vorgehend
Amtsgericht Ahaus, 10 F 476/07, 26.11.2008
Oberlandesgericht Hamm, 3 UF 196/08, 26.03.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 79/09
vom
18. November 2009
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2009 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. März 2009 aufgehoben. Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ahaus vom 26. November 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 4.929 €

Gründe:


I.

1
Der Kläger begehrt die Abänderung eines Urteils auf Zahlung nachehelichen Unterhalts. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Klage durch ein der Beklagten am 27. November 2008 zugestelltes Urteil teilweise stattgege- ben. Die Beklagte hat mit einem am 29. Dezember 2008 (Montag) eingegangenen Schriftsatz Prozesskostenhilfe für die Einlegung der Berufung gegen dieses Urteil begehrt. Dem Antrag war der Vordruck "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" beigefügt; in der Rubrik G war die Frage "Sonstige Vermögenswerte" nicht beantwortet.
2
Das Oberlandesgericht hat der Beklagten mit Beschluss vom 20. Januar 2009, zugestellt am 30. Januar 2009, Prozesskostenhilfe versagt. Die Beklagte hat daraufhin mit am 13. Februar 2009 eingegangenen Schriftsätzen Gegenvorstellung erhoben sowie Berufung eingelegt, diese auch begründet und Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Oberlandesgericht hat die Gegenvorstellung zurückgewiesen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es sodann abgelehnt, der Beklagten Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren, und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO); denn der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihrem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
4
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das Oberlandesgericht hat zu Unrecht der Beklagten die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist versagt und die Berufung verworfen.
5
a) Zwar geht das Oberlandesgericht zutreffend davon aus, dass der am 29. Dezember 2008 eingegangene Schriftsatz, mit dem die Beklagte die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, nicht bereits als Einlegung der Berufung gedeutet werden kann. Richtig ist zwar, dass ein Schriftsatz, der alle formellen Anforderungen an eine Berufung erfüllt, regelmäßig als wirksam eingelegte Prozesserklärung zu behandeln ist. Eine Deutung dahin, dass er gleichwohl nicht unbedingt als Berufung bestimmt ist, kommt nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 185/08 - FamRZ 2009, 494). Das ist hier indes der Fall. Denn der genannte Schriftsatz verdeutlicht unmissverständlich, dass die Beklagte zunächst nur Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung begehrt und erst "nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das erstinstanzliche Urteil … zur Überprüfung stellen" will. Die Annahme, dass die Berufung sogleich unbedingt eingelegt werden sollte, ist damit ausgeschlossen.
6
b) Das Oberlandesgericht hat es jedoch zu Unrecht abgelehnt, der Beklagten , wie von ihr fristgerecht (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) begehrt, Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
7
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer fristwahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten darf und aus seiner Sicht alles getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden kann (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2005 - XII ZB 71/00 - FamRZ 2005, 789, vom 20. Februar 2008 - XII ZB 83/07 - FamRZ 2008, 868 und vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - FamRZ 2008, 871). Das war hier der Fall.
8
Zwar kann ein Rechtsmittelführer nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er sich rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist auf dem hierfür von § 117 ZPO vorgeschriebenen und von ihm vollständig ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erklärt hat. Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit allerdings nicht überspannt werden, weil sonst der Zweck der Prozesskostenhilfe , dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, verfehlt würde. So kann die Partei, auch wenn der Vordruck einzelne Lücken enthält, u.U. gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - XII ZB 83/07 - FamRZ 2008, 868, 869 und vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - FamRZ 2008, 871). Das kommt in Betracht, wenn dem Rechtmittelführer bereits in der Vorinstanz - aufgrund eines ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Vordrucks - Prozesskostenhilfe gewährt worden war und eine nunmehr im Vordruck vorhandene Lücke im Zusammenhang mit dem Parteivortrag nicht den Schluss nahe legt, die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Partei hätten sich zwischenzeitlich in einer für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erheblichen Weise geändert.
9
So liegen die Dinge hier. In ihrem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren hat die Beklagte bereits einleitend auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren verwiesen ; damals hatte sie im Vordruck die Frage nach "sonstigen Vermögenswerten" verneint. Richtig ist zwar, dass die Verweisung auf die damalige Gewährung von Prozesskostenhilfe unmittelbar an die Aussage anschließt, die Berufung habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das hindert jedoch nicht, die Bezugnahme - auch - auf die unmittelbar vorhergehende Aussage zu beziehen, die Beklagte werde nicht in der Lage sein, die Kosten des Berufungsverfahrens selbst aufzubringen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren konnte deshalb durchaus dahin verstanden werden, dass die im erstinstanzlichen Prozesskostenhilfeverfahren dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten fortbestünden. Aus dem vom Oberlandesgericht angeführten Vortrag der Beklagten in der Klagerwiderung, auf einem Notar -Anderkonto bestehe noch ein Guthaben von knapp 20.000 €, dessen Auseinandersetzung der Kläger blockiere, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dem Amtsgericht war dieser Umstand bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe zugunsten der Beklagten bekannt. Dass der Beklagten aus diesem Konto inzwischen verwertbares Vermögen zugeflossen sei, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch aus dem Urteil des Amtsgerichts ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Die Beklagte durfte deshalb davon ausgehen, mit ihrem - auf die frühere Gewährung von Prozesskostenhilfe Bezug nehmenden - Gesuch die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren auch in Ansehung "sonstiger Vermögenswerte" dargetan und damit die Grundlage für eine spätere Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist geschaffen zu haben.
10
3. Der Senat kann über das Wiedereinsetzungsbegehren der Beklagten abschließend entscheiden. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen - nach dem auch im angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts nicht in Zweifel gezogenen - Vortrag der Beklagten vor. Die Beklagte durfte darauf vertrauen, diese Voraussetzungen bereits innerhalb der Berufungsfrist hinreichend dargelegt zu haben. Damit war der Beklagten Wiedereinsetzung in die Berufungssowie in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Der Beschluss über die Verwerfung der Berufung kann danach keinen Bestand haben. Er war deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Klinkhammer Schilling

Vorinstanzen:
AG Ahaus, Entscheidung vom 26.11.2008 - 10 F 476/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.03.2009 - 3 UF 196/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 117 Antrag


(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 185/08
vom
17. Dezember 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 234 Abs. 1 A, 517, 519 Abs. 2, 520 Abs. 3
Wenn die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder eine Berufungsbegründung
erfüllt sind, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als
zugleich eingelegte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt war, nur
dann in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen
Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse
vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726 und vom
20. Juli 2005 - XII ZB 31/05 - FamRZ 2005, 1537).
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 185/08 - OLG Nürnberg
AG Erlangen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2008 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die
Richter Prof. Dr. Wagenitz, Dose und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27. Februar 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Streitwert: 7.569 €

Gründe:


I.

