Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2016 - I ZB 41/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:080116BIZB41.15.0
bei uns veröffentlicht am08.01.2016
vorgehend
Amtsgericht Burg, 3 C 634/13, 07.08.2014
Landgericht Stendal, 22 S 91/14, 16.04.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 41/15
vom
8. Januar 2016
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 A, 234 A, 238 Abs. 2
Hat das Berufungsgericht durch gesonderten Beschluss einen Wiedereinsetzungsantrag
zurückgewiesen, so muss diese Entscheidung gesondert nach
werden, um sie nicht in Rechtskraft erwachsen und für die Entscheidung
über die Verwerfung bindend werden zu lassen. Die betroffene Partei
ist jedoch unter dem Aspekt der Rechtskraft nicht gehindert, nachfolgend
weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen, über die noch nicht
entschieden worden ist (Fortführung von BGH, Beschluss vom 16. April 2002
- VI ZB 23/00, NJW 2002, 2397).
BGH, Beschluss vom 8. Januar 2016 - I ZB 41/15 - LG Stendal
AG Burg
ECLI:DE:BGH:2016:080116BIZB41.15.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und Feddersen

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 16. April 2015 aufgehoben. Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Burg vom 7. August 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.501,50 €

Gründe:

1
I. Das Amtsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 7. August 2014 zur Zahlung von Maklerlohn in Höhe von 1.501,50 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Gegen das ihr am 11. August 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. September 2014 Berufung eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beantragt. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Be- rufungsbegründungsfrist und deren Verlängerung beantragt. Am 5. November 2014 hat er die Berufung begründet.
2
Mit Beschluss vom 20. Februar 2015 hat das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und den Hinweis erteilt, die Berufung sei wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig. Zugleich hat das Landgericht auch den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Am 12. März 2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Beschwerde gegen den Beschluss vom 20. Februar 2015 eingelegt und erneut Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt.
3
Mit Beschluss vom 16. April 2015 hat das Landgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen und den weiteren Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
4
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Der Beklagten ist zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung versagt worden.
5
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihren Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Diese gebieten es, den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfer- tigender Weise zu erschweren (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - I ZB 74/09, NJW-RR 2011, 702 Rn. 6; Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 462/11, NJW-RR 2012, 757 Rn. 4 mwN). Dagegen verstößt die angefochtene Entscheidung. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen , die Beklagte habe den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Bei zutreffender Beurteilung ist der Beklagten Wiedereinsetzung in die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Beklagten ist zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden.
7
a) Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung zurückgewiesen, die Bedürftigkeit der Beklagten sei für die Fristversäumung nicht kausal geworden. Die Berufung sei unbedingt eingelegt worden. Der Prozessbevollmächtigte sei unabhängig von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zur Fertigung der Berufungsbegründung bereit gewesen, wie deren Einreichung am 5. November 2014 gezeigt habe.
8
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme einer fristwahrenden Handlung - hier: der Begründung der Berufung - verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags rechnen musste, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über seinen Prozesskostenhilfeantrag entschieden werden konnte. Deshalb kann eine unbemittelte Partei, für die ein Anwalt formularmäßig Rechtsmittel eingelegt hat, ohne es zu begründen, die aber keinen Prozessbevollmächtigten hat, der gewillt ist, für sie weiter tätig zu werden, noch am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist einen Prozesskostenhilfeantrag stellen. Das Rechtsmittel darf dann nicht mit dem Argument verworfen werden, innerhalb der Begründungsfrist sei keine Begründung eingereicht worden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. September 2004 - II ZB 17/03, FamRZ 2005, 105; BGH, NJW-RR 2012, 757 Rn. 8).
10
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt allerdings nur in Betracht , wenn die Mittellosigkeit der betroffenen Partei für die Fristversäumung kausal geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2008 - VI ZB 16/07, NJW 2008, 2855; BGH, NJW-RR 2012, 757 Rn. 9). Rechtsmittelfristen werden nur schuldlos im Sinne von § 233 ZPO versäumt, wenn eine Partei sich wegen ihrer Mittellosigkeit außerstande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung oder Begründung des Rechtsmittels zu beauftragen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 1999 - V ZB 19/99, NJW 1999, 3271; BGH, NJW-RR 2012, 757 Rn. 9). Entscheidend für die Ursächlichkeit der Mittellosigkeit einer Partei für die Versäumung der Frist ist, ob der Rechtsanwalt bereit war, das Rechtsmittel auch ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzulegen und zu begründen (BGH, NJW 2008, 2855 Rn. 4). Holt die Partei die Verfahrenshandlung nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist, aber vor der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch nach, so ist, solange sich nichts Gegenteiliges ergibt, davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit für die zunächst unterbliebene und sodann verspätet vorgenommene Verfahrenshandlung ursächlich geworden ist. Einer Darlegung der Gründe, weshalb das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Frist unabhängig von der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe begründet werden konnte, bedarf es nicht (BGH, NJW 2008, 2855 Rn. 5; NJW-RR 2012, 757 Rn. 9). Anders verhält es sich, wenn die Begründung noch innerhalb der Frist erfolgt. Dann ist davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit für eine gleichwohl eintretende Fristversäumung nicht kausal geworden ist (BGH, NJW 2008, 2855 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 16. November 2010 - VIII ZB 55/10, NJW 2011, 230 Rn. 21).
11
bb) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die Frist zur Begründung der Berufung schuldlos versäumt. Sie hat innerhalb der Frist zur Berufungseinlegung einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt und die Beiordnung ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht darauf vertrauen durfte, sie erfülle die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, bestehen nicht.
12
Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufung nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung begründet hat, hindert entgegen der Ansicht des Landgerichts die Annahme nicht, die Mittellosigkeit der Beklagten sei für die Fristversäumung kausal geworden. Wird nach Fristablauf das Rechtsmittel begründet, kann, solange sich nichts Gegenteiliges ergibt, nicht darauf geschlossen werden, dass die Mittellosigkeit deshalb nicht kausal für die Fristversäumung geworden ist, weil der Prozessbevollmächtigte unabhängig von der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu einer weiteren Tätigkeit bereit war. Darlegungen, weshalb das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Frist begründet werden konnte, bedarf es nicht (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 757 Rn. 9). Mangels gegenteiliger Feststellungen ist auch vorliegend davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit der Beklagten für die Fristversäumung kausal geworden ist.
13
cc) Die mit Beschluss vom 20. Februar 2015 erfolgte Zurückweisung des ersten Wiedereinsetzungsantrags der Beklagten steht der Gewährung von Wiedereinsetzung nicht entgegen, auch wenn die Beklagte diesen Beschluss nicht mit der Rechtsbeschwerde angegriffen hat.
14
Zwar muss bei gesonderter Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch diese mit dem statthaften Rechtsmittel angegriffen werden, weil andernfalls die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag rechtskräftig und für die Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels bindend wird (BGH, Beschluss vom 16. April 2002 - VI ZB 23/00, NJW 2002, 2397 mwN; Grandel in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 238 Rn. 7). Jedoch ist die betroffene Partei unter dem Aspekt der Rechtskraft - soweit die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gewahrt ist, die bei Geltendmachung mehrerer Hinderungsgründe erst mit der Beseitigung des letzten Hinderungsgrunds zu laufen beginnt (vgl. Grandel in Musielak/Voit aaO § 234 Rn. 3) - nicht gehindert, nachfolgend weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen, über die noch nicht entschieden worden ist.
15
So verhält es sich vorliegend. Der erste Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten ist auf die krankheitsbedingte Versäumung der Begründungsfrist durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gestützt gewesen. Nunmehr ist Gegenstand der Entscheidung, ob die Beklagte aufgrund ihrer Mittellosigkeit an der Einhaltung der Frist schuldlos gehindert war.
16
3. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zu gewähren, weil auch die weiteren Voraussetzungen hierfür vorliegen.
17
a) Allerdings ist das sich aus der Mittellosigkeit der Beklagten ergebende Hindernis am 5. November 2014 behoben worden. Dieses bestand darin, dass die Beklagte ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Rechtsanwalt fand, der die Berufung begründete. Weggefallen ist das Hindernis, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an diesem Tag die Berufung auch ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe begründet hat. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das in der Mittellosigkeit bestehende Hindernis wegfällt, wenn sich die Vermögensverhältnisse der Partei in der Wei- se ändern, dass sie in die Lage versetzt wird, die Prozesskosten aus eigenen Mitteln aufzubringen, und dies erkennt oder die Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1998 - XII ZR 262/98, NJW 1999, 793). Damit ist die vorliegende Fallkonstellation vergleichbar, in der der Prozessbevollmächtigte auch ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe die Berufung begründet.
18
b) Danach hätte die Beklagte an sich die Wiedereinsetzung innerhalb der Monatsfrist des § 236 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO beantragen müssen. Dass dies nicht rechtzeitig geschehen ist, ist unschädlich, weil die Beklagte die in der fehlenden Berufungsbegründung liegende versäumte Prozesshandlung vor Ablauf der Antragsfrist vorgenommen hat und ihr nach § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO Wiedereinsetzung ohne Antrag gewährt werden kann.
Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Feddersen
Vorinstanzen:
AG Burg, Entscheidung vom 07.08.2014 - 3 C 634/13 -
LG Stendal, Entscheidung vom 16.04.2015 - 22 S 91/14 -

