Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2017 - StB 2/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:090217BSTB2.17.0
bei uns veröffentlicht am09.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 2/17
vom
9. Februar 2017
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland
ECLI:DE:BGH:2017:090217BSTB2.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 9. Februar 2017 gemäß § 304 Abs. 1, 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
1. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des Kammergerichts vom 13. Oktober 2016 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.


1
Der Angeklagte wurde in dieser Sache auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. Januar 2015 am 16. Januar 2015 festgenommen und befand sich zunächst bis zur Aufhebung des Haftbefehls durch das Amtsgericht Tiergarten am 5. Februar 2015 in Untersuchungshaft.
2
Am 6. März 2015 ist er auf Grund des von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Wege der Beschwerde erwirkten Haftbefehls des Landgerichts Berlin vom selben Tag, später abgeändert durch den Beschluss des Kammergerichts vom 8. April 2015, erneut in Untersuchungshaft genommen worden, die seither ununterbrochen andauert. Der Haftbefehl ist, nachdem der Generalbundesanwalt das Verfahren übernommen hatte, ersetzt worden durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2015 in der Fassung des Invollzugsetzungsbeschlusses vom 13. Juli 2015. Nach Anklageerhebung durch den Generalbundesanwalt zum Kammergericht hat dieses den Haftbefehl anlässlich der Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 4. Dezember 2015 aufrechterhalten.
3
In dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wird dem Angeklagten vorgeworfen, er habe zwischen Mitte Juni 2013 und Ende November 2014 durch neun selbständige Handlungen von Deutschland aus die in Syrien bestehende Vereinigung Junud ash-Sham, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, unterstützt und bei acht dieser Handlungen jeweils tateinheitlich hierzu eine Straftat nach § 211 oder § 212 StGB vorbereitet, die bestimmt und geeignet gewesen sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staats zu beeinträchtigen, indem er für deren Begehung nicht unerhebliche Vermögenswerte gesammelt, entgegengenommen oder zur Verfügung gestellt habe, strafbar als neun Fälle der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in acht dieser Fälle in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 aF, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, §§ 52, 53 StGB.
4
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 27. August 2015 (AK 23/15) und 10. Dezember 2015 (AK 47/15) die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs bzw. neun Monate hinaus angeordnet. Er hat den Angeklagten jedenfalls der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in acht Fällen gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 53 StGB (Fälle 1 bis 3 sowie 5 bis 9) für dringend verdächtig erachtet.
5
Am 6. Oktober 2016 haben der Angeklagte und seine Verteidigerin die Aufhebung des gegen ihn bestehenden Haftbefehls beantragt. Mit am 13. Oktober 2016 verkündetem Beschluss hat das Kammergericht die Anträge zurückgewiesen und Haftfortdauer angeordnet. Es hat dort einen dringenden Tatverdacht hinsichtlich der Fälle 2, 6, 7 und 9 des Haftbefehls bejaht, die infolge von vorgenommenen Verfahrensbeschränkungen allein noch Gegenstand der Hauptverhandlung sind.
6
Am 28. Dezember 2016 hat der Angeklagte ein in türkischer Sprache abgefasstes Schreiben vom selben Tag per Telefax an das Kammergericht übersenden lassen. Aus der von diesem veranlassten Übersetzung in die deutsche Sprache ergibt sich, dass sich der Angeklagte mit der "Beschwerde gegen den Haftbeschluss" wendet. Mit Verfügung vom 9. Januar 2017 hat das Kammergericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.
7
Auf den Antrag des Generalbundesanwalts, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen, hat sich der Angeklagte mit weiterem per Telefax übersandtem , in türkischer Sprache abgefasstem Schreiben vom 26. Januar 2017 geäußert; seine Verteidigerin hat mit Schriftsatz vom 27. Januar 2017 Stellung genommen.

II.


8
1. Die statthafte (§ 304 Abs. 1, 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO) Beschwerde des Angeklagten ist auch im Übrigen zulässig. Der formgerechten Einlegung des Rechtsmittels (§ 306 Abs. 1 StPO) steht hier nicht entgegen, dass der Angeklagte das Beschwerdeschreiben vom 28. Dezember 2016 in türkischer Sprache abgefasst hat.
9
a) Nach § 184 Satz 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Nach bislang ständiger Rechtsprechung sind fremdsprachige Schreiben grundsätzlich unbeachtlich, auch wenn der Verfasser die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1981 - 1 StR 815/80, BGHSt 30, 182; vom 13. September 2005 - 3 StR 310/05, juris Rn. 2 [für die Revision]; BeckOK StPO/Walther, § 184 GVG Rn. 4; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 184 GVG Rn. 1, 2 mwN).
10
Zwar hat der Europäische Gerichtshof diesen Grundsatz erheblich eingeschränkt , indem er entschieden hat, dass es für die Frage, ob ein fremdsprachig abgefasstes Schreiben von Amts wegen zu übersetzen und zu beachten ist, nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (ABl. Nr. L 280, S. 1) darauf ankommt , ob es sich um ein für das Verfahren wesentliches Dokument handelt (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C 216/14, NJW 2016, 303; vgl. SKStPO /Frister, 5. Aufl., § 187 GVG Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 184 GVG Rn. 2a). Ungeachtet dessen, dass sich die Wesentlichkeit ohne Übersetzung zumeist nicht beurteilen lassen dürfte, betrifft diese Entscheidung nur den nichtverteidigten Beschuldigten (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C 216/14, aaO, S. 305 Rn. 42 f.). Der Angeklagte hat aber zwei Verteidiger. Ein verteidigter Beschuldigter hat nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. e MRK Anspruch auf unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher beim Verkehr mit seinem Verteidiger (vgl. BeckOK StPO/Valerius, Art. 6 MRK Rn. 54, 57 mwN). Er ist zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte nicht in gleicher Weise auf amtswegige Übersetzungen seiner Schreiben angewiesen. Ähnlich sieht § 187 Abs. 1 Satz 1 StPO die Heranziehung eines Übersetzers nur vor, wenn dies zur Rechtswahrung erforderlich ist; dabei kann hier dahinstehen , inwieweit diese Vorschrift überhaupt auf vom Beschuldigten verfasste Schreiben Anwendung findet (so BeckOK StPO/Walther, § 187 GVG Rn. 3; SKStPO /Frister aaO, Rn. 5).
11
b) Ob das Schreiben des Angeklagten vom 28. Dezember 2016 der gesetzlichen Form genügt, braucht der Senat indes nicht zu entscheiden. Denn es liegt jedenfalls deshalb eine formgerechte Beschwerde vor, weil das Kammergericht das Schreiben des Angeklagten tatsächlich übersetzt und die Verteidigerin sie sich in ihrem Schriftsatz vom 27. Januar 2017 zu eigen gemacht hat.
12
c) Allerdings hat der Senat davon abgesehen, das Schreiben des Angeklagten vom 26. Januar 2017 übersetzen zu lassen, weil dieser die Möglichkeit hat, über seine Verteidiger seine Verteidigungsrechte geltend zu machen.
13
2. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.
14
a) Gegen den Angeklagten besteht jedenfalls der dringende Tatverdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in vier Fällen gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 53 StGB.
15
aa) Hinsichtlich der Darstellung der - nach den Verfahrensbeschränkungen verbleibenden - vier einzelnen Tatvorwürfe nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen im Haftprüfungsbeschluss vom 27. August 2015 zu den Fällen 2, 6, 7 und 9, die denjenigen im Anklagesatz der Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 27. Oktober 2015 (dort S. 4 ff.) entsprechen.
16
bb) Die Bewertung des Verdachtsgrades hat das Kammergericht - nach 49-tägiger Hauptverhandlung - im angefochtenen Haftfortdauerbeschluss vom 13. Oktober 2016 sowie ergänzend - nach 56-tägiger Hauptverhandlung - in der Nichtabhilfeentscheidung vom 9. Januar 2017 ausführlich dargelegt. Diese Ausführungen ermöglichen dem Senat die eigenverantwortliche Entscheidung, dass der Verdacht weiterhin als dringend zu beurteilen ist (s. dazu im Einzelnen BGH, Beschluss vom 29. September 2016 - StB 30/16, NJW 2017, 341, 342; ferner BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, StV 2004, 143; vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, NStZ-RR 2013, 16, 17 f.; vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247, 248; vom 5. Februar 2015 - StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3; vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016,

217).


17
Im Haftfortdauerbeschluss ist im Einzelnen nachvollziehbar ausgeführt, welche Beweiserhebungen aus Sicht des Kammergerichts den dringenden Tatverdacht begründen. Die Nichtabhilfeentscheidung enthält die Mitteilung, dass das gerichtliche Beweisprogramm schon geraume Zeit abgeschlossen ist und auch die weitere Beweisaufnahme keine durchgreifenden abweichenden Erkenntnisse erbracht hat. Soweit das Kammergericht seine Bewertung auf die Angaben des Zeugen K. stützt, hat es dargelegt, durch welche anderen Beweismittel diese bestätigt werden. Eine nähere Glaubhaftigkeitsanalyse der Aussage des Zeugen ist in den die Haft betreffenden Entscheidungen nicht erforderlich ; mit den Angriffen gegen dessen Glaubwürdigkeit kann die Beschwerde nicht gehört werden. Auch die detaillierte Schilderung von eigenen in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnissen, die im Widerspruch zu der gerichtlichen Würdigung stehen, kann dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen. Ebenso wenig verfängt der in der Stellungnahme der Verteidigerin erhobene Einwand, die Beweisaufnahme habe nicht bestätigt, dass - wie ursprünglich von den Strafverfolgungsbehörden zu Unrecht angenommen - der Mitangeklagte F. den Angeklagten in einem Internet-Chat mit "E. " betitelt habe; dies hat das Kammergericht ausdrücklich berücksichtigt.
18
b) Bei dem Angeklagten liegt weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vor. Wenngleich der von der Straferwartung ausgehende Fluchtanreiz mit zunehmender - hier bald zwei Jahre anhaltender - Dauer des Untersuchungshaftvollzugs geringer wird (zur sog. Nettostraferwartung vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 9 mwN), macht es die Würdigung sämtlicher Umstände wahrscheinlicher, dass sich der Angeklagte dem Verfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde.
19
Hinsichtlich der eine Flucht indizierenden Umstände nimmt der Senat vorab Bezug auf seine Ausführungen im Haftprüfungsbeschluss vom 27. August 2015. Darüber hinausgehend hat das Kammergericht zutreffend als weitere Erkenntnisse in die Würdigung mit eingestellt, dass die Ehefrau des Angeklagten im Jahr 2014 in der Türkei ein Grundstück erwarb, diesem im Jahr 1996 ohne Reisepass oder andere Personaldokumente die erstmalige Einreise nach Deutschland gelungen war, er in den Folgejahren ausweislich der von der Ö. GmbH übersandten Unterlagen bei Flugbuchungen zehn verschiedene Geburtsdaten benutzte und er Schulden "in einem fünfstelligen Bereich angehäuft" hat.
20
Ohne Erfolg bleibt demgegenüber der Einwand der Verteidigerin, dass die Unregelmäßigkeiten in den Buchungsunterlagen auf "Fehler(n) der Reisebüros" beruhten, was sie "unter Beweis gestellt" habe. Die Annahme der Fluchtgefahr setzt kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen voraus. Sie müssen gerade nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen ; vielmehr genügt derselbe Grad der Wahrscheinlichkeit wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (BGH, Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 22 mwN). Gleiches gilt, soweit die Verteidigerin geltend macht, dass den finanziellen Verbindlichkeiten des Angeklagten "Forderungen in mehrstelliger Höhe aus seinem Baugewerbe gegen seine Auftragnehmer" gegenüberstünden, was ebenfalls "unter Beweis gestellt" worden sei.
21
Weniger einschneidende Maßnahmen (§ 116 Abs. 1 StPO) bieten bei einer Gesamtschau der Umstände voraussichtlich keinen Erfolg. Für eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls fehlt es unter den gegebenen Umständen an einer ausreichenden Vertrauensgrundlage in der Person des Angeklagten.
22
c) Die Haftfortdauer steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Auch unter Berücksichtigung der bisherigen Dauer der Untersuchungs- haft von nunmehr fast zwei Jahren erscheint die Fortdauer der Haft mit Blick auf das Gewicht der dem Angeklagten angelasteten Taten sowie der für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Strafe und des - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 StGB - hypothetischen Strafendes als nicht unverhältnismäßig.
23
d) Auch ein Verstoß gegen das in Haftsachen geltende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot liegt nicht vor. Dieses verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um mit der gebotenen Schnelligkeit die notwendigen Ermittlungen abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche erforderlich. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich, bei der es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer ankommt. Sie kann abhängig sein von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Prozessverhalten des Angeklagten und des Verteidigers, ohne dass es in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf ankommt, inwieweit es sich um sachdienliches Verteidigungsverhalten handelt oder dessen Grenzen überschritten sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2016 - StB 1/16, juris Rn. 25; vom 22. September 2016 - StB 29/16, NStZ-RR 2017, 18, 19). Zu würdigen sind auch die voraus- sichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Strafe (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, StV 2013, 640; BGH, Beschlüsse vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217, 218; vom 1. Dezember 2016 - StB 37/16, Rn. 10).
24
Gemessen hieran ist das Verfahren und insbesondere die Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Bezüglich der Beurteilung des Verfahrensgangs bis zur am 4. Dezember 2015 angeordneten Eröffnung des Hauptverfahrens verweist der Senat auf seine Ausführungen in den Haftprüfungsbeschlüssen vom 27. August 2015 und vom 10. Dezember 2015.
25
Die Hauptverhandlung hat am 8. Januar 2016 begonnen. Am 4. Januar 2017 hat der 56. Verhandlungstag stattgefunden. Nachdem - ausweislich der Darstellung des Verfahrensablaufs in dem angefochtenen Haftfortdauerbeschluss und der Nichtabhilfeentscheidung - das gerichtliche Beweisprogramm seit mehreren Monaten abgeschlossen, das Verfahren schon längere Zeit durch eine kontinuierliche Vielzahl von Beweisanträgen, -ermittlungsanträgen und -anregungen seitens der Verteidigung geprägt und die Beantwortung eines antragsgemäß gestellten Rechtshilfeersuchens an die Republik Türkei abzuwarten ist, erweist sich die Terminierung als hinreichend straff. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass das Kammergericht bereits anberaumte Termine auf zahlreiche Anträge der Verteidigung wegen Verhinderung jeweils beider Verteidiger aufgehoben hat.
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um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
A K 2 3 / 1 5
vom
27. August 2015
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 27. August
2015 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa weiter erforderliche Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

I.