1
Das klagabweisende Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. Juli 2007 zugestellt.
2
Am 8. August 2007 gingen beim Berufungsgericht zwei Schriftsätze der Klägerin vom 6. August 2007 ein. Der erste Schriftsatz war bezeichnet als "An- trag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens". Nach dem Rubrum folgte der Antrag, "der Berufungsklägerin für das beabsichtigte Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen". In der Begründung wird ausgeführt, dass "beabsichtigt" sei, gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung einzulegen. Die Klägerin sei nicht in der Lage, die Kosten des Berufungsverfahrens aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Weiterhin wurde ausgeführt: "Die Berufung ist nicht mutwillig ... die Erfolgsaussichten ergeben sich aus der als Anlage beigefügten Berufungsbegründung."
3
Der beigefügte weitere Schriftsatz ist als "Berufung" überschrieben, enthält neben dem vollständigen Rubrum die Formulierung: "... legen wir im Auftrag der Klägerin und der Berufungsklägerin gegen das am 10.05.2007 verkündete und am 09.07.2007 zugestellte Urteil des Amtsgerichts ... Berufung ein." Auf die Ausfertigung des beigefügten Urteils wurde hingewiesen. Außerdem enthielt der Schriftsatz konkrete Berufungsanträge zum Kindesunterhalt und eine umfassende Berufungsbegründung. Der Schriftsatz ist von der Rechtsanwältin der Klägerin eigenhändig unterschrieben.
4
Das Berufungsgericht bewilligte der Klägerin mit Beschluss vom 17. Oktober 2007 Prozesskostenhilfe. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. Oktober 2007 zugestellt. In der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO wurde weder ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch die Berufung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nachgeholt. Erst auf Hinweis des Gerichts vom 27. November 2007 wies die Klägervertreterin darauf hin, dass die Berufung und die Berufungsbegründung unbedingt eingelegt worden seien und beantragte unter erneuter Einlegung der Berufung und Bezugnahme auf die vorliegende Berufungsbegründung hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
5
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat es abgelehnt, weil die Klägerin nach Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe nicht schuldlos gehindert gewesen seien, innerhalb der Fristen des § 234 ZPO Wiedereinsetzung zu beantragen und die Berufung bzw. die Berufungsbegründung nachzuholen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die Klägerin ist in den Verfahren auf Kindesunterhalt auch nach wie vor prozessführungsbefugt. Denn sie hatte die Klage vor der Ehescheidung nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB in zulässiger Weise im eigenen Namen erhoben und diese gesetzliche Prozessstandschaft gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats regelmäßig über die Scheidung hinaus bis zum Abschluss des Unterhaltsprozesses fort (Senatsurteil 15. November 1989 - IVb ZR 3/89 - FamRZ 1990, 283, 284; Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 10 Rdn. 135 d).
7
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 971, 972 m.w.N.) dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garan- tieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 = NJW 2002, 3029, 3031 m.w.N.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
8
2. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil sowohl die Berufung als auch die Berufungsbegründung rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen sind.
9
a) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus, wonach ein Schriftsatz , der alle formellen Anforderungen an eine Berufung oder eine Berufungsbegründung erfüllt, regelmäßig als wirksam eingelegte Prozesserklärung zu behandeln ist. Eine Deutung dahin, dass er gleichwohl nicht unbedingt als Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt ist, kommt nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726, 1727, vom 20. Juli 2005 - XII ZR 31/05 - FamRZ 2005, 1537 und vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554). Solches ist hier jedoch entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht der Fall.
10
b) Der am 8. August 2007 eingegangene weitere Schriftsatz der Klägerin erfüllt sämtliche formellen Anforderungen an einen Berufungsschriftsatz und eine Berufungsbegründung. Entsprechend § 519 Abs. 2 ZPO wurde das ange- fochtene Urteil unter Angabe des vollständigen Rubrums konkret bezeichnet und es wurde gegen dieses Urteil ohne Einschränkung Berufung eingelegt. Auch eine Ausfertigung des angefochtenen Urteils wurde entsprechend § 519 Abs. 3 ZPO beigefügt. Der Schriftsatz enthält außerdem Berufungsanträge und deren Begründung (§ 520 Abs. 3 Ziff. 1 bis 4 ZPO). Schließlich war der Schriftsatz als "Berufung" bezeichnet und von der postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin eigenhändig unterschrieben.
11
Zweifel gegen eine unbedingte Berufungseinlegung und Berufungsbegründung konnten sich deswegen allein aus dem Zusammenwirken mit dem zeitgleich eingereichten Prozesskostenhilfegesuch vom 6. August 2007 ergeben. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts spricht allerdings schon dieser Schriftsatz allein nicht eindeutig gegen ein gleichzeitig eingelegtes Rechtsmittel. Zwar wird in dem Schriftsatz darauf hingewiesen, dass Prozesskostenhilfe "für das beabsichtigte Berufungsverfahren" begehrt werde. Auch in der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags wird ausgeführt, dass die Klägerin "beabsichtige", gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung einzulegen. Andererseits wird die Erfolgsaussicht damit begründet, dass "die Berufung" nicht mutwillig sei. Zu den Erfolgsaussichten der Berufung wird auf die als Anlage beigefügte "Berufungsbegründung" Bezug genommen. Ob ein Berufungsverfahren danach nur beabsichtigt war oder die Berufung doch schon eingelegt sein sollte, ist schon nach dem Inhalt dieses Schriftsatzes nicht eindeutig zu beantworten. Soweit die Klägerin in dem Prozesskostenhilfeantrag weiter ausführt , dass sie nicht in der Lage sei, die Kosten des Berufungsverfahrens aus eigenen Mitteln zu bestreiten, folgt auch daraus nicht mit hinreichender Deutlichkeit , dass die beigefügte Berufung und Berufungsbegründung - mit den dadurch bedingten Unwägbarkeiten - zunächst nur bedingt eingelegt werden sollten (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726, 1727 m.w.N.).
12
Zusätzlich steht der Prozesskostenhilfeantrag im Widerspruch zu dem eindeutigen Inhalt der beigefügten "Berufung". Denn dieser Schriftsatz allein lässt keine Deutung dahin zu, dass das Rechtsmittel nur für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe eingelegt werden sollte. Dieser Widerspruch zwischen dem Berufungsschriftsatz und dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lässt sich nicht zugunsten des Inhalts einer der Schriftsätze auflösen. Selbst wenn trotz des eindeutigen Inhalts des Berufungsschriftsatzes Zweifel verbleiben, ob die Berufung schon mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe eingelegt werden sollte, ist zugunsten des Rechtsmittelführers anzunehmen, dass er eher das Kostenrisiko einer ganz oder teilweise erfolglosen Berufung auf sich nehmen wollte, als zu riskieren, dass seine Berufung als unzulässig verworfen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726, 1727 m.w.N.).
13
3. Weil die Klägerin ihre Berufung somit rechtzeitig eingelegt und begründet hat, ist der Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben. Auf den in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin kommt es danach nicht an.
Hahne Wagenitz Weber-Monecke Dose Klinkhammer

Vorinstanzen:
AG Erlangen, Entscheidung vom 10.05.2007 - 2 F 104/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 27.02.2008 - 11 UF 1043/07 -

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 71/00
vom
23. Februar 2005
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des 11. Zivilsenats und Familiensenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. August 1999 aufgehoben. Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwäbisch Gmünd vom 23. April 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 4.463 € (= 8.730 DM)

Gründe:

I.

