Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2007 - 3 StR 318/07

bei uns veröffentlicht am20.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 318/07
vom
20. Dezember 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
WÜK Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3
Zu den Folgen einer verspätet erteilten Belehrung eines ausländischen Beschuldigten
über sein Recht auf Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatstaates
(in Abgrenzung zu BGHSt [1 StR 273/07 und 5 StR 116/01 und 5 StR
475/02]).
BGH, Urt. vom 20. Dezember 2007 - 3 StR 318/07 - LG Lübeck
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 2. April 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Einziehung sichergestellten Kokains und zweier Mobiltelefone sowie den Verfall eines Geldbetrages angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die beiden Angeklagten reisten am 8. Oktober 2006 im Pkw des Angeklagten S. von Oslo nach Hamburg, trafen dort den aus Brüssel kommenden Betäubungsmittelkurier C. , der 1.485,4 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 341,5 Gramm KHC mit sich führte, und fuhren sodann mit C.
nach Puttgarden, um mit ihm über den dortigen Fährhafen wieder nach Norwegen auszureisen. Vor der Ausreise wurde das Betäubungsmittel im Kofferraum des Fahrzeugs entdeckt. Die Angeklagten und C. wurden vorläufig festgenommen.

II.


4
Die Überprüfung des landgerichtlichen Urteils hat weder in materiellnoch in verfahrensrechtlicher Hinsicht einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung bedarf nur die von beiden Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe bei der Urteilsfindung rechtsfehlerhaft ihre Aussagen bei ihrer zollbehördlichen Beschuldigtenvernehmung und ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter verwertet , obwohl sie als Ausländer zuvor nicht über ihr Recht auf konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969, 1585) belehrt worden seien.
5
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
6
Der Angeklagte M. hat die mazedonische, der Angeklagte S. die serbische Staatsangehörigkeit. Weder nach ihrer Festnahme am 8. Oktober 2006 noch anlässlich ihrer am Folgetag unter Zuziehung eines Dolmetschers von Zollbeamten durchgeführten Vernehmung wurden sie über ihr Recht auf Benachrichtigung der konsularischen Vertretung ihres jeweiligen Heimatstaates gemäß Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK belehrt; vor der Vernehmung am 9. Oktober 2006 wurden sie lediglich über ihr Recht zu schweigen und auf Befragung eines Verteidigers hingewiesen (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Beide An- geklagte machten sodann Angaben zur Sache. Im Anschluss daran äußerten sie sich auch gegenüber dem Ermittlungsrichter, der Haftbefehl gegen sie erließ. Gegen Ende des Vorführungstermins wurden sie belehrt, dass sie die Benachrichtigung der konsularischen Vertretung ihres jeweiligen Heimatstaates verlangen könnten. Dies lehnten sie ab.
7
In der Hauptverhandlung haben sich die beiden Angeklagten nicht zum Tatvorwurf eingelassen. Das Landgericht hat die Angaben der Angeklagten im Ermittlungsverfahren durch Vernehmung der Verhörspersonen in die Hauptverhandlung eingeführt. Die Verteidigung hat der Verwertung dieser Aussagen unter Hinweis auf die unterbliebene Belehrung der Angeklagten über ihr Recht auf Benachrichtigung des jeweiligen Konsulats widersprochen. Das Landgericht hat die Angaben der Angeklagten bei ihren Vernehmungen durch die Zollbeamten gleichwohl im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt. Es hat sie ungeachtet der unterbliebenen Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK für verwertbar erachtet, weil die Angeklagten bei ihrer Vorführung vor dem Ermittlungsrichter zu erkennen gegeben hatten, kein Interesse an der Unterstützung durch das Konsulat ihres jeweiligen Heimatstaats zu haben.
8
2. Die zulässig erhobene (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Verfahrensrüge ist nicht begründet. Zwar liegt ein Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK vor (a), den die Angeklagten im Revisionsverfahren gelten machen können (b). Der Verfahrensverstoß führt jedoch nicht dazu, dass das Landgericht die Angaben der Angeklagten anlässlich ihrer Vernehmungen im Ermittlungsverfahren nicht verwerten durfte (c). Auch sonst beruht das Urteil nicht auf der unterlassenen Belehrung (d). Dieser ist auch nicht im Wege einer Kompensation Rechnung zu tragen (e).
9
a) Der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK liegt darin, dass die beiden Angeklagten nicht unverzüglich nach ihrer Festnahme über ihr Konsultationsrecht belehrt worden sind.
10
aa) Sowohl der Angeklagte M. als mazedonischer als auch der Angeklagte S. als serbischer Staatsangehöriger unterfallen dem Schutzbereich des Konsularrechtsübereinkommens. Beide Staaten sind ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland Vertragsstaaten dieses Übereinkommens. Dieses gilt in der deutschen Rechtsordnung im Range eines Bundesgesetzes und ist von den Strafverfolgungsbehörden unmittelbar anzuwenden (BVerfG [1. Kammer des Zweiten Senats] NJW 2007, 499, 501, 503).
11
bb) Um ausländischen konsularischen Vertretungen die Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Bezug auf ihre Staatsangehörigen zu erleichtern, verpflichtet Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 WÜK die zuständigen Behörden der Bundesrepublik dazu, die konsularische Vertretung des Entsendestaates unverzüglich zu unterrichten, wenn im Konsularbezirk ein Angehöriger dieses Staates festgenommen , in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen ist und der Betroffene dies verlangt. Dieser Pflicht des Staates zur Unterrichtung der betreffenden konsularischen Vertretung steht nicht nur ein Recht des Entsendestaates gegenüber; Art. 36 WÜK schafft zugleich ein subjektives Recht des einzelnen Staatsangehörigen, über das er nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK von den zuständigen Behörden zu belehren (unterrichten ) ist. Diese Belehrungspflicht knüpft - standardisiert - an die fremde Staatsangehörigkeit des Betroffenen an. Sie gilt auch für den Fall, dass dieser seinen Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland hat, und setzt keine ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit voraus (BGH, Beschl. vom 25. September 2007 - 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
12
cc) Die Belehrung der Angeklagten durch den Ermittlungsrichter war verspätet und damit nicht ausreichend.
13
Die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK entsteht in dem Augenblick, in welchem dem ausländischen Betroffenen die Freiheit entzogen worden ist, sofern die zuständige Behörde Kenntnis von dessen Staatsangehörigkeit hat oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei dem Betroffenen wahrscheinlich um einen Ausländer handelt (vgl. BVerfG NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf das "Avena"-Urteil des Internationalen Gerichtshofs [IGH] vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581, 602 f.; Kreß GA 2007, 296, 301). Zur Belehrung ist daher nicht erst der Richter verpflichtet. Die Belehrungspflicht obliegt vielmehr allen zuständigen Strafverfolgungsorganen des Empfangsstaates einschließlich der festnehmenden Polizeibeamten (BVerfG NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urt. vom 27. Juni 2001, ICJReports 2001, 464 - "LaGrand" [nichtamtliche Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 - "Avena").
14
Nach diesen Grundsätzen waren bereits die festnehmenden Zollbeamten verpflichtet, die Angeklagten über ihr Konsultationsrecht zu belehren. Dass es sich aus Sicht der Beamten bei den Angeklagten zumindest wahrscheinlich um Ausländer handelte, ergibt sich nicht nur aus den norwegischen Kennzeichen des vom Angeklagten S. geführten Fahrzeugs, sondern wird auch daraus deutlich, dass die Beamten den Angeklagten die Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO auf Englisch erteilten.
15
dd) Der Umstand, dass die Angeklagten, nachdem sie vom Ermittlungsrichter auf ihr Recht auf Benachrichtigung des zuständigen Konsulats hingewiesen worden waren, eine konsularische Hilfe abgelehnt haben, macht den Verstoß nicht ungeschehen. Dieser ist unabhängig davon gegeben, ob der Betroffene die Hilfe seines Staates in Anspruch nehmen will (vgl. IGH, Urt. vom 27. Juni 2001 [nichtamtliche Übersetzung in EuGRZ 2001, 287, 290]).
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b) Die Angeklagten können die Verletzung der Belehrungspflicht mit der Revision geltend machen. Sie haben sie vor dem Landgericht im Zusammenhang mit der Vernehmung der Verhörspersonen vor dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt geltend gemacht und hierauf gestützt der Verwertung ihrer durch diese Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben aus den Vernehmungen im Ermittlungsverfahren widersprochen. Damit liegt ein "spezifizierter Widerspruch" vor, von dem nach der - seine Entscheidung nicht tragenden - Auffassung des 1. Strafsenats jedenfalls in Fällen einer nachgeholten Belehrung die zulässige Geltendmachung eines Verstoßes gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK im Revisionsverfahren abhängig sein soll (BGH NJW 2007, 3587, 3588 f., zum Abdruck in BGHSt bestimmt; vgl. BGH, Beschl. vom 25. September 2007 - 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02: Notwendigkeit eines spezifizierten Widerspruchs offengelassen für den Fall völligen Unterlassens der Belehrung; s. auch BVerfG NJW 2007, 499, 504). Ob dieser Ansicht zu folgen ist, kann hier daher offen bleiben. Doch weist der Senat darauf hin, dass das Erfordernis eines derartigen Widerspruchs ohnehin nur dann zu erwägen wäre, wenn der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK überhaupt zu einem Verwertungsverbot für Angaben des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zum Tatvorwurf führen könnte; dies ist indessen gerade nicht der Fall (s. unten c). Für die eventuelle Rüge, das Urteil beruhe unabhängig von einem derartigen Verwertungsverbot auf dem Unterlassen der Belehrung, weil der An- geklagte hierdurch in sonstiger Weise in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt gewesen sei (s. unten d), ist ein derartiger Widerspruch nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht Zulässigkeitsvoraussetzung.
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c) Die Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK hat kein Beweisverwertungsverbot zur Folge. Die Annahme eines solchen Verwertungsverbots ist völker- und verfassungsrechtlich nicht geboten und auch sonst der Sache nach nicht gerechtfertigt (ebenso BGH, Beschl. vom 25. September 2007 - 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02).
18
aa) Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots in Fällen einer unterlassenen Belehrung über das Konsultationsrecht ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des IGH. In den von ihm zu Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK entschiedenen Fällen (siehe dazu Wagner/Raasch/Pröpstl, Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963, S. 258 f.), in denen eine Belehrung nach dieser Vorschrift jeweils gänzlich unterblieben war, beanstandete der IGH, dass den Beschuldigten dort aufgrund des nationalen Verfahrensrechts des Empfangsstaats schon gar keine Möglichkeit zur Verfügung gestanden habe, die unterbliebene Belehrung zu rügen. Dem Beschuldigten müsse aber ein Verfahren offen stehen, in welchem er die Verletzung der Belehrungspflicht geltend machen und deren Auswirkung auf das Strafverfahren überprüfen lassen könne. Nach der Rechtsprechung des IGH ist die notwendige Konsequenz eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK somit, dass das Strafurteil im Schuld- und Strafausspruch unter Berücksichtigung des Verstoßes gegen die Rechte aus dem Konsularrechtsübereinkommen überprüfbar sein müsse. Der IGH hat dazu in der LaGrand-Entscheidung ausgeführt, dass nach Verletzung der Belehrungspflicht "eine Entschuldigung in den Fällen nicht ausreichen würde, in denen die Betroffenen langjährigen Haftstrafen unterworfen oder verurteilt und mit schweren Strafen bestraft werden. In Fällen einer derartigen Verurteilung und Bestrafung würde es" dem Empfangsstaat (im Fall der LaGrand-Entscheidung: den Vereinigten Staaten) "obliegen, die Überprüfung und erneute Behandlung der Verurteilung und Bestrafung unter Berücksichtigung der Verletzung der Konventionsrechte zu ermöglichen. Diese Verpflichtung kann in unterschiedlicher Art und Weise erfüllt werden. Die Wahl der Mittel bleibt" dem Empfangsstaat "überlassen" (IGH, Urt. vom 27. Juni 2001 [nichtamtliche Übersetzung in EuGRZ 2001, 287, 294]; im amtlichen Text: "In the case of such a conviction and sentence , it would be incumbent upon the United States to allow the review and reconsideration of the conviction and sentence by taking account of the violation of the rights set forth in the Convention. This obligation can be carried out in various ways. The choice of means must be left to the United States" [LaGrand , Judgement, I.C.J. Reports 2001, 466, 514]). Konkrete Vorgaben, zu welchem Ergebnis diese Überprüfung des Urteils führen müsse, macht der IGH nicht und fordert dementsprechend insbesondere auch kein Beweisverwertungsverbot für Äußerungen des Beschuldigten im Falle unterlassener Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK (so auch Burchard JZ 2007, 891, 893; Kreß GA 2007, 296, 304; Paulus StV 2003, 57, 58 f.).
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bb) Auch verfassungsrechtlich ist die Annahme eines Beweisverwertungsverbots nicht geboten. So hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, die Rechtsprechung des IGH sei nicht dahin zu verstehen, dass im Falle eines Belehrungsfehlers nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK zwingend von der Unverwertbarkeit der zustande gekommenen Beweisergebnisse auszugehen sei; im Übrigen obliege es dem Bundesgerichtshof festzustellen, ob ein Verwer- tungsverbot anzunehmen sei oder welche Konsequenzen aus dem Verfahrensfehler sonst zu ziehen seien (BVerfG NJW 2007, 499, 503).
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cc) Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots ist auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Insbesondere lässt sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Verstößen gegen die in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelten Belehrungspflichten nicht auf einen Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK übertragen.
21
Nicht jeder Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, die eine Belehrungspflicht vorsieht, zieht ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Die Entscheidung für oder gegen ein Verwertungsverbot ist vielmehr aufgrund einer Abwägung der im Rechtsstaatsprinzip angelegten gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen (vgl. BVerfG NJW 2007, 499, 503). Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. vom 25. September 2007 - 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304 f.) davon aus, dass sich bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und der wesentlichen Belange der Urteilsfindung im Strafverfahren, anders darstellt als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Die beiden Belehrungspflichten sind einander nicht ausreichend ähnlich ; sie unterscheiden sich sowohl im Hinblick auf ihre Voraussetzungen als auch auf ihre Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten. So setzt die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Vernehmungssituation voraus, kommt jedem Beschuldigten unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit zugute und betrifft inhaltlich mit den Rechten des Be- schuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und auf effektive Verteidigung dessen zentrale Schutzrechte. Demgegenüber knüpft die Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK an eine freiheitsentziehende Maßnahme und damit einen Umstand an, durch den die Aussagefreiheit des Beschuldigten jedenfalls dann nicht berührt wird, wenn die Festnahme erst erfolgt, nachdem der Beschuldigte vernommen worden ist. Eine Belehrungspflicht vor Beginn einer Vernehmung, an deren Ende möglicherweise eine Festnahme des Beschuldigten erfolgen wird, sieht der Wortlaut von Art. 36 WÜK nicht vor. Zudem kommt die Belehrungspflicht über das Konsultationsrecht nur Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit zugute. Schließlich handelt es sich bei dieser Belehrung inhaltlich lediglich um einen zusätzlichen Schutz; den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen jedoch alle sonstigen rechtsstaatlichen Verteidigungsstandards unvermindert zugute.
22
Das angefochtene Urteil erweist sich somit nicht deswegen als rechtsfehlerhaft , weil das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung die Angaben der Angeklagten bei ihren Vernehmungen im Ermittlungsverfahren berücksichtigt hat.
23
d) Im Schrifttum wird darüber hinaus die Möglichkeit erörtert, dass sich der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK selbst bei Verneinung eines Verwertungsverbots in anderer Weise zu Lasten des Beschuldigten und seiner Verteidigungsmöglichkeiten auswirken und als Folge hiervon das gegen ihn ergehende Urteil im Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch nachteilig beeinflussen könne (Kreß GA 2007, 296, 306; möglicherweise aA - Beruhensprüfung nur bei Annahme eines Beweisverwertungsverbots - BVerfG NJW 2007, 499, 504 [Rdn. 76]; siehe auch Burchard JZ 2007, 891, 893; Paulus StV 2003, 57, 60). Dem ist hier indessen nicht weiter nachzugehen. Dass sie durch die zunächst unterlassene Belehrung in ihren Verteidigungsmöglichkeiten in irgendei- ner Hinsicht entscheidungserheblich eingeschränkt gewesen wären, behaupten die Beschwerdeführer in ihrem Rügevorbringen schon selbst nicht. Im Übrigen wäre hier ohne weiteres auszuschließen, dass sich das Unterbleiben der Belehrung unmittelbar nach der vorläufigen Festnahme im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO auf das Urteil ausgewirkt haben könnte; denn die Angeklagten haben nach der Belehrung durch den Ermittlungsrichter über ihr Recht, die konsularische Vertretung ihrer Heimatstaaten benachrichtigen zu lassen, auf eine solche Benachrichtigung ausdrücklich verzichtet. Hieraus ist zu schließen, dass ein rechtsfehlerfreies Verfahren, bei dem die Angeklagten bereits bei ihrer Festnahme durch die Zollbeamten über ihr Recht aus Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK belehrt worden wären, zu keinem anderen Entschluss der Angeklagten geführt hätte und daher auch in diesem Falle eine Unterrichtung der zuständigen Konsulate unterblieben wäre.
24
e) Die Revisionen der Angeklagten sind daher zu verwerfen.
25
Allerdings hat es der 5. Strafsenat in seinem Beschluss vom 25. September 2007 (5 StR 116/01 und 5 StR 475/02) für angezeigt erachtet, in Fällen, in denen die Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK völlig unterblieben ist, diesem Verstoß im Wege einer Kompensation dadurch Rechnung zu tragen, dass ein Teil der gegen den Angeklagten verhängten Strafe für vollstreckt erklärt wird. Dieser Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Folgen, die Verstöße gegen das Verfahrensrecht (gleich, ob dieses nationalen oder völkervertragsrechtlichen Ursprungs ist) in der Revisionsinstanz nach sich ziehen, sind in den §§ 337, 338, 353, 354 StPO abschließend geregelt: Beruht ein Urteil ganz oder teilweise auf einem Verfahrensfehler, so ist es in dem entsprechenden Umfang aufzuheben; ist ein Beruhen dagegen auszuschließen , so ist die Revision zu verwerfen. Andere Möglichkeiten bestehen nicht. Insbesondere ist es dem Staat verwehrt, dem Angeklagten Verfahrensverstöße , die sich auf das Urteil ausgewirkt haben, durch einen Vollstreckungsrabatt gewissermaßen "abzuhandeln"; denn dies würde auf die Dauer zu einer nicht hinnehmbaren Relativierung des Verfahrensrechts führen.
26
Aus der Rechtsprechung zur Kompensation konventions- und damit gleichzeitig rechtsstaatswidriger Verstöße insbesondere gegen das Gebot zügiger Durchführung von Strafverfahren (Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK), kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Diese Rechtsprechung beruht auf den Besonderheiten der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere dem Verständnis, das Art. 34 MRK in der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefunden hat; den dort formulierten Grundsatz, dass der Angeklagte für die besonderen immateriellen Belastungen, die er durch die Verfahrensverzögerung erlitten hat, durch eine ausdrückliche und bezifferte Kompensation zu entschädigen ist, hat das Bundesverfassungsgericht als auch aus der Rechtsstaatsgarantie verfassungsrechtlich abzuleitendes Erfordernis bestätigt (s. näher den Vorlagebeschluss des Senats NJW 2007, 3294 ff.). Hieran haben sich die Strafgerichte auszurichten. Dies ändert indes nichts daran, dass es sich bei dieser Kompensation um ein mit dem sonstigen Straf- und Strafverfahrensrecht nur schwerlich in Einklang zu bringendes Rechtsinstitut handelt. Es ist daher nicht auf Bereiche auszudehnen, in denen seine Anwendung durch entsprechende völkervertragsoder verfassungsrechtliche Vorgaben nicht geboten ist. So liegt es bei Verstößen gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK. Weder das Konsularübereinkommen noch das Rechtsstaatsgebot schreiben vor, dass der Angeklagte für ein (zeitweiliges) Unterbleiben der Belehrung über das Konsultationsrecht zu entschädigen ist. Vielmehr muss allein gewährleistet sein, dass er den Verstoß im Strafverfahren geltend machen und dort zur Überprüfung stellen kann, ob dieser sich in maßgeblicher Weise auf seine Verteidigungsrechte und damit gegebenenfalls auf seine Verurteilung ausgewirkt hat (s. oben).
27
Die Auffassung des Senats weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsansicht des 5. Strafsenats ab; denn dieser hat ausdrücklich offen gelassen, ob im Falle einer alsbald nachgeholten Belehrung, wie sie hier durch den Ermittlungsrichter vorgenommen wurde, eine Kompensation nicht gänzlich entbehrlich ist (Beschl. vom 25. September 2007 - 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02, Rdn. 30). Becker Miebach Pfister Hubert Schäfer

