Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2016 - 2 StR 19/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:010916B2STR19.16.0
bei uns veröffentlicht am01.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 19/16
vom
1. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. Beihilfe zum versuchten Mord u.a.
zu 2. bis 4. versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:010916B2STR19.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 3 auf dessen Antrag, und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 1. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Dezember 2014, soweit sie im Fall II.B. der Urteilsgründe verurteilt wurden, und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe für den Angeklagten A. D. jeweils mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten A. D. wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. D. wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die Angeklagten S. D. und H. hat es jeweils wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten S.
D. zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten, den Angeklagten H. zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten. Den Angeklagten A. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es im Adhäsionsverfahren festgestellt, dass die Angeklagten als Gesamtschuldner dem Adhäsionskläger T. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet sind. Im Übrigen hat es von einer Entscheidung über die Anträge im Adhäsionsverfahren abgesehen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge, die Rechtsmittel der Angeklagten A. und S. D. sowie H. auch mit einer Verfahrensrüge. Die Rechtsmittel haben aufgrund der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Der Angeklagte A. D. benutzte oft den Bürgersteig vor der Doppelgarage des Zeugen Dr. J. zum Abstellen seines Fahrzeugs. Diese Garage wurde von Dr. J. zwar nur zum Abstellen von Motorrädern oder Gegenständen genutzt. Er ärgerte sich jedoch stets, wenn er das Fahrzeug des A. D. davor abgestellt antraf. Mehrfach kam es deshalb zu verbalen Auseinandersetzungen. Am 7. Oktober 2013 wollte der Zeuge Dr. J. einen Reifenwechsel an seinem Pkw in der Werkstatt durchführen lassen. Er holte dazu die Winterreifen aus der Garage und brachte später die Sommerreifen dorthin zurück. Beide Male stand das Fahrzeug des A. D. vor seiner Garage. Bei seiner Rückkehr vom Reifenwechsel hielt sich A. D. bei seinem Fahrzeug auf. Dr. J. schrie ihn an, er solle sein Auto wegfahren, sonst werde er ihm „eine reinhauen“. A. D. nahm darauf einen Dreh- momentschlüssel vom Beifahrersitz seines Fahrzeugs und hielt diesen Dr. J. drohend entgegen. Als sich zwei Passantinnen näherten, drehte sich A. D. um und begab sich zu seinem Fahrzeug. Dr. J. glaubte daher , der Streit sei beendet. Als er A. D. den Rücken zuwandte, erkannte dieser eine Gelegenheit zum Angriff. Dabei war ihm nicht bekannt, dass Dr. J. über Kampfsporterfahrung verfügte. Als sich A. D. unmittelbar hinter Dr. J. befand und zum Schlag mit dem Drehmomentschlüssel ausholte, drehte sich der Angegriffene um und hob die Arme zur Abwehr des Schlages. Deshalb traf ihn der auf den Kopf gezielte Hieb nur am Unterarm. A. D. versuchte nach einem Gerangel erneut auf Dr. J. einzuschlagen. Dieser trug Abwehrverletzungen und eine Platzwunde am Kopf davon. Er schlug jedoch den Angreifer ins Gesicht und konnte ihn danach zu Boden ringen.
4
b) Der Angeklagte A. D. empfand den Ausgang des Kampfes mit Dr. J. als Schmach. Er wollte sich dafür rächen. Im Bekanntenkreis erzählte er einer Vielzahl von Personen, dass er grundlos von einem gefährlichen Kampfsportler verprügelt worden sei und sann auf Rache. Zuerst kundschaftete er die Wohnadresse des Zeugen aus. Dann beobachtete er, dass Dr. J. am Sonntagmorgen bei einem Bäcker in der Nähe Brötchen zu kaufen pflegte. Bei dieser Beobachtung trug Dr. J. eine Baseballmütze. Die Informationen wurden von A. D. an S. D. und von diesem an H. weitergegeben. Bei Gesprächen im Bekanntenkreis entstand der Plan, den Zeugen Dr. J. auf seinem Weg zum Bäcker vor der nahegelegenen Aula der E. -Schule zu überfallen, wo sich ein Umlaufgitter vor einem Fußweg zur nächsten Straße befand. Weil Dr. J. als gefährlicher Kampfsportler galt, sollte er von mehreren Angreifern überraschend niedergeschlagen werden. Dazu sollten Schlagwerkzeuge mitgeführt werden. A. D. sollte sich an dem eigentlichen Tatgeschehen nicht beteiligen, um ein Wiedererkennen zu verhin- dern. „Es wurde nicht besprochen, dass der Kopfbereich des Tatopfers von den Schlägen mit den Schlagwerkzeugen ausgenommen werden sollte. Ebenso wenig wurde besprochen, die Tätlichkeiten einzustellen, sobald das Opfer auf dem Boden lag. Den Beteiligten war bewusst, dass die Tat für das Tatopfer tödlich enden könnte, dies nahmen sie jedoch billigend in Kauf“.
5
Der Angeklagte A. D. bat auch den Angeklagten A. darum, sich als Fahrer eines Fluchtfahrzeugs zur Verfügung zu stellen, der sich nach anfänglichem Widerstreben dazu bereit erklärte.
6
In der Nacht vom 19. zum 20. Oktober 2013 trank H. bei einem Diskothekenbummel erhebliche Mengen Alkohol. Er war am anderen Morgen angetrunken , gleichwohl erschien er am Tatort. Der Angeklagte S. D. traf dort kurz vor 7.30 Uhr ein. Weitere Personen aus dem Bekanntenkreis des Angeklagten A. D. hielten sich in der Umgebung des Tatorts auf.
7
Der Angeklagte A. D. parkte in der Nähe so, dass er den Eingang zu dem Haus, in dem die Wohnung des Zeugen Dr. J. lag, beobachten konnte. Er dirigierte A. zu einem geeigneten Standort für sein Fluchtfahrzeug. Dazu stieg er in dessen Auto ein und hatte ein Metallrohr dabei, das A. bei dieser Gelegenheit wahrnahm. In einer Nebenstraße wies der Angeklagte A. D. dem Angeklagten A. eine Warteposition zu und forderte ihn auf, nach der Tat vier Beteiligte aufzunehmen, die auf dem Fußgängerweg zu ihm kommen würden.
8
Der Angeklagte H. setzte sich auf eine Mauer vor der Aula der E. -Schule, während zwei weitere Personen auf den Treppenstufen vor der Aula Platz nahmen und ein vierter Tatbeteiligter sich in den Bereich des Umlaufgitters auf dem Fußweg begab.
9
Um 8.27 Uhr verließ der Zeuge T. das Wohnhaus, in dem auch Dr. J. wohnte. Er wollte in der nahe gelegenen Bäckerei Brötchen einkaufen und trug eine Baseballmütze. Der Angeklagte A. D. verwechselte ihn deshalb mit Dr. J. und teilte dem Angeklagten S. D. über sein Mobiltelefon mit, dass es jetzt losgehe. Dann entfernte er sich, um nicht erkannt zu werden.
10
Der Angeklagte H. wusste, dass bei den Angreifern zweiSchlagwerkzeuge vorhanden waren. Es konnte aber nicht festgestellt werden, dass er auch selbst Schlagwerkzeug einsetzte. Jedoch war er sich bewusst, dass der Angriff tödlich enden könnte, was er billigend in Kauf nahm. Ebenso hatte S. D. bedingten Tötungsvorsatz.
11
Die Angreifer kannten Dr. J. nicht und meinten, der sich nunmehr nähernde Radfahrer mit der Baseballmütze sei die richtige Zielperson. Vor dem Umlaufgitter verlangsamte der Zeuge T. seine Fahrt mit dem Fahrrad. Er sah, dass ihm dort eine Person entgegenkam und hielt an. Der unbekannt gebliebene Angreifer ging zügig auf ihn zu und stieß ihn überraschend zu Boden. Als der Zeuge T. sich wieder aufrichten wollte, schlugen mindestens zwei Personen, deren Identität ebenfalls nicht festzustellen war, auf ihn ein und traten ihn. Dabei wurden Schlagwerkzeuge eingesetzt.
12
Der Zeuge T. wurde mindestens achtmal mit großer Wucht auf den Kopf geschlagen. Weitere Schläge trafen ihn am Rücken und er wurde gegen die Beine getreten. Er trug Riss-Quetschwunden am Kopf davon, erlitt einen offenen Bruch des Schädeldachs, eine Blutung an der Hirnhaut, eine Mittellinienverlagerung des Gehirns, einen Bruch der Kieferhöhle, zwei Rippenbrüche und einen Bruch des rechten Zeigefingers sowie zahlreiche Hämatome.
13
Als die Täter von dem Zeugen T. abließen, hielten sie es für möglich , dass er sterben könnte. Rettungsmaßnahmen veranlassten sie nicht, sondern liefen zum Fahrzeug des Angeklagten A. , der mit ihnen mit hoher Geschwindigkeit davonfuhr.
14
2. Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten A. D. vom 7. Oktober 2013 zum Nachteil des Zeugen Dr. J. als gefährliche Körperverletzung bewertet; ein Vorsatz zum versuchten Totschlag sei insoweit aber nicht feststellbar.
15
Bei der Tat vom 20. Oktober 2013 zum Nachteil des Zeugen T. ist das Landgericht von versuchtem Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ausgegangen, woran die Angeklagten A. D. , S. D. und H. als Mittäter, der Angeklagte A. als Gehilfe beteiligt gewesen seien.

II.