1
Der Beschuldigte wurde in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. Januar 2015 (349 Gs 181/15) am 16. Januar 2015 festgenommen und befand sich zunächst bis zur Aufhebung des Haftbefehls durch das Amtsgericht Tiergarten am 5. Februar 2015 in Untersuchungshaft. Am 6. März 2015 wurde er aufgrund des auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ergangenen Haftbefehls des Landgerichts Berlin vom selben Tage (502 Qs 28/15) - abgeändert durch den Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 8. April 2015 (1 Ws 16/15) und ersetzt durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2015 (5 BGs 118/15) - erneut in Untersuchungshaft genommen. Diese dauert seitdem ununterbrochen an.
2
Der Haftbefehl in der Fassung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs erhebt den Vorwurf, der Beschuldigte, ein türkischer Staatsangehöriger , habe zwischen Mitte Juni 2013 und Ende November 2014 durch neun rechtlich selbständige Handlungen von Deutschland aus die in Syrien bestehende Vereinigung Junud ash-Sham, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen , unterstützt und bei acht dieser Handlungen jeweils tateinheitlich hierzu eine Straftat nach § 211 oder § 212 StGB vorbereitet, die bestimmt und geeignet gewesen sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen , indem er für deren Begehung nicht unerhebliche Vermögenswerte gesammelt , entgegengenommen oder zur Verfügung gestellt habe;
3
rechtlich gewürdigt als neun tatmehrheitliche Vergehen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, strafbar nach § 129a Abs.1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 53 StGB, in acht dieser Fälle in Tateinheit (§ 52 StGB) mit je einem Vergehen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, strafbar nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 aF StGB.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Der Beschuldigte ist jedenfalls der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 129a Abs.1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB) in acht Fällen dringend verdächtig.

6
a) Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
aa) Die Vereinigung Junud ash-Sham
8
Bei der Vereinigung Junud ash-Sham ("Soldaten Großsyriens") handelt es sich um eine Gruppierung, die - soweit ersichtlich - seit August 2013 auf Seiten der islamistischen Gegner des Assad-Regimes in den syrischen Bürgerkrieg eingreift. Ihr Anführer ist der Tschetschene Muslim Margoshvili alias Muslim Abu Walid ash-Shishani, der über Kampferfahrung aus den russischen Tschetschenienkriegen verfügt und zuletzt als lokaler Emir einer in Dagestan operierenden Gruppe fungiert hatte, die dem mutmaßlich von Dokku Umarov geführten "Kaukasischen Emirat" zuzurechnen ist. Da ihm die Rückkehr nach Tschetschenien nicht gelang, entschloss er sich im Jahr 2012, zusammen mit einem Teil seiner Kämpfer, überwiegend Tschetschenen, aber auch Angehörige westlicher Staaten, zur "Auswanderung" nach Syrien, um dort am Kampf gegen das Assad-Regime teilzunehmen.
9
Im Februar 2013 trat Muslim Abu Walid in einer Videoveröffentlichung der von Umar ash-Shishani befehligten Gruppierung Katibat al-Muhajirin in Erscheinung , die sich später in Jaish al-Muhajirin wal-Ansar (JAMWA) umbenannte. Die Veröffentlichung enthielt einen Nachruf auf Abdallah ash-Shishani, der ein jihadistisches Ausbildungslager in der Umgebung von Latakia geführt hatte. Muslim Abu Walid wird darin als militärischer Kommandeur der tschetschenischen Brigade in Latakia vorgestellt. Zudem unterhielt Muslim Abu Walid enge Beziehungen zu Saifullah Al-Shishani, der sich im Juli 2013 mit einer unbekannten Anzahl mehrheitlich nordkaukasischer Kämpfer von Umar Al-Shishani und der JAMWA getrennt hatte, nachdem diese sich dem ISIG zugewandt hatten. Im Oktober 2013 vereinigte sich die von Muslim Abu Walid befehligte Junud ash-Sham mit Saifullah Al-Shishani und seinen Anhängern sowie mit einer Gruppierung um Abu Musa Al-Shishani zu einer einheitlichen Organisation , die zwar eng mit anderen Organisationen wie Jabhat al-Nusra (der sich Saifullah Al-Shishani bereits im Dezember 2013 anschloss) und ISIG zusammenarbeitete , aber ihre Eigenständigkeit bewahrte. So bezeichnete sich Muslim Abu Walid in einer am 30. Juni 2014 über Twitter veröffentlichten Audiobotschaft als Emir einer eigenen Gruppe, die sich schon seit zwei Jahren in Syrien aufhalte und auch Kämpfer aus Deutschland in ihren Reihen habe.
10
Ziel der Junud ash-Sham ist es, an der Seite der "Brüder" gegen die "Ungläubigen" in Syrien zu kämpfen, diese zu vernichten und in der Region einen islamistischen Gottesstaat zu errichten. Ihre Selbständigkeit will die Vereinigung dabei jedenfalls solange bewahren, bis aus den Kämpfen ein neuer Emir hervorgeht, der für die gesamte "Umma" zu sprechen legitimiert ist. Die Stärke der Organisation, die in Syrien auch ein Ausbildungslager für Jihadwillige aus aller Welt unterhält, wird derzeit auf bis zu 1.500 Kämpfer geschätzt. Im August 2013 beteiligte sich Junud ash-Sham an den Kämpfen gegen die Regierungstruppen um die Hügelkette von Durin nahe Latakia. Im Februar 2014 nahm sie gemeinsam mit Jabhat al-Nusra am Angriff auf das Zentralgefängnis in Aleppo teil; an dieser Operation wirkte wiederum auch Ahrar al-Sham mit.
11
bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten
12
Der Beschuldigte ist Anhänger einer extremistisch-fundamentalistischen Ausrichtung des Islam, die den bewaffneten Jihad als legitimes Mittel zur Verbreitung ihrer Ideologie und zur Errichtung eines "Gottesstaates" auf der Grundlage der Sharia betrachtet. Er betätigte sich in hervorgehobenen Funktionen im Moscheeverein "F. e.V." in B. , einer Vereinigung von Personen gleicher ideologischer Ausrichtung sowohl kaukasischer als auch türkischer Herkunft. Zunächst Präsident des den Vorstand beratenden "Weisenrats" wurde er in der Mitgliederversammlung am 21. März 2013 zum Vorstandspräsidenten - intern "Emir" genannt - gewählt und übernahm als solcher auch die geistig -ideologische Führungsrolle. Nach dem Verständnis der Mitglieder diente der von ihnen als "J. " bezeichnete Verein in erster Linie der Unterstützung der in Syrien agierenden Vereinigung Junud ash-Sham. Vereinsmitglieder waren neben dem Beschuldigten unter anderem der am 21. März 2013 zum Präsidenten des "Weisenrats" gewählte Mitbeschuldigte F. , der ebenfalls dem "Weisenrat" angehörige M. A. , der aus Dagestan stammende, als Bindeglied einerseits zwischen den kaukasischen und den türkischen Mitgliedern, andererseits zur internationalen tschetschenischen Jihadistenszene fungierende K. alias At. sowie Ö. , S. S. und M. S. . M. S. und M. A. reisten im Mai 2013 gemeinsam nach Syrien aus, schlossen sich dort Junud ash-Sham an und dienten dem Beschuldigten und anderen Vereinsmitgliedern in der Folge als Kontaktleute dieser Organisation in Syrien und in der Türkei. Eine wesentliche Aufgabe sah der Verein in der Beschaffung von Finanzmitteln für Junud ash-Sham, wofür - in Absprache mit dem Beschuldigten - der Mitbeschuldigte F. verantwortlich war.
13
(1) Am 18. Juni 2013 veranlasste der Mitbeschuldigte F. in Absprache mit dem Beschuldigten über das Geldinstitut Z. Bank AG eine Überweisung von 800 € an eine Mittelsperson von Junud ash-Shamnamens Ba. in Antakya/Türkei. Ba. leitete das zur Finanzierung der Aktivitäten von Junud ash-Sham bestimmte Geld wie verabredet an Mitglieder dieser Organisation weiter.
14
(2) Am 10. und 11. August 2013 buchte der Mitbeschuldigte F. in Absprache mit dem Beschuldigten in einem Reisebüro in B. Tickets für vier Flüge von Berlin-Tegel nach Adana/Türkei zum Gesamtpreis von 602 €, die er bar bezahlte. Sie waren bestimmt für die russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Herkunft E. alias "Se. ", Mu. alias "H. ", Y. und G. , die beabsichtigten, über die Türkei nach Syrien auszureisen und sich dort Junud ash-Sham anzuschließen. Weiter erwarb F. am 14. August 2013 in einem Elektronikgeschäft in B. ein Nachtsichtgerät "Gigant" und ein Geo-Entfernungsmessgerät 4x21 für insgesamt 428 €. Am 15. August 2013 flogen die vier Genannten von Berlin nach Adana. Begleitet wurden sie vom Beschuldigten, von F. sowie von Ö. , die auch zusammen mit ihnen nach Syrien weiterreisten, dort mit M. A. und M. S. zusammentrafen und diesen die beiden erworbenen Geräte zum Einsatz beim bewaffneten Kampf von Junud ash-Sham übergaben. Jedenfalls "Se. " und "H. " schlossen sich unmittelbar nach ihrem Eintreffen in Syrien Junud ash-Sham als Mitglieder an; "Se. " stand dem Beschuldigten in der Folge ebenfalls als Kontaktperson für die Weiterleitung von Geldern an diese Organisation zur Verfügung.
15
(3) Am 10. Oktober 2013 veranlasste der Mitbeschuldigte F. in Absprache mit dem Beschuldigten über die Z. Bank AG die Überwei- sung eines weiteren Geldbetrags in Höhe von 600 € an Ba. , der auch dieses Geld wie verabredet an Mitglieder von Junud ash-Sham weiterleitete.
16
(4) lm Februar/März 2014 bat M. S. , der zu dieser Zeit an einer militärischen Auseinandersetzung mit syrischen Sicherheitskräften zur Befreiung von Gefangenen aus dem Zentralgefängnis von Aleppo teilnahm, den Mitbeschuldigten F. auf Anweisung von Muslim Abu Walid um die umgehende Beschaffung militärischer Ausrüstungsgegenstände, so einer Wärmebildkamera, eines Abstandsmessgeräts, eines Nachtsichtgeräts und eines Zielfernrohrs. In Absprache mit dem Beschuldigten sagte F. darauf gegenüber M. S. die Beschaffung des Abstandsmessgeräts, der Wärmebildkamera und des Nachtsichtgeräts ausdrücklich zu.
17
(5) Am 26. August 2014 veranlasste der Mitbeschuldigte F. in Absprache mit dem Beschuldigten über die Z. Bank AG die Überwei- sung eines weiteren Geldbetrags in Höhe von 2.000 € an Ba. , der auch dieses Geld wie verabredet an Mitglieder von Junud ash-Sham weiterleitete.
18
(6) Am 22. September 2014 bewirkte der Mitbeschuldigte F. in Absprache mit dem Beschuldigten über W Services die Über- weisung von 2.000 € an den sich zu dieser Zeit in der Türkei aufhaltenden "Se. ", um damit zur Finanzierung der Aktivitäten von Junud ash-Sham beizutragen.
19
(7) Am 20. Oktober 2014 veranlasste der Mitbeschuldigte F. in Absprache mit dem Beschuldigten zu demselben Zweck den gesondert verfolgten K. A. , über W. Services einen weiteren Betrag von 850 € an "Se. " zu überweisen.
20
(8) Am 12. November 2014 erbat M. A. vom gesondert verfolgten K. A. die Überweisung von 200 €, die dazu dienen sollten, dem als "Bruder Öm. " bezeichneten, bereits im Oktober 2014 aus der Türkei nach Syrien ausgereisten Bruder des M. A. sowie einem weiteren Jihadwilligen die Weiterreise zu Junud ash-Sham zu ermöglichen. Um der Bitte nachzukommen , veranlasste der Mitbeschuldigte F. in Absprache mit dem Beschuldigten am 14. November 2014 die Überweisung eines Geldbetrages in unbekannter Höhe an einen Empfänger in der Türkei, worüber M. A. von K. A. am selben Tage informiert wurde.
21
(9) Am 27. November 2014 überwies der gesondert verfolgte K. A. auf Veranlassung und im Beisein des in Absprache mit dem Beschuldigten handelnden Mitbeschuldigten F. über W. Services einen Geldbetrag von 800 € an M. A. , der sich zu dieser Zeit zum Zwecke der Schleusung von Kämpfern für Junud ash-Sham nach Syrien in der Türkei aufhielt. Die von den Berliner "Brüdern" gesammelte Summe war absprachegemäß für die Unterstützung zu schleusender Personen bestimmt. M. A. bestätigte den Erhalt am Folgetag.
22
b) Dieses Tatgeschehen wird im Sinne eines dringenden Tatverdachts belegt durch die im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ausführlich dargestellten und zutreffend gewürdigten Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen. Der Senat nimmt insoweit auf IV. der Haftbefehlsgründe (Ausfertigung S. 15 bis 19) Bezug.
23
Insbesondere werden die gemeinsame Reise der Beschuldigten und des Ö. nach Syrien (Fall 2), deren Zusammentreffen mit M. A. und M. S. sowie die Hintergründe dieses Treffens belegt durch die auf dem Mobiltelefon des Mitbeschuldigten rekonstruierten Lichtbilder (Sachakte Band IV Bl. 101 bis 104). Beide Beschuldigte trugen Tarnkleidung; der Mitbeschuldigte führte zu einem späteren Zeitpunkt ebenso wie M. A. und M. S. ein Sturmgewehr. Daraus sowie aus den Äußerungen des Mitbeschuldigten gegenüber M. S. , eine Beschaffung bestellter militärischer Ausrüstungsgegenstände (Fall 4) werde erfolgen, "wenn der Emir o. k. sagt", (Auswertung des Chatverkehrs Sachakte Band V Bl. 48, 51), folgt auch der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte in die Unterstützungshandlungen des Mitbeschuldigten insgesamt eingebunden war. Eine andere Person als der Beschuldigte, Vorsitzender des gemeinsamen Moscheevereins, kommt nach den Umständen als der bezeichnete "Emir" nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine dritte, im Ausland befindliche Person handelt, kann der Senat entgegen den Ausführungen im Schriftsatz des Verteidigers vom 15. Mai 2015 den Ermittlungsergebnissen nicht entnehmen.
24
c) Danach ist der Beschuldigte jedenfalls dringend verdächtig, durch acht rechtlich selbständige Handlungen - oben a) Fälle (1) bis (3) und (5) bis (9) - eine terroristische Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterstützt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB). Da dies die Fortdauer der Untersuchungshaft trägt, lässt der Senat offen, ob im Falle (4) bereits die Zusage - eine Beschaffung der Gegenstände lässt sich nicht belegen - für die Organisation von objektivem Nutzen war (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2005 - StB 3/05, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 1). Ebenso wenig muss der Senat der Frage nachgehen, ob das Handeln des Beschuldigten in den Fällen (1) bis (3) und (5) bis (9) allein schon wegen der Ziele von Junud ash-Sham den erforderlichen konkreten Bezug zur Begehung einer Straftat im Sinne des § 89a Abs. 1 StGB aufwies (vgl. BT-Drucks. 16/12428 S. 15) und deshalb, wie im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs angenommen, rechtlich auch als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 aF StGB zu bewerten ist.
25
e) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der ausländischen terroristischen Vereinigung "Junud ash-Sham" hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 28. März 2014 allgemein erteilt.
26
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
27
Der Beschuldigte hat wegen des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens mit nicht unerheblichem Freiheitsentzug zu rechnen. Seine bestehenden sozialen Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland erscheinen nicht tragfähig genug , um den hiervon ausgehenden Fluchtanreizen verlässlich entgegenwirken zu können. Der Beschuldigte ist türkischer Staatsangehöriger. Ein von ihm in B. betriebenes Gewerbe meldete er zum 31. Dezember 2014 ab; gleichzeitig zeigte die Ehefrau des Beschuldigten die Übernahme des Betriebs zum 6. Januar 2015 an. In einem Telefonat am 4. Dezember 2014 mit einem Auftraggeber gab der Beschuldigte hierfür die Begründung, er wolle das Gewerbe zunächst unter dem Namen seiner Ehefrau weiterführen und Ende 2015 für immer in die Türkei gehen; seine Ehefrau werde hier bleiben (Sonderband TKÜ-/Elan-Maßnahmen Bl. 103). Weiter ist er nach Vorstehendem dringend verdächtig, bereits in der Vergangenheit über die Türkei auf dem Landweg nach Syrien ausgereist zu sein, um Kontakt zu Mitgliedern von Junud ashSham zu suchen. Ebenso ist nach den bisherigen Ermittlungen davon auszugehen , dass der Beschuldigte eng in ein Netzwerk Gleichgesinnter eingebunden ist, das bis in die Türkei und nach Syrien reicht und dem insbesondere die Schleusung Ausreisewilliger nicht fremd ist. Es spricht alles dafür, dass der Beschuldigte bei der Umsetzung von Fluchtabsichten sicher mit einer effektiven Unterstützung durch dieses Netzwerk rechnen könnte.
28
Vor diesem Hintergrund kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
29
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
30
Zeitgleich mit der Festnahme des Beschuldigten und des Mitbeschuldigten F. am 16. Januar 2015 wurden in dem zunächst von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) geführten Ermittlungsverfahren mehrere Objekte in B. durchsucht. Die Auswertung der dabei sichergestellten umfangreichen Asservate und die weiteren Ermittlungen ergaben erstmals Hinweise auf Unterstützungshandlungen zu Gunsten von Junud ash-Sham als konkreter Organisation, weshalb die Generalstaatsanwaltschaft Berlin das Ver- fahren am 4. Juni 2015 dem Generalbundesanwalt zur Prüfung der Übernahme vorlegte. Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren am 26. Juni 2015 übernommen. Nach seiner Einschätzung kann die Auswertung der Asservate noch im August 2015 abgeschlossen und danach zügig Anklage erhoben werden.
31
Soweit der Verteidiger darauf verweist, das Amtsgericht Tiergarten habe erst am 18. Mai 2015 die Sicherstellung insbesondere bei der Durchsuchung aufgefundener Datenträger zum Zwecke der Durchsicht (§ 110 StPO) angeordnet , und daraus schließt, dass mit der Auswertung der Durchsuchungsergebnisse erst zu diesem Zeitpunkt begonnen wurde, kann der Senat dem nicht folgen. So hat das Polizeipräsidium in Berlin bereits am 19. Januar 2015 die kriminaltechnische Untersuchung beim Beschuldigten sichergestellten, vom Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten erfassten elektronischen Geräts veranlasst , u.a. des Laptops, des PC, zweier USB-Sticks sowie mehrerer Mobiltelefone und SIM-Karten (Durchsuchungsband D. , Abschnitt.KT-Anträge). Am 22. April 2015 teilte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin dem Verteidiger auf dessen Sachstandsanfrage vom 15. April 2015 mit, dass die umfangreichen Beweismittelauswertungen noch andauern.
32
Das Verfahren ist danach mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
33
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe. Schäfer Pfister Mayer