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(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
WÜK Art. 36
1. Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit
gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens
(WÜK) über sein subjektives Recht, die
unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung
zu verlangen, sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme
verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499 unter Aufhebung
von BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1).
2. Das Unterbleiben der gebotenen Belehrung über das Recht auf
konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK
führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
3. Die Rechtsverletzung kann jedoch zu einer Kompensation derart
führen, dass ein bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe
als verbüßt anzurechnen ist.
BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 5 StR 116/01
5 StR 475/02
LG Braunschweig
LG Hamburg –
5 StR 475/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2007
in den Strafsachen
I. gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Mordes u. a.
II. gegen
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007

beschlossen:
1. Die Verfahren 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten S. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass von der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagten S. , F. und Sa. zudem die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Revision des Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
4. Das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten T. wird nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.
Insofern fallen die Auslagen der Staatskasse dieser zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e

A


1
Die vorliegende Entscheidung ergeht in zwei zu verbindenden Verfahren jeweils im zweiten Verfahrensdurchgang, nachdem das Bundesverfassungsgericht in beiden Verfahren – nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene – Beschlüsse des Senates aufgehoben hat.

I.


2
Das Landgericht Braunschweig hat am 5. Juli 2000 den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten F. und Sa. sowie den inzwischen verstorbenen T. hat es wegen Anstiftung zum Mord sowie wegen Nötigung, die Angeklagten F. und T. darüber hinaus wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und den Angeklagten Sa. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Betreffend die Angeklagten F. , Sa. und T. hat das Landgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
3
Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten S. (türkischer Staatsangehöriger ), F. (deutscher Staatsangehöriger), Sa. und T. (beide serbisch-montenegrinische Staatsangehörige) mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass der damals vorläufig festgenommene Beschuldigte S. vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S. 1585) belehrt worden sei.
4
Der Senat hat durch Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1, StV 2003, 57 m. Anm.
Paulus) die Revisionen der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

II.


5
Das Landgericht Hamburg hat am 5. April 2002 den Angeklagten D. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
6
Der Angeklagte D. (türkischer Staatsangehöriger) hat im Rahmen seiner Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sei.
7
Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – die Revision des Angeklagten D. nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III.


8
Das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Zweiten Senats – hat durch Beschluss vom 19. September 2006 (NJW 2007, 499, m. Bespr. Walter JR 2007, 99 und Kreß GA 2007, 296 sowie Anm. Burchard JZ 2007, 891) die Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, die Beschlüsse des Senats vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – betreffend die Beschwerdeführer wegen deren Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) aufgehoben und die Sachen insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

B


9
Danach hat der Senat über die Revisionen aller Angeklagten erneut zu entscheiden.

I.


10
Dies kann im Beschlusswege erfolgen.
11
1. Über die Revisionen der Angeklagten S. , F. , Sa. und D. kann im Verfahren nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO befunden werden.
12
Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 sind beide Verfahren in denjenigen Stand zurückversetzt worden, den sie vor dem Senatsbeschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und demjenigen vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – hatten. Soweit durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsfragen der Wirkung eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK – hierauf konzentriert und auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte hinweisend – zur erneuten Entscheidung gestellt sind, haben der Generalbundesanwalt mit seinen Antragsschriften vom 12. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 116/01 und vom 18. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 475/02 sowie die Verteidiger aller Angeklagten und der Vertreter der Nebenkläger Stellung genommen.
13
Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist auch nicht deshalb ausgeschlossen , weil zur erneuten Senatsentscheidung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt. Die hiernach unter notwendig revidierter Sicht erneut zu entscheidende Frage ist eng begrenzt und von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich ausführlich behandelt worden. Sie ist auch unter Berücksichtigung der veränderten Vorgaben aus Sicht des Senats letzt- lich eindeutig zu beantworten. In der nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO geforderten Einstimmigkeit, bei § 349 Abs. 2 StPO zudem im notwendigen Einklang mit dem Ergebnis des Antrags des Generalbundesanwalts finden sich ausreichende Korrektive (vgl. auch BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Es ist daran zu erinnern, dass auch sonst höchstrichterlich umstrittene Fragen (§ 132 Abs. 2 GVG) und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) durch Beschluss entschieden werden können (§ 138 Abs. 1 Satz 2 GVG) und regelmäßig in dieser Verfahrensweise entschieden werden, ohne dass den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme auch in einer Hauptverhandlung gegeben würde.
14
2. Die Entscheidung betreffend den verstorbenen Angeklagten T. hat nach § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss zu erfolgen.

II.


