Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2007 - 5 StR 116/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten S. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass von der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagten S. , F. und Sa. zudem die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Revision des Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
4. Das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten T. wird nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.
Insofern fallen die Auslagen der Staatskasse dieser zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e
A
- 1
- Die vorliegende Entscheidung ergeht in zwei zu verbindenden Verfahren jeweils im zweiten Verfahrensdurchgang, nachdem das Bundesverfassungsgericht in beiden Verfahren – nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene – Beschlüsse des Senates aufgehoben hat.
I.
- 2
- Das Landgericht Braunschweig hat am 5. Juli 2000 den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten F. und Sa. sowie den inzwischen verstorbenen T. hat es wegen Anstiftung zum Mord sowie wegen Nötigung, die Angeklagten F. und T. darüber hinaus wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und den Angeklagten Sa. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Betreffend die Angeklagten F. , Sa. und T. hat das Landgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
- 3
- Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten S. (türkischer Staatsangehöriger ), F. (deutscher Staatsangehöriger), Sa. und T. (beide serbisch-montenegrinische Staatsangehörige) mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass der damals vorläufig festgenommene Beschuldigte S. vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S. 1585) belehrt worden sei.
- 4
- Der Senat hat durch Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1, StV 2003, 57 m. Anm.
II.
- 5
- Das Landgericht Hamburg hat am 5. April 2002 den Angeklagten D. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
- 6
- Der Angeklagte D. (türkischer Staatsangehöriger) hat im Rahmen seiner Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sei.
- 7
- Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – die Revision des Angeklagten D. nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
III.
- 8
- Das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Zweiten Senats – hat durch Beschluss vom 19. September 2006 (NJW 2007, 499, m. Bespr. Walter JR 2007, 99 und Kreß GA 2007, 296 sowie Anm. Burchard JZ 2007, 891) die Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, die Beschlüsse des Senats vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – betreffend die Beschwerdeführer wegen deren Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) aufgehoben und die Sachen insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
B
- 9
- Danach hat der Senat über die Revisionen aller Angeklagten erneut zu entscheiden.
I.
- 10
- Dies kann im Beschlusswege erfolgen.
- 11
- 1. Über die Revisionen der Angeklagten S. , F. , Sa. und D. kann im Verfahren nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO befunden werden.
- 12
- Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 sind beide Verfahren in denjenigen Stand zurückversetzt worden, den sie vor dem Senatsbeschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und demjenigen vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – hatten. Soweit durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsfragen der Wirkung eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK – hierauf konzentriert und auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte hinweisend – zur erneuten Entscheidung gestellt sind, haben der Generalbundesanwalt mit seinen Antragsschriften vom 12. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 116/01 und vom 18. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 475/02 sowie die Verteidiger aller Angeklagten und der Vertreter der Nebenkläger Stellung genommen.
- 13
- Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist auch nicht deshalb ausgeschlossen , weil zur erneuten Senatsentscheidung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt. Die hiernach unter notwendig revidierter Sicht erneut zu entscheidende Frage ist eng begrenzt und von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich ausführlich behandelt worden. Sie ist auch unter Berücksichtigung der veränderten Vorgaben aus Sicht des Senats letzt- lich eindeutig zu beantworten. In der nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO geforderten Einstimmigkeit, bei § 349 Abs. 2 StPO zudem im notwendigen Einklang mit dem Ergebnis des Antrags des Generalbundesanwalts finden sich ausreichende Korrektive (vgl. auch BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Es ist daran zu erinnern, dass auch sonst höchstrichterlich umstrittene Fragen (§ 132 Abs. 2 GVG) und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) durch Beschluss entschieden werden können (§ 138 Abs. 1 Satz 2 GVG) und regelmäßig in dieser Verfahrensweise entschieden werden, ohne dass den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme auch in einer Hauptverhandlung gegeben würde.
- 14
- 2. Die Entscheidung betreffend den verstorbenen Angeklagten T. hat nach § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss zu erfolgen.
II.
- 15
- Die Revisionen der Angeklagten S. und D. sind weitgehend, die der Angeklagten F. und Sa. in vollem Umfang unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 16
- 1. Soweit die Revisionen jeweils mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen, führt dies lediglich zu einem geringen Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten S. und D. .
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- a) Allerdings liegt in jedem der beiden Fälle eine Gesetzesverletzung darin, dass der Angeklagte S. und der Angeklagte D. jeweils nach ihrer Festnahme nicht durch die Polizeibeamten über ihre Rechte gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sind.
- 18
- Die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei sind Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens (BGBl II 1969 S. 1585, 1671).