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt.

(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.

(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Richters im Vorverfahren und des beauftragten oder ersuchten Richters.

Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 310/05
vom
13. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. September 2005
gemäß §§ 46, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 4. Mai 2005 wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten am 4. Mai 2005 wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. 1. Die mit Schreiben seines Verteidigers vom 14. Juli 2005 eingelegte Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sie erst nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist und damit verspätet beim Landgericht eingegangen ist. Soweit der Angeklagte selbst mit einem in russischer Sprache abgefassten Schreiben vom 7. Mai 2005, eingegangen beim Landgericht am
10. Mai 2005, Revision eingelegt hatte, fehlt es an einer formgerechten, in deutscher Sprache abgefassten (§ 184 GVG) Revisionseinlegung (vgl. BGHSt 30, 182). Die Übersetzung des Schreibens ging erst am 2. Juni 2005 und damit nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist beim Landgericht ein. 2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision ist unzulässig, da die geltend gemachten Hinderungsgründe nicht glaubhaft gemacht worden sind. Die eigene Erklärung des Angeklagten reicht als Mittel der Glaubhaftmachung nicht aus (BGHR StPO § 45 Abs. 2, Glaubhaftmachung 3; MeyerGoßner , StPO 48. Aufl. § 45 Rdn. 9). Außerdem hat er nicht innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO angegeben, zu welchem Zeitpunkt er Kenntnis von der Fristversäumung erlangt hatte. Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert

Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.

(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 30/16
vom
29. September 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290916BSTB30.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie der Angeklagten und ihrer Verteidiger am 29. September 2016 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Auf die Beschwerde der Angeklagten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 3. August 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:

1
I. Die Angeklagte wurde am 6. Mai 2015 vorläufig festgenommen und befindet sich seit diesem Tag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 2015 (3 BGs 78/15) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Nach diesem Haftbefehl liegt ihr zur Last, sie habe zusammen mit den Mitangeklagten H. , W. und O. spätestens im November 2014 die terroristische Vereinigung "Oldschool Society" (kurz: OSS) gegründet und sich an ihr als Mitglied beteiligt (§ 129a Abs. 1 StGB). Ziel dieser Gruppierung, deren Kommunikation weitgehend in Chat-Gruppen stattgefunden habe, sei es gewesen, in kleineren Gruppen bewaffnete Anschläge auf namhafte Salafisten, Moscheen und Asylbewerberheime zu begehen. Die Angeklagte, die als Schriftführerin in die Führungsgruppe der Vereinigung eingebunden gewesen sei, die sich "Geheimrat" genannt und eine gesonderte Chat-Gruppe unterhalten habe, habe mit wesentlichen Redebeiträgen die Diskussionen im "Chat" über mögliche Anschläge bestimmt und in Zusammenarbeit mit dem als "Präsident" der OSS fungierenden Mitangeklagten H. die persönlichen Zusammenkünfte der Gruppierung anberaumt, so auch ein vom 8. bis zum 10. Mai 2015 geplantes Treffen. Anlässlich dieser Zusammenkunft habe die Angeklagte jedenfalls zusammen mit den Mitangeklagten einen mittels Sprengund Brandsätzen geführten Angriff auf ein Asylbewerberheim unternehmen wollen. In Umsetzung dieser Planung habe sie sich mit dem Mitangeklagten W. am 1. Mai 2015 nach Tschechien begeben, wo sie pyrotechnische Gegenstände mit hoher Sprengkraft, die in Deutschland nicht zugelassen sind, erworben hätten. Diese hätten teilweise zum Bau von Nagelbomben verwendet bzw. mit brennbaren Stoffen verbunden werden und bei dem geplanten Angriff auf ein Asylbewerberheim Verwendung finden sollen. Nach Rückkehr nach Deutschland habe der Mitangeklagte W. die Mitangeklagten O. und H. über den Erwerb der Gegenstände informiert und - unter Beteiligung der Angeklagten - konkret die Verwendung der Sprengsätze bei dem Angriff auf ein Asylbewerberheim festgelegt. Allen Beteiligten sei bewusst gewesen, dass bei den ins Auge gefassten Anschlägen Leib und Leben von Menschen geschädigt werden können.
2
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 17. Dezember 2015 (AK 43-46/15) und 7. April 2016 (AK15-18/16) im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Einen dringenden Tatverdacht hat er dahingehend gesehen, dass jedenfalls die Mitglieder der Führungsgruppe der OSS eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB bildeten, an der sich die Angeklagte als Mitglied beteiligte. Ob die OSS insgesamt als derartige Vereinigung einzustufen und ob der Angeklagten auch deren Gründung anzulasten sei, hat der Senat ausdrücklich offengelassen. Ebenfalls am 17. Dezember 2015 hat der Generalbundesanwalt Anklage zum 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München erhoben, mit der er der Angeklagten vorwirft, eine terroristische Vereinigung gegründet und sich an ihr mitgliedschaftlich beteiligt sowie tateinheitlich ein Explosionsverbrechen vorbereitet zu haben. Das Oberlandesgericht hat die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. Diese hat am 27. April 2016 begonnen und wurde bis zum Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls am 27. Juli 2016 an 15 Hauptverhandlungstagen geführt. Zu diesem Zeitpunkt war als letzter Verhandlungstag der 22. November 2016 vorgesehen. Allerdings mussten im September wegen einer nicht aufschiebbaren Operation eines Senatsmitglieds mehrere Termine entfallen.
3
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016 hat einer der Verteidiger der Angeklagten , Rechtsanwalt H. , die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung, beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass nach der bisherigen Beweisaufnahme der dringende Verdacht, dass es sich bei der OSS um eine terroristische Vereinigung handele, in Frage zu stellen sei. Zudem lägen die auch beim Haftgrund der Schwerkriminalität zu beachtenden Haftgründe der Verdunkelungs- und Fluchtgefahr nicht (mehr) vor. Weiterhin macht er einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend, da bis zum Haftprüfungsantrag durchschnittlich nur 1, 2 Tage pro Woche verhandelt worden sei. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 3. August 2016 zurückgewiesen. Die bisherige Beweisaufnahme habe den dringenden Tatverdacht der Gründung einer terroristischen Vereinigung und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an dieser nicht entkräftet. Insoweit wie auch hinsichtlich des Vorliegens der Haftgründe der Schwerkriminalität und der Fluchtgefahr verweist es auf die Gründe der Entscheidung des Senats vom 17. Dezember 2015. Unter näherer Darlegung des Gangs der Hauptverhandlung sieht das Oberlandesgericht darüber hinaus das Beschleunigungsgebot als nicht verletzt an. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Angeklagten, die weiterhin insbesondere das Vorliegen von Haftgründen und die Einhaltung des Beschleunigungsgebots in Abrede nimmt. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 30. August 2016 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
4
II. Das gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache zu neuer Bescheidung durch das Oberlandesgericht. Die dem Senat bislang unterbreiteten tatsächlichen Grundlagen reichen für eine abschließende Beurteilung des dringenden Tatverdachts bezüglich der der Angeklagten vorgeworfenen Tat nicht aus.
5
1. Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, StV 2004, 143; vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, NStZ-RR 2013, 16, 17; vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247, 248; vom 5. Februar 2015 - StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob und hinsichtlich welcher Taten der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand (noch) besteht. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Da diesem aber die volle Überprüfung der angefochtenen Entscheidung obliegt (KK-Zabeck, 7. Aufl., § 309 Rn. 6), muss es in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen ; denn es hat in gleicher Weise wie das Tatgericht alle Voraussetzungen für den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft festzustellen und ist daher nicht auf die Überprüfung der Haftgründe und der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Dies bedingt, dass das erstinstanzliche Gericht dem Beschwerdegericht das Ergebnis seiner bisherigen Beweiserhebungen zumindest in zusammenfassender knapper Form zur Kenntnis bringt, damit dieses in eigener Verantwortung aus einer Zusammenschau des bisher erzielten Ergebnisses der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung mit den noch nicht in diese eingeführten, nach den Ermittlungen aber zur Verfügung stehenden weiteren Beweisen beurteilen kann, ob der dringende Tatverdacht weiter zu bejahen ist (s. etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 19. November 1993 - 2 Ws 654/93, StV 1994, 316, 317; KG, Beschluss vom 18. April 2016 - 4 Ws 40/16, StraFo 2016, 292). Nur so kann auch den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, StV 2011, 31, 33), ausreichend Rechnung getragen werden.
6
Im Einzelnen bedeutet dies: Ist die Beweiserhebung bereits vorgeschritten , so genügt es regelmäßig nicht, wenn das Tatgericht auf frühere Haftfortdauerentscheidungen oder das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen verweist und lediglich festhält, dass der dort beschriebene Tatverdacht durch die Beweisaufnahme nicht entkräftet worden sei. Denn der dringende Verdacht ist nicht für das ganze Verfahren gleich (LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 112 Rn. 19). Ein zu Beginn der Ermittlungen vorliegender dringender Tatverdacht kann sich bereits im Ermittlungsverfahren nach dem sich in der Regel stetig ändernden Stand der Ermittlungen verstärken oder aber abschwächen bzw. ganz entfallen (LR/Hilger aaO; KK-Graf, StPO, 7. Aufl., § 112 Rn. 6, jew. mwN; OLG Brandenburg , Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 2 (3) HEs 106/95, StV 1996, 157; OLG Köln, Beschluss vom 22. Dezember 1998 - HEs 233/98, StV 1999, 156, 157). Ebenso kann sich die Stärke des Tatverdachts mit fortschreitender Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung verändern, je nachdem, ob die erhobenen Beweise das den Akten zu entnehmende Beweisergebnis bestätigen oder aber das Gericht nicht zu überzeugen vermögen.
7
Um dem Beschwerdegericht eine eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es deshalb einer - wenn auch knappen - Darstellung, ob und inwieweit sowie durch welche Beweismittel sich der zu Beginn der Beweisaufnahme vorliegende Verdacht bestätigt hat und welche Beweisergebnisse noch zu erwarten sind. Dies bedeutet nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Es genügt, wenn das erkennende Gericht darlegt, auf welche in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise es den dringenden Tatverdacht stützt. Deren Bewertung bedarf es regelmäßig nicht. Zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen muss sich das Tatgericht nicht erklären (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217 mwN). Auch kann - schon zur Vermeidung ausschließlicher und damit überflüssiger Schreibarbeit - insbesondere bezüglich des noch erwartenden Beweisergebnisses in geeigneten Fällen grundsätzlich auf frühere Entscheidungen oder die Anklage Bezug genommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2016 - StB 29/16, juris Rn. 8).
8
2. Den dargestellten Anforderungen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen des Oberlandesgerichts auch mit Blick auf den Inhalt der Anklageschrift, den Nichtabhilfebeschluss und den Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2015, auf den das Oberlandesgericht verweist, nicht abschließend beurteilen, ob und in welchem Umfang der dringende Verdacht einer Straftat nach § 129a StGB nach der bis zur Haftentscheidung an 17 Tagen stattgefundenen Hauptverhandlung fortbesteht. Es lässt sich der angefochtenen Entscheidung zwar noch entnehmen, dass das Oberlandesgericht im Rahmen der bisherigen Beweisaufnahme Zeugen vernommen und Telefonate und Audio-Chats in Augenschein genommen hat. Eine auch nur ansatzweise Konkretisierung des daraus gewonnenen Beweisergebnisses, das den dringenden Verdacht jedenfalls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung bestätigt haben könnte, lässt der Beschluss jedoch vermissen. Dabei kommt insbesondere dem Umstand Gewicht zu, dass der Mitangeklagte O. , auf dessen Einlassungen im Ermittlungsverfahren der Senat in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2015 den dringenden Verdacht gegen die Angeklagte maßgeblich gestützt hat, in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Ob und in welcher Form das Oberlandesgericht dessen Angaben gleichwohl in die Hauptverhandlung hat einführen und sich von ihrer Richtigkeit hat überzeugen können, lässt seine Entscheidung nicht erkennen. Ebenso wenig kann dieser entnommen werden, wie das Oberlandesgericht zu dem - vom Senat in seinen Haftprüfungsentscheidungen offen gelassenen - dringenden Verdacht gelangt ist, dass die Angeklagte sich nicht nur als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, sondern diese auch gegründet hat. Damit der Senat das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts in einer die Entscheidung über die Beschwerde der Angeklagten tragenden Weise bewerten kann, bedarf es daher weiterer Darlegungen des Er- gebnisses der Beweisaufnahme durch das Oberlandesgericht, als dies bislang geschehen ist.
9
Bei dieser Sach- und Rechtslage scheidet eine abschließende Sachentscheidung des Senats ausnahmsweise aus. Die vorliegende Fallkonstellation entspricht derjenigen, bei der ein Verfahrensmangel vorliegt, den das Beschwerdegericht nicht beheben kann (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 309 Rn. 8 mwN). Das Begehren der Angeklagten bedarf deshalb insgesamt neuer Befassung und Entscheidung durch das Oberlandesgericht, das dabei auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden haben wird.
10
III. Dagegen sind nach derzeitigem Sachstand keine Gründe ersichtlich, auf das Rechtsmittel der Angeklagten den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 2015 aufzuheben:
11
1. Sollte - was der Senat zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilen kann - der dringende Verdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung weiterhin bestehen, dann wäre gegen die Annahme des Haftgrundes der Schwerkriminalität nach § 112 Abs. 3 StPO nichts zu erinnern.
12
a) Bei den in § 112 Abs. 3 StPO aufgeführten Straftaten der Schwerkriminalität , zu denen auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB zählt, darf nach dem Wortlaut die Untersuchungshaft auch dann angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2StPO - namentlich Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr - nicht besteht. Allerdings ist die Vorschrift nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342, 350 f.) wegen eines sonst darin enthaltenen offensichtlichen Versto- ßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Erlass eines Haftbefehls auf deren Grundlage nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne die Verhaftung des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Genügen kann insoweit die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Feststellung, dass jedenfalls eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht. Wenn allerdings nach den Umständen des Einzelfalles gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs - oder Wiederholungsgefahr sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen (BGH, Beschluss vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, NStZ 2010, 445,

448).