15
Die Revisionen der Angeklagten S. und D. sind weitgehend, die der Angeklagten F. und Sa. in vollem Umfang unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
16
1. Soweit die Revisionen jeweils mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen, führt dies lediglich zu einem geringen Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten S. und D. .
17
a) Allerdings liegt in jedem der beiden Fälle eine Gesetzesverletzung darin, dass der Angeklagte S. und der Angeklagte D. jeweils nach ihrer Festnahme nicht durch die Polizeibeamten über ihre Rechte gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sind.
18
Die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei sind Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens (BGBl II 1969 S. 1585, 1671).
19
Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK über sein subjektives Recht, die unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen , sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urteil vom 27. Juni 2001, ICJ-Reports 2001, 464 – „LaGrand“ – [Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 – „Avena“). Die durch den Senat vormals vorgenommene, an den nationalen Konkretisierungen im Haftrecht nach Art. 104 GG, §§ 115, 115a, 128 StPO orientierte Auslegung, welche die Pflicht auf den Richter beschränkt (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1), erweist sich danach als zu eng und ist ausdrücklich zu revidieren. Die Belehrungspflicht knüpft – standardisiert – an die fremde Staatsangehörigkeit des Beschuldigten und an seine Festnahmesituation an. Sie gilt also auch für den Fall, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Eine darüber hinausgehende ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit ist nicht Voraussetzung für die sich aus Völkervertragsrecht im Range eines Bundesgesetzes ergebende Belehrungspflicht. Ebenso führt bei einem Beschuldigten, der nicht ausländischer Angehöriger eines Vertragsstaats des Wiener Übereinkommens ist, eine gleichgeartete besondere Hilflosigkeit in der Festnahmesituation nicht zu hieraus abzuleitenden entsprechenden Unterstützungspflichten.
20
Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag.
21
b) Die Mitangeklagten des Angeklagten S. , die Beschwerdeführer Sa. (serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger) und F. (deutscher Staatsangehöriger), können aus dieser Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitbeschuldigten für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK knüpft individuell an fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar betroffenen Beschuldigten an. Seine Verletzung berührt noch weniger als eine Verletzung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366, 372 f.) den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten. Grundlegende generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens, die eine abweichende Betrachtung veranlassen könnten (vgl. BGHSt 33, 148, 154 m.w.N.), sind nicht berührt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen – namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO – als eher zu weitgehend angesehen werden müssen.
22
c) Die von den Verstößen gegen die Belehrungspflicht selbst betroffenen Beschwerdeführer S. und D. sind mit revisionsrechtlichen Beanstandungen gegen eine Verletzung des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht etwa in Ermangelung eines Widerspruchs ausgeschlossen. Sie haben in ihren Revisionsbegründungen jeweils vorgetragen, dass sie in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt Widerspruch gegen die Verwertung ihrer Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen, für die sie eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen können, erhoben haben (hervorgehoben von BVerfG – Kammer – aaO S. 500; vgl. zum Widerspruchserfordernis BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Aller- dings erfolgte dieser Widerspruch „generell“ (S. ) bzw. bezogen auf ganz andere, nicht durchgreifende Verfahrensbeanstandungen nach §§ 136, 137 StPO (D. ). Dies wird den Erfordernissen eines spezifizierten Widerspruchs , wie ihn der 1. Strafsenat in seinem Beschluss vom 11. September 2007 in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Widerspruchslösung“ verlangt hat, nicht gerecht. Das bleibt aber vorliegend für die unmittelbar von dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK betroffenen Beschwerdeführer S. und D. unschädlich. Denn anders als in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall ist die in Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK vorgesehene Belehrung hier in beiden Fällen nie nachgeholt, der Verstoß mithin nicht später geheilt worden. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich der Senat nach den maßgeblich zu beachtenden Grundsätzen des „LaGrand“-Urteils des Internationalen Gerichtshofs (BVerfG – Kammer – aaO S. 501 ff.) außerstande, den im Fall der Heilung erwägenswerten, vom 1. Strafsenat verlangten spezifizierten Widerspruch als Rügevoraussetzung zu fordern. Denn der Internationale Gerichtshof hatte einen Ausschluss der Revisibilität („review und reconsideration“) einer Verletzung dieses Rechts mangels rechtzeitiger Erhebung von nach nationalem Recht verlangten Einwänden – dort betreffend die USamerikanische „procedural default rule“ – jedenfalls dann als Verstoß gegen Art. 36 Abs. 2 WÜK betrachtet und deswegen missbilligt, wenn die Unterrichtung über das sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ergebende Recht solange nicht erfolgte, wie diese Einwände prozessrechtlich hätten erhoben werden müssen (IGH – „LaGrand“ – aaO S. 497 sowie – „Avena“ – aaO S. 613; vgl. hierzu auch Simma in Festschrift für Tomuschat S. 423, 428 ff.). Ob ohne Heilung des Verstoßes jeglicher Widerspruch entbehrlich wäre, bedarf angesichts des hier jeweils generell erfolgten Widerspruchs keiner Vertiefung.
23
d) Indes zieht der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK kein Verwertungsverbot nach sich, das anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht gebieten (BVerfG – Kammer – aaO S. 503 f.; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304; Walter JR 2007, 99, 101; Paulus StV 2003, 57, 58 f.; ferner Burchard JZ 2007, 891, 893 f.). Insoweit stellt sich die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren (vgl. BGHSt 44, 243, 249 m.w.N.; BGH NJW 2007, 2269, 2271, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ) anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Hierdurch werden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt. Die einem Beschuldigten aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK zu erteilende Belehrung ist diesen Belehrungspflichten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich. So knüpft die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK schon nicht an den Beginn der Vernehmung an, sondern es wird allein auf die Inhaftierung abgestellt. Zudem wird durch das Unterrichtungsrecht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK lediglich ein ergänzender Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit geboten, dem in der Haftsituation und unter deren besonderer Berücksichtigung eine allein staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen eingeräumt werden soll. Durch diese standardisierte Rechtsposition wird, wie dargelegt, auch nicht etwa besonders auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit abgestellt. Liegt eine solche vor, ist dem eben nicht etwa durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine geeignete besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweigerechts und des Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung (vgl. BGHSt 42, 15). Den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Ver- teidigungsstandards zugute. An eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. IGH – „LaGrand“ – aaO S. 494), das zwar beachtlich ist, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstellt, ist danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.
24
e) Jedoch erachtet der Senat es für angezeigt, die Rechtsverletzung zu kompensieren.
25
Trotz Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots darf der festzustellende Verstoß gegen die völkerrechtlich verankerte Unterrichtungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK grundsätzlich nicht folgenlos bleiben. Nach der vom Internationalen Gerichtshof geforderten Auslegung des Art. 36 Abs. 2 zweiter Halbsatz WÜK – die gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist (BVerfG – Kammer – aaO S. 501) – muss es möglich sein, eine effektive Revisibiliät („full effect“, IGH – „La Grand“ – aaO S. 498) sicherzustellen. Daraus folgt zum einen, dass das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge des betroffenen ausländischen Angeklagten eine Rechtsverletzung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen hat. Zudem ist zu beachten , dass die Angeklagten S. und D. in ihren persönlichen und prozessualen Rechten verletzt worden sind und die – dem deutschen Revisionsverfahren ohnehin fremde – alleinige Feststellung der Rechtsverletzung dies nicht stets angemessen auszugleichen vermag. Ähnlich wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung im Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07) und im Fall der Verleitung einer unverdächtigen und zunächst nicht tatgeneigten Person zu einer Straftat durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise (BGHSt 45, 321; 47, 44, 52) liegt ein Grund für eine Kompensation vor (vgl. hierzu Simma aaO S. 432). Damit wird sichergestellt, dass der Verletzte, sofern dies angemessen ist, eine Wiedergutmachung für die von ihm erlittene Beeinträchtigung seiner Rechtsposition aus Art. 36 WÜK im sachnächsten nationalen Verfahren erhalten kann.
26
Eine derartige Kompensation erscheint jedenfalls dann angezeigt und gar geboten, wenn der betroffene Angeklagte eine erhebliche Bestrafung erfährt und der Verstoß nicht – wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall angesichts alsbald anschließender Belehrung durch den Haftrichter – nur kurzfristig fortgewirkt hat. Beide Voraussetzungen sind vorliegend bei den unmittelbar betroffenen Beschwerdeführern S. und D. erfüllt.
27
f) Der Senat nimmt diese Kompensation nicht – wie die bisherige Rechtsprechung in den genannten Fällen – durch eine Herabsetzung der verhängten Strafe (Strafzumessungslösung) vor, sondern in Form des Ausspruchs , dass ein zahlenmäßig bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Er sieht sich als befugt an, in der vorstehenden Weise zu entscheiden, ohne von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, da bislang nicht entschieden worden ist, in welcher Form die Kompensation einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK und damit die angezeigte effektive Geltendmachung der Verletzung dieses Rechts vorzunehmen ist. Er orientiert sich an der auf eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten „Vollstreckungslösung“ , wie sie der 3. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07 (vgl. auch Basdorf, Tagungsbericht zum Karlsruher Strafrechtsdialog 2007) nunmehr für Fälle überlanger Verfahrensdauer für vorzugswürdig hält. Diese Lösung ist – anders als die Strafzumessungslösung – nicht mit dem Widerspruch behaftet, durch eine Reduktion der schuldangemessenen Strafe Verfahrensfehler der Strafverfolgungsbehörden, die mit der Schuld des Angeklagten in keiner Beziehung stehen, hiermit in Korrelation zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 83/07, zur Veröffentlichung in BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 fair-trail 5 bestimmt). Sie entspricht vielmehr dem objektiv orientierten Modell des § 51 StGB. Damit ist auch eine höhere Transparenz der Rechtsfolgenentscheidung in dem Sinne gewährleistet, dass die Tatschuld im Strafausspruch zutreffend ausgewiesen wird und in dieser Weise unvermindert bei späteren Entscheidungen berücksichtigt werden kann.
28
Die neue Fallkonstellation erlaubt eine solche abweichende Methodik selbst für den Fall, dass sie sich – entgegen der Auffassung auch des 5. Strafsenats – bei auf überlanger Verfahrensdauer beruhenden Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht durchsetzen sollte. Jene Fälle haben einen weit größeren Anwendungsbereich und betreffen – im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation mit regelmäßig nicht übermäßig schwerwiegenden Verstößen – Fälle unterschiedlichsten Gewichts mit einem ganz individuell zu bemessenden Ausmaß einer gebotenen Kompensation.
29
Die neue, vorliegend vom Senat bereits angewendete Methodik hat überdies den Vorteil, dass eine effektive Revisibilität auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten zugute kommt, abweichend von der Lösung über die Strafzumessung, deren insoweit negative Konsequenz von der Rechtsprechung freilich gebilligt worden ist (BVerfG – Kammer – NStZ 2006, 680; BGH NStZ 2006, 346). So wird infolge der „Vollstreckungslösung“ hier der Angeklagte S. durch eine bezifferte Anrechnung eines als verbüßt geltenden Teils der Strafe analog § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB den Zeitpunkt der Mindestverbüßung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB früher erreichen.
30
Der Senat lässt offen, ob in Fällen geringerer Schwere eine mittels Anwendung des nationalen Rechts mögliche Kompensation auch auf andere Weise, etwa durch Gewährung einer Entschädigung in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder durch Kostennachlass, etwa analog § 465 Abs. 2 StPO, in Betracht zu ziehen wäre. Bei Strafen geringeren Gewichts und im Falle der späteren Heilung des Verfahrensverstoßes durch alsbald nachgeholte Belehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Sep- tember 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) mag eine Kompensation gänzlich entbehrlich sein.
31
g) Der Senat bestimmt das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe angesichts des jeweiligen Gewichts des Verstoßes und seiner Auswirkungen sowie der jeweiligen Tatvorwürfe bei beiden Beschwerdeführern jeweils mit sechs Monaten.
32
2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2001 sowie die Revision des Angeklagten D. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. November 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
33
3. Irgendeine Herabsetzung oder weitergehende partielle Kompensation der gegen die Angeklagten S. , F. , Sa. und D. verhängten Strafen unter dem Gesichtspunkt der besonders langen Verfahrensdauer ist nicht vorzunehmen. Der Senat vermag eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu konstatieren.
34
a) Soweit es etwa um die Behandlung der beiden Sachen zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerden und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 gehen kann, neigt der Senat zu der Ansicht, dass einem Gericht grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet ist, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen , wenn nicht etwa dieses Gericht entsprechende Hinweise gegeben hat. Dies dürfte bereits aus der Verfassung des Gesamtgefüges der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland folgen und findet zumindest seine verfahrenspraktische Bestätigung darin, dass dem Gericht geringeren Ranges Kenntnisse zum erfolgten Verfahrensgang beim höherrangigen Gericht fehlen.
35
b) Die Behandlung der Sachen beim Senat war nicht verzögerlich. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 ist beim Senat am 26. Oktober 2006 eingegangen. Auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 116/01) und vom 18. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 475/02) haben die Verfahrensbeteiligten bis zum 7. März 2007 Stellung genommen. Die gegen den Vorsitzenden, den Berichterstatter und ein weiteres Senatsmitglied gerichteten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. vom 17. Januar 2007 hat der Senat nach den gebotenen Anhörungen durch Beschluss vom 11. April 2007 zurückgewiesen. Darin, dass das Revisionsgericht in seiner sich erst aus jener Senatsentscheidung ergebenden Besetzung nicht schon früher entschieden hat, liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. zudem zur fehlenden Rechtsstaatswidrigkeit längerer Verfahrensdauer in umfänglichen und schwierigen Verfahren BGH NJW 2007, 853, 857).
36
c) Eine solche Verfahrensverzögerung findet sich auch nicht etwa darin , dass das Bundesverfassungsgericht hier zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben hat, wodurch ein weiterer fast ein Jahr währender Verfahrensgang vor dem Bundesgerichtshof notwendig geworden ist. Anzuknüpfen ist an das Urteil des 3. Strafsenats vom 7. Februar 2006 – 3 StR 460/98 (NJW 2006, 1529), wonach eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht allein deshalb vorliegt, weil das Revisionsgericht zur Korrektur eines dem Tatrichter unterlaufenen – nicht eklatanten – Rechtsfehlers dessen Urteil aufheben und die Sache zu neuer – zeitaufwändiger – Bearbeitung an die Vorinstanz zurückverweisen muss; denn solcher Verfahrensgang ist Ausfluss eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems. Die Grundsätze dieses Urteils, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, sind auf die vorliegende Konstellation der Aufhebung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht sinngemäß zu übertragen. Als eklatante Gesetzesverletzung, die eine abweichende Beurteilung erfordern könnte (vgl. BGH aaO S. 1532 m.w.N.), wertet der Senat sei- ne erste, nunmehr freilich nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu revidierende Entscheidung nicht.
37
4. Der Teilerfolg, den die Angeklagten S. und D. auf ihre unbeschränkten Revisionen mit der Anrechnung von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf die verbüßten Strafen erzielen, ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.

III.


38
Auf die Revision des Angeklagten T. ist das Verfahren einzustellen. Dieser Angeklagte ist am 7. September 2004 verstorben. Da das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 7. November 2001 auch betreffend den Angeklagten T. aufgehoben hat, stellt der Senat das Verfahren insoweit nach § 206a Abs. 1 StPO ein (vgl. BGHSt 45, 108).
39
Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.
Basdorf RiBGH Häger ist erkrankt Gerhardt und daher verhindert zu unterschreiben Basdorf Brause Schaal

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.

(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
WÜK Art. 36
1. Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit
gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens
(WÜK) über sein subjektives Recht, die
unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung
zu verlangen, sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme
verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499 unter Aufhebung
von BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1).
2. Das Unterbleiben der gebotenen Belehrung über das Recht auf
konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK
führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
3. Die Rechtsverletzung kann jedoch zu einer Kompensation derart
führen, dass ein bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe
als verbüßt anzurechnen ist.
BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 5 StR 116/01
5 StR 475/02
LG Braunschweig
LG Hamburg –
5 StR 475/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2007
in den Strafsachen
I. gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Mordes u. a.
II. gegen
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007

beschlossen:
1. Die Verfahren 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten S. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass von der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagten S. , F. und Sa. zudem die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Revision des Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
4. Das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten T. wird nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.
Insofern fallen die Auslagen der Staatskasse dieser zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e

A


1
Die vorliegende Entscheidung ergeht in zwei zu verbindenden Verfahren jeweils im zweiten Verfahrensdurchgang, nachdem das Bundesverfassungsgericht in beiden Verfahren – nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene – Beschlüsse des Senates aufgehoben hat.

I.


2
Das Landgericht Braunschweig hat am 5. Juli 2000 den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten F. und Sa. sowie den inzwischen verstorbenen T. hat es wegen Anstiftung zum Mord sowie wegen Nötigung, die Angeklagten F. und T. darüber hinaus wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und den Angeklagten Sa. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Betreffend die Angeklagten F. , Sa. und T. hat das Landgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
3
Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten S. (türkischer Staatsangehöriger ), F. (deutscher Staatsangehöriger), Sa. und T. (beide serbisch-montenegrinische Staatsangehörige) mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass der damals vorläufig festgenommene Beschuldigte S. vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S. 1585) belehrt worden sei.
4
Der Senat hat durch Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1, StV 2003, 57 m. Anm.
Paulus) die Revisionen der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

II.


5
Das Landgericht Hamburg hat am 5. April 2002 den Angeklagten D. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
6
Der Angeklagte D. (türkischer Staatsangehöriger) hat im Rahmen seiner Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sei.
7
Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – die Revision des Angeklagten D. nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III.


8
Das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Zweiten Senats – hat durch Beschluss vom 19. September 2006 (NJW 2007, 499, m. Bespr. Walter JR 2007, 99 und Kreß GA 2007, 296 sowie Anm. Burchard JZ 2007, 891) die Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, die Beschlüsse des Senats vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – betreffend die Beschwerdeführer wegen deren Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) aufgehoben und die Sachen insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

B


9
Danach hat der Senat über die Revisionen aller Angeklagten erneut zu entscheiden.

I.


10
Dies kann im Beschlusswege erfolgen.
11
1. Über die Revisionen der Angeklagten S. , F. , Sa. und D. kann im Verfahren nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO befunden werden.
12
Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 sind beide Verfahren in denjenigen Stand zurückversetzt worden, den sie vor dem Senatsbeschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und demjenigen vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – hatten. Soweit durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsfragen der Wirkung eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK – hierauf konzentriert und auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte hinweisend – zur erneuten Entscheidung gestellt sind, haben der Generalbundesanwalt mit seinen Antragsschriften vom 12. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 116/01 und vom 18. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 475/02 sowie die Verteidiger aller Angeklagten und der Vertreter der Nebenkläger Stellung genommen.
13
Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist auch nicht deshalb ausgeschlossen , weil zur erneuten Senatsentscheidung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt. Die hiernach unter notwendig revidierter Sicht erneut zu entscheidende Frage ist eng begrenzt und von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich ausführlich behandelt worden. Sie ist auch unter Berücksichtigung der veränderten Vorgaben aus Sicht des Senats letzt- lich eindeutig zu beantworten. In der nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO geforderten Einstimmigkeit, bei § 349 Abs. 2 StPO zudem im notwendigen Einklang mit dem Ergebnis des Antrags des Generalbundesanwalts finden sich ausreichende Korrektive (vgl. auch BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Es ist daran zu erinnern, dass auch sonst höchstrichterlich umstrittene Fragen (§ 132 Abs. 2 GVG) und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) durch Beschluss entschieden werden können (§ 138 Abs. 1 Satz 2 GVG) und regelmäßig in dieser Verfahrensweise entschieden werden, ohne dass den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme auch in einer Hauptverhandlung gegeben würde.
14
2. Die Entscheidung betreffend den verstorbenen Angeklagten T. hat nach § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss zu erfolgen.

II.


