Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Sept. 2009 - XII ZB 50/06

bei uns veröffentlicht am02.09.2009
vorgehend
Landgericht Passau, 3 O 860/04, 24.09.2004
Oberlandesgericht München, 25 W 2619/04, 02.02.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 50/06
vom
2. September 2009
in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
HUVÜ 73 Artt. 5 Nr. 1, 12; AVAG § 15 Abs. 1
Ein Unterhaltstitel, der erlassen wurde, nachdem der Beklagte wegen Missachtung
des Gerichts (contempt of court) vom Verfahren ausgeschlossen und seine
Beschwerde gegen den Ausschluss deshalb als unzulässig zurückgewiesen
worden war, kann gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen.
Dann ist eine Vollstreckbarerklärung für das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland im Beschwerdeverfahren nach Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73 zu versagen.
BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - XII ZB 50/06 - OLG München
LG Passau
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Fuchs, die Richterin Dr. Vézina
und die Richter Dose und Schilling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners werden die Beschlüsse des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. Februar 2006 und des Landgerichts Passau vom 24. September 2004 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin, die Anordnung des Court of Petty Sessions Perth vom 29. Juni 2004 (Az.: (P) PTW 1895/2003) hinsichtlich dessen Ziff. 3 und 4 für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar zu erklären, wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Streitwert: 36.324 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung des australischen Court of Petty Sessions in Perth vom 29. Juni 2004 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hatten am 31. August 1985 die Ehe geschlossen, lebten seit Juli 2000 getrennt und sind seit dem 1. Juli 2003 rechtskräftig geschieden.
2
Am 10. April 2003 leitete die Antragstellerin das gerichtliche Verfahren auf Güterausgleich und Unterhaltszahlung ein; zu dieser Zeit hielt sich der Antragsgegner in Westaustralien auf. Am 3. Februar 2004 erlegte das Familiengericht dem Antragsgegner auf, innerhalb von 28 Tagen eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abzugeben und entsprechende Unterlagen dem Gericht vorzulegen, sowie zehn Vollmachten zu unterzeichnen, die der Antragstellerin die Möglichkeit geben sollten, Auskünfte über vorhandenes Vermögen des Antragsgegners zu erlangen. Neun Vollmachten waren an bestimmte Adressaten gerichtet, während eine weitere Vollmacht die Antragstellerin zu jeglicher Auskunft ermächtigen sollte (to whom it may concern). Der Antragsgegner ist der Verfügung des Gerichts teilweise nachgekommen, hat sich aber geweigert, die auf den australischen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ausgestellten zehn Vollmachten zu unterzeichnen. Daraufhin hat ihn das Familiengericht durch Beschluss vom 14. Juni 2004 wegen Missachtung des Gerichts (contempt of court) vom Verfahren ausgeschlossen.
3
Am 29. Juni 2004 hat das australische Familiengericht auf die Anträge der Antragstellerin vom 5. Dezember 2003 und 18. Juni 2004 u.a. angeordnet: "1. Der amtierende Leiter der Personenstandsbehörde oder ein Standesbeamter beim Familiengericht von Westaustralien übernimmt im Auftrag des Antragsgegners, E. V. , die Vollmacht wie dem Formular 8 der Antragstellerin beigefügt, eingereicht am 5. Dezember 2003, gemäß Art. 106 a des Familienrechtsgesetzes von 1975. ... 3. Durch richterliche Anordnung für einstweilige oder teilweise Eigentumsregelung , oder Vorausempfang in Bezug auf den Anspruch der Antragstellerin auf Eigentumsregelung, und/oder ehelichen Unterhalt, oder Kostendeckung so wie durch den Verhandlungsrichter festgesetzt , bezahlt der Antragsgegner der Antragstellerin den Pauschalbetrag von AU$ 62.000,-- aus. 4. Der Antragsgegner bezahlt der Antragstellerin bis zum Abschluss dieses Verfahrens oder bis zu einer weiteren Verfügung durch das Ge- richt einen einstweiligen ehelichen Unterhalt in Höhe von AU$ 1.000,-- pro Woche, beginnend mit der ersten fälligen Rate am Freitag, den 2. Juli 2004. ..."
4
Ein von dem Antragsgegner gegen den Ausschluss aus dem Verfahren eingelegtes Rechtsmittel (appeal) wurde nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss des Family court of Western Australia in Perth vom 9. August 2004 mit der Begründung abgewiesen, der Antragsgegner sei im Verfahren nicht zugelassen und könne deshalb auch keinen Rechtsbehelf einlegen.
5
Auf Antrag der Antragstellerin vom 4. Juli 2005 wurde der laut Anordnung vom 29. Juni 2004 geschuldete Pauschalbetrag auf mündliche Verhandlung, an der für den Antragsgegner niemand teilnahm, durch Beschluss vom 6. Juli 2005 "als Ehegattenunterhalt charakterisiert". Durch Endurteil des Family court of Western Australia in Perth vom 22. Dezember 2005 wurde u.a. zum nachehelichen Unterhalt entschieden: "... Ziff.6 (1) Der Gesamtbetrag, der von dem Ehemann als vorläufiger Ehegattenunterhalt der Ehefrau gemäß Beschluss vom 29. Juni 2004 geschuldet ist, wird auf den Betrag von AU$ 100.000,-- festgesetzt, der den von dem Ehemann der Ehefrau geschuldeten Betrag von AU$ 62.000,-- einschließt, welcher von dem ehrenwerten Richter M. am 6. Juli 2005 als Ehegattenunterhalt bezeichnet wurde. (2) Der Zahlungsrückstand ist erledigt. ..."
6
Mit Beschluss vom 24. September 2004 hat das Landgericht die Anordnung des Familiengerichts in Perth, wonach der Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 62.000 AU$ "als Vorausleistung auf den Zugewinn" und weiterhin einen monatlichen "Getrenntlebensunterhalt" in Höhe von 1.000 AU$ pro Wo- che zu bezahlen, für vollstreckbar erklärt und mit der Vollstreckungsklausel versehen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, "dass die 62.000 AU$ als Vorausleistung auf den Ehegattenunterhalt zu bezahlen sind". Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er seinen Abweisungsantrag weiter verfolgt.

II.

