Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2016 - StB 12/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:110816BSTB12.16.0
11.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 12/16
vom
11. August 2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
hier: Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ermittlungsmaßnahmen
ECLI:DE:BGH:2016:110816BSTB12.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. August 2016 gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 13. November 2015 aufgehoben, soweit der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung sowie der Art und Weise ihres Vollzugs folgender verdeckter Ermittlungsmaßnahmen als unbegründet zurückgewiesen worden ist:
a) Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen: Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom - 9. Oktober 2006 (1 BGs 134/2006) und 5. Januar 2007 (1 BGs 2/2007), soweit sie die Überwachung der Telefonanschlüsse Nr. , , (ISDN-Folgenummern , ), und (Home-Zone-Nr.: ) sowie der E-Mail-Adresse zum Gegenstand haben; - 25. Oktober 2006 (1 BGs 151/2006); - 5. Januar 2007 (1 BGs 3/2007); - 15. Februar 2007 (1 BGs 41/2007); - 2. März 2007 (1 BGs 67/2007); - 7. März 2007 (1 BGs 74/2007) und 5. Juni 2007 (1 BGs 261/2007), soweit sie die Überwachung der Telefonanschlüsse Nr. , (ISDN-Folgenummern , ) und zum Gegenstand haben;
b) Observationsmaßnahmen (zum Teil unter Einsatz technischer Mittel): - Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2007 (1 BGs 21/2007), 11. April 2007 (1 BGs 123/2007) und 17. Juli 2007 (1 BGs 335/2007), soweit sich diese gegen den Beschwerdeführer richteten; - Verfügungen des Generalbundesanwalts vom 24. November 2006, 22. Januar 2007, 19. April 2007 und 18. Juli 2007, soweit sich diese gegen den Beschwerdeführer richteten.
2. Es wird festgestellt, dass die genannten Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs und Verfügungen des Generalbundesanwalts in dem vorbezeichneten Umfang rechtswidrig waren.
3. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/4, die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird um 3/4 reduziert; die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen fallen zu 3/4 der Staatskasse zur Last; im Übrigen trägt der Beschwerdeführer seine Auslagen selbst.

Gründe:

I.


1
Der Generalbundesanwalt führte gegen den Beschwerdeführer sowie die Mitbeschuldigten Dr. B. , Dr. H. und M. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der als terroristische Vereinigung bewerteten linksextremistischen Organisation "militante gruppe (mg)", die sich zu zahlreichen Brandanschlägen seit dem Jahr 2001 bekannt hatte. In der Zeit vom 9. Oktober 2006 bis zum 24. September 2007 wurden gegen den Beschwerdeführer und die früheren Mitbeschuldigten zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt; von den gegen die früheren Mitbeschuldigten gerichteten Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung war der Beschwerdeführer teilweise mittelbar betroffen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die dem Schreiben des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2008 beigefügte Aufstellung Bezug genommen. Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 28. November 2007 (StB 43/07, BGHSt 52, 98) ausgeführt hatte, eine Strafbarkeit der Mitglieder der "militante gruppe" nach § 129a StGB komme nach der Umgestaltung der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) nicht in Betracht, änderte der Generalbundesanwalt mit Verfügung vom 29. November 2007 (SA Band 1 Ordner 1, Bl. 99) das Verfahrensrubrum dahin, dass gegen die früheren Beschuldigten und unbekannt wegen Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gemäß § 129 StGB u. a. ermittelt werde.
2
Mit Verfügungen vom 23. Juni 2009 (Band 2 Ordner 3, Bl. 186) stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer und die damaligen Mitbeschuldigten Dr. B. und M. nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein; die Einstellung des gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. gerichteten Ermittlungsverfahrens verfügte er am 5. Juli 2010 (Band 2 Ordner 5, Bl. 514). Zur Begründung der Einstellungen führte er näher aus, dass die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen den Anfangsverdacht gegen die früheren Beschuldigten nicht erhärtet hätten; sie hätten keine belastbaren Hinweise dafür erbracht, dass diese an konkreten Straftaten oder der Abfassung bestimmter Texte der Vereinigung unmittelbar beteiligt gewesen seien.
3
Der Generalbundesanwalt hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 über die gegen ihn angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unterrichtet und auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes hingewiesen. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Januar 2009 hat der Beschwerdeführer beantragt, die Rechtswidrigkeit der ihm mitgeteilten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs festzustellen.
4
Das Kammergericht Berlin hat diesen Antrag mit Beschluss vom 13. November 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Ermittlungsrichter habe auf Grundlage des damaligen Ermittlungs- und Erkenntnisstandes bei der zeitlich ersten Anordnung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen seinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Vorliegens eines gegen den Beschwerdeführer bestehenden Anfangsverdachts nicht überschritten. Ausgangspunkt sei dabei der Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006, der sich insbesondere mit einem von dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. im Jahr 1998 veröffent- lichten Artikel " " befasse. Bei einem Vergleich dieses Artikels mit Texten der "militante gruppe" fielen sprachliche Übereinstimmungen - die für sich allerdings nur ein schwaches Indiz für eine Verbindung zu der Vereinigung begründeten - und deutliche inhaltliche Parallelen bei der Ausrichtung auf spezifische militärische Themen auf. Zudem habe der frühere Mitbeschuldigte Dr. B. auch das vom Bundeskriminalamt entwickelte Profil eines potentiellen Mitglieds der "militante gruppe" erfüllt. Diese Umstände begründeten einen Anfangsverdacht gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. B. jedenfalls im Hinblick auf dessen Unterstützung der "militante gruppe". Insbesondere aufgrund der im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 dargelegten engen persönlichen und politischen Beziehungen des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. zu dem Beschwerdeführer sowie den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. und M. ließen die weiteren im Auswertungsbericht zusammengetragenen Umstände auch den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer die "militante gruppe" unterstützt habe und möglicherweise Mitglied der Vereinigung gewesen sei. Die weiteren Verdachtsmomente hat das Kammergericht Berlin darin gesehen, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. in der "nolympia"-Bewegung aktiv gewesen sei, von ihm konspirativ gehaltene Telefongespräche mit den mutmaßlichen Mitbegründern der "militante gruppe" F. und Ha. bekannt seien und er im Juni 2005 in der Zeitschrift "j. " über einen im Jahr 1972 fehlgegangenen Anschlag der terroristischen Vereinigung "RZ" berichtet habe, wobei dieser Anschlag auch in einem Text der "militante gruppe" vom Frühjahr 2005 thematisiert worden sei.
5
Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 23. November 2015 zugestellten Beschluss des Kammergerichts richtet sich die am 30. November 2015 eingelegte sofortige Beschwerde. Diese macht geltend, es habe zu keinem Zeitpunkt während des Ermittlungsverfahrens ein Tatverdacht bestanden, der über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgereicht habe.

II.


6
Das gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg. Soweit sich die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unmittelbar gegen den Beschwerdeführer richteten , waren sie rechtswidrig, weil zum Zeitpunkt ihrer Anordnung ein ausreichender Tatverdacht gegen diesen nicht bestand. Mangels eines tragfähigen gegen den Mitbeschuldigten Dr. B. gerichteten Tatverdachts gilt dies entsprechend , soweit der Beschwerdeführer von der gegen diesen gerichteten Überwachung der Telekommunikation mittelbar betroffen war. Hingegen sind die Maßnahmen - auch wegen der Art und Weise ihres Vollzugs - nicht zu beanstanden , soweit die Anordnungen gegen die früheren Mitbeschuldigten M. und - insoweit allerdings erst seit dem 7. März 2007 - Dr. H. ergangen waren. Im Einzelnen:
7
1. Die Anordnung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gegen den Beschwerdeführer war rechtswidrig. Es bedarf daher keiner weiteren Entscheidung , ob auch die Art und Weise des Vollzugs rechtswidrig war (BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - StB 16/09, NStZ 2010, 711).
8
a) Hinsichtlich der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO aF) gilt:
9
Die Maßnahmen setzten nach § 100a StPO in der damals geltenden Fassung - soweit hier von Relevanz - voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine Straftat nach §§ 129, 129a StGB oder eine sonstige Katalogtat begangen. Die Norm verlangt danach - insoweit in Übereinstimmung mit der heute geltenden Fassung - keinen bestimmten Verdachtsgrad; der Tatverdacht muss daher insbesondere weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch gar dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO sein. Vielmehr erfordert § 100a StPO nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen; der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen und mehr als nur unerheblich sein. Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung, in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat. Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand (vgl. zu alledem BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - StB 16/09, NStZ 2010, 711 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

10
aa) Bei der ersten Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten durch den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2006 (1 BGs 134/2006) lag ein nach dem dargelegten Maßstab ausreichender Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer nicht vor.
11
(1) Der damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar:
12
Am 14., 20. und 21. Juni 2001 gingen bei dem Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und den Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft" drei gleichlautende Schreiben mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich …" ein, denen jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Die einseitige Erklärung war unterzeichnet mit "militante gruppe (mg), 12.6.01". Am 22. Juni 2001 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Kraftfahrzeug der DaimlerBenz -Niederlassung in Berlin-Marienfelde. In anschließend bei verschiedenen Presseorganen eingegangenen Schreiben bekannten sich Mitglieder der "militante gruppe" zu der Tat und begründeten sie mit der Rolle des DaimlerChrysler -Konzerns bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Daneben bezogen sich die Verfasser auf die dargelegten Drohschreiben.
13
Es folgten zahlreiche Brandanschläge, mit denen die "militante gruppe" ein politisches und gesellschaftliches Klima schaffen wollte, das zur Abschaffung der gegenwärtigen Verhältnisse und der Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung führen sollte. Die Gruppierung verübte ihre Anschläge überwie- gend im Großraum Berlin. Diese betrafen aus Sicht der Vereinigung die Themenkreise "Sozialproblematik", "Antiimperialismus" und "Repression". Anschlagsziele waren zumeist Gebäude oder Kraftfahrzeuge von Arbeits-, Sozial-, Ordnungs- und Finanzämtern, von Polizei-, Bundeswehr- oder Justizeinrichtungen sowie von Wirtschaftsunternehmen und -verbänden. Die "militanten Aktionen" ereigneten sich in der Regel zwischen 0:00 Uhr und 3:00 Uhr nachts. Zu allen ihren Anschlägen bekannte sich die "militante gruppe" in Selbstbezichtigungsschreiben und begründete diese eingehend. Die Bekennerschreiben wurden in der linksextremistischen Szenezeitschrift "I. " veröffentlicht und in der Regel auch an verschiedene Tageszeitungen versandt; teilweise wurden sie am Tatort hinterlassen. Auch in weiteren Texten, die unter anderem in dem Szeneblatt "r. " veröffentlich wurden, äußerte sich die "militante gruppe".
14
Im August 2006 verfasste das Bundeskriminalamt einen Bericht über die mögliche Einbindung des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. in die "militante gruppe". Ausgangspunkt des Auswertungsberichtes vom 14. August 2006 war der von Dr. B. verfasste und im Jahr 1998 veröffentlichte Artikel " ". Das Bundeskriminalamt kam zum Ergebnis, dass der Text in auffallender Häufigkeit Schlagwörter und Phrasen verwende, die auch in den Schriften der "militante gruppe" zu finden seien. Auffällig sei zudem die kritiklose und glorifizierende Übernahme militärischer Argumentationsmuster, was stark an deren Texte erinnere. Nach Auffassung des Bundeskriminalamtes gab es in der linken Szene nur wenige Autoren, die in dieser Art und Weise solch spezielle Themen behandelten und argumentativ ausstatteten. Zudem hatte das Bundeskriminalamt aus den Texten der "militante gruppe" ein Personenraster entwickelt, dessen Voraussetzungen der frühere Mitbeschuldigte Dr. B. vollständig erfüllte. Hiervon ausgehend hatte das Bundeskriminalamt Ermittlungen im Umfeld des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. angestellt; als bedeutsam sah es die personelle Verflechtung zwischen Dr. B. , dem Beschwerdeführer, den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. und M. sowie Herrn W. an.
15
So hatten die früheren Mitbeschuldigten Dr. B. und Dr. H. im Jahr 2004 einen Artikel über die "Gentrification" in Ostdeutschland veröffentlicht. Dr. H. hatte zudem nach dem Bundeskriminalamt vorliegenden, im Auswertungsbericht vom 14. August 2006 indes nicht näher erörterten Erkenntnissen unter anderem Kontakt zu zahlreichen Führungspersonen in der linksextremistischen Szene und beteiligte sich an den Vorbereitungen zu den Protesten gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Ermittlungsergebnisse aus einem gegen M. gesondert geführten Ermittlungsverfahren belegten, dass Dr. H. auch mit diesem in Verbindung stand. Ebenso bestand eine anhand eines Zeitungsartikels nachzuvollziehende Bekanntschaft zu dem Beschwerdeführer. Dieser hatte seinerseits zudem im Juni 2005 in der Zeitschrift "j. " den Artikel " " veröffentlicht, in dem er über den kurze Zeit zuvor in Berlin stattgefundenen Kongress "In Bewegung bleiben" und in diesem Zusammenhang über ein im Jahre 1972 fehlgegangenes Attentat berichtet hatte; dieser Anschlag war bereits in einem Ende Februar 2005 veröffentlichten Text der "militante gruppe" thematisiert worden. Dem Bundeskriminalamt war weiter bekannt, dass gegen den Beschwerdeführer und den früheren Mitbeschuldigten Dr. B. schon im Juli 1992 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, weil diese Plakate mit der Aufschrift "nolympia" an Litfaßsäulen geklebt hatten. Aus dem seit dem Jahre 2001 gegen F. und Ha. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der "militante gruppe" geführten Ermittlungsverfahren waren ferner Telefonate des Beschwerdeführers mit diesen Personen bekannt, deren Gegenstand gemeinsame Treffen waren. Auch gegen den früheren Mitbeschuldigten M. war be- reits im Jahre 2005 ein gesondertes Ermittlungsverfahren geführt worden. Im Rahmen einer Durchsuchung seiner Gartenlaube hatten Ermittlungsbeamte am 3. März 2005 ca. 600 versandfertige Exemplare der "r. " Nr. 157 und daneben eine Vielzahl elektronischer Bauteile aufgefunden, mit denen Zündvorrichtungen für Brandsätze hergestellt werden konnten. Am 7. März 2005 wurde die Wohnung von M. durchsucht. Hierbei stellten die Ermittlungsbeamten einen PC sicher, welcher in früheren Jahren offensichtlich bei der P. F. der H. Universität im Einsatz gewesen war und unter anderem frühere Dateien von Dr. H. enthielt. Auf dem Rechner gespeichert war zudem ein E-Mail-Verkehr von M. mit dessen früherer Freundin. Aus diesem ergab sich, dass er in Bereichen agierte, von denen er seiner Freundin trotz laufender Beziehung keine Einzelheiten mitteilen wollte ("ominöse Freunde", "klandestine Bereiche"; vgl. Sachstandsbericht vom 16. April 2007, Bd. 2, Ordner 6, Bl. 101, 121 f.). Schließlich fanden sich Disketten, deren Inhalt darauf schließen ließ, dass er bei der "r. " mitwirkte, und ein Text, der seinem Inhalt nach mit hoher Wahrscheinlichkeit der "mg" zuzurechnen war (Sachstandsbericht vom 16. April 2007, Bd. 2.4, Ordner 6, Bl. 101, 127).
16
Weitere Ermittlungen ergaben im Februar 2007, dass der frühere Mitbeschuldigte Dr. H. vermehrt von einem Internet-Café aus mit dem gesondert verfolgten - und später wegen Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" rechtskräftig verurteilten - L. kommunizierte. Hierbei nutzten beide den E-Mail-Account " ", der auf Falschpersonalien angemeldet war. Die Kommunikation geschah ausschließlich dergestalt , dass die inhaltlich verschlüsselten Nachrichten als E-Mail-Entwürfe abgespeichert wurden, die der Empfänger las, nachdem er sich in den Account eingeloggt hatte, und auf die dieser seinerseits mit im Entwurfsordner abgespeicherten E-Mail-Entwürfen antwortete.

