Abs. 1), 90a Abs. 3 (Qualifikation des § 90a Abs. 1), 90b Abs. 1 StGB) stellt ausdrücklich „absichtliches“ Handeln unter Strafe. Mit Absicht sind „gezielte Handlungen“ gemeint, also solche, die mit dolus directus 1. Grades ausgeführt werden (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT–Drucks. V/2860, S. 11).
19
Auch sah der Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962 in § 16 eine Definition der drei Vorsatzformen und in § 17 eine Differenzierung zwischen Absicht und Wissentlichkeit vor (BT-Drucks. IV/650, S. 14: „Der Entwurf unterscheidet nach alledem scharf zwischen Absicht und Wissentlichkeit“).Die Normen sollten wissenschaftliche Herleitung und Richterrecht kodifizieren (BTDrucks. IV/650, S. 101) und wurden allein aus redaktionellen Gründen nicht Gesetz.
20
Insbesondere die gesetzgeberische Entscheidung, Qualifikationstatbestände für absichtliches oder wissentliches Handeln bereit zu stellen, zeigt eindrucksvoll , dass nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers diesen beiden Vorsatzformen ein höherer Schuldgehalt beizumessen ist als bedingt vorsätzlichem Handeln.
21
cc) Die gesetzgeberischen Formulierungen belegen zugleich die Anerkennung der unterschiedlichen Vorsatzarten innerhalb des unbedingten oder unmittelbaren Vorsatzes. Die generelle gesetzliche Differenzierung zwischen Absicht und Wissentlichkeit ist ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber auch insoweit eine graduelle Schuldabstufung als selbstverständlich voraussetzt (ablehnend Dencker, aaO, S. 220; Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., S. 261). Denn anderenfalls hätte es näher gelegen, den beide Vorsatzformen umfas- senden Begriff des „unbedingten Vorsatzes“ zu verwenden.
22
dd) Diese grundsätzliche gesetzgeberische Anerkennung einer Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands gilt – ungeachtet des Umstands, dass der Gesetzgeber insoweit auf eine ausdrückliche Differenzierung im Rahmen der §§ 211, 212 StGB verzichtet hat – auch und gerade für die Tötungsdelikte.
23
(a) Zwischen Absicht, Wissentlichkeit und bedingtem Vorsatz besteht ein strafzumessungsrelevanter Unterschied (in diesem Sinne Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, 2010, S. 157 ff.). Während der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges zwar als naheliegend voraussieht und sich um der von ihm verfolgten Handlungsziele willen mit dessen Eintritt abfindet, sieht der wissentlich handelnde Täter den Eintritt des tat- bestandlichen Erfolges als sicher voraus. Er handelt „trotz besseren Wissens“ und kalkuliert die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges und die hierin liegende Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts überlegt ein. Das Handeln trotz sicherer Voraussicht des Erfolgseintritts erhöht das Handlungsunrecht gegenüber dem bedingt vorsätzlich handelnden Täter, bleibt jedoch seinerseits hinter dem des absichtlich Handelnden, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges erstrebenden Täters zurück.
24
(b) Zwar haben die Verfasser des Entwurfs 1962 die beiden Vorsatzformen des dolus directus als in der Regel gleich strafwürdig bezeichnet (BT– Drucks. IV/650, S. 131: „Die beiden verschiedenen Fälle werden sich jedoch regelmäßig an Strafwürdigkeit gleichkommen. Der bösen Absicht im einen Falle steht das sichere Wissen im anderen gegenüber“), zugleich jedoch darauf hin- gewiesen, dass „die Gleichstellung von Absicht und Wissentlichkeit nicht immer passt.“ (BT-Drucks. IV/650, S. 131).
25
Dies gilt in besonderem Maße für die Tötungsdelikte. Der mit Tötungsabsicht handelnde Täter setzt sich nicht nur über die durch § 212 StGB strafbewehrte Verhaltensnorm, Handlungen zu unterlassen, durch die eine andere Person zu Tode kommen kann, hinweg und nimmt dabei den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges in Kauf. Es kommt ihm vielmehr auf die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges an. Sein Handeln zielt im Wortsinne auf die Herbeiführung des Todes einer anderen Person ab, diese ist nicht nur billigend in Kauf genommene oder wissentlich herbeigeführte Folge, sondern Ziel seines Handelns. Dieses Streben ist im besonderen Maße mit einem sozialen Unwerturteil belegt. Dass der auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Wille eine höhere Gefahr für das geschützte Rechtsgut darstellt, weil der mit dolus directus 1. Grades handelnde Täter sein Handlungsziel zielstrebig verfolgt, liegt auf der Hand.
26
c) Das (unbedingte) Streben nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges ist – je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls – geeignet , die individuelle Tatschuld zu erhöhen (vgl. auch Theune, StV 1985, 205,

206).

