Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2014 - 1 StR 631/13

bei uns veröffentlicht am13.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 6 3 1 / 1 3
vom
13. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, des Verteidigers und des Nebenklägervertreters am 13. Februar
2014 beschlossen:
1. Das Verfahren wird eingestellt. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Es wird jedoch davon abgesehen, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Sie ist auch nicht verpflichtet, für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen.

Gründe:

1
Das Landgericht München II hat den Angeklagten am 13. August 2013 wegen Bedrohung in Tatmehrheit mit versuchtem Totschlag zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Während des Verfahrens über die Revision des Angeklagten ist dieser am 6. Januar 2014 verstorben.
2
1. Das Verfahren ist nach § 206a StPO einzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 1999 - 4 StR 595/97, BGHSt 45, 108). Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (BGH, Beschluss vom 5. August 1999 - 4 StR 640/98, BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis

2).

3
2. Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - 5 StR 116/01 Rn. 39, in BGHSt 52, 48 nicht abgedruckt).
Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, weil der Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist. Es wäre deshalb unbillig, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 1999 - 4 StR 595/97, BGHSt 45, 108, 116).
4
a) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung in Tatmehrheit mit versuchtem Totschlag hätte Bestand gehabt, wenn der Angeklagte nicht vor der Entscheidung im Revisionsverfahren verstorben wäre. Die umfassende Nachprüfung des landgerichtlichen Urteils durch den Senat auf die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat zum Schuldspruch keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
5
aa) Der Senat hat bei seiner Entscheidung in den Blick genommen, dass in dieser Sache Termin zur Durchführung einer Revisionshauptverhandlung bestimmt war, bei der noch zusätzliche rechtliche Gesichtspunkte, welche die Erfolgsaussichten der Revision des Angeklagten betreffen konnten, zur Sprache hätten kommen können. Um diese bei der Kostenentscheidung berücksichtigen zu können, hat der Senat den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Mai 2002 - 1 StR 553/01, bei Becker NStZ-RR 2003, 97, 103). Diese haben davon keinen Gebrauch gemacht.
6
bb) Der Senat hat auch berücksichtigt, dass der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 14. November 2013 beantragt hatte, das Urteil des Landgerichts gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben, soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags verurteilt worden ist. Die dort vertretene Auffassung, die Beweiserwägungen des Landgerichts zum Tötungsvorsatz seien nicht tragfähig , teilt der Senat indes nicht:
7
Nach den Urteilsfeststellungen hielt der Angeklagte mit beiden Händen einen Eispickel und schrie mehrfach aufgebracht und lautstark seine Tochter mit den Worten an: „I derschlag di mitm Pickel“. Sodann hob er den Eispickel mit einer ausholenden Bewegung über seinen Kopf und zog ihn sofort in einer fließenden Bewegung ohne zeitliche Verzögerung kraftvoll nach unten in Richtung des Kopfes seiner Tochter, die nur deshalb nicht getroffen wurde, weil der Freund der Tochter, der hinter ihr stand, geistesgegenwärtig mit nahezu gestrecktem Arm den Stiel des Eispickels ergriff und diesen dem Angeklagten entriss. Als der Freund der Tochter den Schlag in der Abwärtsbewegung abfangen konnte, war der Pickelaufsatz nur noch 10 bis 15 Zentimeter vom Kopf der Tochter entfernt. Ausgehend von diesen Feststellungen ist die auf der Grundlage einer Gesamtschau aller bedeutsamen Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten getroffene Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte habe mit Tötungsvorsatz gehandelt, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat auch die organisch bedingte Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und den Umstand, dass der Angeklagte seine Tochter und deren Freund zunächst zum Gehen aufgefordert hatte, in den Blick genommen.
8
b) Ob neben dem Schuldspruch auch der Strafausspruch Bestand gehabt hätte, ist für die Kostenentscheidung ohne Bedeutung. Zwar hängt die Frage, ob der Staatskasse auch die Aufwendungen des Angeklagten auferlegt werden, von den Erfolgsaussichten der von ihm eingelegten Revision ab (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2001 - 1 StR 235/01). Maßgeblich ist insoweit allerdings nicht die Strafzumessung, sondern lediglich, ob - wie hier - der ergangene Schuldspruch Bestand gehabt hätte. Denn bereits dann wäre es unbillig , der Staatskasse die notwendigen Aufwendungen des Angeklagten aufzuer- legen (vgl. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO). Hierfür hätte es sogar genügt, wenn das Verfahren überhaupt nur bis zur Schuldspruchreife geführt worden wäre (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79 u.a., NJW 1987, 2427, 2428 und vom 5. Mai 2001 - 2 BvR 413/00).
9
3. Eine Entschädigung für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen (insbesondere Untersuchungshaft) ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte diese Maßnahmen zumindest grob fahrlässig verursacht hat. Im Übrigen wäre eine Entschädigung auch nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG zu versagen.
10
4. Die Erstattung der den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen kommt bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses - wie hier - nicht in Betracht; in der Beschlussformel ist dies nicht besonders auszusprechen (BGH, Beschluss vom 5. August 1999 - 4 StR 640/98, BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2). Raum Wahl Rothfuß Jäger Cirener