Durch Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts wurde die Ehe der Parteien geschieden, der Versorgungsausgleich geregelt und der Antragsgegner zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt verurteilt. Mit am 16. Juni 1999 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz hat er beantragt, ihm Prozeßkostenhilfe zur Einlegung der Berufung gegen das ihm am 17. Mai 1999 zugestellte Urteil zu bewilligen. Durch Beschluß vom 29. Juli 1999, dem Antragsgegner zugestellt am 4. August 1999, hat das Oberlandesgericht die
nachgesuchte Prozeßkostenhilfe verweigert. Der Antragsgegner legte daraufhin am 16. August 1999 Berufung gegen das Verbundurteil ein (die er später rechtzeitig begründete) und beantragte zugleich, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei und die beantragte Wiedereinsetzung nicht bewilligt werden könne. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Außerdem war dem Antragsgegner wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 1. Der Antragsgegner greift mit seinem Rechtsmittel sowohl die Verwerfung der Berufung als unzulässig als auch die - in den Gründen des angefochtenen Beschlusses erfolgte - Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an. 2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts war dem Antragsgegner nach § 233 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung, daß die Partei die Berufungsfrist ohne ihr Verschulden nicht einhalten konnte. Das durch die Bedürftigkeit einer Partei begründete Unvermögen, einen Rechtanwalt mit der Einlegung des
Rechtsmittels zu beauftragen, stellt grundsätzlich ein unverschuldetes Hindernis im Sinne dieser Vorschrift dar. Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Partei nach Ablehnung eines Prozeßkostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen mußte, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, daß sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe vor Ablauf der Rechtsmittelfrist genügend dargetan habe (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Februar 1996 - XII ZB 157/95 - FamRZ 1996, 933, 934 m.N.). Davon geht auch das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht aus. Seine Auffassung, die vorgenannten Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt, hält der rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Antragsgegner habe sich nicht mehr für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten dürfen, nachdem ihm bei gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen in dem Parallelverfahren (betreffend Trennungs- und Kindesunterhalt) mit Beschluß vom 19. Mai 1999, zugestellt am 25. Mai 1999, Prozeßkostenhilfe mangels Bedürftigkeit verweigert worden sei. Er habe nach Zugang dieses Beschlusses hinreichend Zeit gehabt, innerhalb der Berufungsfrist zu überlegen, ob er trotz dieser Einschätzung seiner Bedürftigkeit Berufung einlegen wolle. In dem vorgenannten Beschluß war dem Antragsgegner Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert worden, das in der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angeführte Bausparguthaben reiche bei weitem aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken. In dem Parallelverfahren hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 7. Juni 1999, eingegangen am 9. Juni 1999, Gegenvorstellung gegen die Prozeßkostenhilfeverweige-
rung erhoben und u.a. ausgeführt, das Bausparguthaben sei an einen Darlehensgläubiger abgetreten. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsgegner bereits in seinem Prozeßkostenhilfeantrag entsprechende Angaben gemacht. Auch wenn die Abtretung dem Berufungsgericht gegenüber nicht belegt worden ist, rechtfertigt das nicht die Annahme, der Antragsgegner habe deshalb mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe rechnen müssen. Da aufgrund des im Beschwerdeverfahren eingereichten Belegs von der Abtretung des Bausparguthabens auszugehen ist, durfte der Antragsgegner annehmen, daß dieses der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht entgegenstehen würde. Er durfte darüber hinaus der Auffassung sein, die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hinreichend dargetan zu haben. Denn die Verfügung des Oberlandesgerichts, durch die ihm im Rahmen des Prozeßkostenhilfeverfahrens die Beibringung weiterer Unterlagen aufgegeben worden war, verhielt sich nicht zu einer Bestätigung der angegebenen Abtretung. Demgemäß ist dem Antragsgegner im vorliegenden Verfahren Prozeßkostenhilfe auch nicht wegen der Einsetzbarkeit des Bausparguthabens versagt worden, sondern mit der Begründung , er sei Eigentümer eines 1998 zu einem Neupreis von rund 29.000 DM erworbenen PKW; dieses Fahrzeug stelle kein Schonvermögen im Sinne des § 88 BSHG dar, da der Antragsgegner sich für die Fahrt zur Arbeit mit einem einfacheren Fahrzeug begnügen könne, so daß ihm zuzumuten sei, den neu erworbenen PKW zu veräußern und den Erlös teilweise zur Bestreitung der Prozeßkosten zu verwenden. Mit Rücksicht auf das Bausparguthaben und der dazu abgegebenen Erklärung brauchte der Antragsgegner danach nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit zu rechnen. Das war aber ebensowenig wegen des vorhandenen Fahrzeugs der Fall. Eine Partei, der in erster Instanz Prozeßkostenhilfe bewilligt wurde, darf nämlich grundsätzlich davon ausgehen, daß bei unveränderten wirtschaftlichen Verhält-
nissen auch in zweiter Instanz ihre Bedürftigkeit bejaht wird (Senatsbeschluß vom 23. Februar 2000 - XII ZB 221/99 - NJW-RR 2000, 1387). Da der Antragsgegner den PKW auch in der dem Amtsgericht vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben hatte, ihm aber gleichwohl Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, brauchte er insoweit ebensowenig mit einem seiner Bedürftigkeit entgegenstehenden Umstand zu rechnen.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 83/07
vom
20. Februar 2008
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2008 durch die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dose

beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken - als Familiensenat - vom 30. April 2007 aufgehoben. 2. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 24. Januar 2007 gewährt. 3. Der Beklagten wird als Beschwerdeführerin für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Schott beigeordnet.

Gründe:


I.

