Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2007 - XII ZB 217/05

bei uns veröffentlicht am28.11.2007
vorgehend
Landgericht Coburg, 14 O 292/05, 29.04.2005
Oberlandesgericht Bamberg, 7 UFH 2/05, 07.10.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 217/05
vom
28. November 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 284; Lugano-Übk 1988 (LugÜ) Art. 27 Nr. 2; HUVollstrÜbk Art. 6

a) Zur Zulässigkeit des Freibeweises im zivilprozessualen Beschwerdeverfahren.

b) Ob die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach dem Verfahrensrecht
des Ursprungsstaates ordnungsgemäß war, haben die Gerichte
des Vollstreckungsstaates im Rahmen des Art. 6 HUVÜ bzw. des Art. 27
Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ in eigener Zuständigkeit und Verantwortung ohne Bindung
an die Feststellungen der Gerichte im Ursprungsstaat zu beurteilen.

c) Ob eine nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsstaates ordnungsgemäße
fiktive Zustellung so rechtzeitig erfolgte, dass der Schuldner eine im Sinne
von Art. 6 HUVÜ bzw. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ ausreichende Zeit zu seiner
Verteidigung hatte, beurteilt sich unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalles sowie unter Abwägung der schützenswerten Interessen des
Gläubigers und des Schuldners.
BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05 - OLG Bamberg
LG Coburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. November 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 7. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. Oktober 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: bis 65.000 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines schweizerischen Unterhaltstitels.
2
Die Parteien sind italienische Staatsangehörige und haben im Jahre 1970 in C. (Graubünden/Schweiz) die Ehe geschlossen, wo sie nach der Eheschließung auch ihren gemeinsamen Wohnsitz nahmen. Aus der Ehe sind zwei mittlerweile volljährige Söhne - der 1971 geborene D. und der 1978 gebo- rene F. - hervorgegangen. Im Jahre 1985 verließ der Antragsgegner die Schweiz im Zusammenhang mit einem dort gegen ihn geführten Strafverfahren; seither bestand kein weiterer Kontakt mehr zur Antragstellerin.
3
Durch Prozesseingabe vom 26. September 1994 beantragte die Antragstellerin bei dem Bezirksgericht P. (Graubünden/Schweiz) die Ehescheidung und die Regelung verschiedener Scheidungsfolgen. Das angerufene Bezirksgericht P. bewilligte die Zustellung der Prozesseingabe und der Ladung des Antragsgegners zur Hauptverhandlung durch öffentliche Bekanntmachung im kantonalen Amtsblatt, ohne dass sich der Antragsgegner daraufhin auf das Verfahren einließ. Durch ein im Kontumazverfahren (Säumnisverfahren) ergangenes Urteil des Bezirksgerichts P. vom 31. März 1995 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Der Antragsgegner wurde ferner verurteilt, an die Antragstellerin einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 500,00 CHF sowie einen monatlichen Kindesunterhalt für den Sohn F. in Höhe von 500,00 CHF bis längstens zu dessen Mündigkeit zu zahlen; ferner wurde angeordnet, die ausgesprochenen Unterhaltszahlungen nach dem Landesindex der Konsumentenpreise anzupassen.
4
Durch einen bei dem Landgericht Co. im April 2005 angebrachten Antrag begehrte die Antragstellerin, das Urteil des Bezirksgerichts P. vom 31. März 1995 hinsichtlich der darin enthaltenen Aussprüche zum Ehegattenund Kindesunterhalt nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (BGBl. 1986 II S. 826, im Folgenden: HUVÜ 73) durch Erteilung der Vollstreckungsklausel für vollstreckbar zu erklären. Die Klauselerteilung wurde durch Beschluss vom 29. April 2005 durch den Vorsitzenden der zuständigen Zivilkammer angeordnet.
5
Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde des Antragsgegners , mit der er geltend machte, dass die Voraussetzungen für eine Ediktalzustellung (öffentliche Zustellung) nicht vorgelegen hätten. Er sei seit dem 1. März 1992 mit seinem einzigen Wohnsitz in R. (Bayern) ordnungsgemäß gemeldet. Er besitze in R. seit dieser Zeit einen Festnetzanschluss mit einer unverändert gebliebenen Telefonnummer. Der Zeuge B. habe dem gemeinsamen Sohn D. der Parteien im Jahre 1992 anlässlich eines Besuches in dem von dem Zeugen B. betriebenen Nachtlokal Anschrift und Telefonnummer des Antragsgegners in Deutschland mitgeteilt. Dass auch der Antragstellerin die deutsche Telefonnummer im Vorfeld des Scheidungsverfahrens bekannt gewesen sein müsse, erschließe sich auch daraus, dass er - der Antragsgegner - im Jahre 1995 unter dieser Telefonnummer von dem seinerzeitigen schweizerischen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, Rechtsanwalt Dr. M., angerufen worden sei, um ihn von der Enterbung durch die Antragstellerin zu informieren. Von einem Scheidungsverfahren sei nicht die Rede gewesen. Die Antragstellerin habe zudem gewusst, dass der Antragsgegner jederzeit über seine Mutter und seine Schwester zu erreichen gewesen sei, die beide seit jeher in C. (Italien ) lebten.
6
Die Antragstellerin trat dem Vorbringen des Antragsgegners entgegen. Der Aufenthaltsort des Antragsgegners in Deutschland sei sowohl ihr als auch ihren beiden Söhnen D. und F. bis zum Jahre 2003 unbekannt gewesen. Sie habe erfolglos versucht, den Aufenthaltsort des Antragsgegners durch eine Nachfrage beim italienischen Konsulat in der Schweiz und durch ein - unbeantwortet gebliebenes - Schreiben an die Schwester des Antragsgegners in C. (Italien) zu ermitteln. Nicht der schweizerische Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin habe nach Klageerhebung bei dem Antragsgegner angerufen, sondern umgekehrt habe der Antragsgegner vor der Hauptverhandlung fernmündlichen Kontakt zu dem Rechtsanwalt Dr. M. aufgenommen. Eine Preisgabe sei- nes Aufenthaltsortes habe der Antragsgegner bei diesem Telefongespräch verweigert und vielmehr behauptet, er halte sich mal hier und mal dort auf.
7
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

8
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG statthaft. Sie ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Durchsetzung von Verfahrensgrundrechten des Antragsgegners geboten ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

III.