15
Die Revisionen der Angeklagten S. und D. sind weitgehend, die der Angeklagten F. und Sa. in vollem Umfang unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
16
1. Soweit die Revisionen jeweils mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen, führt dies lediglich zu einem geringen Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten S. und D. .
17
a) Allerdings liegt in jedem der beiden Fälle eine Gesetzesverletzung darin, dass der Angeklagte S. und der Angeklagte D. jeweils nach ihrer Festnahme nicht durch die Polizeibeamten über ihre Rechte gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sind.
18
Die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei sind Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens (BGBl II 1969 S. 1585, 1671).
19
Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK über sein subjektives Recht, die unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen , sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urteil vom 27. Juni 2001, ICJ-Reports 2001, 464 – „LaGrand“ – [Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 – „Avena“). Die durch den Senat vormals vorgenommene, an den nationalen Konkretisierungen im Haftrecht nach Art. 104 GG, §§ 115, 115a, 128 StPO orientierte Auslegung, welche die Pflicht auf den Richter beschränkt (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1), erweist sich danach als zu eng und ist ausdrücklich zu revidieren. Die Belehrungspflicht knüpft – standardisiert – an die fremde Staatsangehörigkeit des Beschuldigten und an seine Festnahmesituation an. Sie gilt also auch für den Fall, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Eine darüber hinausgehende ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit ist nicht Voraussetzung für die sich aus Völkervertragsrecht im Range eines Bundesgesetzes ergebende Belehrungspflicht. Ebenso führt bei einem Beschuldigten, der nicht ausländischer Angehöriger eines Vertragsstaats des Wiener Übereinkommens ist, eine gleichgeartete besondere Hilflosigkeit in der Festnahmesituation nicht zu hieraus abzuleitenden entsprechenden Unterstützungspflichten.
20
Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag.
21
b) Die Mitangeklagten des Angeklagten S. , die Beschwerdeführer Sa. (serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger) und F. (deutscher Staatsangehöriger), können aus dieser Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitbeschuldigten für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK knüpft individuell an fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar betroffenen Beschuldigten an. Seine Verletzung berührt noch weniger als eine Verletzung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366, 372 f.) den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten. Grundlegende generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens, die eine abweichende Betrachtung veranlassen könnten (vgl. BGHSt 33, 148, 154 m.w.N.), sind nicht berührt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen – namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO – als eher zu weitgehend angesehen werden müssen.
22
c) Die von den Verstößen gegen die Belehrungspflicht selbst betroffenen Beschwerdeführer S. und D. sind mit revisionsrechtlichen Beanstandungen gegen eine Verletzung des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht etwa in Ermangelung eines Widerspruchs ausgeschlossen. Sie haben in ihren Revisionsbegründungen jeweils vorgetragen, dass sie in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt Widerspruch gegen die Verwertung ihrer Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen, für die sie eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen können, erhoben haben (hervorgehoben von BVerfG – Kammer – aaO S. 500; vgl. zum Widerspruchserfordernis BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Aller- dings erfolgte dieser Widerspruch „generell“ (S. ) bzw. bezogen auf ganz andere, nicht durchgreifende Verfahrensbeanstandungen nach §§ 136, 137 StPO (D. ). Dies wird den Erfordernissen eines spezifizierten Widerspruchs , wie ihn der 1. Strafsenat in seinem Beschluss vom 11. September 2007 in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Widerspruchslösung“ verlangt hat, nicht gerecht. Das bleibt aber vorliegend für die unmittelbar von dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK betroffenen Beschwerdeführer S. und D. unschädlich. Denn anders als in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall ist die in Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK vorgesehene Belehrung hier in beiden Fällen nie nachgeholt, der Verstoß mithin nicht später geheilt worden. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich der Senat nach den maßgeblich zu beachtenden Grundsätzen des „LaGrand“-Urteils des Internationalen Gerichtshofs (BVerfG – Kammer – aaO S. 501 ff.) außerstande, den im Fall der Heilung erwägenswerten, vom 1. Strafsenat verlangten spezifizierten Widerspruch als Rügevoraussetzung zu fordern. Denn der Internationale Gerichtshof hatte einen Ausschluss der Revisibilität („review und reconsideration“) einer Verletzung dieses Rechts mangels rechtzeitiger Erhebung von nach nationalem Recht verlangten Einwänden – dort betreffend die USamerikanische „procedural default rule“ – jedenfalls dann als Verstoß gegen Art. 36 Abs. 2 WÜK betrachtet und deswegen missbilligt, wenn die Unterrichtung über das sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ergebende Recht solange nicht erfolgte, wie diese Einwände prozessrechtlich hätten erhoben werden müssen (IGH – „LaGrand“ – aaO S. 497 sowie – „Avena“ – aaO S. 613; vgl. hierzu auch Simma in Festschrift für Tomuschat S. 423, 428 ff.). Ob ohne Heilung des Verstoßes jeglicher Widerspruch entbehrlich wäre, bedarf angesichts des hier jeweils generell erfolgten Widerspruchs keiner Vertiefung.
23
d) Indes zieht der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK kein Verwertungsverbot nach sich, das anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht gebieten (BVerfG – Kammer – aaO S. 503 f.; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304; Walter JR 2007, 99, 101; Paulus StV 2003, 57, 58 f.; ferner Burchard JZ 2007, 891, 893 f.). Insoweit stellt sich die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren (vgl. BGHSt 44, 243, 249 m.w.N.; BGH NJW 2007, 2269, 2271, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ) anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Hierdurch werden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt. Die einem Beschuldigten aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK zu erteilende Belehrung ist diesen Belehrungspflichten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich. So knüpft die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK schon nicht an den Beginn der Vernehmung an, sondern es wird allein auf die Inhaftierung abgestellt. Zudem wird durch das Unterrichtungsrecht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK lediglich ein ergänzender Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit geboten, dem in der Haftsituation und unter deren besonderer Berücksichtigung eine allein staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen eingeräumt werden soll. Durch diese standardisierte Rechtsposition wird, wie dargelegt, auch nicht etwa besonders auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit abgestellt. Liegt eine solche vor, ist dem eben nicht etwa durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine geeignete besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweigerechts und des Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung (vgl. BGHSt 42, 15). Den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Ver- teidigungsstandards zugute. An eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. IGH – „LaGrand“ – aaO S. 494), das zwar beachtlich ist, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstellt, ist danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.
24
e) Jedoch erachtet der Senat es für angezeigt, die Rechtsverletzung zu kompensieren.
25
Trotz Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots darf der festzustellende Verstoß gegen die völkerrechtlich verankerte Unterrichtungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK grundsätzlich nicht folgenlos bleiben. Nach der vom Internationalen Gerichtshof geforderten Auslegung des Art. 36 Abs. 2 zweiter Halbsatz WÜK – die gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist (BVerfG – Kammer – aaO S. 501) – muss es möglich sein, eine effektive Revisibiliät („full effect“, IGH – „La Grand“ – aaO S. 498) sicherzustellen. Daraus folgt zum einen, dass das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge des betroffenen ausländischen Angeklagten eine Rechtsverletzung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen hat. Zudem ist zu beachten , dass die Angeklagten S. und D. in ihren persönlichen und prozessualen Rechten verletzt worden sind und die – dem deutschen Revisionsverfahren ohnehin fremde – alleinige Feststellung der Rechtsverletzung dies nicht stets angemessen auszugleichen vermag. Ähnlich wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung im Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07) und im Fall der Verleitung einer unverdächtigen und zunächst nicht tatgeneigten Person zu einer Straftat durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise (BGHSt 45, 321; 47, 44, 52) liegt ein Grund für eine Kompensation vor (vgl. hierzu Simma aaO S. 432). Damit wird sichergestellt, dass der Verletzte, sofern dies angemessen ist, eine Wiedergutmachung für die von ihm erlittene Beeinträchtigung seiner Rechtsposition aus Art. 36 WÜK im sachnächsten nationalen Verfahren erhalten kann.
26
Eine derartige Kompensation erscheint jedenfalls dann angezeigt und gar geboten, wenn der betroffene Angeklagte eine erhebliche Bestrafung erfährt und der Verstoß nicht – wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall angesichts alsbald anschließender Belehrung durch den Haftrichter – nur kurzfristig fortgewirkt hat. Beide Voraussetzungen sind vorliegend bei den unmittelbar betroffenen Beschwerdeführern S. und D. erfüllt.
27
f) Der Senat nimmt diese Kompensation nicht – wie die bisherige Rechtsprechung in den genannten Fällen – durch eine Herabsetzung der verhängten Strafe (Strafzumessungslösung) vor, sondern in Form des Ausspruchs , dass ein zahlenmäßig bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Er sieht sich als befugt an, in der vorstehenden Weise zu entscheiden, ohne von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, da bislang nicht entschieden worden ist, in welcher Form die Kompensation einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK und damit die angezeigte effektive Geltendmachung der Verletzung dieses Rechts vorzunehmen ist. Er orientiert sich an der auf eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten „Vollstreckungslösung“ , wie sie der 3. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07 (vgl. auch Basdorf, Tagungsbericht zum Karlsruher Strafrechtsdialog 2007) nunmehr für Fälle überlanger Verfahrensdauer für vorzugswürdig hält. Diese Lösung ist – anders als die Strafzumessungslösung – nicht mit dem Widerspruch behaftet, durch eine Reduktion der schuldangemessenen Strafe Verfahrensfehler der Strafverfolgungsbehörden, die mit der Schuld des Angeklagten in keiner Beziehung stehen, hiermit in Korrelation zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 83/07, zur Veröffentlichung in BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 fair-trail 5 bestimmt). Sie entspricht vielmehr dem objektiv orientierten Modell des § 51 StGB. Damit ist auch eine höhere Transparenz der Rechtsfolgenentscheidung in dem Sinne gewährleistet, dass die Tatschuld im Strafausspruch zutreffend ausgewiesen wird und in dieser Weise unvermindert bei späteren Entscheidungen berücksichtigt werden kann.
28
Die neue Fallkonstellation erlaubt eine solche abweichende Methodik selbst für den Fall, dass sie sich – entgegen der Auffassung auch des 5. Strafsenats – bei auf überlanger Verfahrensdauer beruhenden Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht durchsetzen sollte. Jene Fälle haben einen weit größeren Anwendungsbereich und betreffen – im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation mit regelmäßig nicht übermäßig schwerwiegenden Verstößen – Fälle unterschiedlichsten Gewichts mit einem ganz individuell zu bemessenden Ausmaß einer gebotenen Kompensation.
29
Die neue, vorliegend vom Senat bereits angewendete Methodik hat überdies den Vorteil, dass eine effektive Revisibilität auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten zugute kommt, abweichend von der Lösung über die Strafzumessung, deren insoweit negative Konsequenz von der Rechtsprechung freilich gebilligt worden ist (BVerfG – Kammer – NStZ 2006, 680; BGH NStZ 2006, 346). So wird infolge der „Vollstreckungslösung“ hier der Angeklagte S. durch eine bezifferte Anrechnung eines als verbüßt geltenden Teils der Strafe analog § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB den Zeitpunkt der Mindestverbüßung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB früher erreichen.
30
Der Senat lässt offen, ob in Fällen geringerer Schwere eine mittels Anwendung des nationalen Rechts mögliche Kompensation auch auf andere Weise, etwa durch Gewährung einer Entschädigung in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder durch Kostennachlass, etwa analog § 465 Abs. 2 StPO, in Betracht zu ziehen wäre. Bei Strafen geringeren Gewichts und im Falle der späteren Heilung des Verfahrensverstoßes durch alsbald nachgeholte Belehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Sep- tember 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) mag eine Kompensation gänzlich entbehrlich sein.
31
g) Der Senat bestimmt das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe angesichts des jeweiligen Gewichts des Verstoßes und seiner Auswirkungen sowie der jeweiligen Tatvorwürfe bei beiden Beschwerdeführern jeweils mit sechs Monaten.
32
2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2001 sowie die Revision des Angeklagten D. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. November 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
33
3. Irgendeine Herabsetzung oder weitergehende partielle Kompensation der gegen die Angeklagten S. , F. , Sa. und D. verhängten Strafen unter dem Gesichtspunkt der besonders langen Verfahrensdauer ist nicht vorzunehmen. Der Senat vermag eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu konstatieren.
34
a) Soweit es etwa um die Behandlung der beiden Sachen zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerden und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 gehen kann, neigt der Senat zu der Ansicht, dass einem Gericht grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet ist, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen , wenn nicht etwa dieses Gericht entsprechende Hinweise gegeben hat. Dies dürfte bereits aus der Verfassung des Gesamtgefüges der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland folgen und findet zumindest seine verfahrenspraktische Bestätigung darin, dass dem Gericht geringeren Ranges Kenntnisse zum erfolgten Verfahrensgang beim höherrangigen Gericht fehlen.
35
b) Die Behandlung der Sachen beim Senat war nicht verzögerlich. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 ist beim Senat am 26. Oktober 2006 eingegangen. Auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 116/01) und vom 18. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 475/02) haben die Verfahrensbeteiligten bis zum 7. März 2007 Stellung genommen. Die gegen den Vorsitzenden, den Berichterstatter und ein weiteres Senatsmitglied gerichteten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. vom 17. Januar 2007 hat der Senat nach den gebotenen Anhörungen durch Beschluss vom 11. April 2007 zurückgewiesen. Darin, dass das Revisionsgericht in seiner sich erst aus jener Senatsentscheidung ergebenden Besetzung nicht schon früher entschieden hat, liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. zudem zur fehlenden Rechtsstaatswidrigkeit längerer Verfahrensdauer in umfänglichen und schwierigen Verfahren BGH NJW 2007, 853, 857).
36
c) Eine solche Verfahrensverzögerung findet sich auch nicht etwa darin , dass das Bundesverfassungsgericht hier zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben hat, wodurch ein weiterer fast ein Jahr währender Verfahrensgang vor dem Bundesgerichtshof notwendig geworden ist. Anzuknüpfen ist an das Urteil des 3. Strafsenats vom 7. Februar 2006 – 3 StR 460/98 (NJW 2006, 1529), wonach eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht allein deshalb vorliegt, weil das Revisionsgericht zur Korrektur eines dem Tatrichter unterlaufenen – nicht eklatanten – Rechtsfehlers dessen Urteil aufheben und die Sache zu neuer – zeitaufwändiger – Bearbeitung an die Vorinstanz zurückverweisen muss; denn solcher Verfahrensgang ist Ausfluss eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems. Die Grundsätze dieses Urteils, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, sind auf die vorliegende Konstellation der Aufhebung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht sinngemäß zu übertragen. Als eklatante Gesetzesverletzung, die eine abweichende Beurteilung erfordern könnte (vgl. BGH aaO S. 1532 m.w.N.), wertet der Senat sei- ne erste, nunmehr freilich nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu revidierende Entscheidung nicht.
37
4. Der Teilerfolg, den die Angeklagten S. und D. auf ihre unbeschränkten Revisionen mit der Anrechnung von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf die verbüßten Strafen erzielen, ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.

III.


38
Auf die Revision des Angeklagten T. ist das Verfahren einzustellen. Dieser Angeklagte ist am 7. September 2004 verstorben. Da das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 7. November 2001 auch betreffend den Angeklagten T. aufgehoben hat, stellt der Senat das Verfahren insoweit nach § 206a Abs. 1 StPO ein (vgl. BGHSt 45, 108).
39
Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.
Basdorf RiBGH Häger ist erkrankt Gerhardt und daher verhindert zu unterschreiben Basdorf Brause Schaal

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
WÜK Art. 36
1. Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit
gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens
(WÜK) über sein subjektives Recht, die
unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung
zu verlangen, sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme
verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499 unter Aufhebung
von BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1).
2. Das Unterbleiben der gebotenen Belehrung über das Recht auf
konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK
führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
3. Die Rechtsverletzung kann jedoch zu einer Kompensation derart
führen, dass ein bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe
als verbüßt anzurechnen ist.
BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 5 StR 116/01
5 StR 475/02
LG Braunschweig
LG Hamburg –
5 StR 475/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2007
in den Strafsachen
I. gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Mordes u. a.
II. gegen
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007

beschlossen:
1. Die Verfahren 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten S. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass von der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagten S. , F. und Sa. zudem die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Revision des Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
4. Das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten T. wird nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.
Insofern fallen die Auslagen der Staatskasse dieser zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e

A


1
Die vorliegende Entscheidung ergeht in zwei zu verbindenden Verfahren jeweils im zweiten Verfahrensdurchgang, nachdem das Bundesverfassungsgericht in beiden Verfahren – nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene – Beschlüsse des Senates aufgehoben hat.

I.


2
Das Landgericht Braunschweig hat am 5. Juli 2000 den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten F. und Sa. sowie den inzwischen verstorbenen T. hat es wegen Anstiftung zum Mord sowie wegen Nötigung, die Angeklagten F. und T. darüber hinaus wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und den Angeklagten Sa. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Betreffend die Angeklagten F. , Sa. und T. hat das Landgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
3
Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten S. (türkischer Staatsangehöriger ), F. (deutscher Staatsangehöriger), Sa. und T. (beide serbisch-montenegrinische Staatsangehörige) mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass der damals vorläufig festgenommene Beschuldigte S. vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S. 1585) belehrt worden sei.
4
Der Senat hat durch Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1, StV 2003, 57 m. Anm.
Paulus) die Revisionen der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

II.