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 5 Ausschluß der Entschädigung


(1) Die Entschädigung ist ausgeschlossen 1. für die erlittene Untersuchungshaft, eine andere Freiheitsentziehung und für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, soweit deren Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt,2. für eine Freiheitsen

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 6 Versagung der Entschädigung


(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte 1. die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

39
Die Kostenentscheidung hat im Fall des Todes des Angeklagten nach denjenigen Grundsätzen zu erfolgen, die bei Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 464 Rdn. 14, § 465 Rdn. 12). Deshalb fallen die Auslagen der Staatskasse dieser nach § 467 Abs. 1 StPO zur Last. Jedoch wird nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Ausla- gen des Angeklagten T. der Staatskasse aufzuerlegen. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass dieser Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 553/01
vom
16. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2002 gemäß § 206a
Abs. 1 StPO beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Es wird jedoch davon abgesehen, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Sie ist auch nicht verpflichtet, erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in sieben tateinheitlichen Fällen – er erschoß im Jahre 1945 als 27-jähriger Offizier der Waffen -SS sieben Häftlinge des Gestapo-Gefängnisses bei Theresienstadt – zu der Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Hiergegen richteten sich die Revision des Angeklagten und die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Der Termin für die am 19. Februar 2002 vorgesehene Revisionshauptverhandlung wurde im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Angeklagten aufgehoben. Der Angeklagte ist am 24. Februar 2002 verstorben. Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne daß es einer Aufhebung bedarf (BGHSt 45, 108; BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2; BGH, Beschlüsse vom
13. Januar 2000 ± 5 StR 604/99; vom 18. April 2000 ± 5 StR 659/99 und vom 10. Juli 2001 ± 1 StR 235/01). Bei der Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO) und über die Entschädigung des Angeklagten für die durchgeführten Strafverfolgungsmaûnahmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG) übt der Senat das ihm vom Gesetz eingeräumte Ermessen dahin aus, daû davon abgesehen wird, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen; sie ist auch nicht verpflichtet, erlittene Strafverfolgungsmaûnahmen zu entschädigen. Das Verfahren wurde in erster Instanz bis zur Schuldspruchreife durchgeführt (vgl. BVerfG NJW 1987, 2427; NJW 1990, 2741; NStZ-RR 1996, 45; Beschluû vom 5. Mai 2001 ± 2 BvR 413/00 ±) und dem Senat lagen die Revisionsbegründungen nebst Erwiderungen sowie die Stellungnahme des Generalbundesanwalts vor. Im Hinblick auf die vorgesehene Revisionshauptverhandlung hat der Senat allerdings berücksichtigt, daû dort noch zusätzliche rechtliche Gesichtspunkte zur Sprache kommen konnten. Darauf durfte insbesondere die Verteidigung bei ihrem schriftlichen Vortrag vertrauen. Da die Revisionshauptverhandlung nicht mehr durchgeführt werden konnte, hat der Senat deshalb den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben, im Hinblick auf die nunmehr zu treffende Entscheidung zu den Erfolgsaussichten der Revisionen Stellung zu nehmen. Nachdem diese Stellungnahmen vorlagen, konnte der Senat die für die revisionsgerichtliche Prüfung maûgeblichen rechtlichen Argumente umfassend prüfen. Die Prüfung ergibt, daû die Revision des Angeklagten keine Aussicht auf Erfolg und die Revision der Staatsanwaltschaft Aussicht auf Erfolg hatte. 1. Die Revision des Angeklagten wäre unbegründet gewesen.

a) Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wurde, der Zeuge L. sei entgegen § 60 Nr. 2 StPO vereidigt worden, hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Ob ± was nicht fern liegt (vgl. BGHSt 1, 391; 2, 20; 2, 234; 4, 113) ± die Vereidigung des Zeugen gegen § 60 Nr. 2 StPO verstoûen hat oder ob das Landgericht die Aussage als unbeeidigt hätte werten und einen entsprechenden Hinweis hätte erteilen müssen, kann offen bleiben, weil der Senat ausschlieûen kann, daû das Urteil auf einem etwa gegebenen Verstoû beruht. Die neuere und inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHSt 45, 164) stellt bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeuge subjektiv die Wahrheit sagt, weniger auf dessen (allgemeine) Glaubwürdigkeit , sondern entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage ab. Das geeignete Instrumentarium dafür, ob der Zeuge subjektiv die Wahrheit sagt, ist insbesondere die Aussageanalyse. Hat der Tatrichter die Zuverlässigkeit der Aussage nach diesen Maûstäben überprüft und hält er sie danach ± ohne der Tatsache der Vereidigung Gewicht beizumessen ± für glaubhaft , so kann das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf der zu Unrecht vorgenommenen Vereidigung ausschlieûen (vgl. BGH NStZ 2000, 546; NStZRR 2001, 18; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Vereidigung 5; BGH, Beschlüsse vom 22. November 2000 ± 1 StR 375/00 ± und vom 26. November 2001 ± 5 StR 54/01 ±). So liegt es hier. Das Landgericht hat an keiner Stelle des Urteils die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen L. mit der Tatsache der Vereidigung begründet. Es hat vielmehr allein den Aussageinhalt gewürdigt, einen Irrtum und eine Beeinflussung durch ein Falschbelastungsmotiv ausgeschlossen und zudem auf die Verflechtung der Aussage mit anderen Tatsachen ab-
gestellt. Es spricht folglich nichts dafür, daû die Nichtvereidigung des Zeugen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
b) Die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsbegründung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Das Landgericht hat insbesondere seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen L. nicht nur rechtsfehlerfrei, sondern sorgfältig, kompetent und überzeugend dargelegt. 2. Die Strafmaûrevision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe richtete, hatte Aussicht auf Erfolg. Dazu verweist der Senat auf sein Urteil vom 21. Februar 2002 (1 StR 538/01). 3. Im Hinblick auf die so zu beurteilenden Erfolgsaussichten der Revisionen hält es der Senat für billig, davon abzusehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen; sie ist auch nicht verpflichtet , erlittene Strafverfolgungsmaûnahmen zu entschädigen. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 235/01
vom
10. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2001 gemäß § 206 a
Abs. 1 StPO beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Es wird jedoch davon abgesehen, ihr die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Sie ist auch nicht verpflichtet, erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen.

Gründe:


Das Landgericht Tübingen hat den Angeklagten am 31. Januar 2001 wegen Raubes zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Nach Einlegung der Revision verstarb der Angeklagte.
Das Verfahren ist gemäß § 206 a Abs. 1 StPO einzustellen (BGH NJW 1999, 3644). Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne daß es einer Aufhebung bedarf (BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, die Entscheidung über die notwendigen Auslagen auf § 467 Abs. 3 Satz 2 StPO. Erfolgsaussichten des Rechtsmittels sind nicht erkennbar. Es wäre deshalb unbillig, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.
Eine Entschädigung für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen (insbesondere Untersuchungshaft) ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG bereits
deshalb ausgeschlossen, weil er diese Maßnahmen zumindest grob fahrlässig verursacht hat. Im übrigen wäre eine Entschädigung auch nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG zu versagen.
Schäfer Nack Boetticher Hebenstreit Schaal

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Entschädigung ist ausgeschlossen

1.
für die erlittene Untersuchungshaft, eine andere Freiheitsentziehung und für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, soweit deren Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt,
2.
für eine Freiheitsentziehung, wenn eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet oder von einer solchen Anordnung nur deshalb abgesehen worden ist, weil der Zweck der Maßregel bereits durch die Freiheitsentziehung erreicht ist,
3.
für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und das vorläufige Berufsverbot, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis oder das Berufsverbot endgültig angeordnet oder von einer solchen Anordnung nur deshalb abgesehen worden ist, weil ihre Voraussetzungen nicht mehr vorlagen,
4.
für die Beschlagnahme und den Vermögensarrest (§§ 111b bis 111h der Strafprozeßordnung), wenn die Einziehung einer Sache angeordnet ist.

(2) Die Entschädigung ist auch ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Die Entschädigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Beschuldigte sich darauf beschränkt hat, nicht zur Sache auszusagen, oder daß er unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen.

(3) Die Entschädigung ist ferner ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch schuldhaft verursacht hat, daß er einer ordnungsgemäßen Ladung vor den Richter nicht Folge geleistet oder einer Anweisung nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 3 der Strafprozeßordnung zuwidergehandelt hat.

(1) Die Entschädigung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte

1.
die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat oder weil ein Verfahrenshindernis bestand.

(2) Die Entschädigung für eine Freiheitsentziehung kann ferner ganz oder teilweise versagt werden, wenn das Gericht die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften anwendet und hierbei eine erlittene Freiheitsentziehung berücksichtigt.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.