9
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht.
10
1. Die zum Ehegatten- und Kindesunterhalt getroffene Entscheidung des Bezirksgerichts P. könnte unter den hier obwaltenden Umständen sowohl auf Grundlage des HUVÜ 73 als auch auf Grundlage des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (im Folgenden : LugÜ) in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden.
11
a) Allerdings sind die Vorschriften des LugÜ hier nicht unmittelbar anzuwenden. Das zwischen der Schweiz und Deutschland am 1. März 1995 in Kraft getretene Übereinkommen gilt gemäß Art. 54 Abs. 1 LugÜ nur für solche Klagen , die nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens erhoben wurden, was hier nicht der Fall gewesen ist. Da das Urteil vom 31. März 1995 allerdings nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens ergangen ist, könnte die Entscheidung des Bezirksgerichts P. aufgrund des erweiterten intertemporalen Anwendungsbereichs gemäß Art. 54 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Nr. 2 LugÜ gleichwohl auch nach den Vorschriften der Artt. 25 ff. LugÜ in Deutschland anerkannt und zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden.
12
b) Ausgangspunkt für die Prüfung, nach welchen Regelungen sich das Verfahren der Vollstreckbarerklärung beurteilt, ist Art. 57 Abs. 1 LugÜ. Diese Vorschrift lässt Spezialabkommen unberührt, zu denen auch das unter anderem zwischen Deutschland und der Schweiz in Kraft befindliche HUVÜ 73 gehört. Somit besteht für den Titelgläubiger in jedem Fall die Möglichkeit, das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach den Art. 25 ff. LugÜ in Anspruch zu nehmen (Art. 57 Abs. 5 Satz 2 LugÜ), wenn das Spezialabkommen insoweit keinen Vorrang beansprucht. Ist das Spezialabkommen - wie das HUVÜ 73 - im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verfahrens offen, kann der Titelgläubiger in diesen Fällen das ihm am zweckmäßigsten erscheinende Verfahren nach seiner freien Entscheidung aus Art. 25 ff. LugÜ einerseits oder dem Spezialabkommen andererseits - in Verbindung mit den jeweiligen Ausführungsgesetzen - auswählen (vgl. zu Art. 57 EuGVÜ: EuGH Urteil vom 27. Februar 1997 - Rs. C-220/95 - Slg. 1997, I-1147, 1157 Rdn. 26 ff., 1183 Rdn. 17 - van den Boogaard/Laumen = IPrax 1999, 35; vgl. zu Art. 71 Brüssel I-VO: Senats- beschluss vom 14. März 2007 - XII ZB 174/04 - FamRZ 2007, 989, 990 = BGHZ 171, 310). Von der Möglichkeit, für ein Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach dem LugÜ zu optieren, hat die Antragstellerin keinen Gebrauch gemacht, wobei sich in Deutschland allerdings die Ausführung beider Übereinkommen nach dem AVAG richtet.
13
2. Die materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von ausländischen Unterhaltsentscheidungen ergeben sich aus den Artt. 4 ff. HUVÜ 73. Allerdings gilt im Bereich des HUVÜ 73 das Günstigkeitsprinzip des Art. 23 HUVÜ 73, wonach auch andere internationale Übereinkünfte zwischen dem Ursprungsstaat und dem Vollstreckungsstaat - hier Artt. 26 ff. LugÜ - herangezogen werden können, um eine Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung zu erreichen.
14
Einer näheren Erörterung dieser Frage bedarf es an dieser Stelle aber nicht, weil eine (nach dem autonomen Verfahrensrecht des Ursprungsstaates oder nach den im Urteilsstaat anwendbaren Staatsverträgen) ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes sowohl nach Art. 6 HUVÜ 73 als auch nach Art. 34 Abs. 2 i.V.m. Art. 27 Nr. 2 LugÜ Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Säumnisentscheidung ist. Dabei hat das Gericht des Vollstreckungsstaates die Frage, ob die erfolgte Zustellung - hier nach dem Verfahrensrecht des schweizerischen Kantons Graubünden - ordnungsgemäß gewesen ist, in jedem Falle in eigener Zuständigkeit und Verantwortung und ohne Bindung an die Feststellungen des erststaatlichen Gerichts zu beurteilen (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: EuGH Urteil vom 3. Juli 1990 - Rs. C-305/88 - Slg. 1990, I-2725, 2749 f., Rdn. 28 f. - Lancray/Peters = IPrax 1991, 177; BGH Beschluss vom 2. Oktober 1991 - IX ZB 5/91 - NJW 1992, 1239, 1241).
15
3. Im Verfahren vor den Bezirksgerichten des Kantons Graubünden ist die von der Klagepartei bei Gericht angebrachte Prozesseingabe der beklagten Partei mit der Aufforderung zuzustellen, innerhalb von zwanzig Tagen eine Prozessantwort einzureichen (Art. 84 Abs. 1 ZPO-Graubünden). Zustellungen im Wege einer öffentlichen Bekanntmachung im kantonalen Amtsblatt (sog. Ediktalzustellungen) sind entsprechend Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden in solchen Fällen vorgesehen, in denen der Aufenthalt des Prozessgegners unbekannt ist.
16
Der Aufenthalt einer Partei ist aber nicht bereits dann unbekannt, wenn die Gegenpartei oder das Gericht deren Aufenthaltsort nicht kennen. Der Begriff des "unbekannten" Aufenthalts in Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden stimmt insoweit mit demjenigen in Art. 66 Abs. 4 Nr. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbeitreibung und Konkurs (SchKG) überein. Eine Ediktalzustellung nach Art. 66 Abs. 4 Nr. 1 SchKG kommt indessen nach der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts nur in Betracht, wenn der Kläger bzw. das Gericht zuvor alle sachdienlichen Nachforschungen zur Ermittlung des Aufenthalts veranstaltet haben (vgl. bereits BGE 56 I 89, 94 f.). Der Grundsatz, dass vor einer Ediktalzustellung zweckmäßige Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Zustellungsadressaten angestellt werden müssen, gilt in gleicher Weise auch für alle kantonalen Verfahrensrechte (vgl. etwa die ausdrücklichen Regelungen in § 183 Abs. 2 GVG-Zürich, § 119 GO-Schwyz oder Art. 68 Abs. 1 ZPO-Nidwalden; vgl. auch Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. S. 235; Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht , 3. Aufl. S. 254 Fn. 76; Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr in Zivil- oder Handelssachen, S. 72; vgl. weiterhin BGE 129 I 361, 364 zu Art. 111 ZPO-Bern). Dass dies für die Auslegung von Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden nicht anders sein kann, ergibt sich auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Art. 8 der Verfassung des Kantons Graubünden ge- währleistet die Verfahrensgarantien und den Rechtsschutz im Rahmen der schweizerischen Bundesverfassung; zu diesen Verfahrensgarantien gehört auch der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung), aus denen die Verpflichtung zu Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Zustellungsadressaten unmittelbar hergeleitet wird (vgl. BGE 56 aaO S. 96).