16
Die Revisionen der Angeklagten führen zur Aufhebung des Urteils, soweit sie wegen der Tat vom 20. Oktober 2013 (Fall II.B. der Urteilsgründe) ver- urteilt wurden. Bezüglich des Angeklagten A. D. hat dies auch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
17
1. Die Verfahrensrügen der Angeklagten A und S. D. sowie H. haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. Februar 2016 genannten Gründen keinen Erfolg. Die Sachrüge des Angeklagten A. D. ist unbegründet, soweit sie sich gegen seine Verurteilung in der Tat vom 7. Oktober 2013 richtet.
18
2. Die Sachbeschwerden der Angeklagten gegen die Verurteilung wegen der Tat vom 20. Oktober 2013 sind begründet. Die Beweiswürdigung dazu, dass die Angeklagten mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt haben, ist rechtlich zu beanstanden.
19
a) Jeder Mittäter ist für ein Handeln anderer Personen im Hinblick auf eine Vorsatztat nur im Rahmen seines eigenen Vorsatzes verantwortlich (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2011 - 4 StR 52/11). Selbst wenn dieser Vorsatz, dem Tatplan entsprechend, auch den Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs umfasst hat, folgt daraus noch nicht ohne weiteres, dass ein Mittäter, der ein solches Werkzeug nicht selbst einsetzt, auch bedingten Vorsatz zur Tötung des Opfers hat. Bei gruppendynamisch geprägten Gewalthandlungen können Fälle mit gedankenloser Verletzungsabsicht vorliegen, die gegebenenfalls nur mit grober Fahrlässigkeit hinsichtlich einer möglichen Todesverursachung einhergehen. Ob bedingter Tötungsvorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt, ist in solchen Fällen hinsichtlich jedes Tatbeteiligten in einer Gesamtschau aller ihn betreffenden objektiven und subjektiven Tatumstände, in die auch die psychische Verfassung des Tatbeteiligten bei der Tatbegehung sowie seine Motivation einzu- beziehen sind, genau zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 - 5 StR 290/04, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 59).
20
b) An einer lückenlosen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Gesamtwürdigung aller Umstände, einschließlich der vorsatzkritischen Aspekte, fehlt es hier.
21
aa) Dies gilt bereits mit Blick darauf, dass die massiven Einwirkungen der unbekannt gebliebenen Täter, welche gefährliche Werkzeuge einsetzten, infolge der Personenverwechslung entgegen der Erwartung der Tatbeteiligten nicht den kampfsporterfahrenen Dr. J. , sondern den älteren, unter einer „Agoraphobie mit Panikstörung und psychovegetativen Symptomen sowie einer Er- schöpfungsdepression“ leidenden Zeugen T. trafen. Die massive Wirkung des Überfalls auf dieses Opfer konnte insoweit von den Angeklagten, die nicht selbst mit gefährlichen Werkzeugen auf dieses Opfer eingewirkt haben, verkannt worden sein.
22
bb) Die Begründung von bedingtem Tötungsvorsatz der Angeklagten bei der Tat vom 20. Oktober 2013 ist auch im Übrigen nicht tragfähig.
23
(1) Sie verweist im Wesentlichen auf die Vorausplanung eines möglichst überraschenden Überfalls, ferner auf die zumindest anfängliche Präsenz der Angeklagten am Tatort sowie auf die Annahme, alle Angeklagten seien darüber informiert gewesen, dass von anderen Beteiligten auch Schlagwerkzeuge mitgeführt wurden. Diese Umstände sind aber nicht aussagekräftig genug, um festzustellen, jeder der Angeklagten habe deshalb ernsthaft mit der Möglichkeit des Todes des Opfers gerechnet und diese an sich unerwünschte Folge des gemeinschaftlichen Handelns billigend in Kauf genommen.
24
(2) Der Rückschluss der Strafkammer aus einer Vielzahl tatsächlich ausgeführter Einwirkungen mit gefährlichen Werkzeugen auf den Geschädigten mit erheblichen Verletzungsfolgen auf einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten bei der Vornahme dieser Verletzungshandlungen durch Dritte deutet einen Rückschaufehler an. Aus dem von Dritten tatsächlich verursachten Erfolg kann jedenfalls nicht unmittelbar auf eine im Sinne von Tötungsvorsatz noch darüber hinausgehende Vorstellung der Angeklagten von der Wirkung der Handlungen bei dem Überfall geschlossen werden. Ihre Einlassung, die Gewaltanwendung durch Dritte sei in einer von ihnen nicht vorhergesehenen Weise eskaliert, lässt sich so nicht widerlegen.
25
(3) Die Angeklagten wollten, dass der Zeuge Dr. J. verprügelt würde , um hierdurch wegen der Auseinandersetzung mit A. D. am 7. Oktober 2013 Rache zu üben. Ein Motiv dafür, den Zeugen zu töten, hatten sie nicht. Dies hat das Landgericht nicht in eine Gesamtschau zur Prüfung des Wollensmoments eines Tötungsvorsatzes einbezogen.
26
Das Landgericht hat zwar ausgeführt, A. D. habe bei dem am 7. Oktober 2013 eigenhändig begangenen Versuch, dem Zeugen Dr. J. mit einem Drehmomentschlüssel auf den Kopf zu schlagen, nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt, wohingegen die Tat vom 20. Oktober 2013 eine „weitere Eska- lationsstufe“ erreicht habe. Dies erklärt aber nicht, warum die auf den Kopf zie- lenden Schläge durch A. D. mit einem Drehmomentschlüssel ohne Tötungsvorsatz ausgeführt worden sein sollen, während die Verletzungshandlungen durch fremdnützig handelnde Dritte,um Dr. J. eine „Abreibung“ zu erteilen , aus seiner Sicht mit bedingtem Tötungsvorsatz veranlasst worden sein sollen.
27
c) Der neue Tatrichter wird nach allem die Frage des Tötungsvorsatzes genauer als bisher zu erörtern haben.
28
3. Die Aufhebung des Urteils wegen des Vorwurfs eines versuchten Tötungsverbrechens zwingt zur Urteilsaufhebung auch bezüglich des tateinheitlich begangenen Körperverletzungsdelikts.

III.


29
Die Aufhebung der Entscheidungen über die Anträge im Adhäsionsverfahren durch den Senat ist nicht geboten. Darüber hat das neue Tatgericht zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 97). Es wird gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, dass eine gesamtschuldnerische Haftung nur in Betracht kommt, soweit die Angeklagten dem Adhäsionskläger auch in gleichem Umfang zum Ersatz des immateriellen Schadens verpflichtet sind. Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht allerdings gegenüber dem Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Insoweit ist lediglich im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB die Last des Schadens nach den Anteilen an dessen Herbeiführung aufzuteilen (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, NJW 2011, 292, 293). Das gilt gegebenenfalls aber nicht, wenn Schadensfolgen den Schädigern in unterschiedlichem Umfang zuzurechnen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - 3 StR 468/12; Beschluss vom 8. Januar 2014 - 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217).
Fischer RiBGH Dr. Appl ist an der Eschelbach Unterschrift gehindert. Fischer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 52/11
vom
3. März 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
zu 1.: wegen versuchten Totschlags u.a.
zu 2.: wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. März 2011 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 3. September 2010, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) im Strafausspruch. 2. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen (besonders) schweren Raubes (qualifiziert nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen von sechs Jahren und zehn Monaten (S. ) bzw. drei Jahren und sechs Monaten (C. ) verurteilt; hinsichtlich des Angeklagten S. hat es außerdem eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten des durch die letztgenannte Tat Geschädigten getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; wobei sich der Revisionsangriff des Angeklagten C. , wie sich aus dem Revisionsantrag und der Begründung ergibt, auf die Verurteilung wegen versuchten Totschlags beschränkt.
2
Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg ; die weiter gehende Revision des Angeklagten S. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Die Verurteilungen der Angeklagten wegen versuchten Totschlags halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
4
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wollten die Angeklagten unter Einsatz eines Springmessers einen zufällig vorbeikommenden Passanten berauben. In Ausführung dieses Plans fiel der Angeklagte S. den Zeugen R. mit einer Art Karatesprung an. Es entwickelte sich zwischen beiden ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Angeklagte S. dem Zeugen mit bedingtem Tötungsvorsatz je zwei kräftig geführte Messerstiche in die Brust und in den Beckenraum versetzte. Der Angeklagte C. , der den Überfall beobachtet und mit seinem Butterflymesser spielend abgesichert hatte, forderte den Mitangeklagten mehrfach auf, zu ihm zu kommen. Beide verließen sodann den Tatort, ohne den Zeugen zu berauben. Der Zeuge setzte zunächst seinen Weg fort, da er die Stiche nur als Schläge wahrgenommen hatte, musste sich dann aber mit Hilfe des Rettungsdienstes wegen der abstrakt lebensgefährlichen Verletzungen in stationäre Krankenhausbehandlung begeben.
5
2. Die Verurteilung des Angeklagten S. wegen versuchten Totschlags hat keinen Bestand.
6
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte , als er dem Zeugen die wuchtigen Messerstiche versetzte (UA 11, 12). Es hat aber zur Frage eines strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch lediglich ausgeführt, dass ein solcher ausscheide, "da der Versuch beendet war und der bloße Abbruch der Tathandlung deshalb für einen strafbefreienden Rücktritt nicht genügt" (UA 14).
7
Diese Begründung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts kommt es darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 298; Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 m.w.N.). Ein beendeter Versuch ist ferner auch dann anzunehmen, wenn ein Täter sich nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306).
8
Mit der Frage des Rücktrittshorizonts hat sich das Landgericht gar nicht befasst. Dabei hätte es entsprechender Darlegungen hier umso mehr bedurft, als das Opfer trotz der Stichverletzungen nicht zu Boden gegangen war und zunächst seinen Weg fortsetzen konnte. Auch dafür, dass sich der Angeklagte nach dem Zustechen keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns gemacht hat, geben die bisherigen Feststellungen keinen hinreichenden Anhalt.
9
Der aufgezeigte Mangel zwingt auch zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung des Angeklagten wegen der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen R. (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; vgl. auch KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 353 Rn. 12).
10
3. Hinsichtlich des Angeklagten C. belegen, wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, die Feststellungen lediglich, dass er sich der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5, § 25 Abs. 2 StGB, nicht jedoch auch eines versuchten Totschlags schuldig gemacht hat.
11
Jeder Mittäter haftet für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes; er ist also für den Taterfolg nur insoweit verantwortlich , als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt; Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, werden jedoch vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32; Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09).
12
Nach den Feststellungen wusste der Angeklagte C. zwar, dass bei dem Raubüberfall auf einen Passanten ein Messer zum Einsatz kommen sollte (UA 7). Dass er auch eine Tötung des Opfers billigend in Kauf genommen hat, ist aber nicht belegt. Dagegen spricht im Übrigen schon, dass er, als er sah, mit welcher Wucht der Mitangeklagte zustach, diesen mehrfach aufforderte, zu ihm zu kommen, sich also von dem Geschädigten zu entfernen. Das Vorgehen des Mitangeklagten überstieg in seiner Schwere und Gefährlichkeit den gemeinsamen Tatplan so erheblich, dass er als wesentliche Abweichung anzusehen ist, mit der der Angeklagte nicht rechnen musste.
13
Da nicht zu erwarten ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die einen bedingten Tötungsvorsatz belegen, stellt der Senat den Schuldspruch insoweit um.