13
b) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt es deshalb nicht darauf an, ob bestimmte ihrer Handlungen es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass sie auf sachliche oder persönliche Beweismittel einwirken und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschweren wird, wie es der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO erfordert (MeyerGoßner /Schmitt, aaO, § 112 Rn. 26 ff. mwN). Vielmehr sind bestimmte Tatsachen , die die Verdunkelungsgefahr belegen, gerade nicht erforderlich; es genügt , dass diese nach den Umständen des Falles nicht auszuschließen ist. Das ist aber vorliegend der Fall, da in der Hauptverhandlung noch weitere Zeugen zu vernehmen sein werden, die zum Umfeld der OSS und damit zu einem Personenkreis zählen, auf den die Angeklagte in der Vergangenheit Einfluss ausgeübt haben soll.
14
Nichts anderes gilt hinsichtlich der Frage, ob Gründe erkennbar sind, die ausschließen, dass sich die Angeklagte im Falle einer Freilassung dem Verfahren durch Flucht entziehen wird. Weder der Umstand, dass die Angeklagte nur über geringe finanzielle Mittel verfügt, noch ihre Absicht, sich um ihre Kinder kümmern zu wollen, schließen eine Fluchtgefahr aus. Insoweit kann auf die vom Oberlandesgericht aufgeführten Gründe verwiesen werden.
15
2. Ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liegt nicht vor.
16
a) Bei der Anordnung und der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung ist, fordert das verfassungsrechtlich ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen, dass die Strafverfolgungsbehörden und -gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um mit der gebotenen Schnelligkeit eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Dies gilt auch für die Hauptverhandlung. Bei absehbar umfangreichen Verfahren ist deshalb eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umfassende Hauptverhandlungsplanung mit durchschnittlich mehr als nur einem Hauptverhandlungstag pro Woche gefordert (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschlüsse vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 ff.; vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, StV 2011, 31, 32 ff.; vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, BVerfGK 19, 428,432 f.).
17
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegt die Verfahrensführung des Oberlandesgerichts keiner Beanstandung. Die Hauptverhandlung hat selbst nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin bisher an durchschnittlich mehr als nur einem Tag pro Woche stattgefunden. Nach Beginn der Hauptverhandlung am 27. April 2016 ist nach der Aufstellung der Verteidigung im Mai zwar nur an zwei, im Juni und Juli aber jeweils an sechs Tagen verhandelt worden. Bis dahin waren zwei Verhandlungstermine wegen der Verhinderung von Zeugen aufgehoben worden, nachdem ein vom Gericht vorgeschlagenes alternatives Beweisprogramm für einen dieser Tage nach hiergegen gerichteten Anträgen der Verteidiger nicht durchgeführt werden konnte. Ein weiterer Verhandlungstag musste abgesetzt werden, weil die Angeklagte und der Mitangeklagte O. , die sich beide im Ermittlungsverfahren eingelassen hatten, keine Angaben mehr machen wollten. Dass es immer wieder zu sachlich begründeten Terminsaufhebungen kommen kann, ist jeder Hauptverhandlung eigen. Ebenso steht es außer Frage, dass die eine Terminsaufhebung erfordernde Erkrankung eines Verfahrensbeteiligten, die zu einer Aufhebung der für die 37. Kalenderwoche vorgesehenen Verhandlungstage geführt hat, keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründen kann. Dies gilt selbst dann, wenn es zu einer durch die Erkrankung eines Richters veranlassten längeren Unterbrechung der Hauptverhandlung kommen sollte. Die Strafprozessordnung sieht in § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO bei einer krankheitsbedingten Verhinderung eines zur Entscheidung berufenen Richters die Hemmung des Laufs der Unterbrechungsvorschriften vor, wenn die Verhandlung wie hier schon mehr als zehn Tage gedauert hat. Durch diese Fristenhemmung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine dadurch hervorgerufene Verzögerung der Haupt- verhandlung für die Dauer der Erkrankung des Richters, längstens aber für sechs Wochen, hingenommen werden soll, weil dies der beschleunigten Erledigung des gesamten Verfahrens dient. Denn die Hemmung der Unterbrechungsfristen für die Dauer von höchstens sechs Wochen soll eine deutlich größere Verfahrensverzögerung vermeiden, die in der Regel mit einer Aussetzung der Hauptverhandlung verbunden ist (BT-Drucks. 15/1508 S. 25), und läuft dementsprechend dem Beschleunigungsgebot nicht zuwider, sondern trägt ihm im Gegenteil Rechnung (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2016 - 3 StR 544/15, NStZ 2016, 557, 558). Schließlich bedarf es keiner näheren Darlegung, dass ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht dadurch begründet wird, dass im Rahmen der gesetzlichen Regelungen den berechtigten Regenerations - und Erholungsinteressen der Verfahrensbeteiligten in angemessener Weise Rechnung getragen wird; das Beschleunigungsgebot lässt vielmehr Unterbrechungen für eine angemessene Zeit bei einer ansonsten hinreichenden Terminsdichte zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198, 199). Die vorgesehenen Urlaubsunterbrechungen im August und Oktober 2016 stellen mithin keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot dar.
18
3. Auch im Übrigen ist nach dem jetzigen Sachstand und vorbehaltlich des Vorliegens eines dringenden Tatverdachts wenigstens der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) gewahrt. Auch unter Berücksichtigung der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft von nunmehr mehr als 16 Monaten erscheint die Fortdauer der Haft mit Blick auf das Gewicht der der Angeklagten angelasteten Tatbeiträge sowie der für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Straferwartung und des - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 StGB - hypothetischen Strafendes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, BVerfGK 19, 428, 433) als nicht unverhältnismäßig. Jedoch kann der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, deren die Angeklagte dringend verdächtig ist, abschließend erst nach der erneuten Befassung der Sache durch das Oberlandesgericht beurteilt werden.
Becker Spaniol Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
__________
StB 9/12
vom
8. Oktober 2012
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 8. Oktober 2012
gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2012 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte befindet sich seit dem 17. November 2009 in Untersuchungshaft , zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. November 2009 (4 BGs 31/09), sodann aufgrund des diesen ersetzenden Haftbefehls des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Januar 2011. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, in 26 Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie in 39 Fällen Kriegsverbrechen, jeweils in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, begangen zu haben. Er soll seit Juni 2004 1. Vizepräsident der "Forces Démocratiques de Libération du Rwanda" (im Folgenden: FDLR), einer vor allem im Osten der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden: DRC) operierenden paramilitärischen Milizenorganisation, gewesen sein und es von Januar 2008 bis zu seiner Festnahme als militärischer Befehlshaber unterlassen ha- ben, seine Untergebenen daran zu hindern, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen. Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt unter dem 7. Dezember 2010 Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 1. März 2011 die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung hat am 4. Mai 2011 begonnen. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 hat das Oberlandesgericht Anträge der Verteidigung, den Haftbefehl aufzuheben, zurückgewiesen.
2
Der Senat hatte zuvor im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO mit Beschlüssen vom 17. Juni 2010 (AK 4/10), 28. Oktober 2010 (AK 14/10) und 8. Februar 2011 (AK 3/11) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Er hatte dabei auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland abgestellt und offen gelassen, ob der Angeklagte darüber hinaus dringend verdächtig ist, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch begangen zu haben.
3
Die Verteidigung des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 erneut die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung, beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die bisherige Hauptverhandlung genüge nicht dem Beschleunigungsgebot; zudem stützten die in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel den Anklagevorwurf nicht. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29. Juni 2012 zurückgewiesen. Es hat den Gang der Hauptverhandlung näher dargelegt und ausgeführt, der Angeklagte sei weiterhin dringend verdächtig, die ihm im Haftbefehl und in der Anklage zur Last gelegten Taten begangen zu haben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der weiterhin einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend macht und vorträgt, ein dringender Tatverdacht bestehe nicht. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel gemäß Vermerk vom 10. August 2012 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die bisher durchgeführte Beweisaufnahme habe das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen ganz überwiegend bestätigt. Es bestehe weiterhin der dringende Verdacht, dass der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig sei sowie die ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ungeachtet einer bestehenden Verantwortlichkeit nach § 4 VStGB - insoweit über die rechtliche Würdigung in Haftbefehl und Anklageschrift hinaus - in mittelbarer Täterschaft durch Unterlassen begangen habe.
4
II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache zu neuer Bescheidung durch das Oberlandesgericht ; denn die dem Senat bislang unterbreiteten tatsächlichen Grundlagen reichen für eine abschließende Beurteilung des dringenden Tatverdachts bezüglich der dem Angeklagten vorgeworfenen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch und damit der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht aus.
5
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB). Demgegenüber kann der Senat derzeit nicht abschließend bewerten, ob der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit die ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 3, 6, 8, 9, Abs. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, Abs. 4 Satz 1, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VStGB), sei es in Verbindung mit der Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber oder anderer Vorgesetzter (§ 4 VStGB), sei es in mittelbarer Täterschaft durch Unterlassen (§ 25 Abs. 1 Alt. 2, § 13 Abs. 1 StGB), begangen hat.
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme.
7
b) Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht vor dem Hintergrund des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, wie es in der Anklageschrift zusammengefasst ist, ausreichend dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nicht in Frage stellen, den der Senat auf der Grundlage des jeweiligen Ermittlungsergebnisses in seinen Haftprüfungsentscheidungen ebenfalls bejaht hatte. Es besteht auch bei sachgerechter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kein Anlass anzunehmen, eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die FDLR eine auf die Begehung der in § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Verbrechen gerichtete ausländische Vereinigung ist und der Angeklagte sich an dieser als 1. Vizepräsident und damit als hochrangiges Mitglied beteiligte, liege nicht mehr vor.
8
c) Demgegenüber kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen des Oberlandesgerichts auch mit Blick auf den Inhalt der Anklageschrift und den Beschluss vom 21. Dezember 2011 nicht abschließend beurteilen , ob der Angeklagte dringend verdächtig ist, sich wegen der ihm vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafbar gemacht zu haben. Die Zurechnung der in der DRC begangenen Verbrechen über § 4 VStGB setzt u.a. voraus, dass der Angeklagte die Möglichkeit hatte, das Verhalten seiner Untergebenen faktisch zu bestimmen, insbesondere Straftaten wirksam zu unterbinden (vgl. im Einzelnen, BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 168). Damit der Senat diese - in seinen Haftprüfungsentscheidungen offen gelassene - Frage in einer die Entscheidung über die Beschwerde des Angeklagten tragenden Weise bewerten kann, bedarf es einer substantiierteren Darlegung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Oberlandesgericht, als dies bislang geschehen ist. Von besonderem Belang sind dabei Ausmaß und Inhalt der Kontakte des Angeklagten zu den vor Ort in der DRC agierenden Einheiten der FDLR sowie das Maß der Verbindlichkeit eventueller Vorgaben bzw. Anweisungen. Zu der - soweit für den Senat ersichtlich vom Generalbundesanwalt in seiner Erwiderung auf die Beschwerde erstmals aufgeworfenen - Frage, ob der Angeklagte mit großer Wahrscheinlichkeit sogar darüber hinaus als mittelbarer Täter für die vor Ort begangenen Verbrechen strafrechtlich verantwortlich ist, verhält sich die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts naturgemäß ebenfalls nicht.
9
Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass er als Beschwerdegericht ohne eigene Erkenntnismöglichkeiten bezüglich des Inhalts der Hauptver- handlung zwar in die Lage versetzt werden muss, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, juris Rn. 23) ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies bedeutet indes nicht, dass das verhandelnde Tatgericht in Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu einer umfassenden Darstellung der Würdigung aller bislang erhobenen Beweise verpflichtet ist. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung sind den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Weiter entspricht es der Natur der Sache, dass die vom Tatgericht vorzunehmende Würdigung vorläufigen Charakter hat und für sich genommen nicht geeignet ist, etwa den Vorwurf der Voreingenommenheit der beteiligten Richter zu begründen.
10
2. Da der Senat den dringenden Tatverdacht hinsichtlich der Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht abschließend zu beurteilen vermag, ist derzeit auch eine endgültige Entscheidung darüber nicht möglich, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) zu vereinbaren ist.
11
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegt allerdings ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht vor.
12
aa) Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Nach dem verfassungsrechtlich ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 GG verankerten Beschleunigungsgebot in Haftsachen haben die Strafverfolgungsbehörden und -gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfG aaO, juris Rn. 19 ff.). Bei der danach gebotenen auf den Einzelfall bezogenen Prüfung des Verfahrensablaufs sind etwa der Umfang und die Komplexität der Rechtssache, die Anzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.).
13
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist - im Gegensatz zur Auffassung der Verteidigung - die Planung und Durchführung der Hauptverhandlung nicht zu beanstanden. Vielmehr ist angesichts der maßgebenden konkreten Umstände die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts als angemessen zu bewerten.
14
Das Oberlandesgericht hat die (ohne Anlage) 189 Seiten umfassende Anklageschrift vom 7. Dezember 2010 mit Beschluss vom 1. März 2011 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Vorsitzende hat bereits am 17. März 2011 Termine zur Hauptverhandlung ab dem 4. Mai 2011 bestimmt, und zwar regelmäßig auf montags sowie mittwochs. Insgesamt sind bis zum 29. Juni 2012 84 Hauptverhandlungstage durchgeführt worden, die im Wesentlichen mehr als fünf, teilweise auch mehr als acht Stunden andauerten. Somit sah nicht nur die Planung der Hauptverhandlung mehr als einen Verhandlungstag pro Woche vor, sondern es ist durchschnittlich auch an mehr als einem Tag pro Woche verhandelt worden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvR 1847/07, BVerfGK 12, 166). Es widerspricht dem Beschleunigungsgebot nicht, dass in der ersten Aprilhälfte 2012 und Ende Mai/Anfang Juni 2012 im Hinblick auf die Ostertage bzw. das Pfingstfest keine Verhandlungen stattfanden; denn dieses lässt Unterbrechungen für eine angemessene Zeit bei einer ansonsten hinreichenden Terminsdichte zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198).
15
In Bedacht zu nehmen ist daneben, dass das Verfahren sich gegen zwei Angeklagte richtet und u.a. die Aufklärung der sich über mehrere Jahre erstreckenden Tätigkeit des Angeklagten für die FDLR sowie von 15 verschiedenen Überfällen in der DRC erfordert. Das Oberlandesgericht hat bis zum Zeitpunkt seiner angegriffenen Entscheidung u.a. 27 Zeugen und Sachverständige vernommen , wovon 15 aus dem Ausland, vornehmlich Ruanda angereist waren. Daneben wurden zahlreiche SMS, E-Mails und sonstige Urkunden verlesen sowie Telefonate und Videoaufzeichnungen von teilweise erheblicher Dauer in Augenschein genommen. Da ein Großteil der Beweismittel nur mit Hilfe eines Übersetzers für die Sprache Kinyarwanda in die Hauptverhandlung eingeführt werden konnte, musste bei der Bestimmung der Verhandlungszeiten auf des- sen Belange angemessen Rücksicht genommen werden. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass diese Komplexität des Verfahrensstoffs insbesondere eine umfangreiche Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Hauptverhandlungstage notwendig macht.
16
Vor diesem Hintergrund lässt eine vorausschauende Verhandlungsplanung es zudem gerade sinnvoll erscheinen, jeweils Freiräume zwischen den einzelnen Verhandlungstagen auch deshalb einzuplanen, damit diese für notwendige Zwischenberatungen etwa über zu bescheidende Anträge zur Verfügung stehen und auf diese Weise das geplante Hauptverhandlungsprogramm ohne Änderung im zeitlichen Ablauf durchgeführt werden kann. Die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens zeigt sich beispielsweise daran, dass das Oberlandesgericht - abgesehen von sonstigen Anträgen - bisher über wenigstens acht Ablehnungsgesuche wegen der Besorgnis der Befangenheit zu befinden hatte.
17
b) Die Frage, ob der weitere Vollzug der Untersuchungshaft im Übrigen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, kann der Senat derzeit nicht abschließend beurteilen. Dies hängt - wenn auch nicht ausschließlich, so doch - wesentlich von der für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehenden Straferwartung und - unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 StGB - vom hypothetischen Strafende ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, juris Rn. 25). Hierfür ist von maßgeblicher Bedeutung, ob der Angeklagte - möglicherweise auch - wegen der ihm zur Last liegenden Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu verurteilen sein wird. Die Prüfung des diesbezüglichen dringenden Tatverdachts ist dem Senat jedoch - wie dargelegt - zurzeit nicht möglich.
18
III. Bei dieser Sach- und Rechtslage scheidet eine abschließende Sachentscheidung des Senats ausnahmsweise aus. Die vorliegende Fallkonstellation entspricht derjenigen, bei der ein Verfahrensmangel vorliegt, den das Beschwerdegericht nicht beheben kann (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 309 Rn. 8 mwN). Das Begehren des Angeklagten bedarf deshalb insgesamt neuer Befassung und Entscheidung durch das Oberlandesgericht, das dabei ebenfalls über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden haben wird.
Becker Schäfer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
__________
StB 12/12
vom
22. Oktober 2012
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 22. Oktober 2012
gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte befindet sich seit dem 22. Februar 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 2011 (2 BGs 64/11) in Untersuchungshaft. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, sich mindestens seit September 2009 als Mitglied an der "Islamischen Bewegung Usbekistan" (im Folgenden: IBU) und damit an einer Vereinigung im Ausland beteiligt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, strafbar als Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Er habe sich dieser in Waziristan ansässigen Organisation angeschlossen, dort ein Ausbildungslager besucht und sei bei Kampfhandlungen verletzt worden. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er sich weiterhin mit den Zielen und Zwecken der Vereinigung identifiziert. Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt unter dem 8. November 2011 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 9. Januar 2012 die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung hat am 5. März 2012 begonnen.
2
Der Senat hatte zuvor im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO mit Beschlüssen vom 14. Oktober 2011 (AK 17/11) und 31. Januar 2012 (AK 3/12) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet und darin den dringenden Tatverdacht mit Blick auf die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten bejaht.
3
Die Verteidigung des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 4. September 2012 die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung, beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die bisherige Hauptverhandlung genüge nicht dem Beschleunigungsgebot. Zudem könne dem Angeklagten seine am 4. September 2012 abgegebene Einlassung durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismittel nicht widerlegt werden; diese erkläre seinen Aufenthalt in Waziristan abweichend von dem Anklagevorwurf schlüssig, weshalb ihm eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der IBU nicht nachzuweisen sei. Auch sei angesichts seiner gesundheitlichen Probleme und seiner Mittellosigkeit die Fluchtgefahr nicht gegeben. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 11. September 2012 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der weiterhin einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend macht und vorträgt, ein dringender Tatverdacht der Mitgliedschaft in der IBU bestehe nicht. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel durch Beschluss vom 26. September 2012 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde zu- rückzuweisen. Die Einlassung des Angeklagten habe den dringenden Tatverdacht nicht entfallen lassen, sie erweise sich vielmehr in zahlreichen Punkten als nicht nachvollziehbar und widersprüchlich. Ihre Überprüfung in der Hauptverhandlung sei zudem noch nicht abgeschlossen. Es bestehe damit weiterhin der dringende Verdacht, dass der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig sei. Ebenso sei nach wie vor der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben; das Verfahren sei schließlich mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung gefördert worden.
4
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
5
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB).
6
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Maße der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12 mwN; vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12).
7
Es muss allerdings in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, juris Rn. 23), ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12 - und vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368).
8
b) Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht ausreichend dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung das Vorliegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung derzeit nicht in Frage stellen. Dabei hat die Beweisaufnahme zunächst vor dem Hintergrund des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, wie es in der Anklageschrift zusammengefasst ist, den dringenden Tatverdacht bestätigt, den der Senat auf der Grundlage des jeweiligen Ermittlungsergebnisses in seinen Haftprüfungsentscheidungen ebenfalls bejaht hatte. Ob sich dabei Beweismittel für eine Beteiligung des Angeklagten an Kampfhandlungen ergeben haben, oder ob dieser Vorwurf - wie die Verteidigung behauptet - mittlerweile nicht einmal mehr vom Generalbundesanwalt aufrecht erhalten wird, kann der Senat nicht beurteilen; angesichts der zahlreichen Beweismittel, die weitere Beteiligungshandlungen des Angeklagten belegen können, kommt diesem Aspekt aber für die Frage des die Untersuchungshaft rechtfertigenden dringenden Tatverdachts keine entscheidende Bedeutung zu. Dass und warum - jedenfalls derzeit - die am 34. Hauptverhandlungstag abgegebene Einlassung des Angeklagten, die zudem in erheblichem Widerspruch zu seinen früheren Angaben im Ermittlungsverfahren steht, mit Blick auf den dringenden Tatverdacht nicht zu einer anderen Beurteilung führt, hat das Oberlandesgericht in seinen Beschlüssen vom 11. und 26. September 2012 im Einzelnen dargelegt. Dabei ist insbesondere maßgeblich , dass die - im Hinblick auf den insoweit abzuarbeitenden Verfahrensstoff notwendig zeitintensive - Überprüfung der Einlassung noch nicht abgeschlossen ist; angesichts der zuvor an 33 Hauptverhandlungstagen durchgeführten Beweisaufnahme wäre eine ungeprüfte Übernahme der Einlassung des Angeklagten auch schlechterdings nicht nachvollziehbar. Bei dieser Sachlage ist die Annahme des weiterhin bestehenden dringenden Tatverdachts nicht zu beanstanden.
9
Gleiches gilt hinsichtlich der von der Verteidigung anders als vom Oberlandesgericht und dem Generalbundesanwalt gedeuteten Beweisergebnisse aus der Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen Dr. S. zur Frage des Gefolgschaftseides: Der Sachverständige soll zur Beantwortung ergänzender Fragen geladen werden. Bevor diese Befragung nicht durchgeführt worden ist, kann der Angeklagte nicht verlangen, dass sein einseitiges Verständnis der bisherigen Beweisaufnahme als ausschließlich maßgebliches festgeschrieben wird.
10
2. Zu Recht hat das Oberlandesgericht auch das weitere Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) bejaht. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss vom 11. September 2012 sowie im Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts vom 26. September 2012 Bezug. Da der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach wie vor besteht, erübrigt sich ein Eingehen auf die Erwägungen der Verteidigung, wie der Angeklagte unter Zugrundelegung seiner Einlassung zu bestrafen sein könnte. Zudem besteht der weitere Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO.
11
3. Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) zu vereinbaren.
12
a) Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liegt nicht vor.
13
aa) Das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung ist bei jeder Entscheidung betreffend die Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft zu beachten. Nicht nur die Anordnung sondern auch die Dauer der Untersuchungshaft muss verhältnismäßig sein. Nach dem verfassungsrechtlich ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 GG verankerten Beschleunigungsgebot in Haftsachen haben die Strafverfolgungsbehörden und -gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (Beschluss vom 24. Au- gust 2010 - 2 BvR 1113/10, juris Rn. 19 ff.). Bei der danach gebotenen auf den Einzelfall bezogenen Prüfung des Verfahrensablaufs sind etwa der Umfang und die Komplexität der Rechtssache, die Anzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.).
14
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist - im Gegensatz zur Auffassung der Verteidigung - die Planung und Durchführung der Hauptverhandlung nicht zu beanstanden.
15
Das Oberlandesgericht hat die (ohne Anlage) 134 Seiten umfassende Anklageschrift vom 8. November 2011 mit Beschluss vom 9. Januar 2012 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Vorsitzende hat bereits am 10. Januar 2012 Termine zur Hauptverhandlung ab dem 5. März 2012 bestimmt, und zwar regelmäßig auf dienstags und mittwochs sowie - fakultativ - auf donnerstags. Insgesamt ist bis zum 2. Oktober 2012 an 40 Tagen die Hauptverhandlung durchgeführt worden. In der Regel fanden zwei Sitzungstermine pro Woche statt, nur in fünf Wochen wurde lediglich an einem Tag in der Woche verhandelt, wobei die in zwei Wochen im Juli ausgefallenen Verhandlungstage zu Gesprächen mit den Verfahrensbeteiligten genutzt wurden , die zur Abtrennung des Verfahrens gegen den Bruder des Angeklagten, den früheren Mitangeklagten C. , führten; gegen ihn ist das Verfahren zwischenzeitlich durch - rechtskräftiges - Urteil des Oberlandesgerichts vom 1. August 2012 beendet. Somit sah nicht nur die Planung der Hauptverhandlung mehr als einen Verhandlungstag pro Woche vor, sondern es ist durchschnittlich auch an mehr als einem Tag pro Woche verhandelt worden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvR 1847/07, BVerfGK 12, 166). Soweit der Angeklagte die zu geringe Zeitdauer der einzelnen Verhand- lungstage bemängelt, ist zu berücksichtigen, dass bei der zeitlichen Planung eines Verhandlungstages, an dem etwa Zeugen vernommen werden sollen, auch das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten einzukalkulieren ist. Wenn dieses alsdann nicht oder nur in geringem Umfang wahrgenommen wird, so dass das Programm des Verhandlungstages früher als erwartet abgearbeitet worden ist, liegt darin kein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot. Gleiches gilt mit Blick auf die Terminsaufhebungen wegen des Urlaubs des Ergänzungsrichters und der Unterbrechung zur Sommerpause für den Urlaub sämtlicher Verfahrensbeteiligter : Unterbrechungen für eine angemessene Zeit sind bei einer ansonsten hinreichenden Terminsdichte zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198).
16
Auch im Übrigen hat das Oberlandesgericht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung verhandelt. Dies ergibt sich hinsichtlich der einzuführenden Urkunden bereits aus dem Umstand, dass solche weitgehend zum Gegenstand von Selbstleseverfahren gemacht worden sind. Soweit die Verteidigung dies in Abrede stellt, weil die beteiligten Richter den Inhalt dieser Urkunden doch bereits aus den Akten kennten, geht dies ersichtlich fehl, ergibt sich doch nicht zuletzt aus § 261 StPO, dass für die richterliche Überzeugungsbildung nur die Beweismittel herangezogen werden dürfen, die in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Auch die von der Verteidigung als zu spät gerügte Beauftragung eines medizinischen Sachverständigen stellt angesichts der von dem Angeklagten erst am 25. Juli 2012 erteilten Erklärungen zur Entbindung der ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot dar.
17
b) Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft verstößt auch im Übrigen nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die bisherige Dauer der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sacheund - angesichts des dringenden Verdachts, der Angeklagte habe sich des Verbrechens der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht - der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden erheblichen Strafe. Dies gilt auch mit Blick auf das hypothetische Strafende unter Berücksichtigung einer etwaigen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gemäß § 57 StGB (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 2 BvR 644/12, juris Rn. 25). Der Zweck der Untersuchungshaft kann durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
Becker Pfister Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
S t B 1 / 1 5
vom
5. Februar 2015
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum Mord
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschwerdeführers und seiner Verteidiger am 5. Februar
2015 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22. Dezember 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.