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

6
III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinen Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör und wirkungsvollen Rechtsschutz. Diese gebieten es, den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Dagegen verstößt die angefochtene Entscheidung. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Beklagte habe den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Bei zutreffender Beurteilung ist dem Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 117 Abs. 1 und 2 FamFG, §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Oberlandesgericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragsgegners auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet , den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11 - FamRZ 2011, 881 Rn. 7 und vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 17/03
vom
27. September 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Ha, 520 Abs. 2 Satz 3
Einer mittellosen Partei darf nicht deshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung versagt
werden, weil sie das Prozeßkostenhilfegesuch erst kurz vor Ablauf der (verlängerten
) Begründungsfrist eingereicht hat. Das gilt auch dann, wenn das Gesuch
erst nach einem Mandatswechsel durch den neuen Prozeßbevollmächtigten
gestellt wird und dieser seine weitere Tätigkeit von der Gewährung der Prozeßkostenhilfe
abhängig gemacht hat (im Anschl. an BGHZ 38, 376).
BGH, Beschluß vom 27. September 2004 - II ZB 17/03 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. September 2004
durch die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und
Dr. Strohn

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - vom 23. Juni 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Konstanz mit Sitz in Villingen-Schwenningen vom 14. Februar 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen worden ist.
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Sache wird zur weiteren Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 75.624,96 €

Gründe:


I. Der Kläger macht als Konkursverwalter einer GmbH (Gemeinschuldnerin ) gegen den Beklagten zu 1 als deren ehemaligen Gesellschafter und die Beklagte zu 2 als Mitverpflichtete aus einem Darlehen Zahlungsansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung und Verstoßes gegen das Kapitalerhaltungsgebot geltend; der Beklagte zu 1 verlangt im Wege der Widerklage vom Kläger Schadensersatz.
Nachdem dem Kläger Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, hat das Landgericht Klage und Widerklage abgewiesen. Gegen das ihnen am 19. Februar 2002 zugestellte Landgerichtsurteil haben die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers - die mit ihm in überörtlicher Sozietät verbundenen Rechtsanwälte E. und Partner - fristgerecht am 18. März 2002 Berufung eingelegt und zugleich angezeigt, daß sie den Kläger auch in der Berufungsinstanz vertreten. Auf ihren Antrag vom 16. April 2002 wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Mai 2002 verlängert; die Beklagten widersprachen daraufhin vorsorglich einer weiteren Fristverlängerung. Am 10. Mai 2002 zeigte Rechtsanwalt Dr. Er. als Mitglied der Sozietät B. und Partner die Vertretung des Klägers im Berufungsrechtszug an und teilte zugleich die Beendigung des Mandats der früheren Bevollmächtigten mit; außerdem beantragte er - formal ordnungsgemäß - Prozeßkostenhilfe für den Kläger, wobei er darauf hinwies, zur Übernahme des Mandats nur unter der Voraussetzung ihrer Bewilligung bereit zu sein. Ein gleichzeitig gestelltes Gesuch um weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wurde im Hinblick auf die fehlende Zustimmung der Beklagten am 15. Mai 2002 zurückgewiesen. Nachdem dem Kläger durch Beschluß des Berufungsgerichts vom 21. Juni 2002 Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Er. bewilligt worden
war, hat dieser durch Schriftsatz vom 10. Juli 2002 fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich die Berufung begründet. Der Beklagte zu 1 hat mit am 30. September 2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Anschlußberufung gegen das Landgerichtsurteil eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag in den Beschlußgründen zurückgewiesen; zugleich hat es die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger und in der Annahme, der Beklagte zu 1 habe die Frist zur Anschließung versäumt, diesem nach Maßgabe des anteiligen Mißerfolgs ihrer wechselseitigen Rechtsmittel auferlegt.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde , mit der er sein Berufungsbegehren weiterverfolgt.
II. Die fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO) und auch im übrigen zulässig. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geboten (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, seine Berufung innerhalb der bis zum 19. Mai 2002 verlängerten Berufungsbegründungsfrist zu begründen (§ 233 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung im wesentlichen darauf gestützt, daß der Kläger - zumal selbst Rechtsanwalt - gehalten gewesen sei, das ihm bekannte Hindernis der Mittellosigkeit durch rechtzeitige Stellung eines Prozeßkostenhilfeantrags schon während des Laufs der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist auszuräumen, so daß es noch innerhalb der
verlängerten Frist hätte beschieden und damit ein Wiedereinsetzungsverfahren hätte vermieden werden können. Das Untätigbleiben bis zum Anwaltswechsel wie auch die Beendigung des Mandats seiner ursprünglichen Bevollmächtigten legten ein Verschulden an der Fristversäumung unbeschadet der Mittellosigkeit nahe.
2. Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Durch die Überspannung der zeitlichen Anforderungen bewirkt sie für die im Sinne des § 114 ZPO arme Partei eine unzumutbare Verkürzung der jedem Rechtsmittelkläger eingeräumten Möglichkeit zur eingehenden Überlegung und sorgfältigen Begründung des Rechtsmittels. Damit hat das Oberlandesgericht dem Kläger die Durchführung des Berufungsverfahrens in einer von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichenden Weise unzulässig erschwert und so dessen Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) verletzt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine unbemittelte Partei, für die ein Anwalt zwar formularmäßig Berufung eingelegt hat, ohne sie zu begründen, die aber keinen Prozeßbevollmächtigten hat, der gewillt ist, für sie weiter tätig zu werden, selbst am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist noch ein Prozeßkostenhilfegesuch einreichen mit der Folge, daß die Berufung nicht deshalb verworfen werden darf, weil innerhalb der Begründungsfrist noch keine Berufungsbegründung eingereicht wurde (st.Rspr. seit BGHZ 38, 376, 377 f.; BGH, Beschl. v. 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03, BGH-Report 2004, 623 f.). Maßgebliche Erwägung für diese Rechtsprechung ist, daß die Begründungsfrist auch dem mittellosen Rechtsmittelkläger die Möglichkeit sorgfältiger Begründung geben soll. Da die mittellose
Partei häufig nur aufgrund eines eingehend vorbereiteten und begründeten Gesuchs mit einer Bewilligung der Prozeßkostenhilfe rechnen kann, würde für sie im Ergebnis diese Frist unzumutbar abgekürzt, wenn sie gezwungen wäre, das mit einer Begründung versehene Prozeßkostenhilfegesuch so zeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu stellen, daß der beigeordnete Rechtsanwalt in der Lage ist, vor Fristablauf tätig zu werden und das Rechtsmittel zu begründen. Eine Abkürzung der Überlegungsfrist für die unbemittelte Partei läßt sich um so weniger rechtfertigen, als die Gerichte wegen ihrer starken Belastung in der Regel gar nicht in der Lage sind, selbst über ein frühzeitig gestelltes Prozeßkostenhilfegesuch rechtzeitig vor Ablauf der Frist zu entscheiden. Vor allem aber würde es zu erheblicher Rechtsunklarheit und -unsicherheit führen, wenn die Gerichte für die Einreichung des Prozeßkostenhilfegesuchs je nach der Lage des Einzelfalls unterschiedliche Fristen berechnen würden; das Gebot der Rechtssicherheit erfordert es daher, - ebenso wie bei der Rechtsmitteleinlegung (vgl. dazu: BGHZ 16, 1, 3 f.) - auf eine solche besondere Frist für die Beantragung der Prozeßkostenhilfe ganz zu verzichten und der unbemittelten Partei zu gestatten, ihr Gesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist einzureichen (BGHZ 38, 376, 378).
Von diesen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen ist das Berufungsgericht in unzulässiger Weise schon dadurch abgewichen, daß es den Kläger trotz der Verlängerung der Begründungsfrist für verpflichtet gehalten hat, den Prozeßkostenhilfeantrag bereits innerhalb der gesetzlichen Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zu stellen, um so frühzeitig das Hindernis der Mittellosigkeit zu beheben und ein Wiedereinsetzungsverfahren zu vermeiden. Mit dieser Vorverlagerung der Pflicht zur Einleitung des Prozeßkostenhilfeverfahrens werden die vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze durchbrochen und wird die betref-
fende mittellose Partei schlechter gestellt als ein nicht auf Prozeßkostenhilfe angewiesener Rechtsmittelkläger.