II.


14
Die Teilaufhebung bzw. Abänderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Mutzbauer
5 StR 290/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 26. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 25. und 26. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin Sc
als Verteidigerin des Angeklagten Wi ,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwältin L
als Verteidigerin des Angeklagten H ,
Rechtsanwältin P
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
in der Sitzung vom 26. Januar 2005

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2003 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenommen werden die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen; diese bleiben aufrechterhalten. Insoweit werden die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Die Schwurgerichtskammer hat die Angeklagten jeweils wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen zwischen sieben und acht Jahren verurteilt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge weitgehend Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich hingegen als unbegründet.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten W und H sollten am 19. Februar 2003 gemeinsam zu einer Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Cottbus erscheinen. Sie beschlossen deshalb, den Vortag nicht zu Hause zu verbringen, sondern gemeinsam verschiedene Bekannte zu besuchen, um nicht von der Polizei zwecks Vorführung festgenommen werden zu können. Der Angeklagte R schloß sich ihnen an. Zwischen 17.00 und 18.00 Uhr gelangten die Angeklagten zu dem später geschädigten D , einem früheren Arbeitskollegen des Angeklagten W , der auch dem AngeklagtenH flüchtig bekannt war. In der Einraumwohnung des D , die sich in einem Hochhaus in der Leipziger Straße in Cottbus befand, hielt sich auch die den Angeklagten bis dahin unbekannte, später getötete K auf. In geselliger Runde wurde Musik gehört sowie Bier und Schnaps getrunken, bis die Alkoholvorräte zur Neige gingen. Gegen 20.00 Uhr stahl deshalb der Angeklagte R im nahegelegenen REWE-Markt zwei Flaschen Korn.
Während des weiteren gemeinsamen Trinkens begann der schon betrunkene D , den Angeklagten R zu provozieren und zu beleidigen. Den aufkommenden Streit wollten beide im Hausflur außerhalb der Wohnung austragen. D , der infolge seiner Trunkenheit schon erheblich schwankte, führte dort einen Schlag gegen R , den dieser aber leicht abwehren konnte; umgekehrt schlug R nunmehr D mit der Hand-
kante ins Gesicht, woraufhin dieser blutend zu Boden ging. Beide gingen zurück in die Wohnung, wo gemeinsam weitergetrunken wurde. Bald kam es jedoch wieder, ausgehend von D , zum Streit zwischen den beiden und erneuten Schlagversuchen D s sowie zu kräftigen Faustschlägen des Angeklagten R in D s Gesicht. R warf nunmehr die Gläser aus D s Wohnzimmerschrank zu Boden und schlug diesem weiter mehrfach kräftig mit der Faust ins Gesicht. Als daraufhin D s Blut auf die Kleidung des Angeklagten W spritzte, wurde auch dieser wütend. Angesichts der Eskalation ging K , die schon zuvor erfolglos schlichtend auf die Streitenden eingewirkt hatte, zwischen R und D ; sie wurde jedoch durch einen heftigen Schlag von R auf die Couch neben den Angeklagten W geschleudert. Dies paßte W ebensowenig wie ihre anschließende Einmischung in sein Gespräch mit H , der sie mit dem Handrücken ins Gesicht schlug. Nunmehr versetzte W ihr mit seinem rechten Ellenbogen derart w uchtige Schläge ins Gesicht , daß sie heftig blutete und das Blut bis auf die Tapete hinter der Couch spritzte. H versetzte D Stöße mit dem Knie und trat und schlug ihn mit voller Wucht gegen das Gesicht; auch der Geschädigten K trat er ins Gesicht.
Insgesamt beteiligten sich alle drei Angeklagten, die aufgeheizter Stimmung waren und bereits die bisherigen Gewalthandlungen gebilligt hatten , im gemeinschaftlichen Zusammenwirken an massiven Gewalttätigkeiten. Zwischen ihnen bestand ein unausgesprochenes Einverständnis darüber, die beiden ersichtlich betrunkenen, ihnen körperlich weit unterlegenen Geschädigten , die sich auch nicht wehrten, zu mißhandeln; die Angeklagten schlugen teils gemeinsam, teils abwechselnd mit Fäusten und Handrücken auf diese ein und versetzten ihnen mit beschuhten Füßen Tritte gegen Kopf und Körper. H und R streiften sich Handschuhe über, um sich bei den Gewalttätigkeiten nicht selbst zu verletzen; R zog zudem Jacke und Pullover aus, damit diese nicht blutig würden. Nach weiteren von allen gebilligten Tritten und Schlägen – ohne daß die jeweils aktiv Tätigen im einzelnen
festzustellen waren – lagen die Opfer schließlich schwer verletzt und hilflos auf dem Boden; D war bewußtlos, K stöhnte und wimmerte vor Schmerzen.
Als R aus dem Badezimmer kam, wo er sich Blut abgewaschen hatte, erkannte er angesichts des blutüberströmten und hilflosen Zustandes der Geschädigten das Ausmaß des Geschehens und wurde „schlagartig nüchtern“. Über sein Mobiltelefon rief er den Notruf 110 an und erklärte „völlig außer sich und weinend“, in der Leipziger Straße „zum Hochhaus hin“ lägen zwei Leute, die „am Kopf kaputt“ seien. W prüfte kurze Zeit später den Puls von D , der noch spürbar war, rief über die Notrufnummer bei der Polizei an und bat um einen Notarzt in die Leipziger Straße, wobei er sich aber in der Angabe des Stadtbezirks irrte, so daß sein Notruf nicht zum Auffinden der Opfer führte.
Die erheblich alkoholisierten Geschädigten erlitten durch die Mißhandlungen der Angeklagten schwerwiegende Verletzungen. D erst kam am Vormittag des 19. Februar 2003 wieder zu sich, von einer Vielzahl teils blutender Wunden entstellt, mit gebrochener Rippe und einem Schädelhirntrauma. Sein Sehvermögen ist seitdem eingeschränkt, und er leidet unter Gleichgewichtsstörungen. K war infolge der ihr zugefügten Verletzungen am 18. Februar 2003 gegen 23.00 Uhr verstorben. Ihr Gesicht wies neben großen Hämatomen eine Platzwunde und knöcherne Verletzungen am Schädel auf. Weiter fanden sich Zeichen massiver stumpfer Gewalteinwirkung auf den Kopf und Hals. Die dabei entstandenen Gesichtsweichteilzerreißungen sowie mehrfache Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche führten in Verbindung mit einer Bluteinatmung unmittelbar zum Tode. Die Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche sind nach zutreffender Einschätzung des medizinischen Sachverständigen am ehesten durch zahlreiche Fußtritte gegen den Kopf oder das Schlagen mit einem Gegenstand erklärbar , wobei auch ein Aufspringen auf den am Boden liegenden Kopf als Ursache in Betracht komme, nicht aber ein Sturzgeschehen; gleiches gelte für die
festgestellten Rippenserienbrüche, die am ehesten durch Knien auf dem Körper oder durch Aufspringen mit flachen Sohlen, nicht aber durch einen Sturz entstanden seien.
Zum subjektiven Tatbestand hat das Landgericht lediglich mit zwei knappen Sätzen (UA S. 25 und S. 49) ausgeführt, es sei nicht nachweisbar, daß die Angeklagten ihre Opfer töten wollten. Jedoch hätten sie während der massiven Gewalteinwirkungen auf die geschädigte K erkennen können und müssen, daß sie ihr dadurch lebensgefährliche Verletzungen beibringen können, die zum Tode führen.
Zugunsten von H und W hat die Schwurgerichtskammer die anzuwendenden Strafrahmen jeweils gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB verschoben. Bei diesen Angeklagten, die schon am Vormittag des Tattages gemeinsam mit dem Trinken begonnen hatten, vermochte das Landgericht in Anschluß an die Ausführungen mehrerer Sachverständiger – anders als bei dem Angeklagten R – eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Steuerungsfähigkeit infolge Alkoholisierung zumindest nicht auszuschließen. Bei allen Angeklagten wurde von den psychiatrischen Sachverständigen ein langjähriger Alkoholmißbrauch festgestellt, der sich indes noch nicht zu einem Hang im Sinne von § 64 StGB verfestigt habe.

II.


Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung der Schuldsprüche.
1. Die Sachrüge führt – wie der Generalbundesanwalt zutreffend geltend macht – über das ausdrückliche Begehren der Staatsanwaltschaft in ihren mit der Sachrüge unbeschränkt geführten Revisionen hinaus zur Beanstandung des Fehlens einer Begründung für die Verneinung eines – wenn auch nur bedingten – Tötungsvorsatzes der Angeklagten.

a) Die Abgrenzung einer bewußt fahrlässigen von einer bedingt vorsätzlichen Tötung erfordert bei schwerwiegenden Gewalthandlungen, wie sie das Landgericht hier festgestellt hat, eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise stellt dabei für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes einen Umstand von erheblichem Gewicht dar (BGH NStZ 2003, 431), weil bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 58). Angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten bedarf die Frage der Billigung des Todeserfolges indes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit einzubeziehen sind (vgl. BGHSt 36, 1, 10).

b) Diesen Prüfungsanforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Angesichts der nach den Feststellungen vom gemeinschaftlichen Willen aller Angeklagten getragenen massiven Einwirkungen auf Kopf und Rumpf der erkennbar stark betrunkenen und schließlich hilflos am Boden liegenden Opfer durch Schläge und Tritte reichte es nicht aus, einen bedingten Tötungsvorsatz pauschal abzulehnen. Dies versteht sich hinsichtlich der verstorbenen K angesichts der Schwere und Vielzahl der ihr zugefügten Kopfverletzungen von selbst. Auch bezüglich des geschädigten D läßt sich ein Tötungsvorsatz nicht ohne weiteres so knapp ausschließen, wie dies das Landgericht getan hat; schließlich haben die Angeklagten auch auf ihn gemeinschaftlich bis zu seiner Bewußtlosigkeit eingeschlagen und eingetreten.
Selbst wenn dem Landgericht wegen der Beweislage und der Komplexität des Tatablaufs eine individuelle Zuordnung einzelner Gewalttätigkeiten weitestgehend nicht möglich war, entband dieser Umstand es nicht davon , die Frage des Tötungsvorsatzes mit Blick auf die Gesamtheit der von
allen Mittätern gewollten Gewalthandlungen sorgfältig zu prüfen, zumal Exzeßhandlungen einzelner Angeklagter nicht festzustellen waren.

c) Danach bedürfen die für den Schuldspruch erforderlichen subjektiven Tatumstände erneuter Aufklärung und Bewertung. Der neue Tatrichter wird dabei auch den möglichen Einfluß der teils erheblichen Alkoholisierung der Angeklagten zu bedenken haben (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55). Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatablauf können hier angesichts schwer aufklärbarer Tatumstände einerseits und einer rechtfehlerfrei vorgenommenen Zurechnung sämtlicher Gewalthandlungen aufgrund gemeinsamen Tatenschlusses bei Ausschluß etwaiger Exzeßtaten andererseits bestehen bleiben. Diese Feststellungen können lediglich um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Danach wird für den neuen Tatrichter kein Raum sein für eine über das bisher Festgestellte hinaus gehende Individualisierung und Aufteilung der einzelnen Tatbeiträge auf die einzelnen Angeklagten, auch im Hinblick auf die Frage des Tötungsvorsatzes. Bei den (bislang entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht lückenhaft festgestellten) Verletzungsfolgen von D bieten sich ergänzende Feststellungen zum Heilungsverlauf seit der vorangegangenen Hauptverhandlung an.

d) Wird ein vorrangig zu prüfendes aktives Tötungsdelikt erneut mangels Tötungsvorsatzes verneint, wird ein lediglich durch Unterlassen begangener (ggf. versuchter) Totschlag im Ergebnis bei der subjektiven Befindlichkeit der Angeklagten möglicherweise aus den gleichen Gründen ausscheiden.
Der Senat weist auf folgende – namentlich bei gruppendynamisch geprägtem Geschehen typische – Besonderheit bei hochgradig brutalen Gewalttaten hin: Fälle mit gedankenloser, dumpfer bloßer Verletzungsabsicht, die mit gröbster Fahrlässigkeit hinsichtlich einer möglichen Todesfolge einhergeht , und Fälle mit bereits bedingtem Tötungsvorsatz können in subjekti-
ver Hinsicht so eng beieinander liegen, daß ihr Schuldgehalt – jedenfalls beim Fehlen von Mordmerkmalen – nicht von gravierend unterschiedlichem Gewicht ist. Das angemessene Strafmaß für Totschlag oder versuchten Totschlag wird sich daher in solchen Fällen im Ergebnis von demjenigen für Körperverletzung mit Todesfolge oder gefährliche Körperverletzung kaum beträchtlich unterscheiden.
Da jedoch bei Taten dieser Art bedingter Tötungsvorsatz näherliegt als nur grobe Fahrlässigkeit, kann der Senat die minderen Schuldsprüche auf der Grundlage der unvertretbar knappen Begründung des Landgerichts hier nicht hinnehmen. Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil jedenfalls bezogen auf die Angeklagten W und H die Strafaussprüche Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten enthalten.
2. Der neue Tatrichter wird auch zur Schuldfähigkeit der Angeklagten und zur Grundlage für eine etwaige Maßregel nach § 64 StGB mit sachverständiger Hilfe eigene neue Feststellungen zu treffen haben. Der Senat weist zudem darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft zu Recht die zugunsten der Angeklagten H und W infolge ihrer Alkoholisierung jeweils vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beanstandet.

a) Die Frage einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei erheblicher Alkoholisierung hat der Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Der grundsätzlich schuldmindernde Umstand einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit kann dabei durch schulderhöhende Umstände ausgeglichen werden. Ein solcher Ausgleich liegt insbesondere dann nahe, wenn eine vermeidbare Alkoholisierung durch Umstände in der Person des Täters (etwa Neigung zu Aggressionen oder Gewalttätigkeiten unter Alkoholeinfluß) oder in der Tatsituation (etwa Trinken in gewaltbereiten Gruppen oder gewaltgeneigten Situationen) das Risiko der
Begehung von Gewalttaten erkennbar signifikant erhöht hat (BGH NJW 2004, 3350, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).

b) Nach diesen Maßstäben begegnet der Automatismus, mit dem das Landgericht im angefochtenen Urteil den Angeklagten W und H eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zugebilligt hat, durchgreifenden Bedenken. Der Angeklagte W ist mehrfach wegen Gewaltdelikten unter Alkoholeinfluß vorbestraft. Der Angeklagte H hat zwar lediglich einmal im März 2002 gemeinsam mit W alkoholisierten im Zustand eine Straftat mi t gewalttätiger Entgleisung begangen, ist aber nach eigener Einschätzung leicht reizbar, wenn er Alkohol getrunken hat. Beide Angeklagte kannten damit die ungünstigen Wirkungen erheblicher Alkoholisierung auf ihre Gewaltbereitschaft. Eine Ausnahme von der unter solchen Umständen angezeigten Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB käme nur bei einer absoluten Strafdrohung in Betracht (vgl. BGH NJW 2004, 3350, 3353, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Nach den getroffenen Feststellungen liegt jedoch die Annahme von Mordmerkmalen hier fern.

III.


Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
1. Die Verfahrensrügen versagen.

a) Das Urteil ist mit allen erforderlichen Unterschriften rechtzeitig zu den Akten gelangt. Die Revisionen der Angeklagten W R und beanstanden lediglich im Ansatz mit Recht, daß der Verhinderungsvermerk mißverständlich angebracht worden ist, weil der bekundende Richter nicht – wie vorliegend geschehen – „in Vertretung“ für den verhinderten unterschreibt , sondern lediglich die Verhinderung mit seiner Unterschrift bestätigt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 275 Rdn. 20 m.w.N.). Der Mangel ist
letztlich indes ebenso unschädlich wie die Unterschrift direkt über dem Verhinderungsvermerk. Aus § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO folgt lediglich, daß der Verhinderungsvermerk wirksam „angebracht“ sein muß; aus dem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zwischen Unterschrift und Vermerk ergibt sich hier noch hinreichend eindeutig, daß die Verhinderung bezeugt werden sollte und wer dies getan hat (vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 275 Rdn. 35).

b) Alle übrigen Verfahrenrügen sind mangels vollständigen Vortrags der den jeweiligen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) unzulässig oder zumindest offensichtlich unbegründet.
2. Auch die Sachrügen bleiben ohne Erfolg.

a) Die Feststellungen zum gemeinschaftlichen Tatenschluß beruhen insgesamt auf tragfähiger Grundlage. Auch die Beweiswürdigung, die grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, begegnet keinen Bedenken. Das Landgericht hat die den Feststellungen widersprechenden Angaben der Angeklagten W und R insbesondere aufgrund des objektiven Spurenbildes und der teilgeständigen Angaben des Angeklagten H in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise für widerlegt erachtet. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Die gegenseitige Zurechnung der verschiedenen körperlichen Mißhandlungen der beiden Opfer einschließlich der Zufügung schließlich tödlicher Verletzungen ist rechtsfehlerfrei erfolgt; nach den Feststellungen bestand zwischen allen drei Angeklagten das unausgesprochene Einverständnis darüber, die beiden ihnen körperlich weit unterlegenen und sich nicht wehrenden Geschädigten zu mißhandeln (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. August 2004 – 5 StR 218/04).

b) Insgesamt enthält die Strafzumessung bei allen Angeklagten aus revisionsrechtlicher Sicht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
Daß das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei dem Angeklagten R verneint hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken; zudem mußte bei ihm ohnehin eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB angesichts seiner negativen Vorerfahrungen mit Alkohol ersichtlich ausscheiden. Der neue Tatrichter wird allerdings auch bei dem Angeklagten R – wie bei den übrigen Angeklagten – über die Frage der Steuerungsfähigkeit und einer Maßregel nach § 64 StGB (vgl. zum Maßstab BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5) neu zu befinden haben.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 286/09 Verkündet am:
5. Oktober 2010
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 823 Abs. 1 C; 254 Abs. 1 Da; § 426 Abs. 1
StVG §§ 7 ff.; 8 Nr. 2

a) Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht zum Geschädigten
grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger
auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Die Last des Schadens ist
lediglich im Innenverhältnis nach § 426 Abs. 1 BGB nach den Anteilen an
dessen Herbeiführung aufzuteilen.

b) Ergreift ein Unfallhelfer nach einem Unfall, bei dem das Ausmaß der Gefährdung
und der Hilfebedürftigkeit der beteiligten Verkehrsteilnehmer nicht
sogleich zutreffend erkannt werden kann, nicht die aus nachträglicher Sicht
vernünftigste Maßnahme, folgt hieraus noch nicht ein Mitverschuldensvorwurf.

