Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2009 - 1 StR 205/09

bei uns veröffentlicht am28.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 205/09
vom
28. Oktober 2009
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
Zur Frage, inwieweit zur Beurteilung der Umgrenzungsfunktion
der Anklage auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen
zur Prüfung der Frage zurückgegriffen werden kann, gegen
welchen von mehreren Angeklagten sich ein bestimmter
Vorwurf richtet.
BGH, Urt. vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
28. Oktober 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten J. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 12. März 2008 wird
a) das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten J. betrifft, im Fall B.II.3 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insofern eingestellt; im Umfang der Einstellung hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten J. zu tragen ,
b) das genannte Urteil im Übrigen, soweit die Angeklagten S. , K. und J. freigesprochen wurden, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die verbleibenden Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die den Angeklagten J. betreffende weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten (betreffend den Angeklagten S. in den Fällen B.I., B.II.2 und 3 der Urteilsgründe, bei dem Angeklagten K. in den Fällen B.II.1 bis 3 der Urteilsgründe und bezüglich des Angeklagten J. in den Fällen B.II.1 und 3 der Urteilsgründe) von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügt und die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, führen betreffend den Angeklagten J. zur Einstellung des Verfahrens im Fall B.II.3 der Urteilsgründe, weil es insofern an den Verfahrensvoraussetzungen der Erhebung einer ordnungsgemäßen Anklage und damit auch an der ordnungsgemäßen Zulassung der Anklage fehlt. Im Übrigen war das Urteil in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang aufzuheben. Soweit die Beschwerdeführerin betreffend den Angeklagten J. zudem im Fall B.II.2 der Urteilsgründe einen Verstoß gegen die gerichtliche Kognitionspflicht beanstandet, bleibt das Rechtsmittel hingegen ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
1. Die Angeklagten - bis auf den Mitangeklagten Sc. allesamt Unteroffiziere verschiedenen Ranges - waren im Jahr 2004 in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig und bildeten dort Rekruten in der Grundausbildung aus. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom Mitangeklagten Haupt- mann Sc. geführt wurde, handelt es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Allgemeinen Grundausbildung zugewiesen wurden.
4
Zur Tatzeit - im zweiten und dritten Quartal 2004 - war der Angeklagte S. im Rang eines Oberfeldwebels als Gruppenführer eingesetzt. Der Angeklagte K. war im zweiten Quartal 2004 zum Hauptfeldwebel befördert und als Gruppenführer im zweiten Zug sowie im dritten Quartal 2004 als stellvertretender Zugführer im ersten Zug eingesetzt worden. Der Angeklagte J. war im Juni/Juli 2004 zur 7. Kompanie nach Coesfeld versetzt worden und seitdem im Rang eines Stabsunteroffiziers als Gruppenführer tätig.
5
2. Im zweiten und dritten Quartal 2004 galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Allgemeine Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme/Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef selbst durchzuführende, ausschließlich theoretische Unterrichtseinheit über Geiselhaft, Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor. Eine praktische Übung in einem solchen Zusammenhang und zu diesem Thema ist nicht vorge- sehen. Diese geänderte AnTrA1 war bereits seit dem 19. Juli 2004 im Intranet der Bundeswehr abrufbar.
6
Schon zuvor fanden im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum in Hammelburg Lehrgänge statt, in denen Zugführer von Ausbildungskompanien für die Ausbildung nach der neuen AnTrA1 geschult wurden, um als Multiplikatoren für die übrigen Ausbilder zu fungieren. Den Ausbildern wurden hier die neuen Inhalte der geänderten AnTrA1 auszugsweise vermittelt. Es wurde ihnen aufgezeigt , wie die neuen Ausbildungsinhalte in den Einheiten praktisch umgesetzt werden konnten. Eine Ausbildung zum Thema „Geiselnahme/Verhalten in Geiselhaft“ erfolgte nicht. Die Mitangeklagten D. und H. hatten an einem solchen Lehrgang bereits teilgenommen.
7
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr nur für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wozu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung selbst lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten , deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen, wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Mitangeklagten D. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
8
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell geschulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
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4. Anfang April 2004 (Fall B.I. der Urteilsgründe) begannen in der Freiherr -vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehr- dienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und H. waren.
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a) Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der Allgemeinen Grundausbildung in Coesfeld eine Geiselnahmeübung durchzuführen. Ihnen war - ebenso wie dem Mitangeklagten Hauptmann Sc. - bekannt, dass eine Änderung der AnTrA1 bevorstand und auch eine Übung „Geiselhaft“ in die Allgemeine Grundausbildung eingeführt werden sollte. Nach Ansicht der Kammer ließ sich jedoch nicht feststellen, ob sie auch wussten, dass diese Übung lediglich theoretisch und nur durch den Kompaniechef ausgebildet werden sollte.
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Vor dem 8. Juni 2004 fand auf Anordnung der beiden Zugführer eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch der Angeklagte S. teilnahm. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und H. beabsichtigten, die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt. Auch auf den Dienstplänen, die von den Zugführern erstellt und dem Mitangeklagten Sc. zur Unterzeichnung und anschließenden Weiterleitung an das Bataillon vorgelegt worden waren, war eine Geiselnahme nicht erwähnt.
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Die beiden Zugführer D. und H. teilten neben fünf weiteren Ausbildern den Angeklagten S. für das „Überfallkommando“ ein. Dieses sollte die Rekruten nach Bewältigung des Nachtmarsches in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Für die Fesselung waren dabei Kabelbinder vorgesehen, weil den bei der Besprechung Anwesenden bei dem Gebrauch von „Panzerklebeband“ die Verletzungsgefahr zu hoch erschien. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube „verhört“ zu werden. Für dieses „Verhör“ teilten die beiden Zugführer den früheren Mitangeklagten He. ein. Diesem sagte der Mitangeklagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“, im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der frühere Mitangeklagte He. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte. Außerdem wurde vereinbart, den Rekruten vor dem Überfall das Codewort „Tiffy“ mitzuteilen, mit dem die Rekruten jederzeit aus der Übung aussteigen könnten. Dieser Begriff wurde in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet, um Kameraden zu verhöhnen.
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Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Mitangeklagten D. und H. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte der Mitangeklagte Hauptmann Sc. eine solche Übung auch genehmigt, obwohl er Bedenken hatte, weil er wusste, dass diese in der geltenden AnTrA1 nicht vorgesehen war.
14
b) Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und H. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Entgegen der ursprünglichen Planung in der Ausbilderbesprechung wurde den Rekruten ein Kennwort, mit dem die Übung hätte beendet werden können, nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren „Verhörs“ gesagt worden, sie müssten nur das Wort „Tiffy“ sagen, um aus der Übung auszusteigen.
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c) Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder zum vorgesehenen Überfallort gebracht worden. Diese sollten laut Anweisung der Zugführer D. und H. den Rekruten möglichst über der Kleidung angelegt und nicht ganz eng zugezogen werden, damit sie nicht in die Haut schnitten.
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Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“, das zeitweise von den Mitangeklagten D. und H. verstärkt wurde, die dann zum Teil beim Überfallen und Überwältigen der Rekruten mithalfen, lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer der Ausbilder ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell verbunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
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Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei - darunter der Zeuge F. , der vom Angeklagten S. gefesselt worden war - erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Bei einem Rekruten saßen die Kabelbinder so stramm, dass sie Schmerzen verur- sachten und es später Schwierigkeiten bereitete, ihn davon zu befreien. Bei dem Versuch eines Ausbilders, sie mit einem Taschenmesser zu durchtrennen, trug der Rekrut eine leichte Schnittverletzung davon.
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Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen. Teilweise wurden sie bereits jetzt befragt. Als der Zeuge B. , der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden lag, hierbei „patzige“ Antworten gab, stellte einer der Ausbilder seinen Stiefel unter dessen Hoden und hob den Stiefel etwa zwei Sekunden an. Dies war für den Zeugen B. schmerzhaft.
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d) Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie von den Ausbildern auf die Ladefläche eines Pritschenwagens „verladen“. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer - bei einer Fahrt auch der Angeklagte S. - auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern , dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
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e) Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Ausbilder fuhr mit dem Pritschenwagen zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
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Die Rekruten mussten sich in einem von dem früheren Mitangeklagten He. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom früheren Mitangeklagten He. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der frühere Mitangeklagte He. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte.
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So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie ihre Stellung nur mit Mühe halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der frühere Mitangeklagte He. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
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Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des früheren Mitangeklagten He. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt, dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
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Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
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Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der frühere Mitangeklagte He. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der frühere Mitangeklagte He. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der frühere Mitangeklagte He. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits He. beleidigte, bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.
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Der Zeuge Fä. musste sich während seines Verhörs mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen mit dem Kopf an einen Baum anlehnen. Die Ausbilder zogen ihm die Beine so weit zurück, bis es für ihn anstrengend wurde, die Position zu halten. Dann wurde auch ihm mit der Kübelspritze Wasser in die Hose gepumpt, während er weiter befragt wurde. Als der Zeuge Fä. eine „patzige“ Antwort gab, wurde er auf den Rücken gelegt und es wurde ihm Wasser in die Nase gepumpt. Anschließend hielt ihm der frühere Mitangeklagte He. die Nase zu und drückte ihm den Mund auf, während ihm ein Hilfsausbilder Wasser hinein pumpte. Dabei verschluckte sich Fä. . Diese Vernehmung des Zeugen Fä. wurde vom Mitangeklagten D. , der sich zu diesem Zeitpunkt - ebenso wie der Mitangeklagte H. - in der Sandgrube aufhielt, fotografiert.

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Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
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f) Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte zwischen 20 und 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden. Im Anschluss an die Übung fand eine Nachbesprechung statt.
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Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob der Angeklagte S. wusste, was der frühere Mitangeklagte He. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.
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5. Anfang des dritten Quartals 2004 begannen etwa 150 Rekruten ihre Allgemeine Grundausbildung in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne in Coesfeld, die auf drei Ausbildungszüge verteilt wurden. Zugführer waren unter anderem die beiden Mitangeklagten D. und H. . Nach deren Planung sollten auch in diesem Quartal wieder Geiselnahmeübungen stattfinden - dieses Mal jedoch für jeden Zug gesondert.
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a) Zunächst sollte der dritte, vom Mitangeklagten H. geführte Zug die Übung absolvieren (Fall B.II.1 der Urteilsgründe).

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aa) An einem nicht mehr genau feststellbaren Tag vor dem 24. August 2004 fand deshalb wiederum eine von den Mitangeklagten D. und H. anberaumte Ausbilderbesprechung statt, an der auch die Angeklagten K. und J. teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung für den dritten Zug erörtert. Die beiden Zugführer D. und H. beabsichtigten, die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Schießübung des dritten Zuges am 24. August 2004, die sich bis in den späten Abend hinziehen sollte, wieder auf einen zuvor nicht angekündigten nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken. Gegen dessen Ende sollten sie überfallen, entwaffnet und gefesselt und anschließend mit einem Pritschenwagen zum „Verhör“ gebracht werden, das dieses Mal im Keller des Kasernenblocks 6, in dem der dritte Zug untergebracht war, stattfinden sollte. Vorgesehen war weiterhin, einen Raum mit Sportmatten auszulegen, in den zunächst alle Rekruten verbracht werden sollten. Von dort sollten die Rekruten dann einzeln in einen anderen Raum zum „Verhör“ gebracht und wieder mit einer Kübelspritze nass gemacht werden. Anschließend sollten alle Soldaten in einem weiteren Raum gesammelt werden. Damit sie währenddessen nicht frören, sollten sie mit bereitgelegten Decken zugedeckt werden, bevor sie schließlich freigelassen würden.
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Trotz dieser Feststellungen vermochte das Landgericht aber nicht festzustellen , ob der Angeklagte K. , der für das „Verhör“ im Keller eingeteilt war, und der Angeklagte J. , der neben weiteren Ausbildern für den Zugriff vorgesehen war, jeweils damit rechneten, dass die Rekruten während des „Verhörs“ längere Zeit mit gefesselten Händen und mit verbundenen Augen auf dem Boden würden knien müssen. Dies gilt ebenso für den Umstand, dass die vorbereitete Kübelspritze dazu Verwendung finden könnte, die Rekruten mit Was- ser zu durchnässen und ihnen damit gewaltsam Wasser in den Mund zu pumpen. Außerdem sah sich die Kammer auch nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Allerdings wurde nach den Feststellungen zu der Station „Verhör“ zumindest gesagt, die dafür eingeteilten Ausbilder sollten sich „an den Sachen aus der Sandgrube orientieren“.
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Auch hier enthielten weder der für die Rekruten einsehbare, noch der vom Kompaniechef, dem Mitangeklagten Sc. , unterzeichnete und an das Bataillon gesandte Dienstplan Informationen über die geplante Geiselnahme mit Verhör.
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Nach dieser Ausbilderbesprechung sprachen sich die für das „Verhör“ eingeteilten Ausbilder - darunter auch der Angeklagte K. - ab, wie der Kellerraum für die geplante Befragung der Rekruten herzurichten sei.
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bb) Nachdem die Rekruten des dritten Zuges am 24. August 2004 die dienstplanmäßige Schießübung absolviert hatten, kehrten sie gegen Mitternacht in die Kaserne zurück. Von dem Mitangeklagten H. wurde ihnen mitgeteilt , im Raum Coesfeld habe es terroristische Anschläge gegeben und die Bahnstrecke müsse gesichert werden. Die geplante Geiselnahme erwähnte er nicht. Allerdings erklärte er den Rekruten, dass sie die Übung jederzeit durch Nennung des Wortes „Tiffy“ beenden könnten. Auch einige Rekruten des dritten Quartals verstanden dieses Wort als Synonym für „Weichei“; für die meisten hatte es hingegen keine spezielle Bedeutung. Die Rekruten wurden auf vier Gruppen aufgeteilt und marschierten zeitlich versetzt, begleitet von ihrem jeweiligen Gruppenführer, los.
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cc) Währenddessen bereitete sich das „Überfallkommando“, das dieses Mal aus zehn und zwölf Ausbildern bestand, wie bereits bei der Übung im Juni 2004 auf den Zugriff vor. Vor Ort wurden die daran Beteiligten - unter anderem der Angeklagte J. - von den Zugführern D. , dem die Leitung dieser Station oblag, und H. eingewiesen. Die Rekruten sollten nach dem Überfall , der so verlaufen sollte wie bereits im Juni 2004, wiederum entwaffnet und gefesselt werden. Außerdem sollte ihnen jeweils ein Wäschebeutel oder Stiefelsack über den Kopf gezogen werden. Beim Anlegen der Kabelbinder sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht in die Haut schnitten.
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In den frühen Morgenstunden des 25. August 2004 waren die Rekruten, nach einem etwa 20 Kilometer langen Marsch auf dem Rückweg zur Kaserne. Als sie an den Überfallort gelangten, verwirrten die Ausbilder die Rekruten durch den lauten Knall eines gezündeten Bodensprengsimulators und kamen laut schreiend aus ihrer Deckung. Auch hier waren die Rekruten aufgrund des langen Marsches und nach fast 24 Stunden Dienst zu erschöpft und auch zu überrascht, um noch größeren Widerstand zu leisten. Nach einem Schusswechsel leisteten die Rekruten der Aufforderung, die Waffe abzulegen und sich hinzulegen, Folge. Einige Rekruten wurden von den Ausbildern zu Boden gedrückt oder gerissen. Als sich der Zeuge P. verteidigen wollte, rammte ihm einer der Ausbilder die Schulterstütze eines Gewehres in den Rücken.
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Nachdem die Rekruten entwaffnet worden waren, wurden ihnen die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt. Bei acht Rekruten saßen sie jedoch so eng, dass diese Druckspuren auf der Haut davontrugen. Drei Soldaten erlitten durch die Fesselung Schürfwunden und bei dem Zeugen P. , dem zusätzlich - ebenso wie dem Zeugen M. - auch die Füße gefesselt worden waren, schnitten die Kabelbinder in die Haut ein, so dass anschließend Abdrü- cke auf der Haut zu sehen waren. Allen Rekruten wurde zudem ein Wäschebeutel beziehungsweise Stiefelsack über den Kopf gezogen, oder ihnen wurden die Augen mit einem Dreiecktuch verbunden. Zugleich wurden die Rekruten befragt. Dabei erhielt einer, weil er eine Frage nicht beantwortete, von einem der Ausbilder einen Schlag gegen seinen Helm, einem anderen wurden leichte Tritte versetzt, und neben dem Kopf des Zeugen La. wurde eine Pistole durchgeladen und ihm an die Schläfe gehalten.
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dd) Anschließend wurden die Rekruten auf die Ladefläche eines herangefahrenen Pritschenwagens gesetzt und hinein geschoben. Die Zeugen P. und M. , die an Händen und Füßen gefesselt waren, wurden zum Fahrzeug getragen und auf die Ladefläche gelegt. Auf der folgenden Fahrt zur Kaserne fuhr zumindest einer der Ausbilder auf der Ladefläche mit, um die Rekruten zu befragen und um für Ruhe zu sorgen. Als der Zeuge P. , der mit seinem Bauch auf dem Knie eines Kameraden lag und deshalb schlecht Luft bekam, versuchte, sich aufzurichten, wurde er von einem der Ausbilder niedergedrückt und geschlagen, wodurch er Schmerzen erlitt. Ein anderer Rekrut wurde mit der Schulterstütze eines Gewehrs angestoßen, was „nicht übertrieben weh tat, aber auch nicht angenehm“ war. Wieder einem anderen wurde, als er eine Frage falsch beantwortet hatte, der Mündungsfeuerdämpfer eines Gewehres in seine Oberschenkelregion gedrückt, was Schmerzen verursachte.
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ee) Im Keller des Kasernenblocks 6 hatten sich zwischenzeitlich die für das Verhör eingeteilten Ausbilder - darunter auch der Angeklagte K. - eingefunden und warteten auf die Ankunft der ersten Gruppe. Als diese um 6.30 Uhr immer noch nicht in der Kaserne war, meldete sich der Angeklagte K. , der ab 7.00 Uhr den zweiten Zug unterrichten sollte, ab und ging auf seine Stube.