27
Zwar deutet ein Handeln mit direktem Tötungsvorsatz für sich genommen nicht stets und schlechthin auf eine besonders verwerfliche Gesinnung oder auf eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens eines Täters hin. Eine mit bedingtem Tötungsvorsatz begangene Tat kann – je nach den Umständen des Einzelfalls – eine höhere Tatschuld aufweisen als eine mit direktem Tötungsvorsatz begangene Tat. Deshalb kann der (isolierte) Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer Tatschuld zu kurz greifen (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. Rn. 618; Theune, aaO; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 498, 499; ablehnend Foth, JR 1985, 397, 398; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 185 aE). Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Vorsatzform stets im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters und seinen Handlungsmotiven zu würdigen (BGH, Beschluss vom 29. August 1984 – 3 StR 353/84; Urteil vom 25. Oktober 1989 – 3 StR 180/89, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Strafzumessung 1; BGH, Beschluss vom 17. September 1990 – 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4). Die grundsätzliche Tauglichkeit der Strafzumes- sungstatsache Tötungsabsicht als Strafschärfungsgrund ist damit jedoch nicht in Frage gestellt.
28
2. Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB.
29
a) Nach dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten „Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen“ dürfen Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht noch einmal berücksichtigt werden. Das Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen hindert den Tatrichter jedoch nicht daran, im Rahmen der Strafzumessung zugunsten oder zum Nachteil eines Angeklagten den Ausprägungsgrad oder die konkrete Modalität eines – objektiven oder subjektiven – Merkmals des gesetzlichen Tatbestands zu berücksichtigen, wenn dieses steigerungsfähig ist (vgl. Fahl, ZStW 111 (1999), 156; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 1991, S. 205; Bruns, aaO). Sind Tatbestandmerkmale steigerungsfähig, so kann die Form ihrer Verwirklichung im Einzelfall im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) berücksichtigt werden. Darüber hinaus greift das Doppelverwertungsverbot auch dann nicht ein, wenn ein Straftatbestand zwei unterschiedlich schwer wiegende Alternativen zur Verfügung stellt (BGH, Urteil vom 30. Januar 1980 – 3 StR 471/79, NJW 1980, 1344; RG GA 56 (1909), 96).
30
b) Gemessen hieran verstößt die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB.
31
Jedenfalls bei Tötungsabsicht handelt es sich um gegenüber dem zur Tatbestandserfüllung hinreichenden bedingten Tötungsvorsatz um eine Schuldsteigerung , die den Unrechtsgehalt der Tat erhöht. Sie kann zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.
32
c) Zwar wird die Unzulässigkeit der strafschärfenden Berücksichtigung von Tötungsabsicht auch damit begründet, dass es sich in beiden Spielarten des dolus directus Absicht und Wissentlichkeit um den „Regelfall“ des Totschlags im Sinne des § 212 StGB handele, der dem Gesetzgeber bei Schaffung des Strafrahmens für die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen vor Augen gestanden habe (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016, 8: “normativer Regelfall“; Senat, Beschluss vom 25. Juni 2015 – 2 StR 83/15, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 7; BGH, Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564, 565; BGH, Urteil vom 14. August 2008 – 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624; BGH, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 4 StR 403/03, juris; BGH, Beschluss vom 30. Juli 1998 – 4 StR 346/98, NStZ 1999, 23; Senat, Beschluss vom 23. Oktober 1992 – 2 StR 483/92, StV 1993, 72; Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3;BGH, Beschluss vom 15. November 1983 – 3 StR 447/83, EzSt StGB § 212 Nr. 7; BGH, Beschluss vom 13. Mai 1981 – 3 StR 126/81, NJW 1981, 2204; BGH, Beschluss vom 8. Februar 1978 – 3 StR 425/77, juris; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, juris). Dies erscheint aber schon aufgrund der praktischen Erfahrung zweifelhaft, wonach in der überwiegenden Zahl der Fälle bedingter Vorsatz und nur in seltenen Einzelfällen Absicht festgestellt wird. Im Übrigen ist es auch nicht naheliegend, die ganz unterschiedlichen Motivationslagen des direkten Vorsatzes (Inkaufnehmen auch des unerwünschten, aber als sicher vorausgesehenen Erfolges um eines weiteren Ziels willen) und der Absicht (Tatmotivation gerade mit dem Ziel der Erfolgsherbeiführung) zu einem einzigen „normativen Regelfall“ zusammenzufassen. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 119/16