- 19
- Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK über sein subjektives Recht, die unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen , sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urteil vom 27. Juni 2001, ICJ-Reports 2001, 464 – „LaGrand“ – [Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 – „Avena“). Die durch den Senat vormals vorgenommene, an den nationalen Konkretisierungen im Haftrecht nach Art. 104 GG, §§ 115, 115a, 128 StPO orientierte Auslegung, welche die Pflicht auf den Richter beschränkt (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1), erweist sich danach als zu eng und ist ausdrücklich zu revidieren. Die Belehrungspflicht knüpft – standardisiert – an die fremde Staatsangehörigkeit des Beschuldigten und an seine Festnahmesituation an. Sie gilt also auch für den Fall, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Eine darüber hinausgehende ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit ist nicht Voraussetzung für die sich aus Völkervertragsrecht im Range eines Bundesgesetzes ergebende Belehrungspflicht. Ebenso führt bei einem Beschuldigten, der nicht ausländischer Angehöriger eines Vertragsstaats des Wiener Übereinkommens ist, eine gleichgeartete besondere Hilflosigkeit in der Festnahmesituation nicht zu hieraus abzuleitenden entsprechenden Unterstützungspflichten.
- 20
- Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag.
- 21
- b) Die Mitangeklagten des Angeklagten S. , die Beschwerdeführer Sa. (serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger) und F. (deutscher Staatsangehöriger), können aus dieser Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitbeschuldigten für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK knüpft individuell an fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar betroffenen Beschuldigten an. Seine Verletzung berührt noch weniger als eine Verletzung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366, 372 f.) den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten. Grundlegende generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens, die eine abweichende Betrachtung veranlassen könnten (vgl. BGHSt 33, 148, 154 m.w.N.), sind nicht berührt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen – namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO – als eher zu weitgehend angesehen werden müssen.
- 22
- c) Die von den Verstößen gegen die Belehrungspflicht selbst betroffenen Beschwerdeführer S. und D. sind mit revisionsrechtlichen Beanstandungen gegen eine Verletzung des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht etwa in Ermangelung eines Widerspruchs ausgeschlossen. Sie haben in ihren Revisionsbegründungen jeweils vorgetragen, dass sie in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt Widerspruch gegen die Verwertung ihrer Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen, für die sie eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen können, erhoben haben (hervorgehoben von BVerfG – Kammer – aaO S. 500; vgl. zum Widerspruchserfordernis BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Aller- dings erfolgte dieser Widerspruch „generell“ (S. ) bzw. bezogen auf ganz andere, nicht durchgreifende Verfahrensbeanstandungen nach §§ 136, 137 StPO (D. ). Dies wird den Erfordernissen eines spezifizierten Widerspruchs , wie ihn der 1. Strafsenat in seinem Beschluss vom 11. September 2007 in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Widerspruchslösung“ verlangt hat, nicht gerecht. Das bleibt aber vorliegend für die unmittelbar von dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK betroffenen Beschwerdeführer S. und D. unschädlich. Denn anders als in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall ist die in Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK vorgesehene Belehrung hier in beiden Fällen nie nachgeholt, der Verstoß mithin nicht später geheilt worden. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich der Senat nach den maßgeblich zu beachtenden Grundsätzen des „LaGrand“-Urteils des Internationalen Gerichtshofs (BVerfG – Kammer – aaO S. 501 ff.) außerstande, den im Fall der Heilung erwägenswerten, vom 1. Strafsenat verlangten spezifizierten Widerspruch als Rügevoraussetzung zu fordern. Denn der Internationale Gerichtshof hatte einen Ausschluss der Revisibilität („review und reconsideration“) einer Verletzung dieses Rechts mangels rechtzeitiger Erhebung von nach nationalem Recht verlangten Einwänden – dort betreffend die USamerikanische „procedural default rule“ – jedenfalls dann als Verstoß gegen Art. 36 Abs. 2 WÜK betrachtet und deswegen missbilligt, wenn die Unterrichtung über das sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ergebende Recht solange nicht erfolgte, wie diese Einwände prozessrechtlich hätten erhoben werden müssen (IGH – „LaGrand“ – aaO S. 497 sowie – „Avena“ – aaO S. 613; vgl. hierzu auch Simma in Festschrift für Tomuschat S. 423, 428 ff.). Ob ohne Heilung des Verstoßes jeglicher Widerspruch entbehrlich wäre, bedarf angesichts des hier jeweils generell erfolgten Widerspruchs keiner Vertiefung.