1
Der Angeklagte wurde am 29. November 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. November 2011 (3 BGs 97/11) - neu gefasst durch dessen Beschluss vom 15. Mai 2012 (3 BGs 169/12), abgeändert durch Senatsbeschluss vom 14. Juni 2012 (AK 18/12) - festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Der Senat hat in der letztgenannten Entscheidung deren Fortdauer über sechs Monate hinaus und durch Beschlüsse vom 4. Oktober 2012 (AK 30/12), vom 8. Januar 2013 (AK 36/12) und vom 11. April 2013 (AK 9/13) deren Fortdauer auch über neun, zwölf und fünfzehn Monate hinaus angeordnet. Zum Tatvorwurf nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss vom 14. Juni 2012 (AK 18/12) und auf die Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 5. November 2012. Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat mit der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und vier Mitangeklagte am 6. Mai 2013 begonnen; diese dauert weiter an.
2
In der Hauptverhandlung am 3. Dezember 2014 haben die Verteidiger des Angeklagten beantragt, den bestehenden Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise , diesen gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 hat das Oberlandesgericht München die Anträge abgelehnt und Haftfortdauer angeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.

II.


3
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
4
1. Der Angeklagte ist des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens weiterhin dringend verdächtig.
5
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 16. April 2013 - StB 6/13; vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247, 248; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, StV 2004, 143; vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368) unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, StV 2013, 640, 642 f.), ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste.
6
b) Nach diesen Maßstäben hat das Oberlandesgericht hinreichend konkret dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung den dringenden Verdacht der Beihilfe zu neun Fällen des Mordes, wie ihn der Senat auf der Grundlage des damaligen Ermittlungsergebnisses in den oben aufgeführten Haftentscheidungen ebenfalls bejaht hatte, nicht in Frage stellen. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die sich - wie schon zuvor der entsprechende Anträge des Angeklagten ablehnende, vom Oberlandesgericht inhaltlich bestätigte Beschluss vom 25. Juni 2014 - mit den Erkenntnissen zum Weg der Tatwaffe Ceska 83 Nr. 034678 hin zu Mitglie- dern des "Nationalsozialistischen Untergrunds" und den vom Angeklagten hierzu entfalteten Aktivitäten eingehend auseinandersetzen, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
7
2. Der Haftgrund der Schwerkriminalität besteht fort (§ 112 Abs. 3 StPO); durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Insoweit verweist der Senat auf die in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Gründe des Beschlusses vom 25. Juni 2014, an deren Gültigkeit sich nach den Darlegungen des Oberlandesgerichts auch in der Zwischenzeit nichts geändert hat. Es sieht durch das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme die Besorgnis bestätigt, dass der Angeklagte, auf freien Fuß gesetzt, mit Hilfe von Unterstützern aus der rechten Szene Fluchtgedanken ohne wesentliche Schwierigkeiten in die Tat umsetzen könnte. Für diese Einschätzung des Oberlandesgerichts gilt nichts anderes als - wie oben ausgeführt - zur Annahme fortbestehenden dringenden Tatverdachts.
8
3. Das Verfahren ist weiterhin mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Zwar findet der Vollzug von Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Erlass eines Urteils nur in ganz besonderen Ausnahmefällen eine Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198, 199). Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch gegeben. Das Verfahren richtet sich gegen insgesamt fünf Angeklagte und umfasst einen Tatzeitraum von insgesamt fünfzehn Jahren. Beteiligt sind elf Verteidiger und mehr als 60 Nebenklagevertreter. Die dem Angeklagten vorgeworfenen Beihilfehandlungen sind isolierter Betrachtung nicht zugänglich, sondern bedürfen zunächst sorgfältiger Aufklärung der entsprechenden Haupttaten und deren Würdigung in einer Gesamtschau des Tatgeschehens. Schon der Umfang der Sachakten - über 800 Ordner - verdeutlicht, dass dies ohne eine außergewöhnlich aufwändige Beweisaufnahme nicht möglich ist. So hat das Oberlandesgericht bislang bereits etwa 300 Zeugen und Sachverständige vernommen. Dem Gebot größtmöglicher Beschleunigung hat es dabei durch regelmäßig drei Verhandlungstage pro Woche ausreichend Rechnung getragen.
9
4. Auch in Anbetracht der insgesamt zu erwartenden Verfahrensdauer steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartenden Strafe (vgl. hierzu auch EGMR, Entscheidung vom 6. November 2014 - Application no. 67522/09 Ereren gegen Deutschland, Rn. 61). Zwar wird sich der Angeklagte, soweit derzeit absehbar, zum Zeitpunkt des Urteils weit über die derzeit bereits vollzogenen drei Jahre und zwei Monate hinaus in Untersuchungshaft befinden. Das aufzuklärende Tatgeschehen stellt sich jedoch nicht nur nach der gesetzlichen Strafandrohung als eine erhebliche Straftat dar, sondern wiegt auch unter den konkret gegebenen Umständen schwer. Die im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartende und zu verbüßende Strafe wird deshalb auch eine Untersuchungshaft von erheblicher Dauer nicht nur unwesentlich übersteigen.
Becker Hubert Mayer

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 5/16
vom
21. April 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum Mord
ECLI:DE:BGH:2016:210416BSTB5.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 21. April 2016 gemäß § 304 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2014 (7 St 5/14) wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1
Der Angeklagte ist auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 4. Juni 2009 (3 BJs 19/08-2) und des zugrundeliegenden Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. Mai 2009 (1 BGs 118/09) am 17. April 2014 in Kroatien festgenommen und - bewilligt durch Beschluss des Bezirksgerichts Varazdin vom 27. März 2014 (Kv-eun 8/14) sowie durch Beschluss des Obersten Gerichts der Republik Kroatien vom 15. April 2014 (Kz-eun 20/14-6) - am 17. April 2014 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden. Seit diesem Zeitpunkt befindet er sich im vorliegenden Strafverfahren ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Den Haftbefehl gegen den Angeklagten vom 18. Mai 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs durch Beschluss vom 18. April 2014 (1 BGs 84/14) abgeändert und neu gefasst; zugleich hat er den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, als Leiter eines Geheimdienstes des ehemaligen Jugoslawien seinen damaligen Untergebenen , den Mitangeklagten P. , damit beauftragt zu haben, den Mord an dem Exilkroaten D. , der am 28. Juli 1983 in W. getötet wurde, zu planen und logistisch vorzubereiten.
3
Unter dem 15. Juli 2014 hat der Generalbundesanwalt wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord bei dem Oberlandesgericht München gegen den Angeklagten Anklage erhoben, die am 22. Juli 2014 beim dortigen 7. Strafsenat eingegangen ist. Dieser Senat des Oberlandesgerichts hat am 1. September 2014 die Anklage des Generalbundesanwalts zur Hauptverhandlung zugelassen , das Hauptverfahren eröffnet und zugleich Haftfortdauer gegen den Angeklagten angeordnet (§ 207 Abs. 4 StPO). Erneut und bislang letztmalig hat der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München durch Beschluss vom 1. Oktober 2014 (7 St 5/14 (2)), mit dem die Akten dem Bundesgerichtshof im Haftprüfungsverfahren gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden sind, Haftfortdauer gegen den Angeklagten angeordnet.
4
Am 17. Oktober 2014 hat die Hauptverhandlung vor dem 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München begonnen, die bisher an insgesamt 99 Tagen durchgeführt worden ist. Derzeit sind weitere 27 Hauptverhandlungstage bis zum 2. August 2016 bestimmt.
5
Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 16. März 2016 hat der Angeklagte Haftbeschwerde eingelegt und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben.
6
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

7
Die Beschwerde ist in ihrer Auslegung durch den Senat gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO zulässig.
8
Der Schriftsatz der Verteidiger des Angeklagten vom 16. März 2016 ist als Beschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2014 anzusehen (§ 300 StPO). Diese Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft war die zeitlich letzte, den Bestand des Haftbefehls gegen den Angeklagten betreffende Entscheidung, gegen die eine Beschwerde zulässig erhoben werden kann. Der aus der Regelung des § 117 Abs. 2 StPO abgeleitete allgemeine Grundsatz, dass der Beschuldigte nur die jeweils letzte Haftentscheidung anfechten kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 117 Rn. 8 mwN), liegt die Erwägung zugrunde, dass es einem vernünftigen Verfahrensablauf widersprechen würde, wenn ein Beschwerdeführer in beliebiger Art und Weise auf frühere, möglicherweise in ihrer Begründung bereits überholte Haftentscheidungen zurückgreifen und es hierdurch im Ergebnis zu einander widersprechenden Entscheidungen verschiedener mit der Sache befasster Gerichte kommen könnte.