5
Das Landgericht Hamburg hat am 5. April 2002 den Angeklagten D. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
6
Der Angeklagte D. (türkischer Staatsangehöriger) hat im Rahmen seiner Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sei.
7
Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – die Revision des Angeklagten D. nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III.


8
Das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Zweiten Senats – hat durch Beschluss vom 19. September 2006 (NJW 2007, 499, m. Bespr. Walter JR 2007, 99 und Kreß GA 2007, 296 sowie Anm. Burchard JZ 2007, 891) die Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, die Beschlüsse des Senats vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – betreffend die Beschwerdeführer wegen deren Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) aufgehoben und die Sachen insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

B


9
Danach hat der Senat über die Revisionen aller Angeklagten erneut zu entscheiden.

I.


10
Dies kann im Beschlusswege erfolgen.
11
1. Über die Revisionen der Angeklagten S. , F. , Sa. und D. kann im Verfahren nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO befunden werden.
12
Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 sind beide Verfahren in denjenigen Stand zurückversetzt worden, den sie vor dem Senatsbeschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und demjenigen vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – hatten. Soweit durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsfragen der Wirkung eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK – hierauf konzentriert und auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte hinweisend – zur erneuten Entscheidung gestellt sind, haben der Generalbundesanwalt mit seinen Antragsschriften vom 12. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 116/01 und vom 18. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 475/02 sowie die Verteidiger aller Angeklagten und der Vertreter der Nebenkläger Stellung genommen.
13
Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist auch nicht deshalb ausgeschlossen , weil zur erneuten Senatsentscheidung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt. Die hiernach unter notwendig revidierter Sicht erneut zu entscheidende Frage ist eng begrenzt und von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich ausführlich behandelt worden. Sie ist auch unter Berücksichtigung der veränderten Vorgaben aus Sicht des Senats letzt- lich eindeutig zu beantworten. In der nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO geforderten Einstimmigkeit, bei § 349 Abs. 2 StPO zudem im notwendigen Einklang mit dem Ergebnis des Antrags des Generalbundesanwalts finden sich ausreichende Korrektive (vgl. auch BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Es ist daran zu erinnern, dass auch sonst höchstrichterlich umstrittene Fragen (§ 132 Abs. 2 GVG) und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) durch Beschluss entschieden werden können (§ 138 Abs. 1 Satz 2 GVG) und regelmäßig in dieser Verfahrensweise entschieden werden, ohne dass den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme auch in einer Hauptverhandlung gegeben würde.
14
2. Die Entscheidung betreffend den verstorbenen Angeklagten T. hat nach § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss zu erfolgen.

II.


15
Die Revisionen der Angeklagten S. und D. sind weitgehend, die der Angeklagten F. und Sa. in vollem Umfang unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
16
1. Soweit die Revisionen jeweils mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen, führt dies lediglich zu einem geringen Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten S. und D. .
17
a) Allerdings liegt in jedem der beiden Fälle eine Gesetzesverletzung darin, dass der Angeklagte S. und der Angeklagte D. jeweils nach ihrer Festnahme nicht durch die Polizeibeamten über ihre Rechte gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sind.
18
Die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei sind Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens (BGBl II 1969 S. 1585, 1671).
19
Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK über sein subjektives Recht, die unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen , sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urteil vom 27. Juni 2001, ICJ-Reports 2001, 464 – „LaGrand“ – [Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 – „Avena“). Die durch den Senat vormals vorgenommene, an den nationalen Konkretisierungen im Haftrecht nach Art. 104 GG, §§ 115, 115a, 128 StPO orientierte Auslegung, welche die Pflicht auf den Richter beschränkt (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1), erweist sich danach als zu eng und ist ausdrücklich zu revidieren. Die Belehrungspflicht knüpft – standardisiert – an die fremde Staatsangehörigkeit des Beschuldigten und an seine Festnahmesituation an. Sie gilt also auch für den Fall, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Eine darüber hinausgehende ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit ist nicht Voraussetzung für die sich aus Völkervertragsrecht im Range eines Bundesgesetzes ergebende Belehrungspflicht. Ebenso führt bei einem Beschuldigten, der nicht ausländischer Angehöriger eines Vertragsstaats des Wiener Übereinkommens ist, eine gleichgeartete besondere Hilflosigkeit in der Festnahmesituation nicht zu hieraus abzuleitenden entsprechenden Unterstützungspflichten.
20
Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag.
21
b) Die Mitangeklagten des Angeklagten S. , die Beschwerdeführer Sa. (serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger) und F. (deutscher Staatsangehöriger), können aus dieser Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitbeschuldigten für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK knüpft individuell an fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar betroffenen Beschuldigten an. Seine Verletzung berührt noch weniger als eine Verletzung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366, 372 f.) den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten. Grundlegende generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens, die eine abweichende Betrachtung veranlassen könnten (vgl. BGHSt 33, 148, 154 m.w.N.), sind nicht berührt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen – namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO – als eher zu weitgehend angesehen werden müssen.
22
c) Die von den Verstößen gegen die Belehrungspflicht selbst betroffenen Beschwerdeführer S. und D. sind mit revisionsrechtlichen Beanstandungen gegen eine Verletzung des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht etwa in Ermangelung eines Widerspruchs ausgeschlossen. Sie haben in ihren Revisionsbegründungen jeweils vorgetragen, dass sie in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt Widerspruch gegen die Verwertung ihrer Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen, für die sie eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen können, erhoben haben (hervorgehoben von BVerfG – Kammer – aaO S. 500; vgl. zum Widerspruchserfordernis BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Aller- dings erfolgte dieser Widerspruch „generell“ (S. ) bzw. bezogen auf ganz andere, nicht durchgreifende Verfahrensbeanstandungen nach §§ 136, 137 StPO (D. ). Dies wird den Erfordernissen eines spezifizierten Widerspruchs , wie ihn der 1. Strafsenat in seinem Beschluss vom 11. September 2007 in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Widerspruchslösung“ verlangt hat, nicht gerecht. Das bleibt aber vorliegend für die unmittelbar von dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK betroffenen Beschwerdeführer S. und D. unschädlich. Denn anders als in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall ist die in Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK vorgesehene Belehrung hier in beiden Fällen nie nachgeholt, der Verstoß mithin nicht später geheilt worden. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich der Senat nach den maßgeblich zu beachtenden Grundsätzen des „LaGrand“-Urteils des Internationalen Gerichtshofs (BVerfG – Kammer – aaO S. 501 ff.) außerstande, den im Fall der Heilung erwägenswerten, vom 1. Strafsenat verlangten spezifizierten Widerspruch als Rügevoraussetzung zu fordern. Denn der Internationale Gerichtshof hatte einen Ausschluss der Revisibilität („review und reconsideration“) einer Verletzung dieses Rechts mangels rechtzeitiger Erhebung von nach nationalem Recht verlangten Einwänden – dort betreffend die USamerikanische „procedural default rule“ – jedenfalls dann als Verstoß gegen Art. 36 Abs. 2 WÜK betrachtet und deswegen missbilligt, wenn die Unterrichtung über das sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ergebende Recht solange nicht erfolgte, wie diese Einwände prozessrechtlich hätten erhoben werden müssen (IGH – „LaGrand“ – aaO S. 497 sowie – „Avena“ – aaO S. 613; vgl. hierzu auch Simma in Festschrift für Tomuschat S. 423, 428 ff.). Ob ohne Heilung des Verstoßes jeglicher Widerspruch entbehrlich wäre, bedarf angesichts des hier jeweils generell erfolgten Widerspruchs keiner Vertiefung.
23
d) Indes zieht der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK kein Verwertungsverbot nach sich, das anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht gebieten (BVerfG – Kammer – aaO S. 503 f.; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304; Walter JR 2007, 99, 101; Paulus StV 2003, 57, 58 f.; ferner Burchard JZ 2007, 891, 893 f.). Insoweit stellt sich die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren (vgl. BGHSt 44, 243, 249 m.w.N.; BGH NJW 2007, 2269, 2271, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ) anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Hierdurch werden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt. Die einem Beschuldigten aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK zu erteilende Belehrung ist diesen Belehrungspflichten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich. So knüpft die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK schon nicht an den Beginn der Vernehmung an, sondern es wird allein auf die Inhaftierung abgestellt. Zudem wird durch das Unterrichtungsrecht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK lediglich ein ergänzender Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit geboten, dem in der Haftsituation und unter deren besonderer Berücksichtigung eine allein staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen eingeräumt werden soll. Durch diese standardisierte Rechtsposition wird, wie dargelegt, auch nicht etwa besonders auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit abgestellt. Liegt eine solche vor, ist dem eben nicht etwa durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine geeignete besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweigerechts und des Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung (vgl. BGHSt 42, 15). Den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Ver- teidigungsstandards zugute. An eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. IGH – „LaGrand“ – aaO S. 494), das zwar beachtlich ist, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstellt, ist danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.
24
e) Jedoch erachtet der Senat es für angezeigt, die Rechtsverletzung zu kompensieren.
25
Trotz Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots darf der festzustellende Verstoß gegen die völkerrechtlich verankerte Unterrichtungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK grundsätzlich nicht folgenlos bleiben. Nach der vom Internationalen Gerichtshof geforderten Auslegung des Art. 36 Abs. 2 zweiter Halbsatz WÜK – die gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist (BVerfG – Kammer – aaO S. 501) – muss es möglich sein, eine effektive Revisibiliät („full effect“, IGH – „La Grand“ – aaO S. 498) sicherzustellen. Daraus folgt zum einen, dass das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge des betroffenen ausländischen Angeklagten eine Rechtsverletzung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen hat. Zudem ist zu beachten , dass die Angeklagten S. und D. in ihren persönlichen und prozessualen Rechten verletzt worden sind und die – dem deutschen Revisionsverfahren ohnehin fremde – alleinige Feststellung der Rechtsverletzung dies nicht stets angemessen auszugleichen vermag. Ähnlich wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung im Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07) und im Fall der Verleitung einer unverdächtigen und zunächst nicht tatgeneigten Person zu einer Straftat durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise (BGHSt 45, 321; 47, 44, 52) liegt ein Grund für eine Kompensation vor (vgl. hierzu Simma aaO S. 432). Damit wird sichergestellt, dass der Verletzte, sofern dies angemessen ist, eine Wiedergutmachung für die von ihm erlittene Beeinträchtigung seiner Rechtsposition aus Art. 36 WÜK im sachnächsten nationalen Verfahren erhalten kann.
26
Eine derartige Kompensation erscheint jedenfalls dann angezeigt und gar geboten, wenn der betroffene Angeklagte eine erhebliche Bestrafung erfährt und der Verstoß nicht – wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall angesichts alsbald anschließender Belehrung durch den Haftrichter – nur kurzfristig fortgewirkt hat. Beide Voraussetzungen sind vorliegend bei den unmittelbar betroffenen Beschwerdeführern S. und D. erfüllt.
27
f) Der Senat nimmt diese Kompensation nicht – wie die bisherige Rechtsprechung in den genannten Fällen – durch eine Herabsetzung der verhängten Strafe (Strafzumessungslösung) vor, sondern in Form des Ausspruchs , dass ein zahlenmäßig bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Er sieht sich als befugt an, in der vorstehenden Weise zu entscheiden, ohne von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, da bislang nicht entschieden worden ist, in welcher Form die Kompensation einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK und damit die angezeigte effektive Geltendmachung der Verletzung dieses Rechts vorzunehmen ist. Er orientiert sich an der auf eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten „Vollstreckungslösung“ , wie sie der 3. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07 (vgl. auch Basdorf, Tagungsbericht zum Karlsruher Strafrechtsdialog 2007) nunmehr für Fälle überlanger Verfahrensdauer für vorzugswürdig hält. Diese Lösung ist – anders als die Strafzumessungslösung – nicht mit dem Widerspruch behaftet, durch eine Reduktion der schuldangemessenen Strafe Verfahrensfehler der Strafverfolgungsbehörden, die mit der Schuld des Angeklagten in keiner Beziehung stehen, hiermit in Korrelation zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 83/07, zur Veröffentlichung in BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 fair-trail 5 bestimmt). Sie entspricht vielmehr dem objektiv orientierten Modell des § 51 StGB. Damit ist auch eine höhere Transparenz der Rechtsfolgenentscheidung in dem Sinne gewährleistet, dass die Tatschuld im Strafausspruch zutreffend ausgewiesen wird und in dieser Weise unvermindert bei späteren Entscheidungen berücksichtigt werden kann.
28
Die neue Fallkonstellation erlaubt eine solche abweichende Methodik selbst für den Fall, dass sie sich – entgegen der Auffassung auch des 5. Strafsenats – bei auf überlanger Verfahrensdauer beruhenden Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht durchsetzen sollte. Jene Fälle haben einen weit größeren Anwendungsbereich und betreffen – im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation mit regelmäßig nicht übermäßig schwerwiegenden Verstößen – Fälle unterschiedlichsten Gewichts mit einem ganz individuell zu bemessenden Ausmaß einer gebotenen Kompensation.
29
Die neue, vorliegend vom Senat bereits angewendete Methodik hat überdies den Vorteil, dass eine effektive Revisibilität auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten zugute kommt, abweichend von der Lösung über die Strafzumessung, deren insoweit negative Konsequenz von der Rechtsprechung freilich gebilligt worden ist (BVerfG – Kammer – NStZ 2006, 680; BGH NStZ 2006, 346). So wird infolge der „Vollstreckungslösung“ hier der Angeklagte S. durch eine bezifferte Anrechnung eines als verbüßt geltenden Teils der Strafe analog § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB den Zeitpunkt der Mindestverbüßung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB früher erreichen.
30
Der Senat lässt offen, ob in Fällen geringerer Schwere eine mittels Anwendung des nationalen Rechts mögliche Kompensation auch auf andere Weise, etwa durch Gewährung einer Entschädigung in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder durch Kostennachlass, etwa analog § 465 Abs. 2 StPO, in Betracht zu ziehen wäre. Bei Strafen geringeren Gewichts und im Falle der späteren Heilung des Verfahrensverstoßes durch alsbald nachgeholte Belehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Sep- tember 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) mag eine Kompensation gänzlich entbehrlich sein.
31
g) Der Senat bestimmt das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe angesichts des jeweiligen Gewichts des Verstoßes und seiner Auswirkungen sowie der jeweiligen Tatvorwürfe bei beiden Beschwerdeführern jeweils mit sechs Monaten.
32
2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2001 sowie die Revision des Angeklagten D. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. November 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
33
3. Irgendeine Herabsetzung oder weitergehende partielle Kompensation der gegen die Angeklagten S. , F. , Sa. und D. verhängten Strafen unter dem Gesichtspunkt der besonders langen Verfahrensdauer ist nicht vorzunehmen. Der Senat vermag eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu konstatieren.
34
a) Soweit es etwa um die Behandlung der beiden Sachen zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerden und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 gehen kann, neigt der Senat zu der Ansicht, dass einem Gericht grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet ist, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen , wenn nicht etwa dieses Gericht entsprechende Hinweise gegeben hat. Dies dürfte bereits aus der Verfassung des Gesamtgefüges der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland folgen und findet zumindest seine verfahrenspraktische Bestätigung darin, dass dem Gericht geringeren Ranges Kenntnisse zum erfolgten Verfahrensgang beim höherrangigen Gericht fehlen.
35
b) Die Behandlung der Sachen beim Senat war nicht verzögerlich. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 ist beim Senat am 26. Oktober 2006 eingegangen. Auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 116/01) und vom 18. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 475/02) haben die Verfahrensbeteiligten bis zum 7. März 2007 Stellung genommen. Die gegen den Vorsitzenden, den Berichterstatter und ein weiteres Senatsmitglied gerichteten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. vom 17. Januar 2007 hat der Senat nach den gebotenen Anhörungen durch Beschluss vom 11. April 2007 zurückgewiesen. Darin, dass das Revisionsgericht in seiner sich erst aus jener Senatsentscheidung ergebenden Besetzung nicht schon früher entschieden hat, liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. zudem zur fehlenden Rechtsstaatswidrigkeit längerer Verfahrensdauer in umfänglichen und schwierigen Verfahren BGH NJW 2007, 853, 857).
36
c) Eine solche Verfahrensverzögerung findet sich auch nicht etwa darin , dass das Bundesverfassungsgericht hier zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben hat, wodurch ein weiterer fast ein Jahr währender Verfahrensgang vor dem Bundesgerichtshof notwendig geworden ist. Anzuknüpfen ist an das Urteil des 3. Strafsenats vom 7. Februar 2006 – 3 StR 460/98 (NJW 2006, 1529), wonach eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht allein deshalb vorliegt, weil das Revisionsgericht zur Korrektur eines dem Tatrichter unterlaufenen – nicht eklatanten – Rechtsfehlers dessen Urteil aufheben und die Sache zu neuer – zeitaufwändiger – Bearbeitung an die Vorinstanz zurückverweisen muss; denn solcher Verfahrensgang ist Ausfluss eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems. Die Grundsätze dieses Urteils, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, sind auf die vorliegende Konstellation der Aufhebung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht sinngemäß zu übertragen. Als eklatante Gesetzesverletzung, die eine abweichende Beurteilung erfordern könnte (vgl. BGH aaO S. 1532 m.w.N.), wertet der Senat sei- ne erste, nunmehr freilich nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu revidierende Entscheidung nicht.
37
4. Der Teilerfolg, den die Angeklagten S. und D. auf ihre unbeschränkten Revisionen mit der Anrechnung von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf die verbüßten Strafen erzielen, ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.