17
(2) Bei der zum Zeitpunkt des Beschlusses am 9. Oktober 2006 bestehenden Beweislage hätten die Überwachungsmaßnahmen auch unter Berücksichtigung des den anordnenden Stellen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht gestattet werden dürfen. Die den Ermittlungsakten zu entnehmenden Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes begründeten nicht den für eine Maßnahme nach § 100a StPO erforderlichen Verdacht, dass sich der Beschwerdeführer wegen einer Tat nach den §§ 129 ff. StGB oder einer sonstigen Katalogtat strafbar gemacht hatte. Zwar war genügend wahrscheinlich, dass es sich bei der "militante gruppe" um eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelte. Jedoch boten die Ermittlungsergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sich an ihr als Mitglied beteiligt, sie unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer geworben hätte, mithin eine nach den § 129 StGB strafbare Handlung begangen haben könnte.
18
(a) Es bestanden keine Verdachtsmomente, die losgelöst von den Verbindungen des Beschwerdeführers zu den früheren Mitbeschuldigten Dr. B. , Dr. H. und M. auf eine Verbindung zur "militante gruppe" hindeuteten. Dass gegen den Beschwerdeführer im Jahr 1992 wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, weil dieser Plakate der "nolympia"-Bewegung an Litfaßsäulen geklebt hatte, ließ nicht einmal Spekulationen hinsichtlich seiner Bereitschaft zum "militanten" Widerstand zu. Dies gilt umso mehr, als sich der Akte keinerlei Einzelheiten zu dem damaligen Ermittlungsverfahren und dessen Ausgang entnehmen lassen.
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Auch die Erkenntnisse zu den in den Jahren 2001 bis 2003 zwischen dem Beschwerdeführer und den früheren Beschuldigten F. und Ha. geführten Telefonaten waren nicht geeignet, auf dessen Mitgliedschaft in der "militante gruppe" oder eine sonstige nach § 129 StGB strafbare Handlung zu schließen. Der Senat hat bereits mit Beschlüssen vom 11. März 2010 (StB 15/09; StB 16/09 = NStZ 2010, 711) mangels seinerzeit bestehenden Anfangsverdachts die Rechtswidrigkeit der gegen die früheren Beschuldigten F. und Ha. gerichteten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen festgestellt. Der bei Erlass des Beschlusses des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2006 bestehende Ermittlungsstand gibt keinen Anlass , die Verdachtslage bezogen auf diesen Zeitpunkt anders zu beurteilen.
20
Eine Verbindung zwischen dem Beschwerdeführer und der "militante gruppe" ergab sich schließlich auch nicht aus dem vom Beschwerdeführer am 7. Juni 2005 veröffentlichten Artikel " ". Soweit der Beschwerdeführer dort über einen Anschlag aus dem Jahr 1972 berichtet hatte, geschah dies ausschließlich vor dem Hintergrund, dass das Attentat auf dem Berliner Kongress, den der Text zum eigentlichen Gegenstand hatte, thematisiert worden war. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer auf die dort diskutierten Inhalte Einfluss gehabt hatte. Dass die "militante gruppe" einige Monate zuvor den Anschlag ebenfalls in einem Text erwähnt hatte, lässt vor diesem Hintergrund keine Rückschlüsse auf das Verhältnis von dem Beschwerdeführer zur "militante gruppe" zu.
21
(b) Die Bekanntschaft des Beschwerdeführers zu dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. ist nicht geeignet, die Annahme zu stützen, der Beschwerdeführer sei Mitglied der "militante gruppe" gewesen oder habe diese zumindest unterstützt. Denn ein gegen Dr. B. gerichteter Anfangsverdacht ist ebenfalls nicht durch Tatsachen belegt.
22
Der Senat vermag nicht der Einschätzung zu folgen, die Analyse des Artikels " " anhand zahlreicher der Vereinigung zuzuordnender Texte sei - wenn auch nur in Zusammenschau mit weiteren Beweismitteln - geeignet, eine strafrechtlich relevante Verbindung zwischen Dr. B. und der "militante gruppe" zu belegen. Die im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 dargestellten sprachlichen Übereinstimmungen beziehen sich zum Teil auf allgemeingebräuchliche Begriffe (etwa "drakonisch", "Bezugsrahmen", "politische Praxis") und sind insoweit ohne jegliche Aussagekraft. Daneben handelt es sich zu einem erheblichen Teil um sozial- und politikwissenschaftliches Fachvokabular (etwa "Diffusität", "Reproduktion", "marxistisch-leninistisch"). Auch beschränkt auf das Gebiet Berlin und den Kreis politisch linkseingestellter Personen ergab sich ein derart großer in Betracht kommender Personenkreis, dem die durch das Bundeskriminalamt herauskristallisierten Begriffe bekannt gewesen sein dürfte, dass ein Bezug der "militante gruppe" zu Dr. B. höchst spekulativ war. Dies gilt auch hinsichtlich des Begriffs der "Propaganda der Tat", der ein anarchistisches Konzept des Widerstands beschreibt und dessen Kenntnis in der linksextremen Szene schon deshalb nicht ungewöhnlich erscheint. Vor dem Hintergrund, dass der Artikel von Dr. B. zeitlich vor den Texten der "militante gruppe" veröffentlicht wurde und sich diese Schreiben ebenso an seinen Artikel bewusst angelehnt haben könnten, folgt aus den vom Bundeskriminalamt herangezogenen Übereinstimmungen allenfalls ein schwaches Indiz. Die Annahme, dem Artikel von Dr. B. sei ein ungewöhnlich militärischer Sprachstil zu eigen, ist nicht nachvollziehbar. Daher sieht der Senat insgesamt keinen Anlass, für die vorliegende Textanalyse von seinen in der Vergangenheit wiederholt geäußerten Bedenken gegen den Beweiswert entsprechender Textvergleiche abzurücken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, juris Rn. 33; vom 11. März 2010 - StB 16/09 = NStZ 2010, 711, 712). Dabei sieht er sich auch durch das Behördengutachten des Bundeskriminalamtes vom 26. April 2007 (Band 6 Ordner 19, Bl. 18 ff.) bestätigt, welches auf der Grundlage einer linguistischen Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt ist, zwischen dem Artikel des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. und dem Vergleichstext der "militante gruppe" ließen sich zwar keine unvereinbaren Befunde entnehmen, ebenso wenig aber auch aussagekräftige Übereinstimmungen und damit insgesamt keine Autorenidentität feststellen; der Senat verkennt dabei nicht, dass sich die Untersuchung insoweit auf die Auswertung eines einzigen Textes der "militante gruppe" beschränkte.
23
Dass Dr. B. vollständig unter das Personenraster eines Mitglieds der "militante gruppe" fiel, welches das Bundeskriminalamt unter Auswertung der der Vereinigung zuzurechnenden Texte erstellt hatte, war ebenfalls ohne tragfähige Aussagekraft für den Tatverdacht. Die im Auswertungsbericht aufgezeigten Kriterien sind zu einem Großteil allgemein gehalten (etwa "Zugriffsmöglichkeiten auf umfangreiche politische/kommunistische und historische Literatur /Archive", "Zugriffsmöglichkeit auf umfangreiche Tagespresse", "Möglichkeit, verdeckt ohne großen Aufwand an diesen Texten zu arbeiten", "ohne/bzw. nahezu keine polizeilichen Erkenntnisse aus den letzten zehn Jahren", "starke Berlin-Fixierung") und auf einen nicht unerheblichen Teil Berliner Bürger anwendbar. Die im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 vorgenommene Negativabgrenzung, wonach es sich bei Dr. B. dem ermittelten Personenprofil entsprechend in Abgrenzung zu anderen linksextremen Gruppen weder um einen "klassischen Autonomen" noch um einen "klassischen Antiimp" handele, ist zudem nicht durch Tatsachen ausgefüllt.
24
Schließlich bot aus den bereits oben zum Beschwerdeführer unter Punkt (a) dargestellten Gründen auch der Umstand, dass gegen Dr. B. im Jahr 1992 ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung geführt worden war, kein aussagekräftiges Indiz für die Annahme, dass dieser Mitglied der "militante gruppe" war oder sich in anderer Weise gemäß § 129 StGB strafbar gemacht hatte.
25
(c) Auch gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. war zunächst kein tatsachengestützter Verdacht dahin begründbar, dass dieser sich in der "militante gruppe" mitgliedschaftlich beteiligte, diese unterstützte, für diese um Mitglieder oder Unterstützer warb oder eine sonstige Katalogtat des § 100a StPO aF verwirklicht hatte. Die im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 zusammengetragenen Erkenntnisse beschränkten sich darauf, dass Dr. H. in die linke Szene eingebunden war, er in der Vergangenheit mit Dr. B. gemeinsam einen Text zum Thema "Gentrification" veröffentlicht hatte und Kontakt zu dem Beschwerdeführer sowie dem früheren Mitbeschuldigten M. besaß. Dass die Bekanntschaft zu dem Beschwerdeführer und dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. dabei nicht geeignet war, eine tragfähige Verbindung zu der "militante gruppe" herzustellen, folgt aus den vorstehenden Ausführungen. Soweit Erkenntnisse bestanden, dass der frühere Mitbeschuldigte Dr. H. "persönlichen Kontakt zu zahlreichen Führungspersonen in der linksextremistischen Szene" hatte und sich an den Vorbereitungen zu den Protesten gegen den im Jahr 2007 geplanten G8-Gipfel beteiligte, ließ sich hieraus ein strafbares Verhalten weder allgemein noch - auch vor dem Hintergrund , dass sich die "militante gruppe" zur Begründung ihrer Anschläge zeitweise verstärkt auf den Weltwirtschaftsgipfel bezog (vgl. Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 7. September 2006, Band 1 Ordner 1, Bl. 57, 59) - in Bezug auf die Tätigkeiten der "militante gruppe" ableiten. Schließlich folgte entgegen der in der Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts dargelegten Auffassung auch kein belastbares Verdachtsmoment aus der Bekanntschaft von Dr. H. zu den dort als Gründungsmitgliedern der "militante gruppe" eingestuften Ha. , F. und U. (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. März 2010 - StB 15/09, StB 16/09 = NStZ 2010, 711; StB 17/09). Bei dieser Ausgangslage waren allein die Erkenntnisse über die Bekanntschaft des früheren Mitbeschuldigten Dr. H. zu dem früheren Mitbeschuldigten M. - ungeachtet des gegen diesen bestehenden Anfangsverdachts (s.u.) - nicht geeignet, einen Tatverdacht auch gegen Dr. H. zu begründen.
26
Allerdings änderte sich die Verdachtslage, nachdem die weiteren Ermittlungen belegbare Hinweise hinsichtlich der konspirativen Kommunikation mit dem inzwischen rechtskräftig verurteilten L. über den E-Mail-Account " " erbracht hatten (vgl. etwa Vermerk des BKA vom 23. Februar 2007, Band 8 Ordner 22, Bl. 259 ff.; Sachstandsbericht vom 20. September 2007, Band 2 Ordner 5, Bl. 238, 260 ff.). Der Senat kann offenlassen , ob das Verhalten von Dr. H. zu diesem Zeitpunkt bereits ausreichend auf eine Mitgliedschaft in der "militante gruppe" hindeutete. Im Hinblick auf die - gegenüber den in § 112 Abs. 1, § 203 StPO vorausgesetzten Verdachtsstufen - geringeren Anforderungen an den Anfangsverdacht trug das Verhalten von Dr. H. jedenfalls die Annahme, dass er durch eine mögliche Mitarbeit an der Zeitschrift "r. " und deren Veröffentlichungen von Texten der "militante gruppe" diese Vereinigung im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB unterstützt haben könnte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - StB 34/07, StV 2008, 84) und insoweit die Voraussetzungen der Katalogtat des § 100a Satz 1 Nr. 1 Buchst. c StPO aF erfüllt waren. Der Schluss auf eine mögliche Mitarbeit bei der Zeitschrift "r. " wurde dabei durch die Erkenntnisse zur Verbindung zwischen dem früheren Mitbeschuldigten Dr. H. und dem früheren Mitbeschuldigten M. getragen (zu dem gegen diesen bestehenden Tatverdacht s.u.; zu den Treffen zwischen M. und Dr. H. in dem hier relevanten Zeitraum vgl. etwa TKÜ-Auswertebericht vom 3. Januar 2007, Band 8 Ordner 21, Bl. 103, 109; Sachstandsbericht vom 20. September 2007, Band 2 Ordner 5, Bl. 238, 258 ff.).
27
(d) Der frühere Mitbeschuldigte M. war auf Grundlage des im Sommer 2006 bestehenden Erkenntnisstands der Ermittlungsbehörden verdächtig, die "militante gruppe" bei der Verfolgung ihrer Ziele im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB zumindest unterstützt zu haben. Entgegen der in der Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 7. September 2006 niedergelegten Auffassung waren die Kontakte von M. zu dem dort als Mitglied der "militante gruppe" eingestuften Be. zwar ohne Beweiskraft. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 11. März 2010 (StB 45/09) die Rechtswidrigkeit der gegen Be. ergriffenen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen festgestellt; die aus dem hiesigen Verfahren zusammengetragenen Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Indes begründeten die weiteren in der Einleitungsverfügung vom 7. September 2006 dargestellten Gründe, namentlich die Ergebnisse, welche die in einem gesonderten Verfahren durchgeführten Durchsuchungen am 3. und 7. März 2005 erbracht hatten (vgl. hierzu Sachstandsbericht vom 16. April 2007, Band 2 Ordner 6, Bl. 101, 121 f., 125 ff.), den Verdacht, dass der frühere Mitbeschuldigte M. die "militante gruppe" jedenfalls durch Veröffentlichung von deren Texten in der Zeitschrift "r. " unterstützt hatte.
28
(e) Auch in einer Gesamtschau vermögen die dargestellten Umstände einen konkreten Tatverdacht der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in der "militante gruppe" oder deren Unterstützung gegen diesen nicht zu begründen. Entsprechendes gilt für die früheren Mitbeschuldigten Dr. B. und - bezogen auf den Zeitpunkt der ersten richterlichen Anordnung der Telekommunikationsüberwachung - Dr. H. . Deren Bekanntschaft zu dem früheren Mitbeschuldigten M. rechtfertigt keine andere Beurteilung, da besondere Auffälligkeiten insoweit nicht bestanden. Soweit in dem Auswertungsbericht des Bundeskriminalamts vom 14. August 2006 auch W. dem "Personengeflecht" um die früheren Mitbeschuldigten zugeordnet wurde, sind schon im Hinblick darauf, dass der Generalbundesanwalt gegen diesen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, weitere Ausführungen nicht veranlasst.
29
bb) Die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie etwa in den Sachstandsberichten des Bundeskriminalamts niedergelegt sind, sind mit Blick auf eine mögliche Begehung von Straftaten nicht von derart erheblichem Belang, dass sie einen ausreichenden Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer begründen könnten; deshalb sind auch alle späteren Anordnungen der Telekommunikationsüberwachung rechtswidrig, soweit sie sich gegen den Beschwerdeführer (Beschlüsse vom 5. Januar 2007, vom 15. Februar 2007, vom 7. März 2007 sowie vom 5. Juni 2007) bzw. auf den ihm zugeordneten Anschluss bezogen (Beschluss vom 2. März 2007). Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
30
(1) Die hinsichtlich des früheren Mitbeschuldigten Dr. H. ab Februar 2007 gewonnenen Erkenntnisse vermögen auch in einer Gesamtschau mit den oben dargestellten Umständen keine ausreichende Verdachtslage gegen den Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt begründen. Allein der Umstand, dass sich beide kannten, besagte nichts über die Einbindung des Beschwerdeführers in die "militante gruppe" oder deren Unterstützung durch ihn. Insbesondere hat- ten die Ermittlungen insoweit keine sonstigen Auffälligkeiten erbracht, die eine andere Beurteilung stützten. Dies gilt auch trotz des Umstandes, dass im November 2006 ein Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. H. beobachtet worden war, bei dem beide mutmaßlich in dem Bestreben, ein Abhören des Gesprächs über ihre Mobiltelefone zu unterbinden, diese ausgeschaltet hatten (vgl. etwa TKÜ-Auswertungsbericht des Bundeskriminalamts vom 3. Januar 2007, Band 8 Ordner 21, Bl. 135, 144).
31
(2) Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob die aufgrund der Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers vom 31. Juli 2007 gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere hinsichtlich seiner Einbindung in die sogenannte "Dienstagsgruppe" (vgl. Vermerk des Bundeskriminalamts vom 19. Juni 2008, Band 5 Ordner 18.15 (II), Bl. 551.23 ff., sowie die Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 23. Juni 2009, Band 2 Ordner 3, Bl. 186, 192), die Anordnung nach § 100a StPO und die Annahme der Mitgliedschaft in der "militante Gruppe" hätten stützen können. Diese Erkenntnisse lagen den Ermittlungsbehörden erst nach Erlass der hier angegriffenen Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vor; den in der rechtswidrigen Anordnung liegenden Eingriff konnten sie nicht nachträglich rechtfertigen.
32
b) Die obigen Ausführungen gelten für die Anordnungen der längerfristigen Observation (§ 163f StPO) des Beschwerdeführers und dessen Überwachung mittels technischer Mittel (§ 100f StPO aF) entsprechend. Auch insoweit fehlte es an einem die Maßnahmen rechtfertigenden Verdacht; denn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass er eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte, lagen nicht vor.
33
2. Soweit der Beschwerdeführer von der gegen die früheren Mitbeschuldigten Dr. B. , Dr. H. und M. gerichteten Überwachung der Telekommunikation mittelbar betroffen war, gilt auf Grundlage der Ausführungen unter 1. a) aa):
34
a) Die gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. B. angeordneten Maßnahmen erweisen sich mangels eines gegen diesen tatsachengestützten Anfangsverdachts als rechtswidrig. Ebenso wie hinsichtlich des Beschwerdeführers trat in der gegen Dr. B. bestehenden Verdachtslage keine Änderung dadurch ein, dass sich im Zuge der Ermittlungen - gemessen an dem von § 100a Abs. 1 StPO vorausgesetzten Anfangsverdacht - ausreichende Hinweise auf ein gemäß § 129 Abs. 1 StGB strafbares Verhalten des früheren Mitbeschuldigten Dr. H. ergeben hatten. Das hat auf den Antrag des von diesen Maßnahmen nur mittelbar betroffenen Beschwerdeführers die Feststellung von deren Rechtswidrigkeit zur Folge (§ 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 Satz 2 StPO).
35
b) Soweit sich die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs auf die Überwachung der Telekommunikation des früheren Mitbeschuldigten M. bezogen, erweisen sie sich als rechtmäßig. Da bereits der konkrete Verdacht des Unterstützens der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" (§ 129 Abs. 1 StGB) die Telekommunikationsüberwachung rechtfertigte (§ 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d StPO), kann der Senat offen lassen, ob ein Anfangsverdacht auch im Hinblick auf eine Mitgliedschaft in der Vereinigung begründet war.
36
Dies gilt auch für die ab dem 7. März 2007 gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. ergangenen Anordnungen. Die vor diesem Zeitpunkt liegenden Beschlüsse waren hingegen mangels ausreichenden Tatverdachts rechtswidrig. Dass sich dieser im Februar 2007 ergeben hatte, lässt die Rechtswidrigkeit der zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Überwachungen der Telekommunikation unberührt, weil diese nach wie vor ihre Grundlage in der rechtswidrigen Anordnung vom 5. Januar 2007 hatten.
37
c) Soweit der Beschwerdeführer mittelbar von den rechtmäßig gegen die früheren Beschuldigten M. und Dr. H. angeordneten Telekommunikationsmaßnahmen betroffen war, ist auch die Art und Weise ihres Vollzugs nicht zu beanstanden. Die auf den Antrag des Beschwerdeführers nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO veranlasste Überprüfung der Maßnahmen hat kein fehlerhaftes Verhalten der Ermittlungsbehörden erbracht. Auch der Beschwerdeführer hat insoweit - insbesondere auch im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Löschungspflicht nach § 100a Abs. 4 Satz 3 StPO - keine Tatsachen vorgebracht.
38
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4, § 473a Satz 2 StPO. Angesichts des nicht vollständigen Erfolgs des Rechtsmittels ist die Kostenverteilung angemessen (vgl. hierzu BR-Drucks. 178/09, S. 65; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 473a Rn. 2).
Becker Gericke Tiemann

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Strafgesetzbuch - StGB | § 129 Bildung krimineller Vereinigungen


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Hat das Gericht auf Antrag des Betroffenen in einer gesonderten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme oder ihres Vollzuges zu befinden, bestimmt es zugleich, von wem die Kosten und die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2010 - StB 16/09

bei uns veröffentlicht am 11.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS _____________ StB 16/09 vom 11. März 2010 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Verdachts des Gründens einer kriminellen Vereinigung u. a. hier: Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ermittlungsmaßnahmen D
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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2017 - StB 26/14

bei uns veröffentlicht am 26.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 26 und 28/14 vom 26. Januar 2017 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja ___________________________________ BKAG § 20v Abs. 2 Satz 2, § 20w Abs. 2 Satz 2; StPO § 101 Abs. 7 Satz 2; EGGVG § 23 Abs

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2017 - StB 28/14

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 26 und 28/14 vom 26. Januar 2017 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja ___________________________________ BKAG § 20v Abs. 2 Satz 2, § 20w Abs. 2 Satz 2; StPO § 101 Abs. 7 Satz 2; EGGVG § 23 Abs

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2017 - StB 26 und 28/14, StB 26/14, StB 28/14

bei uns veröffentlicht am 26.01.2017

Tenor 1. Die Beschwerden der Verurteilten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. November 2014 werden verworfen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Okt. 2016 - 2 AZR 395/15

bei uns veröffentlicht am 20.10.2016

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2015 - 4 Sa 1198/14 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
StB 16/09
vom
11. März 2010
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts des Gründens einer kriminellen Vereinigung u. a.
hier: Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ermittlungsmaßnahmen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2010 gemäß § 101
Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. April 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die durch die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001), 30. Juli 2001 (1 BGs 139/2001), 28. August 2001 (1 BGs 200/2001), 12. Oktober 2001 (1 BGs 278/2001), 22. Oktober 2001 (1 BGs 281/2001), 27. November 2001 (1 BGs 351/2001), 9. Januar 2002 (1 BGs 11/2002), 18. Januar 2002 (1 BGs 35/2002), 25. Februar 2002 (1 BGs 80/2002), 1. März 2002 (1 BGs 85/2002), 18. April 2002 (1 BGs 110/2002), 3. Juni 2002 (1 BGs 130/2002), 17. Juli 2002 (1 BGs 147/2002), 27. September 2002 (1 BGs 177/2002), 18. Oktober 2002 (1 BGs 185/2002), 2. Dezember 2002 (1 BGs 205/2002), 21. Januar 2003 (1 BGs 43/2003), 27. Februar 2003 (1 BGs 90/2003), 25. März 2003 (1 BGs 114/2003), 16. April 2003 (1 BGs 140/2003), 18. Juli 2003 (1 BGs 216/2003), 20. Oktober 2003 (1 BGs 384/2003), 8. April 2004 (1 BGs 94/2004), 7. Juli 2004 (1 BGs 146/2004), 6. Oktober 2004 (1 BGs 155/2004), 29. November 2004 (1 BGs 172/2004) und 6. Juli 2006 (1 BGs 91/2006) angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie die durch Verfügungen des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002, 15., 22. und 31. März 2004 und durch die Beschlüsse des Ermittlungs- richters des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2002 (1 BGs 148/2002), 22. August 2002 (1 BGs 163/2002), 1. April 2004 (1 BGs 87/2004), 23. April 2004 (1 BGs 102/2004), 27. Oktober 2004 (1 BGs 162/2004), 25. November 2004 (1 BGs 171/2004), 11. Februar 2005 (1 BGs 11/2005) und 9. März 2005 (1 BGs 26/2005) angeordneten Observationsmaßnahmen (zum Teil unter Einsatz technischer Mittel und nebst Herstellung von Lichtbildern) rechtswidrig waren. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

1
Der Generalbundesanwalt führte gegen den Beschwerdeführer, die weiteren früheren Beschuldigten U. sowie H. und gegen unbekannt seit dem 16. Juli 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, die terroristische Vereinigung "militante gruppe" gegründet zu haben (§ 129 a StGB). In der Zeit vom 24. Juli 2001 bis zum 6. Juli 2006 wurden gegen die früheren Beschuldigten zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung des Bundeskriminalamts vom 17. September 2008 (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 367 ff.) Bezug genommen. Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 28. November 2007 - StB 43/07 (BGHSt 52, 98) ausgeführt hatte, dass eine Strafbarkeit der Mitglieder der "militante gruppe" gemäß § 129 a StGB nach der Umgestaltung der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) nicht in Betracht komme, änderte der Generalbundesanwalt mit Verfügung vom 10. März 2008 das Verfahrensrubrum dahin, dass gegen die früheren Beschuldigten und unbekannt wegen Gründung der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gemäß § 129 StGB u. a. ermittelt werde.
2
Mit Verfügung vom 22. September 2008 stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen die früheren Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein; gegen unbekannt führt er es weiter. Zur Begründung der Einstellung führte er unter anderem aus, die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen hätten den Anfangsverdacht gegen die früheren Beschuldigten nicht erhärtet. Sie hätten keine belastbaren Hinweise dafür erbracht, dass diese an konkreten Straftaten oder der Abfassung bestimmter Texte der Vereinigung unmittelbar beteiligt gewesen seien. In einzelnen Fällen belegten die Ergebnisse der operativen Maßnahmen sogar positiv, dass die Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht teilgenommen haben konnten. Zudem legten die verdeckt erlangten Erkenntnisse in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Beteiligung einzelner Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich sei. Soweit die Ermittlungen Erkenntnisse zu politischen Auffassungen und Betätigungsformen der früheren Beschuldigten erbracht hätten, seien diese im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts nicht geeignet, eine strafbewehrte Verbindung der früheren Beschuldigten zur "militante gruppe" zu belegen.
3
Der Generalbundesanwalt hat den früheren Beschuldigten mit Schreiben vom 22. September 2008 über die gegen ihn angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unterrichtet und ihn mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes hingewiesen. Mit Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 2. und 22. Oktober 2008 sowie 13. März 2009 hat der frühere Beschuldigte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der ihm mitgeteilten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragt.
4
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat diesen Antrag mit Beschluss vom 6. April 2009 als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, gegen den früheren Beschuldigten habe im Zeitpunkt der Anordnung der jeweiligen Maßnahme sowie während ihrer Durchführung der Verdacht bestanden, Mitglied der (zumindest) kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gewesen zu sein. Für die erste zu überprüfende ermittlungsrichterliche Anordnung vom 24. Juli 2001 begründeten die dort in Bezug genommenen Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz (im Folgenden : BfV) einen die Maßnahme rechtfertigenden Anfangsverdacht. Dieser habe in der Folgezeit fortbestanden. Von Bedeutung hierfür sei etwa gewesen, dass der frühere Beschuldigte in zwei Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 Gewalt - auch gegen öffentliche Einrichtungen - gutgeheißen habe; der Inhalt einer SMS vom 15. Februar 2002 sei ebenfalls geeignet gewesen, den Tatverdacht weiter zu bestärken.
5
Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 7. April 2009 eingelegte sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten. Dieser macht insbesondere geltend, ein Tatverdacht habe zu keinem Zeitpunkt während des Ermittlungsverfahrens bestanden. Die Maßnahmen seien zudem unverhältnismäßig gewesen; auch seien Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht getroffen worden. Schließlich hätten sie keinen Erfolg versprochen, da die früheren Beschuldigten bereits Zielpersonen von Tele- kommunikationsüberwachungen des BfV gewesen seien, die offensichtlich keine Belege für ein strafbares Handeln erbracht hätten.

II.