17
4. Das Oberlandesgericht hat zu den Voraussetzungen der Ediktalzustellung das Folgende ausgeführt:
18
Die Antragstellerin und ihre beiden Söhne D. und F. hätten durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass ihnen Aufenthaltsort und Wohnsitz des Antragsgegners nicht bekannt gewesen seien. Die Glaubhaftigkeit dieser Darstellungen werde durch die verschiedenen von dem Antragsgegner vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht erschüttert. Die Erklärungen der Antragstellerin und ihrer Söhne werde nämlich durch die eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts Dr. M. bestätigt, dass ihm weder bei Klageerhebung noch im Verlaufe des Scheidungsverfahrens der Aufenthaltsort bekannt gewesen sei. Rechtsanwalt Dr. M. habe zudem bekundet, dass der Antragsgegner bei dem Telefongespräch nicht zu bewegen gewesen sei, seinen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Unter diesen Umständen begründeten die eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerin, ihrer beiden Söhne und des Rechtsanwalts Dr. M. die Überzeugung, dass der Antragstellerin der Aufenthaltsort des Antragsgegners nicht bekannt gewesen sei.
19
Das Verfahren des Beschwerdegerichts zur Tatsachenfeststellung und die von ihm vorgenommene Würdigung halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
20
a) Dies beruht aber - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht bereits darauf, dass die Gewinnung von Beweismitteln im so genannten Freibeweisverfahren schlechthin unzulässig gewesen wäre. Da weder die internationalen Übereinkommen noch das AVAG besondere Bestimmungen über die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung enthalten, richten sich diese grundsätzlich nach den einschlägigen Vorschriften der ZPO. In einem zivilprozessualen Beschwerdeverfahren (§§ 567 ff. ZPO) ist das Gericht an das sonst vorgeschriebene strenge Beweisverfahren der §§ 355 ff. ZPO nicht gebunden und auf die dort zugelassenen Beweismittel nicht beschränkt. Eine solche Beschränkung lässt sich weder aus dem Gesetz entnehmen noch aus allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen herleiten. Die Beweisaufnahmeregeln der §§ 355 ff. ZPO gelten unmittelbar nur für das landgerichtliche Erkenntnisverfahren im ersten Rechtszug; eine entsprechende Anwendung der für dieses Verfahren geltenden Vorschriften, die das Gesetz beispielsweise für das Verfahren vor den Amtsgerichten (§ 495 ZPO) sowie für das Berufungsverfahren (§ 525 ZPO) ausdrücklich angeordnet hat, ist für das Verfahren der sofortigen Beschwerde nicht vorgesehen. Auch ein allgemeiner Grundsatz, dass in allen Verfahren der ZPO vom Erfordernis des Strengbeweises auszugehen sei, lässt sich in dieser Form nicht aufstellen. Richtig ist zwar, dass bestimmte Grundlagen des Beweisrechts - insbesondere zum Vorgang der Beweiswürdigung und zum Beweismaß (§ 286 ZPO) - zu den wesentlichen Verfahrensgrundsätzen der ZPO gehören. Dies gilt aber nicht für die in §§ 355 ff. ZPO vorgeschriebene Art der Beweisaufnahme, weil diese eindeutig auf Verfahrensabschnitte zugeschnitten ist, in denen eine mündliche Verhandlung stattfindet (arg. §§ 358a, 370 Abs. 1 ZPO). In einem Beschwerdeverfahren ohne (obligatorische ) mündliche Verhandlung ist der Freibeweis demgegenüber nicht schon von vornherein ausgeschlossen (MünchKomm-ZPO/Prütting 2. Aufl. § 284 Rdn. 31; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 66. Aufl. vor § 284 Rdn. 9; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 109 Rdn. 8; HK-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 284 Rdn. 24). Daran hat sich durch die zum 1. September 2004 in Kraft getretene Neufassung des § 284 ZPO nichts geändert. § 284 Satz 2 ZPO ermöglicht es dem Gericht nunmehr, mit Zustimmung der Parteien im Wege des Freibeweises dort zu verfahren, wo bislang nur eine förmliche Beweisaufnahme nach Strengbeweisregeln stattfinden konnte. Für die Annahme, dass der Freibeweis jetzt auch in solchen Verfahrensabschnitten an das Einverständnis der Parteien gebunden sein sollte, in denen er bisher auch ohne diese Zustimmung für prozessual zulässig gehalten wurde, lässt sich indessen weder aus der Vorschrift selbst noch aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 18) etwas entnehmen.
21
b) Auch steht es der Annahme einer ordnungsgemäßen Ediktalzustellung nicht entgegen, dass den in Italien wohnenden Angehörigen des Antragsgegners dessen Aufenthaltsort in Deutschland bekannt gewesen ist. Der Aufenthaltsort einer Person kann auch dann allgemein unbekannt sein, wenn er von einem Dritten verschwiegen wird, der diesen Ort kennt (vgl. zu § 185 ZPO: Zöller /Stöber ZPO 26. Aufl. § 185 Rdn. 2). Dass die italienischen Angehörigen des Antragsgegners überhaupt bereit gewesen wären, der Antragstellerin den Aufenthaltsort des Antragsgegners in Deutschland preiszugeben, um ihr die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen gegen den Antragsgegner zu ermöglichen, behauptet der Antragsgegner selbst nicht. Darüber hinaus ist nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragstellerin ein an die Schwester des Antragsgegners gerichtetes Anwaltsschreiben mit der Bitte um Bekanntgabe der Anschrift des Antragsgegners unbeantwortet geblieben. Unter diesen Umständen durften weitere Nachforschungen bei den Angehörigen des Antragsgegners in Italien nach dessen Aufenthaltsort unterbleiben.
22