c) Bei gelegentlichen Hilfeleistungen von sonst an dem Betriebe des Kfz unbeteiligten
Personen scheidet ein Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG regelmäßig
aus.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09 - OLG Dresden
LG Dresden
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von
Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten zu 1 und 2 gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. August 2009 wird zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist. Auf die Berufung des Klägers wird das Grund- und Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 20. Februar 2009 abgeändert: Die Klageanträge zu 1 und 2 sind dem Grunde nach in vollem Umfang gerechtfertigt. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1 bis 5 den weitergehenden zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden des Klägers aus dem Unfallereignis vom 30. Dezember 2002 - soweit Ansprüche nicht auf Dritte oder Sozialversicherungsträger übergegangen sind - als Gesamtschuldner in vollem Umfang zu tragen haben.
Die Beklagten zu 1 bis 5 tragen die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 30. Dezember 2002, bei dem er als Unfallhelfer verletzt wurde.
2
Der Beklagte zu 3 fuhr mit einem Pkw, dessen Halter die Beklagte zu 4 und dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 5 ist, bei einsetzendem Schneefall auf der BAB 4. Er geriet ins Schleudern, kollidierte mit der Leitplanke am rechten Fahrbahnrand und kam auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Er schaltete das Warnblinklicht ein. Der Kläger, der mit seinem Pkw hinter dem Pkw des Beklagten zu 3 gefahren war, hielt vor dem Unfallfahrzeug auf dem Seitenstreifen an. Er schaltete bei seinem Pkw das Warnblinklicht ein und begab sich zum Pkw des Beklagten zu 3 zurück. Nachdem er sich nach dessen Befinden erkundigt hatte, wollte er zur Absicherung der Unfallstelle das Warndreieck aus dem Kofferraum des Fahrzeugs des Beklagten zu 3 entnehmen. Als der Kläger mit dem Rücken zur Fahrtrichtung stand und den Kofferraum öffnen wollte, näherte sich der vom Beklagten zu 1 gelenkte Pkw, dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2 ist, auf dem mittleren von drei Fahrstreifen. Der Pkw des Beklagten zu 1 geriet ebenfalls ins Schleudern und erfasste den Kläger, der dabei schwer verletzt wurde.
3
Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz , Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden in Anspruch, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte oder Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Das Landgericht hat mit Grund- und Teilurteil die Zahlungsanträge des Klägers dem Grunde nach zu 5/6 für gerechtfertigt erklärt. Von dieser Quote hätten alle Beklagten 19/30 als Gesamtschuldner , die Beklagten zu 1 und 2 weitere 10/30 als Gesamtschuldner und die Beklagten zu 3 bis 5 weitere 1/30 als Gesamtschuldner zu tragen. Dem Feststellungsantrag hat es in Höhe der genannten Quoten entsprochen. Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 Berufung eingelegt. Die Beklagten zu 3 bis 5 haben ihre Berufung zurückgenommen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Klageanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei sämtliche Beklagten zu zwei Drittel als Gesamtschuldner und die Beklagten zu 1 und 2 zu einem weiteren Drittel als Gesamtschuldner haften. Das Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten für künftige Schäden in entsprechender Weise festgestellt. Es hat die Revision für den Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagten zu 1 und 2 erstreben die Aufhebung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage, soweit sie zur Haftung von mehr als einem Drittel verurteilt worden sind.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hält die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen die Beklagten zu 1 bis 2 richtet, für begründet. Die Berufung der Beklagten zu 1 bis 2 sei hingegen unbegründet, weil diese gegenüber dem Kläger in vollem Umfang hafteten. Dem Beklagten zu 1 falle ein unfallursächliches Verschulden zur Last, weil er mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren sei. Sein Fahrzeug sei deswegen ins Schleudern geraten und habe den Kläger erfasst. Dem Kläger könne nicht als unfallursächliches Mitverschulden angelastet werden, dass er die nach seiner Auffassung dem Beklagten zu 3 obliegende Verpflichtung zur Absicherung der Unfallstelle durch Aufstellen eines Warndreiecks übernommen habe. Zwar sei der Verkehrsteilnehmer, der bei einem Unfall oder bei einer Panne Hilfe leiste, verpflichtet, sich um eigenen Schutz zu bemühen. Er habe Risiken, bei seiner Hilfeleistung selbst verletzt zu werden, möglichst zu vermeiden. Die Fehleinschätzung hinsichtlich der nach § 15 StVO erforderlichen Maßnahmen könne dem Kläger aber nicht vorgeworfen werden. Die an einen Unfallhelfer zu stellenden Anforderungen würden ansonsten bei weitem überspannt, zumal in der Unfallsituation schnelles Handeln gefragt sei und eine Einzelabwägung, zu der in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten würden, nicht verlangt werden könne. Ob der Kläger, wie er behauptet, andere am Unfallort anwesende Personen gebeten habe, die Fahrbahn im Auge zu behalten und ihn vor Gefahren zu warnen, könne dahingestellt bleiben, weil die Ursächlichkeit dieses Verhaltens für das Unfallgeschehen unaufklärbar sei. Schließlich könne dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, das Warndreieck nicht seinem eigenen Fahrzeug, sondern dem Fahrzeug des Beklagten zu 3 entnommen zu haben. § 15 StVO verlange ein zeitnahes Handeln. Hätte der Kläger zunächst zu seinem Fahrzeug zurückgehen müssen, wäre wertvolle Zeit verstrichen. Das klägerische Fahrzeug habe sich zudem nicht in einer sichereren Position befunden als das Fahrzeug des Beklagten zu 3. Auch könne nicht festgestellt werden, dass der Unfall vermieden worden wäre, wenn der Kläger das Warndreieck seinem eigenen Fahrzeug entnommen hätte.
5
Hinsichtlich der Beklagten zu 3 bis 5 hat das Berufungsgericht in den Urteilsgründen in Abweichung vom Urteilstenor eine Haftung, die die vom Landgericht bereits rechtskräftig festgestellte übersteigt, verneint. Zwar sei auch der Beklagte zu 3 infolge der in Anbetracht der Witterungsverhältnisse zu schnellen Fahrweise ins Schleudern geraten. Er habe damit auch im naturwissenschaftlichen Sinne eine Bedingung für die Verletzung des Klägers gesetzt. Jedoch bestehe zwischen dem Liegenbleiben des Fahrzeugs des Beklagten zu 3 und der Verletzung des Klägers weder im Rahmen der Verschuldenshaftung gemäß §§ 823 ff. BGB noch im Rahmen der Gefährdungshaftung gemäß §§ 7 ff. StVG ein haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang. Der Zurechnungszusammenhang entfalle, wenn sich das Schadensrisiko des ersten Schadensereignisses in einem weiteren Schadensereignis nicht mehr verwirkliche, weil es schon vollständig abgeklungen sei und daher zwischen beiden Ereignissen nur ein äußerlicher, zufälliger Zusammenhang bestehe. Dies sei der Fall, wenn der Verursacher des Zweitunfalls ausreichende aufgrund des Erstunfalls getroffene Sicherungsmaßnahmen nicht beachtet habe und die Unfallstelle wieder soweit befahrbar sei, dass keine besonderen Gefahren aus dem Unfallgeschehen für nachfolgende Fahrer mehr bestünden. Die aus dem Schleudervorgang des Beklagten zu 3 resultierende Gefahr sei in dem Zeitpunkt, als sich der Beklagte zu 1 der Unfallstelle genähert habe, bereits vollständig beseitigt gewesen. Der Pkw des Beklagten zu 3 sei zu diesem Zeitpunkt auf dem Seitenstreifen gestanden. Eine besondere Gefahr für nachfolgende Fahrer auf den Fahrspuren der Autobahn sei von ihm nicht mehr ausgegangen, zumal die Standspur den Zweck habe, das Aufstellen von Kraftfahrzeugen bei Not- und Unfällen zu ermöglichen und der Beklagte zu 3 durch das Anschalten der Warnblinkanlage ausreichende Sicherungsmaßnahmen getroffen habe.

II.

