Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2010 - IX ZA 30/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Über das Vermögen der Klägerin, einer Bauunternehmung, wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, was den Beklagten als Schuldner einer Werklohnforderung mitgeteilt wurde. Im weiteren Verlauf gab der Insolvenzverwalter, jetzt Streithelfer der Klägerin, die Werklohnforderung frei. Die Beklagten entrichteten den Werklohnbetrag an den Streithelfer. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf nochmalige Zahlung des Werklohns in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat der Zahlung an den Insolvenzverwalter Erfüllungswirkung beigemessen, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Gegen dieses Urteil (veröffentlicht in NZI 2010, 821) beabsichtigt der Streithelfer der Klägerin Revision einzulegen und begehrt hierfür Prozesskostenhilfe.
II.
- 2
- Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint mutwillig und bietet überdies keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
- 3
- 1. Einem Streithelfer kann auf der Grundlage von dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe nur dann bewilligt werden , wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. Mutwilligkeit liegt vor, wenn der Streithelfer kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, weil dann eine verständige Partei von einer Beteiligung absehen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 1966 - VII ZR 125/65, NJW 1966, 597; v. 2. Juni 2010 - XII ZB 60/09, NJW-RR 2010, 1299 Rn. 8).
- 4
- Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller ist in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Streithelfer der Klägerin. Mit der von ihm beabsichtigten Revision will er geltend machen, dass die Beklagten durch die Zahlung in die Insolvenzmasse nicht von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin freigeworden und folglich erneut an die Klägerin zahlen müssen. Sollte der Antragsteller mit dieser von ihm vertretenen Rechtsauffassung durchdringen, so hätte dies zur Folge , dass die Masse durch die Zahlung der Beklagten ungerechtfertigt bereichert wäre und insofern eine Masseverbindlichkeit bestünde (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Für die Insolvenzmasse wäre ein Erfolg des vom Antragsteller vorgesehenen Rechtsmittels daher insofern nachteilig, als dies eine Masseverbindlichkeit nach sich ziehen würde. Bliebe das Berufungsurteil dagegen bestehen, so könnte die Masse die Zahlung der Beklagten behalten. Wegen der angezeigten Masseunzulänglichkeit würde ein Bereicherungsanspruch der Beklagten zwar wohl nicht aus der Masse befriedigt werden können, einen Vorteil für die Masse könnte ein erfolgreiches Rechtsmittel gleichwohl nicht bedeuten.
- 5
- 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Prozesskostenhilfe muss hingegen nicht bewilligt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig "erscheint" (vgl. BVerfG NJW 1991, 413, 414; BGH, Beschl. v. 10. Dezember 1997 - IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; v. 11. September 2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130).
- 6
- Dieser Ausnahmefall ist vorliegend gegeben. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Leistung an den Insolvenzverwalter in Unkenntnis von der kurz zuvor erfolgten Freigabe der Forderung an den Insolvenzschuldner Erfüllungswirkung zukommt. § 82 InsO sieht eine entsprechende Regelung für den Fall vor, dass der gutgläubige Drittschuldner in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung an den nicht mehr empfangsberechtigten Insolvenzschuldner eine Leistung erbringt. Für diese Fallgestaltung ordnet § 82 InsO ausdrücklich die Befreiungswirkung an. Der Senat hat bereits entschieden, dass im Falle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Verkehrsschutz bei Leistungen an den nicht mehr empfangszuständigen Insolvenzverwalter oder Treuhänder durch entsprechende Anwendung des § 82 InsO sichergestellt werden kann (BGH, Beschl. v. 15. Juli 2010 - IX ZB 229/07, WM 2010, 1610 Rn. 8, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Nichts anderes kann für die hier vorliegende Fallgestaltung einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter gelten. Das Berufungsgericht hat mithin die Klage in zutreffender Beurteilung der vorliegen- den Rechtsfrage für unbegründet angesehen. Die vom Antragsteller beabsichtigte Revision weist daher keine Erfolgsaussichten auf (§ 114 ZPO).
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 29.09.2009 - 155 C 2627/09 -
LG München I, Entscheidung vom 11.05.2010 - 11 S 23373/09 -
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(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung geleistet, so wird vermutet, daß er die Eröffnung nicht kannte.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:
- 1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; - 2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß; - 3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.
(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.
(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:
Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung geleistet, so wird vermutet, daß er die Eröffnung nicht kannte.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.