vom
10. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2016:100516B1STR119.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 10. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 7. Dezember 2015 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen. 3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Angeklagte kurz nach der Entbindung eines ausgereiften, lebenden und lebensfähigen Kindes auf einer Toilette dieses dadurch getötet, dass sie Einwegpapierhandtücher in dessen Mund- und Rachenraum fest hineindrückte und dadurch die Atemwege verschloss, so dass das neugeborene Kind innerhalb weniger Minuten erstickte.
4
a) Das Landgericht hat bei seinen Strafzumessungserörterungen ausgehend vom Regelstrafrahmen des § 212 StGB im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine Strafrahmenverschiebung wegen eines minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB geprüft und dabei zehn zu Gunsten der Angeklagten sprechende, schuldmindernde Gesichtspunkte berücksichtigt und abschließend ausgeführt (UA S. 42): „Dem Gegenüber vermochte die Kammer Umstände, die zu Lasten der Angeklagten sprechen, nicht zu erkennen, so dass aufgrund des Bestehens allein entlastender Umstände vom Vorliegen eines minder schweren Falles auszugehen war.“
5
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung innerhalb des damit geminderten Strafrahmens von einem Jahr bis zu zehn Jahren kommt das Landgericht zu folgendem Ergebnis (UA S. 43): „Unter Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der im Rahmen der Strafrahmenwahl angesprochenen Erwägungen (s.o.) und unter besonderer Würdigung des unter II. 2. festgestellten Tatbilds, hält die Kammer eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren für tat- und schuldangemessen. Dabei hat die Kammer besonders die Tatsituation und das Alter der Angeklagten zu ihren Gunsten in den Blick genommen.“
6
b) Diese Erwägungen des Landgerichts sind rechtsfehlerhaft.
7
aa) Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320, vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, juris Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, juris Rn. 12, BFH/NV 2016, 719, jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen.Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144, vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, juris Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, juris Rn. 12, BFH/NV 2016, 719).
8
bb) Ein solcher Rechtsfehler bei der konkreten Strafzumessung liegt hier jedoch vor.
9
Im Hinblick auf die Vielzahl der festgestellten Schuldminderungsgründe und den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass Schulderhöhungsgründe nicht festgestellt werden konnten, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, weshalb das Landgericht bei dem nach § 213 StGB gemilderten Strafrahmen eine deutlich über der Mindeststrafe liegende Strafe festgesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2007 – 2 StR 417/07, NStZ-RR 2008, 106). Dies gilt umso mehr, als das Landgericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung im engeren Sinn ausdrücklich nochmals die besondere Tatsituation und das Alter der Angeklagten zu ihren Gunsten berücksichtigt hat. Aus den Ausführungen des Landgerichts erschließt sich damit nicht, welche gegen die Angeklagte sprechenden Umstände das Gericht bei der Strafzumessung berücksichtigt haben will.
10
2. Soweit die Angeklagte in der Revisionsbegründung auch die Feststellungen des Landgerichts zum Strafausspruch beanstandet, ist die Revision unbegründet. Insoweit handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen, das der Revision im Rahmen der Sachrüge nicht zum Erfolg verhelfen kann. Da die Feststellungen im Übrigen von dem vorgenannten Zumessungsfehler unberührt bleiben, können sie bestehen bleiben. Der neue Tatrichter ist aber nicht gehindert , ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu treffen. Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

9
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, BFH/NV 2016, 719; jeweils mwN). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, wistra 2017, 242 mwN). Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106).

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

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Im Revisionsverfahren ist eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der dort Beteiligten nur insofern veranlasst, als diese das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten betrifft (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 473 Rn. 10a, 15, 18 mwN).