6
Die Revision der Beklagten zu 1 und 2 ist unbegründet, diejenige des Klägers ist begründet.
7
1. Die Revision der Beklagten zu 1 und 2
8
Das Berufungsgericht hat die volle Haftung der Beklagten zu 1 und 2 dem Grunde nach mit Recht bejaht.
9
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Haftung der Beklagten zu 1 und 2 nicht deshalb gemindert, weil sich der Kläger die Mithaftung der Beklagten zu 3 bis 5 zurechnen lassen müsste. Bei mehreren nebeneinander verantwortlichen Schädigern besteht zum Geschädigten grundsätzlich die volle Haftung, ohne dass einer der Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen könnte. Lediglich im Innenverhältnis ist zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB die Last des Schadens nach den Anteilen an dessen Herbeiführung aufzuteilen (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04, VersR 2006, 369, Rn. 12). Anderes gilt zwar, wenn den Geschädigten ein Mitverschuldensvorwurf trifft und die Abwägung nach § 254 BGB oder § 17 StVG dazu führt, dass die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind. In einem solchen Fall ist das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB bzw. des § 17 StVG in Einklang zu bringen, indem die Einzelabwägungen zwischen dem Geschädigten und den jeweiligen Schädigern mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung im Sinne einer Gesamtabwägung verknüpft werden (vgl. Senatsurteile vom 16. Juni 1959 - VI ZR 95/58, BGHZ 30, 203, 211 f.; ebenso vom 8. November 1973 - VI ZR 129/71, BGHZ 61, 351, 354 und vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04, aaO). Die Gesamtschuld umfasst unter solchen Umständen nicht den gesamten Schaden, weil der jeweilige Schädiger dem Geschädigten, soweit dieser seinen Verantwortungsanteil selbst zu tragen hat, dessen Mithaftungsquote entgegenhalten kann. Jedoch ist im Streitfall ein unfallursächliches Mitverschulden des Klägers nicht gegeben, so dass die Gesamtschuld aller Beklagten in vollem Umfang besteht.
10
b) Mit rechtlich nicht zu beanstandender Begründung hat das Berufungsgericht ein den Anspruch minderndes Mitverschulden des Klägers verneint. Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er sich auf dem Seitenstreifen aufhielt, um das Warndreieck aus dem Kofferraum des vom Beklagten zu 3 gelenkten Fahrzeugs zu holen und zur Absicherung der Unfallstelle aufzustellen.
11
aa) Zwar hat der Kläger durch seinen Aufenthalt auf dem Seitenstreifen, der dem Aufstellen eines Warndreiecks diente, objektiv sorgfaltswidrig gehandelt. Nach der Regelung in § 18 Abs. 9 Satz 1 StVO ist es Fußgängern nämlich grundsätzlich verboten, Autobahnen zu betreten, mithin auch sich auf den zur Autobahn gehörenden Seitenstreifen aufzuhalten. Jedoch ist es erlaubt und unter bestimmten Umständen sogar geboten, dass sich ein Fußgänger jedenfalls kurzzeitig auf dem Seitenstreifen aufhält, um den nach einem Verkehrsunfall bestehenden Verpflichtungen gemäß § 34 Abs. 1 StVO nachzukommen. Dazu gehört die nach § 15 Satz 2 StVO gebotene Durchführung erforderlicher Maßnahmen zur Absicherung der Unfallstelle. Diese in erster Linie dem Fahrer eines liegen gebliebenen Fahrzeugs obliegende Pflicht, können auch andere Personen, die nicht Unfallbeteiligte sind, übernehmen. Von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls hängt es ab, ob ein Fahrzeug, das auf dem Seitenstreifen einer Autobahn zum Stehen gekommen ist, entsprechend § 15 StVO gesichert werden muss (OLG Hamm, Beschluss vom 9. November 1973 - 1 Ss OWi 1338/73, VRS 47, 65; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Mai 1979 - 2 Ss OWi 194/79, VRS 58, 281, 282; Janker in Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 15 StVO Rn. 5). Hierfür sind unter anderem die Beschaffenheit der Straße, der Standort des Fahrzeugs sowie die Licht- und Sichtverhältnisse maßgeblich. Bei einem auf dem Seitenstreifen einer Autobahn stehenden Fahrzeug kann es darauf ankommen, wie breit der Seitenstreifen ist, welcher Zwischenraum zwischen der linken Seite des Fahrzeugs und dem rechten Rand des rechten Fahrstreifens verbleibt, welche Lichtverhältnisse herrschen, aus welcher Entfernung das stehende Fahrzeug für andere Verkehrsteilnehmer zu erkennen ist sowie ob dadurch andere Verkehrsteilnehmer irritiert werden können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 9. November 1973 - 1 Ss OWi 1338/73, VRS 47, 65).
12
bb) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es im Streitfall einer Absicherung der Unfallstelle durch Aufstellen eines Warndreiecks nicht wirklich bedurft habe, begegnet zwar keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie wird gestützt durch die Feststellungen des Landgerichts zur Örtlichkeit und den Sichtverhältnissen an der Unfallstelle. Danach war die Unfallstelle übersichtlich, weil die Fahrbahn im Unfallbereich entlang eines Gefälles in einer leichten Rechtskurve verläuft. Trotz Dunkelheit war das Fahrzeug des Beklagten zu 3, das mit eingeschalteter Warnblinkanlage vollständig auf dem Seitenstreifen stand, für den herannahenden Verkehr hinreichend erkennbar. Die Notwendigkeit , ein Warndreieck aufzustellen, war mithin nicht wirklich gegeben. Jedoch hat das Berufungsgericht mit Recht einen Mitverschuldensvorwurf verneint, weil dem Kläger nicht vorzuwerfen ist, dass er in der Unfallsituation die Lage anders beurteilt, danach gehandelt und sich dadurch in die Gefahr der Verletzung gebracht hat.
13
Wenn ein Verkehrsteilnehmer unmittelbar nach einem Unfall im Straßenverkehr nicht die aus nachträglicher Sicht vernünftigste Maßnahme ergreift, folgt hieraus nicht zwangsläufig ein (Mit-)Verschuldensvorwurf (vgl. Senatsurteil vom 28. September 1976 - VI ZR 219/74, VersR 1977, 36, 37). Objektiv falsche Reaktionen von Verkehrsteilnehmern stellen nach ständiger Senatsrechtspre- chung dann kein schuldhaftes Verhalten im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB dar, wenn der Verkehrsteilnehmer in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (Senat , Urteil vom 28. September 1976 - VI ZR 219/74, VersR 1977, 36; vom 4. November 2008 - VI ZR 171/07, VersR 2009, 234 Rn. 10 m.w.N.). In einer vergleichbaren Situation kann sich ein Unfallhelfer oder ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall befinden, bei dem das Ausmaß der Gefährdung und der Hilfebedürftigkeit der einzelnen Unfallbeteiligten und anderer Verkehrsteilnehmer nicht immer sogleich zutreffend erkannt werden kann. So liegt der Fall hier.
14
Für den Kläger war schwer zu beurteilen, ob ein Warndreieck zur zusätzlichen Absicherung der Unfallstelle erforderlich war. Für die zusätzliche Absicherung durch ein Warndreieck sprach, dass es zur Unfallzeit dunkel war und sich auf den Fahrbahnen teilweise eine Schneede cke bildete, welche die Fahrstreifenmarkierungen zumindest teilweise verdeckte. Die Befürchtung, herannahende Verkehrsteilnehmer könnten allein aufgrund der Warnblinkanlage nicht rechtzeitig erkennen, ob die auf dem Seitenstreifen stehenden Fahrzeuge in die Fahrbahn hineinragen, lag unter diesen Umständen nahe.
15
cc) Das Berufungsgericht musste ein unfallursächliches Mitverschulden des Klägers auch nicht deshalb annehmen, weil der Kläger, wie die Beklagten behauptet haben, während der Entnahme des Warndreiecks den herannahenden Verkehr unbeobachtet ließ. Zwar ist ein Verkehrsteilnehmer, der bei einem Unfall oder einer Panne Hilfe leistet, nicht von der Pflicht befreit, sich um seinen eigenen Schutz zu bemühen. Er muss sich im eigenen Interesse umsichtig verhalten und das Risiko, infolge seiner Hilfeleistung selbst verletzt zu werden, möglichst ausschalten (Senatsurteile vom 2. Dezember 1980 - VI ZR 265/78, VersR 1981, 260 und vom 17. Oktober 2000 - VI ZR 313/99, VersR 2000, 76, 77 m.w.N.). Auch hat der erkennende Senat mehrmals den Aufenthalt auf dem Seitenstreifen einer mehrspurigen Fahrbahn, ohne Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs, um sich bei Herannahen eines anderen Fahrzeugs in Sicherheit zu begeben, als unfallursächliches Mitverschulden gewertet (Senat, Urteil vom 28. September 1976 - VI ZR 219/74, VersR 1977, 36, 37; vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2000 - VI ZR 313/99, VersR 2001, 76, 77 m.w.N.). Jedoch ist für den Vorwurf des Mitverschuldens das Ausmaß der Selbstgefährdung im konkreten Fall ausschlaggebend. Dieses bestimmt sich insbesondere nach den Sichtverhältnissen des nachfolgenden Verkehrs auf das auf dem Seitenstreifen mit eingeschalteter Warnblinkanlage abgestellte Fahrzeug, dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum und der Dauer des zum Aufstellen des Warndreiecks erforderlichen Zeitraums (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1970 - VI ZR 116/69, NJW 1971, 431, 432).
16
Im Streitfall spricht gegen ein Verschulden des Klägers gegen sich selbst, dass an dem Unfallfahrzeug und dem davor stehenden Fahrzeug des Klägers jeweils die Warnblinkleuchten eingeschaltet waren, wodurch der nachfolgende Verkehr auf die allgemeine Gefahrenstelle hingewiesen und zu vorsichtiger Fahrweise angehalten wurde (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 2 StVO). Da der Seitenstreifen vom fließenden Verkehr nicht befahren werden darf (§ 2 Abs. 1 StVO), das Fahrzeug des Beklagten zu 3 aber vollständig auf dem Seitenstreifen stand, musste der Kläger in diesem Bereich auch nicht mit nachfolgendem Verkehr rechnen und sich davor in Sicherheit bringen. Die Entnahme eines Warndreiecks aus dem Kofferraum nimmt zudem nur einen sehr kurzen Zeitraum in Anspruch. Entgegen der Auffassung der Revision widerspricht die im Streitfall zutreffende Beurteilung durch das Berufungsgericht auch nicht derjenigen des Oberlandesgerichts Hamm im Urteil vom 29. März 1994 (27 U 219/93, VersR 1995, 1066). Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar.
17
2. Die Revision des Klägers
18
Die Revision des Klägers ist begründet.
19
a) Die Beklagten zu 3 und 5 haften dem Grunde nach in vollem Umfang gemäß § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. (nunmehr § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG). Die Haftung aus Verschulden kommt hinsichtlich der Beklagten zu 4 nicht in Betracht, weil sie Vermieterin des vom Beklagten zu 3 geführten Fahrzeugs und somit lediglich dessen Halterin war.
20
Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass zwischen dem durch den Beklagten zu 3 verschuldeten Unfall und den Verletzungen des Klägers der haftungsbegründende Zurechnungszusammenhang für die Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB nicht gegeben sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar lassen sich allgemein verbindliche Grundsätze, in welchen Fällen ein haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang bejaht oder verneint werden muss, nicht aufstellen. Letztlich kommt es auf eine wertende Betrachtung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (Senatsurteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 218/03, VersR 2004, 529, 530). So kann der Verursachungsbeitrag eines Zweitschädigers einem Geschehen eine Wendung geben, die die Wertung erlaubt, dass die durch den Erstunfall geschaffene Gefahrenlage für den Zweitunfall von völlig untergeordneter Bedeutung ist und eine Haftung des Erstschädigers nicht mehr rechtfertigt (Senat, Urteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 218/03, aaO). Eine solche Wertung kann etwa dann möglich sein, wenn es zu einem Zweitunfall deshalb kommt, weil dessen Verur- sacher ordnungsgemäße und ausreichende Absicherungsmaßnahmen nicht beachtet, die nach einem die Fahrbahn versperrenden oder verengenden Erstunfall getroffen worden sind (Senatsurteile vom 20. Juni 1969 - VI ZR 32/68, VersR 1969, 895, 896 und vom 10. Februar 2004 - VI ZR 218/03, aaO). So liegt der Streitfall nicht. Der erkennende Senat vermag die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu teilen, dass das durch den ersten Schleudervorgang geschaffene Schadensrisiko bis zum zweiten Unfall bereits vollständig abgeklungen gewesen sei. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass das auf dem Seitenstreifen stehende Fahrzeug des Beklagten zu 3 das nachfolgende Unfallgeschehen maßgeblich beeinflusste, weil erst die durch die Absicherung des Pkw der Beklagten zu 4 bedingte Anwesenheit des Klägers auf dem Seitenstreifen unmittelbar zu dessen Schädigung führte. Auch wenn es unter den gegebenen Umständen der weiteren Absicherung des Unfallfahrzeugs durch das Aufstellen eines Warndreiecks nicht bedurfte, was das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, durfte sich der Kläger jedenfalls für verpflichtet halten, an der Unfallstelle ein Warndreieck aufzustellen (vgl. §§ 15, 34 Abs. 1 StVG), und sich deshalb kurzzeitig auf dem Standstreifen aufhalten. Zudem hat sich in dem vom Beklagten zu 1 verschuldeten Zweitunfall nicht ausschließlich die durch die Straßenverhältnisse begründete allgemeine Unfallgefahr verwirklicht. Auch wenn die Gefahr, dass weitere Fahrzeuge ins Schleudern geraten, durch den winterlichen Straßenzustand und die unzureichende Bereifung des Pkw des Beklagten zu 1 begründet wurde, war für die Verletzung des Klägers entscheidend, dass sich dieser auf dem Seitenstreifen aufhielt. Zur Schädigung des Klägers kam es erst aufgrund des Zusammentreffens beider Unfallgeschehen. Haben sich die durch den Schleudervorgang des Beklagten zu 3 entstandenen Gefahren somit in dem nachfolgenden Unfallgeschehen erst in der Verletzung des Klägers ausgewirkt, kann der haftungsrechtliche Zu- rechnungszusammenhang mit dem vom Beklagten zu 3 verschuldeten Unfall nicht verneint werden.
21
b) Das Berufungsgericht hält irrigerweise auch Ansprüche des Klägers aus Gefährdungshaftung gemäß §§ 7, 18 StVG, § 3 PflVG a.F. (nunmehr § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG) gegen die Beklagten zu 3 bis 5 für nicht gegeben.
22
aa) Die Haftung nach den §§ 7 ff. StVG ist nicht bereits gemäß § 8 Nr. 2 StVG ausgeschlossen.
23
Nach der Regelung in § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte u.a. bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. § 8 Nr. 2 StVG erfasst Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind (Senatsurteil vom 16. Dezember 1953 - VI ZR 131/52, NJW 1954, 393; Dauer in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 8 StVG Rn. 3 f.; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 19 Rn. 10). Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses besteht darin, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteil werden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt. Als Ausnahmevorschrift ist die Bestimmung des § 8 Nr. 2 StVG eng auszulegen. Für die Anwendung des § 8 StVG kommt es nicht auf die Art der Tätigkeit zur Zeit eines Schadensfalles an, sofern sie nur der Förderung des Betriebes des Kfz dient. Doch setzt die Tätigkeit bei dem Betrieb eines Kfz im Allgemeinen eine gewisse Dauer voraus, wie sie beispielsweise der Fahrer im Verkehr ausübt. Fehlt es an einer Dauerbeziehung, wie es bei gelegentlichen Hilfeleistungen an dem Betriebe unbeteiligter Personen der Fall ist, so kann ei- ne den Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG herbeiführende Tätigkeit nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur angenommen werden, wenn sie in einer so nahen und unmittelbaren Beziehung zu den Triebkräften des Kfz steht, dass der Tätige nach der Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs mehr ausgesetzt ist als die Allgemeinheit (vgl. Senat, Urteil vom 16. Dezember 1953 - VI ZR 131/52, aaO). Die Haftungsfreistellung nach § 8 Nr. 2 StVG greift mithin nicht zu Gunsten der Beklagten zu 3 bis 5 ein.
24
bb) Der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich in der Verletzung des Klägers nicht die Betriebsgefahr, die vom Fahrzeug des Beklagten zu 4 ausgeht, realisiert hat, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Bei der Frage, ob der Kläger "bei dem Betrieb" des vom Beklagten zu 3 geführten Fahrzeugs verletzt worden ist, ist nicht nur auf die zum Erstunfall führenden Fahrvorgänge abzustellen. Vielmehr kann, worauf die Revision der Beklagten zu 1 und 2 im Ausgangspunkt zutreffend hinweist, auch von einem auf dem Seitenstreifen einer Autobahn stehenden Kraftfahrzeug (vgl. König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 7 StVG Rn. 8) und von einem nach einem Unfall liegen gebliebenen Kraftfahrzeug bei bereits ordnungsgemäß abgesicherter Unfallstelle noch eine Betriebsgefahr ausgehen (vgl. Senatsurteile vom 9. Januar 1959 - VI ZR 202/57, BGHZ 29, 163, 165 ff.; vom 25. Oktober 1994 - VI ZR 107/94, VersR 1995, 90, 92 und vom 16. April 1996 - VI ZR 79/95, VersR 1996, 856, 857; Kaufmann in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 25 Rn. 58). Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist. Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrach- tung beurteilt werden (Senatsurteile vom 5. Juli 1988 - VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.; vom 2. Juli 1991 - VI ZR 6/91, BGHZ 115, 84, 86; vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04, VersR 2005, 566 und vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993; BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - III ZR 14/90, BGHZ 113, 164, 165). So hat der Senat entschieden, dass auch von einem Kraftfahrzeug, das auf der Fahrbahn einer für den Schnellverkehr bestimmten Straße liegen geblieben ist, eine Betriebsgefahr ausgeht (Senat, Urteile vom 9. Januar 1959 - VI ZR 202/57, BGHZ 29, 163, 165 ff. und vom 18. März 1969 - VI ZR 217/67, VersR 1969, 668, 669). Allerdings reicht nicht die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle aus, vielmehr muss das Kraftfahrzeug durch die Fahrweise oder eine sonstige mit dem Betrieb zusammenhängende Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben (Senatsurteile vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71, VersR 72, 1074 f.; vom 4. Mai 1976 - VI ZR 193/74, VersR 1976, 927; vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87, VersR 1988, 641 und vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993). Die Zurechnung eines Unfalls zur Betriebsgefahr eines Fahrzeugs kann dann unterbrochen sein, wenn nach einem Erstunfall die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen worden sind, ehe es zu einem weiteren Unfall kommt (Senat, Urteil vom 20. Juni 1969 - VI ZR 32/68, VersR 1969, 895, 896).
25
Die vom Berufungsgericht vertretene - in Bezug auf die Gefährdungshaftung nicht näher begründete - Auffassung, die vom Fahrzeug der Beklagten zu 4 ausgehende Betriebsgefahr habe sich im Hinblick auf die Verletzung des Klägers nicht ausgewirkt, begegnet danach durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Durch das beim Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 4 entstandene Unfallgeschehen wurde der Kläger veranlasst, sich im Bereich des Seitenstreifens aufzuhalten, um eine Sicherungsmaßnahme vorzunehmen. Zwar hat den zur Verletzung des Klägers führenden Schleudervorgang des Fahrzeugs des Beklagten zu 1 das zuerst verunfallte Fahrzeug der Beklagten zu 4 nicht ausge- löst. Auch ohne das auf dem Seitenstreifen stehende Fahrzeug der Beklagten zu 4 hätte der auf dem mittleren Fahrstreifen in einer der Witterung nicht angepassten Weise fahrende Beklagte zu 1 die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Jedoch war der Kläger aufgrund des beim Betrieb entstandenen Unfalls auf dem Seitenstreifen tätig, um durch das Aufstellen eines Warndreiecks die Unfallstelle den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften entsprechend abzusichern. Er hatte die erforderlich erscheinenden Sicherungsmaßnahmen nach dem Erstunfall gerade noch nicht abgeschlossen, als er vom Fahrzeug des Beklagten zu 1 erfasst und verletzt worden ist. Das vom Beklagten zu 3 ausgelöste Unfallgeschehen ist somit auch dem Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 3 bis 5 zuzurechnen.
26
Da der Kläger weder Halter noch Führer eines beteiligten Fahrzeugs war, kommt eine Anspruchskürzung nach §§ 17, 18 StVG nicht in Betracht. Mithin haften die Beklagten zu 1 bis 5 dem Kläger als Gesamtschuldner in vollem Umfang.