III.


38
Auf die Revision des Angeklagten T. ist das Verfahren einzustellen. Dieser Angeklagte ist am 7. September 2004 verstorben. Da das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 7. November 2001 auch betreffend den Angeklagten T. aufgehoben hat, stellt der Senat das Verfahren insoweit nach § 206a Abs. 1 StPO ein (vgl. BGHSt 45, 108).
39
Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.
Basdorf RiBGH Häger ist erkrankt Gerhardt und daher verhindert zu unterschreiben Basdorf Brause Schaal

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
WÜK Art. 36
1. Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit
gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens
(WÜK) über sein subjektives Recht, die
unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung
zu verlangen, sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme
verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499 unter Aufhebung
von BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1).
2. Das Unterbleiben der gebotenen Belehrung über das Recht auf
konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK
führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
3. Die Rechtsverletzung kann jedoch zu einer Kompensation derart
führen, dass ein bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe
als verbüßt anzurechnen ist.
BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 5 StR 116/01
5 StR 475/02
LG Braunschweig
LG Hamburg –
5 StR 475/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2007
in den Strafsachen
I. gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Mordes u. a.
II. gegen
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007

beschlossen:
1. Die Verfahren 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten S. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass von der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagten S. , F. und Sa. zudem die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Revision des Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
4. Das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten T. wird nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.
Insofern fallen die Auslagen der Staatskasse dieser zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e

A


1
Die vorliegende Entscheidung ergeht in zwei zu verbindenden Verfahren jeweils im zweiten Verfahrensdurchgang, nachdem das Bundesverfassungsgericht in beiden Verfahren – nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene – Beschlüsse des Senates aufgehoben hat.

I.


2
Das Landgericht Braunschweig hat am 5. Juli 2000 den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten F. und Sa. sowie den inzwischen verstorbenen T. hat es wegen Anstiftung zum Mord sowie wegen Nötigung, die Angeklagten F. und T. darüber hinaus wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und den Angeklagten Sa. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Betreffend die Angeklagten F. , Sa. und T. hat das Landgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
3
Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten S. (türkischer Staatsangehöriger ), F. (deutscher Staatsangehöriger), Sa. und T. (beide serbisch-montenegrinische Staatsangehörige) mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass der damals vorläufig festgenommene Beschuldigte S. vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S. 1585) belehrt worden sei.
4
Der Senat hat durch Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1, StV 2003, 57 m. Anm.
Paulus) die Revisionen der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

II.


5
Das Landgericht Hamburg hat am 5. April 2002 den Angeklagten D. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
6
Der Angeklagte D. (türkischer Staatsangehöriger) hat im Rahmen seiner Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sei.
7
Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – die Revision des Angeklagten D. nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III.


8
Das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Zweiten Senats – hat durch Beschluss vom 19. September 2006 (NJW 2007, 499, m. Bespr. Walter JR 2007, 99 und Kreß GA 2007, 296 sowie Anm. Burchard JZ 2007, 891) die Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, die Beschlüsse des Senats vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – betreffend die Beschwerdeführer wegen deren Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) aufgehoben und die Sachen insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

B


9
Danach hat der Senat über die Revisionen aller Angeklagten erneut zu entscheiden.

I.


10
Dies kann im Beschlusswege erfolgen.
11
1. Über die Revisionen der Angeklagten S. , F. , Sa. und D. kann im Verfahren nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO befunden werden.
12
Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 sind beide Verfahren in denjenigen Stand zurückversetzt worden, den sie vor dem Senatsbeschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und demjenigen vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – hatten. Soweit durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsfragen der Wirkung eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK – hierauf konzentriert und auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte hinweisend – zur erneuten Entscheidung gestellt sind, haben der Generalbundesanwalt mit seinen Antragsschriften vom 12. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 116/01 und vom 18. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 475/02 sowie die Verteidiger aller Angeklagten und der Vertreter der Nebenkläger Stellung genommen.
13
Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist auch nicht deshalb ausgeschlossen , weil zur erneuten Senatsentscheidung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt. Die hiernach unter notwendig revidierter Sicht erneut zu entscheidende Frage ist eng begrenzt und von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich ausführlich behandelt worden. Sie ist auch unter Berücksichtigung der veränderten Vorgaben aus Sicht des Senats letzt- lich eindeutig zu beantworten. In der nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO geforderten Einstimmigkeit, bei § 349 Abs. 2 StPO zudem im notwendigen Einklang mit dem Ergebnis des Antrags des Generalbundesanwalts finden sich ausreichende Korrektive (vgl. auch BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Es ist daran zu erinnern, dass auch sonst höchstrichterlich umstrittene Fragen (§ 132 Abs. 2 GVG) und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) durch Beschluss entschieden werden können (§ 138 Abs. 1 Satz 2 GVG) und regelmäßig in dieser Verfahrensweise entschieden werden, ohne dass den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme auch in einer Hauptverhandlung gegeben würde.
14
2. Die Entscheidung betreffend den verstorbenen Angeklagten T. hat nach § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss zu erfolgen.

II.


15
Die Revisionen der Angeklagten S. und D. sind weitgehend, die der Angeklagten F. und Sa. in vollem Umfang unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
16
1. Soweit die Revisionen jeweils mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen, führt dies lediglich zu einem geringen Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten S. und D. .
17
a) Allerdings liegt in jedem der beiden Fälle eine Gesetzesverletzung darin, dass der Angeklagte S. und der Angeklagte D. jeweils nach ihrer Festnahme nicht durch die Polizeibeamten über ihre Rechte gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sind.
18
Die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei sind Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens (BGBl II 1969 S. 1585, 1671).
19
Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK über sein subjektives Recht, die unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen , sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urteil vom 27. Juni 2001, ICJ-Reports 2001, 464 – „LaGrand“ – [Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 – „Avena“). Die durch den Senat vormals vorgenommene, an den nationalen Konkretisierungen im Haftrecht nach Art. 104 GG, §§ 115, 115a, 128 StPO orientierte Auslegung, welche die Pflicht auf den Richter beschränkt (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1), erweist sich danach als zu eng und ist ausdrücklich zu revidieren. Die Belehrungspflicht knüpft – standardisiert – an die fremde Staatsangehörigkeit des Beschuldigten und an seine Festnahmesituation an. Sie gilt also auch für den Fall, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Eine darüber hinausgehende ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit ist nicht Voraussetzung für die sich aus Völkervertragsrecht im Range eines Bundesgesetzes ergebende Belehrungspflicht. Ebenso führt bei einem Beschuldigten, der nicht ausländischer Angehöriger eines Vertragsstaats des Wiener Übereinkommens ist, eine gleichgeartete besondere Hilflosigkeit in der Festnahmesituation nicht zu hieraus abzuleitenden entsprechenden Unterstützungspflichten.
20
Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag.
21
b) Die Mitangeklagten des Angeklagten S. , die Beschwerdeführer Sa. (serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger) und F. (deutscher Staatsangehöriger), können aus dieser Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitbeschuldigten für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK knüpft individuell an fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar betroffenen Beschuldigten an. Seine Verletzung berührt noch weniger als eine Verletzung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366, 372 f.) den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten. Grundlegende generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens, die eine abweichende Betrachtung veranlassen könnten (vgl. BGHSt 33, 148, 154 m.w.N.), sind nicht berührt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen – namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO – als eher zu weitgehend angesehen werden müssen.
22
c) Die von den Verstößen gegen die Belehrungspflicht selbst betroffenen Beschwerdeführer S. und D. sind mit revisionsrechtlichen Beanstandungen gegen eine Verletzung des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht etwa in Ermangelung eines Widerspruchs ausgeschlossen. Sie haben in ihren Revisionsbegründungen jeweils vorgetragen, dass sie in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt Widerspruch gegen die Verwertung ihrer Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen, für die sie eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen können, erhoben haben (hervorgehoben von BVerfG – Kammer – aaO S. 500; vgl. zum Widerspruchserfordernis BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Aller- dings erfolgte dieser Widerspruch „generell“ (S. ) bzw. bezogen auf ganz andere, nicht durchgreifende Verfahrensbeanstandungen nach §§ 136, 137 StPO (D. ). Dies wird den Erfordernissen eines spezifizierten Widerspruchs , wie ihn der 1. Strafsenat in seinem Beschluss vom 11. September 2007 in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Widerspruchslösung“ verlangt hat, nicht gerecht. Das bleibt aber vorliegend für die unmittelbar von dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK betroffenen Beschwerdeführer S. und D. unschädlich. Denn anders als in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall ist die in Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK vorgesehene Belehrung hier in beiden Fällen nie nachgeholt, der Verstoß mithin nicht später geheilt worden. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich der Senat nach den maßgeblich zu beachtenden Grundsätzen des „LaGrand“-Urteils des Internationalen Gerichtshofs (BVerfG – Kammer – aaO S. 501 ff.) außerstande, den im Fall der Heilung erwägenswerten, vom 1. Strafsenat verlangten spezifizierten Widerspruch als Rügevoraussetzung zu fordern. Denn der Internationale Gerichtshof hatte einen Ausschluss der Revisibilität („review und reconsideration“) einer Verletzung dieses Rechts mangels rechtzeitiger Erhebung von nach nationalem Recht verlangten Einwänden – dort betreffend die USamerikanische „procedural default rule“ – jedenfalls dann als Verstoß gegen Art. 36 Abs. 2 WÜK betrachtet und deswegen missbilligt, wenn die Unterrichtung über das sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ergebende Recht solange nicht erfolgte, wie diese Einwände prozessrechtlich hätten erhoben werden müssen (IGH – „LaGrand“ – aaO S. 497 sowie – „Avena“ – aaO S. 613; vgl. hierzu auch Simma in Festschrift für Tomuschat S. 423, 428 ff.). Ob ohne Heilung des Verstoßes jeglicher Widerspruch entbehrlich wäre, bedarf angesichts des hier jeweils generell erfolgten Widerspruchs keiner Vertiefung.
23
d) Indes zieht der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK kein Verwertungsverbot nach sich, das anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht gebieten (BVerfG – Kammer – aaO S. 503 f.; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304; Walter JR 2007, 99, 101; Paulus StV 2003, 57, 58 f.; ferner Burchard JZ 2007, 891, 893 f.). Insoweit stellt sich die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren (vgl. BGHSt 44, 243, 249 m.w.N.; BGH NJW 2007, 2269, 2271, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ) anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Hierdurch werden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt. Die einem Beschuldigten aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK zu erteilende Belehrung ist diesen Belehrungspflichten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich. So knüpft die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK schon nicht an den Beginn der Vernehmung an, sondern es wird allein auf die Inhaftierung abgestellt. Zudem wird durch das Unterrichtungsrecht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK lediglich ein ergänzender Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit geboten, dem in der Haftsituation und unter deren besonderer Berücksichtigung eine allein staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen eingeräumt werden soll. Durch diese standardisierte Rechtsposition wird, wie dargelegt, auch nicht etwa besonders auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit abgestellt. Liegt eine solche vor, ist dem eben nicht etwa durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine geeignete besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweigerechts und des Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung (vgl. BGHSt 42, 15). Den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Ver- teidigungsstandards zugute. An eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. IGH – „LaGrand“ – aaO S. 494), das zwar beachtlich ist, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstellt, ist danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.
24
e) Jedoch erachtet der Senat es für angezeigt, die Rechtsverletzung zu kompensieren.
25
Trotz Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots darf der festzustellende Verstoß gegen die völkerrechtlich verankerte Unterrichtungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK grundsätzlich nicht folgenlos bleiben. Nach der vom Internationalen Gerichtshof geforderten Auslegung des Art. 36 Abs. 2 zweiter Halbsatz WÜK – die gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist (BVerfG – Kammer – aaO S. 501) – muss es möglich sein, eine effektive Revisibiliät („full effect“, IGH – „La Grand“ – aaO S. 498) sicherzustellen. Daraus folgt zum einen, dass das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge des betroffenen ausländischen Angeklagten eine Rechtsverletzung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen hat. Zudem ist zu beachten , dass die Angeklagten S. und D. in ihren persönlichen und prozessualen Rechten verletzt worden sind und die – dem deutschen Revisionsverfahren ohnehin fremde – alleinige Feststellung der Rechtsverletzung dies nicht stets angemessen auszugleichen vermag. Ähnlich wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung im Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07) und im Fall der Verleitung einer unverdächtigen und zunächst nicht tatgeneigten Person zu einer Straftat durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise (BGHSt 45, 321; 47, 44, 52) liegt ein Grund für eine Kompensation vor (vgl. hierzu Simma aaO S. 432). Damit wird sichergestellt, dass der Verletzte, sofern dies angemessen ist, eine Wiedergutmachung für die von ihm erlittene Beeinträchtigung seiner Rechtsposition aus Art. 36 WÜK im sachnächsten nationalen Verfahren erhalten kann.
26
Eine derartige Kompensation erscheint jedenfalls dann angezeigt und gar geboten, wenn der betroffene Angeklagte eine erhebliche Bestrafung erfährt und der Verstoß nicht – wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall angesichts alsbald anschließender Belehrung durch den Haftrichter – nur kurzfristig fortgewirkt hat. Beide Voraussetzungen sind vorliegend bei den unmittelbar betroffenen Beschwerdeführern S. und D. erfüllt.
27
f) Der Senat nimmt diese Kompensation nicht – wie die bisherige Rechtsprechung in den genannten Fällen – durch eine Herabsetzung der verhängten Strafe (Strafzumessungslösung) vor, sondern in Form des Ausspruchs , dass ein zahlenmäßig bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Er sieht sich als befugt an, in der vorstehenden Weise zu entscheiden, ohne von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, da bislang nicht entschieden worden ist, in welcher Form die Kompensation einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK und damit die angezeigte effektive Geltendmachung der Verletzung dieses Rechts vorzunehmen ist. Er orientiert sich an der auf eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten „Vollstreckungslösung“ , wie sie der 3. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07 (vgl. auch Basdorf, Tagungsbericht zum Karlsruher Strafrechtsdialog 2007) nunmehr für Fälle überlanger Verfahrensdauer für vorzugswürdig hält. Diese Lösung ist – anders als die Strafzumessungslösung – nicht mit dem Widerspruch behaftet, durch eine Reduktion der schuldangemessenen Strafe Verfahrensfehler der Strafverfolgungsbehörden, die mit der Schuld des Angeklagten in keiner Beziehung stehen, hiermit in Korrelation zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 83/07, zur Veröffentlichung in BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 fair-trail 5 bestimmt). Sie entspricht vielmehr dem objektiv orientierten Modell des § 51 StGB. Damit ist auch eine höhere Transparenz der Rechtsfolgenentscheidung in dem Sinne gewährleistet, dass die Tatschuld im Strafausspruch zutreffend ausgewiesen wird und in dieser Weise unvermindert bei späteren Entscheidungen berücksichtigt werden kann.
28
Die neue Fallkonstellation erlaubt eine solche abweichende Methodik selbst für den Fall, dass sie sich – entgegen der Auffassung auch des 5. Strafsenats – bei auf überlanger Verfahrensdauer beruhenden Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht durchsetzen sollte. Jene Fälle haben einen weit größeren Anwendungsbereich und betreffen – im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation mit regelmäßig nicht übermäßig schwerwiegenden Verstößen – Fälle unterschiedlichsten Gewichts mit einem ganz individuell zu bemessenden Ausmaß einer gebotenen Kompensation.
29
Die neue, vorliegend vom Senat bereits angewendete Methodik hat überdies den Vorteil, dass eine effektive Revisibilität auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten zugute kommt, abweichend von der Lösung über die Strafzumessung, deren insoweit negative Konsequenz von der Rechtsprechung freilich gebilligt worden ist (BVerfG – Kammer – NStZ 2006, 680; BGH NStZ 2006, 346). So wird infolge der „Vollstreckungslösung“ hier der Angeklagte S. durch eine bezifferte Anrechnung eines als verbüßt geltenden Teils der Strafe analog § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB den Zeitpunkt der Mindestverbüßung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB früher erreichen.
30
Der Senat lässt offen, ob in Fällen geringerer Schwere eine mittels Anwendung des nationalen Rechts mögliche Kompensation auch auf andere Weise, etwa durch Gewährung einer Entschädigung in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder durch Kostennachlass, etwa analog § 465 Abs. 2 StPO, in Betracht zu ziehen wäre. Bei Strafen geringeren Gewichts und im Falle der späteren Heilung des Verfahrensverstoßes durch alsbald nachgeholte Belehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Sep- tember 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) mag eine Kompensation gänzlich entbehrlich sein.
31
g) Der Senat bestimmt das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe angesichts des jeweiligen Gewichts des Verstoßes und seiner Auswirkungen sowie der jeweiligen Tatvorwürfe bei beiden Beschwerdeführern jeweils mit sechs Monaten.
32
2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2001 sowie die Revision des Angeklagten D. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. November 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
33
3. Irgendeine Herabsetzung oder weitergehende partielle Kompensation der gegen die Angeklagten S. , F. , Sa. und D. verhängten Strafen unter dem Gesichtspunkt der besonders langen Verfahrensdauer ist nicht vorzunehmen. Der Senat vermag eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu konstatieren.
34
a) Soweit es etwa um die Behandlung der beiden Sachen zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerden und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 gehen kann, neigt der Senat zu der Ansicht, dass einem Gericht grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet ist, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen , wenn nicht etwa dieses Gericht entsprechende Hinweise gegeben hat. Dies dürfte bereits aus der Verfassung des Gesamtgefüges der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland folgen und findet zumindest seine verfahrenspraktische Bestätigung darin, dass dem Gericht geringeren Ranges Kenntnisse zum erfolgten Verfahrensgang beim höherrangigen Gericht fehlen.
35
b) Die Behandlung der Sachen beim Senat war nicht verzögerlich. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 ist beim Senat am 26. Oktober 2006 eingegangen. Auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 116/01) und vom 18. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 475/02) haben die Verfahrensbeteiligten bis zum 7. März 2007 Stellung genommen. Die gegen den Vorsitzenden, den Berichterstatter und ein weiteres Senatsmitglied gerichteten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. vom 17. Januar 2007 hat der Senat nach den gebotenen Anhörungen durch Beschluss vom 11. April 2007 zurückgewiesen. Darin, dass das Revisionsgericht in seiner sich erst aus jener Senatsentscheidung ergebenden Besetzung nicht schon früher entschieden hat, liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. zudem zur fehlenden Rechtsstaatswidrigkeit längerer Verfahrensdauer in umfänglichen und schwierigen Verfahren BGH NJW 2007, 853, 857).
36
c) Eine solche Verfahrensverzögerung findet sich auch nicht etwa darin , dass das Bundesverfassungsgericht hier zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben hat, wodurch ein weiterer fast ein Jahr währender Verfahrensgang vor dem Bundesgerichtshof notwendig geworden ist. Anzuknüpfen ist an das Urteil des 3. Strafsenats vom 7. Februar 2006 – 3 StR 460/98 (NJW 2006, 1529), wonach eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht allein deshalb vorliegt, weil das Revisionsgericht zur Korrektur eines dem Tatrichter unterlaufenen – nicht eklatanten – Rechtsfehlers dessen Urteil aufheben und die Sache zu neuer – zeitaufwändiger – Bearbeitung an die Vorinstanz zurückverweisen muss; denn solcher Verfahrensgang ist Ausfluss eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems. Die Grundsätze dieses Urteils, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, sind auf die vorliegende Konstellation der Aufhebung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht sinngemäß zu übertragen. Als eklatante Gesetzesverletzung, die eine abweichende Beurteilung erfordern könnte (vgl. BGH aaO S. 1532 m.w.N.), wertet der Senat sei- ne erste, nunmehr freilich nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu revidierende Entscheidung nicht.
37
4. Der Teilerfolg, den die Angeklagten S. und D. auf ihre unbeschränkten Revisionen mit der Anrechnung von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf die verbüßten Strafen erzielen, ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.