42
ff) Nach kurzer Fahrt in der Kaserne angekommen, fuhr der Pritschenwagen mit den Rekruten rückwärts an eine auf dem Boden ausgelegte, etwa 30 bis 40 cm dicke Hochsprungmatte heran. Zum „Abladen“ wurden die Rekruten bis an die Ladekante des Fahrzeugs gezogen und wurden dann entweder zum Springen aufgefordert oder hinunter gestoßen. Dadurch sollte bei den Rekruten, die nichts sehen konnten, Angst erzeugt werden.
43
Sodann wurden die Rekruten in den Keller des Kasernenblocks 6 gebracht. Dabei wurden sie wegen ihrer verbundenen Augen in der Regel von einem Ausbilder begleitet. Der Zeuge Lan. , dessen Schnürsenkel möglicherweise zusammengebunden waren, fiel dabei auf der Kellertreppe hin und stieß sich das Knie, was ihm wehtat. Zudem ließ ihn der Ausbilder, der ihn in den Keller führte, gegen eine Wand laufen.
44
gg) Die Rekruten sollten sich zunächst in einem Waschraum hinknien und wurden weiterhin auf Englisch befragt. Wenn sie keine Antworten gaben, wurden sie verschiedenen Behandlungen unterzogen. Teilweise wurde ihnen Wasser mit der Kübelspritze oder mit einem Eimer auf die Kleidung gespritzt, so dass diese durchnässt war.
45
Dann wurden die Rekruten nacheinander in den als „Verhörraum“ vorgesehenen Partyraum gebracht und weiter „verhört“. Als der Zeuge P. als einziger noch im Waschraum war und versuchte die Tür zuzuschlagen, um sich zu befreien, stieß ihn ein Ausbilder in eine Ecke, wo er mit dem Kopf gegen die Wand prallte. Anschließend wurde der Zeuge P. in dem „Verhörraum“ auf einen Stuhl gesetzt und weiter befragt. Als er nach wie vor nicht antwortete, wurde er mit einem harten, länglichen Gegenstand fest auf Arme, Beine und Rü- cken geschlagen. Dies bereitete ihm Schmerzen. Nachfolgend wurde er in einem anderen Raum weiterhin befragt, während seine Kleidung mit Wasser durchnässt wurde. Schließlich wurde er in den Kellerflur hinausgebracht, wo er sich hinknien musste. Dort blies ihm einer der Ausbilder Rauch unter das Dreiecktuch und es wurde ihm ein heißer Gegenstand an seinen Nacken gedrückt. Auch einem weiteren Rekruten wurde, als er im Kellerflur knien musste und befragt wurde, Rauch ins Gesicht geblasen.
46
Dem Zeugen La. wurde während der Befragung mit einer Lampe ins Gesicht gestrahlt. Danach musste er sich in einem anderen Raum hinknien und mit dem Kopf auf einem Waschbecken abstützen. Nachdem er in dieser Stellung einige Zeit ausgeharrt hatte, wurde seine Feldbluse aufgeknöpft und er wurde mit Wasser übergossen, während er weiter befragt wurde. Der Zeuge Bä. musste sich hinknien und seinen Kopf an eine Wand anlehnen. In dieser Haltung wurde er dann befragt. Gab er keine Antworten, bekam er einen Schlag auf den Helm. Zwei andere Rekruten wurden herum und gegen die gepolsterten Wände geschubst, wodurch einer stolperte und sich schmerzhaft das Knie stieß.
47
Sechs Rekruten - darunter auch der Zeuge Lan. - wurde wiederum mit der Kübelspritze Wasser in den Mund gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei die Nase zugehalten, so dass sie zeitweise keine Luft mehr bekamen. Der Zeuge Lan. , dem bei diesem Geschehen Wasser auch in die Nase gelaufen war und dem daher das Atmen schwer fiel, musste anschließend aufstehen und allein die deutsche Nationalhymne singen. Danach wurde er auf dem Kellerflur weiter befragt. Da er nach wie vor keine Antworten gab, wurde sein Oberkörper nach vorne gebeugt. In dieser Haltung wurde er mehrmals - jedes Mal, wenn er nicht antwortete - mit seinem behelmten Kopf gegen die Kellerwand gestoßen.
Er erlitt dadurch zwar keine Schmerzen, empfand es jedoch als „unangenehm“. Weil der Zeuge Lan. die ihm gestellten Fragen immer noch nicht beantwortete , sagte einer der Ausbilder, dass man jetzt „Ernst“ mache. Dem Zeugen Lan. wurde daraufhin der Helm abgenommen und er wurde nochmals mit dem Kopf gegen die Wand geschubst. Entgegen seinen Befürchtungen prallte der Zeuge jedoch lediglich gegen ein Stück Schaumstoff, das einer der Ausbilder zum Abfangen des Stoßes an die Wand gehalten hatte.
48
Einem anderen Rekruten wurde während seiner Befragung eine „wirklich nicht gut“ riechende Creme unter die Nase gerieben, während wieder anderen der Mund gewaltsam geöffnet wurde und ihnen sodann Ketchup und/oder Senf beziehungsweise Soßenreste eingeflößt wurden.
49
hh) Nach etwa 30 bis 45 Minuten war die Übung für eine Gruppe beendet. Die Rekruten wurden in der Regel von den Kabelbindern befreit und konnten auf ihre Stube gehen. Bei dem Zeugen P. saßen die Kabelbinder allerdings so eng, dass sie zunächst nicht gelöst werden konnten und erst von einem Kameraden mit einem Messer durchtrennt werden mussten.
50
Auch die übrigen Gruppen des dritten Zuges wurden im Laufe der Nacht überfallen, gefangen genommen und in dem Keller „verhört“. Zu einem späteren Zeitpunkt erklärte der Mitangeklagte H. den Rekruten des dritten Zuges, wie sie sich bei einer Geiselnahme richtig zu verhalten hätten.
51
b) Für den zweiten Zug fand in diesem Quartal die Geiselnahmeübung in der Nacht vom 31. August auf den 1. September 2004 statt (Fall B.II.2 der Urteilsgründe

).