b) Die vorliegende Besonderheit des Mandatswechsels innerhalb des Laufes der verlängerten Frist beseitigt die Ursächlichkeit (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 24. Juni 1999 - V ZB 19/99, NJW 1999, 3271) der Mittellosigkeit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht und rechtfertigt deshalb keine Abweichung von dem genannten höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsatz.
Das Berufungsgericht geht - insoweit zutreffend - selbst davon aus, daß die (unverschuldete) Mittellosigkeit der vom Kläger verwalteten Vermögensmasse (§ 116 ZPO) dafür ursächlich geworden ist, daß die Berufungsbegründung durch ihren jetzigen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Er. erst nach Ablauf der verlängerten Berufungsbegründungsfrist erfolgen konnte, weil dieser - in zulässiger Weise - die Mandatsübernahme von der Gewährung der von ihm beantragten Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht hatte. Soweit das Berufungsgericht dem Kläger hingegen ein Untätigbleiben bis zum Anwaltswechsel sowie die Beendigung des seinen früheren Bevollmächtigten erteilten Mandats als verschuldete Umstände anlasten will, die die unverschuldete Ursächlichkeit der Mittellosigkeit für die Fristversäumung ausschließen , ist dies - wie ausgeführt - von Rechtsirrtum beeinflußt.
Darauf, daß das Berufungsgericht sich mit dem angefochtenen Beschluß zu seiner dem Prozeßkostenhilfegesuch stattgebenden Entscheidung in Wider-
spruch gesetzt hat, weil es die Frage der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen im Rahmen der Bewilligung bejaht haben muß, kommt es nicht mehr an.
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Strohn