6
Das gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO statthafte Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender Tatverdacht gegen den früheren Beschuldigten nicht bestand. Auf die weiteren, von dem früheren Beschuldigten aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es deshalb nicht an. Ebenso muss der Senat nicht entscheiden, ob die Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen rechtswidrig war; damit ist auch der Antrag des früheren Beschuldigten auf weitergehende Akteneinsicht gegenstandslos. Im Einzelnen :
7
1. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat den Antrag des früheren Beschuldigten zu Recht auch bezüglich des Beschlusses vom 25. März 2003 (1 BGs 114/2003) als zulässig gewertet. Der Generalbundesanwalt ist dem im Beschwerdeverfahren auch nicht - mehr - entgegen getreten.
8
2. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat ebenfalls zu Recht und mit zutreffender Begründung seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag des früheren Beschuldigten angenommen (BGH, Beschl. vom 22. Januar 2009 - StB 24/08).
9
3. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation gilt:
10
Die Maßnahmen setzten nach § 100 a StPO in der jeweils geltenden Fassung - soweit hier von Relevanz - voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine Straftat nach §§ 129, 129 a StGB oder eine sonstige Katalogtat begangen. Die Norm verlangt danach - insoweit in Übereinstimmung mit der heute geltenden Fassung - keinen bestimmten Verdachtsgrad; der Tatverdacht muss daher insbesondere weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch gar dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO sein (Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 100 a Rdn. 42). § 100 a StPO erfordert vielmehr nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (BVerfG NJW 2007, 2749, 2751); der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen (BVerfG NJW 2005, 2603, 2610) und mehr als nur unerheblich sein (BGHSt 41, 30, 33). Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 100 a Rdn. 9), in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat (Nack in KK 6. Aufl. § 100 a Rdn. 34; noch enger Wolter in SKStPO § 100 a Rdn. 43, § 100 c Rdn. 41). Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BGHSt 47, 362, 365 f.; 48, 240, 248). Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand (BGHSt 41, 30, 33; BGH NStZ 2007, 117).
11
a) Bereits bei der ersten Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten durch den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) lag ein nach dem dargelegten Maßstab ausreichender Tatverdacht nicht vor.
12
aa) Der damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar:
13
Am 14., 20. und 21. Juni 2001 gingen bei dem Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und den Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft" drei gleichlautende Schreiben mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich …" ein, denen jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Die einseitige Erklärung ist unterzeichnet mit "militante gruppe (mg), 12.6.01". Am 22. Juni 2001 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Kraftfahrzeug der Daimler-BenzNiederlassung in Berlin-Marienfelde. In anschließend bei verschiedenen Presseorganen eingegangenen Schreiben bekannten sich Mitglieder der "militante gruppe" zu der Tat und begründeten sie mit der Rolle des DaimlerChryslerKonzerns bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Daneben bezogen sich die Verfasser auf die dargelegten Drohschreiben.
14
Unter dem 3. Juli 2001 übermittelte das BfV dem Generalbundesanwalt einen Bericht. In diesem wird mitgeteilt, dass die vorgenannten Taten nach Einschätzung des BfV von einer in Berlin seit mehreren Jahren aktiven militanten Gruppierung verübt worden seien, die in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei in dem autonomen Szeneblatt "Interim" veröffentlichte Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Das BfV rechnete dieser "Selbstportrait-Gruppe" insbesondere mehrere Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge zu, die ab dem 10. August 1995 begangen worden waren. Das BfV nahm zudem eine Textanalyse vor, bei der die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 sowie 1997 und die Taterklärungen ausgewertet und verglichen wurden. Es kam zu der Bewertung, Übereinstimmungen in Argumentation, Diktion und Form sprächen für eine Autorenidentität sowohl hinsichtlich der Taterklärungen untereinander als auch in Bezug auf die Taterklärungen und die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe". Die Gruppe befinde sich offenbar an einem Scheideweg und scheine bereit zu sein, künftig gegen Personen militant aktiv zu werden.
15
Nach Einschätzung des BfV waren die drei früheren Beschuldigten Mitglieder der "Selbstportrait-Gruppe". Die früheren Beschuldigten U. und H. waren den Verfassungsschutzbehörden seit dem Jahr 1981, der frühere Beschuldigte F. seit etwa 1989/1990 als Aktivisten innerhalb der autonomen bzw. antiimperialistischen Szene bekannt. In dem Bericht vom 3. Juli 2001 heißt es zu ihnen weiter: "Zumeist engagierten sie sich - analog dem Selbstverständnis der 'Selbstportraitgruppe' u. a. in dem Berliner 'Solidaritätskomitee Benjamin Ramos Vega'. Später - etwa ab Sommer 1998 - traten sie zusammen mit anderen Personen als 'Internationalistische Gruppe' auf. Seit Anfang 1999 arbeiten sie - u. a. in Kontakt mit Angehörigen der Initiative 'Libertad !' - intensiv an der Vorbereitung und Durchführung der 'Internationalen Arbeitskonferenz Befriedung oder Befreiung' (Ostern 1999) mit. Anfang 2000 gründeten sie eine eigene 'Libertad!'-Gruppe Berlin (…). Gegen U. , F. und H. führt das BfV seit Ende 1998 operative Maßnahmen. Dadurch wurde der enge 'gruppenmäßige' Zusammenhang der Genannten belegt." Der frühere Beschuldigte U. habe zudem als "Antonio" an einem konspirativen "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; eine Niederschrift des dort geführten Gesprächs sei im März 2000 in der "Interim" veröffentlicht worden. Die Äußerungen des als "Antonio" auftretenden Aktivisten wiesen, so das BfV, in Argumentation und Diktion eine Fülle von Parallelen zu Papieren der "Selbstportrait-Gruppe" auf.
16
Unter dem 2. Juli 2001 erstattete das Kriminaltechnische Institut des Bundeskriminalamts ein linguistisches Behördengutachten, in dem die zwei Texte der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 und 1997, neun Selbstbekennerschreiben zu verschiedenen Anschlägen, eine Grußbotschaft der Militanten Antiimperialistischen Gruppe, eine in der Zeitschrift "radikal" veröffentlichte Anleitung zum Bau von Brandsätzen sowie die Äußerungen des "Antonio" bei der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" auf eine eventuelle Urheberschaftsidentität verglichen werden sollten. Während das BfV für alle diese Texte eine Autorenidentität annahm, stellte das Gutachten des Bundeskriminalamts eine Übereinstimmung nur für die Grundsatzpapiere der Jahre 1996 und 1997 sowie die Bauanleitung für den Brandsatz mit dem Wahrscheinlichkeitsgrad "wahrscheinlich" fest. Die Identität der Verfasser der Erklärungen von 1996 und 1997 mit denjenigen der Selbstbekennerschreiben und der Grußbotschaft wurde entweder als mit dem Grad "wahrscheinlich" ausgeschlossen oder sie konnte weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Einen näheren Vergleich der schriftlichen Texte und der mündlichen Äußerungen des "Antonio" nahm das Gutachten nicht vor. Der Sachverständige wies insoweit auf erhebliche methodische Probleme beim Vergleich von schriftlichen und mündlichen Texten hin. Die mündliche Rede sei spontan, enthalte kürzere Äußerungen und weise Abbrüche, Korrekturen, Interjektionen sowie Neuanfänge auf. Die mündliche Sprache basiere außerdem auf einer wechselseitigen Beeinflussung von Sprecher und Hörer, bestimmte Formulierungen würden unter Umständen übernommen. Werde eine solche mündliche Rede von Laien verschriftet, sei im Übrigen im Nachhinein regelmäßig nicht mehr festzustellen, wie der exakte Gesprächsverlauf war und wer was in welcher Form gesagt habe.
17
Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die früheren Beschuldigten und gegen unbekannt durch den Generalbundesanwalt am 16. Juli 2001 regte das Bundeskriminalamt mit Schreiben an den Generalbundesanwalt vom 20. Juli 2001 an, einen Beschluss zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation der Beschuldigten zu beantragen. Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte der Generalbundesanwalt beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Aktionen im Jahre 2001 seien nach Erkenntnissen des BfV möglicherweise von einem in Berlin seit Jahren aktiven "militanten Zusammenhang" verübt worden, der in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den genannten Positionspapieren, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Die früheren Beschuldigten seien aufgrund von Erkenntnissen des BfV verdächtig, Gründungsmitglieder der "militante gruppe" zu sein. Dies folge daraus, dass sie sich mit den Arbeitsfeldern "Internationalismus" und "Gefangenenarbeit" befassten, die auch den wesentlichen Schwerpunkt der "Politik" der "militante gruppe" bildeten. Sie arbeiteten in verschiedenen Solidaritätskommitees und der Gruppe "Libertad!" zusammen. In verschiedenen Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen hätten die Täter Bezug auf Aussagen dieser legal arbeitenden Gruppen genommen, so dass von einer personellen Verflechtung auszugehen sei. Damit entsprächen die Beschuldigten auch dem Selbstverständnis der "militante gruppe", wonach neben einer "militanten Praxis" auch die Arbeit in "legalen Basisinitiativen" erforderlich sei. Der frühere Beschuldigte U. habe wahrscheinlich unter dem Decknamen "Antonio" als Vertreter der "militante gruppe" am "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; seine Äußerungen wiesen eine Fülle von Parallelen in Argumentation und Diktion zu den Positionspapieren der Jahre 1996 und 1997 auf. Er habe erklärt, als "Thema der Zukunft" für militanten Widerstand biete sich an, Firmen anzugreifen, die sich weigern, Zwangsarbeitern Entschädigungen zu zahlen. Ähnlich habe sich U. im November 2000 geäußert. Vor diesem Hintergrund biete die enge Zusammenarbeit der drei Beschuldigten in Themenbereichen der "militante gruppe" konkrete Anhaltspunkte für die Annahme , dass sie Gründungsmitglieder der Vereinigung seien.
18
In der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2001 wird unter anderem ausgeführt, die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den Positionspapieren aus den Jahren 1996 und 1997, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Das den Erkenntnissen des BfV entgegenstehende linguistische Gutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 findet indes - wie auch in der Anregung des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom selben Tage - keine Erwähnung.
19
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnete sodann antragsgemäß mit Beschluss vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs der früheren Beschuldigten einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten an. Zum Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten enthält die Entscheidung dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechende Erwägungen.
20
bb) Bei der zum Zeitpunkt des Beschlusses am 24. Juli 2001 bestehenden Beweislage hätten die Überwachungsmaßnahmen auch bei Berücksichtigung des den anordnenden Stellen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht gestattet werden dürfen. Die den Ermittlungsakten zu entnehmenden Erkennt- nisse des BfV begründen nicht den für eine Maßnahme nach § 100 a StPO erforderlichen Verdacht, die früheren Beschuldigten hätten sich wegen einer Tat nach den §§ 129 ff. StGB oder einer sonstigen Katalogtat strafbar gemacht. Zwar war genügend wahrscheinlich, dass es sich bei der "militante gruppe" um eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelte. Jedoch boten die Ermittlungsergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die früheren Beschuldigten diese gegründet, sich an ihr als Mitglieder beteiligt, sie unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer geworben, mithin eine nach den §§ 129 ff. StGB strafbare Handlung begangen haben könnten.
21
Die Annahme des BfV, es bestehe der Verdacht, die drei früheren Beschuldigten seien Gründungsmitglieder der "Selbstportrait-Gruppe" gewesen, ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt. Den Ausführungen des Verfassungsschutzes lässt sich zwar entnehmen, dass die früheren Beschuldigten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind und sich mit Themenbereichen befasst haben, die auch Gegenstand der Verlautbarungen in den der "Selbstportrait -Gruppe" zugerechneten Schriften waren. Dabei handelt es sich jedoch mit der Problematik der Entschädigung von Zwangsarbeitern und Ähnlichem um eher allgemeine, zur damaligen Zeit auch verstärkt in der öffentlichen Diskussion befindliche und nicht derart spezielle Themen, dass hieraus nähere Rückschlüsse auf die Personen der früheren Beschuldigten gezogen werden können. Den Angaben des BfV lässt sich trotz der langjährigen Beobachtung der früheren Beschuldigten und des Umstands, dass gegen diese schon seit dem Jahr 1998 - und damit bereits etwa drei Jahre - operative Maßnahmen durchgeführt wurden, nichts entnehmen, was wesentlich über allgemeine Erkenntnisse über deren politische Orientierung hinausgeht.
22
Das BfV hat ebenfalls nicht ausreichend dargetan, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte anzunehmen sein sollte, dass der frühere Beschuldig- te U. als "Antonio" an dem "Runden Tisch der Militanten" teilnahm. Dem Bericht vom 3. Juli 2001 ist insoweit im Wesentlichen lediglich zu entnehmen , "durch ein Bündel operativer Maßnahmen" habe das BfV Ort und Zeit des konspirativen Treffens ermittelt. Außerdem zeigen Observationsfotos den früheren Beschuldigten U. beim Betreten des Gebäudes, in dem das Treffen stattfand. Bei dieser Beweislage ist als hinreichend wahrscheinlich nur anzunehmen , dass er an dem Treffen teilgenommen hat. Die näheren Einzelheiten bezüglich seines Verhaltens in der Diskussionsrunde bleiben jedoch völlig im Dunkeln. Insbesondere erhellt sich nicht, wieso das BfV davon ausgeht, gerade er habe die Rolle des "Antonio" eingenommen. Der Umstand, dass der frühere Beschuldigte U. sich - wie "Antonio" - thematisch mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern sowie der "RZ" befasst hat, ist aus den genannten Gründen auch in diesem Zusammenhang allenfalls ein nur äußerst schwaches, nicht ausreichendes Indiz für eine Identität. Nach den zur Ermittlungsakte gelangten Erkenntnissen kann der frühere Beschuldigte U. demnach mit genauso großer Wahrscheinlichkeit der "Militante Moderator" oder ein sonstiger Diskussionsteilnehmer gewesen sein.
23
Zu den Textvergleichen und den aus deren Ergebnissen gezogenen Schlüssen hat der Senat bereits früher darauf hingewiesen, dass bei Analysen von Bekennerschreiben vorgefundene Übereinstimmungen in thematischer, stilistischer und textgestalterischer Hinsicht regelmäßig Indizien mit einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert sind (BGH, Beschl. vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, Rdn. 33). Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch die Ausführungen in dem Behördengutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 zu den methodischen Problemen, die sich bei der Analyse und Bewertung von Texten aus dem linksextremistischen Bereich stellen (Ziffer 4.2, SA Band 1 Ordner 1 Bl. 299), nachhaltig bestätigt. Hinzu kommt die Möglichkeit , dass verschiedene Urheber ihnen zugängliche Texte anderer Autoren zur Kenntnis nehmen und sich darauf beziehen oder diese nachahmen. Somit sind die diesbezüglichen Ausführungen des BfV schon für sich nicht geeignet, Wesentliches zur Begründung eines Tatverdachts gegen die früheren Beschuldigten beizutragen.
24
Die Beweisbedeutung der von den Verfassungsschutzbehörden durchgeführten Textvergleiche wird noch geringer, wenn man die Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts in die Bewertung einbezieht. Die dort dargelegten Gründe, einen Vergleich der schriftlichen Texte mit den mündlichen und später verschrifteten Äußerungen des "Antonio" gar nicht erst vorzunehmen, sind in hohem Maße plausibel. Im Übrigen lässt sich nach den sachverständigen Äußerungen des Bundeskriminalamts für kein einziges Tatbekennerschreiben auch nur mit einem geringen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Urheberidentität mit den der "Selbstportrait-Gruppe" zugerechneten Texten aus den Jahren 1996 und 1997 feststellen. Dieses Ergebnis wird nicht maßgebend relativiert durch die Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem auf den 31. Juli 2002 datierten Vermerk (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 334 ff.). Dort werden die abweichenden Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts und der Analyse des BfV damit zu erklären versucht, dass die Tätigkeit des BfV darauf gerichtet gewesen sei, Texte als gedankliches Produkt einer Gruppe zu erkennen. Das Gutachten des Bundeskriminalamts habe demgegenüber auf die Identität des konkreten Verfassers der Texte abgestellt. Da die Möglichkeit bestehe, dass unterschiedliche Personen aus derselben Gruppe die untersuchten Schriften verfasst haben könnten, habe das BfV zu anderen Resultaten als das Bundeskriminalamt kommen können. Diese Argumentation greift schon im Ansatz nicht, soweit es die Äußerungen des "Antonio" anlässlich des "Runden Tischs der Militanten" betrifft. Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob sie im Übrigen plausibel sein könnte; selbst wenn man ihr folgen wollte, lässt sich aus der Analyse des BfV, die dann allenfalls Gruppenübereinstimmungen aufzeigen könnte, jedenfalls kein konkreter Verdacht gegen einen der früheren Beschuldigten ableiten , eine bestimmte Straftat begangen zu haben.
25
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass sich ein genügender Verdacht gegen die früheren Beschuldigten gerade in der Zeit vor Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der strafprozessualen Maßnahmen gebildet hat. Die in Rede stehenden Brandanschläge begannen bereits im Jahre 1995. Schon in Vermerken vom 18. August 1999, 21. Februar 2000, 27. April 2000 und 7. Februar 2001 hatte das BfV Textvergleiche vorgenommen und war zu der Einschätzung gelangt, es bestünden wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Selbstbezichtigungsschreiben bzw. den Aussagen des "Antonio" anlässlich der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" einerseits und den Texten der "Selbstportrait-Gruppe" andererseits. Die früheren Beschuldigten waren den Verfassungsschutzbehörden bereits seit langem als Mitglieder der linksautonomen Szene bekannt; gegen sie wurde schon seit 1998 operativ ermittelt. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen sie wurde jedoch erst eingeleitet, als die Verfassungsschutzbehörden aufgrund der Drohbriefe im Sommer 2001 - in der Sache möglicherweise mit Recht - von einer veränderten Zielrichtung der Gruppierung in dem Sinne ausgingen, dass sie befürchteten, die Angriffe könnten sich nunmehr auch gegen Personen richten. Dies deutet zumindest darauf hin, dass Grund für die strafprozessuale Verfolgung der früheren Beschuldigten ab Sommer 2001 nicht die Verdichtung eines gegen sie bestehenden Verdachts gewesen sein könnte, konkrete Straftaten begangen zu haben, sondern die Annahme der Polizei- und/oder Verfassungsschutzbehörden , die Gefahrenlage habe sich erhöht. Ähnliches gilt für den späteren Verlauf der Ermittlungen. Die Überwachungsmaßnahmen wurden mehrfach abgebrochen und in der Folgezeit wieder aufgenommen, ohne dass ausreichende neue Tatsachen dargelegt sind, die nunmehr den Verdacht begründen könnten, die früheren Beschuldigten hätten eine Straftat begangen. Statt dessen erscheinen jedenfalls teilweise Zusammenhänge zwischen der Intensität der Überwachung der früheren Beschuldigten und der allgemeinen Sicherheitslage als naheliegend. So war die Überwachung zum Beispiel ab November 2004 für eine kurze Zeit besonders intensiv. Dies könnte der Gefahrenlage in der Silvesternacht 2004/2005 geschuldet gewesen sein, nachdem es in den vergangenen Jahren in den Silvesternächten zu Anschlägen gekommen war. Der Senat verkennt weder, dass die Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit oder einzelne Personen eine vordringliche staatliche Aufgabe ist, noch dass aufgrund der Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes durch die §§ 129 ff. StGB (BGHSt 41, 47, 51) die Abgrenzung zwischen präventiven Ermittlungen und solchen zur Verfolgung von bereits begangenen Straftaten nicht in jedem Falle trennscharf möglich ist. Er sieht gleichwohl Anlass, darauf hinzuweisen, dass die präventive Gefahrenabwehr nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist und nicht durch Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage der Strafprozessordnung durchgeführt werden darf.
26
cc) Mit Blick auf den Umstand, dass das Gutachten des Bundeskriminalamts weder in der vom Bundeskriminalamt an den Generalbundesanwalt gerichteten Anregung noch in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Erwähnung findet, bemerkt der Senat: Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen davon ausgehen können, dass sie im Ermittlungsverfahren ihre Entscheidungen auf der Grundlage aller maßgebenden, bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt angefallenen Ermittlungsergebnisse treffen. Der Ermittlungsrichter ist bereits von Verfassungs wegen verpflichtet , die Zulässigkeit der beabsichtigten Maßnahme eigenständig zu prüfen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 1121, 1122 für den Fall der Anordnung einer Durchsuchung). Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des früheren Beschuldigten fehlt es an einer solchen eigenständigen Prüfung nicht ohne Weiteres bereits dann, wenn der Ermittlungsrichter Passagen aus der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft wörtlich in seinen Beschluss übernimmt. Denn stimmt der Ermittlungsrichter in seiner Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Ermittlungsmaßnahmen vorliegen, mit derjenigen der Antragstellerin überein, so ist er nicht verpflichtet, dies durch eine eigene sprachliche Stilübung im Anordnungsbeschluss selbstständig zu formulieren; vielmehr darf er insoweit durchaus wörtlich auf die Ausführungen in der Antragsschrift zurückgreifen. Die dem zugrunde liegende, unabdingbare, eigenständige Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings in der Praxis häufig unter großem Zeitdruck durchgeführt werden; der Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden (BVerfG aaO) wird deshalb nicht unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht annehmen kann, dass die Beweislage , soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den Antragsschriften ohne erhebliche Lücken dargetan ist.
27
b) Die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie etwa in den Sachstandsberichten des Bundeskriminalamts niedergelegt sind, sind mit Blick auf eine mögliche Begehung von Straftaten nicht von derart erheblichem Belang, dass sie einen ausreichenden Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten begründen könnten; deshalb sind auch alle späteren Anordnungen von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung rechtswidrig.
28
So lässt etwa die Erklärung von "Libertad!" vom 26. November 2003, keine belastbaren Rückschlüsse auf die Begehung konkreter Straftaten durch die früheren Beschuldigten zu. Soweit dort unter anderem "Arbeitsämter" als Anschlagsziele der "militante gruppe" genannt wurden, obwohl diese sich unter dieser Bezeichnung bis dahin nicht zu einem Anschlag auf ein Arbeitsamt bekannt hatte, ist dies bereits für sich genommen zur Begründung eines Tatver- dachts wenig aussagekräftig. Hinzu kommt, dass gerade vor dem Hintergrund der Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe", in der Arbeitsämter und ähnliche Institutionen mit dem Ziel aufgelistet sind, andere Gruppierungen zu Aktionen zu veranlassen, die Möglichkeit einer ungenauen Recherche oder eines schlichten Versehens beim Abfassen des Textes nicht fern liegt (s. auch die ähnliche Bewertung durch das Bundeskriminalamt in seinem Auswertungsbericht vom 27. Mai 2008, S. 78; SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000078).
29
Die Äußerungen des früheren Beschuldigten F. in den Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 befassen sich nicht mit den verfolgten Taten; sie belegen letztlich lediglich dessen Nähe zu linksautonomem Gedankengut. In den den Äußerungen nachfolgenden Anträgen des Generalbundesanwalts und den Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wird ihnen keine Bedeutung beigemessen.
30
Entsprechendes gilt für die SMS, die der frühere Beschuldigte F. am 15. Februar 2002 von einem Frankfurter Libertad-Aktivisten erhielt; aus dieser lässt sich entsprechend den Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem TKÜ-Auswertungsbericht vom 12. April 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 132, 139) ein ausreichend konkreter Bezug zu dem am 5. Februar 2002 in Berlin begangenen Anschlag nicht herstellen, der die Wahrscheinlichkeit begründen könnte, der frühere Beschuldigte F. habe sich an diesem Anschlag in strafbarer Weise beteiligt. Dort heißt es: "Ein Zusammenhang zwischen der SMS an den Beschuldigten F. und dem Brandanschlag auf das Bezirksamt kann weder ausgeschlossen noch mit Sicherheit angenommen werden. D. h., es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob G. mit der SMS auf den Brandanschlag anspielt bzw. ob und von wem er über diesen Anschlag und dessen Hintergründe informiert war." Der Senat sieht keinen Anlass für eine hiervon abweichende Beurteilung.
31
Der Inhalt der Auswertungsberichte des Bundeskriminalamts zu den Überwachungsmaßnahmen zeigt vielmehr, dass wesentliche Erkenntnisse zu begangenen Straftaten nicht gewonnen werden konnten. Beispielhaft sei auf folgende Bewertungen hingewiesen: In dem Bericht vom 14. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 97, 101) wird ausgeführt: "Es ergaben sich durch die Telefonüberwachungsmaßnahmen weder Hinweise darauf, dass U. Mitglied in der 'militante(n) gruppe (mg)' ist, noch dass er Straftaten begangen hat." In der Telefaxnachricht des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom 15. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 94 f.) heißt es auszugsweise : "Die TKÜ-Maßnahmen erbrachten bisher keine Erkenntnisse darüber, ob die Beschuldigten Mitglieder der 'militante(n) gruppe' sind." Etwa ein Jahr später kommt das Bundeskriminalamt in seinem TKÜ-Auswertungsbericht vom 14. Januar 2003 zu folgendem Ergebnis (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 283, 289): "Im Überwachungszeitraum konnte der Tatverdacht gegen F. , Mitglied der 'militanten gruppe (mg)' zu sein, nicht erhärtet werden. (…) Anhaltspunkte für eine Beteiligung von F. an der Presseerklärung konnten nicht gefunden werden. Bzgl. des Brandanschlags auf das Finanzamt scheidet F. als Täter aus, da er in der fraglichen Zeit in Schweden war." Im TKÜAuswertungsbericht vom 14. Oktober 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 65, 74) heißt es: "Eine Beteiligung der Mitglieder der libertad! Berlin-Gruppe, insbesondere H. s und U. s an Straftaten der 'militanten gruppe (mg)' gem. § 129 a StGB kann hier aufgrund der TKÜ-Maßnahmen derzeit weder bestätigt noch widerlegt werden." In einem Vermerk des Bundeskriminalamts vom 27. November 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 91) wird aus Anlass einer vorangegangen Veröffentlichung des Magazins FOCUS über die Überwachung der früheren Beschuldigten unter anderem ausgeführt: "Bei keinem dieser Anschläge ist es mit den TKÜ-Maßnahmen bisher gelungen, beweisrelevante Anhaltspunkte für eine unmittelbare Tatbeteiligung eines der o. a.
Beschuldigten zu erhalten. In vielen der genannten Fälle ist eine Tatbeteiligung einzelner Beschuldigter lediglich möglich. (…) Es ist somit unwahrscheinlich, mit den TKÜ-Maßnahmen, die bisher weitestgehend ins Leere gelaufen sind, in näherer Zukunft bei dem gleichen Personenkreis Beweise für eine Tatbegehung zu erlangen."
32
Die Ermittlungen haben sogar - auch nach Auffassung des Bundeskriminalamts und des Generalbundesanwalts - die früheren Beschuldigten entlastende Umstände erbracht. In Einzelfällen belegen die Ergebnisse der verdeckten Maßnahmen, dass die früheren Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht beteiligt gewesen sein können (vgl. u. a. Auswertungsvermerk vom 6. Februar 2008, SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000255 ff.). So ist etwa eine unmittelbare Mitwirkung für alle drei früheren Beschuldigten an dem Brandanschlag auf das Oberlandesgericht Naumburg und auf ein Kraftfahrzeug der Staatsanwaltschaft Halle am 18. September 2003, die Beteiligung des früheren Beschuldigten F. an den Brandanschlägen auf das Finanzamt BerlinNeukölln am 1. Januar 2003 und auf das Polizeipräsidium Berlin am 9. April 2006 sowie des früheren Beschuldigten U. an dem Brandanschlag auf das Arbeitsamt Berlin-Südwest am 27. April 2003 auszuschließen. Die Ergebnisse der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen legen zudem in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Mitwirkung einzelner früherer Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich oder sogar unmöglich war. Dies gilt für alle drei früheren Beschuldigten für das Absenden einer E-Mail mit dem gekürzten Selbstbezichtigungsschreiben zu dem versuchten Brandanschlag auf das Arbeitsamt BerlinSüdwest am 27. April 2004, für den Brandanschlag auf zwei Polizeifahrzeuge in Berlin-Lichtenrade in der Nacht zum 5. Mai 2006, für den Brandanschlag auf das Sozialgericht Berlin in der Nacht zum 24. Mai 2006 sowie für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Oranienburg in der Nacht zum 15. Januar 2007; für die früheren Beschuldigten U. und F. für den Brandanschlag auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung in BerlinDahlem in der Nacht zum 9. November 2005, für den Brandanschlag auf vier Fahrzeuge des Ordnungsamts Berlin Treptow-Köpenick in der Nacht zum 20. März 2006, für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Berlin-Lichtenberg in der Nacht zum 4. September 2006, für den Brandanschlag auf zwei Einsatzfahrzeuge der Berliner Polizei in Berlin-Spandau am 18. Mai 2007 sowie für den Brandanschlag auf zwei Kraftfahrzeuge des Ordnungsamts Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 11. September 2006; für die früheren Beschuldigten F. und H. für die Taten in der Nacht zum 20. Dezember 2006 sowie für den Brandanschlag auf ein Bürogebäude in Berlin-Mitte am 16. März 2007; für den früheren Beschuldigten F. für das Verfassen des Textes "Für einen revolutionären Aufbauprozeß Für eine militante Plattform von der militanten gruppe (mg) 15.04.02", veröffentlicht in der Interim Nr. 550 vom 5. September 2002 sowie für einen Telefonanruf im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf Fahrzeuge einer Chrysler-Niederlassung in Großziethen in der Nacht zum 29. April 2002; für den früheren Beschuldigten U. für die Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe" vom 17. April 2003 sowie für den Brandanschlag auf einen LKW der Fa. "ALBA" in Berlin in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2003; für den früheren Beschuldigten H. für den Brandanschlag auf den Rohbau eines LIDLMarktes in Berlin-Steglitz in der Nacht zum 10. Januar 2005, für die Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge in Potsdam und Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 29. April 2005 sowie schließlich für die Straftaten in der Nacht zum 17. Februar 2006.
33
Da nach alldem zu keinem Zeitpunkt ein ausreichender Tatverdacht bestand , muss der Senat nicht darüber entscheiden, ab welchem Zeitpunkt eine ursprünglich zulässige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme bei an- gemessener Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unzulässig geworden wäre, weil im Überwachungszeitraum keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erlangt wurden.
34
4. Die obigen Ausführungen gelten für die nach § 163 f StPO angeordneten und durchgeführten Observationsmaßnahmen einschließlich der Begleitmaßnahmen entsprechend. Auch insoweit fehlte es an einem die Maßnahmen rechtfertigenden Verdacht; denn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass einer der früheren Beschuldigten eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte, lagen nicht vor.

