vorgehend
Amtsgericht Dresden, 300 F 2485/07, 12.06.2008
Oberlandesgericht Dresden, 21 WF 0710/08, 03.12.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 60/09
vom
2. Juni 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wenn die Kindesmutter einem Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft zur
Wahrung ihrer eigenen Rechte auf Seiten des Kindes beitritt, ist die Rechtsverfolgung
regelmäßig nicht mutwillig i.S. der für Altverfahren noch anwendbaren
Vorschrift des § 114 Satz 1 ZPO, auch wenn sie keine weiteren Beiträge
zur Prozessförderung leisten kann.
BGH, Beschluss vom 2. Juni 2010 - XII ZB 60/09 - OLG Dresden
AG Dresden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juni 2010 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dose, Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenintervenientin der Beklagten wird der Beschluss des 21. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 3. Dezember 2008 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 2.000 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um die Anfechtung der vom Kläger anerkannten Vaterschaft für die Beklagte.
2
Die Beklagte wurde am 5. April 2006 geboren, als ihre Mutter und Nebenintervenientin noch mit einem anderen Mann verheiratet war. Mit Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Riesa vom 9. Oktober 2006 wurde festgestellt, dass der - inzwischen rechtskräftig geschiedene - frühere Ehemann der Mutter nicht der Vater der Beklagten ist. Am 8. Dezember 2006 erkannte der Kläger die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter an.
3
Mit der im Oktober 2007 eingegangenen Klage hat der Kläger die Vaterschaft angefochten und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht von ihm abstammt. Inzwischen hat das Amtsgericht nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Abstammungsgutachtens mit Urteil vom 9. Februar 2009 festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist.
4
Schon vor der Beweisaufnahme war die Mutter mit Schriftsatz vom 8. Mai 2008 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und hatte Prozesskostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht hat die begehrte Prozesskostenhilfe versagt; das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
5
Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Mutter die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das amtsgerichtliche Verfahren, hilfsweise Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.

II.

6
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Tz. 7 m.w.N.).
7
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil das Beschwerdegericht sie gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
8
1. Einem Nebenintervenienten kann nach seinem Beitritt ebenso wie einer Prozesspartei Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Dabei ist das Gericht auf der Grundlage der persönlichen Verhältnisse des Streithelfers an die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 114, 115 ZPO und für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 ZPO gebunden (BGH Beschluss vom 17. Januar 1966 - VII ZR 125/65 - NJW 1966, 597; vgl. auch BGH Beschluss vom 26. Februar 2008 - XI ZR 258/07 - veröffentlicht bei juris). Das gilt auch für einen Nebenintervenienten in einer Kindschaftssache (jetzt Abstammungssache). Da die Mutter in dem Prozess des Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft nach § 640 e ZPO a.F. zwingend zu beteiligen ist, unterscheidet sich ihre Stellung nach ihrem Beitritt zum Prozess insoweit nicht von derjenigen einer Partei des Rechtsstreits. Ihr ist deswegen wie einer Partei des Rechtsstreits und unter denselben Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das gilt auch für Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz. Auch in solchen Verfahren darf eine mittellose Partei nicht schlechter gestellt werden als eine Partei, die die Kosten des Rechtsstreits selbst aufbringen kann (BVerfG FamRZ 2002, 531, 532). Einem Nebenintervenienten im Vaterschaftsanfechtungsverfahren kann die begehrte Prozesskostenhilfe aber versagt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig ist (§ 114 ZPO). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt dann nicht vor (BVerfGE 9, 256; Staudinger/Rauscher BGB (2004) § 1600 e Rdn. 103).
9
a) Streitig ist allerdings, ob der Beitritt der Mutter in einem Verfahren des Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft mutwillig ist, wenn keine konkrete Unterstützung der Prozesspartei möglich oder beabsichtigt ist.
10
aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, die durch den Beitritt der Mutter erfolgte Prozessführung sei mutwillig, wenn die Abstammung des Kindes nur durch ein Gutachten zu klären sei und die Nebenintervenientin keinen Einfluss auf den Prozess habe (OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 485 und OLG Düsseldorf DAVorm 1982, 478). Die Prozessführung durch den Nebenintervenienten sei auch dann mutwillig, wenn das Kind im Rahmen einer Ergänzungspflegschaft durch das sachkundige Jugendamt vertreten werde und deswegen eine zusätzliche Rechtsverfolgung durch die Mutter zur Wahrung der Rechte des Kindes nicht erforderlich sei (OLG Celle DAVorm 1993, 589 und OLG Hamm DAVorm 1991, 772). Der Mutter sei Prozesskostenhilfe stets zu versagen, wenn sie einem der Sache nach "unstreitigen" Ehelichkeitsanfechtungsprozess beitreten wolle, aber weder eigene Interessen oder Interessen der unterstützten Partei wahren noch selbständige Beiträge zur Prozessförderung leisten könne (OLG Düsseldorf - 3. Zivilsenat - FamRZ 1995, 1506 f.).
11
bb) Nach anderer Auffassung ist entscheidend darauf abzustellen, dass die dem Anfechtungsprozess beitretende Mutter wie eine Partei des Anfechtungsprozesses zu behandeln ist. Ihr sei deswegen auf Antrag regelmäßig Prozesskostenhilfe zu bewilligen (OLG Düsseldorf - 1. Senat für Familiensachen - FamRZ 2001, 1467, 1468; OLG Koblenz FamRZ 1986, 1233; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 1041, 1042; OLG Stuttgart DAVorm 1984, 610 und OLG Bremen AnwBl. 1981, 71). Im Rahmen der zu bewilligenden Prozesskostenhilfe sei der Mutter ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich scheine oder auch der Gegner durch einen Anwalt vertreten sei (OLG Hamm FamRZ 1991, 347 f.). Der Grundsatz der Waffengleichheit sei nicht bereits dadurch gewahrt, dass die Partei, die der Streithelfer unterstütze, anwaltlich oder sachkundig vertreten werde (OLG Köln FamRZ 2002, 1198).
12
b) Der Senat schließt sich für das bis August 2009 geltende Recht der zuletzt genannten Auffassung an.
13
aa) Nach § 1599 Abs. 1 BGB kann eine gemäß § 1592 Nr. 1 und 2 BGB bestehende Vaterschaft gerichtlich angefochten werden. Anfechtungsberechtigt sind nach § 1600 Abs. 1 BGB u.a. der Mann, dessen Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht, die Mutter und das Kind. Dabei handelte es sich nach dem hier noch anwendbaren früheren Recht um eine Kindschaftssache (§ 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F.; jetzt Abstammungssache nach § 169 Nr. 1 FamFG), in der das Urteil, sofern es bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig wird, für und gegen alle wirkt (§ 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. jetzt § 184 Abs. 2 Satz 1 FamFG; vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 4. Juli 2007 - XII ZB 68/04 - FamRZ 2007, 3062 Tz. 15). Die Entscheidung wirkt also auch für und gegen die an dem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligte Mutter des beklagten Kindes, auf deren Rechtsstellung sie dadurch mittelbar einwirkt. Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat die Mutter deshalb auch im Anfechtungsverfahren des Vaters Anspruch auf rechtliches Gehör (BVerfGE 21, 132, 137 m.w.N.). Dem trägt § 640 e ZPO a.F. Rechnung (vgl. jetzt §§ 27, 34 Abs. 1, 172 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). Danach ist in einer Kindschaftssache ein Elternteil, der an dem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligt ist, zwingend am Verfahren zu beteiligen und unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden. Der Elternteil kann der einen oder anderen Partei zu ihrer Unterstützung beitreten (§ 640 e Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F.; jetzt § 27 FamFG). Einen solchen Beitritt hat die Mutter noch vor der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme mit Schriftsatz vom 8. Mai 2008 erklärt.
14
bb) Zwar setzt die Nebenintervention nach § 66 Abs. 1 ZPO grundsätzlich ein rechtliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits voraus. Weil die Anfechtung der Vaterschaft nach § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. (jetzt § 184 Abs. 2 FamFG) aber für und gegen alle wirkt, greift die Entscheidung mittelbar auch in die Rechte der Mutter ein (vgl. Scholz/Stein/Eckebrecht Praxishandbuch Familienrecht Stand Oktober 2009 Q Rdn. 77). Deswegen verzichtet § 640 e Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. auf diese zusätzliche Voraussetzung und erlaubt den Beitritt in jedem Fall. Als selbständige Streithelferin des Kindes (§ 69 ZPO) kann die Mutter frei von den für gewöhnliche Nebenintervenienten geltenden Beschränkungen (§ 67 ZPO) Prozesshandlungen auch im Widerspruch zu der von ihr unterstützten Partei vornehmen und dadurch selbständig, auch durch Einlegung eines Rechtsmittels, auf eine nach ihrer Ansicht richtige Entscheidung hinwirken (Senatsurteil BGHZ 180, 51 = FamRZ 2009, 861 - Tz. 13 und BGHZ 89, 121, 123 f. = FamRZ 1984, 164).
15
Wegen der aus materiellen Gründen gebotenen zwingenden Beteiligung der Mutter, ihres daraus folgenden Rechts zum Beitritt und der besonderen Stellung als streitgenössische Nebenintervenientin kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts keinen strengeren Anforderungen unterliegen, als sie für die Parteien des Anfechtungsprozesses gelten.
16
Die Parteien eines Anfechtungsprozesses sind wegen der Geltung der Entscheidung für und gegen alle also grundsätzlich nicht anders zu behandeln als die Parteien in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Diesen ist nach der Rechtsprechung des Senats wegen der Bedeutung der Statusfeststellung im Falle der Bedürftigkeit regelmäßig sogleich - und nicht erst nach Eingang eines die Vaterschaft bejahenden Abstammungsgutachtens - Prozesskostenhil- fe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt beizuordnen (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 27/07 - FamRZ 2007, 1968 Tz. 8 ff.).
17
cc) Zwar können in Verfahren der Vaterschaftsanfechtung nach §§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO a.F. (vgl. jetzt § 26 FamFG) Beweise auch von Amts wegen erhoben werden. Trotz dieser Amtsermittlungspflicht muss den Parteien des Rechtsstreits aber die Möglichkeit verbleiben, das Verfahren in eigenem Interesse zu betreiben und zu begleiten. Auch in Verfahren mit Amtsermittlung darf eine mittellose Partei insoweit nicht schlechter gestellt werden als eine Partei , die die Kosten des Rechtsstreits selbst aufbringen kann (BVerfG FamRZ 2002, 531, 532).
18
2. Auf dieser rechtlichen Grundlage durften die Instanzgerichte der Mutter die begehrte Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit der Prozessführung versagen.
19
a) Bei Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags war die Erfolgsaussicht des Anfechtungsverfahrens noch völlig ungeklärt, zumal die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen und Einholung des Sachverständigengutachtens erst später erfolgt ist. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg konnte dem Antrag der Mutter deswegen nicht abgesprochen werden.
20
b) Die Rechtsverfolgung durch die Mutter war auch nicht mutwillig.
21
Die Bedeutung des Anfechtungsverfahrens mit der Wirkung einer Entscheidung für und gegen alle spricht auch hier dafür, der beigetretenen Mutter ebenfalls Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Anfechtungsverfahren um ein vom allgemeinen Zivilprozess stark abweichendes Verfahren eigener Art handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2007 - XII ZB 27/07 - FamRZ 2007, 1968 Tz. 9). Schließlich ist mit Beschluss vom 4. März 2007 auch dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten und mit Beschluss vom 22. April 2008 der Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit war die anwaltliche Vertretung der Mutter deswegen nicht mutwillig (vgl. § 121 Abs. 2 2. Alt. ZPO).
22
Im Übrigen weist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hin, dass die Frage, ob der Zeuge ein leiblicher Bruder des Klägers ist, nicht abschließend beantwortet wurde. Zwar hat das Amtsgericht den Zeugen zu seinem Verwandtschaftsverhältnis zum Kläger vernommen. Die Aussage, wonach lediglich ein entferntes Verwandtschaftsverhältnis vorliegt, widerspricht allerdings dem Vortrag der Mutter, wonach der Zeuge ein Bruder des Klägers ist. Die Frage wirkt sich unmittelbar auf das Ergebnis der Beweisaufnahme aus, zumal der Sachverständige in Ausführung des Beweisbeschlusses des Amtsgerichts lediglich das Kind, die Mutter und den Zeugen in seine Begutachtung einbezogen hat. Ob der Kläger als Bruder des Zeugen mit einer gleich hohen Wahrscheinlichkeit als Vater in Betracht kommen könnte, ist damit nicht abschließend geklärt.
23
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Mutter Vietnamesin und der deutschen Sprache kaum mächtig ist. Eine eigenständige Prozessvertretung während der mündlichen Verhandlung wäre ihr deswegen auch mit Hilfe eines Dolmetschers kaum möglich gewesen. Dafür spricht auch der Bericht des Jugendamts vom 8. April 2008, wonach dem Ergänzungspfleger wegen der schwierigen Verständigung mit der Mutter kein konkreter Antrag möglich war und er lediglich die Erstellung eines Abstammungsgutachtens anregte.
24
Die Prozessführung der Mutter ist schließlich auch deswegen nicht mutwillig , weil es ihr nicht verwehrt sein darf, durch Einlegung eines Rechtsmittels mit dem Ziel der Klagabweisung auf eine nach ihrer Ansicht richtige Entscheidung hinzuwirken (Senatsurteil BGHZ 180, 51 = FamRZ 2009, 861 - Tz. 13). Denn es gehört auch zu den Pflichten eines erstinstanzlich beigeordneten Rechtsanwalts, die Interessen der Partei in dem Zwischenstadium zwischen dem erstinstanzlichen Urteil und dem Rechtsmittelverfahren zu wahren (Senatsbeschluss vom 25. April 2007 - XII ZB 179/06 - FamRZ 2007, 1088 Tz. 15 und BGH Urteile vom 17. Januar 2002 - IX ZR 100/99 - WM 2002, 512 f. und vom 6. Juli 1989 - IX ZR 75/88 - WM 1989, 1826 ff.).
25
3. Der angefochtene Beschluss war deswegen auf die Rechtsbeschwerde der Mutter aufzuheben. Das Verfahren ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen , damit es die weiteren Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe prüfen kann. Hahne Weber-Monecke Dose Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Dresden, Entscheidung vom 12.06.2008 - 300 F 2485/07 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.12.2008 - 21 WF 0710/08 -

