Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2007 - 1 StR 273/07

published on 11/09/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2007 - 1 StR 273/07
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 273/07
vom
11. September 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur II)
Veröffentlichung: ja
WÜK Art. 36; StPO § 257
1. Die Widerspruchslösung findet auch bei einer zu spät erteilten Belehrung
über das Recht auf konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3
des Wiener Konsularrechtsübereinkommens (WÜK) Anwendung.
2. Zu den Anforderungen an einen solchen Widerspruch.
BGH, Beschl. vom 11. September 2007 - 1 StR 273/07 - LG Regensburg
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 20. Dezember 2006 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.

1
1. Das Landgericht hat - für den Senat bindend - festgestellt:
2
In der Tatnacht kam es zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau D. B. , dem Tatopfer, im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung zunächst zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen. Dabei fesselte der Angeklagte seiner Ehefrau die Hände auf dem Rücken; dies gehörte zu den üblichen Praktiken des Ehepaars. Er riss hierzu Lautsprecherkabel der Heimkinoanlage ab, weil er die gewöhnlich benutzten Utensilien - wie Stofftücher oder Handschellen aus dem Erotikfachhandel - weggeworfen oder unauffindbar verlegt hatte. Seine Ehefrau war über die Verwendung des Kabels und die äußerst straffe Fesselung, die zu blasigen Hautabhebungen führte, verwundert. Der Angeklagte führte sodann mit seiner Ehefrau einvernehmlich - zuletzt bäuchlings übereinander auf dem Wohnzimmerteppich liegend - den Analverkehr bis zum Samenerguss durch. Als der Angeklagte ihrem anschließenden Begehren, von ihr "herunterzugehen" und sie loszubinden, keine Folge leistete, beschimpfte sie ihn.
3
Auf Grund dieser Unmutsäußerungen erregt, beschloss der Angeklagte nunmehr seine Ehefrau zu töten. Er hob ihren Slip vom Boden auf, zerriss ihn und band ihr damit die Fußgelenke zusammen. Weiterhin riss er ein zweites Lautsprecherkabel ab und verschnürte damit ihre Unterschenkel. Erst jetzt erkannte D. B. - zumal der Angeklagte auf Nachfrage entsprechende Andeutungen machte - die Gefahr für ihr Leben, war allerdings infolge der Fesselung widerstandsunfähig. Es gelang ihr nicht, den Angeklagten umzustimmen. In Ausführung seines Tötungsvorhabens schlang dieser ein weiteres Stück Lautsprecherkabel um den Hals seiner Ehefrau und zog bis zum Todeseintritt zu, wobei er im weiteren Verlauf noch einen Holzkochlöffel einsetzte, um damit durch Drehbewegungen die Zugkräfte und die drosselnde Wirkung des Kabels zu verstärken.
4
2. Das Landgericht hat die Tat als Heimtückemord bewertet und den Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, welche die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

