Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2011 - 4 StR 52/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) soweit er wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) im Strafausspruch. 2. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen (besonders) schweren Raubes (qualifiziert nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen von sechs Jahren und zehn Monaten (S. ) bzw. drei Jahren und sechs Monaten (C. ) verurteilt; hinsichtlich des Angeklagten S. hat es außerdem eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten des durch die letztgenannte Tat Geschädigten getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; wobei sich der Revisionsangriff des Angeklagten C. , wie sich aus dem Revisionsantrag und der Begründung ergibt, auf die Verurteilung wegen versuchten Totschlags beschränkt.
- 2
- Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg ; die weiter gehende Revision des Angeklagten S. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 3
- Die Verurteilungen der Angeklagten wegen versuchten Totschlags halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 4
- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wollten die Angeklagten unter Einsatz eines Springmessers einen zufällig vorbeikommenden Passanten berauben. In Ausführung dieses Plans fiel der Angeklagte S. den Zeugen R. mit einer Art Karatesprung an. Es entwickelte sich zwischen beiden ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Angeklagte S. dem Zeugen mit bedingtem Tötungsvorsatz je zwei kräftig geführte Messerstiche in die Brust und in den Beckenraum versetzte. Der Angeklagte C. , der den Überfall beobachtet und mit seinem Butterflymesser spielend abgesichert hatte, forderte den Mitangeklagten mehrfach auf, zu ihm zu kommen. Beide verließen sodann den Tatort, ohne den Zeugen zu berauben. Der Zeuge setzte zunächst seinen Weg fort, da er die Stiche nur als Schläge wahrgenommen hatte, musste sich dann aber mit Hilfe des Rettungsdienstes wegen der abstrakt lebensgefährlichen Verletzungen in stationäre Krankenhausbehandlung begeben.
- 5
- 2. Die Verurteilung des Angeklagten S. wegen versuchten Totschlags hat keinen Bestand.
- 6
- Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte , als er dem Zeugen die wuchtigen Messerstiche versetzte (UA 11, 12). Es hat aber zur Frage eines strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch lediglich ausgeführt, dass ein solcher ausscheide, "da der Versuch beendet war und der bloße Abbruch der Tathandlung deshalb für einen strafbefreienden Rücktritt nicht genügt" (UA 14).
- 7
- Diese Begründung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts kommt es darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 298; Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 m.w.N.). Ein beendeter Versuch ist ferner auch dann anzunehmen, wenn ein Täter sich nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306).
- 8
- Mit der Frage des Rücktrittshorizonts hat sich das Landgericht gar nicht befasst. Dabei hätte es entsprechender Darlegungen hier umso mehr bedurft, als das Opfer trotz der Stichverletzungen nicht zu Boden gegangen war und zunächst seinen Weg fortsetzen konnte. Auch dafür, dass sich der Angeklagte nach dem Zustechen keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns gemacht hat, geben die bisherigen Feststellungen keinen hinreichenden Anhalt.
- 9
- Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung des Angeklagten wegen der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen R. (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; vgl. auch KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 12).
- 10
- 3. Hinsichtlich des Angeklagten C. belegen, wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, die Feststellungen lediglich, dass er sich der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5, § 25 Abs. 2 StGB, nicht jedoch auch eines versuchten Totschlags schuldig gemacht hat.
- 11
- Jeder Mittäter haftet für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes; er ist also für den Taterfolg nur insoweit verantwortlich , als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt; Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, werden jedoch vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32; Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09).
- 12
- Nach den Feststellungen wusste der Angeklagte C. zwar, dass bei dem Raubüberfall auf einen Passanten ein Messer zum Einsatz kommen sollte (UA 7). Dass er auch eine Tötung des Opfers billigend in Kauf genommen hat, ist aber nicht belegt. Dagegen spricht im Übrigen schon, dass er, als er sah, mit welcher Wucht der Mitangeklagte zustach, diesen mehrfach aufforderte, zu ihm zu kommen, sich also von dem Geschädigten zu entfernen. Das Vorgehen des Mitangeklagten überstieg in seiner Schwere und Gefährlichkeit den gemeinsamen Tatplan so erheblich, dass er als wesentliche Abweichung anzusehen ist, mit der der Angeklagte nicht rechnen musste.
- 13
- Da nicht zu erwarten ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die einen bedingten Tötungsvorsatz belegen, stellt der Senat den Schuldspruch insoweit um.
II.
- 14
- Die Teilaufhebung bzw. Abänderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.
Franke Mutzbauer
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(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.