27
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Galke Wellner Diederichsen Pauge von Pentz Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 20.02.2009 - 4 O 3156/07 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 28.08.2009 - 7 U 397/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 468/12
vom
7. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Februar 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 25. April 2012, soweit es ihn betrifft,
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,

b) soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
unterblieben ist, sowie

c) im Adhäsionsausspruch. Von einer Entscheidung über die
Adhäsionsanträge wird abgesehen.
Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen
Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die
sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen
trägt jeder Beteiligte selbst.
Im verbleibenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zu
neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt sowie hinsichtlich beider Nebenkläger Adhäsionsentscheidungen getroffen. Das auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Beschwerdeführers hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat aus den beiden - rechtsfehlerfrei bemessenen - Einzelstrafen für die verfahrensgegenständlichen Taten sowie unter Einbeziehung einer zweimonatigen Freiheitsstrafe wegen Sachbeschädigung aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 24. Januar 2012 (Az. 207 Ds [602 Js 46345/11] 815/11) eine - mit Blick auf die einbezogene Strafe nachträgliche - Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Der Senat kann nicht ausschließen, dass dabei in rechtsfehlerhafter Weise die Einbeziehung der Strafe aus einem weiteren Urteil des Amtsgerichts Osnabrück unterblieben ist. Denn ausweislich der Feststellungen hat dieses Gericht den Angeklagten ebenfalls am 24. Januar 2012 unter dem gleichen Aktenzeichen zu einer - weiteren - Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, wobei - wenn diese Daten zutreffend sind - unklar bleibt, warum nicht auch insoweit die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB vorgelegen haben sollten.
3
2. Die Entscheidung des Landgerichts, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht anzuordnen, begegnet eben- falls durchgreifenden Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt : "Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat das Landgericht abgelehnt. Es hat - einen Hang offenbar unterstellend - angenommen, dass sich ein symptomatischer Zusammenhang zwischen den abgeurteilten Taten und dem Hang des Angeklagten zu übermäßigem Konsum von Rauschmitteln nicht sicher feststellen ließe. Die Taten seien zumindest auch auf die bei dem Angeklagten festgestellte sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen (ICD-10: F92.8) zurückzuführen. Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht. Bei seiner Bewertung ist das Landgericht von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat des Täters ausgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 309)."
4
Dem schließt sich der Senat an. Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38,

362).