c) Bedenken begegnet demgegenüber die Feststellung des Oberlandesgerichts , dass den Söhnen der Parteien- mithin auch dem Sohn D. - in den Jahren 1994 und 1995 der Aufenthaltsort des Antragsgegners unbekannt gewesen sei. Ersichtlich und auch im Ansatz zutreffend geht das Oberlandesgericht davon aus, dass es bei der Beurteilung der Frage nach einem allgemein unbekannten Aufenthalt des Antragsgegners auch auf das Wissen der Söhne der Antragstellerin ankommen kann, weil die Antragstellerin nichts dazu vorgetragen hat, warum es ihr nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll, die erforderlichen Informationen zum Aufenthaltsort des Antragsgegners von ihren nächsten Angehörigen zu erhalten, wenn diese über die erforderlichen Kenntnisse verfügt haben sollten.
23
Der Antragsgegner hat insoweit - nach den Umständen des Falles auch hinreichend substantiiert - unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Sohn D. der Parteien im Jahre 1992 von dem Nachtclubbesitzer B. anlässlich eines Lokalbesuches Anschrift und Telefonnummer des Antragsgegners erhalten habe und dieses Vorbringen zusätzlich durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des B. glaubhaft gemacht. Soweit das Oberlandesgericht dazu (lediglich) ausführt, dass die von dem Antragsgegner beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen nicht geeignet seien, die von der Antragstellerin beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen zu entkräften, rügt die Rechtsbeschwerde in diesem Punkt zu Recht eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
24
aa) Durch die Zulassung des Freibeweises wird das Gericht lediglich im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens bei der Gewinnung von Beweismitteln und im Beweisverfahren freier gestellt; dabei wird insbesondere die Bedeutung der zu beweisenden Tatsachen das gerichtliche Ermessen über Art und Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen haben (BGH Beschluss vom 9. Juli 1987 - VII ZB 10/86 - NJW 1987, 2875, 2876). Dagegen werden die Anforderungen an das Beweismaß nicht vermindert; entscheidungserhebliche Tatsachen müssen weiterhin zur vollen richterlichen Überzeugung (§ 286 ZPO) bewiesen werden (BGH Beschluss vom 26. Juni 1997 - V ZB 10/97 - NJW 1997, 3319, 3320 und Urteil vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - NJW 2001, 2722, 2723). Für diese Überzeugungsbildung wird die Würdigung einer eidesstattlichen Versicherung in den meisten Fällen nicht ausreichen, da der Beweiswert einer eidesstattlichen Versicherung lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten Geschehensablaufs genügt. Nur ausnahmsweise kann auch eine eidesstattliche Versicherung für sich genommen zur Bildung der vollen richterlichen Überzeugung genügen (Senatsbeschluss vom 17. April 1996 - XII ZB 42/96 - FamRZ 1996, 1004).
25
bb) Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn - wie hier - hinsichtlich eines tatsächlichen Geschehensablaufs widerstreitende Sachverhaltsdarstellungen vorliegen, die auf der Grundlage der von den Parteien beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen dritter Personen nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die von der einen Partei vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht ausreichen, um das Gericht von der Richtigkeit seines Tatsachenvortrages zu überzeugen oder - im Falle des Gegenbeweises - die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit des gegnerischen Vorbringens zu erschüttern, muss das Gericht dieser Partei Gelegenheit zum Antritt des Zeugenbeweises und damit zur Einführung von Strengbeweismitteln mit einem höheren Beweiswert geben (vgl. BGH Beschlüsse vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - NJW 2000, 814 und vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06 - NJW 2007, 1457, 1458). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der Antragsgegner zum Beweis für seine Behauptung , dass sein Aufenthaltsort und seine Telefonnummer in Deutschland dem Sohn D. der Parteien schon seit 1992 bekannt gewesen sei, die Vernehmung des Nachtclubbesitzers B. als Zeugen schon von sich aus mehrfach ausdrücklich angeboten hatte. Das Übergehen dieses Beweisantrages findet unter diesen Umständen im Prozessrecht keine Stütze und verletzt daher den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (vgl. hierzu BVerfG NJW 2003, 1655; BGH Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03 - NJW-RR 2007, 500, 501).
26
5. Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem dargestellten Gehörsverstoß. Das Verfahrensrecht des Kantons Graubünden hätte im vorliegenden Fall eine Ediktalzustellung der Prozesseingabe unter keinen anderen Voraussetzungen zulassen dürfen als bei einem unbekannten Aufenthalt des Antragsgegners im Sinne von Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden:
27
Entsprechend Art. 55 Abs. 2 ZPO-Graubünden ist die öffentliche Zustellung gegenüber im Ausland wohnenden Personen allerdings auch dann zulässig , wenn sie es trotz Aufforderung unterlassen, durch Ernennung eines Vertreters im Kanton Zustellungsdomizil zu nehmen. Die Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung setzt in diesen Fällen aber zwingend voraus, dass die im Ausland lebende Partei zuvor eine Mitteilung mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Vorschrift und ihre Rechtsfolgen zur Kenntnis erlangt hat. Bereits daran fehlt es im vorliegenden Fall.
28
Ferner wird nach der Rechtsprechung des Kantonsgerichts Graubünden (Urteil vom 19. November 1996 - ZB 96 47 - Praxis des Kantonsgerichts Graubünden [PKG] 1996, Nr. 19, S. 87, 90 f.) über den Wortlaut des Art. 55 ZPO-Graubünden hinaus eine öffentliche Zustellung auch dann für zulässig gehalten, wenn die effektive Zustellung an eine im Ausland lebende Partei trotz größtem Bemühen unmöglich ist; dabei sind insbesondere solche Fälle ins Auge gefasst, in denen feststeht, dass der ersuchte Staat keine effektive Rechts- hilfe bei der Zustellung leisten wird. Auch damit kann die Ediktalzustellung hier ersichtlich nicht gerechtfertigt werden.