III.

35
Da das Rechtsmittel Erfolg hat, trägt die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen (§§ 464, 473 StPO). Eine Entscheidung über die in erster Instanz entstandenen Auslagen des früheren Beschuldigten war aus den vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zutreffend dargelegten Gründen nicht veranlasst. Becker von Lienen Schäfer

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Für Maßnahmen nach den §§ 98a, 99, 100a bis 100f, 100h, 100i, 110a, 163d bis 163g gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, die nachstehenden Regelungen.

(2) Entscheidungen und sonstige Unterlagen über Maßnahmen nach den §§ 100b, 100c, 100f, 100h Abs. 1 Nr. 2 und § 110a werden bei der Staatsanwaltschaft verwahrt. Zu den Akten sind sie erst zu nehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung nach Absatz 5 erfüllt sind.

(3) Personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhoben wurden, sind entsprechend zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtzuerhalten.

(4) Von den in Absatz 1 genannten Maßnahmen sind im Falle

1.
des § 98a die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
2.
des § 99 der Absender und der Adressat der Postsendung,
3.
des § 100a die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,
4.
des § 100b die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
5.
des § 100c
a)
der Beschuldigte, gegen den sich die Maßnahme richtete,
b)
sonstige überwachte Personen,
c)
Personen, die die überwachte Wohnung zur Zeit der Durchführung der Maßnahme innehatten oder bewohnten,
6.
des § 100f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
7.
des § 100h Abs. 1 die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
8.
des § 100i die Zielperson,
9.
des § 110a
a)
die Zielperson,
b)
die erheblich mitbetroffenen Personen,
c)
die Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat,
10.
des § 163d die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
11.
des § 163e die Zielperson und die Person, deren personenbezogene Daten gemeldet worden sind,
12.
des § 163f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
13.
des § 163g die Zielperson
zu benachrichtigen. Dabei ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 7 und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nummer 2 und 3 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer in Satz 1 bezeichneten Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist.

(5) Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit einer Person und von bedeutenden Vermögenswerten, im Fall des § 110a auch der Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers möglich ist. Wird die Benachrichtigung nach Satz 1 zurückgestellt, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

(6) Erfolgt die nach Absatz 5 zurückgestellte Benachrichtigung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedürfen weitere Zurückstellungen der gerichtlichen Zustimmung. Das Gericht bestimmt die Dauer weiterer Zurückstellungen. Es kann dem endgültigen Absehen von der Benachrichtigung zustimmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten werden. Sind mehrere Maßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt worden, so beginnt die in Satz 1 genannte Frist mit der Beendigung der letzten Maßnahme. Bei Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c beträgt die in Satz 1 genannte Frist sechs Monate.

(7) Gerichtliche Entscheidungen nach Absatz 6 trifft das für die Anordnung der Maßnahme zuständige Gericht, im Übrigen das Gericht am Sitz der zuständigen Staatsanwaltschaft. Die in Absatz 4 Satz 1 genannten Personen können bei dem nach Satz 1 zuständigen Gericht auch nach Beendigung der Maßnahme bis zu zwei Wochen nach ihrer Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft. Ist die öffentliche Klage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt worden, entscheidet über den Antrag das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung.

(8) Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten ohne Einwilligung der betroffenen Personen nur zu diesem Zweck verwendet werden; ihre Verarbeitung ist entsprechend einzuschränken.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
StB 16/09
vom
11. März 2010
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts des Gründens einer kriminellen Vereinigung u. a.
hier: Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ermittlungsmaßnahmen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2010 gemäß § 101
Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. April 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die durch die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001), 30. Juli 2001 (1 BGs 139/2001), 28. August 2001 (1 BGs 200/2001), 12. Oktober 2001 (1 BGs 278/2001), 22. Oktober 2001 (1 BGs 281/2001), 27. November 2001 (1 BGs 351/2001), 9. Januar 2002 (1 BGs 11/2002), 18. Januar 2002 (1 BGs 35/2002), 25. Februar 2002 (1 BGs 80/2002), 1. März 2002 (1 BGs 85/2002), 18. April 2002 (1 BGs 110/2002), 3. Juni 2002 (1 BGs 130/2002), 17. Juli 2002 (1 BGs 147/2002), 27. September 2002 (1 BGs 177/2002), 18. Oktober 2002 (1 BGs 185/2002), 2. Dezember 2002 (1 BGs 205/2002), 21. Januar 2003 (1 BGs 43/2003), 27. Februar 2003 (1 BGs 90/2003), 25. März 2003 (1 BGs 114/2003), 16. April 2003 (1 BGs 140/2003), 18. Juli 2003 (1 BGs 216/2003), 20. Oktober 2003 (1 BGs 384/2003), 8. April 2004 (1 BGs 94/2004), 7. Juli 2004 (1 BGs 146/2004), 6. Oktober 2004 (1 BGs 155/2004), 29. November 2004 (1 BGs 172/2004) und 6. Juli 2006 (1 BGs 91/2006) angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie die durch Verfügungen des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002, 15., 22. und 31. März 2004 und durch die Beschlüsse des Ermittlungs- richters des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2002 (1 BGs 148/2002), 22. August 2002 (1 BGs 163/2002), 1. April 2004 (1 BGs 87/2004), 23. April 2004 (1 BGs 102/2004), 27. Oktober 2004 (1 BGs 162/2004), 25. November 2004 (1 BGs 171/2004), 11. Februar 2005 (1 BGs 11/2005) und 9. März 2005 (1 BGs 26/2005) angeordneten Observationsmaßnahmen (zum Teil unter Einsatz technischer Mittel und nebst Herstellung von Lichtbildern) rechtswidrig waren. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

1
Der Generalbundesanwalt führte gegen den Beschwerdeführer, die weiteren früheren Beschuldigten U. sowie H. und gegen unbekannt seit dem 16. Juli 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, die terroristische Vereinigung "militante gruppe" gegründet zu haben (§ 129 a StGB). In der Zeit vom 24. Juli 2001 bis zum 6. Juli 2006 wurden gegen die früheren Beschuldigten zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung des Bundeskriminalamts vom 17. September 2008 (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 367 ff.) Bezug genommen. Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 28. November 2007 - StB 43/07 (BGHSt 52, 98) ausgeführt hatte, dass eine Strafbarkeit der Mitglieder der "militante gruppe" gemäß § 129 a StGB nach der Umgestaltung der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) nicht in Betracht komme, änderte der Generalbundesanwalt mit Verfügung vom 10. März 2008 das Verfahrensrubrum dahin, dass gegen die früheren Beschuldigten und unbekannt wegen Gründung der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gemäß § 129 StGB u. a. ermittelt werde.
2
Mit Verfügung vom 22. September 2008 stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen die früheren Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein; gegen unbekannt führt er es weiter. Zur Begründung der Einstellung führte er unter anderem aus, die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen hätten den Anfangsverdacht gegen die früheren Beschuldigten nicht erhärtet. Sie hätten keine belastbaren Hinweise dafür erbracht, dass diese an konkreten Straftaten oder der Abfassung bestimmter Texte der Vereinigung unmittelbar beteiligt gewesen seien. In einzelnen Fällen belegten die Ergebnisse der operativen Maßnahmen sogar positiv, dass die Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht teilgenommen haben konnten. Zudem legten die verdeckt erlangten Erkenntnisse in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Beteiligung einzelner Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich sei. Soweit die Ermittlungen Erkenntnisse zu politischen Auffassungen und Betätigungsformen der früheren Beschuldigten erbracht hätten, seien diese im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts nicht geeignet, eine strafbewehrte Verbindung der früheren Beschuldigten zur "militante gruppe" zu belegen.
3
Der Generalbundesanwalt hat den früheren Beschuldigten mit Schreiben vom 22. September 2008 über die gegen ihn angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unterrichtet und ihn mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes hingewiesen. Mit Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 2. und 22. Oktober 2008 sowie 13. März 2009 hat der frühere Beschuldigte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der ihm mitgeteilten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragt.
4
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat diesen Antrag mit Beschluss vom 6. April 2009 als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, gegen den früheren Beschuldigten habe im Zeitpunkt der Anordnung der jeweiligen Maßnahme sowie während ihrer Durchführung der Verdacht bestanden, Mitglied der (zumindest) kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gewesen zu sein. Für die erste zu überprüfende ermittlungsrichterliche Anordnung vom 24. Juli 2001 begründeten die dort in Bezug genommenen Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz (im Folgenden : BfV) einen die Maßnahme rechtfertigenden Anfangsverdacht. Dieser habe in der Folgezeit fortbestanden. Von Bedeutung hierfür sei etwa gewesen, dass der frühere Beschuldigte in zwei Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 Gewalt - auch gegen öffentliche Einrichtungen - gutgeheißen habe; der Inhalt einer SMS vom 15. Februar 2002 sei ebenfalls geeignet gewesen, den Tatverdacht weiter zu bestärken.
5
Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 7. April 2009 eingelegte sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten. Dieser macht insbesondere geltend, ein Tatverdacht habe zu keinem Zeitpunkt während des Ermittlungsverfahrens bestanden. Die Maßnahmen seien zudem unverhältnismäßig gewesen; auch seien Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht getroffen worden. Schließlich hätten sie keinen Erfolg versprochen, da die früheren Beschuldigten bereits Zielpersonen von Tele- kommunikationsüberwachungen des BfV gewesen seien, die offensichtlich keine Belege für ein strafbares Handeln erbracht hätten.

II.