III.


38
Auf die Revision des Angeklagten T. ist das Verfahren einzustellen. Dieser Angeklagte ist am 7. September 2004 verstorben. Da das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 7. November 2001 auch betreffend den Angeklagten T. aufgehoben hat, stellt der Senat das Verfahren insoweit nach § 206a Abs. 1 StPO ein (vgl. BGHSt 45, 108).
39
Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.
Basdorf RiBGH Häger ist erkrankt Gerhardt und daher verhindert zu unterschreiben Basdorf Brause Schaal

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
WÜK Art. 36
1. Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit
gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens
(WÜK) über sein subjektives Recht, die
unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung
zu verlangen, sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme
verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499 unter Aufhebung
von BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1).
2. Das Unterbleiben der gebotenen Belehrung über das Recht auf
konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK
führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.
3. Die Rechtsverletzung kann jedoch zu einer Kompensation derart
führen, dass ein bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe
als verbüßt anzurechnen ist.
BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 5 StR 116/01
5 StR 475/02
LG Braunschweig
LG Hamburg –
5 StR 475/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. September 2007
in den Strafsachen
I. gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Mordes u. a.
II. gegen
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007

beschlossen:
1. Die Verfahren 5 StR 116/01 und 5 StR 475/02 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. Juli 2000 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, die Revision des Angeklagten S. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass von der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
Jeder dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, die Angeklagten S. , F. und Sa. zudem die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Revision des Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. April 2002 wird auf Kosten des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
4. Das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten T. wird nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt.
Insofern fallen die Auslagen der Staatskasse dieser zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e

A


1
Die vorliegende Entscheidung ergeht in zwei zu verbindenden Verfahren jeweils im zweiten Verfahrensdurchgang, nachdem das Bundesverfassungsgericht in beiden Verfahren – nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene – Beschlüsse des Senates aufgehoben hat.

I.


2
Das Landgericht Braunschweig hat am 5. Juli 2000 den Angeklagten S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten F. und Sa. sowie den inzwischen verstorbenen T. hat es wegen Anstiftung zum Mord sowie wegen Nötigung, die Angeklagten F. und T. darüber hinaus wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Nötigung und den Angeklagten Sa. zudem wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Betreffend die Angeklagten F. , Sa. und T. hat das Landgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
3
Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten S. (türkischer Staatsangehöriger ), F. (deutscher Staatsangehöriger), Sa. und T. (beide serbisch-montenegrinische Staatsangehörige) mit der Verfahrensrüge beanstandet, dass der damals vorläufig festgenommene Beschuldigte S. vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl II 1969 S. 1585) belehrt worden sei.
4
Der Senat hat durch Beschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1, StV 2003, 57 m. Anm.
Paulus) die Revisionen der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

II.


5
Das Landgericht Hamburg hat am 5. April 2002 den Angeklagten D. wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
6
Der Angeklagte D. (türkischer Staatsangehöriger) hat im Rahmen seiner Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung nicht gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sei.
7
Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – die Revision des Angeklagten D. nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III.


8
Das Bundesverfassungsgericht – 1. Kammer des Zweiten Senats – hat durch Beschluss vom 19. September 2006 (NJW 2007, 499, m. Bespr. Walter JR 2007, 99 und Kreß GA 2007, 296 sowie Anm. Burchard JZ 2007, 891) die Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Angeklagten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, die Beschlüsse des Senats vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – betreffend die Beschwerdeführer wegen deren Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) aufgehoben und die Sachen insoweit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

B


9
Danach hat der Senat über die Revisionen aller Angeklagten erneut zu entscheiden.

I.


10
Dies kann im Beschlusswege erfolgen.
11
1. Über die Revisionen der Angeklagten S. , F. , Sa. und D. kann im Verfahren nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO befunden werden.
12
Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 sind beide Verfahren in denjenigen Stand zurückversetzt worden, den sie vor dem Senatsbeschluss vom 7. November 2001 – 5 StR 116/01 – und demjenigen vom 29. Januar 2003 – 5 StR 475/02 – hatten. Soweit durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsfragen der Wirkung eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK – hierauf konzentriert und auf die in Betracht kommenden Gesichtspunkte hinweisend – zur erneuten Entscheidung gestellt sind, haben der Generalbundesanwalt mit seinen Antragsschriften vom 12. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 116/01 und vom 18. Dezember 2006 in der Sache 5 StR 475/02 sowie die Verteidiger aller Angeklagten und der Vertreter der Nebenkläger Stellung genommen.
13
Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist auch nicht deshalb ausgeschlossen , weil zur erneuten Senatsentscheidung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt. Die hiernach unter notwendig revidierter Sicht erneut zu entscheidende Frage ist eng begrenzt und von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich ausführlich behandelt worden. Sie ist auch unter Berücksichtigung der veränderten Vorgaben aus Sicht des Senats letzt- lich eindeutig zu beantworten. In der nach § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO geforderten Einstimmigkeit, bei § 349 Abs. 2 StPO zudem im notwendigen Einklang mit dem Ergebnis des Antrags des Generalbundesanwalts finden sich ausreichende Korrektive (vgl. auch BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Es ist daran zu erinnern, dass auch sonst höchstrichterlich umstrittene Fragen (§ 132 Abs. 2 GVG) und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG) durch Beschluss entschieden werden können (§ 138 Abs. 1 Satz 2 GVG) und regelmäßig in dieser Verfahrensweise entschieden werden, ohne dass den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme auch in einer Hauptverhandlung gegeben würde.
14
2. Die Entscheidung betreffend den verstorbenen Angeklagten T. hat nach § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss zu erfolgen.

II.