1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger begehrt von der Beklagten Abänderung eines gerichtlichen Unterhaltsvergleichs, Rückzahlung zuviel geleisteten Unterhalts sowie Feststellung, dass die Beklagte weiteren zuviel gezahlten Unterhalt zurückzuzahlen hat. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat unter Abweisung der Klage im Übrigen - den von den Parteien geschlossenen Unterhaltsvergleich teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, von dem ihr für die Zeit von Dezember 2004 bis Januar 2006 geleisteten nachehelichen Unterhalt 510,52 € zurückzuzahlen; außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, von dem ihr für die Zeit von Februar 2006 bis Januar 2007 geleisteten nachehelichen Unterhalt 1.628,32 € zurückzuzahlen.
2
Nachdem der Kläger am 27. Februar 2007 Berufung eingelegt hat, hat die Beklagte am 28. Februar 2007 angekündigt, gegen dieses ihr am 29. Januar 2007 zugestellte Urteil, soweit es sie zur Rückzahlung von Unterhalt verurteilt und ihre Verpflichtung zur Rückzahlung von Unterhalt feststellt, ihrerseits Berufung einzulegen. Zugleich hat sie für die Durchführung dieser Berufung Prozesskostenhilfe beantragt. Sie hat dazu u.a. geltend gemacht, der Kläger habe - entgegen der Annahme des Amtsgerichts - in der Zeit ab Juni 2005 nicht 666,36 €, sondern - nach einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung in Höhe von 299,36 € monatlich - nur (666,36 € - 299,36 € =) 367 € monatlich Unterhalt an sie gezahlt. In der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Beklagte zwar (in der Rubrik C) angekreuzt, "Unterhaltsleistungen … vom getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten" zu beziehen ; die Höhe der Unterhaltsleistungen wird jedoch (in der Rubrik E "Bruttoeinnahmen" ) unter "andere Einnahmen" nicht angegeben.
3
Das Oberlandesgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 29. März 2007, zugestellt am 10. April 2007, abgelehnt, weil die (den vom Kläger gezahlten Unterhalt nicht berücksichtigenden) Einkünfte der Beklagten und der bei ihr lebenden drei Kinder die angegebenen Ausgaben nur um rund 73 € überstiegen und deshalb nicht ausreichten, den Lebensbedarf der Familie zu decken; die dargelegten Verhältnisse seien mithin nicht nachzuvollziehen.
4
Am 19. April 2007 hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; zugleich hat sie die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit Beschluss vom 30. April 2007, formlos übersandt am 4. Mai 2007, abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 4. Juni 2007 eingelegten Rechtsbeschwerde.
5
Auf ihren erneuten Antrag (vom 23. April 2007) hat das Oberlandesgericht der Beklagten Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die vom Kläger eingelegte Berufung und für die Durchführung der von ihr vorsorglich eingelegten Anschlussberufung gewährt. In diesem Antrag ist die Frage nach Unterhaltszahlungen des getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten bejaht worden; der "Unterhalt von J. B. " ist sodann mit 367 € beziffert worden. Das Oberlandesgericht hat der Beklagten daraufhin Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Berufung des Klägers sowie für ihre Anschlussberufung gewährt.

II.

6
Das Rechmittel hat Erfolg.
7
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Sie ist auch zulässig, da die Ablehnung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beklagte in ihrem Recht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung geboten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
9
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer fristwahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss, weil er sich für bedürftig i.S. der §§ 114 ff. ZPO halten darf und aus seiner Sicht alles getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2005 - XII ZB 125/05 - FamRZ 2006, 32, 33 und vom 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98 - VersR 2000, 252; BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062 m.w.N.).
10
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass der Antrag den gesetzlichen Erfordernissen des § 117 ZPO entspricht. Die Partei muss sich über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des zu diesem Zweck eingeführten Vordrucks vollständig und in einer Weise erklären, die die gerichtliche Prüfung der Antragsvoraussetzungen ermöglicht. Wenn, wie hier, Prozesskostenhilfe für die Rechtsmittelinstanz beantragt wird, hängt deshalb die Wiedereinsetzung in eine versäumte Rechtsmittelfrist (auch) davon ab, dass die Partei bis zum Ablauf dieser Frist ihre wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig und übersichtlich dargestellt hat; dazu wird regelmäßig die fristgerechte Vorlage der Erklärung gemäß § 117 ZPO mit lückenlosen Angaben gefordert (Senatsbeschluss vom 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98 - VersR 2000, 252).
11
Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit allerdings nicht überspannt werden, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu er- möglichen, deutlich verfehlt würde. Deshalb dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, auch beim Zugang zu einer Rechtsmittelinstanz nicht überzogen werden. So kann die Partei , auch wenn der Vordruck gemäß § 117 ZPO einzelne Lücken enthält, u.U. gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, etwaige Lücken geschlossen oder Zweifel beseitigt werden können (Senatsbeschluss vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062).
12
So liegen die Dinge auch hier. Die Beklagte hat in dem gemäß § 117 ZPO verwandten Vordruck unter Buchstabe C angegeben, vom Kläger Unterhalt zu erhalten; sie hat allerdings den vom Kläger geleisteten Betrag in den folgenden Angaben über ihre Bruttoeinnahmen (Buchstabe E des Vordrucks) nicht aufgeführt. Die Höhe des vom Kläger an die Beklagte gezahlten Unterhalts ergibt sich indes ohne weiteres aus der Begründung des von der Beklagten eingereichten ersten Prozesskostenhilfegesuchs selbst. Darin hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe zwar aufgrund eines von den Parteien geschlossenen Unterhaltsvergleichs bis Mai 2005 Unterhalt in Höhe von monatlich 666,36 € geleistet. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Vergleich sei jedoch am 28. April 2004 in Höhe von 299,36 € eingestellt worden; der Kläger zahle seither nur noch Unterhalt in Höhe von 367 € monatlich. Hierauf stützt die Beklagte auch ihre Berufung.
13
Für sich genommen stellt, wie das Oberlandesgericht insoweit mit Recht bemerkt, der von der Beklagten ausgefüllte Vordruck deren Verhältnisse nicht nachvollziehbar dar. Die Unterhaltsleistungen des Klägers an die Beklagte werden in ihm jedoch nicht verschwiegen; sie sind lediglich betragsmäßig nicht besonders aufgeführt. Damit enthält der von der Beklagten ausgefüllte Vordruck eine - offenkundige - Lücke; diese schließt sich jedoch, wenn die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten verfasste Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs hinzugenommen wird. Diese Begründung ist knapp und leicht überschaubar abgefasst, so dass sich dem Leser die von der Beklagten behauptete Höhe der Unterhaltszahlungen des Klägers aus ihr - auch bei einer nur überschlägigen Lektüre - unmittelbar erschließt. Die Beklagte durfte deshalb erwarten , dass das Oberlandesgericht seiner Entscheidung über ihr Gesuch nicht nur die Angaben im ausgefüllten Vordruck, sondern auch die kurzgefassten und mühelos als solche erkennbaren Angaben über die Unterhaltszahlungen des Klägers in der Begründung ihres Prozesskostenhilfegesuchs zugrunde legen würde. Bei Berücksichtigung dieser Angaben hätte das Oberlandesgericht der Beklagten - wie auch später zur Verteidigung gegen die Berufung des Klägers und zur Durchführung ihrer Anschlussberufung geschehen - die Prozesskostenhilfe nicht mangels hinreichender Darlegung ihrer Bedürftigkeit verweigern dürfen. Die Beklagte musste deshalb bei Einreichung ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe nicht mit dessen Ablehnung rechnen.
14
Der angefochtene Beschluss kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache zu entscheiden und der Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren. Da die Beklagte die Berufung zugleich mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht nur eingelegt, sondern auch begründet hat, kann der Beklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung auch in die Berufungsbegründungsfrist gewährt werden (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).
Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt Dose