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken.

(2) Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,

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2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.

(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.

(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 50/08 Verkündet am:
16. Dezember 2009
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1615 l Abs. 2, 1610, 1570, 1578 Abs. 1 Satz 1

a) Der Unterhaltsbedarf wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes
bemisst sich jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums
, der unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines
Nichterwerbstätigen (zur Zeit 770 €) pauschaliert werden darf (im Anschluss
an das Senatsurteil BGHZ 177, 272, 287 = FamRZ 2008, 1738, 1743).

b) Hat der Unterhaltsberechtigte keine kind- oder elternbezogenen Gründe für
eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten
Lebensjahres des Kindes hinaus vorgetragen, können solche nur insoweit
berücksichtigt werden, als sie auf der Grundlage des sonst festgestellten
Sachverhalts auf der Hand liegen.
BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - OLG Hamm
AG Bocholt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2009 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterinnen Weber-Monecke und
Dr. Vézina und die Richter Dose und Schilling

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Februar 2008 wird auf Kosten der Klägerin zu 2 zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten noch um Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB für die Zeit ab Mai 2006.
2
Die Klägerin zu 2 (im Folgenden: Klägerin) und der Beklagte lebten von September 1995 bis März 2006 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Im November 1995 wurde der erste Sohn der Klägerin geboren, der aus einer anderen nichtehelichen Beziehung stammt. Im August 2000 wurde der gemeinsame Sohn der Parteien geboren, der seit August 2006 die Schule besucht.
3
Die im Jahre 1968 geborene Klägerin ist von Beruf Archäologin. Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete sie im Rahmen einiger Projekte des Landesamtes für Archäologie. Ihr dabei erzieltes Einkommen ist nicht vorgetragen.
Jedenfalls seit dem Jahre 2006 ist sie als freie Mitarbeiterin in der Lokalredaktion einer Tageszeitung tätig, woraus sie im Jahre 2006 durchschnittliche monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 206,59 € erzielte. Ihr monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung beläuft sich auf 127,50 €. In der Zeit von April bis Juni 2006 erhielt die Klägerin zusätzlich Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 591,08 €. Die Klägerin leidet seit 1987 an Multipler Sklerose und musste deswegen in der Zeit vom 19. November bis zum 7. Dezember 2007 stationär behandelt werden.
4
Der Beklagte hat den Unterhaltsanspruch des gemeinsamen Sohnes, des früheren Klägers zu 1, mit Jugendamtsurkunde vom 17. August 2006 in Höhe von 135 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes anerkannt.
5
Die Klägerin begehrt Betreuungsunterhalt für die Zeit ab Mai 2006 in Höhe von monatlich 908 €, wobei sie sich für die Zeit von Mai bis Juli 2006 eine Überzahlung in Höhe von monatlich 159 € anrechnen lässt. Ihren Unterhaltsbedarf hat sie aus einem vom Einkommen des Beklagten abgeleiteten Elementarunterhalt in Höhe von 765 € und weiterem Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von 143 € monatlich errechnet.
6
Das Amtsgericht hat der Klage lediglich wegen eines Verzugsschadens in Höhe von insgesamt 209,96 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat ihr das Oberlandesgericht für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 Unterhalt in Höhe von insgesamt 6.282 € (9 x 751 € abzüglich Überzahlung) zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie nach wie vor laufenden und unbefristeten monatlichen Unterhalt ab Mai 2006 in Höhe von 908 € abzüglich der für Mai bis Juli 2006 verrechneten Überzahlung begehrt.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat keinen Erfolg. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar , weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2009, 1852 f.; OLG Stuttgart Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 18 UF 233/09 - veröffentlicht bei Juris; OLG Schleswig Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 W 152/09 - veröffentlicht bei Juris und OLG Dresden Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 W 1077/09 - veröffentlicht bei Juris).

I.

8
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin lediglich Unterhalt für die Zeit bis einschließlich Januar 2007 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen , weil ihr Unterhaltsbedarf durch die im Rahmen einer zumutbaren Erwerbstätigkeit erzielbaren Einkünfte gedeckt werden könne. Für die Zeit bis Januar 2007 stehe der Klägerin aus kind- und elternbezogenen Gründen nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen noch ein fortdauernder Unterhaltsanspruch aus § 1615 l BGB a.F. zu. Da die Klägerin das gemeinsame Kind während des nichtehelichen Zusammenlebens betreut habe, müsse der Beklagte ihr zunächst die Suche nach einer Ganztagsbetreuung für den gemeinsamen Sohn ermöglichen, bevor sie eine Erwerbstätigkeit übernehmen könne. Da die Klägerin trotz entsprechender Auflage nichts zu den Betreuungsmöglichkeiten vorgetragen habe, sei davon auszugehen, dass die Organisation einer solchen Ganztagsbetreuung kurzfristig möglich gewesen wäre, insbesondere für die Zeit nach der Einschulung im August 2006. Weil der Sohn bis zur Trennung der Parteien den Kindergarten besucht und sich im Übrigen auf die ständige Verfüg- barkeit der Mutter verlassen habe, erfordere sein Wechsel in eine Ganztagsbetreuung besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung. Der Sohn scheine allerdings intellektuell und sozial gut entwickelt zu sein; von Lern- und Verhaltensauffälligkeiten sei nicht die Rede. Eine persönliche Betreuung durch die Mutter sei deswegen aus kindbezogenen Gründen nur bis zum Ende des ersten Schulhalbjahres, also bis Januar 2007 erforderlich. Eine Verlängerung der persönlichen Betreuung des gemeinsamen Kindes über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus sei zwar auch aus elternbezogenen Gründen geboten, zumal die Klägerin vor der endgültigen Trennung keinen Anlass gehabt habe, ihr Leben umzustellen. Im Anschluss sei ihr aus Gründen des Vertrauensschutzes eine großzügige Orientierungsphase zur Anpassung an die neuen Lebensumstände und zur Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zuzubilligen. Auch die elternbezogenen Gründe stünden einer Erwerbspflicht der Klägerin aber lediglich bis einschließlich Januar 2007 entgegen. Das Maß des Unterhalts der Klägerin richte sich nach ihrer Lebensstellung. Weil die Klägerin vor der Aufnahme der Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten kein dauerhaftes Erwerbseinkommen erzielt habe und auch vor der Geburt des gemeinsamen Kindes nicht erwerbstätig gewesen sei, könne nur der notwendige Eigenbedarf als Maßstab für die eigene Lebensstellung der Klägerin herangezogen werden. Eine Teilnahme an der Lebensstellung des Beklagten komme trotz des langjährigen Zusammenlebens nicht in Betracht, weil der Beklagte in dieser Zeit lediglich freiwillige Leistungen erbracht habe, die er jederzeit wieder habe einstellen können. Die faktische Teilhabe könne deswegen keine Lebensstellung i.S. des § 1610 BGB begründen. Weil die Klägerin nur in geringem Umfang erwerbstätig sei, sei für die Zeit bis Januar 2006 nicht der notwendige Selbstbehalt für Erwerbstätige, sondern ein Mittelwert zwischen diesem Selbstbehalt und dem Selbstbehalt für Nichterwerbstätige zugrunde zu legen, der seinerzeit 830 € monatlich betragen habe. Hinzuzurechnen sei ein Krankenvorsorgebedarf, der von dem am Selbst- behalt orientierten Eigenbedarf nicht abgedeckt sei. Zuzüglich dieses Betrages in Höhe von monatlich 127,50 € ergebe sich für diese Zeit ein Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 957,50 €. Nach Abzug der eigenen Einkünfte der Klägerin in Höhe von monatlich 206,59 € verbleibe ein Unterhaltsbedarf von monatlich 751 €. Für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 ergebe sich somit ein Gesamtbedarf von (9 x 751 € =) 6.759 €. Abzüglich der von der Klägerin akzeptierten Überzahlung in Höhe von insgesamt (3 x 159 € =) 477 € verbleibe die zugesprochene Unterhaltsforderung in Höhe von 6.282 €. Ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater des im November 1995 geborenen weiteren Kindes der Klägerin sei nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten stehe für diese Zeit nicht in Frage.
9
Für die Zeit ab Februar 2007 sei auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin zunächst weiterhin die frühere Fassung des § 1615 l BGB anzuwenden. Das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, dass der sich aus der Ungleichheit mit dem nachehelichen Betreuungsunterhalt ergebende verfassungswidrige Zustand bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber hinzunehmen sei. Es sei deswegen nicht möglich, der nichtehelichen Mutter Unterhalt nach dem Maßstab des früheren nachehelichen Betreuungsunterhalts gemäß § 1570 BGB a.F. zuzusprechen, um einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG zu beseitigen. Das verstoße gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers und überschreite die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung. Auch die Reform des Betreuungsunterhalts führe nicht dazu, die gegenwärtige gesetzliche Regelung auf den Unterhaltsanspruch bis Ende Dezember 2007 anzuwenden, weil eine weitergehende verfassungskonforme Auslegung, als sie der Bundesgerichtshof zur früheren Fassung des § 1615 l BGB vertreten habe, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausscheide. Das Verbot einer rückwirkenden Belastung der Bürger habe ebenso Verfassungsrang, wie die Forderung nach der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder. Es sei davon aus- zugehen, dass der gemeinsame Sohn ab Februar 2007 in einer Schule mit Hort- und Hausaufgabenbetreuung hätte untergebracht werden können und er eine solche Fremdbetreuung auch verkraftet hätte. Die Klägerin habe deswegen ab Februar 2007 eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen. Weil sie keine Bemühungen die um Aufnahme einer solchen Erwerbstätigkeit dargelegt habe, seien ihr fiktiv erzielbare Einkünfte anzurechnen. Auf die von der Klägerin behauptete schubweise verlaufende Multiple Sklerose könne nicht abgestellt werden, weil der Beklagte im Rahmen des § 1615 l BGB keinen Krankheitsunterhalt schulde und die seit 1987 bestehende Krankheit der Klägerin auch nicht durch Schwangerschaft oder Entbindung verursacht worden sei. Weil die Klägerin nach ihrem Studium zumindest befristete Anstellungen in archäologischen Projekten gefunden habe, sei bei der Bemessung der ohne die Krankheit erzielbaren Einkünfte von einer realistischen Chance auf Anstellung im erlernten Beruf auszugehen. Aus einer vollschichtigen Tätigkeit könne sie monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von rund 1.840 € erzielen, genug, um den notwendigen Eigenbedarf abzudecken.
10
Für die Zeit ab Januar 2008 richte sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach der Neufassung des § 1615 l BGB. Selbst wenn sie von da an neben der verbleibenden Betreuung des gemeinsamen Sohnes nur eine halbschichtige Erwerbstätigkeit ausüben müsse, genüge das daraus erzielbare Einkommen zur Deckung des notwendigen Eigenbedarfs. Nach der gesetzlichen Neuregelung des § 1615 l BGB komme eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts der nichtehelichen Mutter über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus in Betracht, solange und soweit dies der Billigkeit entspreche. Zwar habe bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass das Recht der Eltern auf Betreuung ihrer Kinder aus Art. 6 Abs. 2 GG einer Inanspruchnahme von Fremdbetreuung nicht entgegenstehe. Auch wenn kein sofortiger Wechsel zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit, sondern nur ein gestufter Übergang verlangt wer- den könne, sei die Klägerin neben der Betreuung ihres gemeinsamen Kindes für die Zeit ab Januar 2008 zumindest halbschichtig erwerbspflichtig. Da die Verfügbarkeit des betreuenden Elternteils für das Kind keine Rolle spiele, solange es während einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit fremdbetreut werde, könne nur die Arbeitsbelastung des betreuenden Elternteils gegen eine abrupte und für eine nur stufenweise Anhebung der Erwerbsobliegenheit sprechen. Die doppelte Belastung von Kinderbetreuung und beruflicher Tätigkeit sei im Rahmen der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit stets zu prüfen. Für den vorliegenden Fall ergebe sich jedenfalls eine halbschichtige Erwerbspflicht der Klägerin. Werde ein noch nicht acht Jahre altes Kind ab 16.00 Uhr aus einer Ganztagsbetreuung abgeholt, müsse der betreuende Elternteil sich der Kinderbetreuung für weitere vier bis viereinhalb Stunden widmen. Zwar könne die Betreuung des Kindes mit einigen Haushaltstätigkeiten verbunden werden. Andererseits müsse der Elternteil dem Kind auch intensiv zuhören und ihm Gelegenheit geben, seine Erlebnisse und Probleme aus der Fremdbetreuung aufzuarbeiten. Hinzu komme die Wahrnehmung von Arztterminen und Elterngesprächen. Selbst wenn die tägliche Mehrbelastung für ein Kind unter acht Jahren drei bis vier Stunden betrage, sei der betreuende Elternteil neben einer ganztägigen Fremdbetreuung wenigstens halbschichtig erwerbspflichtig. Aus einer solchen Erwerbstätigkeit könne die Klägerin auf der Grundlage ihres Berufes als Archäologin monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 1.096,24 € erzielen. Abzüglich der Kosten einer Ganztagsbetreuung von geschätzten 150 € verbleibe der Klägerin ein Einkommen, das ihren notwendigen Eigenbedarf von 900 € übersteige. Die Klage sei deswegen abzuweisen, soweit Unterhaltsansprüche für die Zeit ab Februar 2007 geltend gemacht werden.
11
Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, weil umstritten sei, ob § 1615 l BGB a.F. für die Zeit bis Ende 2007 erweiternd auszulegen sei und in welchem Umfang der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach der Neufas- sung des § 1615 l BGB eine Erwerbstätigkeit zuzumuten sei, und dies höchstrichterlicher Klärung bedürfe.