5
Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 12. Juni 2007 dargelegten Gründen nicht durch. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, die Schwurgerichtskammer habe bei der Ur- teilsfindung rechtsfehlerhaft die Aussage des Angeklagten bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung verwertet, obwohl er bei dieser Vernehmung als irakischer Staatsangehöriger nicht über sein Recht auf konsularischen Beistand belehrt worden sei (Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens [WÜK]).
6
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
7
Nachdem der Angeklagte nach der Tat über Notruf mitgeteilt hatte, dass er soeben seine Ehefrau erdrosselt habe, wurde er von Polizeibeamten kurz nach deren Eintreffen vor seiner Wohnung festgenommen. Etwa fünf Stunden später, am Morgen des 12. September 2005, begann die gegenständliche Beschuldigtenvernehmung durch den kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter, der den Angeklagten nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO, nicht jedoch nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrte. Noch bevor der Angeklagte die Tat schilderte, wurde ein Dolmetscher hinzugezogen, der das gesamte bis dahin erstellte Protokoll einschließlich der Belehrung übersetzte. Sodann machte der Angeklagte geständige Angaben zum Tatgeschehen.
8
Bei der Haftbefehlseröffnung am nächsten Tag sagte der Angeklagte nicht mehr aus. Vom Ermittlungsrichter wurde er anschließend erstmals darüber belehrt, dass er die Unterrichtung seiner Auslandsvertretung verlangen könne. Von diesem Recht machte der Angeklagte Gebrauch; der Versuch einer sofortigen telefonischen Kontaktaufnahme mit der irakischen Botschaft scheiterte allerdings. Bei der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen ca. ein halbes Jahr später wiederholte der Angeklagte im Wesentlichen seine Angaben bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits durch seinen derzeitigen Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Bo. vertreten.
9
Am 1. Hauptverhandlungstag, dem 9. Oktober 2006, widersprach der Verteidiger vor Einlassung des Angeklagten zur Sache der Verwertung von dessen Angaben bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung "insofern, als die Kammer aus dieser für … (den Angeklagten) negative Schlussfolgerungen ziehen möchte". Gerügt wurde folgendes: Der Angeklagte sei nicht auf die Möglichkeit der - kostenlosen - Beiordnung eines Pflichtverteidigers hingewiesen und es sei kein entsprechender Beiordnungsantrag gestellt worden; er sei nicht über die Existenz eines Strafverteidigernotrufs informiert worden; der Dolmetscher habe den kurdischen Dialekt des Angeklagten nicht beherrscht; es seien verbotene Vernehmungsmethoden infolge Ermüdung des Angeklagten angewandt worden. Anschließend gab der Verteidiger für den Angeklagten eine Erklärung zur Sache ab, die von den bisherigen Angaben abwich. Am 3. Verhandlungstag , dem 11. Oktober 2006, wurde der hinzugezogene Dolmetscher als Zeuge vernommen, zudem ein Beschluss verkündet, mit dem der Widerspruch in allen gerügten Punkten zurückgewiesen wurde. Am 4. Verhandlungstag, dem 13. Oktober 2006, wurde der kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter zeugenschaftlich vernommen.
10
Am 8. Verhandlungstag, dem 29. November 2006, erhob der Verteidiger eine Gegenvorstellung und "erneuert(e) den Widerspruch … um eine weitere rechtliche Sichtweise". Unter Hinweis auf die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01 u.a. (NJW 2007, 499) machte er nunmehr zusätzlich ein Verwertungsverbot infolge der Verletzung der Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend. Am 9. Verhandlungstag, dem 7. Dezember 2006, verkündete der Vorsitzende einen Beschluss der Schwurgerichtskammer, mit dem sie die Gegenvorstellung zurückwies.
11
Die Feststellungen zur Tat basieren auf der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung ; die Angaben des Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen hat die Kammer (nur) "ergänzend" herangezogen (UA S. 16).
12
2. Die Verfahrensrüge ist - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - nicht zulässig erhoben. Die Revisionsbegründung teilt nicht mit (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), dass die Gegenvorstellung des Angeklagten vom 29. November 2006, mit der er den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK erstmals beanstandete, mit Beschluss vom 7. Dezember 2006 zurückgewiesen wurde. Diese Tatsache ergibt sich zwar aus den Urteilsgründen, die das Revisionsgericht auf die Sachrüge ergänzend zu berücksichtigen hat (UA S. 33 f.). Der Inhalt des Beschlusses wird aber weder in der Revisionsbegründung noch im Urteil wiedergegeben.
13
Ein Zweck des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist, das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge zu befinden (BVerfGE 112, 185, 212). Der Revisionsführer muss daher die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG aaO 208 m. Nachw. zur st. Rspr. des BGH). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung hier nicht gerecht. Auch unter ergänzender Heranziehung der Urteilsgründe ist für den Senat nicht erkennbar , aufgrund welcher Tatsachen und welcher Erwägungen das Landgericht von uneingeschränkter Verwertbarkeit der Beschuldigtenvernehmung ausgegangen ist. Dies wäre für ein im Wege der Abwägung zu beurteilendes Beweisverwertungsverbot relevant. Daher hätte die Revisionsbegründung den Beschluss mit seinem wesentlichen Inhalt mitteilen müssen. http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-38-214'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-42-15'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghst-42-22'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghst_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghst_tocFrame#xaverTitleAnchore - 7 -
14