52
aa) Auf einer zuvor stattfindenden Ausbilderbesprechung, deren Leitung dem früheren Mitangeklagten Z. oblag, der stellvertretender Zugführer dieses Zuges war, wurde das Vorgehen zumindest wieder in groben Zügen erörtert. Die Rekruten sollten im Anschluss an die für den 31. August 2004 vorgesehene Schießübung, die sich bis in den späten Abend ziehen sollte, erneut auf einen zuvor nicht angekündigten nächtlichen Orientierungsmarsch geschickt werden, bei dem sie kurz vor Ende überfallen, gefangen genommen und mit einem Fahrzeug zum „Verhör“ gebracht werden sollten, das auch dieses Mal im Keller des Kasernenblocks 6 stattfinden sollte. Der frühere Mitangeklagte Z. teilte bei dieser Besprechung für den „Zugriff“ neben anderen die Angeklagten S. und K. ein. Für das „Verhör“ sah er neben einigen Hilfsausbildern den Angeklagten J. vor (ihn betreffend ist das Geschehen nach Ansicht des Landgerichts nicht Gegenstand der gegen ihn erhobenen Anklage).
53
Das Landgericht sah sich erneut nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden.
54
Auch hier enthielten weder der für die Rekruten einsehbare, noch der vom Kompaniechef, dem Mitangeklagten Sc. , unterzeichnete und an das Bataillon gesandte Dienstplan Informationen über die geplante Geiselnahme mit Verhör.
55
bb) Die Rekruten des zweiten Zuges wurden am 31. August 2004 - wie auch in den vorangegangenen Fällen - im Anschluss an ihre Schießübung auf den nächtlichen Orientierungsmarsch geschickt. Der frühere Mitangeklagte Z. wies sie in die Lage ein. Auch er erklärte den Rekruten, sie könnten die Übung durch Nennung des Wortes „Tiffy“ jederzeit beenden. „Möglicherweise“ äußerte er dabei ironisch, dieses Wort sei als Codewort international anerkannt und stehe auch in der Genfer Konvention. Jedenfalls einer der Rekruten ging deshalb davon aus, dass das Wort zwar benutzt werden könne, dies aber nur auf Kosten des Stolzes oder der Ehre der Rekruten. Die bevorstehende Geiselnahme erwähnte der frühere Mitangeklagte Z. nicht. Einige Rekruten hatten zwischenzeitlich aber von der vorangegangenen Geiselnahmeübung des dritten Zuges erfahren und ahnten, dass ihnen Gleiches widerfahren könnte.
56
cc) Die Rekruten des zweiten Zuges wurden auf „vermutlich“ drei Gruppen aufgeteilt und marschierten zeitlich versetzt begleitet von ihrem jeweiligen Gruppenführer los. Wie bei den Übungen vorher kamen die Rekruten nach einem etwa 20 Kilometer langen, mehrstündigen Marsch, dieses Mal allerdings noch im Dunkeln, am Überfallort an. Die Ausbilder verwirrten die Rekruten durch das Zünden eines Bodensprengsimulators und von Gefechtsfeldbeleuchtung , die zudem auch blendete. Sie kamen aus ihrer Deckung und forderten die Rekruten auf, ihre Waffen ab und sich auf den Boden zu legen. Nach einem Schusswechsel wurden diejenigen Rekruten, die dieser Aufforderung nicht freiwillig Folge leisteten, mit körperlicher Gewalt zu Boden gedrückt oder geworfen. Einem Rekruten wurde zudem mehrfach mit einem Pistolengriff auf den Hinterkopf geschlagen, weil er sich der Festnahme widersetzte und fliehen wollte.
57
Den Rekruten wurden wiederum die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt. Bei drei Soldaten saßen sie so eng, dass sie Schmerzen bereiteten. Drei andere Rekruten trugen durch diese Fesselung Druckspuren auf der Haut und ein weiterer darüber hinaus Hautabschürfungen davon. Allen Rekruten wurde zudem ein Wäschebeutel oder Stiefelsack über den Kopf gezogen , und sie mussten sich hinknien. In dieser Situation wurden die Rekruten befragt , wobei einem von ihnen eine Pistole an den Kopf gehalten wurde. Ein an- derer wurde zu der Äußerung „I am a donkeyfucker“ aufgefordert. Auch dem Zeugen Be. wurde, während er bei seiner Befragung mit auf dem Rücken gefesselten Händen und einem über den Kopf gezogenen Wäschebeutel auf dem Boden kniete, eine - wie ihm bewusst war - ungeladene Pistole an den Kopf gehalten. Als er sich wegen eines schmerzhaften Krampfes in seinen Beinen hinlegte , bekam er von einem der Ausbilder einen Tritt in den Rücken und musste sich wieder hinknien.
58
Dem Zeugen De. war es gelungen, sich aus den Kabelbindern zu befreien und den Wäschesack vom Kopf abzustreifen. Als er jedoch in den Wald hineinlief, wurde er sogleich von mehreren Ausbildern verfolgt, die ihn einholten und zu Boden warfen. Dadurch war der Zeuge De. „nervlich offenbar überfordert“. Er bekam plötzlich Angst und begann am ganzen Körper zu zittern. Daraufhin brach der Mitangeklagte D. für diesen Zeugen die Übung ab, beruhigte ihn und ließ ihn zurück zur Kaserne bringen.
59
Der Zeuge Hi. hatte, nachdem seine Hände gefesselt worden waren und ihm ein Stiefelbeutel über den Kopf gezogen worden war, mit einem metallischen Gegenstand einen Schlag auf seinen Kopf und zudem einen Tritt in den Rücken bekommen, wodurch er kurz Zeit schlecht Luft bekam. Deshalb sagte er das Wort „Tiffy“, woraufhin er freigelassen wurde. Auch fünf weitere Rekruten hatten das Codewort genannt, so dass die Übung für sie ebenfalls beendet war und sie zurück zur Kaserne gebracht wurden. Darunter befanden sich auch der Zeuge Kü. , der bei dem Überfall auf sein Knie gestürzt war und Schmerzen hatte, sowie der Zeuge Dz. . Dieser hatte, als er mit gefesselten Händen und einem Stiefelbeutel über dem Kopf auf dem Waldboden lag, vom Angeklagte K. einen leichten Tritt mit dem Stiefel gegen den Kopf bekom- men. Dies war aber nicht absichtlich geschehen; vielmehr war der Angeklagte K. , als er einen Schritt rückwärts machte, versehentlich dagegen gestoßen.
60
dd) Die übrigen Rekruten wurden anschließend auf die Ladefläche eines Pritschenwagens gelegt und zur Kaserne gebracht. Beim „Abladen“ der Rekruten war dieses Mal keine Matte ausgelegt. Die Rekruten wurden bis zur Ladekante des Fahrzeugs gezogen und sodann von einem Ausbilder auf die Füße gestellt. Anschließend wurden sie in den Keller des Kasernenblocks 6 und zwar zunächst wieder in den Waschraum gebracht, wo sie sich hinknien oder setzen sollten. Teilweise wurden die Rekruten weiter befragt. Manchen wurde die Kleidung mit Wasser aus der Kübelspritze oder aus einem Eimer durchnässt - so auch dem Zeugen Bl. . Zudem wurde über diesem ein gefüllter Wassereimer ausgeleert und ihm anschließend der Eimer über den Kopf gestülpt, während er weiter befragt wurde. Dadurch fühlte sich der Zeuge Bl. gedemütigt. Außerdem füllte sich durch das Wasser auch der über den Kopf gezogene und zugebundene Wäschebeutel immer weiter mit Wasser, so dass der Zeuge Bl. zeitweise Probleme mit dem Atmen hatte. Anderen Rekruten wurden die Feldbluse aufgeknöpft und hochgeschoben sowie die Feldhose bis zu den Knöcheln hinuntergezogen, bevor ihnen Wasser auf die entblößten Körperteile gegossen wurde. Ein Rekrut wurde unter eine Dusche gelegt und nass gemacht. Durch den nassen Wäschesack bekam er zunehmend schlechter Luft, so dass er das Codewort nannte und die Übung für ihn abgebrochen wurde.
61
ee) Die Rekruten wurden dann entweder in den „Verhörraum“ gebracht und dort weiter verhört oder in einen Duschraum, wo der Angeklagte J. - was nach Ansicht des Landgerichts allerdings ihn betreffend nicht Gegenstand der Anklage ist - eine Personenüberprüfung durchführte. Dazu öffnete dieser Feldbluse und -hose sowie Stiefel der Rekruten und überprüfte sie auf Waffen.
Ihm war zuvor von einem nicht näher bekannten Ausbilder gesagt worden, er solle die Rekruten „ruhig etwas ruppiger anfassen“, um ihnen zu zeigen, dass das kein Spaß sei.
62
Teilweise wurde den Rekruten während der Befragung ein Gegenstand oder eine Pistole an den Kopf gehalten. Vier Rekruten wurden der Bauch oder die Beine entblößt und mit einer Bürste darüber gestrichen. Dies empfand der Zeuge Po. als „kratzig“. Dem Zeugen Bl. , dessen Haut anschließend gerötet war, tat es weh.
63
Der Zeuge Po. wurde schließlich in den Verhörraum gebracht, wo sich zu diesem Zeitpunkt ein Prüfgerät für Feldfernsprecher befand. Dieses Gerät besitzt eine Kurbel, durch deren Drehung Induktionsstrom erzeugt werden kann. Damit wurden dem Zeugen Po. mehrere Stromstöße an Bauch und Beinen versetzt, indem zwei angeschlossene Drähte an den entsprechenden Körperstellen angelegt wurden. Die Stromstöße dauerten jeweils einige Sekunden und verursachten ein Kribbeln, das deutlich unter der Schmerzgrenze blieb, da die Ausbilder, als sie merkten, dass es wehzutun begann, mit dem Kurbeln aufhörten. Auch ein weiterer Rekrut erhielt, nachdem er mit Wasser aus Eimern durchnässt worden war, während seines „Verhörs“ mit dem FeldfernsprecherPrüfgerät mindestens vier Stromschläge am Bauch und über seine Erkennungsmarke. Dies empfand er als unangenehm, aber nicht als schmerzhaft.
64
Der Zeuge Be. wurde während seiner Befragung zunächst auf den Boden gelegt und mit Wasser aus einer Kübelspritze durchnässt. Da er nicht die verlangten Antworten gab, wurde er sodann in einem anderen Raum auf einen Stuhl gesetzt, dann die beiden Kabelenden des FeldfernsprecherPrüfgerätes an einen seiner Handballen gehalten und die Kurbel des Gerätes betätigt. Währenddessen wurden ihm immer die gleichen Fragen gestellt, die er aber weiterhin nicht beantwortete. Daraufhin wurde die Kurbel schneller gedreht , so dass stärkerer Strom floss. Der Zeuge ballte seine Hand zur Faust, um die Stromschläge besser aushalten zu können. Auch einem weiteren Rekruten wurden, während er „verhört“ wurde, Stromstöße versetzt, indem die Kabelenden des Prüfgeräts an seine nassen und unbekleideten Oberschenkel angelegt wurden. Die Stromstöße waren anfangs relativ milde, wurden aber immer stärker, bis sie die Schmerzgrenze des Soldaten erreicht hatten und dieser zu zittern begann.
65
ff) Die Kammer vermochte nicht festzustellen, ob die Angeklagten S. und K. , die in dieser Nacht an der Station „Zugriff“ im Gelände tätig waren , mitbekommen oder im nachhinein davon erfahren haben, auf welche Art und Weise die Rekruten bei dieser Übung im Keller „verhört“ wurden.
66
c) In der Nacht vom 1. auf den 2. September 2004 fand schließlich für den ersten Zug in diesem Quartal die Geiselnahmeübung statt (Fall B.II.3 der Urteilsgründe).
67
aa) Zuvor fand erneut eine Ausbilderbesprechung statt, die der Mitangeklagte D. als Zugführer leitete. Dieser teilte bei dieser Besprechung unter anderem für den „Überfall“ neben anderen die Angeklagten S. und J. ein. Die Vorgehensweise bei der Geiselnahmeübung sollte unverändert bleiben. Lediglich das Verhör sollte dieses Mal im Keller des Kasernengebäudes 14 stattfinden, in dem der erste Zug untergebracht war.
68
Wiederum sah sich das Landgericht nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Jedenfalls sollte im Keller aber wieder eine Kübelspritze bereitstehen , um damit die Rekruten nass zu machen.
69
Auch dieses Mal enthielten weder der für die Rekruten einsehbare, noch der vom Kompaniechef, dem Mitangeklagten Sc. , unterzeichnete und an das Bataillon gesandte Dienstplan Informationen über die geplante Geiselnahme mit Verhör.
70
bb) Der Angeklagte J. bereitete den Keller für das Verhör vor. Er stellte einen Tisch und Stühle auf, legte Matratzen auf dem Boden aus, auf die die Soldaten gelegt werden konnten, und ließ zumindest eine Kübelspritze mit Wasser füllen und bereitstellen.
71
cc) Die Rekruten des ersten Zuges absolvierten am 1. September 2004 - wie auch in den vorangegangenen Fällen - zunächst ihre Schießübung. Nachdem diese gegen Mitternacht beendet war, teilte ihnen der Mitangeklagte D. mit, dass sie nun auf einen Nachtorientierungsmarsch gehen müssten, wobei das Gebiet zur Verhinderung terroristischer Angriffe bestreift werden müsse. Zudem erklärte er ihnen, sie könnten die Übung durch Nennung des Wortes „Tiffy“ jederzeit beenden. Auch einige Rekruten dieses Zuges verstanden dieses Wort als Synonym für „Weichei“ oder „Schwächling“; für die meisten hatte es hingegen keine besondere Bedeutung.
72
Im Unterschied zu den vorhergehenden Übungen vermuteten dieses Mal zahlreiche Rekruten, dass sie überfallen werden würden, da sie teilweise Gerüchte oder Andeutungen aus den anderen Zügen über eine bevorstehende Geiselnahme gehört hatten. Der genaue Ablauf war jedoch keinem der Rekruten bekannt.