II.

12
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klage nur teilweise stattgegeben und sie für die Zeit ab Februar 2007 vollständig abgewiesen.
13
Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts besteht allerdings dem Grunde nach ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt, weil es nur von einer halbschichtigen Erwerbsobliegenheit der Klägerin ausgegangen ist. Nur die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, was eine Abänderung zu ihren Lasten ausschließt. Für die Zeit ab Februar 2007 ist der Unterhaltsbedarf der Klägerin aber durch ihr im Rahmen einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit erzielbares Einkommen gedeckt.
14
1. Im Ansatz zutreffend ist das Oberlandesgericht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin von einem Bedarf in Höhe des notwendigen Selbstbehalts ausgegangen.
15
Das Maß des nach § 1615 l Abs. 2 BGB zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Anspruchsberechtigten. Denn nach § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB sind auf den Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils eines nichtehelich geborenen Kindes die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und somit auch § 1610 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden. Anders als beim Trennungsunterhalt oder beim nachehelichen Unterhalt, bei denen der Bedarf von den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt wird (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB), sind daher die wirtschaftli- chen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils für die Bedarfsbemessung grundsätzlich nicht maßgebend. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des unterhaltsberechtigten Elternteils bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes entwickelt hatten.
16
Im Unterhaltsrecht hat grundsätzlich der Unterhaltsberechtigte neben den übrigen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs auch seinen Unterhaltsbedarf und seine Bedürftigkeit darzulegen und zu beweisen, während der Unterhaltspflichtige eine eventuelle Leistungsunfähigkeit, auf die er sich beruft, beweisen muss (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 6 Rdn. 700 ff.). Dies folgt aus dem Grundsatz, dass jede Partei die Voraussetzungen der für sie günstigen Normen darzulegen und zu beweisen hat, sofern das Gesetz keine andere Beweislastverteilung regelt.
17
a) War der betreuende Elternteil bis zur Geburt des Kindes erwerbstätig, bemisst sich seine Lebensstellung nach seinem bis dahin nachhaltig erzielten Einkommen. Der Unterhaltsbedarf ist deswegen an diesem Einkommensniveau auszurichten, soweit dies nicht dazu führt, dass dem Unterhaltsberechtigten aus eigenen Einkünften und Unterhaltszahlungen insgesamt mehr zur Verfügung steht, als dem Unterhaltspflichtigen verbleibt (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 443 f.).
18
Eine solche Lebensstellung hat das Berufungsgericht hier nicht festgestellt. Die Klägerin hatte, bevor sie mit dem Beklagten zusammenzog und ihr erstes Kind sowie später das gemeinsame Kind geboren hat, lediglich an einigen Projekten mitgearbeitet. Die daraus resultierenden Einkünfte hat die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht vorgetragen.
19
b) Eine nachhaltig gesicherte Lebensstellung im Sinne der §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB kann sich zwar auch aus einem Unterhaltsan- spruch gegen einen früheren Ehegatten ergeben, wenn dieser Anspruch den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes nachhaltig gesichert hat (Senatsurteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 443 f.). Auch einen solchen Unterhaltsbedarf hat die Klägerin hier aber nicht dargelegt.
20
c) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin bestimmen sich ihre Lebensstellung und damit ihr Unterhaltsbedarf auch nicht als Quotenunterhalt nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beklagten innerhalb ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
21
Der Senat hat bereits entschieden, dass sich die Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten im Sinne der §§ 1615 l Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB nicht allein aus den tatsächlichen Umständen ergibt, sondern stets eine nachhaltig gesicherte Rechtsposition voraussetzt. Wenn die Eltern - wie hier - vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes in nichtehelicher Gemeinschaft zusammengelebt haben, beruhte ein gemeinsamer Lebensstandard regelmäßig auf freiwilligen Leistungen des besser verdienenden Partners. Denn ein Unterhaltsrechtsverhältnis entsteht nicht schon mit der Aufnahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sondern gemäß § 1615 l BGB erst aus Anlass der Geburt eines gemeinsamen Kindes. Weil der Partner seine Leistungen vor Beginn des Mutterschutzes deswegen jederzeit einstellen kann und das Gesetz außerhalb von Verwandtschaft und Ehe lediglich den Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB vorsieht, ist der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ohne gemeinsames Kind erreichte tatsächliche Lebensstandard nicht geeignet, eine Lebensstellung für den späteren Unterhaltsanspruch zu begründen (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 284 ff. = FamRZ 2008, 1739, 1742; OLG Zweibrücken FuR 2000, 286 Tz. 28). Dafür spricht auch, dass sich der Unterhalt nach § 1615 l Abs. 2 BGB nicht - wie der nacheheliche Unterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen - nach den Lebensverhältnissen in der nichtehelichen Gemeinschaft, sondern allein nach der Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bemisst. Im Gegensatz zum nachehelichen Unterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) sieht der Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB deswegen auch keinen Aufstockungsunterhalt vor, der den Bedarf nach den eigenen Verhältnissen des Unterhaltsberechtigten nach Maßgabe eines von einem höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgeleiteten Unterhaltsbedarfs erhöht.
22
Anderes gilt auch dann nicht, wenn aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mehrere gemeinsame Kinder hervorgegangen sind. Auch dann sind für einen späteren Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB die Verhältnisse bei Geburt des ersten Kindes maßgeblich. Denn diese Verhältnisse bestimmen zunächst - unabhängig von darüber hinaus gehenden freiwilligen Leistungen - als Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten die Höhe des Unterhaltsbedarfs während der Erziehung und Betreuung des ersten Kindes. Dieser Unterhaltsbedarf wiederum bestimmt als Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten regelmäßig auch den Unterhaltsbedarf nach der Geburt des weiteren Kindes. Der Betreuungsunterhalt aus Anlass der Betreuung und Erziehung eines weiteren Kindes kann allenfalls dann auf einen höheren Unterhaltsbedarf gerichtet sein, wenn der betreuende Elternteil zwischenzeitlich, z.B. durch ein nachhaltig gesichertes höheres Einkommen, eine höhere Lebensstellung erworben hatte (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 284 ff. = FamRZ 2008, 1739, 1742).
23
Die tatsächlichen Verhältnisse während des nichtehelichen Zusammenlebens vor der Geburt des gemeinsamen Kindes konnten deswegen keine Lebensstellung im Sinne der §§ 1615 l Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB begründen.
24
d) Mangels eines konkret feststellbaren höheren Lebensbedarfs ist das Berufungsgericht schließlich zu Recht von einem Mindestbedarf der Klägerin ausgegangen.
25
aa) Die Frage, ob für einen Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB generell von einem Mindestbedarf ausgegangen werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig.
26
Teilweise wird ein Mindestbedarf mit der Begründung abgelehnt, die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes sei sonst besser gestellt als die Mutter eines ehelich geborenen Kindes, die nach der Rechtsprechung des Senats keinen pauschalen Mindestbedarf verlangen könne (OLG Köln FamRZ 2001, 1322; OLG Zweibrücken FuR 2000, 286, 288; Puls FamRZ 1998, 865, 873).
27
Überwiegend wird hingegen die Auffassung vertreten, für den Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB müsse ein Mindestbedarf gelten, da der angemessene Unterhalt im Sinne des § 1610 Abs. 1 BGB das Existenzminimum nicht unterschreiten könne (OLG Karlsruhe NJW 2004, 523; OLG Hamm FF 2000, 137; Palandt/Diederichsen BGB 69. Aufl. Rdn. 24 f.; Scholz in Scholz/ Stein Praxishandbuch Familienrecht Teil K Rdn. 818 d; Büttner/Niepmann NJW 2001, 2218; AnwK-BGB/Schilling § 1615 l Rdn. 16; Wendl/Pauling aaO § 7 Rdn. 27; Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rdn. 1328; Hoppenz/ Hülsmann Familiensachen 8. Aufl. § 1615 l BGB Rdn. 9; Schnitzler/Wever Münchner Anwaltshandbuch Familienrecht 2. Aufl. § 10 Rdn. 50 und 59; Eschenbruch/Klinkhammer/Menne Der Unterhaltsprozess 5. Aufl. Teil 4 Rdn. 44; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 215; Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1615 l BGB Rdn. 34; Hamm Strategien im Unterhaltsrecht 2. Aufl. Rdn. 40; FA-FamR/Gerhardt 7. Aufl. 6. Kap. Rdn. 396 und 731; FA-FamR/Maier 7. Aufl.
6. Kap. Rdn. 542; Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz Rdn. 370; Ehinger/ Griesche/Rasch Handbuch Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdn. 311 f.; Heiß in Heiß/ Born Unterhaltsrecht 14. Kap. Rdn. 56; vgl. auch Nr. 18 der Leitlinien der Oberlandesgerichte

).