IV.

29
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf das Folgende hin:
30
Auch wenn das Oberlandesgericht nach Durchführung der gebotenen Beweisaufnahme feststellen sollte, dass der Aufenthalt des Antragsgegners unbekannt im Sinne von Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden gewesen ist und die Ediktalzustellung daher im Einklang mit dem Verfahrensrecht des Urteilsstaates erfolgte, besagt dies allein noch nicht, dass der Anerkennung in dieser Beziehung keine weiteren Hindernisse mehr entgegenstünden.
31
1. Sowohl nach Art. 6 HUVÜ 73 als auch nach Art. 27 Nr. 2 LugÜ sind Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks kumulative Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Säumnisentscheidung. Fiktive Zustellungen - wie die öffentliche Zustellung oder die Zustellung durch Übergabe an den Staatsanwalt (remise au parquet) nach französischem Recht - werden im Regelfall nicht "rechtzeitig" im Sinne der Übereinkommen sein, weil sie dem Schuldner meistens keine effektive Möglichkeit eröffnen, vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks tatsächlich Kenntnis zu nehmen und sich in das Verfahren im Ursprungsstaat einzulassen (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 LugÜ: Österreichischer OGH Entscheidung vom 20. September 2000 - 3 Ob 179/00w - ZfRV 2001, 114, 116; vgl. auch Linke IPrax 1993, 295, 296). Obwohl eine fiktive Zustellung aus diesem Grunde vielfach auch auf eine Fiktion der Kenntnisnahme hinausläuft, kann in einer fiktiven Zustellung aber kein generelles Anerkennungshindernis gesehen werden, weil auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr nicht derjenige Schuldner begünstigt werden soll, der sich der Rechtsprechung im Ursprungsstaat durch Aufenthalt an einem unbekannten Ort entzieht (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: BGH Beschluss vom 2. Oktober 1991 - IX ZB 5/91 - NJW 1992, 1239, 1241; Bülow/Bockstiegel/Geimer/Schütze/Wolf Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen [Stand: Mai 2007] Art. 27 EuGVÜ Rdn. 29; MünchKomm-ZPO/Gottwald ZPO 2. Aufl. Art. 27 EuGVÜ Rdn. 26). Um die Frage beurteilen zu können, ob sich die beklagte Partei im Exequaturverfahren auf die seine Verteidigungsmöglichkeiten beschränkende Ineffektivität der (ordnungsgemäßen) fiktiven Zustellung berufen kann, ist deshalb unter wertender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den schützenswerten Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu treffen.
32
a) Unter der Geltung des Art. 27 Nr. 2 LugÜ sind dabei diejenigen Grundsätze heranzuziehen, welche durch die Rechtsprechung des EuGH im Jahre 1985 zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entwickelt worden sind (zur Einheitlichkeit der Auslegungsgrundsätze von EuGVÜ und LugÜ vgl. BGH Urteil vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 83/01 - NJW-RR 2002, 1149, 1150). Danach ist bei der Abwägung auf Seiten des Schuldners zu berücksichtigen, ob er die Ineffizienz der (fiktiven) Zustellung durch ein ihm vorwerfbares Verhalten herbeigeführt hat (EuGH Urteil vom 11. Juni 1985 - Rs. 49/84 - Slg. 1985, 1779, 1801, Rdn. 32 - Debaecker und Plouvier/Bouwman = RiW 1985, 967). Von vergleichbaren Grundsätzen geht auch Art. 6 HUVÜ 73 aus; die Frage, ob sich der Schuldner eine fiktive Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes entgegenhalten lassen muss, wird dort unter Heranziehung der Maßstäbe aus Art. 2 Nr. 2 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15. April 1958 (im Folgenden: HUVÜ 58) beurteilt (vgl. Staudinger/Kropholler BGB [2003] Anh. III zu Art. 18 EGBGB Rdn. 176). Die Anerkennung einer Säumnisentscheidung kommt danach insbesondere in solchen Fällen in Betracht , in denen der Schuldner sich einer andersartigen Zustellung mutwillig entzogen oder auf andere Weise seine Unkenntnis vom Verfahren verschuldet hat (vgl. Staudinger/Kropholler aaO Rdn. 68 m.w.N.; Bülow/Bockstiegel/Geimer/ Schütze/Baumann aaO Art. 6 HUVÜ 1973 Anm. IV 2 c). Nach beiden Übereinkommen kommt es bei der Abwägung auf Seiten des Schuldners entscheidend darauf an, ob dieser die Veranlassung der fiktiven Zustellung an ihn zu vertreten hat. Soweit es dabei um die Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen geht, wird hinsichtlich des Vertretenmüssens einer fiktiven Zustellung regelmäßig von einem Beweis des ersten Anscheins zu Lasten des Unterhaltsschuldners auszugehen sein, wenn dieser in Kenntnis seiner möglichen Unterhaltspflicht die ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen ohne Nachricht von seinem Aufenthaltsort zurücklässt (vgl. zu Art. 2 Nr. 2 HUVÜ 58: Österreichischer OGH Entscheidung vom 30. Oktober 2000 - 3 Ob 118/00z - ZfRV 2001, 233, 235).
33
b) Andererseits sind in die Gesamtabwägung nicht nur die zurechenbaren Verhaltensweisen des Schuldners, sondern auch etwaige Nachlässigkeiten des Gläubigers einzubeziehen, die bei wertender Betrachtung möglicherweise zu einer Kompensation des auf Schuldnerseite liegenden Verhaltens führen. Dabei ist insbesondere an solche Fälle zu denken, in denen der Gläubiger nach der fiktiven Zustellung während des laufenden Verfahrens im Urteilsstaat den tatsächlichen Aufenthaltsort des Schuldners erfährt oder unschwer in Erfahrung bringen könnte (vgl. EuGH Urteil vom 11. Juni 1985 aaO Rdn. 31). In diesen Fällen könnte dem Schutz der Rechte des Schuldners das höhere Gewicht beizumessen sein, wenn es der Gläubiger im Ursprungsverfahren noch in der Hand gehabt hätte, auf eine erneute Zustellung an die nunmehr bekannt gewordene Anschrift des Schuldners zu drängen (vgl. Linke IPrax 1993, 295, 296).
34
2. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht zugleich Gelegenheit , sich rechtlich mit dem im Beschwerdeverfahren mehrfach erhobenen Einwand des Antragsgegners auseinanderzusetzen, dass hinsichtlich des titulierten Kindesunterhalts die gesetzliche Prozessstandschaft der Antragstellerin infolge der Mündigkeit (Volljährigkeit) des Sohnes F. entfallen sei.
Hahne Sprick Weber-Monecke RiBGH Prof. Dr. Wagenitz ist wegen Dose Urlaubs am Unterschreiben gehindert. Hahne