73
dd) Auch die Rekruten des ersten Zuges machten sich in Gruppen ohne ihren planmäßigen Gruppenführer im Abstand von etwa 20 Minuten auf den Weg. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Der Angeklagte K. fuhr gemeinsam mit den Mitangeklagten D. und H. los, um den Marsch zu überwachen. Gegen 23.30 Uhr informierten sie den Mitangeklagten Ja. telefonisch darüber, dass sich die erste Gruppe nun auf dem Weg zum Überfallort befinde und sich die Ausbilder bereit machen sollten. Der Angeklagte K. erwartete gemeinsam mit den Mitangeklagten D. und H. die für den „Überfall“ eingeteilten Ausbilder bereits am Ort des geplanten Zugriffs.
74
Die erste Gruppe kam nach einem etwa 20 Kilometer langen Marsch gegen 3.00 Uhr am Überfallort an. Anders als in den vorangegangenen Fällen gingen die Rekruten dieses Mal äußerst behutsam vor, weil sie den Überfall erahnten. Dennoch entdeckten sie die Angreifer nicht. Trotz ihrer Vorahnung waren die Rekruten infolge des Zündens eines Bodensprengsimulators und von Gefechtsfeldbeleuchtung durch die Ausbilder im ersten Moment überrascht. Sie gingen aber in Deckung und versuchten, sich zu verteidigen. Nach einem kurzen Schusswechsel hatten ihnen die Ausbilder aber die Gewehre abgenommen. Die Rekruten sollten sich sodann hinknien oder auf den Boden legen. Einige von ihnen leisteten aber auch nach der Entwaffnung Widerstand und ließen sich nicht mehr so bereitwillig fesseln wie in den vorangegangenen Fällen.
75
Einem der Rekruten, der bereits auf dem Boden lag, wurde von einem Ausbilder, „vermutlich“ von dem Angeklagten S. , ein Stiefelbeutel über den Kopf gezogen. Ihm wurden die Arme mit leichter körperlicher Gewalt nach hinten gedreht und mit den dafür vorgesehenen Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt. Ein anderer war bei dem Überfall von einem der Ausbilder umgerissen worden und wurde ebenfalls mit Kabelbindern gefesselt. Nachdem er die zu feste Fesselung reklamiert hatte, bekam er lockerer sitzende Kabelbinder angelegt. Zwischen einem Rekruten und einem Ausbilder gab es ein „kleines Handgemenge“ , während dessen der Rekrut schließlich zu Boden gebracht, entwaffnet und gefesselt wurde. Während seiner anschließenden Befragung wurde sein Gesicht teilweise in seinen am Boden liegenden Helm gedrückt. Außerdem verspürte er Druck an seinem Hinterkopf, der vermutlich von einem auf seinen Hinterkopf gestellten Stiefel herrührte. Der Zeuge Bla. wurde bei dem Überfall zu Boden gerissen, mit Kabelbindern gefesselt, und ihm wurde ein Stiefelbeutel über den Kopf gezogen. Damit er sich nicht weiter rührte, stellte einer der Ausbilder einen Stiefel in seinen Nacken; einen anderen Schuh spürte der Zeuge Bla. an seinen Genitalien. Bewegte sich der Zeuge, wurde dort gedrückt, um ihn ruhig zu stellen.
76
Nachdem es einem weiteren Rekruten zweimal gelungen war, die angelegten Kabelbinder zu zerreißen, setzte sich der Mitangeklagte Bu. auf den am Boden liegenden Soldaten, damit dieser sich nicht mehr so stark wehrte. Dennoch versuchte dieser weiterhin, sich zu befreien und streifte sich mehrfach den übergezogenen Stiefelbeutel ab. Daraufhin beendete der Mitangeklagte D. die Übung für ihn. Auch der Zeuge O. wehrte sich, so dass auch er eine Rangelei mit einem Ausbilder hatte. Er wurde schließlich von zwei Angreifern überwältigt und mit Kabelbindern gefesselt; anschließend wurde ihm eine Kapuze über den Kopf gezogen und zugebunden. Auch er zerriss mehrere Kabelbinder , bekam aber jeweils neue angelegt, bis er sich letztlich nicht mehr wehrte.
77
Wieder ein anderer Soldat wurde bei dem Überfall von einem Ausbilder zu Boden gedrückt. Die Kabelbinder, mit denen ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt worden waren, saßen sehr stramm, so dass er Rötungen und Hautabschürfungen davontrug. Einer der Ausbilder forderte ihn auf, das Codewort „Tiffy“ zu sagen. Dem kam der Zeuge schließlich nach, woraufhin die Übung für ihn beendet wurde. Auch ein weiterer Rekrut wurde gepackt, zu Boden gedrückt und mit zu stramm sitzenden Kabelbindern gefesselt. Als er dies monierte, wurde ebenfalls verlangt, er solle zunächst das Codewort nennen. Als er dieses sagte, wurde er sofort befreit. Allerdings konnten die sehr eng sitzenden Kabelbinder nicht ohne weiteres durchtrennt werden. Bei dem Versuch sie mit einem Messer zu durchschneiden, erlitt dieser Rekrut leichte Schnittverletzungen an den Handgelenken. Schließlich beendete auch noch ein weiterer Rekrut durch Nennung des Codeworts die Übung, nachdem er Platzangst bekommen hatte, als ihm der Stiefelbeutel über den Kopf gezogen worden war.
78
Dem Zeugen Ly. wurde während seiner Befragung eine Pistole an den Kopf gehalten. Weil er nicht antwortete, wurde er zudem mit Tritten in den Rücken „malträtiert“, wodurch er zwei bis drei Tage anhaltende Rückenschmerzen erlitt. Dem Zeugen Deu. wurde bei seiner Entwaffnung ebenfalls eine Pistole vor den Kopf gehalten. Er wurde zu Boden gestoßen und, als er gefesselt auf dem Boden lag, trat jemand auf seinen Rücken. Zudem stellte ein Ausbilder für kurze Zeit einen Fuß auf seinen Helm, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Der Zeuge Ku. wurde während der Befragung dadurch am Boden fixiert, dass sich einer der Ausbilder auf seinen Rücken stellte, was schmerzhaft war. Außerdem erhielt er von Zeit zu Zeit einen leichten Tritt gegen seine Stiefel. Auch zwei weitere Rekruten bekamen jeweils einen - in einem Fall kräftigen, schmerzhaften - Tritt in den Rücken, dies sogar, obwohl einer der beiden der Aufforderung, sich auf den Boden zu legen und die Waffe abzugeben, sofort nachgekommen war.
79
ee) Nachdem alle Rekruten der ersten - und später auch der zweiten - Gruppe überwältigt, entwaffnet und gefesselt worden waren, wurden sie - zum Teil „recht unsanft“ - auf die Ladefläche eines Pritschenwagens „verladen“ und zur Kaserne gebracht. Während der Fahrt befand sich zumindest ein Ausbilder auf der Ladefläche, um für Ruhe zu sorgen. Dennoch verhielten sich die Rekruten nicht ruhig, sondern versuchten teilweise, die Stiefelbeutel von ihren Köpfen abzustreifen. Deshalb gab einer der Ausbilder einen Schuss ab.
80
Der Mitangeklagte D. hatte zwischenzeitlich den Mitangeklagten Ja. darüber unterrichtet, dass die erste Gruppe bald in der Kaserne eintreffen werde. Der Mitangeklagte Ja. traf sich daraufhin mit den weiteren drei für das „Verhör“ eingeteilten Ausbildern im Keller und besprach mit ihnen das weitere Vorgehen. Die Rekruten sollten nach dem „Abladen“ zunächst in den Waschraum des Kellers gebracht und dort auf den ausgelegten Matten abgelegt werden. Dann sollten sie einzeln zum „Verhör“ gebracht werden, dessen Leitung dem Mitangeklagten Ja. und dem früheren Mitangeklagten Z. oblag. Zuletzt sollten die Rekruten in einem Materialraum auf Matten abgelegt werden, um dort zu warten, bis das „Verhör“ für sämtliche aus der Gruppe beendet ist.
81
Die vier Ausbilder sahen, dass in dem Verhörraum ein FeldfernsprecherPrüfgerät war. Spätestens jetzt vereinbarten sie, dieses bei dem „Verhör“ einzusetzen und den Rekruten damit Stromschläge zu verabreichen.
82
ff) Während der Fahrt zur Kaserne gelang es drei Rekruten, sich von den Kabelbindern zu befreien. Als das Fahrzeug an der Kaserne angekommen war, wurden zwei von ihnen von den dort bereitstehenden Ausbildern erneut gefesselt - dieses Mal jedoch mit einer deutlich stabileren und reißfesten Kunststoffschnur beziehungsweise mit Klebeband. Der Zeuge O. , der ebenfalls erneut gefesselt werden sollte, setzte sich derart heftig zur Wehr, dass er schließlich aus der Übung genommen wurde.
83
Die übrigen Rekruten wurden von der Ladekante des Fahrzeugs gezogen , wobei sie auf den Füßen aufkamen. Anschließend wurden sie in den Waschraum des Kellers des Kasernenblocks geführt oder an beiden Armen hinunter getragen. Dort mussten sie sich hinknien oder auf die ausgelegten Schaumstoffmatten legen und wurden weiter befragt.
84
gg) Der Zeuge W. hatte wegen der zu fest sitzenden Kabelbinder das Gefühl in seinen Händen verloren und beschwerte sich darüber, so dass er davon befreit und nunmehr mit Klebeband gefesselt wurde. Danach wurde er in einen anderen Raum gebracht, wo ihm mit einer Kübelspritze Wasser in den Kragen gepumpt wurde, wodurch seine Kleidung vollständig durchnässt wurde. Sodann wurden seine Feldbluse geöffnet und seine Feldhose bis zu den Knöcheln hinuntergezogen, bevor ihm mit dem Feldfernsprecher-Prüfgerät zwei bis drei Stromstöße am Bauch versetzt wurden. Anschließend wurde er in einen weiteren Raum gebracht, wo er auf den Boden gelegt wurde und warten sollte. Nach einiger Zeit nannte der Zeuge W. , der die ihm zuteil gewordene Behandlung als entwürdigend empfand, der fror und keine Lust mehr hatte, auf dem Boden zu liegen, das Codewort.
85
Der Zeuge Ly. wurde zunächst mit Wasser aus einer Kübelspritze durchnässt, so dass er auskühlte und fror. Anschließend wurde er auf den Rücken gelegt, und es wurde ihm mit dem Schlauch der Kübelspritze Wasser in den Mund gepumpt, bis er zu husten begann. In dem „Verhörraum“ wurde er weiter befragt und erhielt Stromschläge in seinen Nacken, die ihm wehtaten, so dass auch er schließlich das Codewort zur Beendigung der Übung nannte. Auch die Kleidung eines weiteren Rekruten wurde durchnässt und ihm wurde Wasser in den Mund gepumpt. Zudem erhielt dieser Schläge mit der Faust und der flachen Hand sowie Tritte auf seinen Nacken und den Hinterkopf, so dass auch er letztlich die Übung beendete.
86
Der Zeuge Ku. wurde ebenfalls mit Wasser aus der Kübelspritze durchnässt und auch ihm wurde Wasser in den Mund gepumpt. Außerdem stellte sich einer der Ausbilder, nachdem der Zeuge auf den Bauch gelegt worden war und während er befragt wurde, auf seinen Rücken, was Schmerzen verursachte. Desgleichen wurde der Zeuge Deu. durchnässt und ihm Wasser in den gewaltsam aufgedrückten Mund gepumpt, so dass er sich verschluckte. Zusätzlich wurde ihm ein Gegenstand, der sich wie eine Pistole anfühlte, in den Mund gesteckt, ihm wurde seine Hose heruntergezogen und er wurde anschließend mit kaltem Wasser übergossen. Weil er die Fragen nach wie vor nicht beantwortete, wurden ihm zudem zwei bis drei Stromstöße am Arm versetzt , die zunehmend stärker wurden und unangenehm waren. Schließlich wurde er nochmals mit einem Schwall kalten Wassers übergossen. Im Anschluss musste er sich auf den Kellerflur neben zwei Kameraden knien und mit seinem Kopf an die Wand anlehnen. Der Mitangeklagte Ja. versetzte ihnen - und auch weiteren - Rekruten nun mehrfach der Reihe nach Schläge auf den Kopf, woraufhin die Rekruten nacheinander jeweils eine Silbe des Wortes „Budweiser“ nennen mussten.

87
Letzteres musste auch der Zeuge Wa. über sich ergehen lassen, nachdem er zuvor während der Befragung ebenfalls mit Wasser bespritzt worden war. Außerdem war ihm befohlen worden, ein Lied mit dem Titel „Crazy monkey“ zu singen, während ihm mit der Kübelspritze Wasser in den Mund gepumpt worden war, so dass er sich verschlucke. Anschließend wurden auch ihm mehrere Stromstöße versetzt - vier bis fünf am Oberschenkel und weitere vier bis fünf an seinem entblößten Bauch, wodurch sich sein Bein und seine Bauchmuskulatur verkrampften. Als der Zeuge die Fragen weiterhin nicht beantwortete , sondern die Ausbilder als „asozial“ bezeichnete und nach ihnen trat, wurde ihm seine Feldhose bis zu den Knöcheln hinuntergezogen, um seine Bewegungsfreiheit einzuschränken. Weil seine Boxershorts verrutscht waren, war sein Glied zu sehen. In dieser Situation wurde der Zeuge Wa. fotografiert.
88
Der Zeuge Bla. erlitt Tritte auf seine Beine, so dass er mehrere Tage auf der Krankenstation verbringen musste. Zudem schmerzten und bluteten seine Handgelenke aufgrund der zu streng sitzenden Kabelbinder. Diese wurden ihm zwar schließlich von einem Ausbilder abgenommen, als er sich jedoch gegen eine erneute Fesselung wehrte und erklärte, dass es ja wohl bald reiche, wurde er gepackt, in das Treppenhaus hinaus geschubst und als „Heulsuse“ bezeichnet.
89
hh) Die Kammer vermochte nicht festzustellen, ob die Angeklagten S. und K. wussten, wie das „Verhör“ der Rekruten im Einzelnen ablaufen sollte. Der Angeklagte J. , der am Überfall beteiligt war, rechnete damit, dass die Kleidung der Rekruten während des „Verhörs“ durchnässt wird.
90
ii) Die Übung wurde schließlich von dem Mitangeklagten D. abgebrochen. Bereits nach dem Überfall auf die erste Gruppe des ersten Zuges hatten der Angeklagte K. und die Mitangeklagten D. und H. beratschlagt , ob die Übung wegen des großen Widerstandes der Rekruten nicht abgebrochen werden sollte. Sie entschieden, erst noch abzuwarten und zunächst das „Überfallkommando“ mit zwei Mann zu verstärken. Nachdem aber auch die zweite Gruppe heftigen Widerstand geleistet hatte und nur mit Mühe hatte überwältigt werden können, kamen sie schließlich überein, die folgenden Gruppen nicht mehr zu überfallen und die Übung insgesamt vorzeitig zu beenden.

II.


91
Das Urteil des Landgerichts ist, soweit es den Angeklagten J. betrifft , im Fall B.II.3 der Urteilsgründe aufzuheben und das Verfahren insoweit einzustellen (vgl. dazu BGHSt 46, 130, 135 f.), da diese abgeurteilte Tat in Bezug auf diesen Angeklagten nicht Gegenstand der zugelassenen Anklage ist. Eine diese Tat wirksam einbeziehende Nachtragsanklage (§ 266 StPO) ist nicht erhoben worden. Demnach mangelt es insofern - was von Amts wegen zu prüfen ist - an den Verfahrensvoraussetzungen der Erhebung einer ordnungsgemäßen Anklage und demnach an der ordnungsgemäßen Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung.
92
1. Die Anklageschrift hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion - st. Rspr., vgl.
nur BGHSt 40, 44, 45; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24 jew. m.w.N.). Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Die begangene, konkrete Tat muss vielmehr durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Fehlt es hieran, so ist die Anklage unwirksam (vgl. BGHSt 40, 44, 45; BGH NStZ 1995, 245 jew. m.w.N.). Darüber hinaus hat die Anklage auch die Aufgabe, den Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten über weitere Einzelheiten des Vorwurfs zu unterrichten, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Prozessverhalten auf den mit der Anklage erhobenen Vorwurf einzustellen. Mängel der Anklage in dieser Hinsicht führen nicht zu ihrer Unwirksamkeit. Insoweit können Fehler auch noch in der Hauptverhandlung durch Hinweise entsprechend § 265 StPO geheilt werden (Informationsfunktion - vgl. BGHSt 40, 44, 45; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24 jew. m.w.N.).
93
2. Diesen Anforderungen wird die mit Beschluss des OLG Hamm vom 25. Juli 2006 unter anderem gegen den Angeklagten J. unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage (nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 22. Dezember 2005 insoweit die Eröffnung des Hauptverfahrens insgesamt abgelehnt und auch Bedenken im Hinblick auf die Umgrenzungsfunktion der Anklage geäußert hatte) nicht gerecht. Die von der Kammer im Urteil abgeurteilte rechtlich selbständige Tat im Fall B.II.3 der Urteilsgründe ist betreffend den Angeklagten J. weder im Anklagesatz noch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen hinreichend konkret beschrieben.
94
a) Die Anklageschrift vom 1. Juni 2005 richtete sich insgesamt gegen 18 Angeklagte und legte diesen unterschiedliche Beteiligungen an insgesamt vier rechtlich selbständigen Taten zur Last. Der im Anklagesatz gegen den Ange- klagten J. erhobene Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und mit entwürdigender Behandlung begangen durch „zwei selbständige Handlungen“ erschöpft sich, bezogen auf diesen Angeklagten , allein in der Darstellung des konkreten Lebenssachverhalts im Fall B.II.1 der Urteilsgründe („zweiter Vorfall“ der Anklage - EA Bd. IX Bl. 1282 f.). Im Fall B.II.3 der Urteilsgründe („vierter Vorfall“ der Anklage - EA Bd. IX Bl. 1283 f.) richtet sich die Anklage indes ausschließlich gegen die (früheren) Mitangeklagten D. , H. , Sc. , Bu. , K. , Mö. , S. , Z. und Ja. . Eine Tatbeteiligung des Angeklagten J. wird insoweit im Anklagesatz nicht geschildert.
95
b) Zwar dürfen bei der Prüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden (BGHSt 46, 130, 134; BGH NStZ 2001, 656, 657; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; Schneider in KK 6. Aufl. § 200 Rdn. 30; BeckOK-StPO/Ritscher § 200 Rdn. 19 jew. m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass sich aus dem Anklagesatz zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Fehlende Angaben können dann aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnommen werden, wenn sie dort eindeutig benannt sind und daraus deutlich wird, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft hierauf erstreckt (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 200 Rdn. 81 m.w.N.).
96
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Im Anklagesatz wird die Person des Angeklagten J. im Zusammenhang mit dem Fall B.II.3 der Urteilsgründe überhaupt nicht erwähnt. Im wesentlichen Ermittlungsergebnis wird demgegenüber im Rahmen der Wiedergabe der Zeugenaussagen und der Angaben des Angeklagten J. in seiner disziplinarischen Vernehmung nicht nur dessen behauptetes Tätigwerden im Fall B.II.3 der Urteilsgründe geschildert (vgl. EA Bd. IX Bl. 1378, 1383, 1410), sondern darüber hinaus auch im Fall B.II.2 der Urteilsgründe („dritter Vorfall“ der Anklage - vgl. EA Bd. IX Bl. 1404 - der nach Ansicht der Kammer nicht Gegenstand der gegen den Angeklagten J. erhobenen Anklage ist, siehe dazu unten Ziffer V.). Zudem sind die diesbezüglichen Ausführungen auch widersprüchlich: Während die Einlassung des Angeklagten J. dahingehend dargestellt wird, dass er seine Beteiligung an den Übungen im Fall B.II.1 („zweiter Vorfall“ der Anklage) und B.II.2 der Urteilsgründe („dritter Vorfall“ der Anklage - vgl. EA Bd. IX Bl. 1404) eingeräumt habe (EA Bd. IX Bl. 1403 f.), lautet die abschließende Feststellung: „Der Angeklagte J. war, wie sich aus seiner Einlassung ergibt, im zweiten Fall als Mitglied des 'Überfallkommandos' und im vierten Fall bei den 'Vernehmungen' im Keller beteiligt“.
97
Demnach ergibt sich auch aus einer Gesamtschau des Anklagesatzes und des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen nicht hinreichend konkret, ob die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten J. über die Tat im Fall B.II.1 der Urteilsgründe hinaus nun eine Beteiligung im Fall B.II.2 oder im Fall B.II.3 der Urteilsgründe zur Anklage bringen wollte. Damit ist die zweite dem Angeklagten J. vorgeworfene Tat nicht hinreichend beschrieben. Die Umgrenzungs- und Informationsfunktion der Anklage ist nicht gewahrt. Dieser Mangel der Anklage konnte auch nicht im Eröffnungsbeschluss des OLG Hamm vom 25. Juli 2006 behoben werden.
98
c) Das Verfahren ist daher insoweit einzustellen. Dies steht einer neuen, den verfahrensrechtlichen Anforderungen gerecht werdenden Anklage jedoch nicht entgegen.