28
bb) Der Senat konnte diese Rechtsfrage bislang dahinstehen lassen (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 287 = FamRZ 2008, 1738, 1743). Lediglich für Fälle, in denen sich der Unterhaltsbedarf nach der Lebensstellung im Zeitpunkt der Geburt aus einem Unterhaltsanspruch gegen einen früheren Ehegatten ableitet und dieser Bedarf geringer ist als der Mindestbedarf, hat er - wie bislang beim Ehegattenunterhalt - einen Mindestbedarf abgelehnt (Senatsurteile vom 17. Januar 2007 - XII ZR 104/03 - FamRZ 2007, 1303, 1304 f. und vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 808). Daran hält der Senat nicht mehr fest.
29
(1) Der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB soll dem Berechtigten - wie auch der nacheheliche Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB - eine aus kind- und elternbezogenen Gründen notwendige persönliche Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Kindes in den ersten Lebensjahren ermöglichen. Damit der betreuende Elternteil daran nicht durch eine Erwerbstätigkeit gehindert ist, darf sein Unterhaltsbedarf nicht unterhalb des Existenzminimums liegen, zumal er sonst in weiterem Umfang, als es nach den kind- und elternbezogenen Gründen angemessen ist, erwerbstätig sein müsste. Ein Unterhaltsbedarf unterhalb des Existenzminimums würde die im Einzelfall notwendige persönliche Betreuung nicht sicherstellen.
30
(2) In Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Elternteil vor der Geburt des Kindes von Sozialleistungen gelebt hat, kann dessen Lebensstellung nicht mit Null angesetzt werden, weil sonst für diesen Elternteil ein Unterhaltsan- spruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB von vornherein ausgeschlossen wäre. In solchen Fällen ergibt sich die Lebensstellung vielmehr aus der Höhe der gezahlten Sozialleistung, weil Einkünfte in dieser Höhe nach den §§ 8 ff. SGB XII gesetzlich garantiert sind. Entsprechend ist auch Unterhaltsberechtigten mit geringeren Einkünften ein solcher Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums zuzubilligen , weil ihr Bedarf nicht geringer sein kann, als der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten ohne eigene Einkünfte. Auch diese Unterhaltsberechtigten haben eine gesicherte Lebensstellung in Höhe des Existenzminimums, weil sie neben ihren geringen Einkünften aufstockende Sozialhilfe beantragen können.
31
(3) Frühere Erwägungen des Senats, die zur Sicherung des seinerzeit noch gleichrangigen Kindesunterhalts einem Mindestunterhalt des betreuenden Elternteils entgegenstanden (Senatsurteile vom 17. Januar 2007 - XII ZR 104/03 - FamRZ 2007, 1303, 1304 f. und vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 808), gelten heute nicht mehr. Schon zum früheren Unterhaltsrecht hatte der Senat im Rahmen der wegen des Gleichrangs des Unterhalts minderjähriger Kinder und des nachehelichen Unterhalts gebotenen Mangelfallberechnung Einsatzbeträge gewählt, die eine gleichmäßige Aufteilung des für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommens ermöglichten (Senatsurteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - FamRZ 2003, 363, 365 f.). Inzwischen hat der Gesetzgeber durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 in § 1612 a BGB einen Mindestunterhalt für minderjährige Kinder eingeführt, der sich am steuerlichen Kinderfreibetrag orientiert. Entscheidend ist aber, dass der Unterhaltsanspruch minderjähriger und privilegiert volljähriger Kinder jetzt nach § 1609 Nr. 1 BGB allen anderen Unterhaltsansprüchen vorgeht. Die Höhe des Bedarfs nachrangiger Unterhaltsberechtigter hat deswegen auf die Leistungsfähigkeit für den Unterhalt minderjähriger Kinder keine Auswirkungen mehr (zur Bedarfsbemessung vgl. Senatsurteil BGHZ 178, 79, 83 f. = FamRZ 2008, 2189, 2190).
32
(4) Auch der Grundsatz der Halbteilung steht einem Mindestbedarf beim Betreuungsunterhalt nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Senats bleibt dem Unterhaltspflichtigen regelmäßig ein Selbstbehalt von seinen eigenen Einkünften, dessen Höhe zwar von der Art seiner Unterhaltspflicht abhängig ist, der den nur geringfügig über dem Existenzminimum pauschalierten Mindestbedarf aber keinesfalls unterschreitet (Senatsurteil vom 9. Januar 2008 - XII ZR 170/05 - FamRZ 2008, 594, 596 f.). Gegenüber dem nachehelichen Unterhalt und dem Unterhalt wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes nach § 1615 l BGB beträgt der Selbstbehalt regelmäßig 1.000 € (BGHZ 166, 351, 156 = FamRZ 2006, 683, 684). Damit verbleibt dem Unterhaltspflichtigen von seinen eigenen Einkünften jedenfalls mehr, als dem Unterhaltsberechtigten - orientiert am Existenzminimum - als Mindestbedarf zusteht.
33
(5) Soweit ein Mindestbedarf im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1615 l Abs. 2 BGB mit der Erwägung abgelehnt wird, dem Elternteil eines nichtehelich geborenen Kindes könne kein höherer Bedarf zustehen als einem geschiedenen Ehegatten, der ein gemeinsames Kind betreut, überzeugt auch dies nicht. Dieses Argument betrifft das Verhältnis zwischen dem Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 BGB und dem nachehelichen Unterhalt. Die Gründe, die im Rahmen des Betreuungsunterhalts für einen am Existenzminimum orientierten Mindestbedarf sprechen, gelten in gleicher Weise auch für den gesamten Ehegattenunterhalt. Auch insoweit kann der Bedarf das Existenzminimum nicht unterschreiten. Soweit der Senat darauf abgestellt hat, dass ein pauschalierter Mindestbedarf den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden individuellen Bedarf nicht übersteigen dürfe (Senatsurteil vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806), ist zu berücksichtigen, dass die Ehegatten auch in ihrer Ehezeit jedenfalls einen Mindestlebensstandard in Höhe des Existenzminimums hatten.
34
cc) Da der Mindestbedarf nach dem Zweck einer Sicherung des notwendigen Bedarfs am Existenzminimum ausgerichtet ist, erfordert dies unterhaltsrechtlich eine Pauschalierung, die der Senat auch in anderem Zusammenhang nach Maßgabe des notwendigen Selbstbehalts vorgenommen hat (vgl. BGHZ 166, 351, 356 = FamRZ 2006, 683, 684 zum Selbstbehalt).
35
(1) Soweit in der Literatur sogar ein Mindestbedarf in Höhe des angemessenen Bedarfs von zurzeit 1.000 € monatlich befürwortet wird (FA-FamR/ Gerhardt 7. Aufl. 6. Kap. Rdn. 396 und 731), überzeugt dies nicht.
36
Der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten kann nicht mit dem entsprechenden Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen gleichgesetzt werden (vgl. insoweit Senatsurteile vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - zur Veröffentlichung bestimmt und BGHZ 179, 196, 206 f. Tz 30 f. = FamRZ 2009, 411, 414).
37
Soweit außerdem vertreten wird, der angemessene Unterhalt nach § 1610 Abs. 1 BGB könne nicht auf das Existenzminimum beschränkt bleiben, verkennt diese Meinung, dass es hier lediglich um einen Mindestbedarf geht, der die unterste Schwelle des Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen bildet.
38
(2) Im Rahmen der gebotenen Pauschalierung ist für einen Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums nicht auf den Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen abzustellen. Der am Existenzminimum orientierte Mindestbedarf kann sich lediglich nach dem Betrag richten, der einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen als notwendiger Selbstbehalt zur Verfügung steht und gegenwärtig nach der Düsseldorfer Tabelle und den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte 770 € beträgt. Der darüber hinausgehende Selbstbehalt des Erwerbstätigen (900 €) schließt einen Erwerbsanreiz ein (Wendl/Klinkhammer aaO § 2 Rdn. 260 ff., 267), der auf Seiten des Unter- haltspflichtigen seine Berechtigung hat, aber nicht in gleicher Weise auf den Unterhaltsberechtigten übertragen werden kann. Denn dieser ist ohnehin gehalten , im Rahmen seiner Möglichkeiten den eigenen Lebensbedarf sicherzustellen. Die in dem Differenzbetrag zwischen dem notwendigen Selbstbehalt eines Erwerbstätigen und demjenigen eines nicht Erwerbstätigen ebenfalls enthaltenen gemischten Aufwendungen haben zunehmend an Bedeutung verloren (vgl. Klinkhammer FamRZ 2007, 85, 87 ff.). Weil der pauschalierte notwendige Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen über das Existenzminimum hinausgeht, sind diese Aufwendungen bereits darin enthalten. Soweit der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte erzielt, können die damit verbundenen erwerbsbedingten Aufwendungen wie beim Pflichtigen abgesetzt werden (vgl. Wendl/Dose aaO § 1 Rdn. 87 ff.).
39
e) Weil die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin einen höheren Unterhaltsbedarf nicht dargelegt hat, ist das Berufungsgericht zu Recht von einem Mindestbedarf ausgegangen, der allerdings auf den notwendigen Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen und somit auf gegenwärtig 770 € monatlich begrenzt ist. Auch zuzüglich eines im Rahmen des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l Abs. 2 BGB zusätzlich geschuldeten Krankenvorsorgeunterhalts, der sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Zeit vor Beginn der mindestens halbschichtigen Erwerbspflicht auf monatlich 127,50 € belief, bleibt der Unterhaltsbedarf der Klägerin hinter dem vom Oberlandesgericht berücksichtigten Bedarf zurück. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch das von der Klägerin im Jahre 2006 tatsächlich erzielte Einkommen auf diesen Bedarf angerechnet. Denn dafür, dass dieses monatliche Einkommen in Höhe von 206,59 € im Hinblick auf das Alter des gemeinsamen Kindes von fast sechs Jahren überobligatorisch war, hat die Klägerin nichts vorgetragen. Solche Umstände sind im Hinblick auf den Kindergarten- und Schulbesuch, den fehlenden Vortrag zur Vollzeitbetreuung des gemeinsamen Sohnes und das geringe Einkommen auch sonst nicht ersichtlich.
40
Soweit das Berufungsgericht der Klägerin für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 deswegen lediglich einen Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 751 € abzüglich der unstreitig insgesamt überzahlten 477 € zugesprochen hat, ist dies also nicht zu beanstanden. Für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 steht der Klägerin kein Unterhaltsanspruch zu, der den vom Oberlandesgericht zugesprochenen Betrag übersteigt.
41
2. Zutreffend hat das Oberlandesgericht den weiteren Antrag der Klägerin auf Unterhalt für die Zeit ab Februar 2007 abgewiesen, weil sie ihren Unterhaltsbedarf für diese Zeit durch eigene Einkünfte decken kann. Denn es hat eine jedenfalls halbschichtige Erwerbsobliegenheit der Klägerin angenommen und ein daraus erzielbares fiktives Einkommen berücksichtigt. Dies ist weder auf der Grundlage des ab Februar 2007 zunächst noch geltenden früheren Rechts noch auf der Grundlage der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Neufassung des § 1615 l BGB zu beanstanden.
42
a) Für Unterhaltsansprüche, die bereits vor dem 1. Januar 2008 fällig waren , bleibt nach § 36 Nr. 7 EGZPO das frühere Recht, hier also § 1615 l Abs. 2 BGB a.F., anwendbar. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin entfällt die Anwendbarkeit des früheren Rechts auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen. Das Bundesverfassungsgericht hat die frühere Regelung des § 1615 l Abs. 2 BGB allein gemäß Art. 6 Abs. 5 GG wegen gleichheitswidriger Behandlung des nachehelichen Betreuungsunterhalts und des Unterhalts wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes für verfassungswidrig erklärt. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2008 eine diesem Umstand genügende Regelung zu treffen. Bis zur Neuregelung des verfas- sungswidrigen Zustands war die frühere Regelung allerdings nach den ausdrücklichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts hinzunehmen (BVerfGE 118, 45 = FamRZ 2007, 965, 973 Tz. 77).
43