15
Die Revisionen der Angeklagten S. und D. sind weitgehend, die der Angeklagten F. und Sa. in vollem Umfang unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
16
1. Soweit die Revisionen jeweils mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen, führt dies lediglich zu einem geringen Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten S. und D. .
17
a) Allerdings liegt in jedem der beiden Fälle eine Gesetzesverletzung darin, dass der Angeklagte S. und der Angeklagte D. jeweils nach ihrer Festnahme nicht durch die Polizeibeamten über ihre Rechte gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK belehrt worden sind.
18
Die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei sind Vertragsstaaten des genannten Übereinkommens (BGBl II 1969 S. 1585, 1671).
19
Zur Belehrung eines Festgenommenen mit fremder Staatsangehörigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK über sein subjektives Recht, die unverzügliche Benachrichtigung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen , sind bereits die Polizeibeamten nach Festnahme verpflichtet (BVerfG – Kammer – NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf IGH, Urteil vom 27. Juni 2001, ICJ-Reports 2001, 464 – „LaGrand“ – [Übersetzung in EuGRZ 2001, 287] sowie vom 31. März 2004, ILM 43 [2004], 581 – „Avena“). Die durch den Senat vormals vorgenommene, an den nationalen Konkretisierungen im Haftrecht nach Art. 104 GG, §§ 115, 115a, 128 StPO orientierte Auslegung, welche die Pflicht auf den Richter beschränkt (BGHR WÜK Art. 36 Unterrichtung 1), erweist sich danach als zu eng und ist ausdrücklich zu revidieren. Die Belehrungspflicht knüpft – standardisiert – an die fremde Staatsangehörigkeit des Beschuldigten und an seine Festnahmesituation an. Sie gilt also auch für den Fall, dass der Beschuldigte seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Eine darüber hinausgehende ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit ist nicht Voraussetzung für die sich aus Völkervertragsrecht im Range eines Bundesgesetzes ergebende Belehrungspflicht. Ebenso führt bei einem Beschuldigten, der nicht ausländischer Angehöriger eines Vertragsstaats des Wiener Übereinkommens ist, eine gleichgeartete besondere Hilflosigkeit in der Festnahmesituation nicht zu hieraus abzuleitenden entsprechenden Unterstützungspflichten.
20
Damit ist festzustellen, dass die Angeklagten D. und S. durch die unterbliebene Belehrung seitens der Polizeibeamten, die ihre erste Vernehmung durchgeführt haben, in ihren subjektiven Rechten auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte in der Haftsituation verletzt worden sind. Ein Beruhen der Beweiswürdigung in den angefochtenen Urteilen auf den Ergebnissen der in dieser Situation erfolgten Vernehmungen kann der Senat nicht ausschließen, wenn sie auch in beiden Fällen eher fernliegen mag.
21
b) Die Mitangeklagten des Angeklagten S. , die Beschwerdeführer Sa. (serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger) und F. (deutscher Staatsangehöriger), können aus dieser Verletzung des subjektiven Rechts ihres Mitbeschuldigten für sich von vornherein keine Verletzung eigener Verfahrensrechte herleiten. Die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK knüpft individuell an fremde Staatsangehörigkeit und Festnahmesituation des unmittelbar betroffenen Beschuldigten an. Seine Verletzung berührt noch weniger als eine Verletzung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO (vgl. dazu BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; vgl. auch Nack StraFo 1998, 366, 372 f.) den Rechtskreis eines Mitbeschuldigten. Grundlegende generelle Belange der Prozessordnungsmäßigkeit des Verfahrens, die eine abweichende Betrachtung veranlassen könnten (vgl. BGHSt 33, 148, 154 m.w.N.), sind nicht berührt. Bei dieser Sachlage bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob als Ergebnis der maßgeblichen Abwägung zwischen den Belangen rechtsstaatlich geforderter Wahrheitsfindung und effektiver Wahrung unverletzlicher Verfahrenspositionen schon die bislang vom Bundesgerichtshof anerkannten Drittwirkungen – namentlich bei so persönlich geprägten Rechtspositionen wie denen aus dem Bereich des § 52 StPO – als eher zu weitgehend angesehen werden müssen.
22
c) Die von den Verstößen gegen die Belehrungspflicht selbst betroffenen Beschwerdeführer S. und D. sind mit revisionsrechtlichen Beanstandungen gegen eine Verletzung des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK nicht etwa in Ermangelung eines Widerspruchs ausgeschlossen. Sie haben in ihren Revisionsbegründungen jeweils vorgetragen, dass sie in der Hauptverhandlung bis zu dem in § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt Widerspruch gegen die Verwertung ihrer Angaben in den Beschuldigtenvernehmungen, für die sie eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK geltend machen können, erhoben haben (hervorgehoben von BVerfG – Kammer – aaO S. 500; vgl. zum Widerspruchserfordernis BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Aller- dings erfolgte dieser Widerspruch „generell“ (S. ) bzw. bezogen auf ganz andere, nicht durchgreifende Verfahrensbeanstandungen nach §§ 136, 137 StPO (D. ). Dies wird den Erfordernissen eines spezifizierten Widerspruchs , wie ihn der 1. Strafsenat in seinem Beschluss vom 11. September 2007 in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Widerspruchslösung“ verlangt hat, nicht gerecht. Das bleibt aber vorliegend für die unmittelbar von dem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK betroffenen Beschwerdeführer S. und D. unschädlich. Denn anders als in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall ist die in Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK vorgesehene Belehrung hier in beiden Fällen nie nachgeholt, der Verstoß mithin nicht später geheilt worden. Unter diesen Voraussetzungen sieht sich der Senat nach den maßgeblich zu beachtenden Grundsätzen des „LaGrand“-Urteils des Internationalen Gerichtshofs (BVerfG – Kammer – aaO S. 501 ff.) außerstande, den im Fall der Heilung erwägenswerten, vom 1. Strafsenat verlangten spezifizierten Widerspruch als Rügevoraussetzung zu fordern. Denn der Internationale Gerichtshof hatte einen Ausschluss der Revisibilität („review und reconsideration“) einer Verletzung dieses Rechts mangels rechtzeitiger Erhebung von nach nationalem Recht verlangten Einwänden – dort betreffend die USamerikanische „procedural default rule“ – jedenfalls dann als Verstoß gegen Art. 36 Abs. 2 WÜK betrachtet und deswegen missbilligt, wenn die Unterrichtung über das sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK ergebende Recht solange nicht erfolgte, wie diese Einwände prozessrechtlich hätten erhoben werden müssen (IGH – „LaGrand“ – aaO S. 497 sowie – „Avena“ – aaO S. 613; vgl. hierzu auch Simma in Festschrift für Tomuschat S. 423, 428 ff.). Ob ohne Heilung des Verstoßes jeglicher Widerspruch entbehrlich wäre, bedarf angesichts des hier jeweils generell erfolgten Widerspruchs keiner Vertiefung.
23
d) Indes zieht der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK kein Verwertungsverbot nach sich, das anzunehmen Völker- oder Verfassungsrecht nicht gebieten (BVerfG – Kammer – aaO S. 503 f.; vgl. auch Kreß GA 2007, 296, 304; Walter JR 2007, 99, 101; Paulus StV 2003, 57, 58 f.; ferner Burchard JZ 2007, 891, 893 f.). Insoweit stellt sich die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und von wesentlichen Belangen der Urteilsfindung im Strafverfahren (vgl. BGHSt 44, 243, 249 m.w.N.; BGH NJW 2007, 2269, 2271, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ) anders dar als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultationsrecht. Hierdurch werden die wesentlichen Rechte des Beschuldigten auf Selbstbelastungsfreiheit und effektive Verteidigung unmittelbar bezogen auf die Vernehmungssituation zentral geschützt. Die einem Beschuldigten aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK zu erteilende Belehrung ist diesen Belehrungspflichten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und – was für die Annahme eines Verwertungsverbots wesentlich sein kann – hinsichtlich ihrer Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des Beschuldigten nicht ausreichend ähnlich. So knüpft die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK schon nicht an den Beginn der Vernehmung an, sondern es wird allein auf die Inhaftierung abgestellt. Zudem wird durch das Unterrichtungsrecht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK lediglich ein ergänzender Schutz für jeden inhaftierten Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit geboten, dem in der Haftsituation und unter deren besonderer Berücksichtigung eine allein staatsangehörigkeitsbezogene weitergehende Verbesserung seiner Verteidigungschancen eingeräumt werden soll. Durch diese standardisierte Rechtsposition wird, wie dargelegt, auch nicht etwa besonders auf eine mögliche ausländerspezifische Hilflosigkeit abgestellt. Liegt eine solche vor, ist dem eben nicht etwa durch eine hervorgehobene Bewertung oder weitergehende Ausgestaltung der Rechte aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK Rechnung zu tragen, sondern durch eine geeignete besondere Rücksicht auf die Wahrnehmung des Schweigerechts und des Verteidigerkonsultationsrechts, insbesondere bei der Ausgestaltung der nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Belehrung (vgl. BGHSt 42, 15). Den betroffenen ausländischen Beschuldigten kommen sonst unvermindert sämtliche rechtsstaatlichen Ver- teidigungsstandards zugute. An eine Verletzung des subjektiven Rechts aus Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. IGH – „LaGrand“ – aaO S. 494), das zwar beachtlich ist, indes ein für die Ausgestaltung der Verteidigung nicht zentrales pauschales Sonderrecht darstellt, ist danach, anders als bei § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglich, kein Beweisverwertungsverbot zu knüpfen.
24
e) Jedoch erachtet der Senat es für angezeigt, die Rechtsverletzung zu kompensieren.
25
Trotz Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots darf der festzustellende Verstoß gegen die völkerrechtlich verankerte Unterrichtungspflicht aus Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK grundsätzlich nicht folgenlos bleiben. Nach der vom Internationalen Gerichtshof geforderten Auslegung des Art. 36 Abs. 2 zweiter Halbsatz WÜK – die gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist (BVerfG – Kammer – aaO S. 501) – muss es möglich sein, eine effektive Revisibiliät („full effect“, IGH – „La Grand“ – aaO S. 498) sicherzustellen. Daraus folgt zum einen, dass das Revisionsgericht auf eine Verfahrensrüge des betroffenen ausländischen Angeklagten eine Rechtsverletzung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen hat. Zudem ist zu beachten , dass die Angeklagten S. und D. in ihren persönlichen und prozessualen Rechten verletzt worden sind und die – dem deutschen Revisionsverfahren ohnehin fremde – alleinige Feststellung der Rechtsverletzung dies nicht stets angemessen auszugleichen vermag. Ähnlich wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung im Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07) und im Fall der Verleitung einer unverdächtigen und zunächst nicht tatgeneigten Person zu einer Straftat durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise (BGHSt 45, 321; 47, 44, 52) liegt ein Grund für eine Kompensation vor (vgl. hierzu Simma aaO S. 432). Damit wird sichergestellt, dass der Verletzte, sofern dies angemessen ist, eine Wiedergutmachung für die von ihm erlittene Beeinträchtigung seiner Rechtsposition aus Art. 36 WÜK im sachnächsten nationalen Verfahren erhalten kann.
26
Eine derartige Kompensation erscheint jedenfalls dann angezeigt und gar geboten, wenn der betroffene Angeklagte eine erhebliche Bestrafung erfährt und der Verstoß nicht – wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall angesichts alsbald anschließender Belehrung durch den Haftrichter – nur kurzfristig fortgewirkt hat. Beide Voraussetzungen sind vorliegend bei den unmittelbar betroffenen Beschwerdeführern S. und D. erfüllt.
27
f) Der Senat nimmt diese Kompensation nicht – wie die bisherige Rechtsprechung in den genannten Fällen – durch eine Herabsetzung der verhängten Strafe (Strafzumessungslösung) vor, sondern in Form des Ausspruchs , dass ein zahlenmäßig bestimmter Teil der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Er sieht sich als befugt an, in der vorstehenden Weise zu entscheiden, ohne von bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, da bislang nicht entschieden worden ist, in welcher Form die Kompensation einer Verletzung von Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK und damit die angezeigte effektive Geltendmachung der Verletzung dieses Rechts vorzunehmen ist. Er orientiert sich an der auf eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gestützten „Vollstreckungslösung“ , wie sie der 3. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 23. August 2007 – 3 StR 50/07 (vgl. auch Basdorf, Tagungsbericht zum Karlsruher Strafrechtsdialog 2007) nunmehr für Fälle überlanger Verfahrensdauer für vorzugswürdig hält. Diese Lösung ist – anders als die Strafzumessungslösung – nicht mit dem Widerspruch behaftet, durch eine Reduktion der schuldangemessenen Strafe Verfahrensfehler der Strafverfolgungsbehörden, die mit der Schuld des Angeklagten in keiner Beziehung stehen, hiermit in Korrelation zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 83/07, zur Veröffentlichung in BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 fair-trail 5 bestimmt). Sie entspricht vielmehr dem objektiv orientierten Modell des § 51 StGB. Damit ist auch eine höhere Transparenz der Rechtsfolgenentscheidung in dem Sinne gewährleistet, dass die Tatschuld im Strafausspruch zutreffend ausgewiesen wird und in dieser Weise unvermindert bei späteren Entscheidungen berücksichtigt werden kann.
28
Die neue Fallkonstellation erlaubt eine solche abweichende Methodik selbst für den Fall, dass sie sich – entgegen der Auffassung auch des 5. Strafsenats – bei auf überlanger Verfahrensdauer beruhenden Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht durchsetzen sollte. Jene Fälle haben einen weit größeren Anwendungsbereich und betreffen – im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Fallkonstellation mit regelmäßig nicht übermäßig schwerwiegenden Verstößen – Fälle unterschiedlichsten Gewichts mit einem ganz individuell zu bemessenden Ausmaß einer gebotenen Kompensation.
29
Die neue, vorliegend vom Senat bereits angewendete Methodik hat überdies den Vorteil, dass eine effektive Revisibilität auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten zugute kommt, abweichend von der Lösung über die Strafzumessung, deren insoweit negative Konsequenz von der Rechtsprechung freilich gebilligt worden ist (BVerfG – Kammer – NStZ 2006, 680; BGH NStZ 2006, 346). So wird infolge der „Vollstreckungslösung“ hier der Angeklagte S. durch eine bezifferte Anrechnung eines als verbüßt geltenden Teils der Strafe analog § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB den Zeitpunkt der Mindestverbüßung nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB früher erreichen.
30
Der Senat lässt offen, ob in Fällen geringerer Schwere eine mittels Anwendung des nationalen Rechts mögliche Kompensation auch auf andere Weise, etwa durch Gewährung einer Entschädigung in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) oder durch Kostennachlass, etwa analog § 465 Abs. 2 StPO, in Betracht zu ziehen wäre. Bei Strafen geringeren Gewichts und im Falle der späteren Heilung des Verfahrensverstoßes durch alsbald nachgeholte Belehrung gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Sep- tember 2007 – 1 StR 273/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) mag eine Kompensation gänzlich entbehrlich sein.
31
g) Der Senat bestimmt das Maß der als vollstreckt geltenden Strafe angesichts des jeweiligen Gewichts des Verstoßes und seiner Auswirkungen sowie der jeweiligen Tatvorwürfe bei beiden Beschwerdeführern jeweils mit sechs Monaten.
32
2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten S. , F. und Sa. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2001 sowie die Revision des Angeklagten D. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 13. November 2002 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
33
3. Irgendeine Herabsetzung oder weitergehende partielle Kompensation der gegen die Angeklagten S. , F. , Sa. und D. verhängten Strafen unter dem Gesichtspunkt der besonders langen Verfahrensdauer ist nicht vorzunehmen. Der Senat vermag eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu konstatieren.
34
a) Soweit es etwa um die Behandlung der beiden Sachen zwischen der Erhebung der Verfassungsbeschwerden und dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 gehen kann, neigt der Senat zu der Ansicht, dass einem Gericht grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet ist, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen , wenn nicht etwa dieses Gericht entsprechende Hinweise gegeben hat. Dies dürfte bereits aus der Verfassung des Gesamtgefüges der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland folgen und findet zumindest seine verfahrenspraktische Bestätigung darin, dass dem Gericht geringeren Ranges Kenntnisse zum erfolgten Verfahrensgang beim höherrangigen Gericht fehlen.
35
b) Die Behandlung der Sachen beim Senat war nicht verzögerlich. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2006 ist beim Senat am 26. Oktober 2006 eingegangen. Auf die Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 116/01) und vom 18. Dezember 2006 (in der Sache 5 StR 475/02) haben die Verfahrensbeteiligten bis zum 7. März 2007 Stellung genommen. Die gegen den Vorsitzenden, den Berichterstatter und ein weiteres Senatsmitglied gerichteten Ablehnungsgesuche des Angeklagten D. vom 17. Januar 2007 hat der Senat nach den gebotenen Anhörungen durch Beschluss vom 11. April 2007 zurückgewiesen. Darin, dass das Revisionsgericht in seiner sich erst aus jener Senatsentscheidung ergebenden Besetzung nicht schon früher entschieden hat, liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (vgl. zudem zur fehlenden Rechtsstaatswidrigkeit längerer Verfahrensdauer in umfänglichen und schwierigen Verfahren BGH NJW 2007, 853, 857).
36
c) Eine solche Verfahrensverzögerung findet sich auch nicht etwa darin , dass das Bundesverfassungsgericht hier zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aufgehoben hat, wodurch ein weiterer fast ein Jahr währender Verfahrensgang vor dem Bundesgerichtshof notwendig geworden ist. Anzuknüpfen ist an das Urteil des 3. Strafsenats vom 7. Februar 2006 – 3 StR 460/98 (NJW 2006, 1529), wonach eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht allein deshalb vorliegt, weil das Revisionsgericht zur Korrektur eines dem Tatrichter unterlaufenen – nicht eklatanten – Rechtsfehlers dessen Urteil aufheben und die Sache zu neuer – zeitaufwändiger – Bearbeitung an die Vorinstanz zurückverweisen muss; denn solcher Verfahrensgang ist Ausfluss eines rechtsstaatlichen Rechtsmittelsystems. Die Grundsätze dieses Urteils, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, sind auf die vorliegende Konstellation der Aufhebung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht sinngemäß zu übertragen. Als eklatante Gesetzesverletzung, die eine abweichende Beurteilung erfordern könnte (vgl. BGH aaO S. 1532 m.w.N.), wertet der Senat sei- ne erste, nunmehr freilich nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zu revidierende Entscheidung nicht.
37
4. Der Teilerfolg, den die Angeklagten S. und D. auf ihre unbeschränkten Revisionen mit der Anrechnung von sechs Monaten Freiheitsstrafe auf die verbüßten Strafen erzielen, ist derart gering, dass es unter den Billigkeitsgesichtspunkten des § 473 Abs. 4 StPO nicht angezeigt erscheint, eine Kostenteilung vorzunehmen.

III.


38
Auf die Revision des Angeklagten T. ist das Verfahren einzustellen. Dieser Angeklagte ist am 7. September 2004 verstorben. Da das Bundesverfassungsgericht den Beschluss des Senats vom 7. November 2001 auch betreffend den Angeklagten T. aufgehoben hat, stellt der Senat das Verfahren insoweit nach § 206a Abs. 1 StPO ein (vgl. BGHSt 45, 108).
39
Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.
Basdorf RiBGH Häger ist erkrankt Gerhardt und daher verhindert zu unterschreiben Basdorf Brause Schaal