7
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 c, 15 Abs. 1 AVAG in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zulässig, weil sie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Abweisung des Vollstreckbarkeitsantrags.
8
1. Im Ansatz zu Recht ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen , dass sich die Vollstreckbarkeit der australischen vorläufigen Anordnung nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73) richtet. Dieses Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland zum 1. April 1987 in Kraft getreten (BGBl. II 1986 S. 825; 1987 S. 220). Für Australien gilt das Übereinkommen seit dem 1. Februar 2002 (BGBl. II 2002, 751). Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Antragsgegners kommt es deswegen - anders als es im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung nach deutschem Prozessrecht gemäß den §§ 328, 722 f. ZPO der Fall wäre - für die Vollstreckbarkeit des australischen Titels nicht zusätzlich auf Feststellungen zur verbürgten Gegenseitigkeit an.
9
Für die Ausführung des HUVÜ 73 gelten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 c des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) ergänzend die Vorschriften dieses Gesetzes.
10
2. Ebenfalls zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Vollstreckung von Ziff. 3 und 4 der australischen einstweiligen Anordnung vom 29. Juni 2004 eine Unterhaltspflicht i.S. von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 HUVÜ 73 betrifft.
11
a) Für die Vollstreckung von Ziff. 4 des Beschlusses vom 29. Juni 2004 folgt dies bereits aus dem eindeutigen Wortlaut, zumal der Antragsgegner darin verpflichtet wurde, an die Antragstellerin einen einstweiligen ehelichen Unterhalt in Höhe von 1.000 AU$ pro Woche, beginnend am 2. Juli 2004, zu zahlen. Das wird auch vom Antragsgegner nicht in Zweifel gezogen.
12
b) Aber auch der nach Ziff. 3 des Beschlusses geschuldete Pauschalbetrag in Höhe von 62.000 AU$ betrifft als Vorausleistung den nachehelichen Unterhalt.
13
Zwar sah der ursprüngliche Titel vom 29. Juni 2004 für die Zahlung dieses Pauschalbetrages verschiedene Rechtsgründe vor, weil er entweder als vorläufige oder teilweise Vermögensauseinandersetzung, als Vorauszahlung auf den Anspruch der Antragstellerin auf Vermögensauseinandersetzung und/oder den Ehegattenunterhalt oder als Kostenerstattung geschuldet war. Nach Art. 10 HUVÜ 73 war deswegen im Rahmen der Vollstreckbarerklärung zu klären, ob ein Teil dieses zugesprochenen Betrages eindeutig dem Unterhaltsrecht zugewiesen werden kann, für das allein das Übereinkommen gilt (vgl.
Senatsbeschluss vom 12. August 2009 - XII ZB 12/05 - zur Veröffentlichung bestimmt; zur Brüssel I-VO vgl. auch EuGH IPRax 1999, 35).
14
Wird ein ausländischer Titel, über dessen Vollstreckbarkeit im Inland zu entscheiden ist, den Bestimmtheitsanforderungen, die nach deutschem Vollstreckungsrecht an einen Vollstreckungstitel zu stellen sind, nicht gerecht, ergeben sich jedoch die Kriterien, nach denen sich die titulierte Leistungspflicht bestimmt, aus den ausländischen Vorschriften oder ähnlichen im Inland gleichermaßen zugänglichen und sicher feststellbaren Umständen, so ist es grundsätzlich zulässig und geboten, diese Feststellungen nach Möglichkeit im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu treffen und den ausländischen Titel in der Entscheidung über seine Vollstreckbarkeit entsprechend zu konkretisieren (Senatsurteil vom 6. November 1985 - IVb ZR 73/84 - FamRZ 1986, 45, 46 f.). Entsprechendes gilt auch für die Konkretisierung eines geschuldeten Betrages als Unterhalt oder für andere Zwecke der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung.
15
Im Rahmen der Vollstreckbarkeit ist deswegen auch die weitere Anordnung vom 6. Juli 2005 zu berücksichtigen, in der der geschuldete Pauschalbetrag ausdrücklich als Vorschuss auf den Ehegattenunterhalt charakterisiert worden ist. Hinzu kommt, dass nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners am 22. Dezember 2005 eine Endentscheidung ergangen ist, die den vorläufigen Ehegattenunterhalt der Antragstellerin auf insgesamt 100.000 AU$ festsetzt, worauf der hier relevante Pauschalbetrag von 62.000 AU$ anzurechnen ist. Auf der Grundlage dieser weiteren Entscheidungen steht deswegen zweifelsfrei fest, dass auch insoweit eine Unterhaltspflicht im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 HUVÜ 73 zu vollstrecken ist.
16
3. Die Verpflichtungen aus Ziff. 3 und 4 der australischen Anordnung vom 29. Juni 2004 sind auf der Grundlage des anwendbaren HUVÜ 73 im Grundsatz auch vollstreckungsfähig. Denn die Entscheidung ist von dem nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 7 Nr. 1 HUVÜ 73 international zuständigen Gericht erlassen. Das australische Gericht war für die Entscheidung international zuständig, zumal hier neben der Antragstellerin als Unterhaltsberechtigter sogar auch der Antragsgegner als Unterhaltspflichtiger bei Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Australien hatte (Art. 7 Nr. 1 HUVÜ 73). Hinzu kommt, dass sich der Antragsgegner dem australischen Verfahren unterworfen hatte, weil er sich, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen , auf das Verfahren in der Sache selbst eingelassen hatte (Art. 7 Nr. 3 HUVÜ 73). Diese ursprünglich begründete internationale Zuständigkeit wirkte bis zum Abschluss des Verfahrens fort (perpetuatio fori).
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Auch als einstweilige Maßnahme ist die Anordnung vom 29. Juni 2004 grundsätzlich für vollstreckbar zu erklären, weil gegen sie unstreitig kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist und einstweilige Anordnungen auch in Deutschland (§§ 620 Nr. 4 bis 6, 620 c, 794 Abs. 1 Nr. 3 a ZPO; für die Zeit ab dem 1. September 2009 vgl. §§ 40, 53, 57, 86 FamFG) nicht anfechtbar und damit vollstreckbar sind (Art. 4 Abs. 2 HUVÜ 73).
18
Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Antragsgegners handelt es sich hier auch nicht um eine Versäumnisentscheidung im Sinne des Art. 6 HUVÜ 73, für deren Vollstreckung der Nachweis der Zustellung der Antragsschrift erforderlich ist. Der Antragsgegner war im Verhandlungstermin vom 29. Juni 2004 nicht säumig, sondern durch vorangegangenen Beschluss vom 14. Juni 2004 ausgeschlossen worden. Seine australische Verfahrensbevollmächtigte war anwesend und lediglich seit dem Ausschluss daran gehindert, weiter zur Sache vorzutragen. Die verfahrensrechtlichen Einschränkungen betreffen hier also Fragen des rechtlichen Gehörs und nicht solche der Säumnis des Antragsgegners , der auch vor seinem Ausschluss am Verfahren beteiligt war. Eines Nachweises der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift bedarf es hier deswegen nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05 - FamRZ 2008, 586, 588 f. und vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05 - FamRZ 2008, 390, 391 f.).
19
4. Die zu vollstreckende Anordnung vom 29. Juni 2004 ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht durch das Endurteil vom 22. Dezember 2005 aufgehoben worden. Denn in dieser Entscheidung ist der Antragstellerin zwar ein Gesamtbetrag vorläufigen Unterhalts in Höhe von 100.000 AU$ zugesprochen worden, auf den allerdings die mit der Anordnung vom 29. Juni 2004 zugesprochenen 62.000 AU$ anzurechnen sind. Schon daraus folgt, dass der als Vorausleistung geschuldete Pauschalbetrag nicht aufgehoben , sondern in den insgesamt geschuldeten Betrag einbezogen werden sollte. Die einstweilige Maßnahme hat deswegen nach wie vor Gültigkeit und ist auch weiterhin grundsätzlich vollstreckbar.
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5. Einer Vollstreckbarkeit der australischen Anordnung in der Bundesrepublik Deutschland steht hier aber das Vollstreckungshindernis des Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73 entgegen.
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Zwar dürfen die Behörden und Gerichte des Vollstreckungsstaates nach Art. 12 HUVÜ 73 die zu vollstreckende Entscheidung grundsätzlich nicht auf ihre Gesetzmäßigkeit nachprüfen. Die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung darf jedoch versagt werden, wenn einer der in Art. 5 HUVÜ 73 genannten und besonders gravierenden Verfahrensverstöße vorliegt.
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a) Allerdings führt eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht stets zu einem Verstoß gegen den deutschen ordre public im Sinne des Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73.
23
aa) Wie im Rahmen des früheren Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 in der Fassung des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29. November 1996 (EuGVÜ - BGBl. II 1998 S. 1412; vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 21. März 1990 - XII ZB 71/89 - FamRZ 1990, 868, 869) und der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO) ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch im Rahmen der Vollstreckbarkeit nach dem HUVÜ 73 insoweit gewährleistet, als das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig zugestellt worden sein muss, dass der Beklagte sich hinreichend verteidigen konnte. Dem Beklagten muss ausreichend Zeit bleiben, um seine Verteidigung vorzubereiten oder die zur Vermeidung einer Versäumnisentscheidung erforderlichen Schritte einzuleiten (vgl. EuGHE 1981, 1573, 1608 f.).
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Darüber hinaus greift der Vorbehalt des ordre public in Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73 aber nur in Ausnahmefällen ein. Die Vollstreckbarerklärung kann insbesondere nicht schon deshalb versagt werden, weil die ausländische Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozessrechts abweicht. Ein Versagungsgrund ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass es nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (EuGH Urteil vom 11. Mai 2000 - C-38/98 - veröffentlicht bei Juris; Senatsbeschluss vom 21. März 1990 - XII ZB 71/89 - FamRZ 1990, 868, 869 Tz. 12).
25
Der Schutz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) erstreckt sich also nicht auf eine bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung. Bei der Anwendung jener Verfahrensbestimmung zur Konkretisierung des gemäß Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73 maßgeblichen verfahrensrechtlichen ordre public ist vielmehr auf die Grundsätze abzustellen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Dies ist einmal das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ferner verlangt das Gebot der Achtung der Menschenwürde, dass ein Beteiligter in der Lage sein muss, auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluss zu nehmen (BVerfGE 63, 332, 337 und BGHZ 118, 312, 321 jeweils m.w.N.; Rauscher/ Leible Europäisches Zivilprozessrecht Bd. 1 Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 13 ff.; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht 7. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 13 ff.).
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Darüber hinaus hat in erster Linie jede Partei selbst nach besten Kräften für ihre eigene ordnungsgemäße Vertretung in einem ihr bekannten Gerichtsverfahren zu sorgen (BGHZ 141, 286, 297 f.). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG gilt also nicht unabhängig von der Verfahrensart und nicht ohne Einschränkung in jedem Fall. Vielmehr tritt der Grundsatz, dass rechtliches Gehör vor der Entscheidung zu gewähren sei, zurück, wenn sich aus dem Zweck und der Besonderheit einzelner Verfahren zwingend Beschränkungen ergeben, wie z.B. bei der Zwangsvollstreckung in Forderungen (§ 834 ZPO), im Arrestverfahren (§ 921 ZPO) oder bei Erlass eines Haftbefehls (§ 114 a StPO). Ferner kann auch nach deutschem Prozessrecht eine Partei durch eigenes schuldhaftes Verhalten den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlieren, etwa nach §§ 296, 530 f. ZPO, wenn sie Angriffs- oder Verteidigungsmittel später als möglich vorbringt. Ihr Vorbringen kann dann unter bestimmten Voraussetzungen zurückgewiesen werden. Art. 103 Abs. 1 GG ist ferner nicht verletzt, wenn der Beteiligte gemäß § 177 GVG wegen eines die Ordnung störenden Verhaltens aus dem Sitzungszimmer entfernt werden musste und deshalb kein rechtliches Gehör mehr finden konnte; er hat dann die an sich gegebene Gelegenheit zur Äußerung durch sein eigenes Verhalten verloren (BGHZ 48, 327, 332). Entsprechend sehen auch das HUVÜ 73 und die Brüssel I-VO nach dem zu ihrer Ausführung erlassenen § 6 AVAG in erster Instanz des Vollstreckbarkeitsverfahrens keine vorherige Anhörung des Schuldners vor. Dieser kann Einwände erst mit seinem Rechtsmittel vorbringen.
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bb) Hinzu kommt, dass der Ablauf des ausländischen Verfahrens im Rahmen des - hier relevanten - ordre public nur unter Berücksichtigung des Systems und der Struktur des ausländischen Verfahrensrechts gemessen werden kann. Dies ist insbesondere dann unabweisbar, wenn das beiderseitige Verfahrensrecht so grundverschieden ist wie die Regelungen der Zivilprozessordnung und des australischen Verfahrensrechts. Entscheidend ist deshalb noch nicht, dass dem deutschen Verfahrensrecht die Vorstellung völlig fremd ist, der Richter könne einen Beteiligten wegen Ungehorsams gegen eine in der Sache ergangene gerichtliche Anordnung von der weiteren Teilnahme am Verfahren ausschließen. Ein verbindlicher Maßstab dafür, ob der ausländische Richter im Sinne des deutschen ordre public das Recht eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt hat, lässt sich bei grundverschiedenem Verfahrensrecht nicht in der Weise gewinnen, dass verglichen wird, wie das deutsche und wie das ausländische Verfahrensrecht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Einzelnen ausgeprägt haben. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Art und Weise, wie der ausländische Richter im Einzelfall verfahren ist, den Prinzipien zuwider läuft, auf denen Art. 103 Abs. 1 GG beruht (BGHZ 48, 327, 332 f.).
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Das insoweit auch geschützte Gebot der Achtung der Menschenwürde ist allerdings verletzt, wenn einem Verfahrensbeteiligten nicht die Rolle eines Verfahrenssubjekts eingeräumt wird, das aktiv die Gestaltung des Verfahrens beeinflussen kann, sondern nur die Rolle eines - passiven - Verfahrensobjekts, mit dem im gerichtlichen Verfahren etwas geschieht (BGHZ 118, 312, 321 und 48, 327, 333).
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cc) Der Europäische Gerichtshof hat im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Auslegung des EuGVÜ und der Brüssel I-VO (EuGVVO) entschieden, dass eine Versagung der Vollstreckbarkeit unter Anwendung der ordre-public-Klausel nur dann in Betracht komme, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Es müsse sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltende Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (EuGH Urteil vom 2. April 2009 - C-394/07 - veröffentlicht bei juris).
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Auch Grundrechte, wie die Wahrung der Verteidigungsrechte, sind regelmäßig keine absoluten Rechte, sondern können Beschränkungen unterliegen. Solche Einschränkungen müssen dann aber tatsächlich Zielen des Allgemeininteresses entsprechen, die mit der in Rede stehenden Maßnahme verfolgt werden, und dürfen nicht im Hinblick auf den verfolgten Zweck eine offensichtliche und unverhältnismäßige Beeinträchtigung der auf diese Weise gewährleisteten Rechte darstellen. Sanktionen gegen Verfahrensbeteiligte, die im Rahmen eines Zivilprozesses ein hinhaltendes Verhalten einnehmen, welches im Ergebnis auf eine Justizverweigerung hinausliefe, dürfen also nicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, das darin besteht, einen wirksa- men Verfahrensablauf im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten. Bei der hier verhängten Sanktion, nämlich dem Ausschluss des Antragsgegners von jeder weiteren Teilhabe am Verfahren, handelt es sich um die denkbar schwerste Einschränkung der Verteidigungsrechte. Eine solche Beschränkung kann deswegen nur dann nicht als offensichtliche und unverhältnismäßige Beeinträchtigung dieser Rechte angesehen werden, wenn sie sehr hohen Anforderungen genügt (vgl. EuGH Urteil vom 2. April 2009 - C-394/07 - veröffentlicht bei juris Tz. 29 ff.).
31
Das bedeutet, dass vorliegend alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden müssen, einschließlich des Zustandekommens der Anordnung, die Vollmachten zugunsten des Antragstellervertreters zu unterzeichnen, der Gründe der Verweigerung durch den Antragsgegner und der Voraussetzungen des Ausschlusses wegen Ungebühr vor Gericht. Dabei ist es auch Sache des im Vollstreckbarerklärungsverfahren angerufenen Gerichts zu ermitteln, ob und inwieweit der Schuldner die Möglichkeit hatte, vor Erlass der nicht befolgten gerichtlichen Verfügung angehört zu werden und dagegen mit dem Ziel einer Änderung oder Rücknahme einen Rechtsbehelf einzulegen. Weiter ist zu prüfen , ob die vom Schuldner vorgetragenen Gründe, insbesondere seine Bedenken gegen eine Vollmacht zur generellen Verwendung gegenüber nicht bezeichneten Auskunftspflichtigen, sein Ansehen beschädigen und damit auch sein Persönlichkeitsrecht verletzen können (EuGH vom 2. April 2009 - C-394/07 - veröffentlicht bei juris Tz. 40 ff.).
32
Schließlich ist auch zu prüfen, ob der Schuldner über eine Verfahrensgarantie verfügte, die ihm eine wirksame Möglichkeit zur Anfechtung der erlassenen Maßnahme gewährleistete. Weil eine Nachprüfung der zu vollstreckenden Entscheidung nach Art. 12 HUVÜ 73 allerdings ausgeschlossen ist, müssen sich die Ermittlungen auf die Prüfung beschränken, welche Rechtsbehelfe dem Schuldner zur Verfügung standen und ob er in deren Rahmen über die Möglichkeit verfügte, unter Wahrung des kontradiktorischen Verfahrens und vollständiger Ausübung seiner Verteidigungsrechte seine Anhörung zu erreichen. Nur im Rahmen einer Abwägung dieser Umstände kann entschieden werden, ob die von Art. 103 Abs. 1 GG geschützten Grundwerte verletzt sind (EuGH vom 2. April 2009 - C-394/07 - veröffentlicht bei juris Tz. 45 ff.).
33
b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist vorliegend von einem so gravierenden Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) auszugehen, dass eine Vollstreckung der Anordnung gegen den deutschen ordre public verstoßen würde (Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73). Der Entscheidung ist deswegen die Vollstreckbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu versagen.
34
aa) Zwar ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach dem vom deutschen Zivilprozess völlig abweichenden australischen Verfahrensrecht ein Ausschluss wegen Ungebühr vor dem Gericht (contempt of court) möglich ist. Entsprechend hat auch der australische Oberste Gerichtshof entschieden, dass der Ausschluss einer Prozesspartei möglich ist, wenn diese einer vorherigen gerichtlichen Anordnung zur Vorbereitung der endgültigen Entscheidung nicht nachkommt (Family court of Australia [2000] FLC 93-047 Tate v. Tate). Nach australischem Prozessrecht war der Ausschluss des Antragstellers durch den Court of Petty Sessions vom 14. Juni 2004 also rechtmäßig. Der Antragsgegner hatte sich unstreitig geweigert, der Auflage des Gerichts zur Unterzeichnung der vorgelegten Vollmachten nachzukommen.
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Auch nach deutschem Recht ist die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens zur Bemessung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt geboten. Um einen effektiven Rechtsschutz sicherzustellen, sieht auch das deut- sche Recht neben den materiellen Auskunftsansprüchen (§§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1580 i.V.m. § 1605 BGB) in § 643 ZPO einen prozessrechtlichen Auskunftsanspruch vor, der es dem Gericht ermöglicht, unmittelbare Auskünfte bei Arbeitgebern, Sozialleistungsträgern, Versicherungsunternehmen und sonstigen Personen oder Stellen mit Versorgungsleistungen einzuholen. Auch wenn diese Entscheidung als vorbereitende Verfügung nicht gesondert anfechtbar ist, steht der betroffenen Prozesspartei doch im Vorfeld der Entscheidung ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf rechtliches Gehör zu. Die Prozesspartei ist auch nicht in ihrem Vortrag beschnitten, wenn sie das Gericht von der Notwendigkeit einer Abänderung der bereits getroffenen Entscheidung überzeugen will.
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Im Gegensatz dazu hat das australische Gericht mit dem Ausschluss des Antragsgegners aber die denkbar schwerste Entscheidung getroffen, um die notwendigen Auskünfte über die Vermögenssituation des Antragsgegners zu erzwingen. Es könnte schon zweifelhaft sein, ob diese Maßnahme dem stets zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht. Denn mit dem zu vollstreckenden Beschluss vom 29. Juni 2004 hatte das Gericht das Recht zur Unterzeichnung der Vollmachten für die Ermittlung der Vermögensverhältnisse des Antragsgegners zugleich auf den amtierenden Leiter der Personenstandsbehörde oder einen Standesbeamten beim Familiengericht von Westaustralien übertragen. Diese Übertragung der Verfügungsbefugnis auf eine andere Person mag einen ebenso starken Eingriff beinhalten, wie der Ausschluss des Antragsgegners aus dem weiteren Verfahren. Jedenfalls mit der Übertragung der Verfügungsbefugnis bestand aber keine Notwendigkeit mehr, den Antragsgegner persönlich zur Unterzeichnung der entsprechenden Vollmachten zu zwingen. Sein Ausschluss aus dem weiteren Verfahren hätte deswegen zugleich wieder aufgehoben werden müssen, um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren.
37
Soweit die Antragstellerin sich darauf stützt, der Antragsgegner sei im Verfahren vor dem australischen Familiengericht anwaltlich vertreten gewesen, steht dies einer Verletzung der Grundsätze des rechtlichen Gehörs nicht entgegen. Denn auch die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners durfte für ihn weder Anträge stellen noch irgendwelchen Sachvortrag halten. Auch ihre Anwesenheit beschränkte sich auf die Rolle einer passiven Prozessbeobachterin.
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bb) Hinzu kommt, dass das australische Gericht sogar die Beschwerde des Antragsgegners gegen seinen Ausschluss aus dem Verfahren mit Beschluss vom 9. August 2004 zurückgewiesen hat. Dies ist mit den Grundwerten, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will, nicht mehr vereinbar. Durch dieses Verfahren ist dem Antragsgegner die aktive Rolle eines Verfahrenssubjekts genommen worden, um ihn fortan als - passives - Verfahrensobjekt zu behandeln. Das wird besonders durch die Begründung deutlich, die im Rahmen der Verhandlung am 9. August 2004 zur Vorbereitung der Beschwerdeentscheidung vom gleichen Tag gegeben wurde. Danach ist die Beschwerde gegen den Ausschluss aus dem Verfahren zurückgewiesen worden, weil der Antragsgegner vom Verfahren ausgeschlossen war und deswegen keine Anträge stellen und folglich auch kein Rechtsmittel gegen den Ausschluss einlegen könne. Ein solches Verfahren ist auf der Grundlage der verfassungsrechtlich geschützten Grundwerte nicht hinzunehmen. Denn im Streit über die Rechtmäßigkeit eines Ausschlusses aus dem Verfahren muss die Prozesspartei als beteiligt fingiert werden, um ihre Verfahrensrechte nicht in unzulässiger Weise zu beschränken (vgl. BGHZ 24, 91, 94; BGHZ 132, 353, 355, BGH Beschluss vom 27. September 2007 - VII ZB 23/07 - NJW 2008, 527 Tz. 13 und Senatsbeschluss vom 10. Oktober 2007 - XII ZB 26/05 - NJW 2008, 528 Tz. 9 m.w.N.).
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Soweit die Antragstellerin die Möglichkeit des Antragsgegners aufzeigt, den Ausschluss aus dem Verfahren durch Erfüllung der gerichtlichen Auflage rückgängig zu machen, läuft dies nicht auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses, sondern auf einen Zwang zur Unterzeichnung der vorgelegten Vollmachtsurkunden hinaus. Eine solche Forderung wäre aber nicht mehr verhältnismäßig, nachdem bereits andere Personen zur Unterschrift für den Antragsgegner bevollmächtigt waren. Der Zweck, zur Vorbereitung der familiengerichtlichen Entscheidung eine Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners zu ermitteln, verlangte somit keinen weiteren Ausschluss des Antragsgegners mehr.
40
cc) Der Ausschluss des Antragsgegners aus dem Verfahren durch Beschluss vom 14. Juni 2004 war für den Inhalt der zu vollstreckenden Entscheidung auch nicht unerheblich. Zum einen hätte er trotz vorheriger Beteiligung bis zum Erlass der Entscheidung weiter vortragen können. Andererseits hätte er auch im weiteren Verlauf des Verfahrens gegen diese Entscheidung vorgehen und die Konkretisierung des Pauschalbetrages als Ehegattenunterhalt sowie den Inhalt des endgültigen Urteils vom 22. Dezember 2005 zu seinen Gunsten beeinflussen können. Dass ihm diese Möglichkeit durch den Ausschluss aus dem Verfahren genommen wurde, obwohl das Ziel der Klärung seiner Einkommensverhältnisse schon auf andere Weise erreicht werden konnte, hält den Grundsätzen des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes auf rechtliches Gehör nicht stand (vgl. insoweit auch EuGH Urteil vom 2. April 2009 - C-394/07 - veröffentlicht bei juris).
41
c) Auf Anfrage haben der VIII. Zivilsenat und der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erklärt, dass ihre Rechtsprechung (BGHZ 48, 327, 332 ff. bzw. BGHZ 118, 312, 321 und 141, 286, 297) der Entscheidung des Senats nicht entgegensteht.
Hahne Richter am Bundesgerichtshof Fuchs ist Vézina urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne Dose Schilling

Vorinstanzen:
LG Passau, Entscheidung vom 24.09.2004 - 3 O 860/04 -
OLG München, Entscheidung vom 02.02.2006 - 25 W 2619/04 -

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(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 12/05
vom
12. August 2009
in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO (EuGVVO) Artt. 1 Abs. 1, 2 a, 34 Nr. 1, 45; AVAG § 15 Abs. 1
Zur Vollstreckbarkeit einer britischen Entscheidung zur finanziellen Versorgung
und Vermögensauseinandersetzung gemäß Secs. 23 und 24 MCA nach der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO).
BGH, Beschluss vom 12. August 2009 - XII ZB 12/05 - OLG Karlsruhe in Freiburg
LG Karlsruhe
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. August 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin
Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 9. Zivilsenat in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 2004 unter Zurückweisung seiner weitergehenden Rechtsbeschwerde und der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Vorsitzenden Richters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2004 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Auf Antrag der Antragstellerin wird angeordnet, dass die gerichtliche Verfügung (Order) des High Court of Justice von London/ England, Principal Registry of the Family Division vom 16. Februar 2004 - FD 02 F 00454 - mit der deutschen Teil-Vollstreckungsklausel zu versehen ist, soweit der Antragsgegner verpflichtet ist,
a) innerhalb von 14 Tagen nach Rechtskraft des Scheidungsurteils der Antragstellerin alle seine Anrechte an der H. Lebensversicherungspolice Nr. ... und alle Einkünfte daraus als teilweise Sicherung des Unterhalts für die Erblasserin und/oder die unmündigen Kinder der Familie S. , V. und F. im Falle des Ablebens des Antragsgegners während des Bestehens der nachfolgend aufgeführten Unterhaltsregelung zu übertragen und abzutreten (Ziffer 1 b des Entscheidungstenors),
b) der Erblasserin mit Wirkung vom 1. März 2004 für sie selbst bis zum Monatsende nach dem Tod der Erblasserin am 19. Juli 2007, regelmäßige Zahlungen im Betrag von 24.600 £ im Jahr zu leisten bzw. diese Zahlungen zu veranlassen; diese Zahlungen sind monatlich im Voraus zu leisten (Ziffer 2 des Entscheidungstenors);
c) der Erblasserin mit Wirkung vom 1. März 2004 zugunsten der Kinder der Familie, S. (geboren am 16. April 1990), V. (geboren am 8. Februar 1993) und F. (geboren am 20. Juli 1995) regelmäßige Zahlungen im Betrag von 3.000 £ im Jahr pro Kind zu leisten bzw. diese Zahlungen zu veranlassen ; diese Zahlungen sind monatlich im Voraus zu leisten, bis das jeweilige Kind das Alter von 17 Jahren erreicht hat oder bis zum Abschluss seiner höheren Schulausbildung, je nach dem, welches der spätere Termin ist, oder weiterer Verfügungen (Ziffer 3 des Entscheidungstenors), längstens bis zum Monatsende nach dem Tod der Erblasserin am 19. Juli 2007 und
d) der Erblasserin eine Abschlagszahlung auf die Kosten und Nebenkosten ihres Antrags auf Unterhaltsregelung in Höhe von 40.000 £, fällig am 26. Februar 2004, zu leisten (Ziffer 7 des Entscheidungstenors). Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin ¾ und der Antragsgegner ¼ zu tragen. Streitwert: 417.500 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung des High Court of Justice von London/England vom 16. Februar 2004 in der Bundesrepublik Deutschland.
2
Die verstorbene Antragstellerin (im Folgenden: Erblasserin) und der Antragsgegner waren deutsche Staatsangehörige und hatten im Jahre 1991 in Deutschland die Ehe geschlossen, aus der die Kinder S., geboren am 16. April 1990, V., geboren am 8. Februar 1993 und F., geboren am 20. Juli 1995, hervorgegangen sind. Nachdem der Antragsgegner bis 1996 in Deutschland berufstätig gewesen war, zogen die Ehegatten mit den Kindern nach England, wo der Antragsgegner selbständig erwerbstätig war. Im Jahre 1998 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm eine Angestelltenstellung in führender Position. Im Jahre 2000 schied er dort gegen eine hohe Abfindungssumme aus. Anschließend war er selbständig tätig. Seit Juli 2002 bezog er Arbeitslosengeld und später Arbeitslosenhilfe. Seit 2004 absolviert er als Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst eine neue Ausbildung zum Berufsschullehrer mit einem deutlich geringeren Einkommen als vor dem Ausscheiden aus seiner Angestelltentätigkeit in Deutschland.
3
Im Frühjahr 2002 trennten sich die Erblasserin und der Antragsgegner. Im Mai 2002 beantragte die Erblasserin die Scheidung ihrer Ehe und verband den Antrag kurz darauf mit einem Antrag auf Regelung der finanziellen Scheidungsfolgen.
4
Mit Verfügung vom 16. Februar 2004 traf der High Court of Justice von London/England - soweit für das Vollstreckbarerklärungsverfahren noch von Interesse - zu den finanziellen Scheidungsfolgen u.a. folgende Anordnungen: • Übertragung und Abtretung aller Anrechte des Antragsgegners an ei- ner Lebensversicherungs-Police als teilweise Sicherung des Unterhalts für die Erblasserin und/oder die unmündigen Kinder S., V. und F.; • Zahlung eines Pauschalbetrages (lump sum) in Höhe von 213.055 £ als Unterhalt (einschließlich Wohnungskosten) für die Erblasserin und die Kinder S., V. und F. Zug um Zug gegen Übertragung von Anteilen der Erblasserin an gemeinsamem Guthaben bei einer Bausparkasse und einer Bank; • regelmäßige Zahlungen an die Erblasserin in Höhe von 24.600 £ jähr- lich für sie selbst zu Lebzeiten der geschiedenen Ehegatten, bis zur Wiederverheiratung der Antragstellerin oder bis zu einer abweichenden Verfügung; • regelmäßige Zahlungen in Höhe von 3.000 £ jährlich pro Kind an die Erblasserin zugunsten der Kinder der Familie S., V. und F. für die Zeit vom 1. März 2004 bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres, einem späteren Abschluss einer höheren Schulausbildung eines Kindes oder einer abweichenden Verfügung und • Zahlung einer Abschlagssumme in Höhe von 40.000 £ auf die Kosten und Nebenkosten des Antrags der Erblasserin auf Unterhaltsregelung.
5
Die Zahlung des Pauschalbetrages hat der High Court auf der Grundlage eines Gesamtvermögens der Ehegatten von rund 326.000 £ ermittelt, wovon rund 91.500 £ gemeinsames Vermögen, rund 41.000 £ Vermögen der Erblasserin und rund 193.000 £ Vermögen des Antragsgegners waren. Das gesamte Vermögen sollte wegen erhöhter Wohnkosten der Erblasserin mit den drei minderjährigen Kindern im Verhältnis 70/30 zu ihren Gunsten aufgeteilt werden, so dass ihr wertmäßig ein Vermögen von rund 228.000 £ zugute kommen sollte. Da die Erblasserin aus eigenem Vermögen und der Hälfte des gemeinsamen Vermögens über rund 87.000 £ verfügte, hat das Gericht weiteres Vermögen in Höhe von rund 140.000 £ auf sie übertragen. Diese Übertragung erfolgte durch Anordnung der Zahlung des Pauschalbetrages in Höhe von 213.055 £ gegen Übertragung der hälftigen Anteile der Ehefrau an dem gemeinsamen Bausparund Bankguthaben sowie Übertragung eines Grundstücks der Ehefrau im Wert von insgesamt rund 73.000 £.
6
Bei der Bemessung der regelmäßigen Zahlungen für die Erblasserin und die drei minderjährigen Kinder hat der High Court trotz der behaupteten Arbeitslosigkeit des Antragsgegners eine Erwerbsobliegenheit angenommen. Im Hinblick auf sein Alter von knapp 55 Jahren und seine Berufsqualifikation ist das Gericht von einem (fiktiv) erzielbaren Jahreseinkommen in Höhe von 70.000 £ ausgegangen. Davon könne der Antragsgegner der Erblasserin und seinen Kindern jährlich Unterhalt in Höhe von (24.600 + 9.000 =) 33.600 £ zahlen.
7
Auf den Antrag der Erblasserin hat das Landgericht die Entscheidung des High Court insgesamt für vollstreckbar erklärt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und den Antrag auf Anordnung der Erteilung einer deutschen Vollstreckungsklausel hinsichtlich des zugesprochenen Pauschalbetrages in Höhe von 213.055 £ abgelehnt. Im Übrigen hat es die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richten sich die Rechtsbeschwerden des Antragsgegners , der eine vollständige Abweisung des Antrags anstrebt und der Testamentsvollstreckerin der Erblasserin, die auch den zugesprochenen Pauschalbetrag für vollstreckbar erklärt wissen will.
8
Während des Verfahrens der Rechtsbeschwerde ist am 19. Juli 2007 die Erblasserin verstorben. Sie wurde von ihren drei zunächst minderjährigen Kindern beerbt. Die am 9. Dezember 1978 geborene weitere Tochter der Erblasserin hat die Erbschaft ausgeschlagen. Gemäß der letztwilligen Verfügung der Erblasserin hat das Nachlassgericht Testamentsvollstreckung angeordnet, die jeweils mit Vollendung des 18. Lebensjahres der minderjährigen Erben endet, und die Antragstellerin zur Testamentsvollstreckerin bestellt.

II.

9
Die Rechtsbeschwerden sind nach Art. 44 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden : Brüssel I-VO) in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG und § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist aber nicht zulässig, weil es ihr an den besonderen Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und führt zu einer Begrenzung der Voll- streckbarkeit der regelmäßigen Unterhaltszahlungen auf die Zeit bis zum Tod der Erblasserin am 19. Juli 2007.
10
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidung des High Court auf der Grundlage der Brüssel I-VO anerkannt und vollstreckt werden kann. Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Brüssel I-VO ist diese auch im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Großbritannien anwendbar , nachdem das Vereinigte Königreich und Irland gemäß Art. 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königsreichs und Irlands schriftlich mitgeteilt haben, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten (vgl. Erwägungsgrund 20 zur Brüssel I-VO).
11
Zwar ist eine Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über Unterhaltspflichten im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Großbritannien auch nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73) möglich. Dieses Übereinkommen bleibt von der Brüssel I-VO nach dessen Art. 71 Abs. 1 auch unberührt. In jedem Fall können daneben aber die Bestimmungen der Brüssel I-VO über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen angewandt werden (Art. 71 Abs. 2 b Satz 3 Brüssel I-VO; vgl. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis § 9 Rdn. 226 f.).
12
Ebenfalls zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass sich die weiteren Einzelheiten des Anerkennungsverfahrens nach den Vorschriften des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Ge- biet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs - und Vollstreckungsausführungsgesetz; im Folgenden: AVAG) richten.
13
2. Mit Recht ist das Oberlandesgericht von einem Geltungsbereich der Brüssel I-VO ausgegangen, der sich nach dessen Art. 1 Abs. 1 auf Zivil- und Handelssachen beschränkt, wovon nach Art. 1 Abs. 2 a Güterrechtssachen ausdrücklich ausgenommen sind. Entsprechend beschränkt sich auch das HUVÜ 73 nach dessen Art. 1 Abs. 1 auf die Vollstreckbarkeit von Unterhaltsentscheidungen. Auf dieser Rechtsgrundlage hat das Oberlandesgericht zutreffend zwischen unterhaltsrechtlichen und güterrechtlichen Folgen in der zu vollstreckenden britischen Entscheidung unterschieden.
14
a) Das britische Scheidungsfolgenrecht sieht in den Secs. 21-26 des Matrimonial Causes Act von 1973 (MCA) richterliche Eingriffsbefugnisse vor, die sich nach deutschem Verständnis auf Unterhalt, güterrechtliche Ansprüche, Versorgungsausgleich sowie Hausratsteilung und Wohnungszuweisung erstrecken. Dabei wird nach der Art der Entscheidung zwischen Anordnungen zur finanziellen Versorgung (Financial Provision Orders; Sec. 23 MCA) und Anordnungen zur Vermögenszuweisung (Proper Adjustment Orders; Secs. 24, 24 a MCA) unterschieden, die auch miteinander kombiniert werden können und auf der Grundlage einer einheitlichen Gesamtwürdigung ausgesprochen werden. Das Gericht entscheidet nach Billigkeit unter Berücksichtigung gesetzlicher Ermessensfaktoren und gerichtlicher Leitlinien. An erster Stelle dieser Ermessenskriterien steht das Wohl minderjähriger Kinder der Familie. Daneben sind insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, aber auch die finanziellen Bedürfnisse, Alter und Gesundheit der Ehegatten, die Dauer der Ehe und das Verhalten der Ehegatten während der Ehe, zu berücksichtigen (Sec. 25 MCA). Schließlich soll das Gericht auch prüfen, ob eine endgültige Regelung der finanziellen Angelegenheiten (sog. clean break approach) möglich ist. Für die Verteilung des ehelichen Vermögens gilt nach der Rechtsprechung grundsätzlich der Maßstab der gleichen Teilhabe beider Ehegatten (Yardstick of equal Division; vgl. House of Lords vom 26. Oktober 2000 White v. White - 2 FLR 981 - veröffentlicht unter: www.publications.parliament.uk). Der Verteilungsmaßstab gilt auch in den Fällen, in denen das Vermögen für einen "clean break approach" durch Einmalzahlung nicht ausreicht und deswegen die laufende Unterhaltssicherung durch Verteilung der Einkünfte im Vordergrund steht. Abweichungen von diesem Halbteilungsgrundsatz können auch mit dem besonderen Wohnbedarf des Ehegatten begründet werden, bei dem die minderjährigen Kinder leben (Woelke/Rieck Ausländisches Familienrecht Stand August 2008 England und Wales Rdn. 41; vgl. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis § 9 Rdn. 48 d).
15
b) Weil der High Court hier neben regelmäßig fälligen Unterhaltsleistungen auch Pauschalbeträge mit dem Ziel eines abschließenden Vermögensausgleichs zugesprochen hat, hat das Oberlandesgericht im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO oder dem HUVÜ 73 zu Recht die Frage aufgeworfen, welche der ausgesprochenen Scheidungsfolgen unterhaltsrechtlich einzustufen sind und ob die Entscheidung daneben auch güterrechtliche Folgen regelt. Denn zutreffend hat es die Notwendigkeit gesehen, zwischen güterrechtlichen Aspekten der Entscheidung und solchen zu unterscheiden, die sich auf die Unterhaltspflichten beziehen.
16
Dabei ist in der Brüssel I-VO weder der Begriff der Unterhaltspflicht noch der Begriff der ehelichen Güterstände ausdrücklich definiert. Bei der Abgrenzung der Scheidungsfolgen ist deswegen vorrangig auf den Zweck der Entscheidung abzustellen, der aus ihrer Begründung herzuleiten ist. Wenn sich daraus ergibt, dass eine Leistung dazu bestimmt ist, den Unterhalt eines bedürftigen Ehegatten zu sichern, oder wenn die Bedürfnisse und die Mittel beider Ehegatten bei der Festsetzung berücksichtigt werden, hat die Entscheidung eine Unterhaltspflicht zum Gegenstand. Bezweckt die Leistung hingegen nur die Aufteilung der Güter zwischen den Ehegatten, betrifft die Entscheidung die ehelichen Güterstände und kann deswegen nicht nach der Brüssel I-VO vollstreckt werden. Eine Entscheidung, die beidem zugleich dient, kann nach Art. 42 Brüssel I-VO teilweise vollstreckt werden, wenn klar aus ihr hervorgeht, welchem der beiden Zwecke die verschiedenen Teile der angeordneten Leistung jeweils zuzuordnen sind (EuGH IPRax 1999, 35). Allerdings wird der Charakter der zu vollstreckenden Entscheidung als Unterhaltsentscheidung nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie zugleich die Übertragung des Eigentums an bestimmten Gegenständen zwischen den früheren Ehegatten anordnet, denn es kann sich auch insoweit um Bildung eines Kapitals handeln, durch das der Unterhalt eines von ihnen gesichert werden soll. Eine im Rahmen eines Scheidungsverfahrens ergangene Entscheidung, durch die die Zahlung eines Pauschalbetrags oder die Übertragung des Eigentums an bestimmten Gegenständen von einem ehemaligen Ehegatten auf den anderen angeordnet werden, betrifft daher Unterhaltspflichten im Sinne der Brüssel I-VO, soweit durch sie der Unterhalt des begünstigten ehemaligen Ehegatten gesichert werden soll (EuGH IPRax 1999, 35).
17
c) Weil mit diesen Grundsätzen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Unterscheidung zwischen unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen und dem nachehelichen Vermögensausgleich hinreichend geklärt ist, fehlt es der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin entgegen ihrer Rechtsauffassung an dem Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 15 Abs. 1 AVAG i.V. mit § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO). Aber auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung kann eine Zulassung der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin nicht rechtfertigen. Denn das Oberlandesgericht hat den zugesprochenen Pauschalbetrag hier - entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin - auf der hinreichend geklärten Rechtsgrundlage zu Recht nicht als Unterhaltsleistung angesehen.
18
Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin , wonach die Pflicht zur Zahlung eines Pauschalbetrages für sich genommen nicht notwendig gegen die Einordnung als Unterhaltszahlung spricht. Hier hat das britische Gericht neben dem Pauschalbetrag allerdings weitere pauschale und regelmäßige Verpflichtungen des Antragsgegners ausgesprochen , die im Ergebnis über die Unterhaltssicherung hinaus auch zu einer endgültigen Regelung aller finanziellen Angelegenheiten (sog. clean break approach ) führen. Entsprechend hatte die Erblasserin auch die Anordnung finanzieller Versorgung und Vermögensauseinandersetzung gemäß Secs. 23 und 24 MCA beantragt. Dies wiederum spricht dafür, dass die zu vollstreckende Entscheidung über eine abschließende Entscheidung zum Unterhalt hinaus auch einen vollständigen Vermögensausgleich enthält.
19
Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass der Pauschalbetrag im Entscheidungstenor "als Unterhalt (einschließlich Wohnungskosten) für die Beklagte und die unmündigen Kinder der Familie" zugesprochen wurde. Denn im Gegensatz dazu unterscheiden die Gründe eindeutig zwischen dem nach dem Einkommen des Antragsgegners bemessenen Unterhaltsbedarf und dem Ausgleich der vorhandenen Vermögensmassen. Für die Unterhaltsbedürftigkeit der Erblasserin und ihrer drei minderjährigen Kinder ist das Gericht von den (fiktiv fortgeschriebenen) Einkünften des Antragsgegners ausgegangen und hat daraus im Wege der Halbteilung den laufenden Unterhaltsbedarf der Erblasserin und der Kinder ermittelt. Der insoweit geschuldete regelmäßige Unterhalt von (24.600 + 9.000 =) 33.600 £ orientiert sich mithin an den Einkünften, die der Familie auch zuvor zum laufenden Unterhalt zur Verfügung standen. Auf dieser Grundlage sind die unterhaltsrechtlichen Fragen (question of maintenance) in Textziffer 54 ff. des zu vollstreckenden Urteils behandelt. Die abschließende Aufteilung der Vermögenswerte (assets; Ziff. 44 ff. des zu vollstreckenden Urteils ) zielt demgegenüber auch auf eine endgültige Regelung der finanziellen Angelegenheiten unter Einschluss einer Aufteilung des vorhandenen Vermögens. Selbst wenn das Vermögen auch dem laufenden Unterhalt dient, zumal es in Form von Wohneigentum die Mietkosten entfallen lässt (vgl. insoweit zum deutschen Recht Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 – FamRZ 2009, 1300) oder als Geldbetrag Zinsen abwirft, kann die zugesprochene Pauschalsumme in Höhe von 213.055 £ nicht eindeutig dem Unterhalt zugeordnet werden , wie es die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlangt. Denn der im Verhältnis 70/30 zu Gunsten der Erblasserin durchgeführte Vermögensausgleich verschaffte ihr nicht nur - wie etwa im Falle eines Nießbrauchs - den Nutzungsvorteil, sondern zugleich den Vermögenswert selbst, was eher dem güterrechtlichen Ausgleich zuzuordnen ist (vgl. BGHZ 175, 207, 212 = FamRZ 2008, 761, 762). Dies geht eindeutig über den laufenden Unterhaltsbedarf hinaus. Zu Recht hat das Oberlandesgericht deswegen auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und unter Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles eine eindeutige Zuordnung dieses Pauschalbetrages zum Unterhalt und damit eine Vollstreckbarkeit nach der Brüssel I-VO abgelehnt.
20
3. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hat im Wesentlichen keinen Erfolg; sie führt lediglich wegen des Todes der Erblasserin zu einer zeitlich begrenzten Vollstreckbarkeit der laufenden Unterhaltszahlungen durch die Testamentsvollstreckerin.
21
a) Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Antragsgegners stehen der Vollstreckbarkeit - soweit sie das Oberlandesgericht für zulässig erachtet hat - grundsätzlich keine Vollstreckungshindernisse entgegen.
22
Nach Art. 45 Abs. 2 der Brüssel I-VO darf eine ausländische Entscheidung im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden. Eine in erster Instanz nach Art. 41 der Brüssel I-VO angeordnete Vollstreckbarerklärung darf im Rechtsmittelverfahren nach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO lediglich auf Vollstreckungshindernisse nach den Artt. 34 und 35 Brüssel I-VO überprüft werden. Solche Vollstreckungshindernisse liegen hier nicht vor. Insbesondere verstößt die zu vollstreckende Entscheidung - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - nicht gegen den deutschen ordre public (Art. 34 Nr. 1 Brüssel I-VO).
23
Soweit der High Court der Erblasserin zu ihrem Unterhalt und dem der Kinder regelmäßige Zahlungen zugesprochen hat, ist er in Kenntnis des Berufswechsels des Antragsgegners von einem fiktiv erzielbaren Einkommen ausgegangen. Insoweit entspricht die Entscheidung dem deutschen Unterhaltsrecht , das im Falle einer eigenmächtigen erheblichen Reduzierung des Erwerbseinkommens aus Gründen unterhaltsrechtlicher Solidarität ebenfalls auf das fiktiv erzielbare Einkommen abstellt (Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872). Allein die Berücksichtigung eines fiktiv erzielbaren Einkommens kann einen Verstoß gegen den deutschen ordre public also nicht rechtfertigen. Wenn der Antragsgegner meint, das vom britischen Gericht zugrunde gelegte Einkommen nicht erzielen zu können, ist er auf eine Abänderung der Entscheidung angewiesen, die im Hinblick auf die regelmäßige Auskunftsverpflichtung der geschiedenen Ehegatten ohnehin möglich war. Auch soweit das britische Gericht zur Sicherheit der laufenden Unterhaltsverpflichtungen die Anrechte aus einer Lebensversicherung des Antragsgegners übertragen hat, verstößt dies nicht gegen den deutschen ordre public. Einerseits sieht auch das deutsche Recht Kapitalabfindungen zur Unterhaltssicherung vor (§§ 1585 Abs. 2, 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB). Andererseits dient dieses Anrecht lediglich dazu, den regelmäßigen Unterhaltsanspruch der Erblasserin abzusichern.
24
Schließlich ist die Kostenentscheidung des britischen Gerichts eine Folge der Entscheidung zur Hauptsache, was einem Verstoß gegen den deutschen ordre public entgegensteht. Auch die Höhe der Abschlagszahlung von 40.000 £ ist unter Berücksichtigung der vorhandenen Einkünfte und Vermögenswerte nicht derart außergewöhnlich, dass die Vollstreckung dem deutschen ordre public widersprechen würde (vgl. insoweit BVerfG IPRax 2009, 249).
25
b) Infolge des Todes der Erblasserin hat die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners aber insoweit Erfolg, als die Vollstreckbarkeit der regelmäßigen Zahlungen auf das Monatsende nach ihrem Todestag am 19. Juli 2007 zu begrenzen ist. Denn für die Zeit danach sind Ansprüche der Erblasserin entfallen.
26
Zwar ist es dem Schuldner nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Vollstreckbarkeitsverfahren verwehrt, sachliche Einwendungen gegen den titulierten Unterhaltsanspruch zu erheben, die im Wege einer Abänderungsklage geltend zu machen wären (Senatsbeschluss BGHZ 171, 310, 318 f. = FamRZ 2007, 989, 991 und Senatsurteil vom 31. Januar 1990 - XII ZR 38/89 - FamRZ 1990, 504, 505 f.). Demgegenüber kann der Schuldner gemäß Artt. 43, 44 Brüssel I-VO in Verbindung mit § 12 Abs. 1 AVAG mit dem Rechtsmittel, das sich gegen die Entscheidung der Zwangsvollstreckung aus einer ausländischen Entscheidung richtet, auch rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den titulierten Anspruch geltend machen, sofern die Rechtskraft des ausländischen Urteils unberührt bleibt und die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der ausländischen Entscheidung entstanden sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einwendungen unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (Senatsbeschluss vom 25. Februar 2009 - XII ZB 224/06 - FamRZ 2009, 858, 860).
27
Der Tod der Erblasserin schafft hier eine solche Einwendung gegen den Anspruch der unterhaltsberechtigten Erblasserin, die auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung berücksichtigt werden kann. Ihr Anspruch auf regelmäßige Unterhaltszahlungen ist mit ihrem - urkundlich nachgewiesenen - Tod am 19. Juli 2007 entfallen, was zu einer rechtsvernichtenden Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO führt. Gleiches gilt allerdings auch für den Anspruch der Erblasserin auf Unterhalt zugunsten der bei ihr lebenden Kinder. Auch insoweit hatte der High Court nicht etwa den Kindern persönlich nach den Vorschriften des Children Act 1989 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich Großbritannien Seite 91), sondern der Erblasserin als ihrer erziehungsberechtigten Mutter nach den Secs. 23 ff. MCA Unterhalt zugesprochen, der ebenfalls mit dem Monatsende nach ihrem Tod am 19. Juli 2007 entfallen ist. Entsprechend ist die Vollstreckungsklausel nach dem Tod der Erblasserin auch nur von der Testamentsvollstreckerin und nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AVAG von den Kindern als eventuelle Rechtsnachfolger beantragt worden. Für die Testamentsvollstreckerin der Erblasserin kann die Vollstreckungsklausel aber nur erteilt werden, soweit die Forderung in der Person der Erblasserin entstanden war.
Hahne Wagenitz Vézina Dose Klinkhammer

Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.05.2004 - 11 O 38/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 20.12.2004 - 9 W 61/04 -

(1) Der Beschluss wird wirksam mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, wird erst mit Rechtskraft wirksam. Dies ist mit der Entscheidung auszusprechen.

(3) Ein Beschluss, durch den auf Antrag die Ermächtigung oder die Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft ersetzt oder die Beschränkung oder Ausschließung der Berechtigung des Ehegatten oder Lebenspartners, Geschäfte mit Wirkung für den anderen Ehegatten oder Lebenspartner zu besorgen (§ 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 8 Abs. 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), aufgehoben wird, wird erst mit Rechtskraft wirksam. Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. Der Beschluss wird mit Bekanntgabe an den Antragsteller wirksam.

(1) Eine einstweilige Anordnung bedarf der Vollstreckungsklausel nur, wenn die Vollstreckung für oder gegen einen anderen als den in dem Beschluss bezeichneten Beteiligten erfolgen soll.

(2) Das Gericht kann in Gewaltschutzsachen sowie in sonstigen Fällen, in denen hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, anordnen, dass die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung vor Zustellung an den Verpflichteten zulässig ist. In diesem Fall wird die einstweilige Anordnung mit Erlass wirksam.

Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 und auch nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung

1.
über die elterliche Sorge für ein Kind,
2.
über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil,
3.
über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson,
4.
über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder
5.
in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung
entschieden hat.

(1) Die Vollstreckung findet statt aus

1.
gerichtlichen Beschlüssen;
2.
gerichtlich gebilligten Vergleichen (§ 156 Abs. 2);
3.
weiteren Vollstreckungstiteln im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung, soweit die Beteiligten über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können.

(2) Beschlüsse sind mit Wirksamwerden vollstreckbar.

(3) Vollstreckungstitel bedürfen der Vollstreckungsklausel nur, wenn die Vollstreckung nicht durch das Gericht erfolgt, das den Titel erlassen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 240/05
vom
12. Dezember 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO Art. 34 Nr. 2

a) Der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO ist im Rechtsbehelfsverfahren
nach Art. 43 Brüssel I-VO von Amts wegen auch ohne eine entsprechende
Rüge des Beklagten zu prüfen; dagegen besteht aber keine Verpflichtung
des Rechtsbehelfsgerichts, die für die Entscheidung erheblichen
Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln.

b) Hat der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig erhalten,
kommt es auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung bei der Prüfung des
Versagungsgrundes nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO - anders als nach Art. 27
Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ - nicht mehr an. Schwerwiegende Zustellungsmängel
(hier: Zustellung an den falschen Ort) sind aber regelmäßig ein starkes Indiz
dafür, dass dem Schuldner bei der Verfahrenseinleitung im Ursprungsstaat
kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt wurde.

c) Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren im Ursprungsstaat nicht eingelassen
hat, besitzt im Sinne des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO die Möglichkeit der
Einlegung eines Rechtsbehelfs, wenn er von den Urteilsgründen nach einer
Zustellung der Säumnisentscheidung Kenntnis erlangt; eine Ordnungsmäßigkeit
dieser Zustellung ist dafür nicht erforderlich (vgl. EuGH Urteil vom
14. Dezember 2006 - Rs. C-283/05 - NJW 2007, 825 - ASML Netherlands
/SEMIS).
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05 - OLG Hamm
LG Essen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Fuchs und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Dezember 2005 wird auf Kosten des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Vollstreckbarerklärung nicht auf Ziffer 4 des Urteils des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 (Deckung der Erziehungs - und Pflegekosten) erstreckt. Beschwerdewert: 120.000 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung der Unterhaltsentscheidung aus einem italienischen Verbundurteil im Verfahren über die Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett (separazione personale).
2
Die Parteien sind Eheleute britischer Staatsangehörigkeit; aus ihrer Ehe sind zwei - 1987 und 1991 geborene - Söhne J. und G. hervorgegangen. Ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten die Parteien in Fagagna (Italien). Der Antragsgegner arbeitet seit dem Jahre 2002 in Deutschland, wo er auch einen Wohnsitz hat.
3
Die Parteien trennten sich im Jahre 2003. Mit einer vom 13. Oktober 2003 datierten und am gleichen Tage bei Gericht eingereichten Klageschrift leitete die Antragstellerin bei dem Tribunale (Landgericht) di Udine das Trennungsverfahren ein. Als Anschrift des Antragsgegners war die letzte Ehewohnung der Parteien in Fagagna angegeben. Die Gerichtsvorsitzende beraumte eine mündliche Verhandlung auf den 26. November 2003 an; zu diesem Termin erschien für den Antragsgegner niemand. Die Gerichtsvorsitzende verfügte danach die erneute Zustellung der Klageschrift und vertagte die Verhandlung auf den 19. Januar 2004. Auch zu diesem Termin war für den Antragsgegner niemand erschienen. Am Schluss der Sitzung erließ die Gerichtsvorsitzende ein Urteil, welches die Antragstellerin zum Getrenntleben ermächtigte und ihr das Sorgerecht für die beiden Kinder übertrug. Ferner wurde der Ehemann zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt verurteilt und zur Übernahme von unbezifferten "Erziehungs- und notwendigen Pflegekosten" für die beiden Söhne verpflichtet.
4
Durch einen vom 15. Juli 2005 datierten Antrag auf Klauselerteilung nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001, Nr. L 12, S. 1 - im Folgenden : Brüssel I-VO) begehrte die Antragstellerin bei dem Landgericht, das Urteil des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen, soweit der Antragsgegner darin in Ziffer 3 zur Zahlung eines monatlichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 2.500 € und eines monatlichen Kindesunterhalts in Höhe von jeweils 750 € für jeden der beiden Söhne J.
und G. sowie in Ziffer 4 zur Übernahme von "Erziehungs- und notwendigen Pflegekosten" verurteilt worden ist.
5
Dem Antrag der Antragstellerin lag keine Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO bei. Unter den beigefügten Unterlagen befanden sich eine Empfangsbestätigung (avviso di ricevimento) mit einem Poststempel des Postamtes Udine vom 11. Dezember 2003 sowie ein vom gleichen Tage datierter Zustellungsbericht (relazione di notifica) des Gerichtsvollziehers (ufficiale giudiziaro) aus den Akten, wonach an diesem Tage dem Antragsgegner unter der Anschrift der letzten Ehewohnung in Fagagna ein Schriftstück durch Hinterlegung auf dem Gemeindeamt (casa comunale) in Fagagna und durch Anschlagen einer Nachricht an der Haustür zugestellt worden sei.
6
Das Landgericht gab dem Antrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 21. Juli 2005 statt.
7
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 23. September 2005. Im Beschwerdeverfahren machte der Antragsgegner geltend, dass er schon seit dem Jahre 2002 "einwohnerrechtlich" in Deutschland gemeldet sei. Seit die Antragstellerin das Haus in Italien verlassen habe, sei er nur noch unregelmäßig in mehrmonatigen Abständen dorthin zurückgekehrt. Deshalb habe er das bei einem Postamt niedergelegte Urteil des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 erst gegen März 2004 "in Händen" gehalten. Er sei daher auch außerstande gewesen, das Urteil in Italien rechtzeitig anzufechten. Darüber hinaus habe er mit der Antragstellerin eine Vereinbarung getroffen, wonach aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht vollstreckt werden solle. Schließlich verstoße das Urteil des Tribunale di Udine gegen den deutschen ordre public, weil die dem Antragsgegner vom italienischen Gericht auferlegten Unterhaltsverpflichtungen nach den für die Unterhaltsbemessung in Deutschland geltenden Maßstäben eine erhebliche Überforderung des Antragsgegners darstellen würden.
8
Nach Eingang der Beschwerdebegründung erließ das Oberlandesgericht am 12. Oktober 2005 eine Hinweisverfügung. Darin wurde der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass seine Einwände gegen die Höhe der titulierten Unterhaltsforderungen nach Ansicht des Gerichts keine Unvereinbarkeit mit dem deutschen ordre public rechtfertigen würden. Weiter heißt es: "Zu prüfen ist allerdings der auf Art. 34 Nr. 2 EuGVVO gestützte Einwand. Die Kopie des Zustellungsbeleges mit Poststempel vom 11.12.2003 lässt nicht erkennen, was und vor allem an wen zugestellt worden ist. Nach den eigenen Angaben der Antragstellerin arbeitete und wohnte der Antragsgegner zum Zustellungszeitpunkt in Deutschland. Aus der Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO können keine weiteren Erkenntnisse gezogen werden, weil sie nicht vorgelegt worden ist. (…)"
9
Nach Stellungnahme der Parteien auf diesen Hinweis wies das Oberlandesgericht die Beschwerde des Antragsgegners durch Beschluss vom 13. Dezember 2005 zurück. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners , mit der er sein Ziel weiterverfolgt, dem Urteil des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 bezüglich der darin titulierten Unterhaltsverpflichtungen die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu versagen.

II.

10
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG statthaft. Sie ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache erfor- derlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). In der Sache hat die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg.
11
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dass dem Antrag der Antragstellerin zwar keine Bescheinigung gemäß Art. 54 Brüssel I-VO beigefügt gewesen sei. Auf diese Bescheinigung habe aber gemäß Art. 55 Brüssel I-VO verzichtet werden können, weil sich auch aus anderen Unterlagen ergebe, dass keine Anerkennungshindernisse, auch nicht nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO, vorlägen. Ausweislich des in Ablichtung beigefügten "Rückscheines" sei der Antragsgegner am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) zur mündlichen Anhörung am 19. Januar 2004 geladen worden. Der Antragsgegner habe selbst nicht behauptet, dass er die Klageschrift nicht erhalten habe, wobei die bei den Akten befindliche Ablichtung der Klageschrift auch einen Vermerk über deren Zustellung am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) trage. Der zweite Halbsatz des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO (Möglichkeit eines Rechtsbehelfs im Ursprungsstaat) komme schon deshalb nicht zur Anwendung. Im Übrigen sei weder vorgetragen noch ersichtlich, warum eine Zustellung des Urteils im März 2004 den Antragsgegner an der Einlegung eines Rechtsmittels gehindert haben solle, denn auch nach italienischem Recht laufe die Rechtsmittelfrist ab Zustellung der Entscheidung.
12
Es sei auch unerheblich, wann der Antragsgegner das Urteil selbst erhalten habe, weil eine Vollstreckbarerklärung auch dann möglich wäre, wenn ihm das Urteil erstmals mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung zugestellt worden wäre. Die sachlichen Einwendungen gegen seine Unterhaltspflicht berührten den deutschen ordre public nicht, weil schon mangels hinreichenden Vortrags zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine zur "Enteignung" führende Zahlungsverpflichtung dargetan sei. Soweit sich der Antragsgegner auf eine mündliche Vereinbarung mit der Antragstellerin berufe, aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht zu vollstrecken, ergebe sich schon aus dem Vorgehen der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren, dass diese sich dadurch nicht (mehr) gebunden fühle. Es könne deshalb dahinstehen, ob solche Einwendungen im Verfahren der Vollstreckbarerklärung überhaupt berücksichtigt werden könnten.
13
Soweit das Landgericht auch die im Urteil des Tribunale di Udine zu Ziffer 4 des Tenors ausgesprochene Verpflichtung zur Übernahme der Erziehungs - und Pflegekosten für vollstreckbar erklärt habe, bedürfe es keiner Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil die mangelnde Vollstreckbarkeit dieser Verpflichtung offenkundig sei.
14
2. Zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass das Fehlen einer Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO der Vollstreckbarerklärung des italienischen Urteils nicht entgegensteht.
15
Das Rechtsbehelfsgericht darf grundsätzlich all diejenigen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung prüfen, die schon die erste Instanz hatte prüfen dürfen (Rauscher/Mankowski Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 45 Brüssel I-VO Rdn. 3). Dazu gehört insbesondere die zur Frage der Zulässigkeit gehörende Prüfung, ob die gemäß Art. 53 Brüssel I-VO erforderlichen Urkunden vorgelegt worden sind (vgl. Schlosser EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 43 EuGVVO Rdn. 13).
16
a) Gemäß Artt. 53 Abs. 2, 54 Brüssel I-VO hat die Partei, die eine Vollstreckbarerklärung beantragt, mit der Ausfertigung der Entscheidung eine Bescheinigung unter Verwendung eines Formblattes (Anhang V zur Brüssel I-VO) vorzulegen. Wird diese formularmäßige Bescheinigung nicht vorgelegt und verzichtet das Gericht auf eine Bestimmung einer Frist, innerhalb derer die Bescheinigung beizubringen ist, kann sich das Vollstreckungsgericht mit einer gleichwertigen Urkunde begnügen oder die Partei ausnahmsweise von der Beibringung der Bescheinigung befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält (Art. 55 Abs. 1 Brüssel I-VO). Nach diesen Maßstäben sind hier die Förmlichkeiten für eine Vollstreckbarerklärung des Urteils des Tribunale di Udine erfüllt.
17
b) Soweit es um die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Antragsgegner geht, liegt jedenfalls eine "gleichwertige Urkunde" im Sinne des Art. 55 Abs. 1 Brüssel I-VO vor. Als solche, der formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO gleichwertige Urkunden sind insbesondere beglaubigte Abschriften von Dokumenten aus den Gerichtsakten des Urteilsstaates anzusehen (Schlosser aaO Art. 55 EuGVVO Rdn. 4; Hk-ZPO/ Dörner Art. 55 EuGVVO Rdn. 2).
18
Nach Art. 140 der italienischen Zivilprozessordnung (Codice di Procedura Civile - im Folgenden: c.p.c.) erfolgt die (Ersatz-) Zustellung eines Schriftstückes durch den Gerichtsvollzieher gegenüber einem zeitweilig abwesenden Adressaten durch Hinterlegung einer Abschrift des Schriftstückes im Gemeindeamt sowie durch Anheften einer Hinterlegungsanzeige an der Tür der Wohnung , des Büros oder der Geschäftsräume des Adressaten und durch Sendung eines Einschreibens mit Rückschein an den Adressaten, in dem er nochmals über die Hinterlegung des Schriftstücks informiert wird.
19
Es ergibt sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Zustellungsbericht des Gerichtsvollziehers (Art. 148 c.p.c.), dass am 11. Dezember 2003 auf Ersuchen der italienischen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem Antragsgegner ein Schriftstück unter der Anschrift der letzten Ehewohnung in Fagagna persönlich zugestellt werden sollte. Aus dem Zustellungsbericht ergibt sich weiter, dass das Schriftstück wegen der Abwesenheit des Adressaten auf dem Gemeindeamt in Fagagna hinterlegt, eine Mitteilung über die Hinterlegung an die Wohnungstür angeheftet und unter der Registernummer 09879346127-1 ein Einschreiben mit Rückschein zur Benachrichtigung des Adressaten über die Hinterlegung eines an ihn gerichteten Schriftstückes abgesendet wurde. Aus der in den Akten enthaltenen Ablichtung des Rückscheins lässt sich anhand des Poststempels entnehmen, dass durch den Gerichtsvollzieher ein Einschreiben mit gleicher Registernummer am 11. Dezember 2003 in Udine zur Post gegeben worden ist. Damit gilt die Zustellung als erfolgt; andere Informationen in Bezug auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks wären auch einer formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO nicht zu entnehmen gewesen. Ob die dadurch urkundlich belegte Zustellung vom 11. Dezember 2003 tatsächlich rechtzeitig und in einer die Verteidigung ermöglichenden Art und Weise vorgenommen wurde, ist für die Prüfung der Förmlichkeiten ohne Belang.
20
c) Allerdings erschöpfen sich die Informationen, die sich aus der Bescheinigung nach Art. 54 Abs. 1 Brüssel I-VO ergeben sollen, nicht auf das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaates, welche in dem Formblatt nach Art. 54 Brüssel I-VO ebenfalls zu bescheinigen ist, ergibt sich im vorliegenden Fall aber daraus, dass das Urteil des Tribunale di Udine mit einem Rechtskraftvermerk und der Vollstreckungsklausel versehen ist.
21
3. Ebenfalls im Ergebnis zutreffend ist die Beurteilung des Oberlandesgerichts , dass der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Tribunale di Udine nicht entgegensteht. Nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO wird eine Entscheidung nicht anerkannt und damit nach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO nicht für vollstreckbar erklärt, wenn dem Beklagten, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.
22
a) Dabei ist es umstritten, ob der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 Abs. 1 Brüssel I-VO von Amts wegen zu prüfen ist oder nur auf eine entsprechende Rüge des Beklagten berücksichtigt werden kann.
23
Teilweise wird angenommen, dass unter Berücksichtigung des besonderen Beschleunigungs- und Vereinfachungsgebots unter der Geltung der Brüssel I-VO keine Veranlassung besteht, das Rechtsbehelfsverfahren dadurch zu verzögern , dass das Beschwerdegericht von Amts wegen Anerkennungshindernisse prüft, auf die sich der Schuldner überhaupt nicht berufen hat. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der betroffene Versagungsgrund - wie in den Fällen der Versagung rechtlichen Gehörs im erststaatlichen Verfahren - allein dem Schutz des Beklagten, nicht aber auch innerstaatlichen Belangen des Vollstreckungsstaates dient (vgl. Geimer/Schütze/Geimer Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 101; Schlosser aaO Art. 34-36 EuGVVO Rdn. 21; Rauscher/Leible aaO Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 41; nun wohl auch Kropholler Europäisches Zivilverfahrensrecht 8. Aufl. vor Art. 33 EuGVO Rdn. 6 und Art. 34 EuGVO Rdn. 45).
24
Demgegenüber geht eine abweichende Ansicht davon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 Abs. 1 Brüssel I-VO eine verspätete oder mangelhafte Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks schon von Amts wegen berücksichtigt werden müsse (Musielak/Weth ZPO 5. Aufl. Art. 34 VO [EG] 44/2001 Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 63. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 6; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 4. Aufl. Rdn. 882; Hk-ZPO/Dörner aaO Art. 45 EuGVVO Rdn. 1; Thomas/Putzo/ Hüßtege ZPO 28. Aufl. Art. 45 EuGVVO Rdn. 5; Bülow/Böckstiegel/Tschauner Der Internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 34 VO (EG) Nr. 44/2001 Rdn. 51), wie dies bereits der in Deutschland und Österreich herrschenden Ansicht und Rechtspraxis zu Art. 27 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 197- II, 774 - im Folgenden: EuGVÜ) entsprochen hat (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: OLG Köln VersR 1989, 727; OLG Koblenz IPRspr 1990, Nr. 203 und IPRspr 1990 Nr. 212; Linke RIW 1986, 409, 410; Stürner in: FS für Nagel (1987) S. 446, 452; Wiehe Zustellungen, Zustellungsmängel und Urteilsanerkennung am Beispiel fiktiver Inlandszustellungen in Deutschland, Frankreich und den USA (1993) S. 212 f.; Fahl Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem EuGVÜ (1993) S. 53; vgl. für Österreich: OGH Wien Entscheidung vom 20. September 2000 - 3 Ob 179/00w - ZfRV 2001, 114, 116; Czernich/ Tiefenthaler Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Europäisches Gerichtsstands - und Vollstreckungsrecht Art. 27 LGVÜ/EuGVÜ Rdn. 20).
25
b) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Die Verpflichtung zur Prüfung von Amts wegen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 34 Brüssel I-VO ("wird nicht anerkannt, wenn"), der das Fehlen von Versagungsgründen ausdrücklich zur negativen Tatbestandsvoraussetzung bestimmt. Der Wortlaut des Art. 34 Brüssel I-VO hat insoweit gegenüber Art. 27 EuGVÜ keine Veränderungen erfahren. Hätte der EU-Verordnungsgeber eine Rügepflicht des Beklagten für das Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen statuieren wollen, hätte es nahegelegen, dies - wie in § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO - im Verordnungstext eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Für eine amtswegige Prüfung von Anerkennungsversagungsgründen unter der Geltung der Brüssel I-VO spricht ferner, dass die Urkundenvorlage nach Art. 53 Abs. 2, 54 Brüssel I-VO notwendige Förmlichkeit eines jeden Antrages auf Vollstreckbarerklärung ist. Das in dem Formblatt gemäß Art. 54 Brüssel I-VO dokumentierte Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes bei einseitigen Verfahren im Ursprungssaat kann indessen keinen anderen Sinn haben als den, den zuständigen Stellen im Vollstreckungsstaat für jeden Einzelfall die Prüfung zu ermöglichen , ob die Zustellung rechtzeitig im Sinne des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO erfolgt ist. Da dies den Gerichten erster Instanz wegen Art. 41 Satz 1 Brüssel I-VO ausdrücklich verwehrt ist, kann diese Prüfung nur durch die Rechtsbehelfsgerichte erfolgen.
26
c) Allerdings impliziert die Verpflichtung zur amtswegigen Prüfung der Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der Brüssel I-VO nicht gleichzeitig die Verpflichtung zu einer Amtsermittlung der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen. Die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung richtet sich grundsätzlich nach dem autonomen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates (Senatsbeschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05 - zur Veröffentlichung bestimmt), so dass in Deutschland grundsätzlich vom allgemeinen zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz auszugehen ist (Kropholler aaO vor Art. 33 EuGVO Rdn. 8).
27
Soweit der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO betroffen ist, muss der Kläger des erststaatlichen Verfahrens im Hinblick auf die ihm gemäß Art. 53 Brüssel I-VO auferlegten Pflichten darlegen und durch Vorlage der formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO oder gleichwertiger Urkunden nachweisen, zu welchem Zeitpunkt die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes an den Beklagten erfolgte (OLG Hamm IPRspr 2003, Nr. 188; Rauscher/Leible aaO Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 42; Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. Art. 34 EG-VO Zivil- und Handelssachen Rdn. 27). Auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kommt es für Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO im Gegensatz zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht mehr an. Der EU-Verordnungsgeber hat es bewusst ausschließen wollen, dass ein bloß formaler und für die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners unmaßgeblicher Zustellungsfehler dazu führt, die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung zurückzuweisen (vgl. Begründung zu Art. 41 des Kommissionsentwurfs KOM 1999 (348) endg. BR-Drucks. 534/99, S. 24; EuGH Urteil vom 14. Dezember 2006 - Rs. C-283/05 - NJW 2007, 825, 826 Rdn. 20 - ASML Netherlands/SEMIS; BGH Beschluss vom 9. November 2006 - IX ZB 23/06 - NJW-RR 2007, 638).
28
Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kann unter der Geltung der Brüssel I-VO aber im Rahmen der Sachverhaltsermittlung weiterhin von Bedeutung sein. Schwerwiegende Mängel bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes werden regelmäßig ein starkes Indiz dafür sein, dass dem Schuldner im Ursprungsstaat kein ausreichendes rechtliches Gehör bei der Verfahrenseinleitung gewährt worden ist (vgl. auch Kropholler aaO Art. 34 EuGVO Rdn. 40). Es ist deshalb im Vollstreckbarerklärungsverfahren besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück trotz eines formellen Zustellungsfehlers so rechtzeitig erhalten hat oder erhalten konnte, dass er sich im ursprungsstaatlichen Verfahren effektiv zu verteidigen vermochte.
29
d) Bezüglich der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Antragsgegner den Erhalt der Klageschrift nicht bestritten habe und die bei den Akten befindliche Ablichtung (der Klageschrift) einen Vermerk über deren Zustellung am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) trage.
30
aa) Soweit das Oberlandesgericht daraus allerdings geschlossen hat, dass die Zustellung der Klageschrift im Hinblick auf den am 19. Januar 2004 anberaumten Verhandlungstermin rechtzeitig im Sinne des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO erfolgt sein muss, begegnet dies schon im Ausgangspunkt rechtlichen Bedenken. Richtig ist zwar, dass der zur Vorbereitung der Verteidigung geforderte Zeitraum im Regelfall mit der ordnungsgemäßen Zustellung am Wohnsitz des Beklagten oder an einem anderen Ort beginnt, wenn nicht ausnahmsweise außergewöhnliche Umstände die Annahme nahe legen, dass auch eine nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht ordnungsgemäße Zustellung nicht genügte, um den für die Verteidigung eingeräumten Zeitraum beginnen zu lassen (EuGH Urteil vom 16. Juni 1981 - Rs. 166/80 - Slg. 1981, 1593, 1601 Rdn. 19 - Klomps/Michel; Kropholler aaO Art. 34 EuGVO Rdn. 36). Auf diesen Erfahrungssatz konnte sich das Oberlandesgericht aber nur dann stützen, wenn die (Ersatz-) Zustellung durch Hinterlegung des Schriftstückes auf dem Gemeindeamt nach italienischem Verfahrensrecht ordnungsgemäß war. Dies setzt wiederum die Feststellung voraus, dass der Antragsgegner zum angenommenen (Ersatz-) Zustellungszeitpunkt am 11. Dezember 2003 in der Gemeinde, in der die Zustellung vorgenommen wurde, seinen Wohnsitz, wenigstens aber seinen Aufenthaltsort oder sein Domizil gehabt hat (vgl. Art. 139 c.p.c.). Dies allerdings erschien dem Oberlandesgericht - wie sein am 12. Oktober 2005 erteilter Hinweis ergibt - selbst zweifelhaft; eine Zustellung nach den für die Wohnsitzzustellung maßgebenden Vorschriften an einem Ort, an dem der Adressat tatsächlich keinen Wohnsitz (mehr) hat, leidet indessen an einem schwerwiegenden Mangel (vgl. OLG Köln IPRspr 2002, Nr. 196 = IPrax 2004, 115 ff.). Feststellungen dazu, wann der Antragsgegner trotz einer möglicherweise ordnungswidrigen Zustellung vom Inhalt der Klageschrift tatsächlich hätte Kenntnis nehmen können , hat das Oberlandesgericht nicht getroffen.
31
bb) Darüber hinaus macht die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend, dass das Oberlandesgericht angesichts des durch die Verfügung vom 12. Oktober 2005 erteilten Hinweises durch seine Entscheidung den Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe.
32
Ein Gericht verletzt die aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und aus Art. 103 Abs. 1 GG herzuleitenden Prozessgrundrechte des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es einen Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und anschließend entgegengesetzt entscheidet, ohne die Verfahrensbeteiligten auf die Änderung seiner aus dem Hinweis ersichtlichen Beurteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hingewiesen und ihnen insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (vgl. hierzu BVerfG NJW 1996, 3202 f.; BFH Beschluss vom 7. Juli 2003 - VIII B 228/02 - BFH/NV 2003, 1440 f.). Dies gilt auch für die von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte, für die § 139 Abs. 3 ZPO ausdrücklich eine Hinweispflicht des Gerichts vorsieht.
33
Das Oberlandesgericht hatte die Parteien durch Verfügung vom 12. Oktober 2005 unter anderem darauf hingewiesen, dass die Empfangsbestätigung mit Poststempel vom 11. Dezember 2003 nicht erkennen lasse, welches Schriftstück an welche Person zugestellt worden sei. Nach dem Inhalt dieser Verfügung konnten die Parteien davon ausgehen, dass die von der Antragstellerin bislang vorgelegten Nachweise nicht ausreichen würden, um dem Oberlandesgericht Feststellungen zum Zeitpunkt und zur Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Klageschrift zu ermöglichen. Dieser Beurteilung steht es entgegen , dass sich das Oberlandesgericht bei seiner Feststellung, die Zustellung der Klageschrift sei am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) und damit rechtzeitig erfolgt, allein auf den Inhalt des Zustellungsberichts und damit auf den Aktenstoff gestützt hat, welcher ihm bereits vor der Erteilung der Hinweisverfügung vorlag.
34
cc) Auf diese Gesichtspunkte kommt es indessen nicht an, denn die Beurteilung des Oberlandesgerichts, dass ein Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO nicht gegeben sei, stellt sich aus anderem Grunde als richtig dar.
35
e) Der Beklagte kann sich nämlich auf die fehlende Rechtzeitigkeit oder eine ihn in seiner Verteidigung behindernde Art und Weise der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berufen, wenn er es versäumt, die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat einzulegen, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren im Ursprungsstaat nicht eingelassen hat, hat dann die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen, wenn er von den Gründen des Urteils Kenntnis erlangt, was voraussetzt, dass ihm dieses Urteil zugestellt worden ist (EuGH Urteil vom 14. Dezember 2006 aaO S. 827 Rdn. 40). Indessen ist - ebenso wie bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks - die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Versäumnisentscheidung keine zwingende Voraussetzung dafür, dass der Beklagte die Möglichkeit hatte, einen Rechtsbehelf einzulegen; es genügt vielmehr jede rechtzeitige Zustellung in der Weise, dass der Beklagte sich vor den Gerichten des Ursprungsstaates verteidigen kann (EuGH Urteil vom 14. Dezember 2006 aaO S. 827 Rdn. 41 ff.).
36
aa) Angesichts der vom EuGH aufgezeigten Parallelen zwischen der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes und der Zustellung der Versäumnisentscheidung liegt es zwar nahe, dass der Kläger des erststaatlichen Verfahrens die Zustellung des im Ursprungsstaat ergangenen Urteils darlegen muss, zumal es dem Kläger in der Regel möglich und zumutbar ist, sich die erforderlichen Informationen über die Zustellung zu beschaffen und diese zu si- chern. Insoweit sind die maßgeblichen Tatsachen hier allerdings unstreitig. Der Antragsgegner hat selbst vorgetragen, das auf "einem Postamt" für ihn hinterlegte Urteil im Frühjahr 2004 erhalten zu haben, so dass er von diesem Zeitpunkt an jedenfalls nicht mehr durch die mangelnde Kenntnis von den Urteilsgründen an der Einlegung eines Rechtsbehelfs gehindert wurde.
37
bb) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Antragsgegner, nachdem ihm das Urteil zugestellt wurde, nach den einschlägigen Vorschriften des italienischen Verfahrensrechts (noch) die rechtliche Möglichkeit hatte, einen statthaften Rechtsbehelf gegen das Urteil des Tribunale di Udine einzulegen. Diese Frage ist nicht nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast zu beurteilen, denn ausländische Rechtsnormen sind Rechtssätze und keine Tatsachen und deshalb nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen zu ermitteln ; eine Verletzung dieser Ermittlungspflicht kann auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde mit der Verfahrensrüge beanstandet werden (vgl. zuletzt BGH Urteil vom 25. Oktober 2006 - VII ZB 24/06 - NJW-RR 2007, 574, 575).
38
Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Antragsgegner in Italien ein statthafter Rechtsbehelf gegen das Urteil des Tribunale di Udine zur Verfügung gestanden hat. Nach italienischem Zivilprozessrecht findet gegen Urteile der ersten Instanz das Rechtsmittel der Berufung statt (Artt. 323, 339 c.p.c.), das innerhalb von dreißig Tagen nach der Zustellung des Urteils erhoben werden muss (Artt. 325, 326 c.p.c.). Der Beginn der Rechtsmittelfrist setzt eine nach italienischem Verfahrensrecht ordnungsgemäße Zustellung voraus. Das Vorbringen des Antragsgegners zur Hinterlegung des Urteils auf dem Postamt in Italien lässt indessen darauf schließen, dass die Zustellung des Urteils nicht durch den Gerichtsvollzieher persönlich, sondern mit Hilfe der Post (Art. 1 des Gesetzes Nr. 890 vom 20. November 1982) an die Anschrift der vormaligen Ehewohnung in Fagagna erfolgte. Wenn der Antragsgegner - wie er selbst behauptet - dort keinen Wohnsitz, keinen Aufenthaltsort und kein Domizil hatte, war diese Zustellung nach italienischem Verfahrensrecht unwirksam und konnte demzufolge die dreißigtägige Berufungsfrist nicht in Lauf setzen. Unabhängig von der (wirksamen) Zustellung des Urteils kann die Berufung nach Ablauf eines Jahres ab der Veröffentlichung des Urteils - d.h. ab der Übergabe des vollständig abgefassten Urteils an die Geschäftsstelle - nicht mehr erhoben werden (Art. 327 Abs. 1 c.p.c.). Diese (absolute) Rechtsmittelfrist war noch nicht abgelaufen, als der Antragsgegner im Frühjahr 2004 von den Urteilsgründen Kenntnis erhielt.
39
cc) Demzufolge kann bereits auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts festgestellt werden, dass der Antragsgegner die Möglichkeit hatte, nach dem Empfang des auf dem Postamt hinterlegten Urteils das Rechtsmittel der Berufung einzulegen. Weitergehende Feststellungen sind nicht erforderlich; insbesondere kommt es - wovon der Antragsgegner in der Beschwerdeinstanz offensichtlich ausging - nicht darauf an, ob die ausländische Entscheidung noch im Zeitpunkt der Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens anfechtbar war.
40
4. Auch die Rüge, dass das Oberlandesgericht keine genügenden Feststellungen dazu getroffen habe, ob sich die Antragsgegnerin von dem "Vollstreckungsvertrag" mit dem Antragsgegner einseitig habe lösen können, verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.
41
a) Gemäß § 12 Abs. 1 AVAG kann der Verpflichtete mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen , als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der Entscheidung im Ursprungsstaat entstanden sind. Auf den vorliegenden Fall kann § 12 Abs. 1 AVAG schon deshalb nicht unmittelbar angewendet werden, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur solche materiell-rechtlichen Einwendungen erfasst, die sich gegen den titulierten Anspruch richten und ansonsten im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zu verfolgen wären. Dies trifft auf Vereinbarungen, mit denen sich der Gläubiger gegenüber dem Schuldner verpflichtet, von einem erwirkten Titel ganz, teilweise oder zeitweise keinen Gebrauch zu machen, grundsätzlich nur dann zu, wenn der Schuldner geltend macht, die vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung betreffe (auch) den materiell -rechtlichen Anspruch, habe also beispielsweise (auch) Erlass- oder Stundungswirkungen. Da sich dies dem Vorbringen des Antragsgegners nicht entnehmen lässt, kommt hier allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 12 AVAG in Betracht (vgl. zur analogen Anwendung von § 767 ZPO auf nur vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen: BGH Urteile vom 2. April 1991 - VI ZR 241/90 - NJW 1991, 2295, 2296 und vom 7. März 2002 - IX ZR 293/00 - NJW 2002, 1788; vgl. auch Karsten Schmidt in FS 50 Jahre Bundesgerichtshof Band III [2000] S. 498 ff.).
42
b) Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass der Wortlaut von Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO, wonach die Vollstreckbarerklärung nur aus den in Art. 34 und 35 Brüssel I-VO enumerierten Versagungsgründen aufgehoben oder versagt werden dürfe, einer Anwendung von § 12 AVAG in Verfahren nach der Brüssel I-VO nicht von vornherein entgegensteht. Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO beschreibt insoweit lediglich den Prüfungsrahmen, in dem die Rechtsbehelfsgerichte des Vollstreckungsstaates zum einen den materiellen Gehalt der Entscheidung und zum anderen ihr Zustandekommen überprüfen dürfen; im Übrigen gilt das Verbot der Nachprüfung in der Sache (révision au fond, Art. 45 Abs. 2 Brüssel I-VO). Die Behandlung von nachträglichen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen, die dem Gericht im Ursprungsstaat vor Erlass der Entscheidung nicht zur Überprüfung gestellt werden konnten und deren Berücksichtigung im Exequaturverfahren demzufolge auch keinen Verstoß gegen das Verbot der révision au fond darstellen würde, fällt nicht in den Regelungsbereich der Brüssel I-VO (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 14. März 2007 - XII ZB 174/04 - FamRZ 2007, 989, 992 = BGHZ 171, 310). Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ (EuGH Urteil vom 29. April 1999 - Rs. C-267/97 - Slg. 1999, I-2543, I-2570 Rdn. 24, I-2572 Rdn. 32 = IPrax 2000, 18 ff. - Coursier/Fortis Bank) hat der Senat den auf § 12 Abs. 1 AVAG gestützten Einwand der nachträglichen Erfüllung im Exequaturverfahren nach der Brüssel I-VO jedenfalls dann zugelassen, wenn die Erfüllung unstreitig geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 2007 aaO S. 992 f.).
43
c) Ob diese Grundsätze auch in Fällen anzuwenden sind, in denen der Schuldner eine nachträgliche vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung behauptet , bedarf hier jedoch keiner näheren Erörterung. Das Oberlandesgericht hat angenommen, das nicht näher substantiierte Vorbringen des Antragsgegners , es bestehe zwischen den Parteien ein Vollstreckungsvertrag, wonach aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht vollstreckt werden solle, schließe es nicht aus, dass sich die Antragstellerin von diesem Vertrag - etwa durch ordentliche Kündigung oder vorbehaltenen Rücktritt - wieder lösen könne. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
44
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass gerade bei solchen scheinbar eindeutigen Vereinbarungen, die als Verzicht oder in ähnlicher Weise gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet und den der Erklärung zu Grunde liegenden Umständen besondere Bedeutung beigemessen werden muss (BGH Urteile vom 10. Mai 2001 - VII ZR 356/00 - NJW 2001, 2325, 2326 und vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00 - NJW 2002, 1044, 1046). Denn die Lebenserfahrung spricht im Allgemeinen dagegen, dass ein Gläubiger sein Forderungsrecht wieder auf- geben will. Dies gilt umso mehr, wenn der Gläubiger bereits über einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Titel verfügt und sich durch einen Vollstreckungsverzicht der Möglichkeiten begibt, sein vor Gericht bereits erstrittenes Recht auch durchzusetzen. Es bedarf deshalb grundsätzlich der Darlegung eines plausiblen Grundes, warum der Gläubiger auf sein Recht verzichten sollte, wenn ein solcher Grund sonst nicht ersichtlich ist (vgl. BGH Urteil vom 10. Mai 2001 aaO).
45
Nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine Motivation der Antragstellerin zu einem Vollstreckungsverzicht lassen sich im Ansatz nur aus der von dem Antragsgegner vorgelegten außergerichtlichen Korrespondenz entnehmen. Soweit er sich insbesondere auf eine Erklärung der Antragstellerin beruft, wonach "ihr klar sei", dass "das italienische Urteil die finanziellen Möglichkeiten" des Antragsgegners überschreite, lässt dies nicht einmal ohne weiteres den Schluss auf einen Willen zur rechtlichen Bindung der Antragstellerin zu. Denn eine Erklärung dieses Inhalts könnte auch dahin verstanden werden, dass die Antragstellerin eine Abstandnahme von Zwangsvollstreckungshandlungen nur deshalb in Aussicht gestellt hat, weil ihr der Erfolg solcher Beitreibungsversuche angesichts der Einkommensverhältnisse des Antragsgegners zweifelhaft erschien, nicht aber, weil sie sich gegenüber dem Antragsgegner hierzu rechtlich verpflichten wollte. Da für die Antragstellerin kein einleuchtender Grund bestand, die rechtskräftige Entscheidung des Tribunale di Udine in der Sache nachprüfen zu lassen, kann diese Erklärung selbst bei Annahme eines Rechtsbindungswillens bei interessengerechter Auslegung durchaus in der Weise gewürdigt werden , dass die Antragstellerin ihre Vorstellung von der unterhaltsrechtlichen Leistungsunfähigkeit des Antragstellers zur Geschäftsgrundlage für eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung machen wollte. Dass sich diese Vorstellung bei Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens verändert haben muss, ergibt sich schon aus dem außergerichtlichen Schriftsatz der Prozessbe- vollmächtigten der Antragstellerin vom 13. September 2005, in dem behauptet wurde, dass der Antragsgegner nicht nur über das von ihm zugestandene Nettoeinkommen bei der Firma F. in monatlicher Höhe von 10.000 €, sondern auch über weitere Einkünfte aus "Firmen und Beteiligungen" in Höhe von "mindestens 100.000,00 € jährlich" verfüge.
Hahne Sprick Weber-Monecke Fuchs Dose

Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 21.07.2005 - 3 O 306/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 13.12.2005 - 29 W 45/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 217/05
vom
28. November 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 284; Lugano-Übk 1988 (LugÜ) Art. 27 Nr. 2; HUVollstrÜbk Art. 6

a) Zur Zulässigkeit des Freibeweises im zivilprozessualen Beschwerdeverfahren.

b) Ob die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach dem Verfahrensrecht
des Ursprungsstaates ordnungsgemäß war, haben die Gerichte
des Vollstreckungsstaates im Rahmen des Art. 6 HUVÜ bzw. des Art. 27
Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ in eigener Zuständigkeit und Verantwortung ohne Bindung
an die Feststellungen der Gerichte im Ursprungsstaat zu beurteilen.

c) Ob eine nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsstaates ordnungsgemäße
fiktive Zustellung so rechtzeitig erfolgte, dass der Schuldner eine im Sinne
von Art. 6 HUVÜ bzw. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ ausreichende Zeit zu seiner
Verteidigung hatte, beurteilt sich unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalles sowie unter Abwägung der schützenswerten Interessen des
Gläubigers und des Schuldners.
BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05 - OLG Bamberg
LG Coburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. November 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 7. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. Oktober 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: bis 65.000 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines schweizerischen Unterhaltstitels.
2
Die Parteien sind italienische Staatsangehörige und haben im Jahre 1970 in C. (Graubünden/Schweiz) die Ehe geschlossen, wo sie nach der Eheschließung auch ihren gemeinsamen Wohnsitz nahmen. Aus der Ehe sind zwei mittlerweile volljährige Söhne - der 1971 geborene D. und der 1978 gebo- rene F. - hervorgegangen. Im Jahre 1985 verließ der Antragsgegner die Schweiz im Zusammenhang mit einem dort gegen ihn geführten Strafverfahren; seither bestand kein weiterer Kontakt mehr zur Antragstellerin.
3
Durch Prozesseingabe vom 26. September 1994 beantragte die Antragstellerin bei dem Bezirksgericht P. (Graubünden/Schweiz) die Ehescheidung und die Regelung verschiedener Scheidungsfolgen. Das angerufene Bezirksgericht P. bewilligte die Zustellung der Prozesseingabe und der Ladung des Antragsgegners zur Hauptverhandlung durch öffentliche Bekanntmachung im kantonalen Amtsblatt, ohne dass sich der Antragsgegner daraufhin auf das Verfahren einließ. Durch ein im Kontumazverfahren (Säumnisverfahren) ergangenes Urteil des Bezirksgerichts P. vom 31. März 1995 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Der Antragsgegner wurde ferner verurteilt, an die Antragstellerin einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 500,00 CHF sowie einen monatlichen Kindesunterhalt für den Sohn F. in Höhe von 500,00 CHF bis längstens zu dessen Mündigkeit zu zahlen; ferner wurde angeordnet, die ausgesprochenen Unterhaltszahlungen nach dem Landesindex der Konsumentenpreise anzupassen.
4
Durch einen bei dem Landgericht Co. im April 2005 angebrachten Antrag begehrte die Antragstellerin, das Urteil des Bezirksgerichts P. vom 31. März 1995 hinsichtlich der darin enthaltenen Aussprüche zum Ehegattenund Kindesunterhalt nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (BGBl. 1986 II S. 826, im Folgenden: HUVÜ 73) durch Erteilung der Vollstreckungsklausel für vollstreckbar zu erklären. Die Klauselerteilung wurde durch Beschluss vom 29. April 2005 durch den Vorsitzenden der zuständigen Zivilkammer angeordnet.
5
Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde des Antragsgegners , mit der er geltend machte, dass die Voraussetzungen für eine Ediktalzustellung (öffentliche Zustellung) nicht vorgelegen hätten. Er sei seit dem 1. März 1992 mit seinem einzigen Wohnsitz in R. (Bayern) ordnungsgemäß gemeldet. Er besitze in R. seit dieser Zeit einen Festnetzanschluss mit einer unverändert gebliebenen Telefonnummer. Der Zeuge B. habe dem gemeinsamen Sohn D. der Parteien im Jahre 1992 anlässlich eines Besuches in dem von dem Zeugen B. betriebenen Nachtlokal Anschrift und Telefonnummer des Antragsgegners in Deutschland mitgeteilt. Dass auch der Antragstellerin die deutsche Telefonnummer im Vorfeld des Scheidungsverfahrens bekannt gewesen sein müsse, erschließe sich auch daraus, dass er - der Antragsgegner - im Jahre 1995 unter dieser Telefonnummer von dem seinerzeitigen schweizerischen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, Rechtsanwalt Dr. M., angerufen worden sei, um ihn von der Enterbung durch die Antragstellerin zu informieren. Von einem Scheidungsverfahren sei nicht die Rede gewesen. Die Antragstellerin habe zudem gewusst, dass der Antragsgegner jederzeit über seine Mutter und seine Schwester zu erreichen gewesen sei, die beide seit jeher in C. (Italien ) lebten.
6
Die Antragstellerin trat dem Vorbringen des Antragsgegners entgegen. Der Aufenthaltsort des Antragsgegners in Deutschland sei sowohl ihr als auch ihren beiden Söhnen D. und F. bis zum Jahre 2003 unbekannt gewesen. Sie habe erfolglos versucht, den Aufenthaltsort des Antragsgegners durch eine Nachfrage beim italienischen Konsulat in der Schweiz und durch ein - unbeantwortet gebliebenes - Schreiben an die Schwester des Antragsgegners in C. (Italien) zu ermitteln. Nicht der schweizerische Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin habe nach Klageerhebung bei dem Antragsgegner angerufen, sondern umgekehrt habe der Antragsgegner vor der Hauptverhandlung fernmündlichen Kontakt zu dem Rechtsanwalt Dr. M. aufgenommen. Eine Preisgabe sei- nes Aufenthaltsortes habe der Antragsgegner bei diesem Telefongespräch verweigert und vielmehr behauptet, er halte sich mal hier und mal dort auf.
7
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

8
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG statthaft. Sie ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Durchsetzung von Verfahrensgrundrechten des Antragsgegners geboten ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

III.

9
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht.
10
1. Die zum Ehegatten- und Kindesunterhalt getroffene Entscheidung des Bezirksgerichts P. könnte unter den hier obwaltenden Umständen sowohl auf Grundlage des HUVÜ 73 als auch auf Grundlage des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (im Folgenden : LugÜ) in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden.
11
a) Allerdings sind die Vorschriften des LugÜ hier nicht unmittelbar anzuwenden. Das zwischen der Schweiz und Deutschland am 1. März 1995 in Kraft getretene Übereinkommen gilt gemäß Art. 54 Abs. 1 LugÜ nur für solche Klagen , die nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens erhoben wurden, was hier nicht der Fall gewesen ist. Da das Urteil vom 31. März 1995 allerdings nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens ergangen ist, könnte die Entscheidung des Bezirksgerichts P. aufgrund des erweiterten intertemporalen Anwendungsbereichs gemäß Art. 54 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Nr. 2 LugÜ gleichwohl auch nach den Vorschriften der Artt. 25 ff. LugÜ in Deutschland anerkannt und zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden.
12
b) Ausgangspunkt für die Prüfung, nach welchen Regelungen sich das Verfahren der Vollstreckbarerklärung beurteilt, ist Art. 57 Abs. 1 LugÜ. Diese Vorschrift lässt Spezialabkommen unberührt, zu denen auch das unter anderem zwischen Deutschland und der Schweiz in Kraft befindliche HUVÜ 73 gehört. Somit besteht für den Titelgläubiger in jedem Fall die Möglichkeit, das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach den Art. 25 ff. LugÜ in Anspruch zu nehmen (Art. 57 Abs. 5 Satz 2 LugÜ), wenn das Spezialabkommen insoweit keinen Vorrang beansprucht. Ist das Spezialabkommen - wie das HUVÜ 73 - im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verfahrens offen, kann der Titelgläubiger in diesen Fällen das ihm am zweckmäßigsten erscheinende Verfahren nach seiner freien Entscheidung aus Art. 25 ff. LugÜ einerseits oder dem Spezialabkommen andererseits - in Verbindung mit den jeweiligen Ausführungsgesetzen - auswählen (vgl. zu Art. 57 EuGVÜ: EuGH Urteil vom 27. Februar 1997 - Rs. C-220/95 - Slg. 1997, I-1147, 1157 Rdn. 26 ff., 1183 Rdn. 17 - van den Boogaard/Laumen = IPrax 1999, 35; vgl. zu Art. 71 Brüssel I-VO: Senats- beschluss vom 14. März 2007 - XII ZB 174/04 - FamRZ 2007, 989, 990 = BGHZ 171, 310). Von der Möglichkeit, für ein Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach dem LugÜ zu optieren, hat die Antragstellerin keinen Gebrauch gemacht, wobei sich in Deutschland allerdings die Ausführung beider Übereinkommen nach dem AVAG richtet.
13
2. Die materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von ausländischen Unterhaltsentscheidungen ergeben sich aus den Artt. 4 ff. HUVÜ 73. Allerdings gilt im Bereich des HUVÜ 73 das Günstigkeitsprinzip des Art. 23 HUVÜ 73, wonach auch andere internationale Übereinkünfte zwischen dem Ursprungsstaat und dem Vollstreckungsstaat - hier Artt. 26 ff. LugÜ - herangezogen werden können, um eine Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung zu erreichen.
14
Einer näheren Erörterung dieser Frage bedarf es an dieser Stelle aber nicht, weil eine (nach dem autonomen Verfahrensrecht des Ursprungsstaates oder nach den im Urteilsstaat anwendbaren Staatsverträgen) ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes sowohl nach Art. 6 HUVÜ 73 als auch nach Art. 34 Abs. 2 i.V.m. Art. 27 Nr. 2 LugÜ Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Säumnisentscheidung ist. Dabei hat das Gericht des Vollstreckungsstaates die Frage, ob die erfolgte Zustellung - hier nach dem Verfahrensrecht des schweizerischen Kantons Graubünden - ordnungsgemäß gewesen ist, in jedem Falle in eigener Zuständigkeit und Verantwortung und ohne Bindung an die Feststellungen des erststaatlichen Gerichts zu beurteilen (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: EuGH Urteil vom 3. Juli 1990 - Rs. C-305/88 - Slg. 1990, I-2725, 2749 f., Rdn. 28 f. - Lancray/Peters = IPrax 1991, 177; BGH Beschluss vom 2. Oktober 1991 - IX ZB 5/91 - NJW 1992, 1239, 1241).
15
3. Im Verfahren vor den Bezirksgerichten des Kantons Graubünden ist die von der Klagepartei bei Gericht angebrachte Prozesseingabe der beklagten Partei mit der Aufforderung zuzustellen, innerhalb von zwanzig Tagen eine Prozessantwort einzureichen (Art. 84 Abs. 1 ZPO-Graubünden). Zustellungen im Wege einer öffentlichen Bekanntmachung im kantonalen Amtsblatt (sog. Ediktalzustellungen) sind entsprechend Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden in solchen Fällen vorgesehen, in denen der Aufenthalt des Prozessgegners unbekannt ist.
16
Der Aufenthalt einer Partei ist aber nicht bereits dann unbekannt, wenn die Gegenpartei oder das Gericht deren Aufenthaltsort nicht kennen. Der Begriff des "unbekannten" Aufenthalts in Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden stimmt insoweit mit demjenigen in Art. 66 Abs. 4 Nr. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbeitreibung und Konkurs (SchKG) überein. Eine Ediktalzustellung nach Art. 66 Abs. 4 Nr. 1 SchKG kommt indessen nach der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts nur in Betracht, wenn der Kläger bzw. das Gericht zuvor alle sachdienlichen Nachforschungen zur Ermittlung des Aufenthalts veranstaltet haben (vgl. bereits BGE 56 I 89, 94 f.). Der Grundsatz, dass vor einer Ediktalzustellung zweckmäßige Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Zustellungsadressaten angestellt werden müssen, gilt in gleicher Weise auch für alle kantonalen Verfahrensrechte (vgl. etwa die ausdrücklichen Regelungen in § 183 Abs. 2 GVG-Zürich, § 119 GO-Schwyz oder Art. 68 Abs. 1 ZPO-Nidwalden; vgl. auch Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. S. 235; Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht , 3. Aufl. S. 254 Fn. 76; Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr in Zivil- oder Handelssachen, S. 72; vgl. weiterhin BGE 129 I 361, 364 zu Art. 111 ZPO-Bern). Dass dies für die Auslegung von Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden nicht anders sein kann, ergibt sich auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Art. 8 der Verfassung des Kantons Graubünden ge- währleistet die Verfahrensgarantien und den Rechtsschutz im Rahmen der schweizerischen Bundesverfassung; zu diesen Verfahrensgarantien gehört auch der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung), aus denen die Verpflichtung zu Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Zustellungsadressaten unmittelbar hergeleitet wird (vgl. BGE 56 aaO S. 96).
17
4. Das Oberlandesgericht hat zu den Voraussetzungen der Ediktalzustellung das Folgende ausgeführt:
18
Die Antragstellerin und ihre beiden Söhne D. und F. hätten durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass ihnen Aufenthaltsort und Wohnsitz des Antragsgegners nicht bekannt gewesen seien. Die Glaubhaftigkeit dieser Darstellungen werde durch die verschiedenen von dem Antragsgegner vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht erschüttert. Die Erklärungen der Antragstellerin und ihrer Söhne werde nämlich durch die eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts Dr. M. bestätigt, dass ihm weder bei Klageerhebung noch im Verlaufe des Scheidungsverfahrens der Aufenthaltsort bekannt gewesen sei. Rechtsanwalt Dr. M. habe zudem bekundet, dass der Antragsgegner bei dem Telefongespräch nicht zu bewegen gewesen sei, seinen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Unter diesen Umständen begründeten die eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerin, ihrer beiden Söhne und des Rechtsanwalts Dr. M. die Überzeugung, dass der Antragstellerin der Aufenthaltsort des Antragsgegners nicht bekannt gewesen sei.
19
Das Verfahren des Beschwerdegerichts zur Tatsachenfeststellung und die von ihm vorgenommene Würdigung halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
20
a) Dies beruht aber - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht bereits darauf, dass die Gewinnung von Beweismitteln im so genannten Freibeweisverfahren schlechthin unzulässig gewesen wäre. Da weder die internationalen Übereinkommen noch das AVAG besondere Bestimmungen über die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung enthalten, richten sich diese grundsätzlich nach den einschlägigen Vorschriften der ZPO. In einem zivilprozessualen Beschwerdeverfahren (§§ 567 ff. ZPO) ist das Gericht an das sonst vorgeschriebene strenge Beweisverfahren der §§ 355 ff. ZPO nicht gebunden und auf die dort zugelassenen Beweismittel nicht beschränkt. Eine solche Beschränkung lässt sich weder aus dem Gesetz entnehmen noch aus allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen herleiten. Die Beweisaufnahmeregeln der §§ 355 ff. ZPO gelten unmittelbar nur für das landgerichtliche Erkenntnisverfahren im ersten Rechtszug; eine entsprechende Anwendung der für dieses Verfahren geltenden Vorschriften, die das Gesetz beispielsweise für das Verfahren vor den Amtsgerichten (§ 495 ZPO) sowie für das Berufungsverfahren (§ 525 ZPO) ausdrücklich angeordnet hat, ist für das Verfahren der sofortigen Beschwerde nicht vorgesehen. Auch ein allgemeiner Grundsatz, dass in allen Verfahren der ZPO vom Erfordernis des Strengbeweises auszugehen sei, lässt sich in dieser Form nicht aufstellen. Richtig ist zwar, dass bestimmte Grundlagen des Beweisrechts - insbesondere zum Vorgang der Beweiswürdigung und zum Beweismaß (§ 286 ZPO) - zu den wesentlichen Verfahrensgrundsätzen der ZPO gehören. Dies gilt aber nicht für die in §§ 355 ff. ZPO vorgeschriebene Art der Beweisaufnahme, weil diese eindeutig auf Verfahrensabschnitte zugeschnitten ist, in denen eine mündliche Verhandlung stattfindet (arg. §§ 358a, 370 Abs. 1 ZPO). In einem Beschwerdeverfahren ohne (obligatorische ) mündliche Verhandlung ist der Freibeweis demgegenüber nicht schon von vornherein ausgeschlossen (MünchKomm-ZPO/Prütting 2. Aufl. § 284 Rdn. 31; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 66. Aufl. vor § 284 Rdn. 9; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 109 Rdn. 8; HK-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 284 Rdn. 24). Daran hat sich durch die zum 1. September 2004 in Kraft getretene Neufassung des § 284 ZPO nichts geändert. § 284 Satz 2 ZPO ermöglicht es dem Gericht nunmehr, mit Zustimmung der Parteien im Wege des Freibeweises dort zu verfahren, wo bislang nur eine förmliche Beweisaufnahme nach Strengbeweisregeln stattfinden konnte. Für die Annahme, dass der Freibeweis jetzt auch in solchen Verfahrensabschnitten an das Einverständnis der Parteien gebunden sein sollte, in denen er bisher auch ohne diese Zustimmung für prozessual zulässig gehalten wurde, lässt sich indessen weder aus der Vorschrift selbst noch aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 18) etwas entnehmen.
21
b) Auch steht es der Annahme einer ordnungsgemäßen Ediktalzustellung nicht entgegen, dass den in Italien wohnenden Angehörigen des Antragsgegners dessen Aufenthaltsort in Deutschland bekannt gewesen ist. Der Aufenthaltsort einer Person kann auch dann allgemein unbekannt sein, wenn er von einem Dritten verschwiegen wird, der diesen Ort kennt (vgl. zu § 185 ZPO: Zöller /Stöber ZPO 26. Aufl. § 185 Rdn. 2). Dass die italienischen Angehörigen des Antragsgegners überhaupt bereit gewesen wären, der Antragstellerin den Aufenthaltsort des Antragsgegners in Deutschland preiszugeben, um ihr die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen gegen den Antragsgegner zu ermöglichen, behauptet der Antragsgegner selbst nicht. Darüber hinaus ist nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragstellerin ein an die Schwester des Antragsgegners gerichtetes Anwaltsschreiben mit der Bitte um Bekanntgabe der Anschrift des Antragsgegners unbeantwortet geblieben. Unter diesen Umständen durften weitere Nachforschungen bei den Angehörigen des Antragsgegners in Italien nach dessen Aufenthaltsort unterbleiben.
22
c) Bedenken begegnet demgegenüber die Feststellung des Oberlandesgerichts , dass den Söhnen der Parteien- mithin auch dem Sohn D. - in den Jahren 1994 und 1995 der Aufenthaltsort des Antragsgegners unbekannt gewesen sei. Ersichtlich und auch im Ansatz zutreffend geht das Oberlandesgericht davon aus, dass es bei der Beurteilung der Frage nach einem allgemein unbekannten Aufenthalt des Antragsgegners auch auf das Wissen der Söhne der Antragstellerin ankommen kann, weil die Antragstellerin nichts dazu vorgetragen hat, warum es ihr nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll, die erforderlichen Informationen zum Aufenthaltsort des Antragsgegners von ihren nächsten Angehörigen zu erhalten, wenn diese über die erforderlichen Kenntnisse verfügt haben sollten.
23
Der Antragsgegner hat insoweit - nach den Umständen des Falles auch hinreichend substantiiert - unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Sohn D. der Parteien im Jahre 1992 von dem Nachtclubbesitzer B. anlässlich eines Lokalbesuches Anschrift und Telefonnummer des Antragsgegners erhalten habe und dieses Vorbringen zusätzlich durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des B. glaubhaft gemacht. Soweit das Oberlandesgericht dazu (lediglich) ausführt, dass die von dem Antragsgegner beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen nicht geeignet seien, die von der Antragstellerin beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen zu entkräften, rügt die Rechtsbeschwerde in diesem Punkt zu Recht eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
24
aa) Durch die Zulassung des Freibeweises wird das Gericht lediglich im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens bei der Gewinnung von Beweismitteln und im Beweisverfahren freier gestellt; dabei wird insbesondere die Bedeutung der zu beweisenden Tatsachen das gerichtliche Ermessen über Art und Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen haben (BGH Beschluss vom 9. Juli 1987 - VII ZB 10/86 - NJW 1987, 2875, 2876). Dagegen werden die Anforderungen an das Beweismaß nicht vermindert; entscheidungserhebliche Tatsachen müssen weiterhin zur vollen richterlichen Überzeugung (§ 286 ZPO) bewiesen werden (BGH Beschluss vom 26. Juni 1997 - V ZB 10/97 - NJW 1997, 3319, 3320 und Urteil vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - NJW 2001, 2722, 2723). Für diese Überzeugungsbildung wird die Würdigung einer eidesstattlichen Versicherung in den meisten Fällen nicht ausreichen, da der Beweiswert einer eidesstattlichen Versicherung lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten Geschehensablaufs genügt. Nur ausnahmsweise kann auch eine eidesstattliche Versicherung für sich genommen zur Bildung der vollen richterlichen Überzeugung genügen (Senatsbeschluss vom 17. April 1996 - XII ZB 42/96 - FamRZ 1996, 1004).
25
bb) Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn - wie hier - hinsichtlich eines tatsächlichen Geschehensablaufs widerstreitende Sachverhaltsdarstellungen vorliegen, die auf der Grundlage der von den Parteien beigebrachten eidesstattlichen Versicherungen dritter Personen nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die von der einen Partei vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht ausreichen, um das Gericht von der Richtigkeit seines Tatsachenvortrages zu überzeugen oder - im Falle des Gegenbeweises - die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit des gegnerischen Vorbringens zu erschüttern, muss das Gericht dieser Partei Gelegenheit zum Antritt des Zeugenbeweises und damit zur Einführung von Strengbeweismitteln mit einem höheren Beweiswert geben (vgl. BGH Beschlüsse vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - NJW 2000, 814 und vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06 - NJW 2007, 1457, 1458). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der Antragsgegner zum Beweis für seine Behauptung , dass sein Aufenthaltsort und seine Telefonnummer in Deutschland dem Sohn D. der Parteien schon seit 1992 bekannt gewesen sei, die Vernehmung des Nachtclubbesitzers B. als Zeugen schon von sich aus mehrfach ausdrücklich angeboten hatte. Das Übergehen dieses Beweisantrages findet unter diesen Umständen im Prozessrecht keine Stütze und verletzt daher den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (vgl. hierzu BVerfG NJW 2003, 1655; BGH Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03 - NJW-RR 2007, 500, 501).
26
5. Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem dargestellten Gehörsverstoß. Das Verfahrensrecht des Kantons Graubünden hätte im vorliegenden Fall eine Ediktalzustellung der Prozesseingabe unter keinen anderen Voraussetzungen zulassen dürfen als bei einem unbekannten Aufenthalt des Antragsgegners im Sinne von Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden:
27
Entsprechend Art. 55 Abs. 2 ZPO-Graubünden ist die öffentliche Zustellung gegenüber im Ausland wohnenden Personen allerdings auch dann zulässig , wenn sie es trotz Aufforderung unterlassen, durch Ernennung eines Vertreters im Kanton Zustellungsdomizil zu nehmen. Die Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung setzt in diesen Fällen aber zwingend voraus, dass die im Ausland lebende Partei zuvor eine Mitteilung mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Vorschrift und ihre Rechtsfolgen zur Kenntnis erlangt hat. Bereits daran fehlt es im vorliegenden Fall.
28
Ferner wird nach der Rechtsprechung des Kantonsgerichts Graubünden (Urteil vom 19. November 1996 - ZB 96 47 - Praxis des Kantonsgerichts Graubünden [PKG] 1996, Nr. 19, S. 87, 90 f.) über den Wortlaut des Art. 55 ZPO-Graubünden hinaus eine öffentliche Zustellung auch dann für zulässig gehalten, wenn die effektive Zustellung an eine im Ausland lebende Partei trotz größtem Bemühen unmöglich ist; dabei sind insbesondere solche Fälle ins Auge gefasst, in denen feststeht, dass der ersuchte Staat keine effektive Rechts- hilfe bei der Zustellung leisten wird. Auch damit kann die Ediktalzustellung hier ersichtlich nicht gerechtfertigt werden.

IV.