3. Die Rüge wäre auch unbegründet. Zwar wurde die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK verletzt, indem der Angeklagte nicht "unverzüglich" nach seiner Festnahme auf sein Recht auf konsularischen Beistand hingewiesen wurde. Insoweit war der Widerspruch in der Hauptverhandlung jedoch verspätet, da diese Pflichtverletzung erst nach dem gemäß § 257 StPO maßgeblichen Zeitpunkt geltend gemacht wurde. Die Zeugenvernehmungen des Dolmetschers und des kriminalpolizeilichen Sachbearbeiters erfolgten bereits am 2. und 3. Verhandlungstag; die - den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK erstmals beanstandende - Gegenvorstellung wurde erst am 8. Verhandlungstag erhoben. Daher kann dahinstehen, ob hier aus dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ein Beweisverwertungsverbot zu folgern gewesen wäre.
15
a) Generell gilt, dass Angaben des Angeklagten, die im Ermittlungsverfahren unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO (Schweigerecht sowie Recht zur Verteidigerkonsultation) oder sonstige Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG erlangt wurden, gleichwohl verwertet werden können, wenn der (verteidigte) Angeklagte nicht bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt widersprochen hat (BGHSt 50, 272, 274; zur Widerspruchslösung vgl. BGHSt 38, 214; 39, 349, 352; 42, 15, 22 f.; BGH NJW 1997, 2893; NStZ 1997, 502; Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. Einl. Abschn. L Rdn. 28 f.). Dies ist ebenso der Fall, wenn eine Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand gemäß Art. 36 WÜK nicht rechtzeitig erfolgte; auch dieses Recht konkretisiert den Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BVerfG [Kammer] NJW 2007, 499, 501). Inwieweit anderes anzunehmen wäre, wenn die Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht nachgeholt worden wäre, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn insoweit könnte die fehlende Belehrung dafür verantwortlich sein, dass der - nicht informier- http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=JR&B=2006&S=300 - 8 - te - Herkunftsstaat außerstande ist, dem Angeklagten bei der Verteidigung behilflich zu sein, damit dieser den Belehrungsmangel rechtzeitig rügen kann (vgl. IGH, Urt. vom 27. Juni 2001 - Fall "LaGrand" - Rdn. 90 f., ICJ-Reports 2001, 464 = JZ 2002, 91, 92; BVerfG aaO 503).
16
b) Der Widerspruch des verteidigten Angeklagten bedarf regelmäßig einer Begründung, in der - zumindest in groben Zügen - anzugeben ist, unter welchem Gesichtspunkt der Angeklagte den zu erhebenden oder bereits erhobenen Beweis für unverwertbar hält. Die Begründung muss die Angriffsrichtung erkennen lassen, die den Prüfungsumfang durch das Tatgericht begrenzt (ausdrücklich offen gelassen in BVerfG aaO 504; vgl. in diesem Sinne zur Angriffsrichtung einer Verfahrensrüge im Revisionsverfahren BGH NStZ 2007, 161, 162; Cirener/Sander JR 2006, 300 jew. m.w.N.). Hierfür spricht namentlich:
17
Widerspricht der verteidigte Angeklagte etwa der Verwertung der Aussage einer Vernehmungsperson über seine Angaben im Ermittlungsverfahren, weil er nicht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt worden sei, wird das Tatgericht keine Veranlassung haben, möglichen anderen Verfahrensfehlern im Einzelnen nachzugehen. Das Gericht wird dann beispielsweise nicht - von sich aus - den seinerzeit hinzugezogenen Dolmetscher dazu hören, inwieweit er sich mit dem Angeklagten verständigen konnte und ob er den von diesem gesprochenen Dialekt hinreichend beherrscht; auch zu Ermittlungen und (freibeweislichen ) Beweiserhebungen im Zusammenhang mit der Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand - etwa dazu, ob der Angeklagte in einem früheren Verfahren schon einmal über dieses Recht unterrichtet worden war - ist das Gericht nicht gehalten. Müsste es alledem stets von Amts wegen nachgehen, würde dies auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der straffen Durchführung der Hauptverhandlung zuwiderlaufen (vgl. nur BGH NJW 2007, 2501, 2504 m.w.N.). Dagegen dient der befristet zu erhebende Widerspruch - bis zum durch § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt - der gebotenen Verfahrensförderung, ohne dem verteidigten Angeklagten unzumutbare Anforderungen aufzuerlegen (BGHSt 42, 15, 23).
18
c) Der Widerspruch des Angeklagten vom 9. Oktober 2006 bezog sich auf eine Reihe vermeintlicher - tatsächlich nicht vorliegender oder jedenfalls im Ergebnis unbeachtlicher - Verfahrensfehler, nicht jedoch auf eine Gesetzesverletzung im Zusammenhang mit dem Recht auf konsularischen Beistand. Insoweit war der - erst mit der Gegenvorstellung erhobene weitere - Widerspruch verspätet im Sinne von § 257 StPO.
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Die verschiedenen Angriffsrichtungen des Widerspruchs vom 9. Oktober 2006 gehen aus dem Wortlaut des Verteidigerschriftsatzes eindeutig hervor. In diesen Punkten hat das Gericht den Widerspruch auch alsbald, am 11. Oktober 2006, verbeschieden. Dass es dem Angeklagten bei Erhebung dieses Widerspruchs nicht um den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ging, ergibt sich gerade daraus, dass er diese Angriffsrichtung deutlich später, am 29. November 2006, eigens mit einer Gegenvorstellung "nachgeschoben" hat. Dies geschah erst, als die an der gegenständlichen Beschuldigtenvernehmung beteiligten Zeugen schon längst entlassen waren und die Verfahrensbeteiligten sich hierzu hatten erklären können (§ 257 Abs. 1 und 2 StPO). Eine frühere Geltendmachung des Verstoßes war dem Angeklagten auch zumutbar, zumal er bereits am Tag nach der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung über sein Recht auf konsularischen Beistand belehrt worden war.
20
d) Der Beschwerdeführer hat weder im Rahmen der Gegenvorstellung noch im Rahmen der Revision vorgetragen, dass er gehindert war, auch im Hinblick auf den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK rechtzeitig Widerspruch zu erheben. Unbeschadet dessen wäre eine späte Kenntnisnahme des Angeklagten oder des Verteidigers von der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch ohne Relevanz (in vergleichbarem Sinne BGH NStZ 2005, 582; StV 2005, 373).