- 23
- d) Indes zieht der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK kein Verwertungsverbot nach sich, das anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht gebieten (BVerfG – Kammer – aaO S. 503 f.; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304; Walter JR 2007, 99, 101; Paulus StV 2003, 57, 58 f.; ferner Burchard JZ 2007, 891, 893 f.). Insoweit stellt sich die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren (vgl. BGHSt 44, 243, 249 m.w.N.; BGH NJW 2007, 2269, 2271, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ) anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Hierdurch werden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt. Die einem Beschuldigten aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK zu erteilende Belehrung ist diesen Belehrungspflichten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich. So knüpft die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK schon nicht an den Beginn der Vernehmung an, sondern es wird allein auf die Inhaftierung abgestellt. Zudem wird durch das Unterrichtungsrecht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK lediglich ein ergänzender Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit geboten, dem in der Haftsituation und unter deren besonderer Berücksichtigung eine allein staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen eingeräumt werden soll. Durch diese standardisierte Rechtsposition wird, wie dargelegt, auch nicht etwa besonders auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit abgestellt. Liegt eine solche vor, ist dem eben nicht etwa durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine geeignete besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweigerechts und des Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung (vgl. BGHSt 42, 15). Den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Ver- teidigungsstandards zugute. An eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. IGH – „LaGrand“ – aaO S. 494), das zwar beachtlich ist, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstellt, ist danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.
- 24
- e) Jedoch erachtet der Senat es für angezeigt, die Rechtsverletzung zu kompensieren.
- 25
- Trotz Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots darf der festzustellende Verstoß gegen die völkerrechtlich verankerte Unterrichtungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK grundsätzlich nicht folgenlos bleiben. Nach der vom Internationalen Gerichtshof geforderten Auslegung des Art. 36 Abs. 2 zweiter Halbsatz WÜK – die gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist (BVerfG – Kammer – aaO S. 501) – muss es möglich sein, eine effektive Revisibiliät („full effect“, IGH – „La Grand“ – aaO S. 498) sicherzustellen. Daraus folgt zum einen, dass das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge des betroffenen ausländischen Angeklagten eine Rechtsverletzung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen hat. Zudem ist zu beachten , dass die Angeklagten S. und D. in ihren persönlichen und prozessualen Rechten verletzt worden sind und die – dem deutschen Revisionsverfahren ohnehin fremde – alleinige Feststellung der Rechtsverletzung dies nicht stets angemessen auszugleichen vermag. Ähnlich wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung im Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07) und im Fall der Verleitung einer unverdächtigen und zunächst nicht tatgeneigten Person zu einer Straftat durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise (BGHSt 45, 321; 47, 44, 52) liegt ein Grund für eine Kompensation vor (vgl. hierzu Simma aaO S. 432). Damit wird sichergestellt, dass der Verletzte, sofern dies angemessen ist, eine Wiedergutmachung für die von ihm erlittene Beeinträchtigung seiner Rechtsposition aus Art. 36 WÜK im sachnächsten nationalen Verfahren erhalten kann.
- 26
- Eine derartige Kompensation erscheint jedenfalls dann angezeigt und gar geboten, wenn der betroffene Angeklagte eine erhebliche Bestrafung erfährt und der Verstoß nicht – wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall angesichts alsbald anschließender Belehrung durch den Haftrichter – nur kurzfristig fortgewirkt hat. Beide Voraussetzungen sind vorliegend bei den unmittelbar betroffenen Beschwerdeführern S. und D. erfüllt.
- 27
- f) Der Senat nimmt diese Kompensation nicht – wie die bisherige Rechtsprechung in den genannten Fällen – durch eine Herabsetzung der verhängten Strafe (Strafzumessungslösung) vor, sondern in Form des Ausspruchs , dass ein zahlenmäßig bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Er sieht sich als befugt an, in der vorstehenden Weise zu entscheiden, ohne von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, da bislang nicht entschieden worden ist, in welcher Form die Kompensation einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK und damit die angezeigte effektive Geltendmachung der Verletzung dieses Rechts vorzunehmen ist. Er orientiert sich an der auf eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten „Vollstreckungslösung“ , wie sie der 3. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07 (vgl. auch Basdorf, Tagungsbericht zum Karlsruher Strafrechtsdialog 2007) nunmehr für Fälle überlanger Verfahrensdauer für vorzugswürdig hält. Diese Lösung ist – anders als die Strafzumessungslösung – nicht mit dem Widerspruch behaftet, durch eine Reduktion der schuldangemessenen Strafe Verfahrensfehler der Strafverfolgungsbehörden, die mit der Schuld des Angeklagten in keiner Beziehung stehen, hiermit in Korrelation zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 83/07, zur Veröffentlichung in BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 fair-trail 5 bestimmt). Sie entspricht vielmehr dem objektiv orientierten Modell des § 51 StGB. Damit ist auch eine höhere Transparenz der Rechtsfolgenentscheidung in dem Sinne gewährleistet, dass die Tatschuld im Strafausspruch zutreffend ausgewiesen wird und in dieser Weise unvermindert bei späteren Entscheidungen berücksichtigt werden kann.