III.

9
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
10
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht, an der Tötung von D. beteiligt gewesen zu sein. Sein Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Insofern gilt:
11
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3; vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247, 248; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, StV 2004, 143; vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen, unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen , die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind, ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Ent- scheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - StB 14/15, juris Rn. 7 mwN).
12
b) Nach diesen Maßstäben ist die durch den Nichtabhilfebeschluss vom 17. März 2016 näher begründete Bewertung des Oberlandesgerichts, dass der dringende Tatverdacht der Beihilfe zum Mord gegen den Angeklagten weiterhin besteht, nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen in den Gründen dieser Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen. Wie sich daraus im Einzelnen ergibt, stellen die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts der Beteiligung des Angeklagten an der Tötung von D. nach vorläufiger Bewertung nicht in Frage. Für den Senat besteht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, das eine abweichende Bewertung des in der Hauptverhandlung zu erwartenden Beweisergebnisses vornimmt, kein greifbarer Anhaltspunkt, der es rechtfertigen würde, von der - keine ins Auge fallenden Unplausibilitäten enthaltenden - Bewertung des bisher erzielten Kenntnisstandes und der noch nicht erhobenen Beweise durch das Oberlandesgericht abzuweichen und in eigener Einschätzung der Beweislage den dringenden Tatverdacht zu verneinen.
13
2. Zutreffend ist das Oberlandesgericht auch davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten neben dem Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO auch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO weiterhin vorliegt. Dem gegebenen erheblichen Fluchtanreiz stehen weiterhin keine privaten Bindungen und sozialen Beziehungen des Angeklagten in Deutschland gegenüber.
Diese Umstände schließen auch eine Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO aus. Mildere Maßnahmen, mit denen der Zweck der Untersuchungshaft ebenfalls zu erreichen wäre, sind nicht ersichtlich.
14
3. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens - auch angesichts der bereits nahezu zwei Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens - fortzudauern. Ihr weiterer Vollzug steht angesichts der gegebenen Besonderheiten auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
15
a) Hierbei ist freilich das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit in besonderer Weise zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung , die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
16
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass diese nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Das Gewicht des Frei- heitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu.
17
Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn. 39 ff.; BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 12 ff.).
18
b) Daran gemessen ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechtzuerhalten und die Untersuchungshaft weiter zu vollziehen. Der Generalbundesanwalt hat nach der Festnahme des Angeklagten in Kroatien und seiner Auslieferung am 17. April 2014 die Ermittlungen mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung abgeschlossen und bereits unter dem 15. Juli 2014 die Anklage gegen den Angeklagten erhoben. Auch die Durchführung des Zwischenverfahrens und der bisherige Verlauf der Hauptverhandlung lassen erhebliche vermeidbare Verzögerungen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 2 BvR 388/09, StV 2009, 479, 480 f.) nicht erkennen. Zwar ergibt die rein rechnerische Betrachtung der "Sitzungsfrequenz" mit Blick auf den seit Beginn der Hauptverhandlung am 17. Oktober 2014 verstrichenen Zeitraum und die Anzahl von bisher 99 Verhandlungstagen, dass das Oberlandesgericht die Hauptverhandlung im Durchschnitt an weniger als zwei Tagen pro Woche durchgeführt hat. Jedoch ist - auch ohne Darlegung des Verlaufs der bisherigen Hauptverhandlung im Detail und der Ursachen hierfür im Einzelnen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 18 ff.) - aus der Nichtabhilfeentscheidung vom 17. März 2016 hinreichend ersichtlich, dass das Oberlandesgericht seine Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen zügigen Verfahrensweise durchgeführt hat, insbesondere eine höhere "Sitzungsfrequenz" wegen der Besonderheiten der vorliegenden Sache nicht möglich war. Hierfür war insbesondere deren Auslandsbezug verantwortlich , der mit Blick auf den Aufklärungsgrundsatz eine hohe Zahl neuer Rechtshilfeersuchen und schwierige Zeugenladungen notwendig machte. Auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts hierzu wird Bezug genommen. Anhaltspunkte dafür, dass diese den besonderen Verlauf der Hauptverhandlung nicht zu- treffend wiedergeben, bestehen nicht. Bedeutsame Verzögerungen oder Versäumnisse , die die Fortdauer der Untersuchungshaft mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindern würden, sind nicht ersichtlich.
19
Nach alledem ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft angesichts der Bedeutung der Sache und der konkreten Erwartung einer hohen Freiheitsstrafe immer noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Schäfer Tiemann

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

9
Von der Straferwartung, die sich nach der Verurteilung des Angeklagten auf die verhängte Jugendstrafe konkretisiert hat (vgl. MüKoStPO/Böhm/Werner, § 112 Rn. 52), geht weiterhin ein ganz erheblicher Fluchtanreiz aus. Zwar nimmt der Angeklagte im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend an, dass hierfür die sog. Nettostraferwartung maßgebend ist, so dass von dem festgelegten Strafmaß neben der vollzogenen Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) eine wahrscheinlich zur Bewährung ausgesetzte Reststrafe in Abzug zu bringen sein kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 112 Rn. 23; MüKoStPO/Böhm/Werner aaO, Rn. 53). Dem Angeklagten ist jedoch nicht darin zu folgen, dass er mit einer Reststrafenaussetzung tatsächlich rechnen kann. Das gilt unabhängig davon, ob § 88 JGG oder § 57 StGB zur Anwendung kommt (zur Frage des gesetzlichen Maßstabs im Fall einer Abgabe der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft [§ 85 Abs. 6, § 89b Abs. 1 Satz 2 JGG] vgl. die Nachweise bei OLG Hamm, Beschluss vom 5. Februar 2015 - III2 Ws 33/15, juris Rn. 17 f.; MüKoStGB/Groß, 3. Aufl., § 57 Rn. 9 Fn. 25).