Die frühere Fassung des § 1615 l Abs. 2 BGB, die dem betreuenden Elternteil eines nichtehelichen Kindes einen in der Regel auf drei Jahre begrenzten Unterhaltsanspruch mit der Möglichkeit einer Verlängerung einräumte, verstieß nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG. Schon im Rahmen dieser Regelung hatte der Gesetzgeber sichergestellt, dass der das Kind betreuende Elternteil während der ersten drei Lebensjahre des Kindes keiner Erwerbstätigkeit nachgehen musste, sondern sich dem Kind widmen und damit seiner Elternverantwortung nachkommen durfte (vgl. Dose JAmt 2009, 1 f.). Die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs auf in der Regel drei Jahre ist im Lichte des Art. 6 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden. Zum einen liegt es in der Einschätzungskompetenz des Gesetzgebers, für wie lange er es aus Kindeswohlgesichtspunkten für erforderlich und dem unterhaltspflichtigen Elternteil zumutbar erachtet, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil mit Hilfe eines Unterhaltsanspruchs zu ermöglichen. Zum anderen hat er in § 24 SGB VIII jedem Kind ab dem dritten Lebensjahr einen Anspruch auf Besuch einer Tageseinrichtung eingeräumt. Damit hat er sichergestellt, dass ein Kind ab diesem Alter in der Regel eine außerhäusliche Betreuung erfahren kann, während sein Elternteil einer Erwerbstätigkeit nachgeht (BVerfGE 118, 45 = FamRZ 2007, 965, 972 Tz. 73; Puls FamRZ 1998, 865, 870 f.). Schließlich hatte der Senat auf der Grundlage des früheren Rechts entschieden, dass die Möglichkeit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach § 1615 l Abs. 2 BGB a.F. in verfassungskonformer Auslegung der dafür relevanten kindbezogenen und elternbezogenen Gründe weit auszulegen sei (Senatsurteil BGHZ 168, 245, 260 f. = FamRZ 2006, 1362, 1366 f.).
44
Allerdings geht die frühere Fassung des § 1615 l Abs. 2 BGB auch in der vom Senat geforderten weiten Auslegung nicht über das Maß hinaus, das die Neuregelung des § 1615 l Abs. 2 BGB für Unterhaltsansprüche ab dem 1. Januar 2008 im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts festgelegt hat (vgl. BT-Drucks. 16/6980 S. 8 f., 10).
45
b) Auch auf der Grundlage der Neufassung des § 1615 l Abs. 2 BGB für Unterhaltsansprüche ab dem 1. Januar 2008 steht der Klägerin kein über den zugesprochenen Unterhalt hinausgehender Anspruch zu, weil das Oberlandesgericht ihr zu Recht ein fiktiv erzielbares Einkommen angerechnet hat.
46
aa) Nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB steht der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes über die Dauer des Mutterschutzes hinaus ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater zu, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nach § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB besteht die Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Sie verlängert sich, so lange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Insoweit hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB und den nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB weitgehend einander angeglichen (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 zum nachehelichen Betreuungsunterhalt sowie BT-Drucks. 16/6980 S. 8 ff.).
47
bb) Mit der Einführung des Basisunterhalts bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres hat der Gesetzgeber dem betreuenden Elternteil die freie Entscheidung eingeräumt, ob er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren in vollem Umfang selbst betreuen oder andere Betreuungsmöglichkeiten in An- spruch nehmen will. Ein während dieser Zeit erzieltes Einkommen ist somit stets überobligatorisch und der betreuende Elternteil kann eine bestehende Erwerbstätigkeit jederzeit wieder aufgeben und sich voll der Erziehung und Betreuung des Kindes widmen. Insoweit unterscheiden sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt und der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes nicht, weil der Anspruch auf dem verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Recht der Kinder auf Pflege und Erziehung beruht. Entscheidet sich der betreuende Elternteil allerdings dafür, das Kind auf andere Weise betreuen zu lassen und erzielt er eigene Einkünfte, ist das überobligatorisch erzielte Einkommen nach den Umständen des Einzelfalles anteilig zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 m.w.N. und vom 13. April 2005 - XII ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1156 f.).
48
cc) Für die - hier relevante - Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur noch dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB). Damit verlangt die Neuregelung allerdings keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Insbesondere nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe ist unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (§ 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB) ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (zum nachehelichen Betreuungsunterhalt vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 f. m.w.N.). Neben den vorrangig zu berücksichtigenden kindbezogenen Gründen sieht § 1570 Abs. 2 BGB für den nachehelichen Betreuungsunterhalt eine weitere Verlängerungsmöglichkeit aus elternbezogenen Gründen vor. Danach verlängert sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt über die Verlängerung aus kindbezogenen Gründen hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie deren Dauer der Billigkeit entspricht. Insoweit ist also ausdrücklich auch ein Vertrauenstatbestand zu berücksichtigen , der sich aus den Nachwirkungen der Ehe ergeben kann. Im Rahmen des - hier relevanten - Anspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes ist diese Regelung zwar nicht ausdrücklich übernommen worden. Weil § 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB jedoch eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs "insbesondere" aus kindbezogenen Gründen zulässt, kommen auch elternbezogene Umstände für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts in Betracht. Das gilt insbesondere dann, wenn die Eltern - wie hier - mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und deswegen auch ein eventueller Vertrauenstatbestand als Nachwirkung dieser Familie zu berücksichtigen ist (BT-Drucks. 16/6980 S. 10). Dabei ist allerdings stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach der Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 305 f. = FamRZ 2008, 1739, 1748 m.w.N.).
49
Der Unterhaltsberechtigte trägt allerdings die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus. Er hat also zunächst darzulegen und zu beweisen , dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen (Senatsurteile vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 m.w.N. und BGHZ 177, 272, 304 = FamRZ 2008, 1739, 1748).
50
Kindbezogene wie elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus hat die Klägerin hier auch auf ausdrücklichen Hinweis des Berufungsgerichts nicht vorgetragen. Sie können deswegen nur insoweit berücksichtigt werden , als sie auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts auf der Hand liegen.
51
(1) Kindbezogene Gründe können für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts der Klägerin nicht berücksichtigt werden. Der gemeinsame Sohn besuchte zunächst einen Kindergarten und geht seit August 2006 zur Schule. Dass ein Vollzeitkindergarten und ab August 2006 eine Nachmittagshortbetreuung in einer kindgerechten Einrichtung nicht zur Verfügung standen, hat die Klägerin weder vorgetragen, noch ergibt sich dies aus anderen Umständen. Wenn das Berufungsgericht bis zum Abschluss des ersten Schulhalbjahres aus kindbezogenen Gründen von der Notwendigkeit einer ständigen Verfügbarkeit der Mutter ausgegangen ist, obwohl der gemeinsame Sohn intellektuell und sozial gut entwickelt ist, geht dies sogar über die Rechtsprechung des Senats hinaus. Denn mit der Aufgabe des Vorrangs der persönlichen Betreuung ab Vollendung des dritten Lebensjahres ist aus kindbezogenen Gründen keine ständige Verfügbarkeit der Mutter mehr erforderlich (Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770, 772). Insoweit beschwert das angefochtene Urteil die Klägerin jedenfalls nicht.
52
(2) Im Ansatz zu Recht hat das Berufungsgericht auch elternbezogene Gründe bei der Frage einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus berücksichtigt. Denn die Parteien hatten mit dem gemeinsamen Kind als Familie zusammengelebt, wodurch ein Vertrauenstatbestand auf Seiten der Klägerin entstanden war. Allerdings waren die Parteien bereits im Jahre 1995 zusammengezogen, als die Klägerin von einem anderen Mann schwanger war. In dieser Zeit konnte sie nicht auf eine unterhaltsrechtliche Absicherung durch den Beklagten vertrauen, weil das Gesetz für nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne gemeinsames Kind keine Unterhaltsansprüche kennt. Das änderte sich erst, als im August 2000 der gemeinsame Sohn geboren wurde. Auf der Grundlage des sich daran anschließenden fünfeinhalbjährigen Zusammenlebens mit dem gemeinsamen Kind durfte die Klägerin darauf vertrauen, nicht unverzüglich mit der Trennung eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen zu müssen. Wenn das Berufungsgericht ihr dafür von der Trennung im März 2006 bis Februar 2007 annähernd ein Jahr eingeräumt hat, ist auch dagegen nichts zu erinnern.
53
Weitere elternbezogene Umstände, die für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sprechen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Der Umstand, dass die Klägerin an Multipler Sklerose leidet, kann nicht zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen, weil der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes aus § 1615 l Abs. 2 BGB keinen Krankheitsunterhalt vorsieht und die bereits im Jahre 1987 erstmals diagnostizierte Erkrankung nicht auf die Geburt des gemeinsamen Kindes zurückzuführen ist. Auch eine mögliche überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils steht einer Erwerbsobliegenheit der Klägerin für die Zeit ab Februar 2007 nicht aus elternbezogenen Gründen entgegen, zumal dafür keine konkreten Umstände vorgetragen sind. Wenn das Berufungsgericht der Klägerin auf der Grundlage des neuen Rechts lediglich ein fiktives Einkommen aus halbschichtiger Erwerbstätigkeit zugerechnet hat, bleibt auch dies hinter der Rechtsprechung des Senats zurück (BGHZ 177, 272, 275 = FamRZ 2008, 1338). Danach wäre die jetzt 41 Jahre alte Klägerin auch unter Berücksichtigung des durch das Zusammenleben gewonnenen Vertrauens mangels weiteren Vortrags zu kind- oder elternbezogenen Verlängerungsgründen sogar zu einer Er- werbstätigkeit verpflichtet, die deutlich über eine halbschichtige Erwerbstätigkeit hinausginge.
54
c) Soweit das Oberlandesgericht der Klägerin ein fiktives Einkommen angerechnet hat, das jedenfalls den hier relevanten Mindestbedarf deckt, bestehen auch dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Die Klägerin ist durch die Betreuung des gemeinsamen Kindes allenfalls halbtags an einer Erwerbstätigkeit gehindert. Ob sie aus gesundheitlichen Gründen (teilweise ) erwerbsunfähig ist oder ob sie einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf als Archäologin finden kann, ist im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes unerheblich, weil der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB ihre Lebensstellung nur wegen der notwendigen Kindesbetreuung sichern will. Ihr Krankheitsrisiko oder ihr Beschäftigungsrisiko wird von § 1615 l BGB nicht erfasst, denn einen Krankheitsunterhalt oder einen Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wie sie die §§ 1572 und 1573 BGB für den nachehelichen Unterhalt zusätzlich vorsehen, kennt § 1615 l BGB nicht.
55
Auch soweit das Berufungsgericht im Ergebnis dazu gelangt ist, dass die Klägerin im Rahmen der ihr nach § 1615 l Abs. 2 BGB zumutbaren Erwerbstätigkeit jedenfalls Einkünfte erzielen könnte, die ihren Mindestbedarf decken, bestehen dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken.
56
d) Für die Zeit ab Februar 2007 entfällt der Unterhaltsanspruch der Klägerin also, weil sie ihren Mindestbedarf ab dann durch Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit selbst decken kann. Das Berufungsgericht hat die Klage deswegen auch insoweit zu Recht abgewiesen.
Hahne Weber-Monecke Vézina Dose Richter am Bundesgerichtshof Schilling ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne
Vorinstanzen:
AG Bocholt, Entscheidung vom 21.09.2007 - 14 F 186/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.02.2008 - 1 UF 207/07 -