6
Das gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO statthafte Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender Tatverdacht gegen den früheren Beschuldigten nicht bestand. Auf die weiteren, von dem früheren Beschuldigten aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es deshalb nicht an. Ebenso muss der Senat nicht entscheiden, ob die Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen rechtswidrig war; damit ist auch der Antrag des früheren Beschuldigten auf weitergehende Akteneinsicht gegenstandslos. Im Einzelnen :
7
1. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat den Antrag des früheren Beschuldigten zu Recht auch bezüglich des Beschlusses vom 25. März 2003 (1 BGs 114/2003) als zulässig gewertet. Der Generalbundesanwalt ist dem im Beschwerdeverfahren auch nicht - mehr - entgegen getreten.
8
2. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat ebenfalls zu Recht und mit zutreffender Begründung seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag des früheren Beschuldigten angenommen (BGH, Beschl. vom 22. Januar 2009 - StB 24/08).
9
3. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation gilt:
10
Die Maßnahmen setzten nach § 100 a StPO in der jeweils geltenden Fassung - soweit hier von Relevanz - voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine Straftat nach §§ 129, 129 a StGB oder eine sonstige Katalogtat begangen. Die Norm verlangt danach - insoweit in Übereinstimmung mit der heute geltenden Fassung - keinen bestimmten Verdachtsgrad; der Tatverdacht muss daher insbesondere weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch gar dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO sein (Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 100 a Rdn. 42). § 100 a StPO erfordert vielmehr nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (BVerfG NJW 2007, 2749, 2751); der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen (BVerfG NJW 2005, 2603, 2610) und mehr als nur unerheblich sein (BGHSt 41, 30, 33). Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 100 a Rdn. 9), in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat (Nack in KK 6. Aufl. § 100 a Rdn. 34; noch enger Wolter in SKStPO § 100 a Rdn. 43, § 100 c Rdn. 41). Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BGHSt 47, 362, 365 f.; 48, 240, 248). Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand (BGHSt 41, 30, 33; BGH NStZ 2007, 117).
11
a) Bereits bei der ersten Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten durch den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) lag ein nach dem dargelegten Maßstab ausreichender Tatverdacht nicht vor.
12
aa) Der damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar:
13
Am 14., 20. und 21. Juni 2001 gingen bei dem Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und den Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft" drei gleichlautende Schreiben mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich …" ein, denen jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Die einseitige Erklärung ist unterzeichnet mit "militante gruppe (mg), 12.6.01". Am 22. Juni 2001 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Kraftfahrzeug der Daimler-BenzNiederlassung in Berlin-Marienfelde. In anschließend bei verschiedenen Presseorganen eingegangenen Schreiben bekannten sich Mitglieder der "militante gruppe" zu der Tat und begründeten sie mit der Rolle des DaimlerChryslerKonzerns bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Daneben bezogen sich die Verfasser auf die dargelegten Drohschreiben.
14
Unter dem 3. Juli 2001 übermittelte das BfV dem Generalbundesanwalt einen Bericht. In diesem wird mitgeteilt, dass die vorgenannten Taten nach Einschätzung des BfV von einer in Berlin seit mehreren Jahren aktiven militanten Gruppierung verübt worden seien, die in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei in dem autonomen Szeneblatt "Interim" veröffentlichte Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Das BfV rechnete dieser "Selbstportrait-Gruppe" insbesondere mehrere Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge zu, die ab dem 10. August 1995 begangen worden waren. Das BfV nahm zudem eine Textanalyse vor, bei der die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 sowie 1997 und die Taterklärungen ausgewertet und verglichen wurden. Es kam zu der Bewertung, Übereinstimmungen in Argumentation, Diktion und Form sprächen für eine Autorenidentität sowohl hinsichtlich der Taterklärungen untereinander als auch in Bezug auf die Taterklärungen und die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe". Die Gruppe befinde sich offenbar an einem Scheideweg und scheine bereit zu sein, künftig gegen Personen militant aktiv zu werden.
15
Nach Einschätzung des BfV waren die drei früheren Beschuldigten Mitglieder der "Selbstportrait-Gruppe". Die früheren Beschuldigten U. und H. waren den Verfassungsschutzbehörden seit dem Jahr 1981, der frühere Beschuldigte F. seit etwa 1989/1990 als Aktivisten innerhalb der autonomen bzw. antiimperialistischen Szene bekannt. In dem Bericht vom 3. Juli 2001 heißt es zu ihnen weiter: "Zumeist engagierten sie sich - analog dem Selbstverständnis der 'Selbstportraitgruppe' u. a. in dem Berliner 'Solidaritätskomitee Benjamin Ramos Vega'. Später - etwa ab Sommer 1998 - traten sie zusammen mit anderen Personen als 'Internationalistische Gruppe' auf. Seit Anfang 1999 arbeiten sie - u. a. in Kontakt mit Angehörigen der Initiative 'Libertad !' - intensiv an der Vorbereitung und Durchführung der 'Internationalen Arbeitskonferenz Befriedung oder Befreiung' (Ostern 1999) mit. Anfang 2000 gründeten sie eine eigene 'Libertad!'-Gruppe Berlin (…). Gegen U. , F. und H. führt das BfV seit Ende 1998 operative Maßnahmen. Dadurch wurde der enge 'gruppenmäßige' Zusammenhang der Genannten belegt." Der frühere Beschuldigte U. habe zudem als "Antonio" an einem konspirativen "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; eine Niederschrift des dort geführten Gesprächs sei im März 2000 in der "Interim" veröffentlicht worden. Die Äußerungen des als "Antonio" auftretenden Aktivisten wiesen, so das BfV, in Argumentation und Diktion eine Fülle von Parallelen zu Papieren der "Selbstportrait-Gruppe" auf.
16
Unter dem 2. Juli 2001 erstattete das Kriminaltechnische Institut des Bundeskriminalamts ein linguistisches Behördengutachten, in dem die zwei Texte der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 und 1997, neun Selbstbekennerschreiben zu verschiedenen Anschlägen, eine Grußbotschaft der Militanten Antiimperialistischen Gruppe, eine in der Zeitschrift "radikal" veröffentlichte Anleitung zum Bau von Brandsätzen sowie die Äußerungen des "Antonio" bei der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" auf eine eventuelle Urheberschaftsidentität verglichen werden sollten. Während das BfV für alle diese Texte eine Autorenidentität annahm, stellte das Gutachten des Bundeskriminalamts eine Übereinstimmung nur für die Grundsatzpapiere der Jahre 1996 und 1997 sowie die Bauanleitung für den Brandsatz mit dem Wahrscheinlichkeitsgrad "wahrscheinlich" fest. Die Identität der Verfasser der Erklärungen von 1996 und 1997 mit denjenigen der Selbstbekennerschreiben und der Grußbotschaft wurde entweder als mit dem Grad "wahrscheinlich" ausgeschlossen oder sie konnte weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Einen näheren Vergleich der schriftlichen Texte und der mündlichen Äußerungen des "Antonio" nahm das Gutachten nicht vor. Der Sachverständige wies insoweit auf erhebliche methodische Probleme beim Vergleich von schriftlichen und mündlichen Texten hin. Die mündliche Rede sei spontan, enthalte kürzere Äußerungen und weise Abbrüche, Korrekturen, Interjektionen sowie Neuanfänge auf. Die mündliche Sprache basiere außerdem auf einer wechselseitigen Beeinflussung von Sprecher und Hörer, bestimmte Formulierungen würden unter Umständen übernommen. Werde eine solche mündliche Rede von Laien verschriftet, sei im Übrigen im Nachhinein regelmäßig nicht mehr festzustellen, wie der exakte Gesprächsverlauf war und wer was in welcher Form gesagt habe.
17
Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die früheren Beschuldigten und gegen unbekannt durch den Generalbundesanwalt am 16. Juli 2001 regte das Bundeskriminalamt mit Schreiben an den Generalbundesanwalt vom 20. Juli 2001 an, einen Beschluss zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation der Beschuldigten zu beantragen. Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte der Generalbundesanwalt beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Aktionen im Jahre 2001 seien nach Erkenntnissen des BfV möglicherweise von einem in Berlin seit Jahren aktiven "militanten Zusammenhang" verübt worden, der in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den genannten Positionspapieren, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Die früheren Beschuldigten seien aufgrund von Erkenntnissen des BfV verdächtig, Gründungsmitglieder der "militante gruppe" zu sein. Dies folge daraus, dass sie sich mit den Arbeitsfeldern "Internationalismus" und "Gefangenenarbeit" befassten, die auch den wesentlichen Schwerpunkt der "Politik" der "militante gruppe" bildeten. Sie arbeiteten in verschiedenen Solidaritätskommitees und der Gruppe "Libertad!" zusammen. In verschiedenen Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen hätten die Täter Bezug auf Aussagen dieser legal arbeitenden Gruppen genommen, so dass von einer personellen Verflechtung auszugehen sei. Damit entsprächen die Beschuldigten auch dem Selbstverständnis der "militante gruppe", wonach neben einer "militanten Praxis" auch die Arbeit in "legalen Basisinitiativen" erforderlich sei. Der frühere Beschuldigte U. habe wahrscheinlich unter dem Decknamen "Antonio" als Vertreter der "militante gruppe" am "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; seine Äußerungen wiesen eine Fülle von Parallelen in Argumentation und Diktion zu den Positionspapieren der Jahre 1996 und 1997 auf. Er habe erklärt, als "Thema der Zukunft" für militanten Widerstand biete sich an, Firmen anzugreifen, die sich weigern, Zwangsarbeitern Entschädigungen zu zahlen. Ähnlich habe sich U. im November 2000 geäußert. Vor diesem Hintergrund biete die enge Zusammenarbeit der drei Beschuldigten in Themenbereichen der "militante gruppe" konkrete Anhaltspunkte für die Annahme , dass sie Gründungsmitglieder der Vereinigung seien.
18
In der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2001 wird unter anderem ausgeführt, die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den Positionspapieren aus den Jahren 1996 und 1997, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Das den Erkenntnissen des BfV entgegenstehende linguistische Gutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 findet indes - wie auch in der Anregung des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom selben Tage - keine Erwähnung.
19
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnete sodann antragsgemäß mit Beschluss vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs der früheren Beschuldigten einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten an. Zum Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten enthält die Entscheidung dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechende Erwägungen.
20
bb) Bei der zum Zeitpunkt des Beschlusses am 24. Juli 2001 bestehenden Beweislage hätten die Überwachungsmaßnahmen auch bei Berücksichtigung des den anordnenden Stellen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht gestattet werden dürfen. Die den Ermittlungsakten zu entnehmenden Erkennt- nisse des BfV begründen nicht den für eine Maßnahme nach § 100 a StPO erforderlichen Verdacht, die früheren Beschuldigten hätten sich wegen einer Tat nach den §§ 129 ff. StGB oder einer sonstigen Katalogtat strafbar gemacht. Zwar war genügend wahrscheinlich, dass es sich bei der "militante gruppe" um eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelte. Jedoch boten die Ermittlungsergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die früheren Beschuldigten diese gegründet, sich an ihr als Mitglieder beteiligt, sie unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer geworben, mithin eine nach den §§ 129 ff. StGB strafbare Handlung begangen haben könnten.
21
Die Annahme des BfV, es bestehe der Verdacht, die drei früheren Beschuldigten seien Gründungsmitglieder der "Selbstportrait-Gruppe" gewesen, ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt. Den Ausführungen des Verfassungsschutzes lässt sich zwar entnehmen, dass die früheren Beschuldigten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind und sich mit Themenbereichen befasst haben, die auch Gegenstand der Verlautbarungen in den der "Selbstportrait -Gruppe" zugerechneten Schriften waren. Dabei handelt es sich jedoch mit der Problematik der Entschädigung von Zwangsarbeitern und Ähnlichem um eher allgemeine, zur damaligen Zeit auch verstärkt in der öffentlichen Diskussion befindliche und nicht derart spezielle Themen, dass hieraus nähere Rückschlüsse auf die Personen der früheren Beschuldigten gezogen werden können. Den Angaben des BfV lässt sich trotz der langjährigen Beobachtung der früheren Beschuldigten und des Umstands, dass gegen diese schon seit dem Jahr 1998 - und damit bereits etwa drei Jahre - operative Maßnahmen durchgeführt wurden, nichts entnehmen, was wesentlich über allgemeine Erkenntnisse über deren politische Orientierung hinausgeht.
22
Das BfV hat ebenfalls nicht ausreichend dargetan, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte anzunehmen sein sollte, dass der frühere Beschuldig- te U. als "Antonio" an dem "Runden Tisch der Militanten" teilnahm. Dem Bericht vom 3. Juli 2001 ist insoweit im Wesentlichen lediglich zu entnehmen , "durch ein Bündel operativer Maßnahmen" habe das BfV Ort und Zeit des konspirativen Treffens ermittelt. Außerdem zeigen Observationsfotos den früheren Beschuldigten U. beim Betreten des Gebäudes, in dem das Treffen stattfand. Bei dieser Beweislage ist als hinreichend wahrscheinlich nur anzunehmen , dass er an dem Treffen teilgenommen hat. Die näheren Einzelheiten bezüglich seines Verhaltens in der Diskussionsrunde bleiben jedoch völlig im Dunkeln. Insbesondere erhellt sich nicht, wieso das BfV davon ausgeht, gerade er habe die Rolle des "Antonio" eingenommen. Der Umstand, dass der frühere Beschuldigte U. sich - wie "Antonio" - thematisch mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern sowie der "RZ" befasst hat, ist aus den genannten Gründen auch in diesem Zusammenhang allenfalls ein nur äußerst schwaches, nicht ausreichendes Indiz für eine Identität. Nach den zur Ermittlungsakte gelangten Erkenntnissen kann der frühere Beschuldigte U. demnach mit genauso großer Wahrscheinlichkeit der "Militante Moderator" oder ein sonstiger Diskussionsteilnehmer gewesen sein.
23
Zu den Textvergleichen und den aus deren Ergebnissen gezogenen Schlüssen hat der Senat bereits früher darauf hingewiesen, dass bei Analysen von Bekennerschreiben vorgefundene Übereinstimmungen in thematischer, stilistischer und textgestalterischer Hinsicht regelmäßig Indizien mit einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert sind (BGH, Beschl. vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, Rdn. 33). Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch die Ausführungen in dem Behördengutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 zu den methodischen Problemen, die sich bei der Analyse und Bewertung von Texten aus dem linksextremistischen Bereich stellen (Ziffer 4.2, SA Band 1 Ordner 1 Bl. 299), nachhaltig bestätigt. Hinzu kommt die Möglichkeit , dass verschiedene Urheber ihnen zugängliche Texte anderer Autoren zur Kenntnis nehmen und sich darauf beziehen oder diese nachahmen. Somit sind die diesbezüglichen Ausführungen des BfV schon für sich nicht geeignet, Wesentliches zur Begründung eines Tatverdachts gegen die früheren Beschuldigten beizutragen.
24
Die Beweisbedeutung der von den Verfassungsschutzbehörden durchgeführten Textvergleiche wird noch geringer, wenn man die Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts in die Bewertung einbezieht. Die dort dargelegten Gründe, einen Vergleich der schriftlichen Texte mit den mündlichen und später verschrifteten Äußerungen des "Antonio" gar nicht erst vorzunehmen, sind in hohem Maße plausibel. Im Übrigen lässt sich nach den sachverständigen Äußerungen des Bundeskriminalamts für kein einziges Tatbekennerschreiben auch nur mit einem geringen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Urheberidentität mit den der "Selbstportrait-Gruppe" zugerechneten Texten aus den Jahren 1996 und 1997 feststellen. Dieses Ergebnis wird nicht maßgebend relativiert durch die Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem auf den 31. Juli 2002 datierten Vermerk (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 334 ff.). Dort werden die abweichenden Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts und der Analyse des BfV damit zu erklären versucht, dass die Tätigkeit des BfV darauf gerichtet gewesen sei, Texte als gedankliches Produkt einer Gruppe zu erkennen. Das Gutachten des Bundeskriminalamts habe demgegenüber auf die Identität des konkreten Verfassers der Texte abgestellt. Da die Möglichkeit bestehe, dass unterschiedliche Personen aus derselben Gruppe die untersuchten Schriften verfasst haben könnten, habe das BfV zu anderen Resultaten als das Bundeskriminalamt kommen können. Diese Argumentation greift schon im Ansatz nicht, soweit es die Äußerungen des "Antonio" anlässlich des "Runden Tischs der Militanten" betrifft. Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob sie im Übrigen plausibel sein könnte; selbst wenn man ihr folgen wollte, lässt sich aus der Analyse des BfV, die dann allenfalls Gruppenübereinstimmungen aufzeigen könnte, jedenfalls kein konkreter Verdacht gegen einen der früheren Beschuldigten ableiten , eine bestimmte Straftat begangen zu haben.
25
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass sich ein genügender Verdacht gegen die früheren Beschuldigten gerade in der Zeit vor Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der strafprozessualen Maßnahmen gebildet hat. Die in Rede stehenden Brandanschläge begannen bereits im Jahre 1995. Schon in Vermerken vom 18. August 1999, 21. Februar 2000, 27. April 2000 und 7. Februar 2001 hatte das BfV Textvergleiche vorgenommen und war zu der Einschätzung gelangt, es bestünden wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Selbstbezichtigungsschreiben bzw. den Aussagen des "Antonio" anlässlich der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" einerseits und den Texten der "Selbstportrait-Gruppe" andererseits. Die früheren Beschuldigten waren den Verfassungsschutzbehörden bereits seit langem als Mitglieder der linksautonomen Szene bekannt; gegen sie wurde schon seit 1998 operativ ermittelt. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen sie wurde jedoch erst eingeleitet, als die Verfassungsschutzbehörden aufgrund der Drohbriefe im Sommer 2001 - in der Sache möglicherweise mit Recht - von einer veränderten Zielrichtung der Gruppierung in dem Sinne ausgingen, dass sie befürchteten, die Angriffe könnten sich nunmehr auch gegen Personen richten. Dies deutet zumindest darauf hin, dass Grund für die strafprozessuale Verfolgung der früheren Beschuldigten ab Sommer 2001 nicht die Verdichtung eines gegen sie bestehenden Verdachts gewesen sein könnte, konkrete Straftaten begangen zu haben, sondern die Annahme der Polizei- und/oder Verfassungsschutzbehörden , die Gefahrenlage habe sich erhöht. Ähnliches gilt für den späteren Verlauf der Ermittlungen. Die Überwachungsmaßnahmen wurden mehrfach abgebrochen und in der Folgezeit wieder aufgenommen, ohne dass ausreichende neue Tatsachen dargelegt sind, die nunmehr den Verdacht begründen könnten, die früheren Beschuldigten hätten eine Straftat begangen. Statt dessen erscheinen jedenfalls teilweise Zusammenhänge zwischen der Intensität der Überwachung der früheren Beschuldigten und der allgemeinen Sicherheitslage als naheliegend. So war die Überwachung zum Beispiel ab November 2004 für eine kurze Zeit besonders intensiv. Dies könnte der Gefahrenlage in der Silvesternacht 2004/2005 geschuldet gewesen sein, nachdem es in den vergangenen Jahren in den Silvesternächten zu Anschlägen gekommen war. Der Senat verkennt weder, dass die Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit oder einzelne Personen eine vordringliche staatliche Aufgabe ist, noch dass aufgrund der Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes durch die §§ 129 ff. StGB (BGHSt 41, 47, 51) die Abgrenzung zwischen präventiven Ermittlungen und solchen zur Verfolgung von bereits begangenen Straftaten nicht in jedem Falle trennscharf möglich ist. Er sieht gleichwohl Anlass, darauf hinzuweisen, dass die präventive Gefahrenabwehr nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist und nicht durch Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage der Strafprozessordnung durchgeführt werden darf.
26
cc) Mit Blick auf den Umstand, dass das Gutachten des Bundeskriminalamts weder in der vom Bundeskriminalamt an den Generalbundesanwalt gerichteten Anregung noch in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Erwähnung findet, bemerkt der Senat: Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen davon ausgehen können, dass sie im Ermittlungsverfahren ihre Entscheidungen auf der Grundlage aller maßgebenden, bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt angefallenen Ermittlungsergebnisse treffen. Der Ermittlungsrichter ist bereits von Verfassungs wegen verpflichtet , die Zulässigkeit der beabsichtigten Maßnahme eigenständig zu prüfen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 1121, 1122 für den Fall der Anordnung einer Durchsuchung). Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des früheren Beschuldigten fehlt es an einer solchen eigenständigen Prüfung nicht ohne Weiteres bereits dann, wenn der Ermittlungsrichter Passagen aus der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft wörtlich in seinen Beschluss übernimmt. Denn stimmt der Ermittlungsrichter in seiner Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Ermittlungsmaßnahmen vorliegen, mit derjenigen der Antragstellerin überein, so ist er nicht verpflichtet, dies durch eine eigene sprachliche Stilübung im Anordnungsbeschluss selbstständig zu formulieren; vielmehr darf er insoweit durchaus wörtlich auf die Ausführungen in der Antragsschrift zurückgreifen. Die dem zugrunde liegende, unabdingbare, eigenständige Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings in der Praxis häufig unter großem Zeitdruck durchgeführt werden; der Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden (BVerfG aaO) wird deshalb nicht unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht annehmen kann, dass die Beweislage , soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den Antragsschriften ohne erhebliche Lücken dargetan ist.
27
b) Die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie etwa in den Sachstandsberichten des Bundeskriminalamts niedergelegt sind, sind mit Blick auf eine mögliche Begehung von Straftaten nicht von derart erheblichem Belang, dass sie einen ausreichenden Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten begründen könnten; deshalb sind auch alle späteren Anordnungen von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung rechtswidrig.
28
So lässt etwa die Erklärung von "Libertad!" vom 26. November 2003, keine belastbaren Rückschlüsse auf die Begehung konkreter Straftaten durch die früheren Beschuldigten zu. Soweit dort unter anderem "Arbeitsämter" als Anschlagsziele der "militante gruppe" genannt wurden, obwohl diese sich unter dieser Bezeichnung bis dahin nicht zu einem Anschlag auf ein Arbeitsamt bekannt hatte, ist dies bereits für sich genommen zur Begründung eines Tatver- dachts wenig aussagekräftig. Hinzu kommt, dass gerade vor dem Hintergrund der Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe", in der Arbeitsämter und ähnliche Institutionen mit dem Ziel aufgelistet sind, andere Gruppierungen zu Aktionen zu veranlassen, die Möglichkeit einer ungenauen Recherche oder eines schlichten Versehens beim Abfassen des Textes nicht fern liegt (s. auch die ähnliche Bewertung durch das Bundeskriminalamt in seinem Auswertungsbericht vom 27. Mai 2008, S. 78; SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000078).
29
Die Äußerungen des früheren Beschuldigten F. in den Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 befassen sich nicht mit den verfolgten Taten; sie belegen letztlich lediglich dessen Nähe zu linksautonomem Gedankengut. In den den Äußerungen nachfolgenden Anträgen des Generalbundesanwalts und den Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wird ihnen keine Bedeutung beigemessen.
30
Entsprechendes gilt für die SMS, die der frühere Beschuldigte F. am 15. Februar 2002 von einem Frankfurter Libertad-Aktivisten erhielt; aus dieser lässt sich entsprechend den Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem TKÜ-Auswertungsbericht vom 12. April 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 132, 139) ein ausreichend konkreter Bezug zu dem am 5. Februar 2002 in Berlin begangenen Anschlag nicht herstellen, der die Wahrscheinlichkeit begründen könnte, der frühere Beschuldigte F. habe sich an diesem Anschlag in strafbarer Weise beteiligt. Dort heißt es: "Ein Zusammenhang zwischen der SMS an den Beschuldigten F. und dem Brandanschlag auf das Bezirksamt kann weder ausgeschlossen noch mit Sicherheit angenommen werden. D. h., es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob G. mit der SMS auf den Brandanschlag anspielt bzw. ob und von wem er über diesen Anschlag und dessen Hintergründe informiert war." Der Senat sieht keinen Anlass für eine hiervon abweichende Beurteilung.
31
Der Inhalt der Auswertungsberichte des Bundeskriminalamts zu den Überwachungsmaßnahmen zeigt vielmehr, dass wesentliche Erkenntnisse zu begangenen Straftaten nicht gewonnen werden konnten. Beispielhaft sei auf folgende Bewertungen hingewiesen: In dem Bericht vom 14. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 97, 101) wird ausgeführt: "Es ergaben sich durch die Telefonüberwachungsmaßnahmen weder Hinweise darauf, dass U. Mitglied in der 'militante(n) gruppe (mg)' ist, noch dass er Straftaten begangen hat." In der Telefaxnachricht des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom 15. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 94 f.) heißt es auszugsweise : "Die TKÜ-Maßnahmen erbrachten bisher keine Erkenntnisse darüber, ob die Beschuldigten Mitglieder der 'militante(n) gruppe' sind." Etwa ein Jahr später kommt das Bundeskriminalamt in seinem TKÜ-Auswertungsbericht vom 14. Januar 2003 zu folgendem Ergebnis (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 283, 289): "Im Überwachungszeitraum konnte der Tatverdacht gegen F. , Mitglied der 'militanten gruppe (mg)' zu sein, nicht erhärtet werden. (…) Anhaltspunkte für eine Beteiligung von F. an der Presseerklärung konnten nicht gefunden werden. Bzgl. des Brandanschlags auf das Finanzamt scheidet F. als Täter aus, da er in der fraglichen Zeit in Schweden war." Im TKÜAuswertungsbericht vom 14. Oktober 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 65, 74) heißt es: "Eine Beteiligung der Mitglieder der libertad! Berlin-Gruppe, insbesondere H. s und U. s an Straftaten der 'militanten gruppe (mg)' gem. § 129 a StGB kann hier aufgrund der TKÜ-Maßnahmen derzeit weder bestätigt noch widerlegt werden." In einem Vermerk des Bundeskriminalamts vom 27. November 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 91) wird aus Anlass einer vorangegangen Veröffentlichung des Magazins FOCUS über die Überwachung der früheren Beschuldigten unter anderem ausgeführt: "Bei keinem dieser Anschläge ist es mit den TKÜ-Maßnahmen bisher gelungen, beweisrelevante Anhaltspunkte für eine unmittelbare Tatbeteiligung eines der o. a.
Beschuldigten zu erhalten. In vielen der genannten Fälle ist eine Tatbeteiligung einzelner Beschuldigter lediglich möglich. (…) Es ist somit unwahrscheinlich, mit den TKÜ-Maßnahmen, die bisher weitestgehend ins Leere gelaufen sind, in näherer Zukunft bei dem gleichen Personenkreis Beweise für eine Tatbegehung zu erlangen."
32
Die Ermittlungen haben sogar - auch nach Auffassung des Bundeskriminalamts und des Generalbundesanwalts - die früheren Beschuldigten entlastende Umstände erbracht. In Einzelfällen belegen die Ergebnisse der verdeckten Maßnahmen, dass die früheren Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht beteiligt gewesen sein können (vgl. u. a. Auswertungsvermerk vom 6. Februar 2008, SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000255 ff.). So ist etwa eine unmittelbare Mitwirkung für alle drei früheren Beschuldigten an dem Brandanschlag auf das Oberlandesgericht Naumburg und auf ein Kraftfahrzeug der Staatsanwaltschaft Halle am 18. September 2003, die Beteiligung des früheren Beschuldigten F. an den Brandanschlägen auf das Finanzamt BerlinNeukölln am 1. Januar 2003 und auf das Polizeipräsidium Berlin am 9. April 2006 sowie des früheren Beschuldigten U. an dem Brandanschlag auf das Arbeitsamt Berlin-Südwest am 27. April 2003 auszuschließen. Die Ergebnisse der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen legen zudem in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Mitwirkung einzelner früherer Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich oder sogar unmöglich war. Dies gilt für alle drei früheren Beschuldigten für das Absenden einer E-Mail mit dem gekürzten Selbstbezichtigungsschreiben zu dem versuchten Brandanschlag auf das Arbeitsamt BerlinSüdwest am 27. April 2004, für den Brandanschlag auf zwei Polizeifahrzeuge in Berlin-Lichtenrade in der Nacht zum 5. Mai 2006, für den Brandanschlag auf das Sozialgericht Berlin in der Nacht zum 24. Mai 2006 sowie für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Oranienburg in der Nacht zum 15. Januar 2007; für die früheren Beschuldigten U. und F. für den Brandanschlag auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung in BerlinDahlem in der Nacht zum 9. November 2005, für den Brandanschlag auf vier Fahrzeuge des Ordnungsamts Berlin Treptow-Köpenick in der Nacht zum 20. März 2006, für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Berlin-Lichtenberg in der Nacht zum 4. September 2006, für den Brandanschlag auf zwei Einsatzfahrzeuge der Berliner Polizei in Berlin-Spandau am 18. Mai 2007 sowie für den Brandanschlag auf zwei Kraftfahrzeuge des Ordnungsamts Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 11. September 2006; für die früheren Beschuldigten F. und H. für die Taten in der Nacht zum 20. Dezember 2006 sowie für den Brandanschlag auf ein Bürogebäude in Berlin-Mitte am 16. März 2007; für den früheren Beschuldigten F. für das Verfassen des Textes "Für einen revolutionären Aufbauprozeß Für eine militante Plattform von der militanten gruppe (mg) 15.04.02", veröffentlicht in der Interim Nr. 550 vom 5. September 2002 sowie für einen Telefonanruf im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf Fahrzeuge einer Chrysler-Niederlassung in Großziethen in der Nacht zum 29. April 2002; für den früheren Beschuldigten U. für die Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe" vom 17. April 2003 sowie für den Brandanschlag auf einen LKW der Fa. "ALBA" in Berlin in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2003; für den früheren Beschuldigten H. für den Brandanschlag auf den Rohbau eines LIDLMarktes in Berlin-Steglitz in der Nacht zum 10. Januar 2005, für die Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge in Potsdam und Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 29. April 2005 sowie schließlich für die Straftaten in der Nacht zum 17. Februar 2006.
33
Da nach alldem zu keinem Zeitpunkt ein ausreichender Tatverdacht bestand , muss der Senat nicht darüber entscheiden, ab welchem Zeitpunkt eine ursprünglich zulässige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme bei an- gemessener Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unzulässig geworden wäre, weil im Überwachungszeitraum keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erlangt wurden.
34
4. Die obigen Ausführungen gelten für die nach § 163 f StPO angeordneten und durchgeführten Observationsmaßnahmen einschließlich der Begleitmaßnahmen entsprechend. Auch insoweit fehlte es an einem die Maßnahmen rechtfertigenden Verdacht; denn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass einer der früheren Beschuldigten eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte, lagen nicht vor.

III.

35
Da das Rechtsmittel Erfolg hat, trägt die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen (§§ 464, 473 StPO). Eine Entscheidung über die in erster Instanz entstandenen Auslagen des früheren Beschuldigten war aus den vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zutreffend dargelegten Gründen nicht veranlasst. Becker von Lienen Schäfer

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
StB 16/09
vom
11. März 2010
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts des Gründens einer kriminellen Vereinigung u. a.
hier: Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ermittlungsmaßnahmen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2010 gemäß § 101
Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. April 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die durch die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001), 30. Juli 2001 (1 BGs 139/2001), 28. August 2001 (1 BGs 200/2001), 12. Oktober 2001 (1 BGs 278/2001), 22. Oktober 2001 (1 BGs 281/2001), 27. November 2001 (1 BGs 351/2001), 9. Januar 2002 (1 BGs 11/2002), 18. Januar 2002 (1 BGs 35/2002), 25. Februar 2002 (1 BGs 80/2002), 1. März 2002 (1 BGs 85/2002), 18. April 2002 (1 BGs 110/2002), 3. Juni 2002 (1 BGs 130/2002), 17. Juli 2002 (1 BGs 147/2002), 27. September 2002 (1 BGs 177/2002), 18. Oktober 2002 (1 BGs 185/2002), 2. Dezember 2002 (1 BGs 205/2002), 21. Januar 2003 (1 BGs 43/2003), 27. Februar 2003 (1 BGs 90/2003), 25. März 2003 (1 BGs 114/2003), 16. April 2003 (1 BGs 140/2003), 18. Juli 2003 (1 BGs 216/2003), 20. Oktober 2003 (1 BGs 384/2003), 8. April 2004 (1 BGs 94/2004), 7. Juli 2004 (1 BGs 146/2004), 6. Oktober 2004 (1 BGs 155/2004), 29. November 2004 (1 BGs 172/2004) und 6. Juli 2006 (1 BGs 91/2006) angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie die durch Verfügungen des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002, 15., 22. und 31. März 2004 und durch die Beschlüsse des Ermittlungs- richters des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2002 (1 BGs 148/2002), 22. August 2002 (1 BGs 163/2002), 1. April 2004 (1 BGs 87/2004), 23. April 2004 (1 BGs 102/2004), 27. Oktober 2004 (1 BGs 162/2004), 25. November 2004 (1 BGs 171/2004), 11. Februar 2005 (1 BGs 11/2005) und 9. März 2005 (1 BGs 26/2005) angeordneten Observationsmaßnahmen (zum Teil unter Einsatz technischer Mittel und nebst Herstellung von Lichtbildern) rechtswidrig waren. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

1
Der Generalbundesanwalt führte gegen den Beschwerdeführer, die weiteren früheren Beschuldigten U. sowie H. und gegen unbekannt seit dem 16. Juli 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, die terroristische Vereinigung "militante gruppe" gegründet zu haben (§ 129 a StGB). In der Zeit vom 24. Juli 2001 bis zum 6. Juli 2006 wurden gegen die früheren Beschuldigten zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung des Bundeskriminalamts vom 17. September 2008 (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 367 ff.) Bezug genommen. Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 28. November 2007 - StB 43/07 (BGHSt 52, 98) ausgeführt hatte, dass eine Strafbarkeit der Mitglieder der "militante gruppe" gemäß § 129 a StGB nach der Umgestaltung der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) nicht in Betracht komme, änderte der Generalbundesanwalt mit Verfügung vom 10. März 2008 das Verfahrensrubrum dahin, dass gegen die früheren Beschuldigten und unbekannt wegen Gründung der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gemäß § 129 StGB u. a. ermittelt werde.
2
Mit Verfügung vom 22. September 2008 stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen die früheren Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein; gegen unbekannt führt er es weiter. Zur Begründung der Einstellung führte er unter anderem aus, die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen hätten den Anfangsverdacht gegen die früheren Beschuldigten nicht erhärtet. Sie hätten keine belastbaren Hinweise dafür erbracht, dass diese an konkreten Straftaten oder der Abfassung bestimmter Texte der Vereinigung unmittelbar beteiligt gewesen seien. In einzelnen Fällen belegten die Ergebnisse der operativen Maßnahmen sogar positiv, dass die Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht teilgenommen haben konnten. Zudem legten die verdeckt erlangten Erkenntnisse in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Beteiligung einzelner Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich sei. Soweit die Ermittlungen Erkenntnisse zu politischen Auffassungen und Betätigungsformen der früheren Beschuldigten erbracht hätten, seien diese im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts nicht geeignet, eine strafbewehrte Verbindung der früheren Beschuldigten zur "militante gruppe" zu belegen.
3
Der Generalbundesanwalt hat den früheren Beschuldigten mit Schreiben vom 22. September 2008 über die gegen ihn angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unterrichtet und ihn mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes hingewiesen. Mit Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 2. und 22. Oktober 2008 sowie 13. März 2009 hat der frühere Beschuldigte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der ihm mitgeteilten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragt.
4
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat diesen Antrag mit Beschluss vom 6. April 2009 als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, gegen den früheren Beschuldigten habe im Zeitpunkt der Anordnung der jeweiligen Maßnahme sowie während ihrer Durchführung der Verdacht bestanden, Mitglied der (zumindest) kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gewesen zu sein. Für die erste zu überprüfende ermittlungsrichterliche Anordnung vom 24. Juli 2001 begründeten die dort in Bezug genommenen Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz (im Folgenden : BfV) einen die Maßnahme rechtfertigenden Anfangsverdacht. Dieser habe in der Folgezeit fortbestanden. Von Bedeutung hierfür sei etwa gewesen, dass der frühere Beschuldigte in zwei Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 Gewalt - auch gegen öffentliche Einrichtungen - gutgeheißen habe; der Inhalt einer SMS vom 15. Februar 2002 sei ebenfalls geeignet gewesen, den Tatverdacht weiter zu bestärken.
5
Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 7. April 2009 eingelegte sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten. Dieser macht insbesondere geltend, ein Tatverdacht habe zu keinem Zeitpunkt während des Ermittlungsverfahrens bestanden. Die Maßnahmen seien zudem unverhältnismäßig gewesen; auch seien Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht getroffen worden. Schließlich hätten sie keinen Erfolg versprochen, da die früheren Beschuldigten bereits Zielpersonen von Tele- kommunikationsüberwachungen des BfV gewesen seien, die offensichtlich keine Belege für ein strafbares Handeln erbracht hätten.

II.