III.


99
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung - betreffend die Angeklagten S. und K. in drei Fällen und in Bezug auf den Angeklagten J. in einem Fall - erstrebt, haben Erfolg.
100
1. Schon der Ausgangspunkt der Kammer, wonach sie bei der rechtlichen Würdigung des Verhaltens der Angeklagten in den Fällen, in denen diese „nur am Überfall“ (vgl. beispielsweise UA S. 147, 150) auf die Rekruten teilgenommen haben (betreffend den Angeklagten S. in den Fällen B.I., B.II.2 und 3 der Urteilsgründe, den Angeklagten K. im Fall B.II.2 der Urteilsgründe und den Angeklagten J. im Fall B.II.1 der Urteilsgründe), ausschließlich auf deren Tätigwerden beim Zugriff abgestellt hat, die nachfolgenden Geschehnisse bei den jeweiligen „Verhören“ indes unberücksichtigt gelassen und sich insofern mit der Frage der mittäterschaftlichen Zurechnung nicht auseinandergesetzt hat, ist rechtsfehlerhaft.
101
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes; er ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehraktigen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht zu Grunde gelegt.
102
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten aufgrund der jeweils vorangegangenen Ausbilderbesprechungen, dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die im Fall B.I. der Urteilsgründe „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (UA S. 23) und sich im Fall B.II.1 der Urteilsgründe „an den Sachen in der Sandgrube orientieren“ (UA S. 45) sollten. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr, ihrer Tätigkeit als Ausbilder sowie den damit einhergehenden Lehrgängen und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht jeweils nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten nach den Feststellungen nicht wussten, was bei den Befragungen letztlich jeweils im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.4.b) kommen würde. Jedenfalls legen die gemeinsamen Erörterungen der Geiselnahmeübungen ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Beteiligung der Angeklagten an den jeweiligen Übungen nahe, dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den „Verhören“ zumindest gleichgültig war.
103
c) Betreffend den Angeklagten K. kommt hinzu, dass er im Fall B.II.1 der Urteilsgründe und damit vor Fall B.II.2 der Urteilsgründe, bei dem er dem „Überfallkommando“ zugeteilt war (und auch vor Fall B.II.3 der Urteilsgründe, in dem er Marschüberwachung fuhr, dazu unten Ziffer III.2.c), für das „Verhör“ der Rekruten im Keller des Kasernengebäudes eingeteilt war. Bei der dieser Geiselnahmeübung vorausgehenden Ausbilderbesprechung wurde darauf hingewiesen , dass sich die für das „Verhör“ eingeteilten Ausbilder - und damit auch der Angeklagte K. - „an den Sachen aus der Sandgrube orientieren“ sollten. Im Anschluss sprach sich der Angeklagte K. mit den weiteren für das „Verhör“ eingeteilten Ausbildern ab, wie der Kellerraum für die geplante Befragung der Rekruten herzurichten sei. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe legt darüber hinaus nahe, dass als Ergebnis dieser Unterredung der Angeklagte K. den „Verhörraum“ - allein oder gemeinsam mit den weiteren Ausbildern - entsprechend vorbereitet hat oder dies hat machen lassen. Hätte der Angeklagte K. zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon gehabt, was bei der vorhergehenden Befragung in der Sandgrube geschehen ist, so hätte dies alles nicht erfolgen können. Erst recht hatte er dann aber bei den nachfolgenden Geiselnahmeübungen in den Fällen B.II.2 und 3 der Urteilsgründe eine Vorstellung über den Ablauf der „Verhöre“.
104
d) Absprachegemäß haben die Angeklagten, soweit sie an den „Überfällen“ beteiligt waren, die „Verhöre“ und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet und gefesselt haben, bevor diese zur Sandgrube oder in den Keller der Kasernengebäude verbracht wurden. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das „Verhör“ durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen der Geschehnisse bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa das Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot oder dem Versetzen von Stromstößen - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten zu berücksichtigen.
105
e) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende „Verhör“ und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.4.c) Geiselnahmeübung. Die an den Übungen beteiligten Angeklagten müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten jeweiligen Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube beziehungsweise im Kasernenkeller auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass diese vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten zurechenbar waren.
106
2. Unzutreffend ist auch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K. sei in den Fällen B.II.1 und 3 der Urteilsgründe mangels eines eigenen Tatbeitrages freizusprechen. Denn der Angeklagte K. leistete auch in diesen beiden Fällen jeweils einen notwendigen, wesentlichen Beitrag zur Durchführung der Geiselnahmeübung entsprechend dem zuvor gefassten gemeinsamen Tatplan der Beteiligten.
107
a) Mittäterschaft kann selbst durch die bloße Beteiligung an Vorbereitungshandlungen begründet werden, sofern der Betreffende auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dement- sprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (BGHSt 16, 12,14; 28, 346, 347 f.; BGH, Urt. vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 499/86 [insofern nicht abgedruckt in BGHSt 34, 209]). Ob das der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Betreffenden abhängen (BGH, Urt. vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 499/86 [insofern nicht abgedruckt in BGHSt 34, 209] m.w.N.).
108
b) Der Angeklagte K. , der bei der Ausbilderbesprechung für die Geiselnahmeübung am 24./25. August 2004 (Fall B.II.1 der Urteilsgründe) für die Station „Verhör“ eingeteilt worden war, sprach sich mit den übrigen für das „Verhör“ vorgesehenen Ausbildern ab und legte mit diesen - ohne hierfür nähere Vorgaben bekommen zu haben - eigenständig fest, wie der Raum für diese Station auszustatten war. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe liegt zudem nahe, dass als Ergebnis dieser Unterredung der Angeklagte K. den „Verhörraum“ - allein oder gemeinsam mit den weiteren Ausbildern - auch entsprechend vorbereitet hat oder dies hat machen lassen. Diese absprachegemäße Beteiligung an den Vorbereitungshandlungen begründet vorliegend eine Mittäterschaft des Angeklagten K. , da er auf der Grundlage des gemeinsamen Tatplans einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistete, der sich als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Unerheblich ist dabei, dass der Angeklagte K. letztlich an der Erbringung weiterer, ursprünglich vorgesehener Tatbeiträge im Rahmen der Durchführung der Befragungen aus zeitlichen Gründen nicht mehr mitwirken konnte.

109
c) Bei der Geiselnahmeübung am 1./2. September 2004 (Fall B.II.3 der Urteilsgründe) ging das Tätigwerden des Angeklagten K. weit über bloße Vorbereitungshandlungen hinaus. Vielmehr kontrollierte, überwachte und bestimmte der Angeklagte K. den organisatorischen Ablauf dieser Übung in wesentlichen Teilen mit, indem er nach den Feststellungen gemeinsam mit den Mitangeklagten D. und H. Marschüberwachung fuhr und zusammen mit diesen entschied, ob die Übung wegen des großen Widerstandes der Rekruten abgebrochen werden sollte. Zweifelsohne liegt darin ein eigener Tatbeitrag des Angeklagten K. zu der gemeinsam geplanten Geiselnahmeübung, der die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigt.
110
3. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen jeweils „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran der [jeweilige] Angeklagte … auch nach seiner eigenen Einlassung beteiligt“ war (UA S. 144). Insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise ebenfalls unzulänglich angewendet.
111
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten, soweit sie dem „Überfallkommando“ zugeteilt waren (Angeklagter S. : Fälle B.I., B.II.2 und 3 der Urteilsgründe; Angeklagter K. : Fall B.II.2 der Urteilsgründe; Angeklagter J. : Fall B.II.1 der Urteilsgründe) jeweils mit weiteren Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 144) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen könnten und es daher zu tätlichen, auch schmerzhaften, Auseinandersetzungen - wie etwa mit den Zeugen L. , Be. , De. , Kü. , Dz. , Bla. und Ku. - kommen könnte. In diesem Fall hätten die Angeklagten nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit den einzelnen betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
112
4. Die Beteiligung der Angeklagten an den jeweiligen Geiselnahmeübungen stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung im Sinne des § 30 Abs. 1 WStG, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271; Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 36 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 36 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]; vgl. auch Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

113
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 144) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern - erst recht die Fesselung an Händen und Füßen - über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr „Verladen“ auf die Ladefläche eines Lkws und der anschließende unzulässige Transport, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Erst Recht gilt dies für die hierbei teilweise verabreichten Schläge. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
114
b) Zudem beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich die Überfälle und die sich anschließenden „Verhöre“ der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.e), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen überwiegend am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
115
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
116
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271; Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 40 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]).
117
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integ- rität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 41 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]; vgl. auch BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
118
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübungen jeweils einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten in Betracht, die als Soldaten auf Zeit, als freiwillig länger Dienende oder als Berufssoldaten , die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten, vor einem Auslandseinsatz standen. Aber selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil zudem eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung ist nicht vorgesehen. Außerdem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
119
Obgleich unzulässig, wurden vorliegend aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Re- kruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Transporter), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
120
5. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 44 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]).
121
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 176. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tat- bestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 45 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.] m.w.N.).
122
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 zu § 47 MStGB). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 46 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]; BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
123
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 176. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Ge- horsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233; zum Ganzen bereits Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 47 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]).
124
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten - entsprechend der ihnen selbst erteilten Ausbildung - die zum jeweiligen Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie - unabhängig von ihren persönlichen Beiträgen - insgesamt für ihre Beteiligungen an den jeweiligen Übungen strafrechtlich verantwortlich.
125
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung der Übung von den bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund bis dahin üblichen Rekrutenausbildungen sowie ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
126
6. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern lückenhaft und widersprüchlich.
127
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten seien jeweils von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf deren Einlassungen, die die Kammer, ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.; Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 51 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]). Dies hat die Kammer nicht getan.
128
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten sprechenden Umstände - wie die Anordnung der Übung durch die Zugführer sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den Mitangeklagten Sc. - berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten, dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.
129
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht ausreichend mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gänzlich unerörtert bleibt die Tatsache, dass die Angeklagten als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten.
130
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht auf die sich aufdrängende Frage nach dem Grund für die Mitteilung der beiden Zugführer D. und H. bei der Ausbilderbesprechung über die „Absegnung“ der Übung durch den Kompaniechef ein. Dies könnte dafür sprechen, dass die Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.