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 258/07
vom
26. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres,
Dr. Grüneberg und Maihold

beschlossen:
Dem Streithelfer der Klägerin wird für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. April 2007 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts offensichtlich nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Berufungsurteil ist rechtsfehlerfrei. Die mehreren wahllosen Rügen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG entbehren jeder Grundlage. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Klägerin (§§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO). Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 354.078,51 €. Nobbe Müller Joeres Grüneberg Maihold
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.09.2005 - 10 O 302/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.04.2007 - 17 U 292/05 -

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.

Vater eines Kindes ist der Mann,

1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Vater eines Kindes ist der Mann,

1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

Abstammungssachen sind Verfahren

1.
auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses, insbesondere der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft,
2.
auf Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Anordnung der Duldung einer Probeentnahme,
3.
auf Einsicht in ein Abstammungsgutachten oder Aushändigung einer Abschrift oder
4.
auf Anfechtung der Vaterschaft.

(1) Die Endentscheidung in Abstammungssachen wird mit Rechtskraft wirksam. Eine Abänderung ist ausgeschlossen.

(2) Soweit über die Abstammung entschieden ist, wirkt der Beschluss für und gegen alle.

(3) Gegen Endentscheidungen in Abstammungssachen steht auch demjenigen die Beschwerde zu, der an dem Verfahren beteiligt war oder zu beteiligen gewesen wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 68/04
vom
4. Juli 2007
in der Kindschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 640 e Abs. 1 Satz 1; BGB §§ 1599, 1600 Abs. 1
Fechten das Kind, die Mutter oder der nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB als
Vater geltende Mann die Vaterschaft an, ist der als biologischer Vater in Betracht
kommende Mann nicht von Amts wegen beizuladen.
Eine eigene Berufung gegen das der Anfechtung stattgebende Urteil ist ihm
verwehrt. Jedoch kann er dem Rechtsstreit als unselbständiger Nebenintervenient
gemäß § 66 ZPO beitreten und im Namen der unterlegenen Hauptpartei
Berufung einlegen.
BGH, Beschluss vom 4. Juli 2007 - XII ZB 68/04 - OLG Oldenburg
AG Osnabrück
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. März 2004 wird auf Kosten des Beteiligten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 2.000 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin ist am 15. Juli 1975 während der Ehe ihrer Mutter mit dem Beklagten geboren worden. Sie hat mit der am 24. Juli 2002 zugestellten Klage die Feststellung beantragt, dass der Beklagte nicht ihr Vater sei. Der Beklagte hat der Vaterschaftsanfechtung nicht widersprochen. Nach Einholung eines genetischen Abstammungsgutachtens hat das Amtsgericht - Familiengericht - der Klage stattgegeben. Das Urteil vom 12. Dezember 2002 ist der Klägerin am 17. Dezember 2002, dem Beklagten am 18. Dezember 2002 zugestellt worden.
2
Mit am 25. Juli 2003 zugestellter Klage hat die Klägerin in einem weiteren Verfahren Dr. D. auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch genommen. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Klage nach Einholung eines Ab- stammungsgutachtens stattgegeben. Auf die Berufung des Dr. D. hat das Oberlandesgericht das Verfahren im Hinblick auf das vorliegende Anfechtungsverfahren nach § 148 ZPO ausgesetzt.
3
Am 29. Januar 2004 hat Dr. D. im eigenen Namen Berufung gegen das der Anfechtungsklage stattgebende Urteil mit der Begründung eingelegt, die Klage sei wegen Ablaufs der zweijährigen Anfechtungsfrist unbegründet. Die Klägerin wisse zumindest seit Januar 1998, dass sie nicht vom Beklagten abstamme. Das Amtsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, ihn als möglichen biologischen Vater beizuladen. Durch die Feststellung, dass der Beklagte nicht der Vater der Klägerin sei, sei er aber unmittelbar beschwert. Von dem Anfechtungsverfahren habe er erst im Februar 2003 erfahren; das Urteil sei ihm nicht zugestellt worden. Deshalb habe die Berufungsfrist für ihn noch nicht begonnen.
4
Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Dr. D., mit der er die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht zur Entscheidung in der Sache erstrebt.