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

25
dd) Das Oberlandesgericht hat die Hauptverhandlung - mit Ausnahme der urlaubsbedingten, sich im Rahmen der Vorgaben der Strafprozessordnung haltenden Unterbrechungen - in der Regel zweimal wöchentlich durchgeführt. Insoweit ist gegen die Verhandlungsdichte nichts zu erinnern. Bei der Bewertung des bisherigen Verlaufs der Hauptverhandlung ist allerdings nicht zu ver- kennen, dass das Oberlandesgericht die ohne Weiteres mögliche Dauer eines Hauptverhandlungstermins regelmäßig bei weitem nicht ausgeschöpft hat. Soweit es in diesem Zusammenhang darauf verweist, es sei zeitgleich mit der Durchführung von Hauptverhandlungen in zwei weiteren Verfahren befasst gewesen , sind derartige Umstände nicht geeignet, die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers zu rechtfertigen. Die Justizverwaltung hat mit Blick auf die rechtstaatliche Ordnung und den grundrechtlich verbürgten Freiheitsanspruch des Betroffenen vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen, um Strafverfahren, insbesondere bei Haftsachen, angemessen führen und in einem vertretbaren Zeitraum abschließen zu können. Jedoch fällt hier auch ins Gewicht, dass das Verfahren sich gegen insgesamt sechs Angeklagte richtet und Sachverhalte betrifft, die sich im Wesentlichen im Ausland zugetragen haben. Diese Umstände erfordern zum einen eine überdurchschnittlich zeit- und arbeitsintensive Vor- und Nachbereitung der Hauptverhandlungstermine; zum anderen sind sie dazu geeignet, die konkreten Hauptverhandlungstermine weniger voraussehbar zu machen, als dies bei einer geringeren Anzahl von Angeklagten der Fall ist. So beruht hier der bisherige konkrete Verlauf der Hauptverhandlung zumindest auch auf dem Prozessverhalten der Angeklagten und ihrer Verteidiger, die etwa angekündigte Einlassungen zur Sache nur zu bestimmten Zeitpunkten und unter bestimmten Voraussetzungen abzugeben bereit waren. Dies ist bei der Prüfung der Fortdauer der Untersuchungshaft sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.) als auch nach derjenigen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung vom 6. November 2014 - Application no. 67522/09 Ereren gegen Deutschland, NJW 2015, 3773, 3775) und des Senats (vgl. Beschluss vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, JR 2013, 419, 421) zu berücksichtigen, ohne dass es in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf ankommt, ob es sich um sachdienliches Verteidigungsverhalten handelt oder dessen Grenzen überschritten sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 29/16
vom
22. September 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:220916BSTB29.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 22. September 2016 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. August 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte wurde am 13. März 2013 vorläufig festgenommen. Mit Haftbefehl vom 14. März 2013 ordnete das Amtsgericht Dortmund die Untersuchungshaft an. Nach Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt am 18. März 2013 erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 4. April 2013 einen neuen Haftbefehl, der am 10. April 2013 in Vollzug gesetzt wurde. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, er habe sich mit den drei Mitangeklagten G. , B. und D. zu einer konspirativ handelnden radikal-islamistischen inländischen terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen , die sich zum Ziel gesetzt habe, arbeitsteilig unter Verwendung von Sprengmitteln und Schusswaffen führende Mitglieder der Partei Pro NRW zu töten und damit die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. In Ausübung dieses Vorhabens hätten sie Schusswaffen und Schalldämpfer erworben und besessen, andere im Umgang mit diesen Waffen unterwiesen bzw. sich im Umgang mit diesen Waffen unter- weisen lassen sowie verabredet, den Vorsitzenden der Partei Pro NRW am Morgen des 13. März 2013 zu töten (Verbrechen und Vergehen, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 2, § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 52 StGB, § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG).
2
Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt unter dem 10. März 2014 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 18. Juni 2014 die Anklage im Wesentlichen unverändert zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung hat am 8. September 2014 begonnen und dauert derzeit noch an.
3
Der Senat hatte zuvor im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO mit Beschlüssen vom 10. Oktober 2013 (AK 17-19/13), 23. Januar 2014 (AK 1-3/14), 8. Mai 2014 (AK 8-10/14) und 7. August 2014 (AK 20-22/14) jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Er hatte dabei auf den Vorwurf der Verabredung zum Mord an dem Vorsitzenden der Partei Pro NRW abgestellt und offen gelassen, ob der Angeklagte darüber hinaus dringend verdächtig ist, die weiteren in dem Haftbefehl aufgeführten Straftaten begangen zu haben.
4
Die Verteidigung des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 8. Juli 2016 beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, mit Blick auf die bisherige Beweisaufnahme und insbesondere auf die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung am 27. Juni 2016 abgegebene Einlassung, die von den Mitangeklagten B. und D. bestätigt worden sei, könne ein dringender Tatverdacht nicht mehr bejaht werden. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 1. August 2016 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der die Begründungstiefe der angefochtenen Entscheidung beanstandet, weiterhin den dringenden Tatverdacht bestreitet und einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geltend macht. Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel gemäß Beschluss vom 26. August 2016 nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen dieses Beschlusses zu verwerfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit Schriftsatz vom 14. September 2016, mit dem geltend gemacht wird, die Ausführungen des Oberlandesgerichts seien nach wie vor zu pauschal, um einen dringenden Tatverdacht zu konkretisieren. Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei unverhältnismäßig. Außerdem sei keine Fluchtgefahr gegeben; bei deren Annahme reiche es aus, den Haftbefehl gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen.
5
II. Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin jedenfalls der dringende Tatverdacht der Verabredung zum Mord an dem Vorsitzenden der Partei Pro NRW (§ 30 Abs. 2, § 211 StGB).
7
a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2016 - StB 1/16, juris Rn. 14; vom 28. August 2014 - StB 22/14, juris Rn. 5; vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, JR 2013, 419, 420; vom 7. August 2007 - StB 17/07, juris Rn. 5; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 3 mwN). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Es muss deshalb allerdings in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. August 2010 - 2 BvR 1113/10, BVerfGK 17, 517, 523 f.) ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies bedeutet indes nicht, dass das verhandelnde Tatgericht in Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu einer umfassenden Darstellung der Würdigung aller bislang erhobenen Beweise verpflichtet ist. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung sind den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Weiter entspricht es der Natur der Sache, dass die vom Tatgericht vorzunehmende Würdigung vorläufigen Charakter hat und für sich genommen nicht geeignet ist, etwa den Vorwurf der Voreingenommenheit der beteiligten Richter zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, JR 2013, 419, 420).
8
b) Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs wird die erforderliche Begründungstiefe durch die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss vom 1. August 2016 noch nicht erreicht. Das Oberlandesgericht hat insoweit im Wesentlichen - was grundsätzlich in geeigneten Fällen zur Vermeidung ausschließ- licher und damit überflüssiger Schreibarbeit nicht zu beanstanden ist - auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts zu dem Beschwerdevorbringen Bezug genommen. Diese handeln die für die Haftfortdauer wesentlichen Gesichtspunkte allerdings nicht derart substantiiert ab, dass sie allein als Grundlage einer Haftfortdauerentscheidung genügen.
9
Das Oberlandesgericht hat jedoch in seinem ausführlich begründeten Nichtabhilfebeschluss vom 26. August 2016 in ausreichender Weise dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung den dringenden Tatverdacht belegen. Dabei hat es ausgeführt, dies ergebe sich aus der "Gesamtheit der bisher durchgeführten Beweisaufnahme". Insbesondere hätten die den Anklagevorwurf betreffenden überwachten Gespräche den ihr von der Anklageschrift und den Vermerken der beteiligten Polizeibehörden beigelegten Inhalt. Hieraus und aus den Ergebnissen der Observation ergebe sich, dass der Angeklagte in die Gruppe um die Mitangeklagten eingebunden gewesen sei, mit diesen in fortlaufendem Kontakt gestanden habe, sich an der konspirativen Vorgehensweise der Gruppe beteiligt habe, über die Bedeutung verwendeter Tarnbegriffe informiert gewesen sei, gemeinsam mit dem Mitangeklagten D. eine die Wohnorte mehrerer Mitglieder der Partei Pro NRW betreffende Ausspähfahrt unternommen und in der Zeit ab dem 1. März 2013 der Gruppe seine Wohnung in E. zur Verfügung gestellt habe. Ausweislich des Beweisergebnisses habe die Gruppe Vorbereitungen zur Durchführung eines konkreten Anschlags zur Tötung des Vorsitzenden der Partei Pro NRW getroffen. Das Oberlandesgericht hat in seine Erwägungen auch die in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassungen der Angeklagten einbezogen und nachvollziehbar ausgeführt, dass und warum diese im Ergebnis nicht zu einer anderen Einschätzung führen. Dies gilt ebenfalls, soweit das Oberlandesgericht angenommen hat, bei dem Angeklagten zeige sich eine radikal- islamistische Grundhaltung. Der Senat sieht auch mit Blick auf das Beschwerdevorbringen , das insoweit im Wesentlichen die Einlassungen der Angeklagten abweichend würdigt, keinen Anlass, diese Beurteilung insgesamt im Rahmen der - wie dargelegt - eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit in Zweifel zu ziehen.
10
2. Das Oberlandesgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO auch derzeit noch vorliegt. Dem nach wie vor insbesondere aus der bei einer Verurteilung auch allein wegen Verabredung zum Mord drohenden erheblichen Straferwartung folgenden hohen Fluchtanreiz stehen keine ausreichend belastbaren privaten Bindungen und sozialen Beziehungen des Angeklagten in Deutschland gegenüber. Die gegebenen Umstände schließen zudem eine Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO aus.
11
3. Die Fortdauer der nunmehr etwas mehr als dreieinhalb Jahre andauernden Untersuchungshaft ist mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Insoweit gilt:
12
a) Bei Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft ist das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit in besonderer Weise zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
13
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig vom Tatvorwurf und von der Straferwartung Grenzen. Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu.
14
Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, juris Rn. 39 ff. mwN; BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 11 ff.).
15
b) Daran gemessen ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechtzuerhalten und die Untersuchungshaft weiter zu vollziehen. Das Verfahren ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung ausreichend zügig geführt worden. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen in seinen Haftfortdauerentscheidungen Bezug. Es betrifft komplexe Sachverhalte, die sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, und richtet sich nach wie vor gegen insgesamt vier Angeklagte. Mit Blick auf den teilweise identischen Tatvorwurf und die zumindest ähnliche Beweislage ist nicht ersichtlich, dass eine Abtrennung des den Angeklagten betreffenden Verfahrens sachdienlich wäre und zu einer wesentlichen Beschleunigung beitragen könnte.
16
Der Fortdauer der Untersuchungshaft steht - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch der Verlauf der Hauptverhandlung nicht entgegen. Bislang ist an mehr als 130 Tagen verhandelt worden. Dabei wurden mehr als 150 Zeugen vernommen, mehr als 30 Sachverständige gehört und zahlreiche Urkunden verlesen. Der Senat sieht im Übrigen keinen Anlass, die Ausführungen des Oberlandesgerichts in dessen Nichtabhilfebeschluss in Zweifel zu ziehen , wonach dieses seit dem Frühjahr 2016 wiederholt darauf hingewiesen hat, dass die nach der Aufklärungspflicht aus seiner Sicht gebotene Beweisaufnahme weitgehend abgeschlossen ist. Das Oberlandesgericht hat anschaulich dargelegt, dass die Beweisaufnahme seitdem zumindest weit überwiegend der Bearbeitung von Beweisbegehren der Verteidigung dient, die etwa zahlreiche Beweisanträge - u.a. auf Einholung eines phonetischen Sachverständigengutachtens - gestellt und erklärt hat, diese teilweise noch erweitern zu wollen. Danach beruht der bisherige konkrete Verlauf der Hauptverhandlung zumindest auch auf dem Prozessverhalten der Angeklagten und ihrer Verteidiger. Dies ist bei der Prüfung der Fortdauer der Untersuchungshaft sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07, StV 2008, 198 f.), als auch nach derjenigen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung vom 6. November 2014 - Application no. 67522/09 Ereren gegen Deutschland, NJW 2015, 3773, 3775) und des Senats (vgl. Beschluss vom 4. Februar 2016 - StB 1/16, juris Rn. 25) zu berücksichtigen, ohne dass es in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf ankommt, ob es sich um sachdienliches Verteidigungsverhalten handelt oder dessen Grenzen überschritten sind. Was die von der Beschwerde in eher pauschaler Form gerügte Dauer der einzelnen Hauptverhandlungstage angeht, so hat das Oberlandesgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass vor allem der Zeitraum, der für die Befragung von Zeugen erforderlich ist, stark von dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten abhängt und deshalb im voraus nur schwer einzuschätzen ist.
17
Schließlich ist nach alldem die zu erwartende Gesamtdauer der Untersuchungshaft bis zu dem voraussichtlichen Abschluss des Verfahrens auch vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Straferwartung und einer möglichen Reststrafenaussetzung zur Bewährung noch nicht als unverhältnismäßig zu bewerten. Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Voraussetzungen für eine Aussetzung des Strafrests bereits nach deren hälftiger Verbüßung (§ 57 Abs. 2 StGB) vorliegen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Somit käme allenfalls eine Aussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 57 Abs. 1 StGB) in Betracht. Mit Blick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat ist der hierfür maßgebende Zeitpunkt noch nicht erreicht.
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 5/16
vom
21. April 2016
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Beihilfe zum Mord
ECLI:DE:BGH:2016:210416BSTB5.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 21. April 2016 gemäß § 304 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2014 (7 St 5/14) wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1
Der Angeklagte ist auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 4. Juni 2009 (3 BJs 19/08-2) und des zugrundeliegenden Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. Mai 2009 (1 BGs 118/09) am 17. April 2014 in Kroatien festgenommen und - bewilligt durch Beschluss des Bezirksgerichts Varazdin vom 27. März 2014 (Kv-eun 8/14) sowie durch Beschluss des Obersten Gerichts der Republik Kroatien vom 15. April 2014 (Kz-eun 20/14-6) - am 17. April 2014 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden. Seit diesem Zeitpunkt befindet er sich im vorliegenden Strafverfahren ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Den Haftbefehl gegen den Angeklagten vom 18. Mai 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs durch Beschluss vom 18. April 2014 (1 BGs 84/14) abgeändert und neu gefasst; zugleich hat er den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, als Leiter eines Geheimdienstes des ehemaligen Jugoslawien seinen damaligen Untergebenen , den Mitangeklagten P. , damit beauftragt zu haben, den Mord an dem Exilkroaten D. , der am 28. Juli 1983 in W. getötet wurde, zu planen und logistisch vorzubereiten.
3
Unter dem 15. Juli 2014 hat der Generalbundesanwalt wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord bei dem Oberlandesgericht München gegen den Angeklagten Anklage erhoben, die am 22. Juli 2014 beim dortigen 7. Strafsenat eingegangen ist. Dieser Senat des Oberlandesgerichts hat am 1. September 2014 die Anklage des Generalbundesanwalts zur Hauptverhandlung zugelassen , das Hauptverfahren eröffnet und zugleich Haftfortdauer gegen den Angeklagten angeordnet (§ 207 Abs. 4 StPO). Erneut und bislang letztmalig hat der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München durch Beschluss vom 1. Oktober 2014 (7 St 5/14 (2)), mit dem die Akten dem Bundesgerichtshof im Haftprüfungsverfahren gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden sind, Haftfortdauer gegen den Angeklagten angeordnet.
4
Am 17. Oktober 2014 hat die Hauptverhandlung vor dem 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts München begonnen, die bisher an insgesamt 99 Tagen durchgeführt worden ist. Derzeit sind weitere 27 Hauptverhandlungstage bis zum 2. August 2016 bestimmt.
5
Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 16. März 2016 hat der Angeklagte Haftbeschwerde eingelegt und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben.
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Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

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Die Beschwerde ist in ihrer Auslegung durch den Senat gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO zulässig.
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Der Schriftsatz der Verteidiger des Angeklagten vom 16. März 2016 ist als Beschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2014 anzusehen (§ 300 StPO). Diese Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft war die zeitlich letzte, den Bestand des Haftbefehls gegen den Angeklagten betreffende Entscheidung, gegen die eine Beschwerde zulässig erhoben werden kann. Der aus der Regelung des § 117 Abs. 2 StPO abgeleitete allgemeine Grundsatz, dass der Beschuldigte nur die jeweils letzte Haftentscheidung anfechten kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 117 Rn. 8 mwN), liegt die Erwägung zugrunde, dass es einem vernünftigen Verfahrensablauf widersprechen würde, wenn ein Beschwerdeführer in beliebiger Art und Weise auf frühere, möglicherweise in ihrer Begründung bereits überholte Haftentscheidungen zurückgreifen und es hierdurch im Ergebnis zu einander widersprechenden Entscheidungen verschiedener mit der Sache befasster Gerichte kommen könnte.

III.

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Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht, an der Tötung von D. beteiligt gewesen zu sein. Sein Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Insofern gilt:
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3; vom 22. Oktober 2012 - StB 12/12, NJW 2013, 247, 248; vom 19. Dezember 2003 - StB 21/03, StV 2004, 143; vom 2. September 2003 - StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368). Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen, unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen , die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind, ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Ent- scheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das Oberlandesgericht und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste (vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - StB 14/15, juris Rn. 7 mwN).
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b) Nach diesen Maßstäben ist die durch den Nichtabhilfebeschluss vom 17. März 2016 näher begründete Bewertung des Oberlandesgerichts, dass der dringende Tatverdacht der Beihilfe zum Mord gegen den Angeklagten weiterhin besteht, nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen in den Gründen dieser Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen. Wie sich daraus im Einzelnen ergibt, stellen die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts der Beteiligung des Angeklagten an der Tötung von D. nach vorläufiger Bewertung nicht in Frage. Für den Senat besteht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, das eine abweichende Bewertung des in der Hauptverhandlung zu erwartenden Beweisergebnisses vornimmt, kein greifbarer Anhaltspunkt, der es rechtfertigen würde, von der - keine ins Auge fallenden Unplausibilitäten enthaltenden - Bewertung des bisher erzielten Kenntnisstandes und der noch nicht erhobenen Beweise durch das Oberlandesgericht abzuweichen und in eigener Einschätzung der Beweislage den dringenden Tatverdacht zu verneinen.
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2. Zutreffend ist das Oberlandesgericht auch davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten neben dem Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO auch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO weiterhin vorliegt. Dem gegebenen erheblichen Fluchtanreiz stehen weiterhin keine privaten Bindungen und sozialen Beziehungen des Angeklagten in Deutschland gegenüber.
Diese Umstände schließen auch eine Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO aus. Mildere Maßnahmen, mit denen der Zweck der Untersuchungshaft ebenfalls zu erreichen wäre, sind nicht ersichtlich.
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3. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens - auch angesichts der bereits nahezu zwei Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens - fortzudauern. Ihr weiterer Vollzug steht angesichts der gegebenen Besonderheiten auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
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a) Hierbei ist freilich das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit in besonderer Weise zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung , die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
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Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass diese nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Das Gewicht des Frei- heitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu.
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Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn. 39 ff.; BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 12 ff.).
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b) Daran gemessen ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechtzuerhalten und die Untersuchungshaft weiter zu vollziehen. Der Generalbundesanwalt hat nach der Festnahme des Angeklagten in Kroatien und seiner Auslieferung am 17. April 2014 die Ermittlungen mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung abgeschlossen und bereits unter dem 15. Juli 2014 die Anklage gegen den Angeklagten erhoben. Auch die Durchführung des Zwischenverfahrens und der bisherige Verlauf der Hauptverhandlung lassen erhebliche vermeidbare Verzögerungen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 2 BvR 388/09, StV 2009, 479, 480 f.) nicht erkennen. Zwar ergibt die rein rechnerische Betrachtung der "Sitzungsfrequenz" mit Blick auf den seit Beginn der Hauptverhandlung am 17. Oktober 2014 verstrichenen Zeitraum und die Anzahl von bisher 99 Verhandlungstagen, dass das Oberlandesgericht die Hauptverhandlung im Durchschnitt an weniger als zwei Tagen pro Woche durchgeführt hat. Jedoch ist - auch ohne Darlegung des Verlaufs der bisherigen Hauptverhandlung im Detail und der Ursachen hierfür im Einzelnen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - StB 2/13, juris Rn. 18 ff.) - aus der Nichtabhilfeentscheidung vom 17. März 2016 hinreichend ersichtlich, dass das Oberlandesgericht seine Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen zügigen Verfahrensweise durchgeführt hat, insbesondere eine höhere "Sitzungsfrequenz" wegen der Besonderheiten der vorliegenden Sache nicht möglich war. Hierfür war insbesondere deren Auslandsbezug verantwortlich , der mit Blick auf den Aufklärungsgrundsatz eine hohe Zahl neuer Rechtshilfeersuchen und schwierige Zeugenladungen notwendig machte. Auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts hierzu wird Bezug genommen. Anhaltspunkte dafür, dass diese den besonderen Verlauf der Hauptverhandlung nicht zu- treffend wiedergeben, bestehen nicht. Bedeutsame Verzögerungen oder Versäumnisse , die die Fortdauer der Untersuchungshaft mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindern würden, sind nicht ersichtlich.
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Nach alledem ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft angesichts der Bedeutung der Sache und der konkreten Erwartung einer hohen Freiheitsstrafe immer noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Schäfer Tiemann