131
cc) Unerwähnt lässt die Kammer zudem Folgendes: Nach den Urteilsfeststellungen war es „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung „Geiselnahme /Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 19/20). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die Gespräche der Ausbilder über eine künftige Änderung der AnTrA1 eher abwegig , dass gerade darüber innerhalb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
132
dd) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der Mitangeklagte Hauptmann Sc. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt, obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten.
Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
133
ee) Im Hinblick auf die Geiselnahmeübungen in den Fällen B.II.1 bis 3 der Urteilsgründe findet außerdem keine Erwähnung, dass nach Durchführung der ersten Übung, an der der Angeklagte S. ebenfalls beteiligt war, eine - nicht näher geschilderte - Nachbesprechung stattgefunden hatte und das Geschehen fotografisch dokumentiert worden war. Hier wäre zu erwarten gewesen , dass diejenigen Beteiligten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach, Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Jedenfalls liegt es aufgrund dieser Nachbesprechung nahe, dass jedenfalls der Angeklagte S. zumindest bei seiner Teilnahme an den weiteren Übungen sehr wohl wusste, was mit den Rekruten im Einzelnen geschehen wird. Dann musste sich ihm auch mindestens aufdrängen, dass sich jedenfalls einzelne Vorgänge (etwa die Behandlung des Zeugen L. ) nicht im Rahmen einer zulässigen Übung zu Ausbildungszwecken bewegten. Nachdem die weiteren Übungen - wie den Angeklagten bekannt war - vergleichbar ablaufen sollten und sich insbesondere das „Verhör“ jeweils an dem vorhergehenden Geschehen orientieren sollte, spricht wenig dafür, dass die Angeklagten - insbesondere gilt dies für den Angeklagten S. - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch von einer insgesamt zulässigen Übung ausgehen konnten.
134
Dies alles hat das Landgericht erkennbar nicht in seine Beweiswürdigung eingestellt.
135
c) Zudem weist die Beweiswürdigung Widersprüche auf.
136
aa) Das Landgericht führt aus, auch der Umstand, dass eine solche Übung bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt worden sei, habe den Angeklagten keinen Grund für weitere Nachfragen bieten müssen. Denn „seinerzeit … war in den Kreisen der Ausbilder bereits davon die Rede, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte, so dass in der Allgemeinen Grundausbildung geänderte Ausbildungsinhalte zu erwarten“ gewesen seien (UA S. 145). Die Kammer geht damit davon aus, dass die Ausbilder und damit auch die Angeklagten über eine erst in der Zukunft erfolgende Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert haben. Dann drängt es sich aber gerade auf, dass die Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie ohne weiteres zugänglich war und zudem bereits entsprechende Schulungen für die Ausbilder stattfanden, an denen die Mitangeklagten D. und H. auch schon teilgenommen hatten - sehr wohl wussten, dass zum jeweiligen Tatzeitpunkt eine Änderung eben gerade noch nicht erfolgt und die praktische Geiselnahmeübung daher nach wie vor nicht zulässig war. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals geltenden Regeln seien bereits außer Kraft gewesen. Wieso demnach eine vermutete - wie auch immer geartete - bevorstehende Veränderung der Rechtslage einen Grund dafür bieten sollte, Nachfragen im Hinblick auf die Zulässigkeit der Übung bereits im Vorfeld zu unterlassen, erschließt sich nicht.
137
bb) Widersprüchlich sind zudem die Feststellungen der Kammer zu Fall B.II.1 der Urteilsgründe, wonach einerseits die Angeklagten K. und J. an der der Geiselnahmeübung vorausgehenden Ausbilderbesprechung teilge- nommen hatten, auf der unter anderem besprochen worden war, dass die Rekruten beim „Verhör“ wieder mit einer Kübelspritze nass gemacht und anschließend , damit sie aufgrund ihrer durchnässten Kleidung nicht frieren, zugedeckt werden sollten. Andererseits „vermochte die Kammer hingegen nicht mit einer für eine Verurteilung … ausreichenden Sicherheit festzustellen“, dass die Angeklagten K. und J. unter anderem damit rechneten, dass die Rekruten jedenfalls wieder mit Wasser aus der Kübelspritze durchnässt werden würden (UA S. 45 f.). Wie die Kammer aufgrund der insofern eindeutigen Feststellungen zum Inhalt der Besprechung zu dieser damit unvereinbaren Annahme kommt, ist nicht nachvollziehbar.
138
d) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07; Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 59 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung, die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat , Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
139
7. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf einen Transporter stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
140
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 61 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]; BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jew. m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 61 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]; BayObLG NJW 1970, 769, 770; vgl. auch Dau in Erbs/Kohlhaas 176. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
141
b) Daran gemessen unterfallen jedenfalls die einzelnen Geiselnahmeübungen jeweils in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge, um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 176. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


142
Die Sache bedarf daher die Angeklagten betreffend (in Bezug auf den Angeklagten J. aufgrund der teilweisen Verfahrenseinstellung nur mehr im Fall B.II.1 der Urteilsgründe) der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
143
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten betrifft, ist durch die insoweit erfolgte teilweise Urteilsaufhebung gegenstandslos (BGH StV 2006, 687, 688).

V.


144
Soweit die Staatsanwaltschaft in Bezug auf den Angeklagten J. zudem rügt, die Kammer habe die ebenfalls angeklagte Tat im Fall B.II.2 der Urteilsgründe nicht abgeurteilt, bleibt der Revision der Erfolg versagt. Das Landgericht hat seiner umfassenden Kognitionspflicht genügt. Eine Beteiligung des Angeklagten J. im Fall B.II.2 der Urteilsgründe war nicht Gegenstand des Verfahrens.
145
1. Die zugelassene Anklage legt den (früheren) Mitangeklagten D. , H. , Sc. , Bu. , K. , Ja. , Mö. , S. und Z. im Fall B.II.2 der Urteilsgründe („dritter Vorfall“ der Anklage - vgl. EA Bd. IX Bl. 1283) jeweils ein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung zur Last. Eine Beteiligung des Angeklagten J. an dieser Tat ist im Anklagesatz nicht erwähnt. Lediglich im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen wird eine Einlassung des Angeklagten J. dazu dargestellt, in der er seine Beteiligung an dieser Übung und an derjenigen im Fall B.II.1 der Urteilsgründe („zweiter Vorfall“ der Anklage) einräumt (EA Bd. IX Bl. 1403 f.). Im Widerspruch dazu heißt es in der Anklage insofern abschließend: „Der Angeklagte J. war, wie sich aus seiner Einlassung ergibt, im zweiten Fall als Mitglied des 'Überfallkommandos' und im vierten Fall bei den 'Vernehmungen' im Keller beteiligt“. Eine die Tat im Fall B.II.2 der Urteilsgründe wirksam einbeziehende Nachtragsanklage (§ 266 StPO) ist nicht erhoben worden.
146
Die Kammer hat diesbezüglich zwar festgestellt, dass der Angeklagte J. auch an der Geiselnahmeübung im Fall B.II.2 der Urteilsgründe teilge- nommen hatte, erachtete dies jedoch nicht als Gegenstand der gegen ihn erhobenen Anklage (UA S. 56, 151).
147
2. Soweit die Staatsanwaltschaft nunmehr - entgegen der Anklageschrift, in der dem Angeklagten J. ausdrücklich nur zwei Taten zur Last gelegt werden - auch dessen Verurteilung wegen Beteiligung an der (dritten) Tat im Fall B.II.2 der Urteilsgründe, erstrebt, handelt es sich um eine andere als die wirksam angeklagte Tat.
148
a) Gegenstand der Urteilsfindung ist nach § 264 Abs. 1 StPO „die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt“. Dieser verfahrensrechtliche Tatbegriff umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 29, 341, 342; 34, 215, 216; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 33 jew. m.w.N.). Den Rahmen der Untersuchung bildet daher zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die Anklage beschreibt (BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 33 m.w.N.). Vorliegend schildert der Anklagesatz keine Vorgänge, aus denen sich eine Strafbarkeit des Angeklagten J. im Fall B.II.2 der Urteilsgründe ergeben könnte. Vielmehr wird ausschließlich seine Beteiligung im Fall B.II.1 wiedergegeben. Die uneinheitlichen und teils widersprüchlichen Schilderungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen vermögen eine wirksame Anklageerhebung auch insofern nicht herbeizuführen (vgl. oben Ziffer II.2).
149
b) Unerheblich ist insofern - entgegen der Auffassung der Revision -, dass das Tatgeschehen dieses Vorfalls im Anklagesatz enthalten ist, soweit die Anklage diesbezüglich andere Personen als Täter beschuldigt. Zur Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO gehört zwar nicht nur der in der Anklage umschriebene Geschehensablauf, sondern das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt (st. Rspr., vgl. BGHSt 32, 215, 216; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 33 jew. m.w.N.). Die Einbeziehung weiterer, von der Anklage nicht beschriebener Vorgänge in den Tatbegriff kommt allerdings nur in Betracht, falls auch der in der Anklage nicht erwähnte, mit dem geschilderten Geschehen eine Einheit ergebende Vorgang das Verhalten desselben Angeklagten betrifft. Denn Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO kann stets nur das dem einzelnen Angeklagten zur Last gelegte Vorkommnis sein (BGHSt 32, 215, 216 f.). Demgemäß kann vorliegend das Geschehen im Fall B.II.2 der Urteilsgründe, das einen von der Tat B.II.1 der Urteilsgründe trennbaren, sich damit nicht überschneidenden Vorgang darstellt und das mit der Anklage den (früheren) Mitangeklagten des Angeklagten J. zur Last gelegt wird, nicht als Teil der Tat gelten, die den Gegenstand des gegen den Angeklagten J. erhobenen Tatvorwurfs bildet.

VI.


150
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
151
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 66 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]; vgl. auch BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 176. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
152
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das allgemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (Senat, Urt. vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08 - Rdn. 67 [vorgesehen zum Abdruck in BGHSt 53, 145 ff.]; vgl. auch BGH NJW 1970, 1332 zu § 226 StGB aF; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; Dau in Erbs/Kohlhaas 176. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
153
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten - erst recht aufgrund der Fesselung an Händen und Füßen -, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB, zumindest aber den Tatbestand der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


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Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 17 Verbotsirrtum


Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 226 Schwere Körperverletzung


(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person 1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nic

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(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. (2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich. (3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen. (4) E

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(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Bew

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(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist

Soldatengesetz - SG | § 11 Gehorsam


(1) Der Soldat muss seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Ungehorsam liegt nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der

Strafprozeßordnung - StPO | § 266 Nachtragsanklage


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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Aug. 2011 - 1 StR 194/11

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Referenzen

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Wer einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
16
7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
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2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
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Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben.

(2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich.

(3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen.

(4) Er darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.

(5) Er trägt für seine Befehle die Verantwortung. Befehle hat er in der den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen.

(6) Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.

Der Soldat hat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Seine Rechte werden im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
16
7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Der Vorgesetzte soll in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben.

(2) Er hat die Pflicht zur Dienstaufsicht und ist für die Disziplin seiner Untergebenen verantwortlich.

(3) Er hat für seine Untergebenen zu sorgen.

(4) Er darf Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.

(5) Er trägt für seine Befehle die Verantwortung. Befehle hat er in der den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen.

(6) Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei Vergehen auch von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
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7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Der Soldat muss seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Ungehorsam liegt nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist; die irrige Annahme, es handele sich um einen solchen Befehl, befreit den Soldaten nur dann von der Verantwortung, wenn er den Irrtum nicht vermeiden konnte und ihm nach den ihm bekannten Umständen nicht zuzumuten war, sich mit Rechtsbehelfen gegen den Befehl zu wehren.

(2) Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Im Verhältnis zu Personen, die befugt sind, dienstliche Anordnungen zu erteilen, die keinen Befehl darstellen, gelten § 62 Absatz 1 und § 63 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend.

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei Vergehen auch von Strafe absehen.

(1) Der Soldat muss seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Ungehorsam liegt nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist; die irrige Annahme, es handele sich um einen solchen Befehl, befreit den Soldaten nur dann von der Verantwortung, wenn er den Irrtum nicht vermeiden konnte und ihm nach den ihm bekannten Umständen nicht zuzumuten war, sich mit Rechtsbehelfen gegen den Befehl zu wehren.

(2) Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Im Verhältnis zu Personen, die befugt sind, dienstliche Anordnungen zu erteilen, die keinen Befehl darstellen, gelten § 62 Absatz 1 und § 63 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend.

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei Vergehen auch von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
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3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
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4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
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Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
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Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
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5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
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6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
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Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
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Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
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7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
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8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
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9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
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Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
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4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei Vergehen auch von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
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7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
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8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
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9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei Vergehen auch von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
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7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
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Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei Vergehen auch von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
16
7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 654/07
vom
1. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers J. Z. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. Z. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 24. Juli 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, am 20. September 2006 auf die Geschädigte A. Z. mit einem Zimmererhammer eingeschlagen und ihr vier Messerstiche beigebracht zu haben. A. Z. verstarb an den schweren Gewalteinwirkungen im Bereich des Kopfes. Das Landgericht vermochte sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überzeugen.
2
Dagegen wenden sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Mängel aufweist. Auf die von dem Nebenkläger J. Z. erhobenen, als Aufklärungsrügen zu verstehenden Beanstandungen kommt es daher nicht an.

I.