II.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch sonst zulässig, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
6
Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geboten, wenn die Sache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Anzahl von Fällen stellen kann, oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen (vgl. BGHZ 152, 182, 190 f.; 153, 254, 256; 154, 288, 291 f., jeweils zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Durch die angefochtene Entscheidung stellt sich die rechtsgrundsätzliche Frage, ob im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1592, 1599 Abs. 1, 1600 Abs. 1 BGB der potentielle biologische Vater in direkter oder zumindest in entsprechender Anwendung des § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen beizuladen und rechtsmittelbefugt ist.
7
Der Bundesgerichtshof hat für das bis 30. Juni 1998 geltende Kindschaftsrecht entschieden, im Ehelichkeitsanfechtungsprozess sei der als außerehelicher Erzeuger in Betracht kommende Mann nicht zu beteiligen. Mit der Ehelichkeitsanfechtung sei kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtsstellung des biologischen Vaters verbunden. Insbesondere beschränke sie seine verfahrensrechtlichen Befugnisse in einem späteren Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht. Er könne weiterhin behaupten, Vater des Kindes sei der Mann, der Partei des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses gewesen sei (BGHZ 83, 391, 393 ff. = FamRZ 1982, 692, 693). Das zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsrecht (Kindschaftsreformgesetz vom 16. Dezember 1997, BGBl. I 2942) lässt durch die erfolgreiche Anfechtung nicht mehr nur den Status der Ehelichkeit des Kindes entfallen. Sie verbindet die rechtskräftige Vaterschaftsanfechtung mit der nach § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO gegenüber Dritten, d.h. auch gegenüber dem potentiellen biologischen Vater geltenden Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft im Sinne der §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB. Ob diese Rechts- lage eine Beiladung des biologischen Vaters im Anfechtungsprozess gebietet, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.
9
a) Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1985 f. veröffentlicht ist, kann Dr. D. kein Rechtsmittel gegen das Anfechtungsurteil einlegen. Eine Berechtigung folge auch nicht daraus, dass Dr. D. am Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu beteiligen gewesen wäre, wegen eines Verfahrensfehlers des Amtsgerichts aber nicht beigeladen worden sei. Als potentieller biologischer Vater sei er durch die Anfechtung des Kindes nicht unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen und deshalb auch nicht entsprechend § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend am Verfahren zu beteiligen. Ein Anfechtungsurteil nehme ihm zwar gemäß § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO die Möglichkeit, sich in einem späteren Feststellungsverfahren auf die Vaterschaft des am Erstverfahren als Hauptpartei beteiligten Mannes zu berufen. Sein eigener Status bleibe aber unberührt. Das Anfechtungsurteil eröffne lediglich die Möglichkeit, die Vaterschaft des Dr. D. in einem weiteren Verfahren feststellen zu lassen. Diese Urteilswirkung rechtfertige aber keine Gleichstellung des biologischen Vaters mit einer Hauptpartei des Anfechtungsprozesses. Zudem umfasse der Schutzbereich des Art. 6 GG nicht das Interesse des Dr. D., eine Klage auf Feststellung seiner Vaterschaft zu verhindern. Auch dienten die gesetzlichen Anfechtungsfristen nicht dem Schutz des biologischen Erzeugers vor seiner Inanspruchnahme als Vater.
10
Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Dr. D. zu Recht als unzulässig verworfen.
11
b) In der Literatur wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dem als biologischem Vater in Betracht kommenden Mann stehe im Anfechtungsverfahren des Kindes, der Mutter oder des als Vater geltenden Mannes ein verfassungsrechtlich gesicherter Anspruch auf rechtliches Gehör zu. Deshalb sei er in entsprechender Anwendung von § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend am Verfahren zu beteiligen (für das bis 30. Juni 1998 geltende Recht Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 640 e Rdn. 7; Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 640 e Rdn. 2). Ein rechtskräftiges Anfechtungsurteil verkürze die spätere Rechtsverteidigung des potentiellen biologischen Vaters, weil er an die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des am Anfechtungsverfahren als Hauptpartei beteiligten Mannes gebunden sei. Dies könne nicht geschehen, ohne ihm rechtliches Gehör einzuräumen (Stein/Jonas/Schlosser aaO § 640 e Rdn. 7).
12
c) Die herrschende Meinung geht indessen davon aus, § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO sei im Anfechtungsverfahren auf den (nur) biologischen Vater nicht entsprechend anzuwenden. Zwischen ihm und dem Kind bestehe keine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung nach §§ 1592, 1593 BGB. Die Rechtsstellung des potentiellen biologischen Vaters werde deshalb durch das Anfechtungsverfahren nur indirekt berührt (Staudinger/Rauscher BGB 2004 § 1600 e Rdn. 87; MünchKomm/Coester-Waltjen ZPO 2. Aufl. § 640 e Rdn. 3; in diesem Sinne auch Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 65. Aufl. § 640 e Rdn. 2; Prütting/Pieper BGB § 1600 e Rdn. 33; van Els FPR 2002, 587, 588; Wanitzek FPR 2002, 390, 400; Wieser FamRZ 1998, 1004, 1006; Hoppenz/Zimmermann 8. Aufl. § 640 e ZPO Rdn. 1).
13
d) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung jedenfalls für die vom Kind, von der Mutter oder von dem nach §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB als Vater geltenden Mann initiierte Anfechtungsklage an.
14
aa) Nach § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Elternteil in einem Statusprozess , in dem er nicht selbst Partei ist, in der Weise zwingend von Amts wegen zu beteiligen, dass er unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden ist. Neben dem Kind sollen beide Elternteile unabhängig von ihrer Beteiligung als Partei Kenntnis von dem Verfahren erhalten (so bereits BGHZ 76, 299, 302 f. = FamRZ 1980, 559, 560). Die Vorschrift sichert damit die Gewährung rechtlichen Gehörs für den Personenkreis, dessen Rechtsstellung durch die Entscheidung tangiert wird (MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 e Rdn. 1). Die Eltern betrifft das Gestaltungsurteil aber deshalb unmittelbar , weil es über ihre rechtliche Eltern-Kind-Beziehung entscheidet. Im Anfechtungsverfahren des Kindes (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der Mutter (Nr. 3 dieser Vorschrift) oder des rechtlichen Vaters (Nr. 4 dieser Vorschrift) besteht zwischen dem potentiellen biologischen Vater und dem Kind jedoch noch keine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung im Sinne von §§ 1592, 1593 BGB, auch stellt das Anfechtungsurteil eine solche nicht her. Der biologische Vater ist deshalb kein Elternteil im Sinne des § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 126; Eckebrecht in Scholz/Stein Praxishandbuch Familienrecht Rdn. Q 91 a.E.) und nicht zwingend am Verfahren zu beteiligen.
15
bb) Die Rechtsstellung des biologischen Vaters ist durch die Anfechtungsklagen des Kindes, der Mutter oder des rechtlichen Vaters nur insoweit mittelbar betroffen, als das rechtskräftige Anfechtungsurteil den Weg zur Feststellung seiner Vaterschaft frei gibt (MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 e Rdn. 3). Zwar wirkt das Gestaltungsurteil nach § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO für und gegen alle, damit auch gegen den biologischen Vater. Allein dieser Umstand gebietet aber keine entsprechende Anwendung des § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO unter dem Blickwinkel des Art. 103 Abs. 1 GG. Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör ist ein verfahrensmäßiges Gegenstück zu der Befugnis, Rechte zu Lasten anderer geltend zu machen. Wie die Geltendmachung von Rechten an die Person ihres Trägers ist er an die Person des sachlich Betroffenen gebunden (BGHZ 83, 391, 393 f. = FamRZ 1982, 692, 693). Die Wirkungen des § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO sind dabei nur allgemeine Auswirkungen des Gestaltungsurteils, sie treffen den biologischen Vater - wie jeden anderen Dritten auch - nicht in rechtlich besonders geschützten Belangen (OLG Jena FamRZ 2006, 1602; MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 e Rdn. 3). Weder stellt das rechtskräftige Anfechtungsurteil eine rechtsbedeutsame Beziehung des biologischen Vaters zum Kind her, noch schließt es die Möglichkeit des biologischen Vaters aus, mit einer Feststellungsklage (§§ 1600 d, 1600 e BGB) auch die Stellung eines Vaters im Rechtssinne einzunehmen.
16
cc) Die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung verkürzt insbesondere nicht die Rechtsverteidigung des potentiellen biologischen Vaters in einem späteren Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Nach § 1599 Abs. 1 BGB lässt das rechtskräftige Anfechtungsurteil die Wirkungen der §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB entfallen. Die Entscheidung ist auf die richterliche Gestaltung eines Rechtsverhältnisses gerichtet (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1999 - XII ZR 117/97 - FamRZ 1999, 716; Staudinger/Rauscher aaO § 1599 Rdn. 25; Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1599 Rdn. 7; Rausch in jurisPK 3. Aufl. § 1599 BGB Rdn. 35) und beseitigt die rechtliche Zuordnung des Kindes zu dem als Hauptpartei am Anfechtungsverfahren beteiligten Mann. Deshalb bezieht sich die Rechtskraft des Tenors nur auf die Frage der rechtlichen Vaterschaft, nicht aber auf die biologische Abstammung (Saenger/Kemper Hk-ZPO 2. Aufl. § 640 h Rdn. 5; vgl. auch Senatsurteil vom 30. Oktober 2002 - XII ZR 345/00 - FamRZ 2003, 155, 156), denn diese kann nicht Gegenstand richterlicher Gestaltung sein. Weil das Anfechtungsurteil für und gegen alle wirkt (§ 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO), kann sich der mögliche biologische Vater im Feststellungsverfahren nach §§ 1600 d, 1600 e BGB zwar nicht mehr auf den Standpunkt stellen, das Kind sei rechtlich doch der Hauptpartei des Anfechtungsverfahrens zuzuordnen. Er kann aber seine eigene biologische Vaterschaft bestreiten, ohne dass die Erforschung der wahren Abstammungsverhältnisse unter Einbeziehung des im er- folgreichen Anfechtungsverfahren als Hauptpartei beteiligten Mannes ausgeschlossen ist (MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 h Rdn. 10; Staudinger/ Rauscher aaO § 1599 Rdn. 33 und § 1600 e Rdn. 87; Saenger/Kemper aaO § 640 h Rdn. 5; a.A. MünchKomm/Seidel BGB 4. Aufl. § 1592 Rdn. 59; Musielak /Borth ZPO 5. Aufl. § 640 h Rdn. 2; Zöller/Philippi aaO § 640 h Rdn. 3; Erman /Holzhauer BGB 11. Aufl. § 1599 Rdn. 5; für das bis 30. Juni 1998 geltende Recht Stein/Jonas/Schlosser aaO § 640 e Rdn. 7).
17
dd) Eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtsstellung des potentiellen biologischen Vaters durch das Anfechtungsverfahren folgt auch nicht aus dem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seiner Entscheidung vom 9. April 2003 für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erachtet, den biologischen Vater, der Elternverantwortung übernehmen möchte, ausnahmslos von der Möglichkeit der Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung eines Dritten auszuschließen (BVerfG FamRZ 2003, 816, 820 ff.). Dem hat der Gesetzgeber durch das am 30. April 2004 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft etc. (BGBl. I 598) Rechnung getragen, und dem möglichen biologischen Vater nach §§ 1600, 1600 e BGB unter bestimmten Voraussetzungen ein eigenes Anfechtungsrecht zugebilligt, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater im Sinne von §§ 1592 Nr. 1, 2, 1593 BGB keine sozial-familiäre Beziehung besteht. Daraus folgt indessen nicht die Pflicht, den biologischen Vater im Anfechtungsverfahren des rechtlichen Vaters, des Kindes oder der Mutter grundsätzlich beizuladen. Ihm bleibt trotzdem die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen der §§ 1600 d, 1600 e BGB die rechtliche Vaterposition zu erlangen.
18
Ein Beitritt des biologischen Vaters zum Anfechtungsverfahren des Kindes , der Mutter oder des Ehemannes könnte deshalb vor allem bezwecken, die Anfechtung der Vaterschaft eines Dritten und damit die spätere Feststellung der eigenen Vaterschaft zu verhindern. Dieses rechtliche Interesse ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geschützt, denn Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schließt ein Elternrecht ohne Pflichtentragung gegenüber dem Kind aus (BVerfG aaO S. 819). Auch dienen die Anfechtungsfristen des § 1600 b BGB nicht dem Interesse des potentiellen biologischen Vaters, einer möglichen Inanspruchnahme durch das Kind zu entgehen (vgl. BGH Beschluss vom 26. Oktober 2006 - III ZR 49/06 - FamRZ 2007, 36). Sie sollen vielmehr im Interesse des betroffenen Kindes den Familien- und Rechtsfrieden wahren, indem innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes eine Entscheidung darüber herbeizuführen ist, ob der bestehende Status beibehalten oder geändert werden soll (Senatsbeschluss BGHZ 92, 275, 278; BGHZ 14, 358, 360; OLG Hamm FamRZ 2002, 30, 31; vgl. auch Senatsurteil vom 24. März 1999 - XII ZR 190/97 - FamRZ 1999, 778, 779 und BT-Drucks. 13/4899, 87 f.). Entsprechend unterliegt die Erhebung einer Vaterschaftsfeststellungsklage gegen den biologischen Vater (§§ 1600 d, 1600 e BGB) nach Wegfall der Sperre der §§ 1592 Nr. 1, 2, 1593 BGB keiner Befristung (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2005, 1672, 1673 m.w.N.). Aus dem Umstand, dass die Parteien der Anfechtungsklage vorliegend eventuell falsche Angaben zu den die Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB in Gang setzenden Umständen gemacht und das Urteil arglistig erschlichen haben, kann Dr. D. folglich nichts für sich herleiten (Staudinger/Rauscher aaO § 1600 e Rdn. 87; OLG Jena FamRZ 2006, 1602; OLG Saarbrücken NJW-RR 2005, 1672, 1673).
19
e) Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen nicht der rechtliche Vater , die Mutter oder das Kind, sondern ein Dritter die Anfechtungsklage erhoben hat. Denn das von einem nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB anfechtungsberechtigten Mann erstrittene rechtskräftige Anfechtungsurteil stellt nicht nur das Nichtbestehen der Vaterschaft im Sinne der §§ 1592 Nr. 1, 2, 1593 BGB fest; es beinhaltet zugleich positiv die Feststellung der Vaterschaft des Anfechtenden (§ 640 h Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hier kann in Ausnahmefällen unmittelbar das Elternrecht eines am Verfahren nicht als Hauptpartei beteiligten dritten Mannes betroffen sein, der ebenfalls behauptet, Vater des Kindes zu sein, und Elternpflichten wahrnehmen möchte (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 e Rdn. 87). Der (weitere) Vaterschaftsprätendent muss das die Vaterschaftsfeststellung beinhaltende Gestaltungsurteil nach § 640 h Abs. 1 Satz 1, 3 ZPO uneingeschränkt gegen sich gelten lassen. Mithin beeinträchtigt die Feststellungswirkung des § 640 h Abs. 2 ZPO sein durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschütztes Interesse an der rechtlichen Vaterposition. Einem im Anfechtungsverfahren nach §§ 1599, 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB nicht als Hauptpartei beteiligten Mann, der ebenfalls als potentieller biologischer Vater in Betracht kommt und Elternverantwortung wahrnehmen möchte, ist deshalb rechtliches Gehör zu gewähren. Er ist - soweit er dem Gericht bekannt ist - entsprechend § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden.
20
3. Vorliegend greift das der Vaterschaftsanfechtungsklage stattgebende Urteil nicht in speziell geschützte Rechtspositionen des Dr. D. ein. Als potentieller biologischer Vater ist er durch die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - nicht beschwert. Dr. D. konnte dem Rechtsstreit nicht wirksam als streitgenössischer Nebenintervenient (§ 69 ZPO) beitreten und sich deshalb auch nicht auf eine selbständig laufende Berufungsfrist berufen, die hier wegen der unterbliebenen Beiladung und Zustellung durch das Amtsgericht noch nicht begonnen hätte (vgl. zu den Folgen einer unterbliebenen Beiladung BGH Urteil vom 24. November 1983 - IX ZR 93/82 - FamRZ 1984, 164, 165). Seine Berufung ist unzulässig.
21
Die rechtlichen Interessen des nicht als Hauptpartei am Verfahren beteiligten biologischen Vaters sind im Anfechtungsprozess ausreichend durch die Möglichkeit gewahrt, dem Rechtsstreit als unselbständiger Nebenintervenient gemäß § 66 ZPO beizutreten (vgl. zum alten Kindschaftsrecht BGHZ 76, 299, 302 ff. = FamRZ 1980, 559, 560; BGHZ 83, 391, 395 = FamRZ 1982, 692, 693; BGHZ 92, 275, 276 ff. = FamRZ 1985, 61; BGH Urteil vom 29. Oktober 1981 - IX ZR 83/80 - FamRZ 1982, 47, 48; OLG Hamm FamRZ 1984, 810, 811). Dr. D. hätte auf Seiten des nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater geltenden Beklagten beitreten und in dessen Namen Berufung gegen die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - einlegen können. Eine entsprechende Umdeutung des beim Oberlandesgericht am 29. Januar 2004 eingegangenen Anwaltsschriftsatzes des Dr. D. kommt indessen nicht in Betracht, denn das Anfechtungsurteil ist bereits seit dem 19. Januar 2003 rechtskräftig.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Osnabrück, Entscheidung vom 12.12.2002 - 69 F 286/02 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 11.03.2004 - 11 UF 11/04 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken.

(2) Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(1) Das Gericht hat einen Beteiligten persönlich anzuhören,

1.
wenn dies zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder
2.
wenn dies in diesem oder in einem anderen Gesetz vorgeschrieben ist.

(2) Die persönliche Anhörung eines Beteiligten kann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.

(3) Bleibt der Beteiligte im anberaumten Anhörungstermin unentschuldigt aus, kann das Verfahren ohne seine persönliche Anhörung beendet werden. Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen.

(1) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken.

(2) Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.

(2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen.

(1) Die Endentscheidung in Abstammungssachen wird mit Rechtskraft wirksam. Eine Abänderung ist ausgeschlossen.

(2) Soweit über die Abstammung entschieden ist, wirkt der Beschluss für und gegen alle.

(3) Gegen Endentscheidungen in Abstammungssachen steht auch demjenigen die Beschwerde zu, der an dem Verfahren beteiligt war oder zu beteiligen gewesen wäre.

Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 als Streitgenosse der Hauptpartei.