6
Das gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO statthafte Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender Tatverdacht gegen den früheren Beschuldigten nicht bestand. Auf die weiteren, von dem früheren Beschuldigten aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es deshalb nicht an. Ebenso muss der Senat nicht entscheiden, ob die Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen rechtswidrig war; damit ist auch der Antrag des früheren Beschuldigten auf weitergehende Akteneinsicht gegenstandslos. Im Einzelnen :
7
1. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat den Antrag des früheren Beschuldigten zu Recht auch bezüglich des Beschlusses vom 25. März 2003 (1 BGs 114/2003) als zulässig gewertet. Der Generalbundesanwalt ist dem im Beschwerdeverfahren auch nicht - mehr - entgegen getreten.
8
2. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat ebenfalls zu Recht und mit zutreffender Begründung seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag des früheren Beschuldigten angenommen (BGH, Beschl. vom 22. Januar 2009 - StB 24/08).
9
3. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation gilt:
10
Die Maßnahmen setzten nach § 100 a StPO in der jeweils geltenden Fassung - soweit hier von Relevanz - voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine Straftat nach §§ 129, 129 a StGB oder eine sonstige Katalogtat begangen. Die Norm verlangt danach - insoweit in Übereinstimmung mit der heute geltenden Fassung - keinen bestimmten Verdachtsgrad; der Tatverdacht muss daher insbesondere weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch gar dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO sein (Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 100 a Rdn. 42). § 100 a StPO erfordert vielmehr nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (BVerfG NJW 2007, 2749, 2751); der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen (BVerfG NJW 2005, 2603, 2610) und mehr als nur unerheblich sein (BGHSt 41, 30, 33). Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 100 a Rdn. 9), in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat (Nack in KK 6. Aufl. § 100 a Rdn. 34; noch enger Wolter in SKStPO § 100 a Rdn. 43, § 100 c Rdn. 41). Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BGHSt 47, 362, 365 f.; 48, 240, 248). Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand (BGHSt 41, 30, 33; BGH NStZ 2007, 117).
11
a) Bereits bei der ersten Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten durch den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) lag ein nach dem dargelegten Maßstab ausreichender Tatverdacht nicht vor.
12
aa) Der damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar:
13
Am 14., 20. und 21. Juni 2001 gingen bei dem Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und den Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft" drei gleichlautende Schreiben mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich …" ein, denen jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Die einseitige Erklärung ist unterzeichnet mit "militante gruppe (mg), 12.6.01". Am 22. Juni 2001 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Kraftfahrzeug der Daimler-BenzNiederlassung in Berlin-Marienfelde. In anschließend bei verschiedenen Presseorganen eingegangenen Schreiben bekannten sich Mitglieder der "militante gruppe" zu der Tat und begründeten sie mit der Rolle des DaimlerChryslerKonzerns bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Daneben bezogen sich die Verfasser auf die dargelegten Drohschreiben.
14
Unter dem 3. Juli 2001 übermittelte das BfV dem Generalbundesanwalt einen Bericht. In diesem wird mitgeteilt, dass die vorgenannten Taten nach Einschätzung des BfV von einer in Berlin seit mehreren Jahren aktiven militanten Gruppierung verübt worden seien, die in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei in dem autonomen Szeneblatt "Interim" veröffentlichte Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Das BfV rechnete dieser "Selbstportrait-Gruppe" insbesondere mehrere Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge zu, die ab dem 10. August 1995 begangen worden waren. Das BfV nahm zudem eine Textanalyse vor, bei der die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 sowie 1997 und die Taterklärungen ausgewertet und verglichen wurden. Es kam zu der Bewertung, Übereinstimmungen in Argumentation, Diktion und Form sprächen für eine Autorenidentität sowohl hinsichtlich der Taterklärungen untereinander als auch in Bezug auf die Taterklärungen und die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe". Die Gruppe befinde sich offenbar an einem Scheideweg und scheine bereit zu sein, künftig gegen Personen militant aktiv zu werden.
15
Nach Einschätzung des BfV waren die drei früheren Beschuldigten Mitglieder der "Selbstportrait-Gruppe". Die früheren Beschuldigten U. und H. waren den Verfassungsschutzbehörden seit dem Jahr 1981, der frühere Beschuldigte F. seit etwa 1989/1990 als Aktivisten innerhalb der autonomen bzw. antiimperialistischen Szene bekannt. In dem Bericht vom 3. Juli 2001 heißt es zu ihnen weiter: "Zumeist engagierten sie sich - analog dem Selbstverständnis der 'Selbstportraitgruppe' u. a. in dem Berliner 'Solidaritätskomitee Benjamin Ramos Vega'. Später - etwa ab Sommer 1998 - traten sie zusammen mit anderen Personen als 'Internationalistische Gruppe' auf. Seit Anfang 1999 arbeiten sie - u. a. in Kontakt mit Angehörigen der Initiative 'Libertad !' - intensiv an der Vorbereitung und Durchführung der 'Internationalen Arbeitskonferenz Befriedung oder Befreiung' (Ostern 1999) mit. Anfang 2000 gründeten sie eine eigene 'Libertad!'-Gruppe Berlin (…). Gegen U. , F. und H. führt das BfV seit Ende 1998 operative Maßnahmen. Dadurch wurde der enge 'gruppenmäßige' Zusammenhang der Genannten belegt." Der frühere Beschuldigte U. habe zudem als "Antonio" an einem konspirativen "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; eine Niederschrift des dort geführten Gesprächs sei im März 2000 in der "Interim" veröffentlicht worden. Die Äußerungen des als "Antonio" auftretenden Aktivisten wiesen, so das BfV, in Argumentation und Diktion eine Fülle von Parallelen zu Papieren der "Selbstportrait-Gruppe" auf.
16
Unter dem 2. Juli 2001 erstattete das Kriminaltechnische Institut des Bundeskriminalamts ein linguistisches Behördengutachten, in dem die zwei Texte der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 und 1997, neun Selbstbekennerschreiben zu verschiedenen Anschlägen, eine Grußbotschaft der Militanten Antiimperialistischen Gruppe, eine in der Zeitschrift "radikal" veröffentlichte Anleitung zum Bau von Brandsätzen sowie die Äußerungen des "Antonio" bei der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" auf eine eventuelle Urheberschaftsidentität verglichen werden sollten. Während das BfV für alle diese Texte eine Autorenidentität annahm, stellte das Gutachten des Bundeskriminalamts eine Übereinstimmung nur für die Grundsatzpapiere der Jahre 1996 und 1997 sowie die Bauanleitung für den Brandsatz mit dem Wahrscheinlichkeitsgrad "wahrscheinlich" fest. Die Identität der Verfasser der Erklärungen von 1996 und 1997 mit denjenigen der Selbstbekennerschreiben und der Grußbotschaft wurde entweder als mit dem Grad "wahrscheinlich" ausgeschlossen oder sie konnte weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Einen näheren Vergleich der schriftlichen Texte und der mündlichen Äußerungen des "Antonio" nahm das Gutachten nicht vor. Der Sachverständige wies insoweit auf erhebliche methodische Probleme beim Vergleich von schriftlichen und mündlichen Texten hin. Die mündliche Rede sei spontan, enthalte kürzere Äußerungen und weise Abbrüche, Korrekturen, Interjektionen sowie Neuanfänge auf. Die mündliche Sprache basiere außerdem auf einer wechselseitigen Beeinflussung von Sprecher und Hörer, bestimmte Formulierungen würden unter Umständen übernommen. Werde eine solche mündliche Rede von Laien verschriftet, sei im Übrigen im Nachhinein regelmäßig nicht mehr festzustellen, wie der exakte Gesprächsverlauf war und wer was in welcher Form gesagt habe.
17
Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die früheren Beschuldigten und gegen unbekannt durch den Generalbundesanwalt am 16. Juli 2001 regte das Bundeskriminalamt mit Schreiben an den Generalbundesanwalt vom 20. Juli 2001 an, einen Beschluss zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation der Beschuldigten zu beantragen. Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte der Generalbundesanwalt beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Aktionen im Jahre 2001 seien nach Erkenntnissen des BfV möglicherweise von einem in Berlin seit Jahren aktiven "militanten Zusammenhang" verübt worden, der in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den genannten Positionspapieren, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Die früheren Beschuldigten seien aufgrund von Erkenntnissen des BfV verdächtig, Gründungsmitglieder der "militante gruppe" zu sein. Dies folge daraus, dass sie sich mit den Arbeitsfeldern "Internationalismus" und "Gefangenenarbeit" befassten, die auch den wesentlichen Schwerpunkt der "Politik" der "militante gruppe" bildeten. Sie arbeiteten in verschiedenen Solidaritätskommitees und der Gruppe "Libertad!" zusammen. In verschiedenen Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen hätten die Täter Bezug auf Aussagen dieser legal arbeitenden Gruppen genommen, so dass von einer personellen Verflechtung auszugehen sei. Damit entsprächen die Beschuldigten auch dem Selbstverständnis der "militante gruppe", wonach neben einer "militanten Praxis" auch die Arbeit in "legalen Basisinitiativen" erforderlich sei. Der frühere Beschuldigte U. habe wahrscheinlich unter dem Decknamen "Antonio" als Vertreter der "militante gruppe" am "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; seine Äußerungen wiesen eine Fülle von Parallelen in Argumentation und Diktion zu den Positionspapieren der Jahre 1996 und 1997 auf. Er habe erklärt, als "Thema der Zukunft" für militanten Widerstand biete sich an, Firmen anzugreifen, die sich weigern, Zwangsarbeitern Entschädigungen zu zahlen. Ähnlich habe sich U. im November 2000 geäußert. Vor diesem Hintergrund biete die enge Zusammenarbeit der drei Beschuldigten in Themenbereichen der "militante gruppe" konkrete Anhaltspunkte für die Annahme , dass sie Gründungsmitglieder der Vereinigung seien.
18
In der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2001 wird unter anderem ausgeführt, die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den Positionspapieren aus den Jahren 1996 und 1997, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Das den Erkenntnissen des BfV entgegenstehende linguistische Gutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 findet indes - wie auch in der Anregung des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom selben Tage - keine Erwähnung.
19
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnete sodann antragsgemäß mit Beschluss vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs der früheren Beschuldigten einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten an. Zum Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten enthält die Entscheidung dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechende Erwägungen.
20
bb) Bei der zum Zeitpunkt des Beschlusses am 24. Juli 2001 bestehenden Beweislage hätten die Überwachungsmaßnahmen auch bei Berücksichtigung des den anordnenden Stellen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht gestattet werden dürfen. Die den Ermittlungsakten zu entnehmenden Erkennt- nisse des BfV begründen nicht den für eine Maßnahme nach § 100 a StPO erforderlichen Verdacht, die früheren Beschuldigten hätten sich wegen einer Tat nach den §§ 129 ff. StGB oder einer sonstigen Katalogtat strafbar gemacht. Zwar war genügend wahrscheinlich, dass es sich bei der "militante gruppe" um eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelte. Jedoch boten die Ermittlungsergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die früheren Beschuldigten diese gegründet, sich an ihr als Mitglieder beteiligt, sie unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer geworben, mithin eine nach den §§ 129 ff. StGB strafbare Handlung begangen haben könnten.
21
Die Annahme des BfV, es bestehe der Verdacht, die drei früheren Beschuldigten seien Gründungsmitglieder der "Selbstportrait-Gruppe" gewesen, ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt. Den Ausführungen des Verfassungsschutzes lässt sich zwar entnehmen, dass die früheren Beschuldigten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind und sich mit Themenbereichen befasst haben, die auch Gegenstand der Verlautbarungen in den der "Selbstportrait -Gruppe" zugerechneten Schriften waren. Dabei handelt es sich jedoch mit der Problematik der Entschädigung von Zwangsarbeitern und Ähnlichem um eher allgemeine, zur damaligen Zeit auch verstärkt in der öffentlichen Diskussion befindliche und nicht derart spezielle Themen, dass hieraus nähere Rückschlüsse auf die Personen der früheren Beschuldigten gezogen werden können. Den Angaben des BfV lässt sich trotz der langjährigen Beobachtung der früheren Beschuldigten und des Umstands, dass gegen diese schon seit dem Jahr 1998 - und damit bereits etwa drei Jahre - operative Maßnahmen durchgeführt wurden, nichts entnehmen, was wesentlich über allgemeine Erkenntnisse über deren politische Orientierung hinausgeht.
22
Das BfV hat ebenfalls nicht ausreichend dargetan, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte anzunehmen sein sollte, dass der frühere Beschuldig- te U. als "Antonio" an dem "Runden Tisch der Militanten" teilnahm. Dem Bericht vom 3. Juli 2001 ist insoweit im Wesentlichen lediglich zu entnehmen , "durch ein Bündel operativer Maßnahmen" habe das BfV Ort und Zeit des konspirativen Treffens ermittelt. Außerdem zeigen Observationsfotos den früheren Beschuldigten U. beim Betreten des Gebäudes, in dem das Treffen stattfand. Bei dieser Beweislage ist als hinreichend wahrscheinlich nur anzunehmen , dass er an dem Treffen teilgenommen hat. Die näheren Einzelheiten bezüglich seines Verhaltens in der Diskussionsrunde bleiben jedoch völlig im Dunkeln. Insbesondere erhellt sich nicht, wieso das BfV davon ausgeht, gerade er habe die Rolle des "Antonio" eingenommen. Der Umstand, dass der frühere Beschuldigte U. sich - wie "Antonio" - thematisch mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern sowie der "RZ" befasst hat, ist aus den genannten Gründen auch in diesem Zusammenhang allenfalls ein nur äußerst schwaches, nicht ausreichendes Indiz für eine Identität. Nach den zur Ermittlungsakte gelangten Erkenntnissen kann der frühere Beschuldigte U. demnach mit genauso großer Wahrscheinlichkeit der "Militante Moderator" oder ein sonstiger Diskussionsteilnehmer gewesen sein.
23
Zu den Textvergleichen und den aus deren Ergebnissen gezogenen Schlüssen hat der Senat bereits früher darauf hingewiesen, dass bei Analysen von Bekennerschreiben vorgefundene Übereinstimmungen in thematischer, stilistischer und textgestalterischer Hinsicht regelmäßig Indizien mit einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert sind (BGH, Beschl. vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, Rdn. 33). Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch die Ausführungen in dem Behördengutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 zu den methodischen Problemen, die sich bei der Analyse und Bewertung von Texten aus dem linksextremistischen Bereich stellen (Ziffer 4.2, SA Band 1 Ordner 1 Bl. 299), nachhaltig bestätigt. Hinzu kommt die Möglichkeit , dass verschiedene Urheber ihnen zugängliche Texte anderer Autoren zur Kenntnis nehmen und sich darauf beziehen oder diese nachahmen. Somit sind die diesbezüglichen Ausführungen des BfV schon für sich nicht geeignet, Wesentliches zur Begründung eines Tatverdachts gegen die früheren Beschuldigten beizutragen.
24
Die Beweisbedeutung der von den Verfassungsschutzbehörden durchgeführten Textvergleiche wird noch geringer, wenn man die Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts in die Bewertung einbezieht. Die dort dargelegten Gründe, einen Vergleich der schriftlichen Texte mit den mündlichen und später verschrifteten Äußerungen des "Antonio" gar nicht erst vorzunehmen, sind in hohem Maße plausibel. Im Übrigen lässt sich nach den sachverständigen Äußerungen des Bundeskriminalamts für kein einziges Tatbekennerschreiben auch nur mit einem geringen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Urheberidentität mit den der "Selbstportrait-Gruppe" zugerechneten Texten aus den Jahren 1996 und 1997 feststellen. Dieses Ergebnis wird nicht maßgebend relativiert durch die Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem auf den 31. Juli 2002 datierten Vermerk (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 334 ff.). Dort werden die abweichenden Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts und der Analyse des BfV damit zu erklären versucht, dass die Tätigkeit des BfV darauf gerichtet gewesen sei, Texte als gedankliches Produkt einer Gruppe zu erkennen. Das Gutachten des Bundeskriminalamts habe demgegenüber auf die Identität des konkreten Verfassers der Texte abgestellt. Da die Möglichkeit bestehe, dass unterschiedliche Personen aus derselben Gruppe die untersuchten Schriften verfasst haben könnten, habe das BfV zu anderen Resultaten als das Bundeskriminalamt kommen können. Diese Argumentation greift schon im Ansatz nicht, soweit es die Äußerungen des "Antonio" anlässlich des "Runden Tischs der Militanten" betrifft. Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob sie im Übrigen plausibel sein könnte; selbst wenn man ihr folgen wollte, lässt sich aus der Analyse des BfV, die dann allenfalls Gruppenübereinstimmungen aufzeigen könnte, jedenfalls kein konkreter Verdacht gegen einen der früheren Beschuldigten ableiten , eine bestimmte Straftat begangen zu haben.
25
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass sich ein genügender Verdacht gegen die früheren Beschuldigten gerade in der Zeit vor Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der strafprozessualen Maßnahmen gebildet hat. Die in Rede stehenden Brandanschläge begannen bereits im Jahre 1995. Schon in Vermerken vom 18. August 1999, 21. Februar 2000, 27. April 2000 und 7. Februar 2001 hatte das BfV Textvergleiche vorgenommen und war zu der Einschätzung gelangt, es bestünden wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Selbstbezichtigungsschreiben bzw. den Aussagen des "Antonio" anlässlich der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" einerseits und den Texten der "Selbstportrait-Gruppe" andererseits. Die früheren Beschuldigten waren den Verfassungsschutzbehörden bereits seit langem als Mitglieder der linksautonomen Szene bekannt; gegen sie wurde schon seit 1998 operativ ermittelt. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen sie wurde jedoch erst eingeleitet, als die Verfassungsschutzbehörden aufgrund der Drohbriefe im Sommer 2001 - in der Sache möglicherweise mit Recht - von einer veränderten Zielrichtung der Gruppierung in dem Sinne ausgingen, dass sie befürchteten, die Angriffe könnten sich nunmehr auch gegen Personen richten. Dies deutet zumindest darauf hin, dass Grund für die strafprozessuale Verfolgung der früheren Beschuldigten ab Sommer 2001 nicht die Verdichtung eines gegen sie bestehenden Verdachts gewesen sein könnte, konkrete Straftaten begangen zu haben, sondern die Annahme der Polizei- und/oder Verfassungsschutzbehörden , die Gefahrenlage habe sich erhöht. Ähnliches gilt für den späteren Verlauf der Ermittlungen. Die Überwachungsmaßnahmen wurden mehrfach abgebrochen und in der Folgezeit wieder aufgenommen, ohne dass ausreichende neue Tatsachen dargelegt sind, die nunmehr den Verdacht begründen könnten, die früheren Beschuldigten hätten eine Straftat begangen. Statt dessen erscheinen jedenfalls teilweise Zusammenhänge zwischen der Intensität der Überwachung der früheren Beschuldigten und der allgemeinen Sicherheitslage als naheliegend. So war die Überwachung zum Beispiel ab November 2004 für eine kurze Zeit besonders intensiv. Dies könnte der Gefahrenlage in der Silvesternacht 2004/2005 geschuldet gewesen sein, nachdem es in den vergangenen Jahren in den Silvesternächten zu Anschlägen gekommen war. Der Senat verkennt weder, dass die Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit oder einzelne Personen eine vordringliche staatliche Aufgabe ist, noch dass aufgrund der Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes durch die §§ 129 ff. StGB (BGHSt 41, 47, 51) die Abgrenzung zwischen präventiven Ermittlungen und solchen zur Verfolgung von bereits begangenen Straftaten nicht in jedem Falle trennscharf möglich ist. Er sieht gleichwohl Anlass, darauf hinzuweisen, dass die präventive Gefahrenabwehr nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist und nicht durch Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage der Strafprozessordnung durchgeführt werden darf.
26
cc) Mit Blick auf den Umstand, dass das Gutachten des Bundeskriminalamts weder in der vom Bundeskriminalamt an den Generalbundesanwalt gerichteten Anregung noch in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Erwähnung findet, bemerkt der Senat: Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen davon ausgehen können, dass sie im Ermittlungsverfahren ihre Entscheidungen auf der Grundlage aller maßgebenden, bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt angefallenen Ermittlungsergebnisse treffen. Der Ermittlungsrichter ist bereits von Verfassungs wegen verpflichtet , die Zulässigkeit der beabsichtigten Maßnahme eigenständig zu prüfen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 1121, 1122 für den Fall der Anordnung einer Durchsuchung). Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des früheren Beschuldigten fehlt es an einer solchen eigenständigen Prüfung nicht ohne Weiteres bereits dann, wenn der Ermittlungsrichter Passagen aus der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft wörtlich in seinen Beschluss übernimmt. Denn stimmt der Ermittlungsrichter in seiner Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Ermittlungsmaßnahmen vorliegen, mit derjenigen der Antragstellerin überein, so ist er nicht verpflichtet, dies durch eine eigene sprachliche Stilübung im Anordnungsbeschluss selbstständig zu formulieren; vielmehr darf er insoweit durchaus wörtlich auf die Ausführungen in der Antragsschrift zurückgreifen. Die dem zugrunde liegende, unabdingbare, eigenständige Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings in der Praxis häufig unter großem Zeitdruck durchgeführt werden; der Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden (BVerfG aaO) wird deshalb nicht unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht annehmen kann, dass die Beweislage , soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den Antragsschriften ohne erhebliche Lücken dargetan ist.
27
b) Die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie etwa in den Sachstandsberichten des Bundeskriminalamts niedergelegt sind, sind mit Blick auf eine mögliche Begehung von Straftaten nicht von derart erheblichem Belang, dass sie einen ausreichenden Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten begründen könnten; deshalb sind auch alle späteren Anordnungen von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung rechtswidrig.
28
So lässt etwa die Erklärung von "Libertad!" vom 26. November 2003, keine belastbaren Rückschlüsse auf die Begehung konkreter Straftaten durch die früheren Beschuldigten zu. Soweit dort unter anderem "Arbeitsämter" als Anschlagsziele der "militante gruppe" genannt wurden, obwohl diese sich unter dieser Bezeichnung bis dahin nicht zu einem Anschlag auf ein Arbeitsamt bekannt hatte, ist dies bereits für sich genommen zur Begründung eines Tatver- dachts wenig aussagekräftig. Hinzu kommt, dass gerade vor dem Hintergrund der Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe", in der Arbeitsämter und ähnliche Institutionen mit dem Ziel aufgelistet sind, andere Gruppierungen zu Aktionen zu veranlassen, die Möglichkeit einer ungenauen Recherche oder eines schlichten Versehens beim Abfassen des Textes nicht fern liegt (s. auch die ähnliche Bewertung durch das Bundeskriminalamt in seinem Auswertungsbericht vom 27. Mai 2008, S. 78; SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000078).
29
Die Äußerungen des früheren Beschuldigten F. in den Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 befassen sich nicht mit den verfolgten Taten; sie belegen letztlich lediglich dessen Nähe zu linksautonomem Gedankengut. In den den Äußerungen nachfolgenden Anträgen des Generalbundesanwalts und den Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wird ihnen keine Bedeutung beigemessen.
30
Entsprechendes gilt für die SMS, die der frühere Beschuldigte F. am 15. Februar 2002 von einem Frankfurter Libertad-Aktivisten erhielt; aus dieser lässt sich entsprechend den Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem TKÜ-Auswertungsbericht vom 12. April 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 132, 139) ein ausreichend konkreter Bezug zu dem am 5. Februar 2002 in Berlin begangenen Anschlag nicht herstellen, der die Wahrscheinlichkeit begründen könnte, der frühere Beschuldigte F. habe sich an diesem Anschlag in strafbarer Weise beteiligt. Dort heißt es: "Ein Zusammenhang zwischen der SMS an den Beschuldigten F. und dem Brandanschlag auf das Bezirksamt kann weder ausgeschlossen noch mit Sicherheit angenommen werden. D. h., es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob G. mit der SMS auf den Brandanschlag anspielt bzw. ob und von wem er über diesen Anschlag und dessen Hintergründe informiert war." Der Senat sieht keinen Anlass für eine hiervon abweichende Beurteilung.
31
Der Inhalt der Auswertungsberichte des Bundeskriminalamts zu den Überwachungsmaßnahmen zeigt vielmehr, dass wesentliche Erkenntnisse zu begangenen Straftaten nicht gewonnen werden konnten. Beispielhaft sei auf folgende Bewertungen hingewiesen: In dem Bericht vom 14. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 97, 101) wird ausgeführt: "Es ergaben sich durch die Telefonüberwachungsmaßnahmen weder Hinweise darauf, dass U. Mitglied in der 'militante(n) gruppe (mg)' ist, noch dass er Straftaten begangen hat." In der Telefaxnachricht des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom 15. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 94 f.) heißt es auszugsweise : "Die TKÜ-Maßnahmen erbrachten bisher keine Erkenntnisse darüber, ob die Beschuldigten Mitglieder der 'militante(n) gruppe' sind." Etwa ein Jahr später kommt das Bundeskriminalamt in seinem TKÜ-Auswertungsbericht vom 14. Januar 2003 zu folgendem Ergebnis (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 283, 289): "Im Überwachungszeitraum konnte der Tatverdacht gegen F. , Mitglied der 'militanten gruppe (mg)' zu sein, nicht erhärtet werden. (…) Anhaltspunkte für eine Beteiligung von F. an der Presseerklärung konnten nicht gefunden werden. Bzgl. des Brandanschlags auf das Finanzamt scheidet F. als Täter aus, da er in der fraglichen Zeit in Schweden war." Im TKÜAuswertungsbericht vom 14. Oktober 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 65, 74) heißt es: "Eine Beteiligung der Mitglieder der libertad! Berlin-Gruppe, insbesondere H. s und U. s an Straftaten der 'militanten gruppe (mg)' gem. § 129 a StGB kann hier aufgrund der TKÜ-Maßnahmen derzeit weder bestätigt noch widerlegt werden." In einem Vermerk des Bundeskriminalamts vom 27. November 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 91) wird aus Anlass einer vorangegangen Veröffentlichung des Magazins FOCUS über die Überwachung der früheren Beschuldigten unter anderem ausgeführt: "Bei keinem dieser Anschläge ist es mit den TKÜ-Maßnahmen bisher gelungen, beweisrelevante Anhaltspunkte für eine unmittelbare Tatbeteiligung eines der o. a.
Beschuldigten zu erhalten. In vielen der genannten Fälle ist eine Tatbeteiligung einzelner Beschuldigter lediglich möglich. (…) Es ist somit unwahrscheinlich, mit den TKÜ-Maßnahmen, die bisher weitestgehend ins Leere gelaufen sind, in näherer Zukunft bei dem gleichen Personenkreis Beweise für eine Tatbegehung zu erlangen."
32
Die Ermittlungen haben sogar - auch nach Auffassung des Bundeskriminalamts und des Generalbundesanwalts - die früheren Beschuldigten entlastende Umstände erbracht. In Einzelfällen belegen die Ergebnisse der verdeckten Maßnahmen, dass die früheren Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht beteiligt gewesen sein können (vgl. u. a. Auswertungsvermerk vom 6. Februar 2008, SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000255 ff.). So ist etwa eine unmittelbare Mitwirkung für alle drei früheren Beschuldigten an dem Brandanschlag auf das Oberlandesgericht Naumburg und auf ein Kraftfahrzeug der Staatsanwaltschaft Halle am 18. September 2003, die Beteiligung des früheren Beschuldigten F. an den Brandanschlägen auf das Finanzamt BerlinNeukölln am 1. Januar 2003 und auf das Polizeipräsidium Berlin am 9. April 2006 sowie des früheren Beschuldigten U. an dem Brandanschlag auf das Arbeitsamt Berlin-Südwest am 27. April 2003 auszuschließen. Die Ergebnisse der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen legen zudem in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Mitwirkung einzelner früherer Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich oder sogar unmöglich war. Dies gilt für alle drei früheren Beschuldigten für das Absenden einer E-Mail mit dem gekürzten Selbstbezichtigungsschreiben zu dem versuchten Brandanschlag auf das Arbeitsamt BerlinSüdwest am 27. April 2004, für den Brandanschlag auf zwei Polizeifahrzeuge in Berlin-Lichtenrade in der Nacht zum 5. Mai 2006, für den Brandanschlag auf das Sozialgericht Berlin in der Nacht zum 24. Mai 2006 sowie für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Oranienburg in der Nacht zum 15. Januar 2007; für die früheren Beschuldigten U. und F. für den Brandanschlag auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung in BerlinDahlem in der Nacht zum 9. November 2005, für den Brandanschlag auf vier Fahrzeuge des Ordnungsamts Berlin Treptow-Köpenick in der Nacht zum 20. März 2006, für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Berlin-Lichtenberg in der Nacht zum 4. September 2006, für den Brandanschlag auf zwei Einsatzfahrzeuge der Berliner Polizei in Berlin-Spandau am 18. Mai 2007 sowie für den Brandanschlag auf zwei Kraftfahrzeuge des Ordnungsamts Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 11. September 2006; für die früheren Beschuldigten F. und H. für die Taten in der Nacht zum 20. Dezember 2006 sowie für den Brandanschlag auf ein Bürogebäude in Berlin-Mitte am 16. März 2007; für den früheren Beschuldigten F. für das Verfassen des Textes "Für einen revolutionären Aufbauprozeß Für eine militante Plattform von der militanten gruppe (mg) 15.04.02", veröffentlicht in der Interim Nr. 550 vom 5. September 2002 sowie für einen Telefonanruf im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf Fahrzeuge einer Chrysler-Niederlassung in Großziethen in der Nacht zum 29. April 2002; für den früheren Beschuldigten U. für die Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe" vom 17. April 2003 sowie für den Brandanschlag auf einen LKW der Fa. "ALBA" in Berlin in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2003; für den früheren Beschuldigten H. für den Brandanschlag auf den Rohbau eines LIDLMarktes in Berlin-Steglitz in der Nacht zum 10. Januar 2005, für die Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge in Potsdam und Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 29. April 2005 sowie schließlich für die Straftaten in der Nacht zum 17. Februar 2006.
33
Da nach alldem zu keinem Zeitpunkt ein ausreichender Tatverdacht bestand , muss der Senat nicht darüber entscheiden, ab welchem Zeitpunkt eine ursprünglich zulässige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme bei an- gemessener Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unzulässig geworden wäre, weil im Überwachungszeitraum keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erlangt wurden.
34
4. Die obigen Ausführungen gelten für die nach § 163 f StPO angeordneten und durchgeführten Observationsmaßnahmen einschließlich der Begleitmaßnahmen entsprechend. Auch insoweit fehlte es an einem die Maßnahmen rechtfertigenden Verdacht; denn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass einer der früheren Beschuldigten eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte, lagen nicht vor.