3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Am 20. September 2006 etwa zwischen 8.40 Uhr und 11.30 Uhr wurde die 41-jährige A. Z. im Flur des Erdgeschosses des von ihr und ihrer Familie bewohnten Anwesens in K. getötet. Sie wurde zuletzt gegen 8.40 Uhr gesehen. Gegen 11.30 Uhr fand man sie tot auf.
5
Sie befand sich zum Tatzeitpunkt mit ihrer damals eineinhalbjährigen Enkelin allein im Anwesen. Die rückseitige Eingangs- und Kellertür waren zum Zeitpunkt der Tat unversperrt. Im Haushalt der Familie war es - wie der Angeklagte wusste - üblich, diese beiden Türen nicht abzuschließen.
6
Als sich A. Z. der Hintereingangstür näherte, wurde sie durch einen Schlag mit einem Zimmererhammer ihres Ehemannes auf den Hinterkopf zu Fall gebracht. Der am Boden liegenden Frau fügte der Täter am Kopf mit der dornähnlich zulaufenden Seite des Hammers fünf Lochbrüche zu. Mit der stumpfen Endfläche versetzte er ihr eine Vielzahl weiterer Schläge, so dass sich an ihrem Kopf insgesamt 52 voneinander zu differenzierende Wunden ergaben. Um sicherzugehen, dass der Tod tatsächlich eintritt, brachte der Täter seinem Opfer zudem am Hals linksseitig eine fünf Zentimeter tiefe Stichverletzung sowie im Bereich der vorderen linken Brust drei Messerstiche bei. A. Z. verstarb an den schweren Gewalteinwirkungen im Bereich des Kopfes.
7
Bei der Tat hatte der Täter zur Vermeidung von Spuren gelbe Haushaltshandschuhe verwendet. Der rechte Handschuh wurde in der Waschküche des von Familie Z. bewohnten Anwesens liegen gelassen. Dieser zurückgelassene Handschuh wies innen und außen Blut des Opfers auf und war von dem Angeklagten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt getragen worden.
8
2. Der gegen den Angeklagten sprechende Tatverdacht beruhte insbesondere auf folgenden Erkenntnissen:
9
a) An der Innenseite des bei der Tat getragenen und am Tatort zurückgelassenen Handschuhs wurden zwei Spuren gesichert, die ein DNA-Identifizierungsmuster aufweisen, das mit dem des Angeklagten mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:100 Milliarden übereinstimmt. Die Zeugen und Nebenkläger D. und J. Z. - Tochter und Ehemann des Opfers - hatten vor der Tat weder den Angeklagten mit solchen Handschuhen im Haus noch derartige Handschuhe in ihrem Haushalt gesehen. Weitere Fremdspuren anderer Personen waren an dem zurückgelassenen Handschuh nicht vorhanden , obwohl bei dem intensiven Gebrauch des Tatwerkzeugs wie vorliegend (massiver Einsatz eines Hammers) mit größerer Wahrscheinlichkeit Spuren verbleiben als bei einem bloßen Kontaktieren.
10
b) Als der Angeklagte von dem ermittelnden Polizeibeamten mit dem festgestellten genetischen Fingerabdruck in dem Handschuh konfrontiert wurde, äußerte er, jeder mache Fehler.
11
c) Der verheiratete Angeklagte hatte mit D. Z. , der Tochter der Getöteten, eine außereheliche Beziehung geführt, aus der das im März 2005 geborene Mädchen C. hervorgegangen ist. D. Z. hatte die Beziehung zu ihm jedoch beendet. Dies konnte der Angeklagte bis zuletzt nicht vollständig verwinden. Er versuchte stets, sie zurückzugewinnen. Als D.
Z. den Kontakt zu ihm abbrach, konnte der Angeklagte sie nur noch über A. Z. erreichen, zu der er regen Handykontakt pflegte. Dennoch war der Angeklagte weiterhin regelmäßig Gast bei Familie Z. . Am Tag vor der Tat war es zwischen ihm und A. Z. zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen, nachdem diese einen vom Angeklagten vorgespiegelten Hauskauf aufgedeckt und ihre tiefe Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht hatte. Sie schickte ihm folgende SMS: "Ich glaub nichts mehr, sonst wärst du hier". Der Angeklagte hatte insofern vorgegeben, zum gemeinsamen Bewohnen der Familie Z. eine neue Unterkunft zu verschaffen. Damit wollte er D. zurückgewinnen und an sich binden. Außerdem hatte der Angeklagte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung eines Betrages in Höhe von 2.500,-- EUR gegen A. Z. beauftragt. Am Abend vor der Tat löschte der Angeklagte sämtliche auf seinem Handy gespeicherten SMS-Nachrichten der A. Z. .
12
3. Das Landgericht hat sich gleichwohl nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht.
13
a) Hinsichtlich der festgestellten DNA-Spur erachtet die Kammer die erst in der Hauptverhandlung erfolgte Einlassung des Angeklagten, er habe den Handschuh im Frühjahr 2006 bei Streicharbeiten im Haus der Familie Z. getragen und dort belassen, als "nicht zwingend widerlegbar" (UA S. 33). Der Angeklagte sei aufgrund seiner engen Beziehung zur Familie des Opfers als "berechtigter Spurenverursacher" anzusehen. Der Tatsache, dass die Nebenkläger , die bei den Streicharbeiten nicht anwesend waren, solche Handschuhe in der Zeit von Frühjahr 2006 bis zur Tat im Haus nicht wahrgenommen haben, obwohl J. Z. etwa eine Woche vor der Tat den Keller aufgeräumt hatte, komme kein gesteigerter Beweiswert zu. Diese Tatsache lasse nicht den "zwingenden Rückschluss" zu, der Angeklagte habe die Handschuhe am Tattag mitgebracht und bei Begehung der Tat getragen. Eine vor der Tat liegende Benutzung des vom Täter zurückgelassenen Handschuhs durch den Angeklagten sei möglich. Die Untersuchung des Handschuhs auf Rückstände von Farben habe zwar ergeben, dass keine Spuren des beim Streichen verwendeten Lacks vorhanden waren. Dennoch sei der "zwingende Schluss" dahingehend , dass bei Verwendung der Handschuhe Lackspuren aufgebracht worden sein müssen, nicht zu ziehen. Auch das Fehlen weiterer Fremdspuren im Handschuh sei durchaus denkbar, auch wenn bei dem vorliegenden Gebrauch ein Abrieb wahrscheinlich zu erwarten gewesen wäre. Es sei denkbar , dass ein unbekannter Dritter die Handschuhe im Haus gefunden und sie bei der Tatbegehung getragen habe, ohne identifizierbare Spuren daran zu hinterlassen , oder weitere Handschuhe in den Haushaltshandschuhen getragen habe. Auch aus dem Umstand, dass der Angeklagte die entlastende Einlassung erst im Rahmen der Hauptverhandlung abgegeben habe, können nach Ansicht der Kammer keine Schlüsse gezogen werden.
14
b) Die Äußerung des Angeklagten anlässlich der Konfrontation mit den am Handschuh festgestellten Spuren sei - so die Kammer - "nicht zwingend" als Schuldeingeständnis zu werten, sondern könne "genauso gut als flapsige, entnervte Bemerkung in einer Stresssituation gesehen werden".
15
c) Im Übrigen sei auch die situative und zeitliche Möglichkeit der Tatbegehung durch den Angeklagten mit nicht ausräumbaren Zweifeln behaftet. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Angeklagte ein Telefonat mit seiner Ehefrau um 9.24 Uhr aus der gemeinsamen Wohnung geführt und sich um 10.55 Uhr in der Aral-Tankstelle in U. eingefunden habe. Die von der Polizei gemessene Fahrzeit für den Weg von der Wohnung des Angeklagten zum Tatort bei einer Abfahrtszeit um 9.30 Uhr betrage 35 Minuten. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Fahrtstrecken ergebe sich ein Zeitfenster von 21 Minuten. Die Tatbegehung sowie damit verbundene Abläufe (wie An- und Ablegen von Schutzkleidung, Holen des Tatwerkzeugs, Wechseln der Schuhe, Verstecken von Tatkleidung und Tatwerkzeug, Spurenbeseitigung ) innerhalb dieser Zeit seien zwar denkbar, aber nicht zwingend. Auch die Einlassung des Angeklagten, nach der Datenspeicherung auf seinem PC habe er von 9.26 Uhr bis 10.21 Uhr bei sich in der Wohnung CDs gebrannt, sei nicht zwingend zu widerlegen.
16
d) Letztlich begründeten der bisherige Werdegang des Angeklagten und seine Persönlichkeitsstruktur zur Überzeugung der Kammer erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. Für eine gesteigerte Gewalttätigkeit des Angeklagten gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte. Auch ein starkes zur Tötung des Opfers ausreichendes Motiv ergebe sich für den Angeklagten nicht. Der gescheiterte Hauskauf liefere "kein zwingendes Motiv zur Tötung". Im Rahmen der Meinungsverschiedenheit zwischen dem Angeklagten und dem Opfer am Tag vor der Tat habe es keine "erhebliche Zuspitzung" gegeben.

II.

17
Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
18
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Im Strafprozess gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatgerichts, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht (z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes ), wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; NJW 2005, 1727; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
19
2. Das Landgericht hat umfangreich die den Angeklagten belastenden Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Gleichwohl werden die Abwägungen den vorstehenden Grundsätzen nicht gerecht. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen des Angeklagten , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde (nachfolgend Buchst. a). Zum anderen ist die Beweiswürdigung auch lückenhaft, entbehrt einer erschöpfenden Gesamtwürdigung (nachfolgend Buchst. b), stellt an die Überzeugungsbildung überspannte Anforderungen (nachfolgend Buchst. c) und verkennt die Bedeutung des Zweifelssatzes (nachfolgend Buchst. d).
20
a) Die Kammer hatte zu prüfen, ob die in dem sichergestellten und bei der Tat getragenen Handschuh festgestellte DNA-Spur des Angeklagten dessen Täterschaft belegt und ob der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort war. Dabei nahm sie Einlassungen des Angeklagten, für die es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, ohne weiteres als unwiderlegbar hin:
21
aa) Die Kammer erachtet die Angabe des Angeklagten, er habe den bei der Tatbegehung getragenen Handschuh, an dem DNA-Material gesichert wurde , das mit dem DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten übereinstimmt, nicht am Tattag, sondern im Frühjahr 2006 bei Streicharbeiten getragen, als nicht zwingend widerlegbar. Hinreichende Anhaltspunkte, die diese Einlassung stützen würden, konnte das Gericht nicht feststellen. Weder befanden sich an dem Handschuh Spuren des beim Streichen verwendeten Lacks. Noch haben Zeugen den Angeklagten mit solchen Handschuhen oder überhaupt solche Handschuhe im Haushalt der Familie Z. gesehen. Außerdem konnten an dem Handschuh keine weiteren Fremdspuren festgestellt werden, obwohl dies bei der konkreten Art und Weise der Verwendung des Hammers zu erwarten gewesen wäre.
22
Unter diesen Umständen ist das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48; NJW 2007, 2274). Die vom Landgericht erwogene Möglichkeit, der Täter habe im Haus der Familie Z. die Haushaltshandschuhe , die vorher niemand gesehen hat, gefunden und es dem Zufall überlassen, ob er solche findet, wenn er - wie festgestellt - damit Spuren vermeiden wollte, ist eine bloße denktheoretische Möglichkeit, die jeglicher Anknüpfungspunkte entbehrt. Gleiches gilt für das Tragen von Handschuhen in Handschuhen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten , zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl.
vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274).
23
bb) Die Einlassung des Angeklagten, er habe zur Tatzeit bei sich in der Wohnung CDs gebrannt, so wie dies in seinem Computer protokolliert worden sei, hat die Strafkammer als nicht zwingend widerlegbar hingenommen. Sie hat - sachverständig beraten - festgestellt, dass auf dem sichergestellten Computer des Angeklagten am Tattag Brennvorgänge im Zeitraum von 9.26 Uhr bis 10.21 Uhr aufgezeichnet wurden. Diese festgehaltenen Daten könnten indes von einem Kundigen über die Basissoftware BIOS manipuliert werden. Auf dem Computer würden derartige Veränderungen nicht festgehalten, so dass sie nicht mehr festgestellt werden könnten. Für den Angeklagten, der nach seinen eigenen Angaben über gute Computerkenntnisse, auch die Basissoftware BIOS betreffend, verfüge, stelle das Umstellen der Zeitdaten zwar kein anspruchsvolles Problem dar, es sei aber - so die Kammer - nicht belegt, dass der Angeklagte tatsächlich so vorgegangen sei. Eine denkbare Manipulation sei nicht nachweisbar.
24
Das Landgericht war auch hier nicht gehalten, diese Einlassung als unwiderlegbar hinzunehmen. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die auf dem Computer gespeicherten Zeitdaten richtig sind, gibt es nicht. Diese rühren allein vom Angeklagten her und unterlagen nur seinem Einfluss. Eine Manipulation dieser Daten war für den Angeklagten, der über die dazu erforderlichen Fähigkeiten verfügt, möglich, ohne dass dies später nachvollzogen werden könnte.
25
b) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf. Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat auf Freispruch erkannt, obwohl erhebliche Belastungsindizien vorlagen. Bei einer solchen Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; BGH NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht:
26
aa) Die Urteilsgründe lassen zum einen eine umfassende Würdigung der Einlassung des Angeklagten vermissen. Die Kammer führt aus, aus der Tatsache , dass der Angeklagte seine entlastende Einlassung hinsichtlich des Tragens des Handschuhs erst im Rahmen der Hauptverhandlung abgegeben habe , ließen sich bereits deshalb keine Schlüsse ziehen, da er aus seiner Sicht nachvollziehbar angegeben habe, kein Vertrauen in die Ermittlungen der Polizei mehr gehabt und deshalb erst vor Gericht hierzu Angaben gemacht zu haben (UA S. 29). Das Urteil teilt insoweit aus den früheren Einlassungen des Angeklagten lediglich die Äußerung mit, "jeder mache Fehler". Angesichts der besonderen Fallkonstellation im Hinblick auf die sichergestellten DNA-Spuren wäre es aber erforderlich gewesen, darzulegen, ob und gegebenenfalls welche Erklärungen er im Ermittlungsverfahren darüber hinaus dazu abgegeben hat. Ein Wechsel der Einlassung im Laufe des Verfahrens kann ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen (BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Auch sind die Einlassungen nicht einzeln abzuhandeln, wie hier geschehen, sondern gegenüberzustellen und in eine umfassende Würdigung des gesamten Aussageverhaltens einzubeziehen.
27
bb) Des Weiteren lässt die Beweiswürdigung, soweit die Kammer die situative und zeitliche Möglichkeit der Tatbegehung durch den Angeklagten mit nicht ausräumbaren Zweifeln behaftet sieht, eine Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Frage vermissen, ob nicht eine Begehung der Tat unmittelbar nach dem Verlassen der gemeinsamen Wohnung durch seine Ehefrau gegen 7.50 Uhr und vor dem mit ihr um 9.24 Uhr geführten Telefonat erfolgt sein kann. Für dieses Zeitfenster erörtert die Kammer lediglich eine mögliche Manipulation der Brennzeiten, nicht aber die Tatbegehung, obwohl die von der Polizei für eine Abfahrt um 9.30 Uhr gemessene Fahrdauer von der Wohnung des Angeklagten zum Tatort dies zuließe und sich möglicherweise für eine frühere Fahrt zum Tatort eine abweichende Fahrdauer ergibt.
28
cc) Zum anderen ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, dass das Landgericht im vorliegenden Fall tatsächlich eine erschöpfende Gesamtwürdigung aller Indizien vorgenommen, also nicht nur die einzelnen Beweisergebnisse isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtabwägung eingestellt hat. Die Kammer reiht in den Urteilsgründen (UA S. 61/62) "zusammenfassend" lediglich die vorher abgehandelten Indizien einzeln aneinander und teilt nochmals ihre Zweifel bezogen auf jedes einzelne dieser Indizien mit. Die vorgenommene formelhafte "Gesamtschau des Beweisergebnisses" lässt nicht erkennen, inwieweit sie alle oder mehrere Indizien im Zusammenhang gewürdigt hat. Dies wäre indes erforderlich gewesen. Denn einzelne Belastungsindizien , die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung unter Gewichtung der einzelnen Indizien (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH, Urt. vom 29. August 2007 - 2 StR 284/07 m.w.N.).
29
c) Außerdem ist zu besorgen, dass die Strafkammer überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig - oder wie es das Landgericht formuliert "zwingend" - ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Der Tatrichter ist also nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen, wenn diese tragfähig sind (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 2004, 238).
30
aa) Im Hinblick darauf begegnet bereits die Formulierung des Landgerichts rechtlichen Bedenken, wonach die Kammer "nicht den zwingenden Schluss ziehen" (UA S. 34) könne, dass aufgrund der DNA-Spuren des Angeklagten in dem sichergestellten Handschuh dieser den Handschuh auch bei Tatbegehung getragen haben müsse. Die Wortwahl zeigt, dass sich die Strafkammer nicht bewusst war, dass aus einer Indiztatsache auch zu Ungunsten des Angeklagten Schlüsse, die nicht zwingend, sondern nur möglich sind, gezogen werden können. Gleiches gilt für die Ausführungen der Kammer, nach denen sich aus dem Umstand, dass die Zeugen D. und J. Z. weder den Angeklagten mit Haushaltshandschuhen noch einen derartigen Haushaltshandschuh überhaupt in ihrem Haushalt gesehen haben, "kein zwingender Rückschluss" (UA S. 30) dahingehend ziehen lasse, der Angeklagte habe die Handschuhe am Tattag mitgebracht und bei Begehung der Tat getragen. Ebenso verhält es sich mit dem festgestellten Fehlen von Spuren des beim Streichen verwendeten Lacks an dem sichergestellten Handschuh. Auch hier führt die Kammer aus, der "zwingende Schluss dahingehend" (UA S. 33), dass bei der Verwendung der Handschuhe Lackspuren aufgebracht worden sein müssten, sei nicht zu ziehen.
31
Da das Landgericht auch im Hinblick auf andere Beweisumstände an sich mögliche Schlüsse als "nicht zwingend" bewertet (vgl. UA S. 41, 46) und in dem gescheiterten Hauskauf "kein zwingendes Motiv zur Tötung" sieht (UA S. 52), steht zu besorgen, dass es die Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu hoch angesetzt haben könnte.
32
bb) Gleiches gilt für die Beurteilung der Gesamtheit der Indizien. Das Landgericht hat im Rahmen der von ihm vorgenommenen "Gesamtschau des Beweisergebnisses" ausgeführt, es könne nach seiner Überzeugung "keine jegliche Zweifel zum Schweigen bringende Sicherheit von der Täterschaft des Angeklagten erzielen" (UA S. 62). Dadurch hat es den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft angewandt: Für die Beantwortung der Schuldfrage kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangen kann oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zum Wesen der Überzeugung, dass sie sehr häufig objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt (BGH NStZ-RR 2004, 238, 240).
33
d) Schließlich hat die Kammer nicht hinreichend bedacht, dass der Zweifelssatz nicht schon auf das einzelne Indiz, sondern erst bei der abschließenden Überzeugungsbildung aufgrund der gesamten Beweislage anzuwenden ist. Bereits vor der Gesamtschau aller Beweise hat das Landgericht bei der Prüfung der Täterschaft des Angeklagten Beweisanzeichen - wie etwa den Werdegang und die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten (UA S. 52) oder die Frage der situativen und zeitlichen Möglichkeit der Tatbegehung (UA S. 38, 41, 44) - jeweils einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als nicht überzeugend erachtet.
34
Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist jedoch keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24 m.w.N.).