Der Nebenintervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Für ihn gelten die §§ 141 und 278 Absatz 3 entsprechend.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 100/99
Verkündet am:
17. Januar 2002
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Reichweite einer anwaltlichen Vertretungsanzeige.
BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - IX ZR 100/99 - Kammergericht Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Ganter, Raebel und Kayser

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. Januar 1999 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 25. November 1997 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelzüge werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages in Anspruch.
Die Klägerin hatte mit Erklärung vom 14. Juli 1992 aus Anlaß eines Geschäftskredits von 140.000 DM, welcher ihrem nichtehelichen Lebenspartner C. M. von der B. e.G. zur Einrichtung eines Speiserestaurants (Pizzeria) gewährt worden war, eine Bürgschaft übernommen. Der Hauptschuldner veräußerte
den Restaurantbetrieb im Februar 1994, der bestehende Geschäftskredit wurde in ein Privatdarlehen umgewandelt. Aus diesem Anlaû übernahm die Klägerin am 11. März 1994 eine Höchstbetragsbürgschaft über 103.000 DM nebst Zinsen. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Klägerin, die zuvor als Aushilfe in der Pizzeria gearbeitet hatte, weder über eigenes Einkommen noch über Vermögen. Sie führte den Haushalt und betreute die beiden gemeinsamen, in den Jahren 1989 und 1991 geborenen Kinder.
Im Jahre 1995 wurde die Klägerin in einem vor dem Landgericht Berlin geführten Rechtsstreit von der B. e.G. aus der Bürgschaft vom 11. März 1994 in Anspruch genommen. Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Der Beklagte legitimierte sich mit Schriftsatz vom 5. April 1995 gegenüber dem Landgericht und stellte einen Antrag auf Gewährung von Prozeûkostenhilfe. Der Schriftsatz hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
“In dem Rechtsstreit ... zeige ich an, daû ich die Beklagte vertrete. Für den Fall der Gewährung von Prozeûkostenhilfe werde ich im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragen, die Klage abzuweisen.” Das Landgericht wies den Prozeûkostenhilfeantrag mit Beschluû vom 6. Juli 1995 zurück. Daraufhin riet der Beklagte mit Schreiben vom 10. August 1995 der Klägerin “von weiterem Vortrag aus Kostengründen ab, da keine Erfolgsaussichten bestehen dürften.” Zwischenzeitlich hatte das Landgericht im schriftlichen Vorverfahren gemäû § 331 Abs. 3 ZPO am 20. Juli 1995 ein Versäumnisurteil erlassen, wel-
ches die Klägerin zur Zahlung von 103.000 DM nebst Zinsen verpflichtete. Das Urteil wurde an die Klägerin als Partei am 29. Juli 1995 zugestellt; eine Zustellung an den Beklagten erfolgte nicht. Die Klägerin hat gegen das Versäumnisurteil keinen Einspruch eingelegt. Die B. betreibt die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel.
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Freistellung von den titulierten Verbindlichkeiten sowie von d en Kosten des Vorprozesses in Höhe von 7.452,38 DM nebst Zinsen. Sie hält die Beratung des Beklagten über die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung im Vorprozeû für falsch. Die von ihr übernommenen Bürgschaften seien sittenwidrig gewesen. Bei einer zutreffenden Beratung hätte sie den Auftrag erteilt, gegen die Versagung der Prozeûkostenhilfe Beschwerde und gegen das Versäumnisurteil vom 20. Juli 1995 Einspruch einzulegen. Richtigerweise wäre ihr dann Prozeûkostenhilfe gewährt und die Bürgschaftsklage abgewiesen worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Kammergericht hat ihr stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

I.


Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Es fehlt an einem auf eine Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführenden Schaden.
Die Revision meint, der Beklagte hafte nicht, weil der Klägerin durch eine – unterstellte – Pflichtverletzung kein Schaden entstanden sei. Der Beklagte habe sich mit dem Schriftsatz vom 5. April 1995 als Prozeûbevollmächtigter nicht nur für das Prozeûkostenhilfeverfahren, sondern für den gesamten Vorprozeû bestellt. Aus diesem Grunde habe das Versäumnisurteil vom 20. Juli 1995 an den Beklagten zugestellt werden müssen. Indessen sei eine Zustellung nur an die Klägerin als Partei erfolgt. Der hierin liegende Mangel könne nicht nachträglich geheilt werden, da es sich bei der Einspruchsfrist um eine Notfrist handele. Mithin sei das Versäumnisurteil vom 20. Juli 1995 nicht unanfechtbar geworden und der Klägerin kein Schaden entstanden.

II.


1. Das Berufungsurteil nimmt zur Frage der wirksamen Zustellung des Versäumnisurteils im Vorprozeû nicht Stellung, obwohl der Beklagte in der ersten Instanz hierzu vorgetragen und im Berufungsverfahren auf diese Ausführungen Bezug genommen hatte.
Der Beklagte hatte in der Klageerwiderung vom 2. September 1997 auf seinen Schriftsatz vom 5. April 1995 - welchen die Klägerin bereits mit ihrem
Prozeûkostenhilfeantrag vom 16. September 1996 vorgelegt hatte - Bezug genommen und vorgetragen, daû das Versäumnisurteil vom 20. Juli 1995 an die Klägerin als Partei zugestellt worden war. Beides wurde von der Klägerin nicht in Abrede gestellt und hat Eingang in den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils gefunden. Auf sein erstinstanzliches Vorbringen hat der Beklagte in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 19. März 1998 wirksam Bezug genommen.
2. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Es hat damit gegen die aus § 286 ZPO folgende Verpflichtung, sich mit dem ihm unterbreiteten Prozeûstoff umfassend auseinander zu setzen (vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar 1993 ± IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937; v. 1. Oktober 1996 ± VI ZR 10/96, NJW 1997, 796, 797), verstoûen. Eine Stellungnahme zur Wirksamkeit der Zustellung des Versäumnisurteils war geboten, weil sie Voraussetzung für den Eintritt eines Schadens und damit für das Bestehen eines Anspruchs der Klägerin ist. Im Übrigen hatte bereits das Landgericht diese Frage in seinem Urteil erörtert und bejaht; wenn das Berufungsgericht dem hätte folgen wollen, hätte es zur Begründung auf das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich Bezug nehmen können (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F.). Das ist nicht geschehen.
3. Der Senat kann die vom Berufungsgericht unterlassene Auslegung des Schriftsatzes des Beklagten vom 5. April 1995 selbst vornehmen.
Für die Auslegung eines Schriftsatzes, mit dem die Vertretung einer Partei angezeigt wird, kommt es nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt tatsächlich eine Prozeûvollmacht hat. Entscheidend ist im Hinblick auf den erforder-
lichen Vertrauensschutz für die Gegenseite und auf § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO allein, ob sich der Rechtsanwalt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten zum Prozeûbevollmächtigten bestellt hat (BGHZ 118, 312, 322 m. w. Nachw.).
Aus der maûgeblichen Sicht eines unvoreingenommenen Dritten, insbesondere des Landgerichts und der Klägerin des Vorprozesses als den Empfängern des Schriftsatzes vom 5. April 1995, hat sich der Beklagte nicht nur für das Prozeûkostenhilfeverfahren, sondern auch für das anhängige Hauptsacheverfahren zum Prozeûbevollmächtigten der Klägerin als damaliger Beklagten bestellt. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Erklärung - ªzeige ich an, daû ich die Beklagte vertreteº -, die eine umfassende Bestellung enthält. Eine Beschränkung der Vertretungsanzeige auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt , das Prozeûkostenhilfeverfahren, findet sich dort nicht. Entgegen der Meinung des Landgerichts ergibt sie sich auch nicht aus der nachfolgenden Erklärung, mit der ein Sachantrag nur für den Fall der Gewährung von Prozeûkostenhilfe angekündigt wird. Vielmehr zeigt der Umstand, daû der Beklagte - wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen - bereits einen Sachantrag im Hauptsacheverfahren ankündigte, mit besonderer Deutlichkeit, daû er sich mit dem Schriftsatz vom 5. April 1995 auch für dieses Verfahren bestellen wollte. Auch das mit dem Vorprozeû befaûte Gericht ist ersichtlich von einer Bestellung des Beklagten für das Hauptsacheverfahren ausgegangen, denn es hat ihn im Rubrum des Versäumnisurteils vom 20. Juli 1995 als Prozeûbevollmächtigten der jetzigen Klägerin aufgeführt. Im übrigen besteht keine zwingende Verknüpfung zwischen der Vertretungsanzeige und der Ankündigung eines Sachantrags. Auch ein Rechtsanwalt, der ohne die Bewilligung von Prozeûkostenhilfe nicht in der mündlichen Verhandlung auftreten will - etwa um die Entstehung weiterer Kosten zu vermeiden -, hat ein Interesse, über den weiteren
Prozeûverlauf informiert zu werden, um beispielsweise den Mandanten nach Erlaû eines Versäumnisurteils über die Handlungsalternativen beraten zu können. Diese Auslegung entspricht dem Zweck des § 176 ZPO, durch die zwingend vorgeschriebene Zustellung an den Prozeûbevollmächtigten sicherzustellen , daû sich in dessen Hand alle Fäden des Prozesses vereinigen (Musielak /Wolst, ZPO 2. Aufl. § 176 Rn. 1). Deshalb ist auch ein Anwalt, der nur ein Gesuch um Prozeûkostenhilfe einreicht, im Zweifel als für das gesamte Verfahren bevollmächtigt anzusehen (Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 117 Rn. 12).
Der von der Revisionserwiderung erhobene Einwand, der Beklagte habe eingeräumt, ausschlieûlich für das Prozeûkostenhilfeverfahren bevollmächtigt worden zu sein, greift nicht durch. Er betrifft nur den Umfang des von der Klägerin im Innenverhältnis zum Beklagten erteilten Auftrags. Für die Auslegung des Schriftsatzes vom 5. April 1995 ist dieser Gesichtspunkt bedeutungslos. Im Übrigen deuten die dem Beklagten von der Klägerin erteilte Vollmacht (Bl. 45 d. A. 14 O 127/95 Landgericht Berlin) und sein Kostenfestsetzungsgesuch vom 7. März 1996 (Bl. 42 jener Akten) darauf hin, daû dem Beklagten ein umfassendes Mandat erteilt worden war.
4. Da sich der Beklagte mit dem Schriftsatz vom 5. April 1995 wirksam zum Prozeûbevollmächtigten der Klägerin bestellt hatte, durfte wegen § 176 ZPO das Versäumnisurteil vom 20. Juli 1995 nur an ihn zugestellt werden. Die Zustellung an die Klägerin als Partei war unwirksam (BGH, Beschl. v. 21. Dezember 1983 ± IVb ZR 29/82, NJW 1984, 926). Eine Heilung des Mangels nach § 187 ZPO ist nicht möglich, weil es sich bei der Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO um eine Notfrist handelt. Infolgedessen ist das Versäumnis-
urteil vom 20. Juli 1995 bislang mangels wirksamer Zustellung (§ 310 Abs. 3 ZPO) nicht existent geworden (vgl. BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1994 ± XII ZB 90/94, NJW 1994, 3359, 3360; Urt. v. 17. April 1996 ± VIII ZR 108/95, NJW 1996, 1969, 1970). Der Senat braucht daher die weitere Frage, ob die Empfehlung des Beklagten im Schriftsatz vom 10. August 1995, von der weiteren Rechtsverteidigung im Vorprozeû mangels Erfolgsaussicht abzusehen, mindestens objektiv eine Pflichtverletzung darstellt, nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls besteht der von der Klägerin behauptete Schaden nicht, da das Versäumnisurteil vom 20. Juli 1995 ± von dessen Folgen die Klägerin freigestellt werden möchte ± nicht vollstreckbar ist. Die zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilte Ausfertigung dieses Titels ist auf eine Klauselerinnerung nach § 732 ZPO einzuziehen (vgl. BGHZ 15, 190, 191; Zöller/Stöber, ZPO 22. Aufl. § 732 Rn 6).
Kreft Stodolkowitz Ganter Raebel Kayser