5
3. Schließlich sind auch - bezogen auf diesen Angeklagten - die Adhäsionsaussprüche der Strafkammer rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat den Beschwerdeführer als Gesamtschuldner mit den zwei nichtrevidierenden ehemaligen Mitangeklagten M. und S. zur Zahlung eines Schmerzens- geldes in Höhe von 75.000 € an den Adhäsionskläger K. und in Höhe von 10.000 € an den Adhäsionskläger H. verurteilt und jeweils festgestellt, dass er mit den ehemaligen Mitangeklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sei, den Adhäsionsklägern alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 31. Juli 2011 zu ersetzen.
6
In der rechtlichen Würdigung führt die Strafkammer bezogen auf den Adhäsionskläger K. hingegen aus, dass die Tritte gegen dessen Kopf, die zu den gravierenden Verletzungen geführt haben, dem Angeklagten als Exzess des ehemaligen Mitangeklagten M. nicht zurechenbar seien; er habe diesen Exzess auch nicht voraussehen können, so dass ihm auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht zu machen sei. Damit scheitert eine Zurechnung dieses Tatbeitrages aber auch bei der Prüfung der Frage, ob sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, was wiederum Voraussetzung der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB ist. Die Beurteilung insoweit richtet sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, wenn einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschluss vom 8. November 2005 - 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8; BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 2). Sind danach aber die sowohl für die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs als auch für den Umfang des weiteren Schadensersatzanspruchs prägenden Verletzungen dem Angeklagten nicht zurechenbar, kann seine Verurteilung als Gesamtschuldner keinen Bestand haben.
7
Mit Blick auf den Adhäsionskläger H. ist die Verurteilung aufzuheben , weil die Ausführungen des Landgerichts insoweit widersprüchlich sind. In der rechtlichen Würdigung der Taten zu seinem Nachteil führt die Strafkammer aus, dem Angeklagten seien körperliche Beeinträchtigungen in der Schwere , wie sie durch Schläge verursacht werden, zurechenbar, was angesichts der bei diesem Nebenkläger aufgetretenen, weit weniger gravierenden Verletzungsfolgen die volle zivilrechtliche Haftung des Angeklagten begründen könnte. In den Ausführungen betreffend den Adhäsionskläger K. heißt es hingegen: "Dass M. und S. den wehrlos am Boden liegendenNebenklägern 2-4 kräftige, in stampfender Bewegung von oben ausgeführte Fußtritte auf den Kopf gegeben hat (sic !), ist L. als Exzess des Mittäters M. nicht zurechenbar." (Unterstreichungen nicht im Original). Dies könnte wiederum dafür sprechen, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, es gebe dem Angeklagten nicht zurechenbare Verletzungen auch dieses Adhäsionsklägers. Dies kann der Senat auch vor dem Hintergrund nicht ausschließen, dass sich diese Ausführungen teilweise nicht mit den Feststellungen zum Tathergang decken.
8
Da bei der Prüfung, in welchem Umfang der Angeklagte für Verletzungsfolgen bei den Adhäsionsklägern einzustehen hat, unter Umständen schwierige zivilrechtliche Zurechnungsfragen zu klären sind, die auch eine weitere medizinische Klärung zur Kausalität zwischen Verletzungshandlungen und -folgen erforderlich machen und so das Strafverfahren nicht unerheblich verzögern können, verweist der Senat die Sache insoweit nicht zurück, sondern sieht von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge ab (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 406 Rn. 12 mwN).
Schäfer Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 7 2 / 1 3
vom
8. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
hier: Revision des Angeklagten M.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
8. Januar 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des
Landgerichts Kleve vom 27. Juni 2013 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben

a) soweit es ihn und den Mitangeklagten B. betrifft, im
Strafausspruch,

b) soweit es ihn betrifft, im Maßregelausspruch und im
Adhäsionsausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten M. wird
verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. sowie den Mitangeklagten B. , der keine Revision eingelegt hat, wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten M. in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vor Vollziehung der Maßregel ein Jahr und drei Monate der Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Darüber hinaus hat es die Angeklagten sowie einen weiteren Mitangeklagten dazu verurteilt, als Gesamtschuldner an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent- punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2013 zu zahlen. Das auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Rechtsmittel des Angeklagten M. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg und führt gemäß § 357 Satz 1 StPO auch zur Aufhebung der gegen den Mitangeklagten B. verhängten Strafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat keinen minder schweren Fall des besonders schweren Raubes angenommen. Dabei hat sie im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zuungunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er bei den Angriffen auf den Geschädigten mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer vom Versuch der Tötung strafbefreiend zurückgetreten ist. Der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz durfte deshalb nicht straferschwerend berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 14. Februar 1996 - 3 StR 445/95, BGHSt 42, 43, 44; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 24 Rn. 114 mwN). Allein auf diesen Vorsatz und - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht auf das sowohl dem vollendeten besonders schweren Raub wie dem bedingten Tötungsvorsatz zugrundeliegende Tatmotiv hat das Landgericht abgehoben. Schon deshalb kann der Senat offenlassen (s. bereits BGH, Beschluss vom 25. Juli 2002 - 3 StR 41/02, NStZ 2003, 143, 144), ob in einem Fall, in dem sich der auf das weitergehende versuchte Delikt gerichtete Vorsatz mit dem Motiv für die verbleibende vollendete Tat überschneidet, im Einzelfall etwas anderes gelten könnte. Im Übrigen dürfte das hier dem Tötungsvorsatz zugrundeliegende Motiv der Beuteerlangung dem Angeklagten aber ohnehin nicht strafschärfend angelastet werden; denn da der Angeklagte wegen besonders schweren Raubes verurteilt worden ist, wäre eine solche Erwägung mit § 46 Abs. 3 StGB unvereinbar.
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Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht die gegen den Angeklagten verhängte Strafe; denn da die Strafkammer das Vorliegen eines minder schweren Falles "maßgeblich" mit Hinweis auf den Tötungsvorsatz abgelehnt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Berücksichtigung dieses Umstandes sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Bemessung der konkreten Strafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
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Die damit veranlasste Aufhebung des Strafausspruchs erstreckt sich auch auf die gegen den Mitangeklagten B. verhängte Freiheitsstrafe (§ 357 StPO); denn auch bei diesem hat das Landgericht den Tötungsvorsatz in gleicher Weise rechtsfehlerhaft bei der Strafzumessung berücksichtigt.
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2. Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Die Verhängung dieser Maßregel setzt unter anderem die Gefahr voraus , dass der Täter infolge seines Hanges zum übermäßigen Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Eine solche Gefahr hat das Landgericht vorliegend bejaht. Es hat sich insoweit die Ausführungen des Sachverständigen zu Eigen gemacht , der darauf abgestellt hat, die bei dem Angeklagten diagnostizierte Polytoxikomanie werde in Kombination mit der vorliegenden dissozialen Persönlichkeitsstörung mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass er erneut Gewaltdelikte verüben werde. Das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung wird durch die Feststellungen indes nicht belegt. Diesen kann nur entnommen werden, dass der Angeklagte zwar weder über einen Schulabschluss noch über einen beruflichen Abschluss verfügt, aber, wenn auch mit Unterbrechungen, immer wieder gearbeitet hat. Auch ist der Angeklagte ausweislich des Bundeszentralregisters bislang unbestraft. Danach liegt die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung nicht ohne weiteres auf der Hand. Ebenso wenig versteht es sich aufgrund der genannten Umstände von selbst, dass der Angeklagte in Zukunft erneut straffällig werden wird. Beides hätte daher näherer Darlegung bedurft.
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Über die Anordnung der Maßregel ist deshalb neu zu befinden. Sollte die Beweisaufnahme eine Persönlichkeitsstörung des Angeklagten belegen, so wird diese nicht nur bei der für eine Unterbringung geforderten Gefahrprognose , sondern auch bei der Beurteilung seiner Schuldfähigkeit zu berücksichtigen sein. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass im Falle der erneuten Anordnung der Unterbringung in einer Erziehungsanstalt zur Berechnung des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB) die voraussichtliche Therapiedauer bestimmt werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, juris Rn. 16).
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3. Schließlich ist auch der Adhäsionsausspruch gegen den Angeklagten rechtsfehlerhaft.
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Das Landgericht hat die Höhe des von dem Angeklagten in Gesamtschuldnerschaft mit den beiden Mitangeklagten zu zahlenden Schmerzensgel- des von 8.000 € unter Berücksichtigung der Folgen der Tat für den Geschädig- ten sowie der besonderen Bedeutung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes bei vorsätzlichen Körperverletzungsdelikten bemessen. Diese Begründung der Adhäsionsentscheidung hat schon deshalb keinen Bestand, weil nicht deutlich wird, ob die Kammer dabei, wie regelmäßig erforderlich, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Tatbeteiligten berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344).
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Da die Sache auch aus anderen Gründen zurückverwiesen wird, wird der neue Tatrichter auch über den Adhäsionsanspruch gegen den Angeklagten M. nochmals zu befinden haben. Die Erstreckung der Aufhebung des Adhäsionsausspruchs auf den Nichtrevidenten B. kommt jedoch nicht in Betracht. Es liegt kein Fall des § 357 StPO vor, weil der Aufhebung der Adhäsionsentscheidung gegen den Angeklagten M. keine Gesetzesverletzung bei Anwendung eines Strafgesetzes zugrunde liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 3 StR 395/02, StV 2004, 61, 62; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344).
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol