Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2007 - X ZR 147/06

bei uns veröffentlicht am30.01.2007
vorgehend
Landgericht Aachen, 12 O 375/01, 30.08.2005
Oberlandesgericht Köln, 17 U 115/05, 08.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 147/06
vom
30. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Zwangsvollstreckung würde dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden
Nachteil bringen, wenn im Falle der Aufhebung oder Abänderung des Vollstreckungstitels
der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage
sein wird, den beigetriebenen Geldbetrag zurückzuzahlen.
BGH, Beschl. v. 30. Januar 2007 - X ZR 147/06 - OLG Köln
LG Aachen
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 30. August 2005 - 12 O 375/01 - sowie aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 8. November 2006 - 17 U 115/05 - wird gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages einstweilen eingestellt, sofern nicht die Klägerin Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:


1
I. Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Aachen verurteilt worden , an die Klägerin 59.471,10 € nebst Zinsen zu zahlen. Ihre Berufung ist zurückgewiesen und das Berufungsurteil gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Nach fristgerechter Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Beklagte, ihr zu gestatten, die Vollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,-- € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte macht geltend, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil werde ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen , weil zu befürchten sei, dass die Klägerin die von der Beklagten gezahlten Beträge nicht zurückerstatten könne, wenn das angefochtene Urteil aufgehoben werde. Die Klägerin befinde sich derart in wirtschaftlicher Bedrängnis, dass sie nicht in der Lage sei, eine gegen sie titulierte Forderung der K. GmbH zu bezahlen, welche die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte gepfändet habe; die Klägerin habe die Beklagte aufgefordert, den gepfändeten Betrag an sie und die K. zu zahlen.
2
II. Der Antrag der Beklagten ist als Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet.
3
1. Die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Berufungsurteils ohne Sicherheitsleistung der Klägerin und ohne Abwendungsbefugnis der Beklagten kann, obwohl unrichtig, vom Bundesgerichtshof nicht korrigiert werden. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend sein Urteil für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt (§ 708 Nr. 10 ZPO), zu Unrecht dagegen der Beklagten keine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO eingeräumt. Diese Schuldnerschutzanordnung soll zwar unterbleiben, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht gegeben sind (§ 713 ZPO). Das trifft jedoch auf Berufungsurteile, gegen die dem Vollstreckungsschuldner entweder die - zugelassene - Revision oder die Nichtzulassungsbeschwerde zusteht (§§ 543 Abs. 2, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nicht zu (BGH, Beschl. v. 24.03.2003 - IX ZR 243/02, ZVI 2003, 279; v. 12.10.2005 - VIII ZR 179/05, WuM 2005, 736; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 713 Rdn. 2). Entscheidungen des Berufungsgerichts über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind jedoch nach § 718 Abs. 2 ZPO einer Anfechtung entzogen (BGH, Beschl. v. 15.02.2006 - VIII ZR 236/05, WuM 2006, 269). Auch eine Ergänzung des Berufungsurteils um die Schutzanordnung nach §§ 716, 321 ZPO ist nicht möglich, weil das Berufungsgericht über die Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht lückenhaft entschieden, sondern seine Entscheidung ausdrücklich - wenn auch fehlerhaft - auf § 713 ZPO gestützt hat. Aus demselben Grund kommt auch eine Berichtigung der Vollstreckbarkeitsentscheidung wegen einer versehentlichen Unrichtigkeit nach § 319 ZPO nicht in Betracht. Eine Korrektur der Entscheidung des Berufungsgerichts kann nur unter den Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO erfolgen (BGH WuM 2005, 736).
4
2. Diese Vorschrift, die im Falle der Revisionseinlegung eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ermöglicht, ist auf die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Ihre Voraussetzungen, dass nämlich die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht, sind hier erfüllt.
5
a) Der Einstellungsantrag scheitert im vorliegenden Fall nicht daran, dass die Beklagte im Berufungsverfahren keinen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Denn darauf, dass das Berufungsgericht rechtsirrig die Voraussetzung des § 713 ZPO annehmen und deshalb keine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO gewähren würde, brauchte sich die Beklagte nicht einzustellen , so dass ihr das Unterlassen eines Schutzantrags gemäß § 712 ZPO insoweit nicht vorgeworfen werden kann (BGH ZVI 2003, 279).
6
b) Eine Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung der Klägerin würde der Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen. Da die Klägerin, wie unstreitig ist, die Forderung ihrer Pfändungsgläubigerin, der K. , nicht aus eigenen Mitteln bezahlen kann, muss davon ausgegangen werden, dass sie im Falle der Aufhebung des Berufungsurteils auch den Rückerstattungsanspruch der Beklagten nicht erfüllen könnte. Ob ein nicht zu ersetzender Nachteil gegeben ist, wenn der Gläubiger den ohne Sicherheitsleistung erhaltenen Urteilsbetrag wegen Mittellosigkeit nicht zurückzahlen kann, ist umstritten (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 707 Rdn. 17 Fn. 112 m.w.N.). Der erkennende Senat bejaht dies wegen des klaren Wortlauts des § 719 Abs. 2 ZPO. Der Verlust einer - wie in diesem Zusammenhang zu unterstellen ist - nicht geschuldeten Geldsumme ist ein Nachteil, und dieser Nachteil ist, wenn der Empfänger wegen Zahlungsunfähigkeit auf Dauer nicht zur Rückerstattung in der Lage ist, auch unersetzlich (so auch LAG Düsseldorf LAGE ArbGG § 62 Nr. 13; OLG Hamm FamRZ 1996, 113; Stein/Jonas/Münzberg aaO).
7
c) Der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung steht auch kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegen. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie schon seit sechs Jahren auf die Bezahlung ihrer Rechnungen warte, dass ihr im Falle einer einstweiligen Einstellung noch länger Liquidität vorenthalten werde und dass sich ihre Verbindlichkeit gegenüber der K. um die weiter fortlaufenden Zinsen erhöhen werde. Diese unbestreitbaren Nachteile einer weiteren Leistungsverzögerung wiegen indessen nicht so schwer wie der der Beklagten drohende unwiederbringliche Verlust.
8
d) Schließlich steht auch nicht fest, dass die Nichtzulassungsbeschwerde oder die mit ihr beabsichtigte Revision keine Aussicht auf Erfolg haben. Wäre dies der Fall, so könnte der Einstellungsantrag zurückgewiesen werden (BAG NJW 1971, 910). Denn wenn feststünde, dass das Rechtsmittel des Schuldners letztlich nicht zu einer Änderung seiner in der Hauptsache ergangenen Verurtei- lung führen würde, wäre für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kein Raum (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1952 - VI ZR 249/52, BGHZ 8, 47, 49). Hier erscheint aber im gegenwärtigen Verfahrensstadium der Ausgang der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. der Revision noch offen. Ob der von der Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte Zulassungsgrund gegeben ist, der in einer symptomatischen Abweichung des Berufungsgerichts von dem zur Frage der üblichen Vergütung ergangenen Senatsurteil vom 4. April 2006 (X ZR 122/05, BGHZ 167, 139) bestehen soll, bedarf einer sorgfältigen Prüfung, die so schnell, wie über den Einstellungsantrag entschieden werden muss, nicht abgeschlossen werden kann.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 30.08.2005 - 12 O 375/01 -
OLG Köln, Entscheidung vom 08.11.2006 - 17 U 115/05 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil un

Zivilprozessordnung - ZPO | § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen


Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321 Ergänzung des Urteils


(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf

Zivilprozessordnung - ZPO | § 719 Einstweilige Einstellung bei Rechtsmittel und Einspruch


(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung einges

Zivilprozessordnung - ZPO | § 712 Schutzantrag des Schuldners


(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläub

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 62 Zwangsvollstreckung


(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf se

Zivilprozessordnung - ZPO | § 718 Vorabentscheidung über vorläufige Vollstreckbarkeit


(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. (2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinst

Zivilprozessordnung - ZPO | § 716 Ergänzung des Urteils


Ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht entschieden, so sind wegen Ergänzung des Urteils die Vorschriften des § 321 anzuwenden.

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(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 243/02
vom
24. März 2003
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Kayser, Dr. Bergmann und
am 24. März 2003

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung der Kläger aus dem Urteil des 9. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 14. Oktober 2002 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Erfurt verurteilt worden, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 25.104,44 ! Die hiergegen gerichtete Berufung ist zurückgewiesen und das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10, § 713 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden.
Nach fristgerechter Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung einzustellen. Sie macht geltend: Die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil würde ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, da die Kläger in beengten finanziellen Verhältnissen lebten und daher zu erwarten sei, daß die Beklagte beim Erfolg in der
Revisionsinstanz die von den Klägern im Rahmen der vorläufigen Vollstrekkung beigetriebene Klagesumme nicht mehr zurückerhalten würde. So hätten die Kläger nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils Vorpfändungsanzeigen nach § 845 ZPO ausgebracht, aber - auch nach ausdrücklicher Aufforderung des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten - nicht die im erstinstanzlichen Urteil angeordnete Sicherheitsleistung in Höhe von 29.000 erbracht.

II.


Der Antrag der Beklagten ist nicht begründet.
Wird Revision gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, daß die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und ein überwiegendes Interesse des Gläubigers nicht entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist diese Norm entsprechend anwendbar (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht.
Im Streitfall scheitert der Antrag schon daran, daß die Beklagte nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat, die angekündigte Vollstrekkung würde ihr i.S.d. § 719 Abs. 2 ZPO einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen.

1. Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Kann er die Vollstreckung mittels ausreichend begründbarer und zumutbarer Anträge gemäß § 712 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 ZPO, gegebenenfalls über eine Ergänzung nach § 716 ZPO abwenden, ist der Einstellungsantrag zurückzuweisen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 719 Rn. 13).

a) Zwar hat die Beklagte keinen Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt. Dies steht hier jedoch einem Einstellungsantrag ausnahmsweise nicht entgegen , weil das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft keine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO in den Urteilstenor aufgenommen hat. Gemäß § 711 ZPO hat das Gericht in den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 ZPO von Amts wegen anzuordnen , daß der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, falls - wie hier gemäß § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO- die Voraussetzungen für ein Rechtsmittel nicht ausgeschlossen sind.
Dies hat das Berufungsgericht verkannt, indem es rechtsirrig die Voraussetzung des § 713 ZPO angenommen hat. Auf diese fehlerhafte Rechtsanwendung mußte sich die Beklagte nicht einstellen, so daß ihr das Unterlassen des Antrages gemäß § 712 ZPO nicht vorgeworfen werden kann.

b) Die Beklagte war auch nicht gehalten, einen Ergänzungsantrag gemäß §§ 716, 321 ZPO zu stellen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es anerkannt, daß in den Fällen, in denen das Gericht die Schutzanordnung gemäß § 711 ZPO unterläßt, ein Unterbleiben des Antrages auf Ergänzung des Urteils gemäß §§ 716, 321 ZPO die Zurückweisung eines Antra-
ges nach § 719 Abs. 2 ZPO zur Folge hat (vgl. BGH, Urt. v. 25. August 1977 - V ZR 141/77, LM § 711 ZPO Nr. 1; v. 16. Februar 1984 - III ZR 87/83, NJW 1984, 1240). Diese Rechtsprechung findet im Streitfall jedoch keine Anwendung.
Ein im Sinne von § 321 Abs. 1 ZPO "von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch" ist übergangen, wenn das von einer Partei in den Prozeß eingeführte, in einen bestimmten Antrag gekleidete Begehren, also ein Anspruch im prozessualen Sinne, über den es von Amts wegen oder wegen des gestellten Antrages einer Entscheidung bedurfte, versehentlich nicht beschieden worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 25. Juni 1996 - VI ZR 300/95, LM § 321 ZPO Haftungsbegrenzung 1). Die Vorschrift des § 321 ZPO setzt also eine Entscheidungslücke voraus; sie dient nicht der Richtigstellung eines falschen Urteils (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1979 - VI ZR 40/78, VersR 1980, 263 f).
Eine Entscheidungslücke ist im Streitfall nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat nicht die Anordnung gemäß § 711 ZPO versehentlich unterlassen und damit eine lückenhafte Entscheidung im Sinne des § 321 ZPO getroffen, sondern seine Entscheidung ausdrücklich auf § 713 ZPO gestützt, so daß eine Entscheidung gemäß § 711 ZPO bewußt (wenn auch fehlerhaft) unterblieb.
Damit entfiel für die Beklagte die Möglichkeit, einen erfolgversprechenden Ergänzungsantrag gemäß §§ 716, 321 ZPO zu stellen.
2. Ob ein nicht zu ersetzender Nachteil gegeben ist, wenn der Gläubiger den ohne Sicherheitsleistung erhaltenen Urteilsbetrag wegen Mittellosigkeit nicht zurückzahlen kann, ist umstritten (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, aaO § 707
Rn. 17 Fn. 112 m.w.N.). Der Streit braucht nicht entschieden zu werden, da der Vortrag der Beklagten nicht ausreicht, Mittellosigkeit der Kläger anzunehmen.
Die Beklagte hat hierzu lediglich vorgetragen, daß die Kläger in "beengten finanziellen Verhältnissen" lebten und als Beleg für diese Wertung die - unstreitige - Tatsache angeführt, daß die Kläger - selbst nach entsprechender Aufforderung - nicht die im erstinstanzlichen Urteil festgelegte Sicherheitslei- "# " & ' * ,+ - . ' /"0 1"2 " stung in Höhe von 29.000 $ % !)( $ 3/ 354 Sicherheitsleistung rechtfertigt nicht den Schluß auf eine Vermögenslosigkeit zum damaligen Zeitpunkt und schon gar nicht zu einem späteren. Es kann für dieses Verhalten vielfältige Gründe geben. Ohne nähere konkrete Darlegung der Vermögensverhältnisse der Kläger kann deren Mittellosigkeit nicht als ausreichend dargelegt angesehen werden.
Kreft Kirchhof Kayser
Bergmann

(1) In der Berufungsinstanz ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Antrag vorab zu entscheiden. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Eine Anfechtung der in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit erlassenen Entscheidung findet nicht statt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 236/05
Verkündet am:
18. Juli 2007
Ermel
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird dasjenige Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs, auf dem das
Endurteil über den Betrag beruht, nach Erlass dieses Urteils rechtskräftig aufgehoben
, so verliert das Endurteil über den Betrag seine Wirkung, ohne dass
es eines gesonderten Ausspruchs bedürfte (Bestätigung von BGH, Urteil vom
20. Juli 2006 – IX ZR 47/04, NJW 2006, 3496, unter IV).
Für die durch § 286 ZPO gebotene sorgfältige und kritische Nachprüfung eines
gerichtlichen Sachverständigengutachtens durch das Gericht und zur Wahrung
des Anspruchs der Parteien auf ein rechtsstaatliches Verfahren und effektiven
Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) kann es geboten
sein, dass der Sachverständige tatsächliche Umstände, die er mangels Erfahrungswissens
selbst erhoben und seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, offen
legt (im Anschluss an BGHZ 116, 47; BVerfGE 91, 176, 181 ff.; BVerfG, NJW
1997, 1909).
Hat der Sachverständige, der mit der Erstattung eines Gutachtens zur Höhe
eines durch das Scheitern geplanter Geschäfte in Syrien entgangenen Gewinns
beauftragt ist, zur Ermittlung der Strukturen und Entwicklungen auf dem syrischen
Markt für die betreffenden Produkte Gespräche mit „Experten“ in Syrien
geführt und die Ergebnisse dieser Gespräche seinem Gutachten zugrunde gelegt
, setzt die Verwertbarkeit des Gutachtens voraus, dass er jedenfalls mitteilt,
welche Fragen er gestellt hat und aufgrund welcher konkreten Umstände die
jeweiligen Gesprächspartner als Experten für die Beantwortung dieser Fragen
anzusehen sind. Im Einzelfall kann darüber hinaus die Offenlegung der Namen
der Gesprächspartner geboten sein. Das gilt auch dann, wenn der Sachverständige
diesen Anonymität zugesichert hat.
BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 236/05 - OLG Celle
LG Stade
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers
und Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. Oktober 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen das 2. Teilurteil der 8. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Stade vom 27. Januar 2005 wegen der Abweisung der Widerklage zurückgewiesen worden ist. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Stade insoweit aufgehoben, als die Widerklage abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht zurückverwiesen. Es wird festgestellt, dass die vorgenannten Urteile im Übrigen wirkungslos geworden sind, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1, die T. Werk GmbH (im Folgenden: T. ), schlossen am 22. Dezember 1994 einen "Vertriebs- und Handelsvertretungs-Vertrag", der die Klägerin zum ausschließlichen Vertrieb von Geflügelimpfstoffen und tierärztlichen Produkten der T. in Syrien auf eigene Kosten berechtigte. Die nach syrischem Recht erforderliche Registrierung der Produkte war Aufgabe der Klägerin ; die T. hatte die dadurch entstehenden Kosten zu tragen und alle dafür erforderlichen Dokumente und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
2
Anstelle der zur L. -Gruppe gehörenden T. trat infolge von Umstrukturierungsmaßnamen in dieser Gruppe zum 1. Juli 1996 die Beklagte zu 1, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, in den Vertriebsvertrag ein. Die Klägerin erfuhr von der geplanten Umstrukturierung ("Fusion" ) spätestens im Februar 1996. Diese hatte zur Folge, dass die auf Veranlassung der Klägerin bereits durch syrische Behörden erteilten Registrierungen für Produkte der T. gegenstandslos wurden. Bei einer Besprechung im August 1996 vereinbarten die Klägerin und die Beklagte zu 1, dass die Klägerin versuchen sollte, in Syrien eine Umregistrierung der Produkte zu erreichen. Dies gelang in der Folgezeit nur teilweise. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte zu 1 für Verzögerungen verantwortlich ist, die im (Um-)Registrierungsverfahren eingetreten sind.
3
Am 5. November 1997 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 1 eine als Vergleich bezeichnete Vereinbarung, in der die Klägerin unter anderem anerkannte , der Beklagten zu 1 einen Betrag von 424.012,87 DM zu schulden, der in Raten getilgt werden sollte. Das Recht der Klägerin zur Aufrechnung mit etwaigen Gegenforderungen gleich welcher Art sowie ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem vorgenannten Zahlungsanspruch wurden ausgeschlossen. Die Klägerin behielt sich vor, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten unter anderem wegen angeblicher Verzögerungen im Zusammenhang mit der fusionsbedingten Registrierung geltend zu machen. Im Übrigen sollten mit dem Abschluss und der Erfüllung des Vergleichs sämtliche bestehenden und gegenseitigen Ansprüche erledigt sein.
4
Bis April 1998 leistete die Klägerin auf die anerkannte Forderung fünf Raten à 10.000 DM; anschließend stellte sie die Zahlungen ein. Mit Schreiben vom 15. April 1998 vertrat sie die Auffassung, die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung vom 3. (richtig: 5.) November 1997 sei wegen des Verhaltens der Beklagten entfallen. Hilfsweise erklärte die Klägerin die Anfechtung der Vereinbarung. Des Weiteren rechnete sie mit Schadensersatzforderungen gegen den restlichen Zahlungsanspruch der Beklagten zu 1 von 374.012,87 DM auf. Ende Mai 1998 kündigten beide Parteien den Vertriebs- und Handelsvertretungsvertrag fristlos.
5
Die Klägerin hat die Beklagten auf Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von insgesamt 5.202.548 DM (2.660.020,55 €) nebst Zinsen in Anspruch genommen und außerdem die Feststellung weiterer Schadensersatzpflichten der Beklagten begehrt. Die Beklagte zu 1 verlangt im Wege der Widerklage Zahlung des Restbetrags von 374.012,87 DM (191.229,74 €) zuzüglich Zinsen.
6
Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil vom 14. April 2000 festgestellt , dass der Klägerin dem Grunde nach Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns zustehe für importgenehmigte, nicht ausnutzbare T. -Mengen (Schadensposition I) sowie für geplante T. -Mengen, die wegen nicht vollzogener Registrierung nicht mehr zum Importverfahren zugelassen wurden (Schadensposition II), allerdings beschränkt auf den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 5. November 1997. Eine Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen vergeblicher Kosten für Importlizenzen (Schadensposition IV) hat das Landgericht vorbehalten. Im Übrigen (Schadenspositionen I und II für die Zeit nach dem 5. November 1997, Schadenspositionen III, V, VI und VII sowie Feststellungsanträge) hat es die Klage abgewiesen, der Widerklage dagegen in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten war erfolglos geblieben; auf die Berufung der Klägerin hatte das Berufungsgericht durch Urteil vom 19. Mai 2004 das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und unter anderem der Klägerin dem Grunde nach weitere Schadensersatzansprüche zuerkannt sowie hinsichtlich der Widerklage die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen.
7
Dieses Urteil hat der Senat auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht durch Beschluss vom 26. September 2006 (VIII ZR 180/04) wegen Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Inzwischen hat das Berufungsgericht durch Urteil vom 27. Juni 2007 auf die Berufungen der Parteien das Grund- und Teilurteil des Landgerichts vom 14. April 2000 erneut teilweise aufgehoben und teilweise abgeändert. Es hat jetzt die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit die Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Schäden wegen entgangenen Gewinns geltend macht, weil im einzelnen aufgelistete L. -Produkte in der Zeit zwischen dem 1. Oktober 1998 bzw. dem 1. März 1999 und dem 31. Dezember 1999 von der Klägerin nicht eingeführt und vermarktet werden konnten; im Übrigen hat es die Klage, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens war, abgewiesen. Soweit die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zu 1 zur Zahlung verurteilt worden war, hat es das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
8
Im parallel dazu fortgesetzten Betragsverfahren hat die Klägerin auf der Grundlage des Urteils des Oberlandesgerichts vom 19. Mai 2004 ihre Forderungen neu beziffert und ihre Leistungsklage auf insgesamt 9.628.402,68 € erweitert. Das Landgericht hat durch 2. Teilurteil vom 27. Januar 2005 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu den Positionen Geflügelvakzine und Veterinärmedikamente (Schadenspositionen I und II) für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 5. November 1997 529.221,65 € (1.035.067,58 DM) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage hinsichtlich der Positionen Geflügelvakzine und Veterinärmedikamente betreffend den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 5. November 1997 abgewiesen. Die Widerklage hat es wegen der Aufrechnung der Klägerin mit weitergehenden Schadensersatzansprüchen für diese Positionen und den genannten Zeitraum ebenfalls abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Parteien zurückgewiesen , die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe, dass diese 5 % Zinsen aus 529.221,65 € erst seit dem 12. Mai 1998 zu zahlen haben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten in erster Linie die Feststellung, dass das Berufungsurteil wirkungslos geworden ist, soweit ihre Berufung gegen die der Klage stattgebende Entscheidung des Landgerichts zurückgewiesen worden ist; hilfsweise begehren sie die vollständige Abweisung der Klage zu den Schadenspositionen I und II für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 5. November 1997. Die Beklagte zu 1 verfolgt darüber hinaus ihren Widerklageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

9
Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse , zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
10
Das Landgericht habe der Klägerin zutreffend für Geflügelvakzine und Veterinärmedikamente in dem Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 5. November 1997 einen Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) in Höhe von 529.221,65 € zuerkannt. Für das Betragsverfahren sei gemäß § 318 ZPO von den Feststellungen im Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 auszugehen.
11
Die Beklagten hätten der Klägerin den Gewinn zu ersetzen, den diese bei Weiterführung des Vertriebs- und Handelsvertretungs-Vertrags bis zum Zeitpunkt der erstmals zulässigen ordentlichen Kündigung (31. Dezember 1999) erzielt hätte. Es liege auf der Hand, dass die Klägerin wegen des aus der Fusion folgenden Verlusts der Registrierungen keine bzw. jedenfalls weniger T. - Waren in Syrien habe veräußern können und dass ihr dadurch zu erwartender Gewinn entgangen sei. Die Klägerin habe ihr Kontingent an zugelassenen Produkten nicht in vollem Umfang ausschöpfen und zwecks späteren Verkaufs importieren können (Schadensposition I). Infolge des Wechsels des Namens des Herstellers und des daraus folgenden Erfordernisses der Um-(Neuregistrierung) hätten außerdem Produkte nicht mehr eingeführt werden können, die andernfalls am Importverfahren hätten teilnehmen und als registrierte Produkte auch hätten zugelassen werden können (Schadensposition II).
12
Das Landgericht habe zutreffend die Beweisaufnahme derart durchgeführt , dass es nur den Sachverständigen Prof. Dr. H. - unter weiterer Hinzuziehung des Diplom-Kaufmanns O. S. - mit der Ermittlung des entgangenen Gewinns betraut habe, ohne Zeugen dazu zu vernehmen oder weitere Sachverständige zu beauftragen. Die durch den Sachverständigen Prof. Dr. H. gewählte Methode für die Ermittlung des entgangenen Gewinns - er habe unter anderem in Syrien etwa sechzig von ihm ausgewählte Personen befragt -, begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und unter Offenlegung seiner Methodik sowie der Herkunft der Quellen angegeben, wie er zu seinen Ergebnissen gelangt sei. Er habe ferner ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es aufgrund der in Syrien herrschenden Verhältnisse nicht ausreichend gewesen wäre, ausschließlich auf offizielle amtliche Quellen und Statistiken zurückzugreifen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige seine Erhebungen in Syrien durchgeführt habe. Eine Erhebung, zu welchen Preisen die Klägerin ihre Ware an in Syrien ansässige Großhändler verkauft hätte, könne Erfolg versprechend nur vor Ort durchgeführt werden. Eine Überprüfung der gefundenen Ergebnisse anhand und unter Heranziehung der bei der Klägerin vorhandenen Daten scheide aus, weil diese Dateien ihrerseits einer unabhängigen Prüfung durch den Sachverständigen hätten unterzogen werden sollen.
13
Es sei ausreichend, dass das Landgericht seine Überzeugungsbildung einzig auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gestützt habe, der Vernehmung von Zeugen bedürfe es zur Ermittlung des entgangenen Gewinns nicht. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass er den von ihm befragten Personen zugesagt habe, deren Namen nicht preiszugeben , weil er andernfalls keine Informationen erhalten hätte, und dass er ihnen die Anonymität der Datenerfassung zugesichert habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1995, 40, 41) seien Abstriche am Offenlegungsanspruch der Parteien gerechtfertigt, wenn das Schweigen des Sachverständigen auf anerkennenswerten Gründen beruhe und die Nichtverwertung eines Gutachtens zum materiellen Rechtsverlust eines Beteiligten führen würde. Das Gericht könne daher im Interesse einer beweisbelasteten Partei geringere Anforderungen an die Offenlegung durch den Sachverständigen stellen, wenn die von diesem dafür vorgebrachten Gründe hinreichend gewichtig seien. Dafür reiche zwar allein der Umstand, dass Dritte eine Bekanntgabe von Tatsachen aus ihrer Privatsphäre nicht wünschten und sich der Sachverständige daran gebunden fühle, nicht aus. Soweit aber eine vollständige Offenlegung von Tatsachen aus anerkennenswerten Gründen unterbleibe und auf eine Verwertung des Gutachtens aus überwiegenden Interessen der beweispflichtigen Partei dennoch nicht verzichtet werden könne, müsse das Gericht versuchen, sich Gewissheit zu verschaffen, in welcher Weise der Sachverständige seine Daten erhoben habe. Dies könne für die richterliche Überzeugungsbildung ausreichen. So liege der Fall hier. Die Parteien hätten zudem - ohne dass es entscheidend darauf ankomme - vor Beginn der Beweisaufnahme auf eine ihnen angebotene Begleitung des Sachverständigen verzichtet. Im Übrigen sei die Situation vergleichbar mit einer empirischen Erfassung in Deutschland, bei der sich der Sachverständige in welcher Form auch immer Kenntnisse über den Markt verschaffe und das gefundene Ergebnis dem Gericht mitteile.

II.

14
Die Revision hat Erfolg.
15
1. Soweit das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 529.221,65 € nebst Zinsen zurückgewiesen hat, ist sein Urteil - unabhängig von dem Rechtsmittel der Beklagten - dadurch wirkungslos geworden, dass der Senat durch Beschluss vom 26. September 2006 das zugrunde liegende, im Verfahren über den Grund ergangene Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 aufgehoben hat. Dasselbe gilt für das erstinstanzliche Urteil vom 27. Januar 2005, soweit die Beklagten dadurch zur Zahlung verurteilt worden sind.
16
a) Wird das Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs nach Erlass des Endurteils über den Betrag aufgehoben, so verliert das Endurteil selbst dann, wenn es rechtskräftig geworden ist, seine Wirkung, ohne dass es eines gesonderten Ausspruchs bedürfte. Die Aufrechterhaltung des Grundurteils stellt eine auflösende Bedingung für das Endurteil dar (BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 47/04, NJW 2006, 3496, unter IV; MünchKommZPO/Musielak, 2. Aufl., § 304 Rdnr. 35; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 59 Rdnr. 68; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 304 Rdnr. 55; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 304 Rdnr. 27).
17
b) Dem Eintritt der Wirkungslosigkeit der im Betragsverfahren ergangenen Endurteile in dem oben genannten Umfang steht nicht entgegen, dass der Senat durch seinen Beschluss vom 26. September 2006 nur das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 aufgehoben hat, das in erster Instanz ergangene Grundurteil vom 14. April 2000 davon dagegen unberührt geblieben und bisher jedenfalls nicht rechtskräftig abgeändert worden ist. Allein das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 und nicht das Grundurteil des Landgerichts (oder das inzwischen im Verfahren über den Grund ergangene zweite Berufungsurteil vom 27. Juni 2007) ist dasjenige Urteil, von dessen Fortbestand die im Betragsverfahren ergangenen Endurteile erster und zweiter Instanz, soweit sie die Beklagten beschweren , inhaltlich - im Sinne einer Bedingung - abhängen.
18
Dabei kann offen bleiben, ob aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere im Hinblick auf das Ob und den Umfang der (weiteren) Vollstreckbarkeit des Endurteils, eine rein formelle Betrachtungsweise angezeigt ist und die Wirksamkeit des Endurteils stets ohne weiteres entfällt, wenn das im Instan- zenzug vor seinem Erlass zuletzt zum Grund ergangene Urteil, hier das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004, rechtskräftig aufgehoben wird. Im vorliegenden Fall beziehen sich die im Betragsverfahren ergangenen Entscheidungen auch materiell ausschließlich auf dieses Urteil.
19
Das Berufungsgericht hat in seinem hier angefochtenen Endurteil im Betragsverfahren für den Grund des Anspruchs ausdrücklich Bezug genommen auf die eigenen Ausführungen im Urteil vom 19. Mai 2004. Bestandteil dieser Ausführungen ist die Konkretisierung der Pflichtverletzung, die die Beklagte zu 1 gegenüber der Klägerin begangen haben soll. In diesem Punkt unterscheidet sich das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 von dem Grundurteil erster Instanz, auch wenn es die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten im Ergebnis zurückgewiesen hat. Nach Ansicht des Berufungsgerichts beschränkte die aus dem Vertriebs- und Handelsvertretungs-Vertrag folgende Rücksichtnahmepflicht der Beklagten zu 1 gegenüber der Klägerin nicht die unternehmerische Freiheit der Beklagten zu 1, eine Fusion durchzuführen, sondern verlangte lediglich von dieser, im Rahmen ihrer Entscheidung auf die berechtigten Interessen der Klägerin Rücksicht zu nehmen und sich sofort und umfassend zu bemühen, die Voraussetzungen für einen reibungslosen Übergang auch in Syrien zu schaffen.
20
Das Landgericht hat dagegen in seinem Grundurteil vom 14. April 2000 die zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 bereits darin gesehen, dass sie ohne zwingenden Grund die "Fusion" nebst Umfirmierung herbeigeführt habe, ohne dabei die berechtigten geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen, insbesondere ohne der Klägerin eine ausreichende "Vorlaufzeit" einzuräumen im Hinblick auf die dadurch erforderlichen Neu- bzw. Umregistrierungen. Eine dahingehende Verpflichtung der Klägerin hat das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 19. Mai 2004 - zu Recht (Se- natsbeschluss vom 26. September 2006, aaO, unter II 1) - verneint. Dieses Urteil lag bei Erlass des landgerichtlichen Urteils im Betragsverfahren bereits vor und ist vom Landgericht bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt worden, so dass auch letzteres auf den Annahmen zum Grund beruht, die das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 enthält.
21
Das zweite Berufungsurteil im Verfahren über den Grund vom 27. Juni 2007 scheidet als Bezugspunkt der Entscheidungen im Betragsverfahren schon deshalb aus, weil es der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Gewinns dem Grunde nach nur für andere Zeiträume zuerkennt, als sie Gegenstand des Betragsverfahrens waren.
22
2. Soweit das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten zu 1 gegen die Abweisung ihrer Widerklage zurückgewiesen hat, handelt es sich bei dem angefochtenen Urteil um ein unzulässiges Teilurteil (§ 301 ZPO).
23
Seine Wirksamkeit ist durch die Aufhebung des Urteils vom 19. Mai 2004 nicht berührt worden, weil es sich bezüglich der Widerklage nicht um ein Urteil im Betragsverfahren handelt, dem ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs vorausgegangen ist, sondern das Berufungsgericht - ebenso wie zuvor das Landgericht - zugleich über Grund und Höhe des mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs entschieden hat.
24
Es kann offen bleiben, ob das Berufungsurteil zur Widerklage schon deshalb rechtsfehlerhaft ist, weil sowohl das Landgericht - nachdem das Berufungsgericht durch sein Urteil vom 19. Mai 2004 den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage an das Landgericht zurückverwiesen hatte - als auch das Berufungsgericht über die Widerklage entschieden haben, während noch die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 beim Senat anhängig war.
25
Nachdem das jetzt angefochtene Endurteil, wie oben (unter 1) ausgeführt , hinsichtlich der Klage teilweise wirkungslos geworden ist, stellt es sich bezüglich der Widerklage jedenfalls als ein unzulässiges Teilurteil (§ 301 ZPO) dar. Ein Teilurteil ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen Teil des Rechtsstreits entscheidet, die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teilurteil und im Schlussurteil also ausgeschlossen ist (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs; betreffend Klage und Widerklage Urteil vom 19. April 2000 - XII ZR 334/97, NJW 2000, 2512, unter I). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat die Widerklage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe gegenüber dem damit geltend gemachten, als solchen unstreitigen Anspruch der Beklagten zu 1 mit einem Teil des Schadensersatzanspruchs aufgerechnet, den sie im Übrigen mit ihrer Klage verfolge. Sowohl für die Entscheidung über die Klage als auch für diejenige über die Widerklage kommt es demnach darauf an, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten zusteht und ob und in welchem Umfang sie damit trotz des in dem Vergleich vom 5. November 1997 vereinbarten Aufrechnungsverbots wirksam gegenüber der Widerklageforderung der Beklagten zu 1 aufgerechnet hat.

III.

26
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
27
1. Soweit es die Widerklage betrifft, ist es auf die Revision der Beklagten zu 1 aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO); er verweist den Rechtsstreit insoweit anstelle des Berufungsgerichts gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 3 ZPO an das Landgericht zurück (vgl. zu § 540 ZPO aF BGH, Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 287/01, DStR 2003, 563, unter 2). Auch bei der erstinstanzlichen Entscheidung zur Widerklage handelt es sich nunmehr um ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil. Für das Urteil des Landgerichts gilt insofern wegen der nachträglich eingetretenen teilweisen Wirkungslosigkeit dieses Urteils (siehe oben unter II 1) nichts anderes als für das Berufungsurteil zur Widerklage (siehe oben unter II 2). Eine Zurückverweisung an die erste Instanz ist geboten, weil über die Widerklage nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand erst entschieden werden kann, wenn feststeht , in welcher Höhe der Klägerin der von ihr teils mit der Klage und teils im Wege der Aufrechnung gegenüber der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch zusteht. Darüber wird - nach § 304 Abs. 2 ZPO grundsätzlich erst nach Rechtskraft des Grundurteils (Musielak/Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 304 Rdnr. 29) - erneut das Landgericht zu befinden haben, nachdem die im Betragsverfahren zur Klage ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit sie die Beklagten beschweren, wirkungslos geworden sind. Letzteres war lediglich deklaratorisch festzustellen.
28
2. Für das weitere Verfahren geben die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des der Klägerin entgangenen Gewinns für den Fall, dass es darauf nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den Grund noch ankommen sollte, Anlass zu folgenden Hinweisen: Das Berufungsgericht stützt seine Feststellungen zur Schadenshöhe auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. . Dagegen bestehen Bedenken.
29
a) Das Gericht darf grundsätzlich die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne eine eigene Prüfung bejahen (§ 286 ZPO). Dabei handelt es sich um eine für einen fairen Prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unerlässliche Verfahrensregel. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (BVerfG, Beschluss vom 28. Dezember 1999 - 1 BvR 2203/98, VersR 2000, 214, unter II 1 a; Beschluss vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531, unter III 1 a).
30
Soweit das Gericht sich bei der Tatsachenfeststellung auf ein Sachverständigengutachten stützt, muss es dieses sorgfältig und kritisch würdigen (BGHZ 116, 47, 58; BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 - VI ZR 408/99, NJW 2001, 1787, unter II 2). Muss sich der Sachverständige zur Erstattung seines Gutachtens zunächst Kenntnisse verschaffen, die die anzuwendende Sachkunde selbst betreffen, ist dies zwar vom Gutachtenauftrag umfasst (Zöller/Greger, aaO, § 402 Rdnr. 5d); auch diese sogenannten Befundtatsachen hat das Gericht jedoch nachzuprüfen, wenn sie bestritten sind. Zudem muss den Parteien die Möglichkeit gegeben werden, an der Prüfung mitzuwirken. Das gebietet deren aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgender Anspruch auf ein rechtstaatliches Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz (BVerfGE 91, 176, 181 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. April 1997 - 1 BvR 587/95, NJW 1997, 1909, unter II 1 a).
31
b) Für die erforderliche Nachprüfung eines Sachverständigengutachtens kann deshalb die Kenntnis der einzelnen tatsächlichen Umstände, die der Sachverständige selbst erhoben und seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, unentbehrlich sein. In einem solchen Fall ist regelmäßig die Offenlegung dieser Tatsachen durch den Sachverständigen geboten (BVerfGE 91, 176, 182; BVerfG, Beschluss vom 7. April 1997, aaO). Ob und inwieweit das Gericht und die Verfahrensbeteiligten die Kenntnis von Tatsachen, die ein Sachverständiger seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, für eine kritische Würdigung des Gutachtens tatsächlich benötigen, ist eine Frage des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) ist grundsätzlich die Forde- rung nach einer eigenen Überprüfung durch die Beteiligten umso berechtigter, je weniger das Gutachten auf dem Erfahrungswissen des Sachverständigen und je mehr es auf einzelnen konkreten Befundtatsachen aufbaut.
32
aa) Letzteres war hier in erheblichem Umfang der Fall. Der Sachverständige hat sein Gutachten nicht ausschließlich auf amtliches Daten- und Informationsmaterial gestützt, weil dieses nach seiner Darstellung zum einen „Mangelware“ und zum anderen, soweit vorhanden, mit so großen Fehlern behaftet ist, dass es entweder nicht oder erst nach Bearbeitung und sachgerechter Aufbereitung verwendet werden kann. Ähnliche Defizite sind nach den Angaben des Sachverständigen im Bereich der wirtschaftsnahen syrischen Institutionen sowie der staatlichen und halbstaatlichen Ämter (Industrie- und Handelskammern, Wirtschaftsverbände, Zollbehörden, Wirtschafts- und Fachabteilungen der Ministerien usw.) zu konstatieren, die bei der Beschaffung halbamtlicher statistischer Daten und anderer wichtiger Informationen behilflich sein könnten. Er hat deshalb zur Bewertung des Marktvolumens, der Absetzbarkeit der Produkte und der Marktbedeutung der Klägerin für die einzelnen Produkte, die diese vertrieben hat bzw. hat vertreiben wollen, sogenannte Expertengespräche geführt. Dafür hat er insgesamt etwa 60 Gesprächspartner aus verschiedenen Akteursgruppen ausgewählt: Repräsentanten der syrischen Agrarverwaltung, insbesondere der zentralen Tiergesundheitsbehörde in Damaskus; Vertreter relevanter Verbände (Verband syrischer Geflügelzüchter) und halbstaatlicher Institutionen (Landwirtschaftskammer); Veterinärmediziner in freier Anstellung oder in selbständiger Tätigkeit bzw. als Beamte des syrischen Staates; einschlägig ausgewiesene Agraringenieure bzw. Tierzuchtexperten; Abteilungsleiter der syrischen Zollbehörden sowie private Zollagenten; Inhaber von privaten sowie Leiter von staatlichen Tierzuchtbetrieben; Vertreter von Groß- und Einzelhandelsbetrieben für Veterinärprodukte sowie Agenten von Importfirmen für Tiermedikamente.
33
bb) Zur Nachprüfung der von den Experten erteilten Auskünfte und zur Überprüfung, ob die Auskünfte zutreffend und schlüssig in das Gutachten eingeflossen sind, hätte es sowohl für das Gericht als auch für die Parteien näherer Angaben dazu bedurft, welche Tätigkeit die befragten Experten ausüben, ob und warum es sich also tatsächlich um Experten handelt, was sie von dem Sachverständigen konkret gefragt worden sind und wie ihre Antwort lautete. Entsprechende Angaben sind von den Beklagten, wie die Revision zu Recht geltend macht, wiederholt gefordert worden. Der insoweit grundsätzlich bestehende Offenlegungsanspruch der Parteien wird auch vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Der Sachverständige war jedoch unter Hinweis auf die den Experten von ihm zugesicherte Anonymität nicht bereit, entsprechende Angaben zu machen.
34
cc) Berechtigt ist zumindest teilweise auch die Rüge der Revision, dass in diesem Sonderfall jedenfalls bei einigen der befragten Experten für eine Nachprüfung des Gutachtens über die oben genannten Angaben hinaus die Namen der Experten von Bedeutung sein können. Der Sachverständige hat unter anderem Vertreter von Groß- und Einzelhandelsbetrieben für Veterinärprodukte sowie Agenten von Importfirmen für Tiermedikamente befragt. Dabei kann es sich einerseits um Konkurrenten der Klägerin handeln; andererseits kann der Sachverständige auch Personen befragt haben, die "dem Lager" der Klägerin zuzurechnen sind. Daraus kann sich eine unterschiedliche Sichtweise und ein Eigeninteresse der Experten an einer bestimmten Beantwortung der Beweisfrage ergeben, die bei der Bewertung ihrer Auskünfte zu berücksichtigen ist.
35
Offen gelegt hat der Sachverständige insoweit nur eine Befragung des Partnerunternehmens der Klägerin in Damaskus A. . Soweit sich bei den übrigen von ihm befragten Experten aus Angaben zu deren jeweiliger Tätigkeit und zu den Umständen, aus denen sich ihre Experteneigenschaft ergibt, nicht ableiten lässt, ob sie im Verhältnis zur Klägerin "neutral" sind oder auf welcher Seite sie stehen, kann es im Hinblick auf diese Personen aus rechtsstaatlichen Gründen geboten sein, dass der Sachverständige sie namhaft macht. Das gilt um so mehr, als nach den Angaben des Sachverständigen gerade solche Personen , die Kontakte zu beiden Parteien haben, nur bei Wahrung ihrer Anonymität zu Auskünften gegenüber dem Sachverständigen bereit waren.
36
c) Die Annahme des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall seien Abstriche am Offenlegungsanspruch der Parteien gerechtfertigt, weil das Schweigen des Sachverständigen auf anerkennenswerten Gründen beruhe und auf eine Verwertung des Gutachtens aus überwiegenden Interessen der Klägerin nicht verzichtet werden könne, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Im Ansatz können unter den genannten Voraussetzungen zwar Einschränkungen der im rechtsstaatlichen Fairnessgebot verankerten Pflicht des Gerichts, die tatsächlichen Grundlagen eines Gutachtens hinreichend zu überprüfen und daran auch die Parteien mitwirken zu lassen, zulässig sein. Das Berufungsgericht hat jedoch das Vorliegen dieser Voraussetzungen rechtsfehlerhaft bejaht.
37
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 91, 176, 183 f.; Beschluss vom 7. April 1997, aaO, unter II 1 b) kann das Gericht im Interesse der beweisbelasteten Prozesspartei geringere Anforderungen an die Offenlegung durch den Sachverständigen stellen, wenn die von diesem dafür vorgebrachten Gründe hinreichend gewichtig sind, und kommt dies insbesondere in Betracht, wenn es sich um Daten aus der engsten Privat- oder Intimsphäre unbeteiligter Dritter handelt, deren Preisgabe niemandem zuzumuten ist. In derartigen Fällen muss regelmäßig damit gerechnet werden, dass auch ein anderer Sachverständiger nicht in der Lage sein wird, zu der Beweisfrage unter Offenlegung einschlägiger Tatsachen Stellung zu nehmen. Allein der Um- stand, dass Dritte eine Bekanntgabe von Tatsachen aus ihrer Privatsphäre nicht wünschen und der Sachverständige sich daran gebunden fühlt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings kein ausreichender Grund dafür, das Urteil auf ein solches Gutachten zu stützen.
38
bb) Um die Preisgabe von Daten aus der engsten Privat- oder Intimsphäre unbeteiligter Dritter geht es hier nicht. Die von dem Sachverständigen erbetenen Daten beziehen sich ausweislich des Gutachtens auf das Marktvolumen, die Absetzbarkeit der Produkte und die Marktbedeutung der Klägerin für diejenigen Produkte, die die Klägerin vertrieben hat bzw. hat vertreiben wollen. Die erforderliche Offenlegung betrifft weiter die jeweilige Tätigkeit der befragten Personen, d. h. die Umstände, die sie zu Experten machen, und - soweit dies zur Nachprüfung des Gutachtens nicht ausreicht - deren Namen. Dass die befragten Personen die Bekanntgabe dieser Daten nicht wünschen, genügt nach dem oben Ausgeführten als rechtfertigender Grund für eine Verwertung des Gutachtens ohne Offenlegung dieser für die Nachprüfung des Gutachtens relevanten Fakten nicht.
39
Etwas anderes gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht deshalb, weil die Parteien vor der ersten Reise des Sachverständigen auf die ihnen angebotene Begleitung des Sachverständigen verzichtet haben. Denn die Parteien brauchten nicht davon auszugehen, sie würden nur auf diese Weise Einzelheiten darüber erfahren, wen der Sachverständige wie befragt hat.
40
cc) Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob und in welchem Umfang der Sachverständige jedenfalls die oben (unter b bb) aufgeführten allgemeinen Angaben zu den befragten Experten hätte machen können, ohne deren Anonymität zu gefährden. Es ist weiter weder festgestellt noch zumindest die Vermutung gerechtfertigt, dass nicht entweder der Sachverständige Prof. Dr. H. selbst oder jedenfalls ein anderer Sachverständiger hinreichende Informationen für die Erstellung des Gutachtens auch hätte erlangen können, ohne den befragten Quellen Anonymität gegenüber den Prozessparteien zuzusichern.
41
Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung zunächst nur angegeben, eine Vielzahl von Probanden habe von sich aus darauf aufmerksam gemacht, sie wünschten nicht, in einen Gerichtsprozess hineingezogen zu werden. Das geschieht nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar, solange lediglich der Sachverständige dem Gericht und den Prozessparteien die Befragung der betreffenden Personen und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse mitteilt, aber nicht die Personen selbst als Zeugen und/oder (weitere) Sachverständige an dem Prozess beteiligt werden. Eine Vernehmung als Zeuge wird allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen, weil es vorrangig nicht um die persönliche Glaubwürdigkeit der Auskunftspersonen bei der Bekundung eigener Wahrnehmungen , sondern um die Frage geht, ob und in welcher Hinsicht sie als Experten, also als sachverständig für die ihnen gestellten Fragen anzusehen sind. Für die Hinzuziehung als weiterer, örtlicher Sachverständiger wird schon wegen der Beauftragung des Sachverständigen Prof. Dr. H. kein Bedürfnis bestehen. Bei denjenigen Personen, die nur unter der Voraussetzung absoluter Verschwiegenheit des Sachverständigen bereit waren, Informationen zu geben, handelt es sich nach der Aussage des Sachverständigen nur um "einige der Probanden". Der Sachverständige hat dennoch von sich aus gegenüber allen erklärt, die Daten würden anonym erfasst werden, um "Distanz aufzulösen und Vertrauen zu schaffen". Dabei ging er nach seinen Angaben davon aus, es genüge , wenn er eine Liste der Gesprächspartner bei Gericht hinterlege - auf das Gericht bezog sich die Zusicherung der Anonymität also offensichtlich nicht -, ohne dass diese an die Parteien weitergereicht werden müsse.
42
Die vom Sachverständigen geschilderte Vorgehensweise lässt durchaus die Möglichkeit offen, dass er selbst oder ein anderer Sachverständiger bei Kenntnis und Berücksichtigung der sich aus dem prozess- und verfassungsrechtlichen Gebot der gerichtlichen Nachprüfung des Gutachtens ergebenden Anforderungen an die Offenlegung der Befundtatsachen die - zur Gewinnung einer hinreichenden Sachkunde erforderliche - Marktsondierung durch Befragung der relevanten Marktteilnehmer und -regulierer auch so hätte vornehmen können, dass er die Befundtatsachen in ausreichendem Umfang hätte offen legen können.
43
dd) Die Zulässigkeit eines Verzichts darauf ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus einem Vergleich mit einer empirischen Marktforschung oder Meinungsforschung in Deutschland, bei der sich der Sachverständige zunächst Kenntnisse über den Markt verschafft und das gefundene Ergebnis dem Gericht mitteilt. Soweit er dafür Umfragen vornimmt, sind zum einen regelmäßig zumindest die Kriterien, nach denen die befragten Personen ausgesucht worden sind - etwa als repräsentativer Querschnitt der gesamten oder eines näher bestimmten Teils der Bevölkerung -, und die gestellten Fragen bekannt. Zum andern werden die für die Umfrage ausgewählten Personen üblicherweise nicht als Experten, sondern als Marktteilnehmer, Wahlberechtigte oder Bürger zu persönlichen Kenntnissen, Vorlieben, Einschätzungen , Wünschen oder Entscheidungen befragt. Auf eine bestimmte Qualifikation, ihre berufliche Position oder besondere fachliche Erfahrungen, die die Validität ihrer Auskünfte sichern, kommt es dabei anders als im vorliegenden Fall nicht an, so dass sich die Frage der Überprüfbarkeit dieser Umstände durch das Gericht und die Parteien nicht stellt.
44
ee) Sollte sich ergeben, dass nach dem oben Ausgeführten eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende, verwertbare Aufklärung der Marktver- hältnisse in Syrien nicht möglich ist, müsste zwar letztlich die Klägerin, die die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des eingetretenen Schadens trägt, insoweit als beweisfällig angesehen werden. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass die Klägerin auch in diesem Fall nicht ohne jede Rechtsschutzmöglichkeit dasteht, sondern zumindest eine Schadensberechnung auf der Grundlage der von der Klägerin in der Vergangenheit aus Geschäften in Syrien erwirtschafteten Gewinne erfolgen könnte. Dabei bliebe zwar die von der Klägerin angestrebte Marktentwicklung außer Betracht, soweit sich nicht aus den Umständen, insbesondere den von ihr bereits getroffenen Anstalten und Vorkehrungen zureichende Anhaltspunkte dafür ergeben (§ 252 Satz 2 BGB). Es kann aber auf dieser Grundlage jedenfalls nach § 287 Abs. 1 ZPO die Schätzung eines Mindestschadens erfolgen (Senatsurteile vom 30. Mai 2001 - VIII ZR 70/00, WM 2001, 2010, unter II 3, und vom 19. Oktober 2005 - VIII ZR 392/03, WM 2006, 544, unter II 2). Ball Wiechers Dr.Frellesen Hermanns Dr.Hessel
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 27.01.2005 - 8 O 50/98 -
OLG Celle, Entscheidung vom 05.10.2005 - 3 U 28/05 -

Ist über die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht entschieden, so sind wegen Ergänzung des Urteils die Vorschriften des § 321 anzuwenden.

(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(3) Auf einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Hauptanspruch zum Gegenstand hat, ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Dem Gegner des Antragstellers ist mit der Ladung zu diesem Termin der den Antrag enthaltende Schriftsatz zuzustellen. Über einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Nebenanspruch oder den Kostenpunkt zum Gegenstand hat, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Eine mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.

(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.

(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.

(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf seinen Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung kann die Zwangsvollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Satz 3 erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss.

(2) Im übrigen finden auf die Zwangsvollstreckung einschließlich des Arrests und der einstweiligen Verfügung die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung Anwendung. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann in dringenden Fällen, auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.

Berichtigt durch Beschluss
vom 16. Mai 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 122/05 Verkündet am:
4. April 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja

a) Ein Vertrag, nach dem ein Sachverständiger ein Gutachten über die Höhe
eines Kraftfahrzeugunfallschadens zu erstellen hat, ist ein Werkvertrag.

b) Für die Bemessung der Vergütung des Sachverständigen ist der Inhalt der
zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung maßgeblich, wobei nach
§ 632 BGB - in dieser Reihenfolge - ihre tatsächliche Absprache, eine eventuell
vorliegende Taxe oder die übliche Vergütung den Inhalt der Vereinbarung
bestimmen. Andernfalls ist eine verbleibende Vertragslücke nach den
Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, für die
Gegenstand und Schwierigkeit der Werkleistung und insbesondere die mit
dem Vertrag verfolgten Interessen der Parteien von Bedeutung sein können.
Nur wenn sich auf diese Weise eine vertraglich festgelegte Vergütung nicht
ermitteln lässt, kann zur Ergänzung des Vertrages auf die Vorschriften der
§§ 315, 316 BGB zurückgegriffen werden.

c) Ein Sachverständiger, der für Routinegutachten eine an der Schadenshöhe
orientierte angemessene Pauschalierung seiner Honorare vornimmt, überschreitet
die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums
grundsätzlich nicht.

d) Mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB
tritt Verzug des Schuldners ohne weiteres und auch dann ein, wenn das Urteil
einen bestimmten Zeitpunkt für die Leistung nicht ausdrücklich festlegt.
BGH, Urt. v. 4. April 2006 - X ZR 122/05 - LG Traunstein
AG Mühldorf am Inn
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das am 29. Juli 2005 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger bewertet Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugschäden und wurde von der Beklagten mit der Begutachtung eines Kraftfahrzeugschadens beauftragt. Für die Erstellung des Gutachtens vom 21.12.2002 begehrt der Kläger Vergütung in Höhe von insgesamt 697,16 €, wobei er für die Gutachtertätigkeit unter Ausrichtung an der Schadenshöhe 466,-- € in Rechnung gestellt hat, die übrigen Positionen betreffen Nebenkosten. Die Beklagte hat keine Vergütung gezahlt, weil der Kläger seine Forderung nicht spezifiziert habe.
2
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die Vergütungsforderung des Klägers nicht für fällig gehalten hat. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage nach Beweisaufnahme über den für das Gutachten angemessenen Zeitaufwand und den dafür anzusetzenden Stundensatz zur Zahlung von 566,49 € nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz ab Rechtskraft des Urteils verurteilt.
3
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist, eine Entscheidung nach Maßgabe seiner Berufungsanträge und hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagte und die Streithelferin sind der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
5
I. Das Berufungsgericht hat den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Werkvertrag nach § 631 BGB qualifiziert (vgl. nur BGHZ 127, 378, 384), auf den das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes anzuwenden ist, da der Vertragsschluss im Jahr 2002 stattgefunden hat (Art. 229 § 5 EGBGB).
6
II. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei keine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung für das zu erstellende Gutachten getroffen worden, eine Taxe bestehe nicht und eine übliche Vergütung könne nicht festgestellt werden. Üblich im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB sei eine Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflege. Zwar stehe einer festen Übung nicht von vornherein entgegen, dass sich feststellbare Vergütungen innerhalb gewisser Spannen bewegten. Die vom Kläger vorgelegten Honorarbefragungen der Mitglieder des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) belegten auch, dass diese ihre Honorare nach der Schadenshöhe und nicht nach Zeitaufwand abrechneten. Die Auswertung der Honorare für Schadenshöhen zwischen 500,-- € und 15.000,-- € ergebe in dem Bereich, in dem sich 80 % der befragten Mitglieder mit ihren Honorarforderungen bewegten, jedoch Spannen von mindestens 40 %. Eine übliche Vergütung lasse sich unter diesen Umständen nicht feststellen, so dass die Vergütung vom Kläger gemäß §§ 315 f. BGB zu bestimmen gewesen sei. Dieser habe sein Bestimmungsrecht dahin ausgeübt , dass er sein Honorar an der Schadenshöhe ausgerichtet habe. Diesen Ansatz hat das Berufungsgericht für unbillig gehalten, weil der Gesetzgeber durch das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bestimmt habe, dass die Vergütung von Sachverständigen nach deren Zeitaufwand bemessen wird, und eine Orientierung allein an der Schadenshöhe und unabhängig vom konkreten Arbeitsaufwand zu unangemessenen Ergebnissen führen könne. Nachdem der Kläger hilfsweise seinen Zeitaufwand spezifiziert hat, hat das Berufungsgericht die Vergütung des Klägers auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme auf 566,49 € festgesetzt.

7
2. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen verkannt, unter denen im Werkvertragsrecht zur Bestimmung der Vergütung des Werkunternehmers auf § 316 BGB zurückgegriffen werden kann, und die Rechtsgrundsätze nicht beachtet, nach denen die Üblichkeit einer Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB zu beurteilen ist, so dass das angefochtene Urteil auf einer Verletzung des materiellen Rechts beruht.
8
a) Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen , dass im Werkvertragsrecht ein einseitiges Recht zur Bestimmung der für eine Leistung zu erbringenden Gegenleistung nach den §§ 316, 315 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht kommen kann, wenn die Parteien des Werkvertrags die Höhe der Vergütung nicht vertraglich geregelt haben und eine übliche Vergütung nicht feststellbar ist. Damit sind jedoch die Voraussetzungen, unter denen im Recht des Werkvertrags auf die Auslegungsregel des § 316 BGB zurückgegriffen werden kann, nicht abschließend benannt.
9
Nach § 632 Abs. 1 BGB gilt die Zahlung einer Vergütung für die Werkleistung als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, war die Erstellung des Schadensgutachtens durch den Kläger nur gegen Zahlung einer Vergütung zu erwarten, so dass dem Kläger ein Vergütungsanspruch zusteht. Da die Parteien eine bestimmte Vergütung nicht vereinbart haben und eine Taxe im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB für die Erstellung von Schadensgutachten der hier fraglichen Art nicht besteht, ist nach der teils als Fiktion (Münch.Komm./Busche, BGB, 4. Aufl., § 632 BGB Rdn. 8), teils als Auslegungsregel (Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 632 BGB Rdn. 1) verstandenen Vorschrift des § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergü- tung als vereinbart anzusehen. Das trägt dem Verständnis Rechnung, das Parteien regelmäßig bei Abschluss des Vertrages zugrunde legen, wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - von einer ausdrücklichen Absprache über die Höhe der Vergütung für die Werkleistung absehen. Im Allgemeinen soll in einem solchen Fall nach ihrer Vorstellung deren Festlegung gerade nicht der einseitigen Bestimmung einer Vertragspartei überlassen werden. Sie gehen vielmehr davon aus, dass mit ihrer Vereinbarung auch ohne ausdrückliche Abrede die Höhe der Vergütung festgelegt ist, weil es zumindest eine aus vergleichbaren Sachverhalten abzuleitende Richtgröße in Form eines üblichen Satzes gibt, der auch in ihrem Fall herangezogen werden kann.
10
Als übliche Vergütung kann vor diesem Hintergrund nicht nur ein fester Satz oder gar ein fester Betrag herangezogen werden. Sind die Leistungen einem als einheitlich empfundenen Wirtschaftsbereich zuzuordnen, wie es etwa bei Leistungen aus den Gewerken der Handwerker oder - wie im vorliegenden Fall - bei Sachverständigen der Fall sein wird, kann sich eine Üblichkeit im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB auch über eine im Markt verbreitete Berechnungsregel ergeben. Darüber hinaus ist die übliche Vergütung regelmäßig nicht auf einen festen Betrag oder Satz festgelegt, sondern bewegt sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite (Staudinger/Peters, BGB Bearb. 2003, § 632 BGB Rdn. 38), neben die darüber hinaus aus der Betrachtung auszuscheidende und daher unerhebliche "Ausreißer" treten können. Fehlen feste Sätze oder Beträge , kann es daher für die Annahme einer üblichen Vergütung ausreichen, dass für die Leistung innerhalb einer solchen Bandbreite liegende Sätze verlangt werden, innerhalb derer die im Einzelfall von den Parteien als angemessen angesehene Vergütung ohne weiteres auszumachen und gegebenenfalls durch den Tatrichter zu ermitteln ist. Eine solche Festlegung der Vergütung wird für den Fall des Fehlens ausdrücklicher Absprachen und Taxen nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Wertung die Regel sein. Schon deshalb kann im Werkvertragsrecht - insoweit ähnlich wie etwa im Maklerrecht, für das dies bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt ist (vgl. dazu BGHZ 94, 98, 103) - nicht ohne weiteres angenommen werden, dass bei Fehlen fester Vergütungssätze für vergleichbare Arbeiten das Recht zur Bestimmung der Höhe des Honorars einseitig auf eine der Vertragsparteien verlagert werden soll. Das gilt darüber hinaus aber selbst dann, wenn sich bei Anlegung dieser Maßstäbe eine übliche Vergütung als Gegenstand der Vereinbarung der Parteien nicht feststellen lässt. Die dann bestehende Vertragslücke ist in diesem Fall nicht durch einen - den Interessen der Parteien und ihrer Willensrichtung nicht entsprechenden - Rückgriff auf § 316 BGB zu schließen. Angesichts der aus § 632 Abs. 2 BGB ersichtlichen, an den typischen Willen der Parteien anknüpfenden Vorgabe des Gesetzes ist es vielmehr in diesem Fall geboten, vorrangig die Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung heranzuziehen (vgl. Münch.Komm./Busche, aaO, § 632 BGB Rdn. 23). In deren Rahmen mag dann zwar ein Rückgriff auf die Regelungen der §§ 316, 315 BGB denkbar erscheinen; vorrangig ist jedoch auch in diesem Zusammenhang auf die den Gegenstand der Leistung und die das Verhältnis der Parteien prägenden Umstände abzustellen. Sie bestimmen den Inhalt der von den Parteien getroffenen Absprache und bilden in aller Regel eine hinreichende Grundlage für die Festlegung der interessengerechten Vergütung.
11
Hiernach kann schon dem Ansatz nach aus dem Umstand, dass die Mitglieder des BVSK in der von diesem durchgeführten Befragung Honorare angegeben haben, die - ausgehend von einer Berechnung auf der Grundlage der Schadenshöhe - zu unterschiedlichen Beträgen geführt haben, allein das Fehlen einer üblichen Vergütung nicht hergeleitet werden.
12
Auch die weitere Beurteilung der vom Berufungsgericht seiner Betrachtung zugrunde gelegten Umfrageergebnisse beruht auf einer Verkennung der maßgeblichen Rechtsgrundsätze. Da bei der Ermittlung der üblichen Vergütung "Ausreißer" unberücksichtigt bleiben müssen, kann ihr nicht das gesamte Spektrum der aus der Umfrage ersichtlichen Beträge zugrunde gelegt werden. Entscheidend ist vielmehr der Bereich, in dem sich die Mehrzahl und damit die die Üblichkeit bestimmenden Werte halten. Somit ergibt sich ein wesentlich engerer Rahmen, als vom Berufungsgericht angenommen. Zudem ist für die Frage , bei welcher Spanne noch von einer üblichen Vergütung gesprochen werden kann, nicht auf die im Einzelfall ermittelten absoluten Beträge abzustellen. Ist die Vergütung - wie hier - als Prozentsatz von einer Ausgangsgröße wie der Schadenshöhe bestimmt worden, lässt sich die Frage, ob sich die Spanne noch in einem hinzunehmenden Bereich bewegt, nur durch einen Vergleich der jeweiligen Prozentsätze feststellen. Maßgebend für die Bewertung im Hinblick auf eine Üblichkeit sind in einem solchen Fall daher die Unterschiede im Prozentsatz , nach dem die jeweils verlangte Vergütung berechnet worden ist. Auch das entspricht den Verhältnissen im Maklerrecht, wo eine Spanne von 3 bis 5 % des Wertes des vermittelten Objekts nicht als für die Bestimmung der Vergütung nach § 653 Abs. 2 BGB ungeeignet angesehen worden ist (BGHZ 94, 98, 103). Dem trägt die angefochtene Entscheidung nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung.
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Bei der Auswertung der vom Kläger vorgelegten Befragung hat das Berufungsgericht schließlich nicht hinreichend beachtet, dass die dort tabellarisch niedergelegten Honorare sich in weiten Bereichen - bezogen auf die jeweilige Berechnungsgrundlage - in dem angewendeten Prozentsatz nur geringfügig unterscheiden. Ausgangspunkt der Honorarberechnung war ausnahmslos die Höhe des begutachteten Schadens, so dass dieser Ausgangspunkt, sollte die Übung dieser Mitglieder des die Befragung durchführenden Verbandes weit verbreitet sein, als solcher nicht als unüblich angesehen werden kann. Feststellungen zur Verbreitung dieser Berechnungsweise unter den Mitgliedern des Verbandes und zur Zahl dem Verband nicht angehörender Sachverständiger hat das Berufungsgericht nicht getroffen, so dass insoweit im Revisionsverfahren von den Behauptungen des Klägers auszugehen ist, die zur Annahme der Üblichkeit eines solchen Vorgehens führen.
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b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Senat eine abschließende Sachentscheidung nicht möglich, so dass die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung der Sache werden die erforderlichen Feststellungen nachzuholen sein. Zudem wird zu beachten sein, dass "üblich" im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB eine Vergütung ist, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach einer festen Übung am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt (BGH, Urt. v. 26.10.2000 - VII ZR 239/98, NJW 2001, 155, 156; Staudinger /Peters, aaO, § 632 BGB Rdn. 38), wobei, wenn Streit über die Üblichkeit einer Vergütung besteht, der Unternehmer darzulegen und zu beweisen hat, dass die von ihm begehrte Vergütung der Üblichkeit entspricht (Staudinger /Peters, BGB Bearb. 2003, § 632 BGB Rdn. 120). Haben sich nach einer festen Übung Spannen für Leistungen, die wie die Leistungen der Schadensgutachter für Kraftfahrzeugschäden auch für überregional tätige Auftraggeber wie Versicherungen erbracht werden, allgemein herausgebildet, dann steht der Feststellung, welche Vergütung üblich ist, nicht entgegen, dass sich an einem bestimmten Ort diese feste Übung nicht gesondert feststellen lässt. Haben sich dagegen am Ort der Werkleistung feste, von dieser allgemeinen Übung abweichende Spannen herausgebildet, innerhalb derer die Leistungen von Sachverständigen üblicherweise vergütet werden, sind diese zur Feststellung, welche Vergütung üblich ist, für den Ort maßgeblich, an dem die Leistung des Gutachters erbracht wird.
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III. Sofern sich auf Grund der neuen Verhandlung wiederum ergeben sollte, dass eine im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB übliche Vergütung nicht feststellbar und die danach bestehende Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung nicht zu schließen ist, so dass eine einseitige Bestimmung der Gegenleistung durch den Kläger in Betracht kommen kann, weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Die Prüfung der Frage, ob die Preisbestimmung billigem Ermessen entspricht, zielt nicht darauf ab, einen "gerechten Preis" von Amts wegen zu ermitteln. Vielmehr geht es darum, ob die getroffene Bestimmung sich noch in den Grenzen der Billigkeit hält (BGH, Urt. v. 1.7.1971 - KZR 16/70, BB 1971, 1175, 1176; Urt. v. 24.11.1977 - III ZR 27/76, WM 1978, 1097, 1099). Erst wenn der Berechtigte die ihm durch die Billigkeit gesetzten Grenzen bei der Preisbemessung überschritten hat, ist die Bestimmung durch die Entscheidung des Gerichts zu ersetzen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), nicht aber bereits dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für besser hält (BGH, Urt. v. 24.6.1991 - II ZR 268/90, NJW-RR 1991, 1248 f.; vgl. auch Staudinger/Rieble, BGB Bearb. 2004, § 315 BGB Rdn. 128; Münch.Komm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 BGB Rdn. 29 f.).
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Bei der Prüfung der Frage, ob die Bestimmung der Gegenleistung billigem Ermessen entspricht, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Vertragszweck und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen , wobei es entscheidend darauf ankommt, welche Bedeutung die Leistung hat, deren angemessener Gegenwert zu ermitteln ist. Die Rechtsprechung hat daher in Fällen, in denen der Vertragszweck nicht in der Erreichung eines Erfolgs , sondern in der Erbringung von Dienstleistungen liegt, entscheidend darauf abgestellt, welche Bedeutung die geschuldete Arbeit für den anderen Teil hat, wobei Schwierigkeit, Ungewöhnlichkeit oder Dauer der verlangten Tätigkeit in die Abwägung ebenso einzubeziehen sind wie sonstige übliche Bemessungsfaktoren für die Bewertung der Leistung, etwa besondere mit der Dienstleistung erzielte Umsätze oder Erfolge (BGH, Urt. v. 21.3.1961 - I ZR 133/59, NJW 1961, 1251, 1252; Urt. v. 30.5.2003 - V ZR 216/02, WM 2004, 186, 188). Andererseits fällt ebenso entscheidend ins Gewicht, dass das von einem Wertoder Schadensgutachter begehrte Honorar die Gegenleistung für das als Erfolg des Werkvertrags geschuldete Gutachten darstellt, so dass das Honorar in angemessenem Verhältnis zu dem stehen muss, was der Auftraggeber durch das Gutachten an wirtschaftlichem Wert erhalten soll, wobei nicht außer acht gelassen werden darf, welche Honorare andere Sachverständige für ähnliche Gutachten verlangen (BGH, Urt. v. 29.11.1965 - VII ZR 265/63, NJW 1966, 539, 540).
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Schadensgutachten dienen in der Regel dazu, die Realisierung von Schadensersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrags wird als Erfolg geschuldet; hierfür haftet der Sachverständige. Deshalb trägt eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist. Ein Sachverständiger, der für Routinegutachten sein Honorar auf einer solchen Bemessungsgrundlage bestimmt, überschreitet daher entgegen einer in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. nur AG Schwerin NJW-RR 1999, 510; zustimmend Münch.Komm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 BGB Rdn. 37; Eman/Hohloch/Hager, BGB, 11. Aufl., § 315 BGB Rdn. 18; Palandt/Grüneberg, BGB, 64. Aufl., § 315 BGB Rdn. 10 unter Anknüpfung an das Justizvergütungsund Entschädigungsgesetz, JVEG) die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht (so zutreffend AG Kassel VersR 2004, 1196; AG Essen VersR 2000, 68; AG Frankfurt VersR 2000, 1425; grundsätzlich ebenso Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 315 BGB Rdn. 5; zum Meinungsstand vgl. auch Roß, NZV 2001, 321 ff.; Hörl, NZV 2003, 305 ff., 308 f. jew. m. Nachw. zur Rechtsprechung der Instanzgerichte).
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Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf das JVEG geboten. Dieses regelt das dem gerichtlichen Sachverständigen zustehende Honorar zwar nicht mehr nach dem Entschädigungsprinzip wie das außer Kraft getretene Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz, sondern nach dem Vergütungsprinzip (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 JVEG). Sein Anwendungsbereich ist aber auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Einer Übertragung der Grundsätze für die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger auf Privatgutachter steht schon der Umstand entgegen, dass Privatgutachter im Unterschied zu gerichtlichen Sachverständigen, die zu den Parteien nicht in einem Vertragsverhältnis stehen, dem Auftraggeber nach allgemeinen Regeln sowohl vertragsrechtlich als auch deliktsrechtlich haften (vgl. Münch.Komm./Soergel, BGB, 4. Aufl., § 631 BGB Rdn. 85, 86), während die Haftung gerichtlicher Sachverständiger der Sonderregelung des § 839 a BGB unterliegt, die die Haftung zwar einerseits auf reine Vermögensinteressen erstreckt, andererseits aber auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt hat, damit der Sachverständige , der nach den Verfahrensordnungen (§ 407 ZPO, § 75 StPO) regelmäßig zur Übernahme der Begutachtung verpflichtet ist, seine Tätigkeit ohne den Druck eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben kann (vgl. Münch.Komm./Soergel, aaO, § 631 BGB Rdn. 86; Münch.Komm./Wagner, BGB, 4. Aufl., § 839 a BGB Rdn. 3).
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2. Zum Zinspunkt ist für den Fall, dass erneut auf der Grundlage der §§ 315, 316 BGB zu entscheiden sein sollte, auf Folgendes hinzuweisen:
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Erweist sich die einseitige Honorarfestsetzung als im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB billigem Ermessen entsprechend, ist sie mit der Leistungsbestimmung durch den Kläger für die Beklagte verbindlich geworden (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) und demzufolge fällig. Unter den Voraussetzungen der § 286 und § 291 BGB schuldet die Beklagte dann Verzugs- wie Prozesszinsen.
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Erweist sich die einseitige Honorarfestsetzung unter Beachtung der genannten Grundsätze zur Beurteilung der Frage, ob die Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, dagegen als Überschreitung des dem Kläger vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums, so ist sie unverbindlich und die Bestimmung der dem Kläger zustehenden Vergütung durch Gestaltungsurteil zu treffen. Erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung fällig und kann der Schuldner in Verzug geraten (Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 unter II. 1. b; BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; Münch.Komm./Gottwald, BGB, aaO, § 315 BGB Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 BGB Rdn. 17; Staudinger /Rieble, BGB Bearb. 2004, § 315 BGB Rdn. 276; vgl. auch BAG NJW 1969, 1735). Denn die Gestaltungswirkung des Urteils, die mit der Neubestimmung der Vergütung verbunden ist, tritt erst mit seiner Rechtskraft ein (BGHZ 122, 32, 46). Mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils tritt der Verzug des Schuldners aber ohne weiteres und auch dann ein, wenn das Urteil einen bestimmten Zeitpunkt für die Leistung nicht ausdrücklich festlegt, weil mit ihm dem Schuldner nachdrücklich vor Augen geführt wird, dass er alsbald zu leisten hat (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB Bearb. 2004, § 286 BGB Rdn. 65; a.A. Soergel/ Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 284 BGB Rdn. 32; § 291 BGB Rdn. 16).
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Demgegenüber können Prozesszinsen nach § 291 BGB im Falle der Bestimmung der Leistung durch Gestaltungsurteil nicht zugesprochen werden. Prozesszinsen sind kein Unterfall der Verzinsungspflicht wegen Verzuges, vielmehr wird der Schuldner durch § 291 BGB schon deshalb einer Zinspflicht unterworfen, weil er es zum Prozess hat kommen lassen und für das damit verbundene Risiko einstehen soll (BGH, Urt. v. 14.1.1987 - IV b ZR 3/86, NJW-RR 1987, 386 m.w.N.; Münch.Komm./Thode, BGB, 4. Aufl., § 291 BGB Rdn. 1). Dieses Risiko kann nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr entstehen, so dass bei einer Geldforderung, deren Fälligkeit erst nach Beendigung der Rechtshängigkeit eintritt, kein Anspruch auf Prozesszinsen besteht (BVerwGE 38, 49, 51; Staudinger/Löwisch, aaO, § 291 BGB Rdn. 10; Münch.Komm./Thode, aaO, § 291 BGB Rdn. 9).
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanzen:
AG Mühldorf a. Inn, Entscheidung vom 15.04.2004 - 2 C 1190/03 -
LG Traunstein, Entscheidung vom 29.07.2005 - 5 S 2896/04 -