III.

35
Da das Rechtsmittel Erfolg hat, trägt die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen (§§ 464, 473 StPO). Eine Entscheidung über die in erster Instanz entstandenen Auslagen des früheren Beschuldigten war aus den vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zutreffend dargelegten Gründen nicht veranlasst. Becker von Lienen Schäfer

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_____________
StB 16/09
vom
11. März 2010
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts des Gründens einer kriminellen Vereinigung u. a.
hier: Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ermittlungsmaßnahmen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2010 gemäß § 101
Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. April 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die durch die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001), 30. Juli 2001 (1 BGs 139/2001), 28. August 2001 (1 BGs 200/2001), 12. Oktober 2001 (1 BGs 278/2001), 22. Oktober 2001 (1 BGs 281/2001), 27. November 2001 (1 BGs 351/2001), 9. Januar 2002 (1 BGs 11/2002), 18. Januar 2002 (1 BGs 35/2002), 25. Februar 2002 (1 BGs 80/2002), 1. März 2002 (1 BGs 85/2002), 18. April 2002 (1 BGs 110/2002), 3. Juni 2002 (1 BGs 130/2002), 17. Juli 2002 (1 BGs 147/2002), 27. September 2002 (1 BGs 177/2002), 18. Oktober 2002 (1 BGs 185/2002), 2. Dezember 2002 (1 BGs 205/2002), 21. Januar 2003 (1 BGs 43/2003), 27. Februar 2003 (1 BGs 90/2003), 25. März 2003 (1 BGs 114/2003), 16. April 2003 (1 BGs 140/2003), 18. Juli 2003 (1 BGs 216/2003), 20. Oktober 2003 (1 BGs 384/2003), 8. April 2004 (1 BGs 94/2004), 7. Juli 2004 (1 BGs 146/2004), 6. Oktober 2004 (1 BGs 155/2004), 29. November 2004 (1 BGs 172/2004) und 6. Juli 2006 (1 BGs 91/2006) angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sowie die durch Verfügungen des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002, 15., 22. und 31. März 2004 und durch die Beschlüsse des Ermittlungs- richters des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 2002 (1 BGs 148/2002), 22. August 2002 (1 BGs 163/2002), 1. April 2004 (1 BGs 87/2004), 23. April 2004 (1 BGs 102/2004), 27. Oktober 2004 (1 BGs 162/2004), 25. November 2004 (1 BGs 171/2004), 11. Februar 2005 (1 BGs 11/2005) und 9. März 2005 (1 BGs 26/2005) angeordneten Observationsmaßnahmen (zum Teil unter Einsatz technischer Mittel und nebst Herstellung von Lichtbildern) rechtswidrig waren. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

1
Der Generalbundesanwalt führte gegen den Beschwerdeführer, die weiteren früheren Beschuldigten U. sowie H. und gegen unbekannt seit dem 16. Juli 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, die terroristische Vereinigung "militante gruppe" gegründet zu haben (§ 129 a StGB). In der Zeit vom 24. Juli 2001 bis zum 6. Juli 2006 wurden gegen die früheren Beschuldigten zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung des Bundeskriminalamts vom 17. September 2008 (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 367 ff.) Bezug genommen. Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 28. November 2007 - StB 43/07 (BGHSt 52, 98) ausgeführt hatte, dass eine Strafbarkeit der Mitglieder der "militante gruppe" gemäß § 129 a StGB nach der Umgestaltung der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) nicht in Betracht komme, änderte der Generalbundesanwalt mit Verfügung vom 10. März 2008 das Verfahrensrubrum dahin, dass gegen die früheren Beschuldigten und unbekannt wegen Gründung der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gemäß § 129 StGB u. a. ermittelt werde.
2
Mit Verfügung vom 22. September 2008 stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen die früheren Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein; gegen unbekannt führt er es weiter. Zur Begründung der Einstellung führte er unter anderem aus, die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen hätten den Anfangsverdacht gegen die früheren Beschuldigten nicht erhärtet. Sie hätten keine belastbaren Hinweise dafür erbracht, dass diese an konkreten Straftaten oder der Abfassung bestimmter Texte der Vereinigung unmittelbar beteiligt gewesen seien. In einzelnen Fällen belegten die Ergebnisse der operativen Maßnahmen sogar positiv, dass die Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht teilgenommen haben konnten. Zudem legten die verdeckt erlangten Erkenntnisse in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Beteiligung einzelner Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich sei. Soweit die Ermittlungen Erkenntnisse zu politischen Auffassungen und Betätigungsformen der früheren Beschuldigten erbracht hätten, seien diese im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts nicht geeignet, eine strafbewehrte Verbindung der früheren Beschuldigten zur "militante gruppe" zu belegen.
3
Der Generalbundesanwalt hat den früheren Beschuldigten mit Schreiben vom 22. September 2008 über die gegen ihn angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unterrichtet und ihn mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes hingewiesen. Mit Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 2. und 22. Oktober 2008 sowie 13. März 2009 hat der frühere Beschuldigte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der ihm mitgeteilten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragt.
4
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat diesen Antrag mit Beschluss vom 6. April 2009 als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, gegen den früheren Beschuldigten habe im Zeitpunkt der Anordnung der jeweiligen Maßnahme sowie während ihrer Durchführung der Verdacht bestanden, Mitglied der (zumindest) kriminellen Vereinigung "militante gruppe" gewesen zu sein. Für die erste zu überprüfende ermittlungsrichterliche Anordnung vom 24. Juli 2001 begründeten die dort in Bezug genommenen Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz (im Folgenden : BfV) einen die Maßnahme rechtfertigenden Anfangsverdacht. Dieser habe in der Folgezeit fortbestanden. Von Bedeutung hierfür sei etwa gewesen, dass der frühere Beschuldigte in zwei Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 Gewalt - auch gegen öffentliche Einrichtungen - gutgeheißen habe; der Inhalt einer SMS vom 15. Februar 2002 sei ebenfalls geeignet gewesen, den Tatverdacht weiter zu bestärken.
5
Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 7. April 2009 eingelegte sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten. Dieser macht insbesondere geltend, ein Tatverdacht habe zu keinem Zeitpunkt während des Ermittlungsverfahrens bestanden. Die Maßnahmen seien zudem unverhältnismäßig gewesen; auch seien Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht getroffen worden. Schließlich hätten sie keinen Erfolg versprochen, da die früheren Beschuldigten bereits Zielpersonen von Tele- kommunikationsüberwachungen des BfV gewesen seien, die offensichtlich keine Belege für ein strafbares Handeln erbracht hätten.

II.