- 28
- Die neue Fallkonstellation erlaubt eine solche abweichende Methodik selbst für den Fall, dass sie sich – entgegen der Auffassung auch des 5. Strafsenats – bei auf überlanger Verfahrensdauer beruhenden Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht durchsetzen sollte. Jene Fälle haben einen weit größeren Anwendungsbereich und betreffen – im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation mit regelmäßig nicht übermäßig schwerwiegenden Verstößen – Fälle unterschiedlichsten Gewichts mit einem ganz individuell zu bemessenden Ausmaß einer gebotenen Kompensation.
- 29
- Die neue, vorliegend vom Senat bereits angewendete Methodik hat überdies den Vorteil, dass eine effektive Revisibilität auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten zugute kommt, abweichend von der Lösung über die Strafzumessung, deren insoweit negative Konsequenz von der Rechtsprechung freilich gebilligt worden ist (BVerfG – Kammer – NStZ 2006, 680; BGH NStZ 2006, 346). So wird infolge der „Vollstreckungslösung“ hier der Angeklagte S. durch eine bezifferte Anrechnung eines als verbüßt geltenden Teils der Strafe analog § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB den Zeitpunkt der Mindestverbüßung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB früher erreichen.
- 30
- Der Senat lässt offen, ob in Fällen geringerer Schwere eine mittels Anwendung des nationalen Rechts mögliche Kompensation auch auf andere Weise, etwa durch Gewährung einer Entschädigung in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder durch Kostennachlass, etwa analog § 465 Abs. 2 StPO, in Betracht zu ziehen wäre. Bei Strafen geringeren Gewichts und im Falle der späteren Heilung des Verfahrensverstoßes durch alsbald nachgeholte Belehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Sep- tember 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) mag eine Kompensation gänzlich entbehrlich sein.
- 31
- g) Der Senat bestimmt das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe angesichts des jeweiligen Gewichts des Verstoßes und seiner Auswirkungen sowie der jeweiligen Tatvorwürfe bei beiden Beschwerdeführern jeweils mit sechs Monaten.
- 32
- 2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2001 sowie die Revision des Angeklagten D. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. November 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 33
- 3. Irgendeine Herabsetzung oder weitergehende partielle Kompensation der gegen die Angeklagten S. , F. , Sa. und D. verhängten Strafen unter dem Gesichtspunkt der besonders langen Verfahrensdauer ist nicht vorzunehmen. Der Senat vermag eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu konstatieren.
- 34
- a) Soweit es etwa um die Behandlung der beiden Sachen zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerden und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 gehen kann, neigt der Senat zu der Ansicht, dass einem Gericht grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet ist, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen , wenn nicht etwa dieses Gericht entsprechende Hinweise gegeben hat. Dies dürfte bereits aus der Verfassung des Gesamtgefüges der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland folgen und findet zumindest seine verfahrenspraktische Bestätigung darin, dass dem Gericht geringeren Ranges Kenntnisse zum erfolgten Verfahrensgang beim höherrangigen Gericht fehlen.
- 35
- b) Die Behandlung der Sachen beim Senat war nicht verzögerlich. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 ist beim Senat am 26. Oktober 2006 eingegangen. Auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 116/01) und vom 18. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 475/02) haben die Verfahrensbeteiligten bis zum 7. März 2007 Stellung genommen. Die gegen den Vorsitzenden, den Berichterstatter und ein weiteres Senatsmitglied gerichteten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. vom 17. Januar 2007 hat der Senat nach den gebotenen Anhörungen durch Beschluss vom 11. April 2007 zurückgewiesen. Darin, dass das Revisionsgericht in seiner sich erst aus jener Senatsentscheidung ergebenden Besetzung nicht schon früher entschieden hat, liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. zudem zur fehlenden Rechtsstaatswidrigkeit längerer Verfahrensdauer in umfänglichen und schwierigen Verfahren BGH NJW 2007, 853, 857).