Vorinstanzen:
LG Coburg, Entscheidung vom 29.04.2005 - 14 O 292/05 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 07.10.2005 - 7 UFH 2/05 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2007 - XII ZB 217/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2007 - XII ZB 217/05

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2007 - XII ZB 217/05 zitiert 16 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 525 Allgemeine Verfahrensgrundsätze


Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedar

Zivilprozessordnung - ZPO | § 185 Öffentliche Zustellung


Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn1.der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,2.bei juristischen Perso

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 15 Statthaftigkeit und Frist


(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen. (3) Die Rechtsbeschwerdefri

Zivilprozessordnung - ZPO | § 495 Anzuwendende Vorschriften


(1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 284 Beweisaufnahme


Die Beweisaufnahme und die Anordnung eines besonderen Beweisaufnahmeverfahrens durch Beweisbeschluss wird durch die Vorschriften des fünften bis elften Titels bestimmt. Mit Einverständnis der Parteien kann das Gericht die Beweise in der ihm geeignet

Zivilprozessordnung - ZPO | § 358a Beweisbeschluss und Beweisaufnahme vor mündlicher Verhandlung


Das Gericht kann schon vor der mündlichen Verhandlung einen Beweisbeschluss erlassen. Der Beschluss kann vor der mündlichen Verhandlung ausgeführt werden, soweit er anordnet1.eine Beweisaufnahme vor dem beauftragten oder ersuchten Richter,2.die Einho

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 183


Wird eine Straftat in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. In geeigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme des Täters zu verfügen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 370 Fortsetzung der mündlichen Verhandlung


(1) Erfolgt die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht, so ist der Termin, in dem die Beweisaufnahme stattfindet, zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt. (2) In dem Beweisbeschluss, der anordnet, dass die Beweisaufnahme vor e

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2007 - XII ZB 217/05 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2007 - XII ZB 217/05 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - VIII ZB 75/06

bei uns veröffentlicht am 16.01.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 75/06 vom 16. Januar 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 233 A, 522 Abs. 1 Über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung einer Frist zur Begründung eines

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2006 - IX ZR 173/03

bei uns veröffentlicht am 07.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 173/03 vom 7. Dezember 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 287 Abs. 1 Satz 2; § 544 Abs. 7 Hängt die Frage, ob der Mandant durch fehlerhafte Ber
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2007 - XII ZB 217/05.

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Sept. 2009 - XII ZB 50/06

bei uns veröffentlicht am 02.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 50/06 vom 2. September 2009 in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja HUVÜ 73 Artt. 5 Nr. 1, 12; AVAG § 15 Abs. 1 Ein Unterhaltstitel, der erlassen wurde, nachd

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2017 - IX ZB 83/16

bei uns veröffentlicht am 21.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 83/16 vom 21. September 2017 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja EuGVÜ Art. 27 Nr. 2 Hat der Beklagte sich auf das Verfahren im Urteilsstaat nicht

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2017 - IX ZB 73/16

bei uns veröffentlicht am 06.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 73/16 vom 6. Juli 2017 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO §§ 9, 34 Abs. 1; InsNetV § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Der Ausdruck eines Sendeberichts für die I

Referenzen

Die Beweisaufnahme und die Anordnung eines besonderen Beweisaufnahmeverfahrens durch Beweisbeschluss wird durch die Vorschriften des fünften bis elften Titels bestimmt. Mit Einverständnis der Parteien kann das Gericht die Beweise in der ihm geeignet erscheinenden Art aufnehmen. Das Einverständnis kann auf einzelne Beweiserhebungen beschränkt werden. Es kann nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage vor Beginn der Beweiserhebung, auf die es sich bezieht, widerrufen werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Wird eine Straftat in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. In geeigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme des Täters zu verfügen.

(1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Abweichungen ergeben.

Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Das Gericht kann schon vor der mündlichen Verhandlung einen Beweisbeschluss erlassen. Der Beschluss kann vor der mündlichen Verhandlung ausgeführt werden, soweit er anordnet

1.
eine Beweisaufnahme vor dem beauftragten oder ersuchten Richter,
2.
die Einholung amtlicher Auskünfte,
3.
eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage nach § 377 Abs. 3,
4.
die Begutachtung durch Sachverständige,
5.
die Einnahme eines Augenscheins.

(1) Erfolgt die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht, so ist der Termin, in dem die Beweisaufnahme stattfindet, zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt.

(2) In dem Beweisbeschluss, der anordnet, dass die Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen solle, kann zugleich der Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vor dem Prozessgericht bestimmt werden. Ist dies nicht geschehen, so wird nach Beendigung der Beweisaufnahme dieser Termin von Amts wegen bestimmt und den Parteien bekannt gemacht.

Die Beweisaufnahme und die Anordnung eines besonderen Beweisaufnahmeverfahrens durch Beweisbeschluss wird durch die Vorschriften des fünften bis elften Titels bestimmt. Mit Einverständnis der Parteien kann das Gericht die Beweise in der ihm geeignet erscheinenden Art aufnehmen. Das Einverständnis kann auf einzelne Beweiserhebungen beschränkt werden. Es kann nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage vor Beginn der Beweiserhebung, auf die es sich bezieht, widerrufen werden.

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn

1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,
2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist,
3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder
4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 75/06
vom
16. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 A, 522 Abs. 1
Über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung einer Frist zur Begründung
eines Rechtsmittels ist erst und nur dann zu entscheiden, wenn nicht festgestellt
werden kann, dass die Frist gewahrt ist.
BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06 - LG München I
AG München
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger,
den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts München I, 14. Zivilkammer, vom 16. Juni 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.047,96 €

Gründe:

I.