29
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf das Folgende hin:
30
Auch wenn das Oberlandesgericht nach Durchführung der gebotenen Beweisaufnahme feststellen sollte, dass der Aufenthalt des Antragsgegners unbekannt im Sinne von Art. 55 Abs. 1 Satz 3 ZPO-Graubünden gewesen ist und die Ediktalzustellung daher im Einklang mit dem Verfahrensrecht des Urteilsstaates erfolgte, besagt dies allein noch nicht, dass der Anerkennung in dieser Beziehung keine weiteren Hindernisse mehr entgegenstünden.
31
1. Sowohl nach Art. 6 HUVÜ 73 als auch nach Art. 27 Nr. 2 LugÜ sind Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks kumulative Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Säumnisentscheidung. Fiktive Zustellungen - wie die öffentliche Zustellung oder die Zustellung durch Übergabe an den Staatsanwalt (remise au parquet) nach französischem Recht - werden im Regelfall nicht "rechtzeitig" im Sinne der Übereinkommen sein, weil sie dem Schuldner meistens keine effektive Möglichkeit eröffnen, vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks tatsächlich Kenntnis zu nehmen und sich in das Verfahren im Ursprungsstaat einzulassen (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 LugÜ: Österreichischer OGH Entscheidung vom 20. September 2000 - 3 Ob 179/00w - ZfRV 2001, 114, 116; vgl. auch Linke IPrax 1993, 295, 296). Obwohl eine fiktive Zustellung aus diesem Grunde vielfach auch auf eine Fiktion der Kenntnisnahme hinausläuft, kann in einer fiktiven Zustellung aber kein generelles Anerkennungshindernis gesehen werden, weil auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr nicht derjenige Schuldner begünstigt werden soll, der sich der Rechtsprechung im Ursprungsstaat durch Aufenthalt an einem unbekannten Ort entzieht (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: BGH Beschluss vom 2. Oktober 1991 - IX ZB 5/91 - NJW 1992, 1239, 1241; Bülow/Bockstiegel/Geimer/Schütze/Wolf Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen [Stand: Mai 2007] Art. 27 EuGVÜ Rdn. 29; MünchKomm-ZPO/Gottwald ZPO 2. Aufl. Art. 27 EuGVÜ Rdn. 26). Um die Frage beurteilen zu können, ob sich die beklagte Partei im Exequaturverfahren auf die seine Verteidigungsmöglichkeiten beschränkende Ineffektivität der (ordnungsgemäßen) fiktiven Zustellung berufen kann, ist deshalb unter wertender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den schützenswerten Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu treffen.
32
a) Unter der Geltung des Art. 27 Nr. 2 LugÜ sind dabei diejenigen Grundsätze heranzuziehen, welche durch die Rechtsprechung des EuGH im Jahre 1985 zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entwickelt worden sind (zur Einheitlichkeit der Auslegungsgrundsätze von EuGVÜ und LugÜ vgl. BGH Urteil vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 83/01 - NJW-RR 2002, 1149, 1150). Danach ist bei der Abwägung auf Seiten des Schuldners zu berücksichtigen, ob er die Ineffizienz der (fiktiven) Zustellung durch ein ihm vorwerfbares Verhalten herbeigeführt hat (EuGH Urteil vom 11. Juni 1985 - Rs. 49/84 - Slg. 1985, 1779, 1801, Rdn. 32 - Debaecker und Plouvier/Bouwman = RiW 1985, 967). Von vergleichbaren Grundsätzen geht auch Art. 6 HUVÜ 73 aus; die Frage, ob sich der Schuldner eine fiktive Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes entgegenhalten lassen muss, wird dort unter Heranziehung der Maßstäbe aus Art. 2 Nr. 2 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15. April 1958 (im Folgenden: HUVÜ 58) beurteilt (vgl. Staudinger/Kropholler BGB [2003] Anh. III zu Art. 18 EGBGB Rdn. 176). Die Anerkennung einer Säumnisentscheidung kommt danach insbesondere in solchen Fällen in Betracht , in denen der Schuldner sich einer andersartigen Zustellung mutwillig entzogen oder auf andere Weise seine Unkenntnis vom Verfahren verschuldet hat (vgl. Staudinger/Kropholler aaO Rdn. 68 m.w.N.; Bülow/Bockstiegel/Geimer/ Schütze/Baumann aaO Art. 6 HUVÜ 1973 Anm. IV 2 c). Nach beiden Übereinkommen kommt es bei der Abwägung auf Seiten des Schuldners entscheidend darauf an, ob dieser die Veranlassung der fiktiven Zustellung an ihn zu vertreten hat. Soweit es dabei um die Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen geht, wird hinsichtlich des Vertretenmüssens einer fiktiven Zustellung regelmäßig von einem Beweis des ersten Anscheins zu Lasten des Unterhaltsschuldners auszugehen sein, wenn dieser in Kenntnis seiner möglichen Unterhaltspflicht die ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen ohne Nachricht von seinem Aufenthaltsort zurücklässt (vgl. zu Art. 2 Nr. 2 HUVÜ 58: Österreichischer OGH Entscheidung vom 30. Oktober 2000 - 3 Ob 118/00z - ZfRV 2001, 233, 235).
33
b) Andererseits sind in die Gesamtabwägung nicht nur die zurechenbaren Verhaltensweisen des Schuldners, sondern auch etwaige Nachlässigkeiten des Gläubigers einzubeziehen, die bei wertender Betrachtung möglicherweise zu einer Kompensation des auf Schuldnerseite liegenden Verhaltens führen. Dabei ist insbesondere an solche Fälle zu denken, in denen der Gläubiger nach der fiktiven Zustellung während des laufenden Verfahrens im Urteilsstaat den tatsächlichen Aufenthaltsort des Schuldners erfährt oder unschwer in Erfahrung bringen könnte (vgl. EuGH Urteil vom 11. Juni 1985 aaO Rdn. 31). In diesen Fällen könnte dem Schutz der Rechte des Schuldners das höhere Gewicht beizumessen sein, wenn es der Gläubiger im Ursprungsverfahren noch in der Hand gehabt hätte, auf eine erneute Zustellung an die nunmehr bekannt gewordene Anschrift des Schuldners zu drängen (vgl. Linke IPrax 1993, 295, 296).
34
2. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht zugleich Gelegenheit , sich rechtlich mit dem im Beschwerdeverfahren mehrfach erhobenen Einwand des Antragsgegners auseinanderzusetzen, dass hinsichtlich des titulierten Kindesunterhalts die gesetzliche Prozessstandschaft der Antragstellerin infolge der Mündigkeit (Volljährigkeit) des Sohnes F. entfallen sei.
Hahne Sprick Weber-Monecke RiBGH Prof. Dr. Wagenitz ist wegen Dose Urlaubs am Unterschreiben gehindert. Hahne

Vorinstanzen:
LG Coburg, Entscheidung vom 29.04.2005 - 14 O 292/05 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 07.10.2005 - 7 UFH 2/05 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Vor der Pfändung ist der Schuldner über das Pfändungsgesuch nicht zu hören.

Das Gericht kann, auch wenn der Anspruch oder der Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht ist, den Arrest anordnen, sofern wegen der dem Gegner drohenden Nachteile Sicherheit geleistet wird. Es kann die Anordnung des Arrestes von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, selbst wenn der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft gemacht sind.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

(1) Das Gericht entscheidet ohne Anhörung des Verpflichteten.

(2) Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung. Jedoch kann eine mündliche Erörterung mit dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten stattfinden, wenn der Antragsteller oder der Bevollmächtigte hiermit einverstanden ist und die Erörterung der Beschleunigung dient.

(3) Im ersten Rechtszug ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Verwandte in gerader Linie sind einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Über die Höhe der Einkünfte sind auf Verlangen Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen. Die §§ 260, 261 sind entsprechend anzuwenden.

(2) Vor Ablauf von zwei Jahren kann Auskunft erneut nur verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der zur Auskunft Verpflichtete später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 26/05
vom
10. Oktober 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine nichtexistente Beklagte, die im Streit um ihre Parteifähigkeit zu Lasten des
Klägers eine Kostengrundentscheidung erwirkt hat, kann im anschließenden
Kostenfestsetzungsverfahren zu ihren Gunsten die Festsetzung der durch diesen
Streit entstandenen Kosten verlangen.
BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2007 - XII ZB 26/05 - Brandenburgisches OLG
LG Neuruppin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 21. Dezember 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Beschwerdewert: 2.041,40 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren darüber, ob der Kläger der (nach Vollbeendigung) nicht mehr existenten beklagten GmbH Kosten aus einem Verfahren vor dem Landgericht zu erstatten hat.
2
Das Landgericht hat die gegen die Beklagte gerichtete Zahlungsklage, die am 14. Februar 2003 bei Gericht eingegangen und am 25. März 2003 zugestellt worden ist, rechtskräftig als unzulässig abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
3
Auf Antrag des für die Beklagte auftretenden Prozessbevollmächtigten hat das Landgericht die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 2.041,40 € festgesetzt; die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
5
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, hier liege kein Fall vor, in dem ein Verfahren gegen eine Partei geführt worden sei, die nicht existiere. Vielmehr habe die beklagte GmbH tatsächlich existiert und sei deshalb rechts- und parteifähig gewesen. Zwar habe die Beklagte diese Parteifähigkeit verloren, weil sie am 23. April 2003 im Handelsregister gelöscht worden sei. Eine aufgelöste und gelöschte Gesellschaft könne aber, wenn sich noch Vermögensgegenstände finden sollten, ihre Existenz wiedererlangen und beispielsweise mit der Behauptung , ihr stehe noch ein Anspruch zu, einen Aktivprozess führen, in dem sie als parteifähig gelte. Die Kostenfestsetzung habe hier zugunsten der gelöschten Beklagten zu erfolgen, weil die Kostengrundentscheidung in einem Verfahren ergangen sei, in dem die beklagte GmbH als Partei im Rubrum aufgeführt sei. Die Beklagte - und nicht etwa eine hinter ihr stehende Person - sei deshalb Gläubigerin des Kostenerstattungsanspruchs.
6
Die Beklagte sei im Kostenfestsetzungsverfahren auch ordnungsgemäß vertreten gewesen. Der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten habe die zu den Akten gereichte Prozessvollmacht am 8. April 2003 unterzeichnet, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte noch nicht im Handelsregister gelöscht gewe- sen sei. Diese Vollmacht wirke in das Kostenfestsetzungsverfahren fort, ohne dass zur Vertretung der Beklagten nunmehr ein Nachtragsliquidator bestellt werden müsse.
7
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
8
Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist davon auszugehen, dass die vermögenslose Beklagte nach Rechtshängigkeit der Klage am 23. April 2003 im Handelsregister gelöscht worden ist. Dadurch hat die beklagte GmbH ihre Parteifähigkeit verloren. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die bei Zustellung der Klageschrift am 25. März 2003 noch existente Beklagte schon mit Eintritt der Rechtshängigkeit einen prozessualen - durch eine der Beklagten günstige Kostengrundentscheidung bedingten - Kostenerstattungsanspruch erlangt hat (vgl. BGH Urteile vom 7. Oktober 1982 - III ZR 148/81 - NJW 1983, 284 und vom 21. April 1988 - IX ZR 191/87 - NJW 1988, 3204, 3205). Denn bei der Beurteilung der - in jeder Lage des Verfahrens zu prüfenden - Parteifähigkeit bleibt der aufschiebend bedingte Kostenerstattungsanspruch außer Betracht (vgl. BGHZ 74, 212, 213; BGH Urteil vom 29. September 1981 - VI ZR 21/80 - NJW 1982, 238, 239).
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a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die nicht oder nicht mehr existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht (allg. M.; Senatsbeschluss vom 12. Mai 2004 - XII ZB 226/03 - NJW-RR 2004, 1505, 1506; BGHZ 24, 91, 94; 74, 212, 215; BGH Beschluss vom 13. Juli 1993 - III ZB 17/93 - NJW 1993, 2943, 2944). Durch diese Fiktion soll erreicht werden, dass die Partei die Frage ihrer Existenz selbst klären lassen kann.
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b) Umstritten ist indessen, ob die Existenz der im Rechtsstreit insoweit als begrenzt parteifähig angesehenen Partei auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren fingiert werden kann, wenn die Klage wegen fehlender Parteifähigkeit des Beklagten als unzulässig abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind.
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aa) Nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung gilt die im Prozess fingierte begrenzte Parteifähigkeit der nicht existenten Partei auch für das sich anschließende Kostenfestsetzungsverfahren und berechtigt die nicht existente Partei, einen Antrag auf Kostenfestsetzung zu stellen; dessen Gegenstand sind die Aufwendungen, die dem Dritten, der für die nicht existente Partei in einem für zulässig erachteten Verfahren tätig wurde, entstanden sind (Senatsbeschluss vom 12. Mai 2004 - XII ZB 226/03 - NJW-RR 2004, 1505, 1506; OLG Hamburg MDR 1976, 845; SchlHOLG JurBüro 1978, 1574; OLG Karlsruhe Beschluss vom 17. August 1978 - 13 W 122/78 - Juris; KG AnwBl. BE 1995 300 (LS); OLGR Saarbrücken 2002, 259; OLGR Stuttgart 2005, 525).
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Uneinigkeit besteht allerdings darüber, zu wessen Gunsten die Kostenfestsetzung verlangt werden kann.
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Nach einer Ansicht kann die nicht existente Partei eine Kostenfestsetzung zu ihren Gunsten verlangen (OLGR Saarbrücken 2002, 259; OLG Koblenz Beschluss vom 15. Mai 2001 - 14 W 332/01 - juris -; KG AnwBl. BE 1995, 300 (LS)). Da der prozessuale Kostenerstattungsanspruch seine Grundlage ausschließlich in dem durch den Rechtsstreit begründeten Prozessrechtsverhältnis der Parteien habe, müsse der nicht existente Beklagte, der sich im Prozess gegen die Klage mit dem Einwand seiner fehlenden Parteifähigkeit zur Wehr setzen dürfe, auch berechtigt sein, die ihm in der Kostengrundentscheidung zugesprochene Kostenerstattung im dafür vorgesehenen Kostenfestsetzungsverfah- ren zu seinen Gunsten geltend zu machen. Der nicht existente Beklagte sei insoweit Auftraggeber im gebührenrechtlichen Sinn.
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Demgegenüber wird zum Teil vertreten, die nicht existente Partei könne nur Kostenerstattung zugunsten derjenigen (existenten) natürlichen oder juristischen Person beantragen, die für die nicht existente Partei gehandelt habe (OLGR Bamberg 2001, 223; OLG München NJW-RR 1999, 1264, 1265; OLG Hamburg MDR 1976, 846; wohl auch Stein/Jonas/Bork 22. Aufl. § 50 ZPO Rdn. 59).
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bb) Nach anderer Auffassung kann eine schon bei Rechtshängigkeit nicht existente Person schlechthin keine Kostenfestsetzung verlangen, und zwar weder zu ihren Gunsten noch zu Gunsten des für sie handelnden Dritten. Die Kostengrundentscheidung des Vollstreckungstitels laufe insoweit ins Leere (OLGR Zweibrücken 2004, 670). Der Dritte könne einen etwaigen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nur in einem gesonderten Rechtsstreit gegen die klagende Partei geltend machen.
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c) Der Senat folgt in den Fällen der wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH der Auffassung, wonach die nicht mehr existente Partei zu ihren Gunsten jedenfalls die Festsetzung der im Streit über ihre Parteifähigkeit entstandenen Kosten verlangen kann.
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Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch beruht auf dem durch die Erhebung der Klage begründeten Prozessrechtsverhältnis und folgt dem Verursacherprinzip (vgl. Stein/Jonas/Bork 22. Aufl. vor § 91 ZPO Rdn. 6). Die klagende Partei hat dadurch, dass sie gegen eine nicht existente Partei Klage erhoben hat, Veranlassung dazu gegeben, die Frage der Existenz der Beklagten im Rechtsstreit klären zu lassen. Zur Klärung dieser Frage wird die Existenz der Beklagten fingiert. Die Entscheidung des Prozessgerichts, dass die Beklagte nicht existent und damit nicht parteifähig sei, lässt dieses Prozessrechtsverhältnis nicht entfallen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es daher nicht widersprüchlich, sondern konsequent, die prozessrechtliche Fiktion der Existenz der Beklagten auch im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit aufrecht zu erhalten, als es um die Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen im Streit um die Existenz der Beklagten geht.
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Die Fiktion erstreckt sich nicht nur auf das Recht der nicht existenten Beklagten , Kostenfestsetzung zu beantragen, sondern gilt auch für die Zuordnung des Kostenerstattungsanspruchs. Der nicht mehr existenten Beklagten, der gestattet wird, sich im Rechtsstreit mit ihrer Nichtexistenz zu verteidigen, kann, wenn sie mit diesem Einwand durchdringt und deshalb eine Kostenentscheidung zu ihren Gunsten erreicht, die Kostenerstattung zu ihren Gunsten nicht mit der Begründung versagt werden, ihr seien keine Kosten entstanden, weil sie nicht existiere. Vielmehr ist die einmal für den Streit um die Existenz fingierte Parteifähigkeit der Beklagten für den gesamten Streit hierüber einschließlich der dadurch entstandenen Kosten aufrechtzuerhalten.
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Eine Erstattung zugunsten des für die nicht mehr existente Beklagte handelnden Dritten kommt im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht in Betracht. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient allein der Umsetzung der gerichtlichen Kostengrundentscheidung. Antrags- und ausgleichsberechtigt ist nur der im Titel genannte Kostengläubiger (Stein/Jonas/Bork aaO § 103 Rdn. 8 m.w.N.) und nicht ein hinter diesem stehender Dritter. Für Ermittlungen zur Feststellung des Dritten, der für die nicht mehr existente Partei gehandelt hat, ist das Kostenfestsetzungsverfahren auch nicht geeignet.
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Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 12.05.2004 - 2 O 69/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 21.12.2004 - 6 W 126/04 -