- 36
- c) Eine solche Verfahrensverzögerung findet sich auch nicht etwa darin , dass das Bundesverfassungsgericht hier zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben hat, wodurch ein weiterer fast ein Jahr währender Verfahrensgang vor dem Bundesgerichtshof notwendig geworden ist. Anzuknüpfen ist an das Urteil des 3. Strafsenats vom 7. Februar 2006 – 3 StR 460/98 (NJW 2006, 1529), wonach eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht allein deshalb vorliegt, weil das Revisionsgericht zur Korrektur eines dem Tatrichter unterlaufenen – nicht eklatanten – Rechtsfehlers dessen Urteil aufheben und die Sache zu neuer – zeitaufwändiger – Bearbeitung an die Vorinstanz zurückverweisen muss; denn solcher Verfahrensgang ist Ausfluss eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems. Die Grundsätze dieses Urteils, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, sind auf die vorliegende Konstellation der Aufhebung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht sinngemäß zu übertragen. Als eklatante Gesetzesverletzung, die eine abweichende Beurteilung erfordern könnte (vgl. BGH aaO S. 1532 m.w.N.), wertet der Senat sei- ne erste, nunmehr freilich nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu revidierende Entscheidung nicht.
- 37
- 4. Der Teilerfolg, den die Angeklagten S. und D. auf ihre unbeschränkten Revisionen mit der Anrechnung von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf die verbüßten Strafen erzielen, ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.
III.
- 38
- Auf die Revision des Angeklagten T. ist das Verfahren einzustellen. Dieser Angeklagte ist am 7. September 2004 verstorben. Da das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 7. November 2001 auch betreffend den Angeklagten T. aufgehoben hat, stellt der Senat das Verfahren insoweit nach § 206a Abs. 1 StPO ein (vgl. BGHSt 45, 108).
- 39
- Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.
(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.
(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.
(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.
(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
(1) Die Großen Senate und die Vereinigten Großen Senate entscheiden nur über die Rechtsfrage. Sie können ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.
(2) Vor der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen oder der Vereinigten Großen Senate und in Rechtsstreitigkeiten, welche die Anfechtung einer Todeserklärung zum Gegenstand haben, ist der Generalbundesanwalt zu hören. Der Generalbundesanwalt kann auch in der Sitzung seine Auffassung darlegen.
(3) Erfordert die Entscheidung der Sache eine erneute mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat, so sind die Beteiligten unter Mitteilung der ergangenen Entscheidung der Rechtsfrage zu der Verhandlung zu laden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.
(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.
(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.
(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.
(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen.
(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen.
(3) Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.
(4) Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe (§ 117 Abs. 1, 2, § 118 Abs. 1, 2, § 119 Abs. 5, § 119a Abs. 1) zu belehren. § 304 Abs. 4 und 5 bleibt unberührt.
(1) Kann der Beschuldigte nicht spätestens am Tag nach der Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden, so ist er unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, dem nächsten Amtsgericht vorzuführen.
(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, zu vernehmen. Bei der Vernehmung wird, soweit möglich, § 115 Abs. 3 angewandt. Ergibt sich bei der Vernehmung, dass der Haftbefehl aufgehoben, seine Aufhebung durch die Staatsanwaltschaft beantragt (§ 120 Abs. 3) oder der Ergriffene nicht die in dem Haftbefehl bezeichnete Person ist, so ist der Ergriffene freizulassen. Erhebt dieser sonst gegen den Haftbefehl oder dessen Vollzug Einwendungen, die nicht offensichtlich unbegründet sind, oder hat das Gericht Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der Haft, so teilt es diese dem zuständigen Gericht und der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich und auf dem nach den Umständen angezeigten schnellsten Wege mit; das zuständige Gericht prüft unverzüglich, ob der Haftbefehl aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen ist.
(3) Wird der Beschuldigte nicht freigelassen, so ist er auf sein Verlangen dem zuständigen Gericht zur Vernehmung nach § 115 vorzuführen. Der Beschuldigte ist auf dieses Recht hinzuweisen und gemäß § 115 Abs. 4 zu belehren.
(1) Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. Der Richter vernimmt den Vorgeführten gemäß § 115 Abs. 3.
(2) Hält der Richter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder ihre Gründe für beseitigt, so ordnet er die Freilassung an. Andernfalls erläßt er auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar ist, von Amts wegen einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl. § 115 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.
(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.
(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn
- 1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder - 2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
(5) § 58b gilt entsprechend.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.
(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.
(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.
(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.
(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.
(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.
(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn
- 1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder - 2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
(5) § 58b gilt entsprechend.
(1) Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Die Zahl der gewählten Verteidiger darf drei nicht übersteigen.
(2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so kann auch dieser selbständig einen Verteidiger wählen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.
(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.
(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn
- 1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder - 2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
(5) § 58b gilt entsprechend.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, - 2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und - 3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.