1
Das Urteil des Amtsgerichts, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, einer Mieterhöhung zuzustimmen, ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 31. Januar 2006 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 27. Februar 2006 Berufung eingelegt. Auf den Antrag ihres Prozessbevollmächtigten vom 31. März 2006 hat das Berufungsgericht die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 2. Mai 2006 verlängert. http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 3 -
2
Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2006, der bei dem Berufungsgericht am 8. Juni 2006 eingegangen ist, hat die Beklagte gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Berufungsbegründung - die dem Schriftsatz vom 7. Juni 2006 nochmals angeheftet war - von ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden geworfen worden sei. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vorgelegt, in der dieser an Eides statt versichert , am 2. Mai 2006 die Berufungsbegründungsschrift angefertigt und dann persönlich gegen 18.00 Uhr in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen zu haben.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung der Beklagten durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die Beklagte hat vorgetragen , die Berufungsbegründung sei von ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Mai 2006 - und damit noch rechtzeitig am Tag des Fristablaufs - in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden geworfen worden. Nach ihrem Vorbringen hat das Berufungsgericht den fristgerecht eingegangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt und sie damit in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Zur Beseitigung dieser Ge- http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - hörsverletzung erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (vgl. Senatsbeschluss vom 19. September 2006 - VIII ZB 42/05, juris, unter II 1).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
a) Das Berufungsgericht durfte die Berufung der Beklagten nicht ohne weitere Sachaufklärung mit der Begründung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verwerfen, eine Berufungsbegründung sei erst am 8. Juni 2006 - und damit verspätet - eingereicht worden. Das Berufungsgericht hätte von Amts wegen klären müssen, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift bereits am 2. Mai 2006 - und somit fristgerecht - in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen.
8
Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Begründung des Rechtsmittels geht, der so genannte Freibeweis (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814, unter II 2 m.w.Nachw.). Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991 - VIII ZB 44/90, VersR 1991, 896, unter II 2 b m.w.Nachw.). Im Rahmen des Freibeweises können deshalb auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460, unter II 2; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, jeweils m.w.Nachw.).
9
Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob die von der Beklagten vorgelegte anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten, in der dieser an Eides statt versichert, am 2. Mai 2006 die Berufungsbegründungsschrift angefertigt und dann persönlich gegen 18.00 Uhr in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen zu haben, hinreichenden Beweis für die entsprechende Behauptung der Beklagten erbringt.
10
Eine eidesstattliche Versicherung reicht allerdings für sich genommen regelmäßig nicht zum Nachweis der Fristwahrung aus (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, m.w.Nachw.). Denn die eidesstattliche Versicherung ist lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten Geschehensablaufs genügt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, unter II 2 a m.w.Nachw.). Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung muss indessen - wie auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden; an die Überzeugungsbildung werden insoweit keine geringeren oder höheren Anforderungen gestellt als sonst (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2000 - XII ZB 110/00, NJW-RR 2001, 280; Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, m.w.Nachw.).
11
Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die vorgelegte eidesstattliche Versicherung keinen vollen Beweis für die fristgerechte Einreichung der Berufungsbegründung erbringt, hätte es die Parteien hierauf hinweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, unter II 2 c m.w.Nachw.) und ihnen Gelegenheit geben müssen, Zeugenbeweis anzutreten oder auf andere Beweismittel zurückzugreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO). Sodann hätte es - auf Antrag der Beklagten oder von Amts wegen - über die behaupte- ten Umstände Beweis erheben müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO). Dabei wäre nach Lage der Dinge vor allem eine Vernehmung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Betracht zu ziehen gewesen.
12
b) Den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten durfte das Berufungsgericht gleichfalls nicht verwerfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Verfahrensstand vor Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist bei verständiger Würdigung nur für den Fall der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Über den Wiedereinsetzungsantrag ist daher erst und nur dann zu entscheiden , wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte die Frist zur Begründung der Berufung gewahrt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da noch ungeklärt ist, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung noch am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen hat.
13
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann nach alledem keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
14
Bei der Prüfung, ob die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist gewahrt hat, wird das Berufungsgericht auch das Vorbringen der Rechtsbeschwerde zu würdigen haben, die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts habe die dem Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten vom 7. Juni 2006 angeheftete Berufungsbegründung vom 2. Mai 2006, die als Original bei den Akten hätte verbleiben müssen, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt; dies sei als Indiz zu werten, dass die Geschäftsstelle auch die am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten eingeworfene Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß zu den Akten genommen habe.
15
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, die Berufungsbegründungsfrist sei versäumt, wird es hinsichtlich des hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrags zu berücksichtigen haben, dass die Wiedereinsetzungsfrist nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese Frist war bei Eingang des Wiedereinsetzungsantrags beim Berufungsgericht am 8. Juni 2006 nicht abgelaufen, gleich ob für den Fristbeginn (§ 234 Abs. 2 ZPO) auf den Tag abgestellt wird, an dem das Sekretariat des Beklagtenvertreters (16. Mai 2006) oder an dem der Beklagtenvertreter selbst (23. Mai 2006) Kenntnis von der Fristversäumung erlangte. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Koch Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 19.01.2006 - 413 C 3340/05 -
LG München I, Entscheidung vom 16.06.2006 - 14 S 3895/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 173/03
vom
7. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hängt die Frage, ob der Mandant durch fehlerhafte Beratung einen Schaden erlitten
hat, allein davon ab, wie sich ein Dritter bei richtiger Beratung verhalten hätte, so verletzt
der Richter das Grundrecht auf rechtliches Gehör, wenn er den als Zeugen benannten
Dritten nicht vernimmt, obwohl keine anderen gleichwertigen Beweismittel
zur Verfügung stehen.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin
Lohmann
am 7. Dezember 2006

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2003 zugelassen.
Auf die Revision des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Der Wert für das Revisionsverfahren wird auf 29.561,96 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger verlangt von dem beklagten Lohnsteuerhilfeverein, dem er als Mitglied angehörte, wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Errichtung eines Eigenheims Schadensersatz für den versagten Fördergrund- betrag und die Kinderzulage nach dem Eigenheimzulagegesetz sowie für die bis Ende 1998 gewährte, ihm ebenfalls versagte Vorkostenpauschale nach dem Einkommensteuergesetz.
2
Der Kläger ließ sich im März 1999 wegen eines Übergabevertrages mit seinen Eltern darüber beraten, ob nach dem vorgelegten Vertragsentwurf für ihn die öffentliche Förderung des Eigenheimbaus möglich sei. Der Beklagte erhob gegen die Förderfähigkeit im Hinblick auf den beabsichtigten Inhalt des Übergabevertrages keine Bedenken; der Vertrag wurde am 23. April 1999 in dieser Fassung beurkundet. In dem Übergabevertrag verpflichteten sich die Eltern des Klägers, diesem den Teil eines Grundstücks zuzuwenden und ihm einen Betrag von 100.000 DM zur Begleichung der Kosten des Bauvorhabens auf der übertragenen Fläche zu zahlen, und zwar dergestalt, dass sie die Rechnungen, die dieses Bauvorhaben betrafen, bis zu einem Betrag von 100.000 DM beglichen. Die Förderfähigkeit der hierdurch abgedeckten Baukosten wurde später von der Finanzverwaltung verneint, weil es sich um eine mittelbare Grundstücksschenkung gehandelt habe.
3
Der Kläger hat unter Benennung seiner Eltern als Zeugen behauptet, er würde die Summe von 100.000 DM auch zur freien Verfügung geschenkt erhalten haben, wenn seine Eltern von ihm nach richtiger Beratung über die Förderschädlichkeit der Zweckbindung hätten aufgeklärt werden können. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestritten und behauptet, den Eltern des Klägers sei es gerade auf die beurkundete Form der Schenkung angekommen. Sie würden ihren Willen infolge dessen auch dann nicht geändert haben, wenn ihnen der Nachteil für den Kläger hinsichtlich der öffentlichen Förderung des Eigenheimbaus bekannt gewesen wäre. Hierfür hat sich der Beklagte gegenbeweislich gleichfalls auf die Eltern des Klägers, in zweiter Instanz auch auf den beurkundenden Notar als Zeugen berufen.
4
Das Landgericht hat über den Schadensersatzanspruch Grundurteil erlassen , ohne die benannten Zeugen zu vernehmen. Das Oberlandesgericht hat dieses Grundurteil gleichfalls ohne Beweisaufnahme bestätigt. Das rügt die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten als Verletzung des rechtlichen Gehörs.