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 16/07
vom
6. Mai 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Versäumt eine mittellose Partei die Frist zur Begründung der Berufung, so kommt
eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe
nur in Betracht, wenn die Mittellosigkeit für die Fristversäumung kausal
geworden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn der beim Berufungsgericht zugelassene
Rechtsanwalt bereit war, die Berufung auch ohne die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
zu begründen, was der Tatsache entnommen werden kann, dass vor Ablauf
der Frist eine vollständige, allerdings als "Entwurf" bezeichnete Berufungsbegründungsschrift
eingereicht wurde.
BGH, Beschluss vom 6. Mai 2008 - VI ZB 16/07 - Kammergericht
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2008 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin, ihr für die Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. April 2007 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter ärztlicher Fehlbehandlung in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.000 € Schmerzensgeld verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen das ihr am 20. März 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 7. April 2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und angekündigt , die Berufungsbegründung erfolge mit gesondertem Schriftsatz. Auf Antrag der Klägerin wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. Juni 2006 verlängert. Mit am 22. Juni 2006 eingegangenem Schriftsatz beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Entwurf einer Berufungsbegründung Prozesskostenhilfe und stellte klar, dass die Berufung nur im Umfang der Bewilligung durchgeführt werde; sie beabsichtige nach Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen. Dem Schriftsatz lag die vollständige 14-seitige und unterschriebene Berufungsbegründung vom 22. Juni 2006 bei, die mit der Überschrift "Entwurf einer Berufungsbegründung" versehen ist. Das Berufungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen , weil die Berufung als unzulässig zu verwerfen sein werde. Einen Wiedereinsetzungsantrag und einen erneuten Prozesskostenhilfeantrag hat das Berufungsgericht ebenfalls zurückgewiesen. Die Berufung hat es als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, für die sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.

II.

2
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft, weil das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen hat (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch gebieten die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hier keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
3
1. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung sei nicht in der gesetzten Frist begründet worden, weil der Entwurf der Berufungsbegründung zwar grundsätzlich den formalen Anforderungen genüge, insbesondere auch unterzeichnet worden sei, der Schriftsatz jedoch offensichtlich nicht zur Begründung der Berufung bestimmt gewesen sei. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass dann, wenn die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift erfüllt sind, die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufungsbegründung bestimmt sei, gerechtfertigt ist, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. BGHZ 165, 318, 320 f.; BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 31/05 - FamRZ 2005, 1537; vom 25. September 2007 - XI ZB 6/07 - zitiert nach Juris, jeweils m.w.N.). Das Berufungsgericht stellt insoweit ohne Rechtsfehler darauf ab, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht nur in seinem Antragsschriftsatz hervorgehoben habe, die Berufung solle noch nicht begründet werden , sondern die Berufungsbegründung auch mit einer entsprechenden Überschrift versehen habe.
4
2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf dem wirtschaftlichen Unvermögen der Klägerin beruht habe und daher nicht ohne Verschulden (§ 233 ZPO) eingetreten sei. Versäumt eine mittellose Partei eine Frist, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe nur in Betracht, wenn die Mittellosigkeit für die Fristversäumung kausal geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1965 - IV ZR 229/64 - NJW 1966, 203 f.; Beschluss vom 24. Juni 1999 - V ZB 19/99 - NJW 1999, 3271; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 45; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 234 Rn. 11). Entscheidend für die Frage der Ursächlichkeit der Mittellosigkeit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist, ob der beim Berufungsgericht zugelassene Rechtsanwalt bereit war, die Berufung auch ohne die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu begründen (BGH, Beschluss vom 24. Juni 1999 - V ZB 19/99 - aaO; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO; Stein/Jonas/Roth, aaO).
5
Dass dies hier der Fall war, entnimmt das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler dem Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die vollständige - wenn auch als vorläufige bezeichnete - Berufungsbegründung noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gefertigt und bei Gericht eingereicht hat. Zwar steht der Umstand, dass die Berufungsbegründung ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt, der Annahme, dass sie zunächst wegen der Mittellosigkeit der Partei nicht oder später nicht rechtzeitig erfolgt sei, nicht entgegen. Holt die Partei die Prozesshandlung nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist, aber vor der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch nach, so ist, solange sich nichts Gegenteiliges ergibt, davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit für die zunächst unterlassene Prozesshandlung und sodann für ihre Verspätung ursächlich geworden ist, wobei es einer Darlegung der Gründe, weshalb das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Frist unabhängig von der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe begründet werden konnte, nicht bedarf (BGH, Beschluss vom 24. Juni 1999 - V ZB 19/99 - aaO, m.w.N.).
6
Anders verhält es sich indes, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Tätigkeit entfaltet, während die Frist noch läuft (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1965 -IVZR 229/64- aaO; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO; Stein/Jonas/Roth, aaO). Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass das wirtschaftliche Unvermögen der Partei und eine Weigerung des Prozessbevollmächtigten , seine Leistung wegen ausbleibender Vorschusszahlung zu erbringen, offenkundig als Ursache der Fristversäumung ausscheiden, wenn die Berufungsbegründung vollständig erstellt und - als "Entwurf" gekennzeichnet - bei Gericht eingereicht wird, der Prozessbevollmächtigte also tatsächlich seine (wegen der Berufungseinlegung vergütungspflichtige) Leistung in vollem Umfang bereits erbracht hat. Mit Recht führt das Berufungsgericht auch aus, das Prozesskostenhilfeverfahren diene der Gleichstellung der armen Partei und nicht dazu, der armen Partei gegenüber der nicht armen Partei eine deutlich verlängerte Berufungsbegründungsfrist zu ermöglichen, wie es hier vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin gehandhabt werde, wenn er das Erforderliche erbringe und zudem seine Arbeit zunächst unabhängig von der Entscheidung des Gerichts über die Prozesskostenhilfe fortsetze.
7
3. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht auch an, dass den Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinsichtlich der Verkennung dieser Rechtslage ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden trifft. Die von dem Prozessbevollmächtigten für die Berechtigung seines Vorgehens genannten Belege sind, wie das Berufungsgericht zutreffend im Einzelnen ausführt, ungeeignet; die Rechtslage ergibt sich ohne Weiteres aus der oben zitierten Rechtsprechung und Kommentarliteratur. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 28.02.2006 - 9 O 538/01 -
KG Berlin, Entscheidung vom 02.04.2007 - 20 U 55/06 -