Vorinstanzen:
AG Speyer, Entscheidung vom 24.01.2007 - 43 F 311/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 30.04.2007 - 5 UF 24/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 151/07
vom
13. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Einer Partei, die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Durchführung des Rechtsmittels
Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe
wegen nicht hinreichend nachgewiesener Bedürftigkeit rechnen
musste. Das ist der Fall, wenn dem Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist eine
vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
nebst den erforderlichen Anlagen beigefügt war (im Anschluss an die
Senatsbeschlüsse vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901 und
vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548).

b) Enthalten die Angaben in dem Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse einzelne Lücken, kann die Partei unter Umständen gleichwohl darauf
vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
genügend dargetan zu haben. Solches kommt in Betracht, wenn diese
Lücken oder Zweifel auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten
Unterlagen, geschlossen bzw. ausgeräumt werden können oder wenn sich
aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt, dass Einnahmen oder
Vermögenswerte nicht vorhanden sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom
3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520 und BGH Beschluss vom
21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062).

c) Hatte der Antragsteller seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
nebst ausgefüllter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
und Anlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht und hat das Gericht ihm
zur Vervollständigung der Angaben eine Frist gesetzt, darf er jedenfalls bis zum
Fristablauf weiterhin auf Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe vertrauen.
BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - LG Kassel
AG Kassel
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2008 durch die
Richter Sprick, Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter
Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 16. August 2007 aufgehoben. Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 30. Januar 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Wert: 667 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um Rückzahlung einer Mietkaution sowie um Verzugsschaden in Form außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
2
Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 607,56 € nebst Zinsen sowie weiterer 59,15 € verurteilt. Das Urteil ist der Beklagten am 1. Februar 2007 zugestellt worden.
3
Mit einem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 27. Februar 2007 hat die Beklagte Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Beru- fungsverfahrens beantragt und dem Antrag eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beigefügt. Mit Schreiben vom 16. März 2007 wurde der Beklagten vom Gericht aufgegeben, die Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zu ergänzen. Dazu wurde ihr unter Hinweis auf § 118 Abs. 1 (richtig: Abs. 2) Satz 4 ZPO eine Frist von drei Wochen gesetzt. Die Frist wurde auf Antrag der Beklagten bis zum 9. Mai 2007 verlängert. Mit Schreiben vom 4. Mai 2007, eingegangen am 7. Mai 2007, ergänzte die Beklagte ihre Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit Verfügung vom 11. Mai 2007, der Beklagten zugestellt am 16. Mai 2007, wurde der Beklagten aufgegeben, ihre Angaben weiter zu ergänzen. Außerdem hieß es darin: "Das Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedarf des vollständigen Ausfüllens, insbesondere muss die Antragstellerin im Rahmen der "Wohnkosten" und der "sonstigen Zahlungsverpflichtungen" angeben, welche Zahlungen sie selbst auf die Verpflichtungen erbringt."
4
Auch insoweit wurde der Beklagten eine Frist von drei Wochen gesetzt. Mit einem am 8. Juni 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 6. Juni 2007 reichte die Beklagte weitere Unterlagen ein und fragte ergänzend an, ob "nochmals ein komplett neu ausgefülltes Formular" über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht werden müsse. Mit Verfügung vom 13. Juni 2007, zugestellt am 15. Juni 2007, wurde der Beklagten Gelegenheit gegeben, "bis zum 27.06.2007 die im Schriftsatz vom 06.06.2007 vorgetragenen Tatsachen glaubhaft zu machen." Es bleibe der Beklagten unbenommen, ein neues Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auszufüllen oder das bereits ausgefüllte Formular entsprechend zu ergänzen. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass am 28. Juni 2007 über das PKH-Gesuch entschieden werde.
Mit einem am 27. Juni 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 26. Juni 2007 reichte die Beklagte eine neu ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie weitere Unterlagen zu Nebenkosten und zwei eidesstattliche Versicherungen ein. Mit Beschluss vom 28. Juni 2007 wurde der Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, weil sie ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch immer nicht in einem Umfang glaubhaft gemacht habe, der eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe zulasse. Der Beschluss wurde der Beklagten am 4. Juli 2007 zugestellt.
5
Mit einem am 11. Juli 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 10. Juli 2007 beantragte die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, legte zugleich Berufung ein und begründete sie. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. August 2007 hat das Berufungsgericht den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufung der Beklagten verworfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist sei nicht innerhalb der 14-tägigen Frist eingegangen. Diese habe spätestens am 26. Juni 2007 begonnen , als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wegen seiner unzureichenden Antwort auf die verschiedenen Hinweise der Kammer vernünftigerweise nicht mehr mit einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe rechnen dürfen. Die Wiedereinsetzungsfrist sei deswegen am (Dienstag) 10. Juli 2007 abgelaufen. Der am 11. Juli 2007 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag sei mithin verfristet. Damit sei auch die Berufung verspätet eingegangen und deswegen ebenfalls als unzulässig zu verwerfen.
6
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