III.

21
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke hat das Landgericht zutreffend bejaht.
22
1. Heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2005, 688, 689; 2006, 502, 503; Urt. vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04; Urt. vom 2. Februar 2005 - 1 StR 473/04). An dieser Ursächlichkeit der Arglosigkeit für die Wehrlosigkeit fehlt es, wenn sich das Opfer vom Täter verteidigungsunfähig machen ließ, bevor dieser den Entschluss zu dem Angriff fasste (vgl. BGHSt 32, 382; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 211 Rdn. 24a; Schneider in MüKo-StGB § 211 Rdn. 139).
23
2. Gemessen an diesen Maßstäben ist die Bewertung durch das Landgericht frei von Rechtsfehlern.
24
Freilich wäre das Mordmerkmal der Heimtücke nicht verwirklicht, wenn sich nach Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an der - so die Feststellungen des Landgerichts: undolos herbeigeführten - Lage von D. B. keine relevanten Änderungen mehr ergeben hätten. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte den Tötungsentschluss fasste, waren die Verteidigungsmöglichkeiten seiner Ehefrau zwar infolge der einvernehmlichen Sexualpraktiken eingeschränkt. Die Hände waren auf ihrem Rücken gefesselt; sie lag bäuchlings auf dem Teppichboden.
25
Gleichwohl war D. B. infolge Arglosigkeit wehrlos. Denn bei rechtzeitigem Erkennen des Tötungsentschlusses wäre sie in dieser Situation zu wirksamerer Gegenwehr imstande gewesen, um den Anschlag auf ihr Leben wenigstens deutlich zu erschweren. Der Angeklagte musste noch ihren Slip aufheben und zerreißen, weiterhin ein zweites Lautsprecherkabel abreißen und mit beidem ihre Fußgelenke und Unterschenkel fesseln, bevor sie endgültig widerstandsunfähig war. Es liegt auf der Hand, dass D. B. in dieser Zeit geeignete Verteidigungsmaßnahmen - Tritte gegen den Angeklagten oder Versuche , aufzustehen und wegzulaufen - hätte ergreifen können. Derartiger hypothetischer Erwägungen im Urteil bedarf es hier daher nicht. Da die Wehrlosigkeit von D. B. also mit der Fesselung der unteren Extremitäten noch weiter vertieft wurde, ist entscheidend, dass sie währenddessen von dem kurz zuvor gefassten Tötungsentschluss nichts ahnte, die ihr drohende Gefahr vielmehr erst während des anschließenden Wortwechsels erkannte.
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In diesem Sinne hat das Landgericht als Ursache für die Wehrlosigkeit nicht nur angesehen, "dass D. B. die zunächst beiderseits rein sexuell motivierte Fesselung ihrer Handgelenke freiwillig … vornehmen" ließ, sondern vor allem auch, dass sie "die vor Anlegung der Fußfesseln eingetretene Änderung der Motivlage des Angeklagten zu spät bemerkt(e) …, um effektiv intervenieren zu können" (UA S. 20). Das Urteil stellt ausdrücklich heraus: "Das Anlegen der Fußfesseln stellte den ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriff des Angeklagten dar. D. B. war davon zu überrascht, um sich zu wehren" (UA S. 34).
27
Die - weiteren - Ausführungen der Revision, die Arglosigkeit von D. B. könnte schon Tage vor der Tat allgemein "entfallen" gewesen sein, weil der Angeklagte ihr gegenüber geäußert habe, er werde sie töten, wenn sie schlechten Umgang habe und den gemeinsamen Sohn "da hineinziehe", und weil sie den Angeklagten seinerzeit - nicht ausschließbar - beleidigt habe, liegen angesichts der Feststellungen zur Tat neben der Sache. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf
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Annotations

(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.

(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.

(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.

(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.