6
Das gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 5 StPO statthafte Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen waren bereits deshalb rechtswidrig, weil zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender Tatverdacht gegen den früheren Beschuldigten nicht bestand. Auf die weiteren, von dem früheren Beschuldigten aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es deshalb nicht an. Ebenso muss der Senat nicht entscheiden, ob die Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen rechtswidrig war; damit ist auch der Antrag des früheren Beschuldigten auf weitergehende Akteneinsicht gegenstandslos. Im Einzelnen :
7
1. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat den Antrag des früheren Beschuldigten zu Recht auch bezüglich des Beschlusses vom 25. März 2003 (1 BGs 114/2003) als zulässig gewertet. Der Generalbundesanwalt ist dem im Beschwerdeverfahren auch nicht - mehr - entgegen getreten.
8
2. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat ebenfalls zu Recht und mit zutreffender Begründung seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag des früheren Beschuldigten angenommen (BGH, Beschl. vom 22. Januar 2009 - StB 24/08).
9
3. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation gilt:
10
Die Maßnahmen setzten nach § 100 a StPO in der jeweils geltenden Fassung - soweit hier von Relevanz - voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine Straftat nach §§ 129, 129 a StGB oder eine sonstige Katalogtat begangen. Die Norm verlangt danach - insoweit in Übereinstimmung mit der heute geltenden Fassung - keinen bestimmten Verdachtsgrad; der Tatverdacht muss daher insbesondere weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch gar dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO sein (Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 100 a Rdn. 42). § 100 a StPO erfordert vielmehr nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (BVerfG NJW 2007, 2749, 2751); der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen (BVerfG NJW 2005, 2603, 2610) und mehr als nur unerheblich sein (BGHSt 41, 30, 33). Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 100 a Rdn. 9), in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat (Nack in KK 6. Aufl. § 100 a Rdn. 34; noch enger Wolter in SKStPO § 100 a Rdn. 43, § 100 c Rdn. 41). Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BGHSt 47, 362, 365 f.; 48, 240, 248). Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand (BGHSt 41, 30, 33; BGH NStZ 2007, 117).
11
a) Bereits bei der ersten Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten durch den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) lag ein nach dem dargelegten Maßstab ausreichender Tatverdacht nicht vor.
12
aa) Der damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar:
13
Am 14., 20. und 21. Juni 2001 gingen bei dem Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und den Repräsentanten der "Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft" drei gleichlautende Schreiben mit der Überschrift "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich …" ein, denen jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Die einseitige Erklärung ist unterzeichnet mit "militante gruppe (mg), 12.6.01". Am 22. Juni 2001 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Kraftfahrzeug der Daimler-BenzNiederlassung in Berlin-Marienfelde. In anschließend bei verschiedenen Presseorganen eingegangenen Schreiben bekannten sich Mitglieder der "militante gruppe" zu der Tat und begründeten sie mit der Rolle des DaimlerChryslerKonzerns bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Daneben bezogen sich die Verfasser auf die dargelegten Drohschreiben.
14
Unter dem 3. Juli 2001 übermittelte das BfV dem Generalbundesanwalt einen Bericht. In diesem wird mitgeteilt, dass die vorgenannten Taten nach Einschätzung des BfV von einer in Berlin seit mehreren Jahren aktiven militanten Gruppierung verübt worden seien, die in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei in dem autonomen Szeneblatt "Interim" veröffentlichte Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Das BfV rechnete dieser "Selbstportrait-Gruppe" insbesondere mehrere Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge zu, die ab dem 10. August 1995 begangen worden waren. Das BfV nahm zudem eine Textanalyse vor, bei der die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 sowie 1997 und die Taterklärungen ausgewertet und verglichen wurden. Es kam zu der Bewertung, Übereinstimmungen in Argumentation, Diktion und Form sprächen für eine Autorenidentität sowohl hinsichtlich der Taterklärungen untereinander als auch in Bezug auf die Taterklärungen und die Positionspapiere der "Selbstportrait-Gruppe". Die Gruppe befinde sich offenbar an einem Scheideweg und scheine bereit zu sein, künftig gegen Personen militant aktiv zu werden.
15
Nach Einschätzung des BfV waren die drei früheren Beschuldigten Mitglieder der "Selbstportrait-Gruppe". Die früheren Beschuldigten U. und H. waren den Verfassungsschutzbehörden seit dem Jahr 1981, der frühere Beschuldigte F. seit etwa 1989/1990 als Aktivisten innerhalb der autonomen bzw. antiimperialistischen Szene bekannt. In dem Bericht vom 3. Juli 2001 heißt es zu ihnen weiter: "Zumeist engagierten sie sich - analog dem Selbstverständnis der 'Selbstportraitgruppe' u. a. in dem Berliner 'Solidaritätskomitee Benjamin Ramos Vega'. Später - etwa ab Sommer 1998 - traten sie zusammen mit anderen Personen als 'Internationalistische Gruppe' auf. Seit Anfang 1999 arbeiten sie - u. a. in Kontakt mit Angehörigen der Initiative 'Libertad !' - intensiv an der Vorbereitung und Durchführung der 'Internationalen Arbeitskonferenz Befriedung oder Befreiung' (Ostern 1999) mit. Anfang 2000 gründeten sie eine eigene 'Libertad!'-Gruppe Berlin (…). Gegen U. , F. und H. führt das BfV seit Ende 1998 operative Maßnahmen. Dadurch wurde der enge 'gruppenmäßige' Zusammenhang der Genannten belegt." Der frühere Beschuldigte U. habe zudem als "Antonio" an einem konspirativen "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; eine Niederschrift des dort geführten Gesprächs sei im März 2000 in der "Interim" veröffentlicht worden. Die Äußerungen des als "Antonio" auftretenden Aktivisten wiesen, so das BfV, in Argumentation und Diktion eine Fülle von Parallelen zu Papieren der "Selbstportrait-Gruppe" auf.
16
Unter dem 2. Juli 2001 erstattete das Kriminaltechnische Institut des Bundeskriminalamts ein linguistisches Behördengutachten, in dem die zwei Texte der "Selbstportrait-Gruppe" aus den Jahren 1996 und 1997, neun Selbstbekennerschreiben zu verschiedenen Anschlägen, eine Grußbotschaft der Militanten Antiimperialistischen Gruppe, eine in der Zeitschrift "radikal" veröffentlichte Anleitung zum Bau von Brandsätzen sowie die Äußerungen des "Antonio" bei der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" auf eine eventuelle Urheberschaftsidentität verglichen werden sollten. Während das BfV für alle diese Texte eine Autorenidentität annahm, stellte das Gutachten des Bundeskriminalamts eine Übereinstimmung nur für die Grundsatzpapiere der Jahre 1996 und 1997 sowie die Bauanleitung für den Brandsatz mit dem Wahrscheinlichkeitsgrad "wahrscheinlich" fest. Die Identität der Verfasser der Erklärungen von 1996 und 1997 mit denjenigen der Selbstbekennerschreiben und der Grußbotschaft wurde entweder als mit dem Grad "wahrscheinlich" ausgeschlossen oder sie konnte weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Einen näheren Vergleich der schriftlichen Texte und der mündlichen Äußerungen des "Antonio" nahm das Gutachten nicht vor. Der Sachverständige wies insoweit auf erhebliche methodische Probleme beim Vergleich von schriftlichen und mündlichen Texten hin. Die mündliche Rede sei spontan, enthalte kürzere Äußerungen und weise Abbrüche, Korrekturen, Interjektionen sowie Neuanfänge auf. Die mündliche Sprache basiere außerdem auf einer wechselseitigen Beeinflussung von Sprecher und Hörer, bestimmte Formulierungen würden unter Umständen übernommen. Werde eine solche mündliche Rede von Laien verschriftet, sei im Übrigen im Nachhinein regelmäßig nicht mehr festzustellen, wie der exakte Gesprächsverlauf war und wer was in welcher Form gesagt habe.
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Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die früheren Beschuldigten und gegen unbekannt durch den Generalbundesanwalt am 16. Juli 2001 regte das Bundeskriminalamt mit Schreiben an den Generalbundesanwalt vom 20. Juli 2001 an, einen Beschluss zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation der Beschuldigten zu beantragen. Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte der Generalbundesanwalt beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die Aktionen im Jahre 2001 seien nach Erkenntnissen des BfV möglicherweise von einem in Berlin seit Jahren aktiven "militanten Zusammenhang" verübt worden, der in den Jahren 1996 und 1997 durch zwei Positionspapiere auf sich aufmerksam gemacht habe. Die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den genannten Positionspapieren, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Die früheren Beschuldigten seien aufgrund von Erkenntnissen des BfV verdächtig, Gründungsmitglieder der "militante gruppe" zu sein. Dies folge daraus, dass sie sich mit den Arbeitsfeldern "Internationalismus" und "Gefangenenarbeit" befassten, die auch den wesentlichen Schwerpunkt der "Politik" der "militante gruppe" bildeten. Sie arbeiteten in verschiedenen Solidaritätskommitees und der Gruppe "Libertad!" zusammen. In verschiedenen Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen hätten die Täter Bezug auf Aussagen dieser legal arbeitenden Gruppen genommen, so dass von einer personellen Verflechtung auszugehen sei. Damit entsprächen die Beschuldigten auch dem Selbstverständnis der "militante gruppe", wonach neben einer "militanten Praxis" auch die Arbeit in "legalen Basisinitiativen" erforderlich sei. Der frühere Beschuldigte U. habe wahrscheinlich unter dem Decknamen "Antonio" als Vertreter der "militante gruppe" am "Runden Tisch der Militanten" teilgenommen; seine Äußerungen wiesen eine Fülle von Parallelen in Argumentation und Diktion zu den Positionspapieren der Jahre 1996 und 1997 auf. Er habe erklärt, als "Thema der Zukunft" für militanten Widerstand biete sich an, Firmen anzugreifen, die sich weigern, Zwangsarbeitern Entschädigungen zu zahlen. Ähnlich habe sich U. im November 2000 geäußert. Vor diesem Hintergrund biete die enge Zusammenarbeit der drei Beschuldigten in Themenbereichen der "militante gruppe" konkrete Anhaltspunkte für die Annahme , dass sie Gründungsmitglieder der Vereinigung seien.
18
In der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2001 wird unter anderem ausgeführt, die Taterklärungen enthielten eine Reihe formaler wie auch inhaltlicher Parallelen zu den Positionspapieren aus den Jahren 1996 und 1997, aber auch zu weiteren Selbstbezichtigungsschreiben der jüngeren Vergangenheit. Das den Erkenntnissen des BfV entgegenstehende linguistische Gutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 findet indes - wie auch in der Anregung des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom selben Tage - keine Erwähnung.
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Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnete sodann antragsgemäß mit Beschluss vom 24. Juli 2001 (1 BGs 130/2001) die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs der früheren Beschuldigten einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten an. Zum Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten enthält die Entscheidung dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechende Erwägungen.
20
bb) Bei der zum Zeitpunkt des Beschlusses am 24. Juli 2001 bestehenden Beweislage hätten die Überwachungsmaßnahmen auch bei Berücksichtigung des den anordnenden Stellen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht gestattet werden dürfen. Die den Ermittlungsakten zu entnehmenden Erkennt- nisse des BfV begründen nicht den für eine Maßnahme nach § 100 a StPO erforderlichen Verdacht, die früheren Beschuldigten hätten sich wegen einer Tat nach den §§ 129 ff. StGB oder einer sonstigen Katalogtat strafbar gemacht. Zwar war genügend wahrscheinlich, dass es sich bei der "militante gruppe" um eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelte. Jedoch boten die Ermittlungsergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die früheren Beschuldigten diese gegründet, sich an ihr als Mitglieder beteiligt, sie unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer geworben, mithin eine nach den §§ 129 ff. StGB strafbare Handlung begangen haben könnten.
21
Die Annahme des BfV, es bestehe der Verdacht, die drei früheren Beschuldigten seien Gründungsmitglieder der "Selbstportrait-Gruppe" gewesen, ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt. Den Ausführungen des Verfassungsschutzes lässt sich zwar entnehmen, dass die früheren Beschuldigten dem politisch linken Spektrum zuzuordnen sind und sich mit Themenbereichen befasst haben, die auch Gegenstand der Verlautbarungen in den der "Selbstportrait -Gruppe" zugerechneten Schriften waren. Dabei handelt es sich jedoch mit der Problematik der Entschädigung von Zwangsarbeitern und Ähnlichem um eher allgemeine, zur damaligen Zeit auch verstärkt in der öffentlichen Diskussion befindliche und nicht derart spezielle Themen, dass hieraus nähere Rückschlüsse auf die Personen der früheren Beschuldigten gezogen werden können. Den Angaben des BfV lässt sich trotz der langjährigen Beobachtung der früheren Beschuldigten und des Umstands, dass gegen diese schon seit dem Jahr 1998 - und damit bereits etwa drei Jahre - operative Maßnahmen durchgeführt wurden, nichts entnehmen, was wesentlich über allgemeine Erkenntnisse über deren politische Orientierung hinausgeht.
22
Das BfV hat ebenfalls nicht ausreichend dargetan, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte anzunehmen sein sollte, dass der frühere Beschuldig- te U. als "Antonio" an dem "Runden Tisch der Militanten" teilnahm. Dem Bericht vom 3. Juli 2001 ist insoweit im Wesentlichen lediglich zu entnehmen , "durch ein Bündel operativer Maßnahmen" habe das BfV Ort und Zeit des konspirativen Treffens ermittelt. Außerdem zeigen Observationsfotos den früheren Beschuldigten U. beim Betreten des Gebäudes, in dem das Treffen stattfand. Bei dieser Beweislage ist als hinreichend wahrscheinlich nur anzunehmen , dass er an dem Treffen teilgenommen hat. Die näheren Einzelheiten bezüglich seines Verhaltens in der Diskussionsrunde bleiben jedoch völlig im Dunkeln. Insbesondere erhellt sich nicht, wieso das BfV davon ausgeht, gerade er habe die Rolle des "Antonio" eingenommen. Der Umstand, dass der frühere Beschuldigte U. sich - wie "Antonio" - thematisch mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern sowie der "RZ" befasst hat, ist aus den genannten Gründen auch in diesem Zusammenhang allenfalls ein nur äußerst schwaches, nicht ausreichendes Indiz für eine Identität. Nach den zur Ermittlungsakte gelangten Erkenntnissen kann der frühere Beschuldigte U. demnach mit genauso großer Wahrscheinlichkeit der "Militante Moderator" oder ein sonstiger Diskussionsteilnehmer gewesen sein.
23
Zu den Textvergleichen und den aus deren Ergebnissen gezogenen Schlüssen hat der Senat bereits früher darauf hingewiesen, dass bei Analysen von Bekennerschreiben vorgefundene Übereinstimmungen in thematischer, stilistischer und textgestalterischer Hinsicht regelmäßig Indizien mit einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert sind (BGH, Beschl. vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, Rdn. 33). Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch die Ausführungen in dem Behördengutachten des Bundeskriminalamts vom 2. Juli 2001 zu den methodischen Problemen, die sich bei der Analyse und Bewertung von Texten aus dem linksextremistischen Bereich stellen (Ziffer 4.2, SA Band 1 Ordner 1 Bl. 299), nachhaltig bestätigt. Hinzu kommt die Möglichkeit , dass verschiedene Urheber ihnen zugängliche Texte anderer Autoren zur Kenntnis nehmen und sich darauf beziehen oder diese nachahmen. Somit sind die diesbezüglichen Ausführungen des BfV schon für sich nicht geeignet, Wesentliches zur Begründung eines Tatverdachts gegen die früheren Beschuldigten beizutragen.
24
Die Beweisbedeutung der von den Verfassungsschutzbehörden durchgeführten Textvergleiche wird noch geringer, wenn man die Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts in die Bewertung einbezieht. Die dort dargelegten Gründe, einen Vergleich der schriftlichen Texte mit den mündlichen und später verschrifteten Äußerungen des "Antonio" gar nicht erst vorzunehmen, sind in hohem Maße plausibel. Im Übrigen lässt sich nach den sachverständigen Äußerungen des Bundeskriminalamts für kein einziges Tatbekennerschreiben auch nur mit einem geringen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Urheberidentität mit den der "Selbstportrait-Gruppe" zugerechneten Texten aus den Jahren 1996 und 1997 feststellen. Dieses Ergebnis wird nicht maßgebend relativiert durch die Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem auf den 31. Juli 2002 datierten Vermerk (SA Band 1 Ordner 1 Bl. 334 ff.). Dort werden die abweichenden Ergebnisse des Gutachtens des Bundeskriminalamts und der Analyse des BfV damit zu erklären versucht, dass die Tätigkeit des BfV darauf gerichtet gewesen sei, Texte als gedankliches Produkt einer Gruppe zu erkennen. Das Gutachten des Bundeskriminalamts habe demgegenüber auf die Identität des konkreten Verfassers der Texte abgestellt. Da die Möglichkeit bestehe, dass unterschiedliche Personen aus derselben Gruppe die untersuchten Schriften verfasst haben könnten, habe das BfV zu anderen Resultaten als das Bundeskriminalamt kommen können. Diese Argumentation greift schon im Ansatz nicht, soweit es die Äußerungen des "Antonio" anlässlich des "Runden Tischs der Militanten" betrifft. Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob sie im Übrigen plausibel sein könnte; selbst wenn man ihr folgen wollte, lässt sich aus der Analyse des BfV, die dann allenfalls Gruppenübereinstimmungen aufzeigen könnte, jedenfalls kein konkreter Verdacht gegen einen der früheren Beschuldigten ableiten , eine bestimmte Straftat begangen zu haben.
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Schließlich ist nicht ersichtlich, dass sich ein genügender Verdacht gegen die früheren Beschuldigten gerade in der Zeit vor Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der strafprozessualen Maßnahmen gebildet hat. Die in Rede stehenden Brandanschläge begannen bereits im Jahre 1995. Schon in Vermerken vom 18. August 1999, 21. Februar 2000, 27. April 2000 und 7. Februar 2001 hatte das BfV Textvergleiche vorgenommen und war zu der Einschätzung gelangt, es bestünden wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Selbstbezichtigungsschreiben bzw. den Aussagen des "Antonio" anlässlich der Teilnahme am "Runden Tisch der Militanten" einerseits und den Texten der "Selbstportrait-Gruppe" andererseits. Die früheren Beschuldigten waren den Verfassungsschutzbehörden bereits seit langem als Mitglieder der linksautonomen Szene bekannt; gegen sie wurde schon seit 1998 operativ ermittelt. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen sie wurde jedoch erst eingeleitet, als die Verfassungsschutzbehörden aufgrund der Drohbriefe im Sommer 2001 - in der Sache möglicherweise mit Recht - von einer veränderten Zielrichtung der Gruppierung in dem Sinne ausgingen, dass sie befürchteten, die Angriffe könnten sich nunmehr auch gegen Personen richten. Dies deutet zumindest darauf hin, dass Grund für die strafprozessuale Verfolgung der früheren Beschuldigten ab Sommer 2001 nicht die Verdichtung eines gegen sie bestehenden Verdachts gewesen sein könnte, konkrete Straftaten begangen zu haben, sondern die Annahme der Polizei- und/oder Verfassungsschutzbehörden , die Gefahrenlage habe sich erhöht. Ähnliches gilt für den späteren Verlauf der Ermittlungen. Die Überwachungsmaßnahmen wurden mehrfach abgebrochen und in der Folgezeit wieder aufgenommen, ohne dass ausreichende neue Tatsachen dargelegt sind, die nunmehr den Verdacht begründen könnten, die früheren Beschuldigten hätten eine Straftat begangen. Statt dessen erscheinen jedenfalls teilweise Zusammenhänge zwischen der Intensität der Überwachung der früheren Beschuldigten und der allgemeinen Sicherheitslage als naheliegend. So war die Überwachung zum Beispiel ab November 2004 für eine kurze Zeit besonders intensiv. Dies könnte der Gefahrenlage in der Silvesternacht 2004/2005 geschuldet gewesen sein, nachdem es in den vergangenen Jahren in den Silvesternächten zu Anschlägen gekommen war. Der Senat verkennt weder, dass die Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit oder einzelne Personen eine vordringliche staatliche Aufgabe ist, noch dass aufgrund der Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes durch die §§ 129 ff. StGB (BGHSt 41, 47, 51) die Abgrenzung zwischen präventiven Ermittlungen und solchen zur Verfolgung von bereits begangenen Straftaten nicht in jedem Falle trennscharf möglich ist. Er sieht gleichwohl Anlass, darauf hinzuweisen, dass die präventive Gefahrenabwehr nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist und nicht durch Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage der Strafprozessordnung durchgeführt werden darf.
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cc) Mit Blick auf den Umstand, dass das Gutachten des Bundeskriminalamts weder in der vom Bundeskriminalamt an den Generalbundesanwalt gerichteten Anregung noch in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Erwähnung findet, bemerkt der Senat: Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen davon ausgehen können, dass sie im Ermittlungsverfahren ihre Entscheidungen auf der Grundlage aller maßgebenden, bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt angefallenen Ermittlungsergebnisse treffen. Der Ermittlungsrichter ist bereits von Verfassungs wegen verpflichtet , die Zulässigkeit der beabsichtigten Maßnahme eigenständig zu prüfen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 1121, 1122 für den Fall der Anordnung einer Durchsuchung). Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des früheren Beschuldigten fehlt es an einer solchen eigenständigen Prüfung nicht ohne Weiteres bereits dann, wenn der Ermittlungsrichter Passagen aus der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft wörtlich in seinen Beschluss übernimmt. Denn stimmt der Ermittlungsrichter in seiner Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Ermittlungsmaßnahmen vorliegen, mit derjenigen der Antragstellerin überein, so ist er nicht verpflichtet, dies durch eine eigene sprachliche Stilübung im Anordnungsbeschluss selbstständig zu formulieren; vielmehr darf er insoweit durchaus wörtlich auf die Ausführungen in der Antragsschrift zurückgreifen. Die dem zugrunde liegende, unabdingbare, eigenständige Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings in der Praxis häufig unter großem Zeitdruck durchgeführt werden; der Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden (BVerfG aaO) wird deshalb nicht unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht annehmen kann, dass die Beweislage , soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den Antragsschriften ohne erhebliche Lücken dargetan ist.
27
b) Die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie etwa in den Sachstandsberichten des Bundeskriminalamts niedergelegt sind, sind mit Blick auf eine mögliche Begehung von Straftaten nicht von derart erheblichem Belang, dass sie einen ausreichenden Tatverdacht gegen die früheren Beschuldigten begründen könnten; deshalb sind auch alle späteren Anordnungen von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung rechtswidrig.
28
So lässt etwa die Erklärung von "Libertad!" vom 26. November 2003, keine belastbaren Rückschlüsse auf die Begehung konkreter Straftaten durch die früheren Beschuldigten zu. Soweit dort unter anderem "Arbeitsämter" als Anschlagsziele der "militante gruppe" genannt wurden, obwohl diese sich unter dieser Bezeichnung bis dahin nicht zu einem Anschlag auf ein Arbeitsamt bekannt hatte, ist dies bereits für sich genommen zur Begründung eines Tatver- dachts wenig aussagekräftig. Hinzu kommt, dass gerade vor dem Hintergrund der Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe", in der Arbeitsämter und ähnliche Institutionen mit dem Ziel aufgelistet sind, andere Gruppierungen zu Aktionen zu veranlassen, die Möglichkeit einer ungenauen Recherche oder eines schlichten Versehens beim Abfassen des Textes nicht fern liegt (s. auch die ähnliche Bewertung durch das Bundeskriminalamt in seinem Auswertungsbericht vom 27. Mai 2008, S. 78; SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000078).
29
Die Äußerungen des früheren Beschuldigten F. in den Telefonaten vom 31. Juli und 15. Oktober 2001 befassen sich nicht mit den verfolgten Taten; sie belegen letztlich lediglich dessen Nähe zu linksautonomem Gedankengut. In den den Äußerungen nachfolgenden Anträgen des Generalbundesanwalts und den Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wird ihnen keine Bedeutung beigemessen.
30
Entsprechendes gilt für die SMS, die der frühere Beschuldigte F. am 15. Februar 2002 von einem Frankfurter Libertad-Aktivisten erhielt; aus dieser lässt sich entsprechend den Ausführungen des Bundeskriminalamts in dem TKÜ-Auswertungsbericht vom 12. April 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 132, 139) ein ausreichend konkreter Bezug zu dem am 5. Februar 2002 in Berlin begangenen Anschlag nicht herstellen, der die Wahrscheinlichkeit begründen könnte, der frühere Beschuldigte F. habe sich an diesem Anschlag in strafbarer Weise beteiligt. Dort heißt es: "Ein Zusammenhang zwischen der SMS an den Beschuldigten F. und dem Brandanschlag auf das Bezirksamt kann weder ausgeschlossen noch mit Sicherheit angenommen werden. D. h., es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob G. mit der SMS auf den Brandanschlag anspielt bzw. ob und von wem er über diesen Anschlag und dessen Hintergründe informiert war." Der Senat sieht keinen Anlass für eine hiervon abweichende Beurteilung.
31
Der Inhalt der Auswertungsberichte des Bundeskriminalamts zu den Überwachungsmaßnahmen zeigt vielmehr, dass wesentliche Erkenntnisse zu begangenen Straftaten nicht gewonnen werden konnten. Beispielhaft sei auf folgende Bewertungen hingewiesen: In dem Bericht vom 14. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 97, 101) wird ausgeführt: "Es ergaben sich durch die Telefonüberwachungsmaßnahmen weder Hinweise darauf, dass U. Mitglied in der 'militante(n) gruppe (mg)' ist, noch dass er Straftaten begangen hat." In der Telefaxnachricht des Bundeskriminalamts an den Generalbundesanwalt vom 15. Januar 2002 (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 94 f.) heißt es auszugsweise : "Die TKÜ-Maßnahmen erbrachten bisher keine Erkenntnisse darüber, ob die Beschuldigten Mitglieder der 'militante(n) gruppe' sind." Etwa ein Jahr später kommt das Bundeskriminalamt in seinem TKÜ-Auswertungsbericht vom 14. Januar 2003 zu folgendem Ergebnis (SA Band 9 Ordner 1 Bl. 283, 289): "Im Überwachungszeitraum konnte der Tatverdacht gegen F. , Mitglied der 'militanten gruppe (mg)' zu sein, nicht erhärtet werden. (…) Anhaltspunkte für eine Beteiligung von F. an der Presseerklärung konnten nicht gefunden werden. Bzgl. des Brandanschlags auf das Finanzamt scheidet F. als Täter aus, da er in der fraglichen Zeit in Schweden war." Im TKÜAuswertungsbericht vom 14. Oktober 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 65, 74) heißt es: "Eine Beteiligung der Mitglieder der libertad! Berlin-Gruppe, insbesondere H. s und U. s an Straftaten der 'militanten gruppe (mg)' gem. § 129 a StGB kann hier aufgrund der TKÜ-Maßnahmen derzeit weder bestätigt noch widerlegt werden." In einem Vermerk des Bundeskriminalamts vom 27. November 2003 (SA Band 9 Ordner 2 Bl. 91) wird aus Anlass einer vorangegangen Veröffentlichung des Magazins FOCUS über die Überwachung der früheren Beschuldigten unter anderem ausgeführt: "Bei keinem dieser Anschläge ist es mit den TKÜ-Maßnahmen bisher gelungen, beweisrelevante Anhaltspunkte für eine unmittelbare Tatbeteiligung eines der o. a.
Beschuldigten zu erhalten. In vielen der genannten Fälle ist eine Tatbeteiligung einzelner Beschuldigter lediglich möglich. (…) Es ist somit unwahrscheinlich, mit den TKÜ-Maßnahmen, die bisher weitestgehend ins Leere gelaufen sind, in näherer Zukunft bei dem gleichen Personenkreis Beweise für eine Tatbegehung zu erlangen."
32
Die Ermittlungen haben sogar - auch nach Auffassung des Bundeskriminalamts und des Generalbundesanwalts - die früheren Beschuldigten entlastende Umstände erbracht. In Einzelfällen belegen die Ergebnisse der verdeckten Maßnahmen, dass die früheren Beschuldigten an Aktionen der "militante gruppe" nicht beteiligt gewesen sein können (vgl. u. a. Auswertungsvermerk vom 6. Februar 2008, SA Band 2 Ordner 2 Bl. 000255 ff.). So ist etwa eine unmittelbare Mitwirkung für alle drei früheren Beschuldigten an dem Brandanschlag auf das Oberlandesgericht Naumburg und auf ein Kraftfahrzeug der Staatsanwaltschaft Halle am 18. September 2003, die Beteiligung des früheren Beschuldigten F. an den Brandanschlägen auf das Finanzamt BerlinNeukölln am 1. Januar 2003 und auf das Polizeipräsidium Berlin am 9. April 2006 sowie des früheren Beschuldigten U. an dem Brandanschlag auf das Arbeitsamt Berlin-Südwest am 27. April 2003 auszuschließen. Die Ergebnisse der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen legen zudem in einigen Fällen nahe, dass eine unmittelbare Mitwirkung einzelner früherer Beschuldigter an bestimmten Anschlags- oder Begleithandlungen insbesondere ab dem Jahr 2005 unwahrscheinlich oder sogar unmöglich war. Dies gilt für alle drei früheren Beschuldigten für das Absenden einer E-Mail mit dem gekürzten Selbstbezichtigungsschreiben zu dem versuchten Brandanschlag auf das Arbeitsamt BerlinSüdwest am 27. April 2004, für den Brandanschlag auf zwei Polizeifahrzeuge in Berlin-Lichtenrade in der Nacht zum 5. Mai 2006, für den Brandanschlag auf das Sozialgericht Berlin in der Nacht zum 24. Mai 2006 sowie für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Oranienburg in der Nacht zum 15. Januar 2007; für die früheren Beschuldigten U. und F. für den Brandanschlag auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung in BerlinDahlem in der Nacht zum 9. November 2005, für den Brandanschlag auf vier Fahrzeuge des Ordnungsamts Berlin Treptow-Köpenick in der Nacht zum 20. März 2006, für den Brandanschlag auf zwei Fahrzeuge der Bundespolizei in Berlin-Lichtenberg in der Nacht zum 4. September 2006, für den Brandanschlag auf zwei Einsatzfahrzeuge der Berliner Polizei in Berlin-Spandau am 18. Mai 2007 sowie für den Brandanschlag auf zwei Kraftfahrzeuge des Ordnungsamts Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 11. September 2006; für die früheren Beschuldigten F. und H. für die Taten in der Nacht zum 20. Dezember 2006 sowie für den Brandanschlag auf ein Bürogebäude in Berlin-Mitte am 16. März 2007; für den früheren Beschuldigten F. für das Verfassen des Textes "Für einen revolutionären Aufbauprozeß Für eine militante Plattform von der militanten gruppe (mg) 15.04.02", veröffentlicht in der Interim Nr. 550 vom 5. September 2002 sowie für einen Telefonanruf im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf Fahrzeuge einer Chrysler-Niederlassung in Großziethen in der Nacht zum 29. April 2002; für den früheren Beschuldigten U. für die Presseerklärung Nr. 1/2003 der "militante gruppe" vom 17. April 2003 sowie für den Brandanschlag auf einen LKW der Fa. "ALBA" in Berlin in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2003; für den früheren Beschuldigten H. für den Brandanschlag auf den Rohbau eines LIDLMarktes in Berlin-Steglitz in der Nacht zum 10. Januar 2005, für die Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge in Potsdam und Berlin-Reinickendorf in der Nacht zum 29. April 2005 sowie schließlich für die Straftaten in der Nacht zum 17. Februar 2006.
33
Da nach alldem zu keinem Zeitpunkt ein ausreichender Tatverdacht bestand , muss der Senat nicht darüber entscheiden, ab welchem Zeitpunkt eine ursprünglich zulässige Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme bei an- gemessener Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unzulässig geworden wäre, weil im Überwachungszeitraum keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erlangt wurden.
34
4. Die obigen Ausführungen gelten für die nach § 163 f StPO angeordneten und durchgeführten Observationsmaßnahmen einschließlich der Begleitmaßnahmen entsprechend. Auch insoweit fehlte es an einem die Maßnahmen rechtfertigenden Verdacht; denn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass einer der früheren Beschuldigten eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte, lagen nicht vor.

III.

35
Da das Rechtsmittel Erfolg hat, trägt die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem früheren Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen (§§ 464, 473 StPO). Eine Entscheidung über die in erster Instanz entstandenen Auslagen des früheren Beschuldigten war aus den vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zutreffend dargelegten Gründen nicht veranlasst. Becker von Lienen Schäfer

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die

1.
durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2.
an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100e Absatz 1 Satz 4 und 5, Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

(1) Auch ohne Wissen der betroffenen Personen darf außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100a Abs. 2 bezeichnete, auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf sich nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(3) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(4) § 100d Absatz 1 und 2 sowie § 100e Absatz 1, 3, 5 Satz 1 gelten entsprechend.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Für Maßnahmen nach den §§ 98a, 99, 100a bis 100f, 100h, 100i, 110a, 163d bis 163g gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, die nachstehenden Regelungen.

(2) Entscheidungen und sonstige Unterlagen über Maßnahmen nach den §§ 100b, 100c, 100f, 100h Abs. 1 Nr. 2 und § 110a werden bei der Staatsanwaltschaft verwahrt. Zu den Akten sind sie erst zu nehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung nach Absatz 5 erfüllt sind.

(3) Personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhoben wurden, sind entsprechend zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtzuerhalten.

(4) Von den in Absatz 1 genannten Maßnahmen sind im Falle

1.
des § 98a die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
2.
des § 99 der Absender und der Adressat der Postsendung,
3.
des § 100a die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,
4.
des § 100b die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
5.
des § 100c
a)
der Beschuldigte, gegen den sich die Maßnahme richtete,
b)
sonstige überwachte Personen,
c)
Personen, die die überwachte Wohnung zur Zeit der Durchführung der Maßnahme innehatten oder bewohnten,
6.
des § 100f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
7.
des § 100h Abs. 1 die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
8.
des § 100i die Zielperson,
9.
des § 110a
a)
die Zielperson,
b)
die erheblich mitbetroffenen Personen,
c)
die Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat,
10.
des § 163d die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
11.
des § 163e die Zielperson und die Person, deren personenbezogene Daten gemeldet worden sind,
12.
des § 163f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
13.
des § 163g die Zielperson
zu benachrichtigen. Dabei ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 7 und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nummer 2 und 3 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer in Satz 1 bezeichneten Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist.

(5) Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit einer Person und von bedeutenden Vermögenswerten, im Fall des § 110a auch der Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers möglich ist. Wird die Benachrichtigung nach Satz 1 zurückgestellt, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

(6) Erfolgt die nach Absatz 5 zurückgestellte Benachrichtigung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedürfen weitere Zurückstellungen der gerichtlichen Zustimmung. Das Gericht bestimmt die Dauer weiterer Zurückstellungen. Es kann dem endgültigen Absehen von der Benachrichtigung zustimmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten werden. Sind mehrere Maßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt worden, so beginnt die in Satz 1 genannte Frist mit der Beendigung der letzten Maßnahme. Bei Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c beträgt die in Satz 1 genannte Frist sechs Monate.

(7) Gerichtliche Entscheidungen nach Absatz 6 trifft das für die Anordnung der Maßnahme zuständige Gericht, im Übrigen das Gericht am Sitz der zuständigen Staatsanwaltschaft. Die in Absatz 4 Satz 1 genannten Personen können bei dem nach Satz 1 zuständigen Gericht auch nach Beendigung der Maßnahme bis zu zwei Wochen nach ihrer Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft. Ist die öffentliche Klage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt worden, entscheidet über den Antrag das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung.

(8) Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten ohne Einwilligung der betroffenen Personen nur zu diesem Zweck verwendet werden; ihre Verarbeitung ist entsprechend einzuschränken.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Für Maßnahmen nach den §§ 98a, 99, 100a bis 100f, 100h, 100i, 110a, 163d bis 163g gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, die nachstehenden Regelungen.

(2) Entscheidungen und sonstige Unterlagen über Maßnahmen nach den §§ 100b, 100c, 100f, 100h Abs. 1 Nr. 2 und § 110a werden bei der Staatsanwaltschaft verwahrt. Zu den Akten sind sie erst zu nehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung nach Absatz 5 erfüllt sind.

(3) Personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Absatz 1 erhoben wurden, sind entsprechend zu kennzeichnen. Nach einer Übermittlung an eine andere Stelle ist die Kennzeichnung durch diese aufrechtzuerhalten.

(4) Von den in Absatz 1 genannten Maßnahmen sind im Falle

1.
des § 98a die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
2.
des § 99 der Absender und der Adressat der Postsendung,
3.
des § 100a die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,
4.
des § 100b die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
5.
des § 100c
a)
der Beschuldigte, gegen den sich die Maßnahme richtete,
b)
sonstige überwachte Personen,
c)
Personen, die die überwachte Wohnung zur Zeit der Durchführung der Maßnahme innehatten oder bewohnten,
6.
des § 100f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
7.
des § 100h Abs. 1 die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
8.
des § 100i die Zielperson,
9.
des § 110a
a)
die Zielperson,
b)
die erheblich mitbetroffenen Personen,
c)
die Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat,
10.
des § 163d die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
11.
des § 163e die Zielperson und die Person, deren personenbezogene Daten gemeldet worden sind,
12.
des § 163f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
13.
des § 163g die Zielperson
zu benachrichtigen. Dabei ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 7 und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nummer 2 und 3 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer in Satz 1 bezeichneten Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist.

(5) Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit einer Person und von bedeutenden Vermögenswerten, im Fall des § 110a auch der Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers möglich ist. Wird die Benachrichtigung nach Satz 1 zurückgestellt, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

(6) Erfolgt die nach Absatz 5 zurückgestellte Benachrichtigung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedürfen weitere Zurückstellungen der gerichtlichen Zustimmung. Das Gericht bestimmt die Dauer weiterer Zurückstellungen. Es kann dem endgültigen Absehen von der Benachrichtigung zustimmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten werden. Sind mehrere Maßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt worden, so beginnt die in Satz 1 genannte Frist mit der Beendigung der letzten Maßnahme. Bei Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c beträgt die in Satz 1 genannte Frist sechs Monate.

(7) Gerichtliche Entscheidungen nach Absatz 6 trifft das für die Anordnung der Maßnahme zuständige Gericht, im Übrigen das Gericht am Sitz der zuständigen Staatsanwaltschaft. Die in Absatz 4 Satz 1 genannten Personen können bei dem nach Satz 1 zuständigen Gericht auch nach Beendigung der Maßnahme bis zu zwei Wochen nach ihrer Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft. Ist die öffentliche Klage erhoben und der Angeklagte benachrichtigt worden, entscheidet über den Antrag das mit der Sache befasste Gericht in der das Verfahren abschließenden Entscheidung.

(8) Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme zurückgestellt ist, dürfen die Daten ohne Einwilligung der betroffenen Personen nur zu diesem Zweck verwendet werden; ihre Verarbeitung ist entsprechend einzuschränken.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und
3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

1.
aus dem Strafgesetzbuch:
a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a,
b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e,
c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h,
d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130,
e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4,
f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,
g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2,
h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212,
i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b,
j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,
k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255,
l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a,
m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist,
n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2,
o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5,
p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen,
q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen,
r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2,
s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen,
t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299,
u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c,
v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b,
4.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
5.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz:

Straftaten nach § 13 Absatz 3,
6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes,
7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a)
Völkermord nach § 6,
b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
11.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.

(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.

(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass

1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können:
a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder
b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,
2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,
3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und
4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

Hat das Gericht auf Antrag des Betroffenen in einer gesonderten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme oder ihres Vollzuges zu befinden, bestimmt es zugleich, von wem die Kosten und die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu tragen sind. Diese sind, soweit die Maßnahme oder ihr Vollzug für rechtswidrig erklärt wird, der Staatskasse, im Übrigen dem Antragsteller aufzuerlegen. § 304 Absatz 3 und § 464 Absatz 3 Satz 1 gelten entsprechend.