7
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
8
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht die von der Beklagten für eine Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist vorgetragenen Gründe mit unzutreffenden Erwägungen übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat. Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Wiedereinsetzung in die schuldlos versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist.
10
a) Eine arme Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, hat grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 16, 1, 3). Das setzt allerdings voraus, dass dem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens innerhalb der Rechtsmittelfrist neben der ausgefüllten Erklärung über die per- sönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die insoweit notwendigen Belege beigefügt waren (Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901, 1902). Denn für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001, abgedruckt bei Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 117 Rdn. 15) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Der Antragsteller kann deswegen grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck nebst den erforderlichen Anlagen zu den Akten reicht (Senatsbeschlüsse vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901, 1902 und vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548).
11
Enthalten die Angaben im Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelne Lücken, kann die Partei unter Umständen gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe genügend dargetan zu haben. Solches kommt in Betracht , wenn diese Lücken oder Zweifel auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, geschlossen bzw. ausgeräumt werden können (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520). Gleiches gilt, wenn zwar einzelne Fragen zu den Einnahmen nicht beantwortet sind, sich aber aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt , dass solche Einnahmen nicht vorhanden sind (BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062 und Senatsbeschluss vom 3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520).
12
Auch wenn der Antragsteller seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst ausgefüllter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftli- chen Verhältnisse und Anlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte und das Gericht ihm zur Vervollständigung der Angaben eine Frist gesetzt hatte , darf er weiterhin auf Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe vertrauen. In solchen Fällen entfällt das schutzwürdige Vertrauen in die Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe erst mit Ablauf der gesetzten Frist. Ist der Antragsteller der Auflage hingegen nachgekommen, endet sein schutzwürdiges Vertrauen erst mit Zustellung des die beantragte Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses. Das gilt auch dann, wenn die dem Antragsteller gesetzte Frist mehrfach verlängert wurde, weil das schutzwürdige Vertrauen auf Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe auch dann noch bis zur letzten gesetzten Frist fortbesteht. Selbst wenn der Antragsteller innerhalb der gesetzten Frist reagiert, aber zunächst nur einen Teil der offenen Fragen klärt, ist sein Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe weiter geschützt. Denn dies wäre auch ohne die (Teil-)Antwort der Fall, und dem Antragsteller bleibt es unbenommen, die Antwort bis zum Fristablauf weiter zu ergänzen.
13
b) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht der Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht versagt. Denn der Vorsitzende und der Berichterstatter hatten der Beklagten wiederholt Fristen zur Ergänzung des Prozesskostenhilfeantrags gesetzt, die von der Beklagten stets beantwortet wurden. Die letzte mit Verfügung vom 13. Juni 2007 gesetzte Frist lief bis zum 27. Juni 2007. Jedenfalls bis zu diesem Tag durfte die Beklagte darauf vertrauen, doch noch Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen. Daran ändert der Schriftsatz vom 26. Juni 2007 nichts, weil die Beklagte Gelegenheit hatte, weitere Fragen fristgerecht bis zum 27. Juni 2007 zu beantworten. Weil die Wiedereinsetzungsfrist deswegen frühestens am 27. Juni 2007 begann, war sie entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei Eingang des Antrags auf Wiedereinsetzung am 11. Juli 2007 nicht abgelaufen.
14
Solange die vom Berufungsgericht gesetzte Frist lief, war die Beklagte somit schuldlos daran gehindert, die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu wahren. Erst mit fruchtlosem Ablauf dieser Frist zur Ergänzung des Prozesskostenhilfeantrags durfte die Beklagte nicht mehr auf eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe vertrauen. Erst in diesem Zeitpunkt begannen mithin die Wiedereinsetzungsfristen des § 234 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO.
15
d) Die gleichzeitig ausgesprochene Verwerfung der Berufung steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen, weil diese Entscheidung durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ihre Grundlage verliert und damit gegenstandslos wird (Senatsbeschlüsse vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - FamRZ 2007, 1725, 1726, vom 10. Mai 2006 - XII ZB 240/05 - NJW 2006, 2269 und vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/05 - FamRZ 2005, 791, 792).
Sprick Fuchs Ahlt Vézina Dose Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 30.01.2007 - 452 C 2931/06 -
LG Kassel, Entscheidung vom 16.08.2007 - 1 S 59/07 -

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 83/07
vom
20. Februar 2008
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2008 durch die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dose

beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken - als Familiensenat - vom 30. April 2007 aufgehoben. 2. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 24. Januar 2007 gewährt. 3. Der Beklagten wird als Beschwerdeführerin für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Schott beigeordnet.

Gründe:


I.

1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger begehrt von der Beklagten Abänderung eines gerichtlichen Unterhaltsvergleichs, Rückzahlung zuviel geleisteten Unterhalts sowie Feststellung, dass die Beklagte weiteren zuviel gezahlten Unterhalt zurückzuzahlen hat. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat unter Abweisung der Klage im Übrigen - den von den Parteien geschlossenen Unterhaltsvergleich teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, von dem ihr für die Zeit von Dezember 2004 bis Januar 2006 geleisteten nachehelichen Unterhalt 510,52 € zurückzuzahlen; außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, von dem ihr für die Zeit von Februar 2006 bis Januar 2007 geleisteten nachehelichen Unterhalt 1.628,32 € zurückzuzahlen.
2
Nachdem der Kläger am 27. Februar 2007 Berufung eingelegt hat, hat die Beklagte am 28. Februar 2007 angekündigt, gegen dieses ihr am 29. Januar 2007 zugestellte Urteil, soweit es sie zur Rückzahlung von Unterhalt verurteilt und ihre Verpflichtung zur Rückzahlung von Unterhalt feststellt, ihrerseits Berufung einzulegen. Zugleich hat sie für die Durchführung dieser Berufung Prozesskostenhilfe beantragt. Sie hat dazu u.a. geltend gemacht, der Kläger habe - entgegen der Annahme des Amtsgerichts - in der Zeit ab Juni 2005 nicht 666,36 €, sondern - nach einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung in Höhe von 299,36 € monatlich - nur (666,36 € - 299,36 € =) 367 € monatlich Unterhalt an sie gezahlt. In der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Beklagte zwar (in der Rubrik C) angekreuzt, "Unterhaltsleistungen … vom getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten" zu beziehen ; die Höhe der Unterhaltsleistungen wird jedoch (in der Rubrik E "Bruttoeinnahmen" ) unter "andere Einnahmen" nicht angegeben.
3
Das Oberlandesgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 29. März 2007, zugestellt am 10. April 2007, abgelehnt, weil die (den vom Kläger gezahlten Unterhalt nicht berücksichtigenden) Einkünfte der Beklagten und der bei ihr lebenden drei Kinder die angegebenen Ausgaben nur um rund 73 € überstiegen und deshalb nicht ausreichten, den Lebensbedarf der Familie zu decken; die dargelegten Verhältnisse seien mithin nicht nachzuvollziehen.
4
Am 19. April 2007 hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; zugleich hat sie die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit Beschluss vom 30. April 2007, formlos übersandt am 4. Mai 2007, abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 4. Juni 2007 eingelegten Rechtsbeschwerde.
5
Auf ihren erneuten Antrag (vom 23. April 2007) hat das Oberlandesgericht der Beklagten Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die vom Kläger eingelegte Berufung und für die Durchführung der von ihr vorsorglich eingelegten Anschlussberufung gewährt. In diesem Antrag ist die Frage nach Unterhaltszahlungen des getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten bejaht worden; der "Unterhalt von J. B. " ist sodann mit 367 € beziffert worden. Das Oberlandesgericht hat der Beklagten daraufhin Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Berufung des Klägers sowie für ihre Anschlussberufung gewährt.

II.