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

21
Anders verhält es sich dann, wenn ein Prozessbevollmächtigter seine Tätigkeit entfaltet, während die Frist für die Prozesshandlung noch läuft (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1965 - IV ZR 229/64, aaO S. 204; Beschluss vom 6. Mai 2008 - VI ZB 16/07, aaO Rn. 6 mwN). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt eine solche Fallgestaltung jedoch nicht vor. Denn die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat innerhalb der laufenden Fristen weder eine Berufung noch eine Berufungsbegründung eingereicht. Im Schriftsatz vom 5. November 2009 hat sie lediglich ein Prozesskostenhilfegesuch gestellt und begründet. Darin liegt der entscheidende Unterschied zu dem vom Bundesgerichtshof im Jahr 2008 entschiedenen Fall. Dort war zunächst unbedingt Berufung eingelegt und erst nachträglich - während des Laufs der Begründungsfrist - ein Prozesskostenhilfegesuch gestellt worden, dem eine als Entwurf gekennzeichnete (und wegen der bereits erfolgten Berufungseinlegung vergütungspflichtige ) Berufungsbegründung beigefügt worden war. Auf diese Gesichtspunkte hat der Bundesgerichtshof seine Überzeugung gestützt, die Mittellosigkeit der Partei sei für die Versäumung der Begründungsfrist nicht ursächlich geworden. Dagegen ist vorliegend in Anbetracht der anders gelagerten Fallum- stände nicht die Annahme gerechtfertigt, die Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe mit der Abfassung des Schriftsatzes vom 5. November 2009 die vergütungspflichtige Leistung der Berufungsbegründung bereits im vollen Umfang erbracht und dadurch ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, das Rechtsmittel auch ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzulegen und zu begründen. Dass die wünschenswerte Begründung des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1992 - XII ZB 118/92, NJW 1993, 732 unter II 2) den Umfang einer Berufungsbegründung erreichte, ändert ebenfalls nichts daran, dass eine Berufungsbegründung im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO erst mit Schriftsatz vom 11. Januar 2010 und damit nach Fristablauf erfolgt ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.