II.


5
Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Das angefochtene Urteil ist daher nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
6
1. Die Klage ist dem Grunde nach schlüssig. Der Bundesfinanzhof hat zwar erst im Jahre 2005 entschieden, dass kein Anspruch auf Eigenheimzulage besteht, wenn die Wohnung in mittelbarer Weise geschenkt worden ist (BFH/NV 2005, 1764; 2006, 260). Er hat damit jedoch nur seine Rechtsprechung zu dem älteren Sonderausgabenabzug gemäß § 10e EStG fortgeführt, der nach dem 31. Dezember 1995 durch das Zulagesystem ersetzt worden ist. Mit diesem Risiko musste der Beklagte rechnen und den Kläger entsprechend belehren.
7
Zu § 10e EStG war spätestens durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Juni 1994 (BFHE 175, 76 = BStBl. II 1994, 779) geklärt, dass der Beschenkte nicht berechtigt ist, einen Abzugsbetrag in Anspruch zu nehmen, soweit der Schenker die Kosten für das Eigenheim des Beschenkten bezahlte. Von dieser Entscheidung musste der Beklagte im März 1999 bei der Beratung des Klägers ebenfalls ausgehen.
8
Zu Unrecht hat der Kläger zwar den Abzugsbetrag gemäß § 10i Abs. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 29 EStG (Vorkostenpauschale) wie einen Steuerabzug zu 100 v.H. geltend gemacht. Dieser Schlüssigkeitsmangel wirkt sich aber erst im Betragsverfahren aus.
9
Die 2. Nichtberücksichtigung eines erheblichen Sachvortrags und Beweisangebots verstößt auch dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn der Tatrichter dieses Vorbringen - hier des Beklagten - zwar zur Kenntnis genommen hat, das Unterlassen der danach gebotenen Beweisaufnahme aber im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655; vgl. auch BGH, Beschl. v. 31. August 2005 - XII ZR 63/03, BGH-Report 2005, 1616). Das Berufungsgericht hat bei Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität wie schon das Landgericht die ihm nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO gezogenen Grenzen seines Aufklärungsermessens überschritten, indem es dem streitigen Vortrag des Klägers gefolgt ist, ohne die beiderseits angebotenen Zeugen zu hören.
10
Das Bestreiten des Beklagten wendet sich gegen eine zentrale Haupttatsache des Klägervorbringens. Kann der Kläger nicht beweisen, dass der Übergabevertrag mit seinen Eltern bei richtiger Belehrung durch den Beklagten auf seinen Wunsch hin in einer für den Eigenheimbau förderfähigen Weise gestaltet worden wäre, ist seine Schadensersatzklage unbegründet. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf auch im Rahmen von § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (BGH, Vers.Urt. v. 19. März 2002 - XI ZR 183/01, WM 2002, 1004, 1005 unter II. 3. c). Die Vorschrift des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO rechtfertigt es nicht, in einer für die Streitentscheidung zentralen Frage auf die nach Sachlage unerlässlichen Erkenntnisse zu verzichten (BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02, NJW 2006, 615, 616 f bei Rn. 28). Hiervon ist auch das Urteil des Senats vom 16. Oktober 2003 (IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474 unter IV. 1.) ausgegangen , wenn es für das hypothetische Verhalten des Mandanten bei fehlerhafter Steuerberatung auf die Parteivernehmung nach § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO verwiesen hat. Nur eine freie richterliche Würdigung des Sachvortrages ohne Beweiserhebung genügt danach in einem solchen Fall nicht.
11
Im Streitfall ging es entscheidend um das Verhalten der Eltern des Klägers , hätten sie durch ihn nach richtiger Belehrung des Beklagten rechtzeitig von dem Fördernachteil der beabsichtigten Zweckschenkung im Vergleich zu einer Geldschenkung zur freien Verfügung erfahren. Hierüber kann unmittelbar durch die beiderseits als Zeugen benannten Eltern des Klägers Aufschluss erlangt werden. Auch der als Gegenzeuge benannte Urkundsnotar kann unter Umständen aussagen, ob die Eltern des Klägers auf die beurkundete Zweckschenkung festgelegt waren, so dass sie hiervon auch in Kenntnis des Fördernachteils für den Kläger nicht abgewichen wären. Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht von der Vernehmung dieser Zeugen absehen, weil es das Bestreiten des Beklagten als spekulativ und die Darstellung des Klägers als wahrscheinlich erachtete.
12
Im Übrigen hat das Berufungsgericht hier auch den Parteivortrag anscheinend nicht richtig erfasst, weil es die Bestellung eines Wohnrechts für die Eltern des Klägers unrichtig mit dem Wohngebäude in Verbindung bringt, welches der Kläger errichtet hat. Nach § 3 Nr. 1 des Übergabevertrages sollte dieses Recht nur an dem einer Schwester des Klägers geschenkten Grundstücksteil vorbehalten sein, die Grundstückshälfte des Klägers nach der noch notwendigen Teilung also nicht belasten.
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 05.04.2001 - 13 O 236/00 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 04.07.2003 - 24 U 143/01 -