6
Das Rechmittel hat Erfolg.
7
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Sie ist auch zulässig, da die Ablehnung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beklagte in ihrem Recht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung geboten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
9
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer fristwahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss, weil er sich für bedürftig i.S. der §§ 114 ff. ZPO halten darf und aus seiner Sicht alles getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2005 - XII ZB 125/05 - FamRZ 2006, 32, 33 und vom 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98 - VersR 2000, 252; BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062 m.w.N.).
10
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass der Antrag den gesetzlichen Erfordernissen des § 117 ZPO entspricht. Die Partei muss sich über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des zu diesem Zweck eingeführten Vordrucks vollständig und in einer Weise erklären, die die gerichtliche Prüfung der Antragsvoraussetzungen ermöglicht. Wenn, wie hier, Prozesskostenhilfe für die Rechtsmittelinstanz beantragt wird, hängt deshalb die Wiedereinsetzung in eine versäumte Rechtsmittelfrist (auch) davon ab, dass die Partei bis zum Ablauf dieser Frist ihre wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig und übersichtlich dargestellt hat; dazu wird regelmäßig die fristgerechte Vorlage der Erklärung gemäß § 117 ZPO mit lückenlosen Angaben gefordert (Senatsbeschluss vom 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98 - VersR 2000, 252).
11
Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit allerdings nicht überspannt werden, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu er- möglichen, deutlich verfehlt würde. Deshalb dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, auch beim Zugang zu einer Rechtsmittelinstanz nicht überzogen werden. So kann die Partei , auch wenn der Vordruck gemäß § 117 ZPO einzelne Lücken enthält, u.U. gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, etwaige Lücken geschlossen oder Zweifel beseitigt werden können (Senatsbeschluss vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062).
12
So liegen die Dinge auch hier. Die Beklagte hat in dem gemäß § 117 ZPO verwandten Vordruck unter Buchstabe C angegeben, vom Kläger Unterhalt zu erhalten; sie hat allerdings den vom Kläger geleisteten Betrag in den folgenden Angaben über ihre Bruttoeinnahmen (Buchstabe E des Vordrucks) nicht aufgeführt. Die Höhe des vom Kläger an die Beklagte gezahlten Unterhalts ergibt sich indes ohne weiteres aus der Begründung des von der Beklagten eingereichten ersten Prozesskostenhilfegesuchs selbst. Darin hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe zwar aufgrund eines von den Parteien geschlossenen Unterhaltsvergleichs bis Mai 2005 Unterhalt in Höhe von monatlich 666,36 € geleistet. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Vergleich sei jedoch am 28. April 2004 in Höhe von 299,36 € eingestellt worden; der Kläger zahle seither nur noch Unterhalt in Höhe von 367 € monatlich. Hierauf stützt die Beklagte auch ihre Berufung.
13
Für sich genommen stellt, wie das Oberlandesgericht insoweit mit Recht bemerkt, der von der Beklagten ausgefüllte Vordruck deren Verhältnisse nicht nachvollziehbar dar. Die Unterhaltsleistungen des Klägers an die Beklagte werden in ihm jedoch nicht verschwiegen; sie sind lediglich betragsmäßig nicht besonders aufgeführt. Damit enthält der von der Beklagten ausgefüllte Vordruck eine - offenkundige - Lücke; diese schließt sich jedoch, wenn die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten verfasste Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs hinzugenommen wird. Diese Begründung ist knapp und leicht überschaubar abgefasst, so dass sich dem Leser die von der Beklagten behauptete Höhe der Unterhaltszahlungen des Klägers aus ihr - auch bei einer nur überschlägigen Lektüre - unmittelbar erschließt. Die Beklagte durfte deshalb erwarten , dass das Oberlandesgericht seiner Entscheidung über ihr Gesuch nicht nur die Angaben im ausgefüllten Vordruck, sondern auch die kurzgefassten und mühelos als solche erkennbaren Angaben über die Unterhaltszahlungen des Klägers in der Begründung ihres Prozesskostenhilfegesuchs zugrunde legen würde. Bei Berücksichtigung dieser Angaben hätte das Oberlandesgericht der Beklagten - wie auch später zur Verteidigung gegen die Berufung des Klägers und zur Durchführung ihrer Anschlussberufung geschehen - die Prozesskostenhilfe nicht mangels hinreichender Darlegung ihrer Bedürftigkeit verweigern dürfen. Die Beklagte musste deshalb bei Einreichung ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe nicht mit dessen Ablehnung rechnen.
14
Der angefochtene Beschluss kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache zu entscheiden und der Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren. Da die Beklagte die Berufung zugleich mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht nur eingelegt, sondern auch begründet hat, kann der Beklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung auch in die Berufungsbegründungsfrist gewährt werden (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).
Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt Dose

Vorinstanzen:
AG Speyer, Entscheidung vom 24.01.2007 - 43 F 311/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 30.04.2007 - 5 UF 24/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 151/07
vom
13. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Einer Partei, die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Durchführung des Rechtsmittels
Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe
wegen nicht hinreichend nachgewiesener Bedürftigkeit rechnen
musste. Das ist der Fall, wenn dem Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist eine
vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
nebst den erforderlichen Anlagen beigefügt war (im Anschluss an die
Senatsbeschlüsse vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901 und
vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548).

b) Enthalten die Angaben in dem Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse einzelne Lücken, kann die Partei unter Umständen gleichwohl darauf
vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
genügend dargetan zu haben. Solches kommt in Betracht, wenn diese
Lücken oder Zweifel auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten
Unterlagen, geschlossen bzw. ausgeräumt werden können oder wenn sich
aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt, dass Einnahmen oder
Vermögenswerte nicht vorhanden sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom
3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520 und BGH Beschluss vom
21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062).

c) Hatte der Antragsteller seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
nebst ausgefüllter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
und Anlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht und hat das Gericht ihm
zur Vervollständigung der Angaben eine Frist gesetzt, darf er jedenfalls bis zum
Fristablauf weiterhin auf Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe vertrauen.
BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - LG Kassel
AG Kassel
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2008 durch die
Richter Sprick, Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter
Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 16. August 2007 aufgehoben. Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 30. Januar 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Wert: 667 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um Rückzahlung einer Mietkaution sowie um Verzugsschaden in Form außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
2
Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 607,56 € nebst Zinsen sowie weiterer 59,15 € verurteilt. Das Urteil ist der Beklagten am 1. Februar 2007 zugestellt worden.
3
Mit einem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 27. Februar 2007 hat die Beklagte Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Beru- fungsverfahrens beantragt und dem Antrag eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beigefügt. Mit Schreiben vom 16. März 2007 wurde der Beklagten vom Gericht aufgegeben, die Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zu ergänzen. Dazu wurde ihr unter Hinweis auf § 118 Abs. 1 (richtig: Abs. 2) Satz 4 ZPO eine Frist von drei Wochen gesetzt. Die Frist wurde auf Antrag der Beklagten bis zum 9. Mai 2007 verlängert. Mit Schreiben vom 4. Mai 2007, eingegangen am 7. Mai 2007, ergänzte die Beklagte ihre Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit Verfügung vom 11. Mai 2007, der Beklagten zugestellt am 16. Mai 2007, wurde der Beklagten aufgegeben, ihre Angaben weiter zu ergänzen. Außerdem hieß es darin: "Das Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedarf des vollständigen Ausfüllens, insbesondere muss die Antragstellerin im Rahmen der "Wohnkosten" und der "sonstigen Zahlungsverpflichtungen" angeben, welche Zahlungen sie selbst auf die Verpflichtungen erbringt."
4
Auch insoweit wurde der Beklagten eine Frist von drei Wochen gesetzt. Mit einem am 8. Juni 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 6. Juni 2007 reichte die Beklagte weitere Unterlagen ein und fragte ergänzend an, ob "nochmals ein komplett neu ausgefülltes Formular" über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht werden müsse. Mit Verfügung vom 13. Juni 2007, zugestellt am 15. Juni 2007, wurde der Beklagten Gelegenheit gegeben, "bis zum 27.06.2007 die im Schriftsatz vom 06.06.2007 vorgetragenen Tatsachen glaubhaft zu machen." Es bleibe der Beklagten unbenommen, ein neues Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auszufüllen oder das bereits ausgefüllte Formular entsprechend zu ergänzen. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass am 28. Juni 2007 über das PKH-Gesuch entschieden werde.
Mit einem am 27. Juni 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 26. Juni 2007 reichte die Beklagte eine neu ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie weitere Unterlagen zu Nebenkosten und zwei eidesstattliche Versicherungen ein. Mit Beschluss vom 28. Juni 2007 wurde der Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, weil sie ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch immer nicht in einem Umfang glaubhaft gemacht habe, der eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe zulasse. Der Beschluss wurde der Beklagten am 4. Juli 2007 zugestellt.
5
Mit einem am 11. Juli 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 10. Juli 2007 beantragte die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, legte zugleich Berufung ein und begründete sie. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. August 2007 hat das Berufungsgericht den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufung der Beklagten verworfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist sei nicht innerhalb der 14-tägigen Frist eingegangen. Diese habe spätestens am 26. Juni 2007 begonnen , als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wegen seiner unzureichenden Antwort auf die verschiedenen Hinweise der Kammer vernünftigerweise nicht mehr mit einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe rechnen dürfen. Die Wiedereinsetzungsfrist sei deswegen am (Dienstag) 10. Juli 2007 abgelaufen. Der am 11. Juli 2007 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag sei mithin verfristet. Damit sei auch die Berufung verspätet eingegangen und deswegen ebenfalls als unzulässig zu verwerfen.
6
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

7
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
8
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht die von der Beklagten für eine Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist vorgetragenen Gründe mit unzutreffenden Erwägungen übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat. Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Wiedereinsetzung in die schuldlos versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist.
10
a) Eine arme Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, hat grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 16, 1, 3). Das setzt allerdings voraus, dass dem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens innerhalb der Rechtsmittelfrist neben der ausgefüllten Erklärung über die per- sönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die insoweit notwendigen Belege beigefügt waren (Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901, 1902). Denn für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001, abgedruckt bei Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 117 Rdn. 15) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Der Antragsteller kann deswegen grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck nebst den erforderlichen Anlagen zu den Akten reicht (Senatsbeschlüsse vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901, 1902 und vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548).
11
Enthalten die Angaben im Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelne Lücken, kann die Partei unter Umständen gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe genügend dargetan zu haben. Solches kommt in Betracht , wenn diese Lücken oder Zweifel auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, geschlossen bzw. ausgeräumt werden können (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520). Gleiches gilt, wenn zwar einzelne Fragen zu den Einnahmen nicht beantwortet sind, sich aber aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt , dass solche Einnahmen nicht vorhanden sind (BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062 und Senatsbeschluss vom 3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520).
12
Auch wenn der Antragsteller seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst ausgefüllter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftli- chen Verhältnisse und Anlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte und das Gericht ihm zur Vervollständigung der Angaben eine Frist gesetzt hatte , darf er weiterhin auf Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe vertrauen. In solchen Fällen entfällt das schutzwürdige Vertrauen in die Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe erst mit Ablauf der gesetzten Frist. Ist der Antragsteller der Auflage hingegen nachgekommen, endet sein schutzwürdiges Vertrauen erst mit Zustellung des die beantragte Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses. Das gilt auch dann, wenn die dem Antragsteller gesetzte Frist mehrfach verlängert wurde, weil das schutzwürdige Vertrauen auf Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe auch dann noch bis zur letzten gesetzten Frist fortbesteht. Selbst wenn der Antragsteller innerhalb der gesetzten Frist reagiert, aber zunächst nur einen Teil der offenen Fragen klärt, ist sein Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe weiter geschützt. Denn dies wäre auch ohne die (Teil-)Antwort der Fall, und dem Antragsteller bleibt es unbenommen, die Antwort bis zum Fristablauf weiter zu ergänzen.
13
b) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht der Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht versagt. Denn der Vorsitzende und der Berichterstatter hatten der Beklagten wiederholt Fristen zur Ergänzung des Prozesskostenhilfeantrags gesetzt, die von der Beklagten stets beantwortet wurden. Die letzte mit Verfügung vom 13. Juni 2007 gesetzte Frist lief bis zum 27. Juni 2007. Jedenfalls bis zu diesem Tag durfte die Beklagte darauf vertrauen, doch noch Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen. Daran ändert der Schriftsatz vom 26. Juni 2007 nichts, weil die Beklagte Gelegenheit hatte, weitere Fragen fristgerecht bis zum 27. Juni 2007 zu beantworten. Weil die Wiedereinsetzungsfrist deswegen frühestens am 27. Juni 2007 begann, war sie entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei Eingang des Antrags auf Wiedereinsetzung am 11. Juli 2007 nicht abgelaufen.
14
Solange die vom Berufungsgericht gesetzte Frist lief, war die Beklagte somit schuldlos daran gehindert, die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu wahren. Erst mit fruchtlosem Ablauf dieser Frist zur Ergänzung des Prozesskostenhilfeantrags durfte die Beklagte nicht mehr auf eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe vertrauen. Erst in diesem Zeitpunkt begannen mithin die Wiedereinsetzungsfristen des § 234 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO.
15
d) Die gleichzeitig ausgesprochene Verwerfung der Berufung steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen, weil diese Entscheidung durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ihre Grundlage verliert und damit gegenstandslos wird (Senatsbeschlüsse vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07 - FamRZ 2007, 1725, 1726, vom 10. Mai 2006 - XII ZB 240/05 - NJW 2006, 2269 und vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/05 - FamRZ 2005, 791, 792).
Sprick Fuchs Ahlt Vézina Dose Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 30.01.2007 - 452 C 2931/06 -
LG Kassel, Entscheidung vom 16.08.2007 - 1 S 59/07 -