III.

35
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sie gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. StPO an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
36
Da die Revisionen zur Aufhebung des Urteils führen, ist die mit der Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft erhobene sofortige Beschwerde gegen die an den Freispruch anknüpfende Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen gegenstandslos. Nack Kolz Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
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Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
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3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
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4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
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Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
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Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
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Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
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5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
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6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
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Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
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Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
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7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
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8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
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9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
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Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
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So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
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Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

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Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
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10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
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aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
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bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
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Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
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4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 654/07
vom
1. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers J. Z. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. Z. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 24. Juli 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, am 20. September 2006 auf die Geschädigte A. Z. mit einem Zimmererhammer eingeschlagen und ihr vier Messerstiche beigebracht zu haben. A. Z. verstarb an den schweren Gewalteinwirkungen im Bereich des Kopfes. Das Landgericht vermochte sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überzeugen.
2
Dagegen wenden sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Mängel aufweist. Auf die von dem Nebenkläger J. Z. erhobenen, als Aufklärungsrügen zu verstehenden Beanstandungen kommt es daher nicht an.

I.

3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Am 20. September 2006 etwa zwischen 8.40 Uhr und 11.30 Uhr wurde die 41-jährige A. Z. im Flur des Erdgeschosses des von ihr und ihrer Familie bewohnten Anwesens in K. getötet. Sie wurde zuletzt gegen 8.40 Uhr gesehen. Gegen 11.30 Uhr fand man sie tot auf.
5
Sie befand sich zum Tatzeitpunkt mit ihrer damals eineinhalbjährigen Enkelin allein im Anwesen. Die rückseitige Eingangs- und Kellertür waren zum Zeitpunkt der Tat unversperrt. Im Haushalt der Familie war es - wie der Angeklagte wusste - üblich, diese beiden Türen nicht abzuschließen.
6
Als sich A. Z. der Hintereingangstür näherte, wurde sie durch einen Schlag mit einem Zimmererhammer ihres Ehemannes auf den Hinterkopf zu Fall gebracht. Der am Boden liegenden Frau fügte der Täter am Kopf mit der dornähnlich zulaufenden Seite des Hammers fünf Lochbrüche zu. Mit der stumpfen Endfläche versetzte er ihr eine Vielzahl weiterer Schläge, so dass sich an ihrem Kopf insgesamt 52 voneinander zu differenzierende Wunden ergaben. Um sicherzugehen, dass der Tod tatsächlich eintritt, brachte der Täter seinem Opfer zudem am Hals linksseitig eine fünf Zentimeter tiefe Stichverletzung sowie im Bereich der vorderen linken Brust drei Messerstiche bei. A. Z. verstarb an den schweren Gewalteinwirkungen im Bereich des Kopfes.
7
Bei der Tat hatte der Täter zur Vermeidung von Spuren gelbe Haushaltshandschuhe verwendet. Der rechte Handschuh wurde in der Waschküche des von Familie Z. bewohnten Anwesens liegen gelassen. Dieser zurückgelassene Handschuh wies innen und außen Blut des Opfers auf und war von dem Angeklagten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt getragen worden.
8
2. Der gegen den Angeklagten sprechende Tatverdacht beruhte insbesondere auf folgenden Erkenntnissen:
9
a) An der Innenseite des bei der Tat getragenen und am Tatort zurückgelassenen Handschuhs wurden zwei Spuren gesichert, die ein DNA-Identifizierungsmuster aufweisen, das mit dem des Angeklagten mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:100 Milliarden übereinstimmt. Die Zeugen und Nebenkläger D. und J. Z. - Tochter und Ehemann des Opfers - hatten vor der Tat weder den Angeklagten mit solchen Handschuhen im Haus noch derartige Handschuhe in ihrem Haushalt gesehen. Weitere Fremdspuren anderer Personen waren an dem zurückgelassenen Handschuh nicht vorhanden , obwohl bei dem intensiven Gebrauch des Tatwerkzeugs wie vorliegend (massiver Einsatz eines Hammers) mit größerer Wahrscheinlichkeit Spuren verbleiben als bei einem bloßen Kontaktieren.
10
b) Als der Angeklagte von dem ermittelnden Polizeibeamten mit dem festgestellten genetischen Fingerabdruck in dem Handschuh konfrontiert wurde, äußerte er, jeder mache Fehler.
11
c) Der verheiratete Angeklagte hatte mit D. Z. , der Tochter der Getöteten, eine außereheliche Beziehung geführt, aus der das im März 2005 geborene Mädchen C. hervorgegangen ist. D. Z. hatte die Beziehung zu ihm jedoch beendet. Dies konnte der Angeklagte bis zuletzt nicht vollständig verwinden. Er versuchte stets, sie zurückzugewinnen. Als D.
Z. den Kontakt zu ihm abbrach, konnte der Angeklagte sie nur noch über A. Z. erreichen, zu der er regen Handykontakt pflegte. Dennoch war der Angeklagte weiterhin regelmäßig Gast bei Familie Z. . Am Tag vor der Tat war es zwischen ihm und A. Z. zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen, nachdem diese einen vom Angeklagten vorgespiegelten Hauskauf aufgedeckt und ihre tiefe Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht hatte. Sie schickte ihm folgende SMS: "Ich glaub nichts mehr, sonst wärst du hier". Der Angeklagte hatte insofern vorgegeben, zum gemeinsamen Bewohnen der Familie Z. eine neue Unterkunft zu verschaffen. Damit wollte er D. zurückgewinnen und an sich binden. Außerdem hatte der Angeklagte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung eines Betrages in Höhe von 2.500,-- EUR gegen A. Z. beauftragt. Am Abend vor der Tat löschte der Angeklagte sämtliche auf seinem Handy gespeicherten SMS-Nachrichten der A. Z. .
12
3. Das Landgericht hat sich gleichwohl nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht.
13
a) Hinsichtlich der festgestellten DNA-Spur erachtet die Kammer die erst in der Hauptverhandlung erfolgte Einlassung des Angeklagten, er habe den Handschuh im Frühjahr 2006 bei Streicharbeiten im Haus der Familie Z. getragen und dort belassen, als "nicht zwingend widerlegbar" (UA S. 33). Der Angeklagte sei aufgrund seiner engen Beziehung zur Familie des Opfers als "berechtigter Spurenverursacher" anzusehen. Der Tatsache, dass die Nebenkläger , die bei den Streicharbeiten nicht anwesend waren, solche Handschuhe in der Zeit von Frühjahr 2006 bis zur Tat im Haus nicht wahrgenommen haben, obwohl J. Z. etwa eine Woche vor der Tat den Keller aufgeräumt hatte, komme kein gesteigerter Beweiswert zu. Diese Tatsache lasse nicht den "zwingenden Rückschluss" zu, der Angeklagte habe die Handschuhe am Tattag mitgebracht und bei Begehung der Tat getragen. Eine vor der Tat liegende Benutzung des vom Täter zurückgelassenen Handschuhs durch den Angeklagten sei möglich. Die Untersuchung des Handschuhs auf Rückstände von Farben habe zwar ergeben, dass keine Spuren des beim Streichen verwendeten Lacks vorhanden waren. Dennoch sei der "zwingende Schluss" dahingehend , dass bei Verwendung der Handschuhe Lackspuren aufgebracht worden sein müssen, nicht zu ziehen. Auch das Fehlen weiterer Fremdspuren im Handschuh sei durchaus denkbar, auch wenn bei dem vorliegenden Gebrauch ein Abrieb wahrscheinlich zu erwarten gewesen wäre. Es sei denkbar , dass ein unbekannter Dritter die Handschuhe im Haus gefunden und sie bei der Tatbegehung getragen habe, ohne identifizierbare Spuren daran zu hinterlassen , oder weitere Handschuhe in den Haushaltshandschuhen getragen habe. Auch aus dem Umstand, dass der Angeklagte die entlastende Einlassung erst im Rahmen der Hauptverhandlung abgegeben habe, können nach Ansicht der Kammer keine Schlüsse gezogen werden.
14
b) Die Äußerung des Angeklagten anlässlich der Konfrontation mit den am Handschuh festgestellten Spuren sei - so die Kammer - "nicht zwingend" als Schuldeingeständnis zu werten, sondern könne "genauso gut als flapsige, entnervte Bemerkung in einer Stresssituation gesehen werden".
15
c) Im Übrigen sei auch die situative und zeitliche Möglichkeit der Tatbegehung durch den Angeklagten mit nicht ausräumbaren Zweifeln behaftet. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Angeklagte ein Telefonat mit seiner Ehefrau um 9.24 Uhr aus der gemeinsamen Wohnung geführt und sich um 10.55 Uhr in der Aral-Tankstelle in U. eingefunden habe. Die von der Polizei gemessene Fahrzeit für den Weg von der Wohnung des Angeklagten zum Tatort bei einer Abfahrtszeit um 9.30 Uhr betrage 35 Minuten. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Fahrtstrecken ergebe sich ein Zeitfenster von 21 Minuten. Die Tatbegehung sowie damit verbundene Abläufe (wie An- und Ablegen von Schutzkleidung, Holen des Tatwerkzeugs, Wechseln der Schuhe, Verstecken von Tatkleidung und Tatwerkzeug, Spurenbeseitigung ) innerhalb dieser Zeit seien zwar denkbar, aber nicht zwingend. Auch die Einlassung des Angeklagten, nach der Datenspeicherung auf seinem PC habe er von 9.26 Uhr bis 10.21 Uhr bei sich in der Wohnung CDs gebrannt, sei nicht zwingend zu widerlegen.
16
d) Letztlich begründeten der bisherige Werdegang des Angeklagten und seine Persönlichkeitsstruktur zur Überzeugung der Kammer erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. Für eine gesteigerte Gewalttätigkeit des Angeklagten gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte. Auch ein starkes zur Tötung des Opfers ausreichendes Motiv ergebe sich für den Angeklagten nicht. Der gescheiterte Hauskauf liefere "kein zwingendes Motiv zur Tötung". Im Rahmen der Meinungsverschiedenheit zwischen dem Angeklagten und dem Opfer am Tag vor der Tat habe es keine "erhebliche Zuspitzung" gegeben.

II.

17
Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
18
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Im Strafprozess gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatgerichts, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht (z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes ), wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; NJW 2005, 1727; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
19
2. Das Landgericht hat umfangreich die den Angeklagten belastenden Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Gleichwohl werden die Abwägungen den vorstehenden Grundsätzen nicht gerecht. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen des Angeklagten , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde (nachfolgend Buchst. a). Zum anderen ist die Beweiswürdigung auch lückenhaft, entbehrt einer erschöpfenden Gesamtwürdigung (nachfolgend Buchst. b), stellt an die Überzeugungsbildung überspannte Anforderungen (nachfolgend Buchst. c) und verkennt die Bedeutung des Zweifelssatzes (nachfolgend Buchst. d).
20
a) Die Kammer hatte zu prüfen, ob die in dem sichergestellten und bei der Tat getragenen Handschuh festgestellte DNA-Spur des Angeklagten dessen Täterschaft belegt und ob der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort war. Dabei nahm sie Einlassungen des Angeklagten, für die es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, ohne weiteres als unwiderlegbar hin:
21
aa) Die Kammer erachtet die Angabe des Angeklagten, er habe den bei der Tatbegehung getragenen Handschuh, an dem DNA-Material gesichert wurde , das mit dem DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten übereinstimmt, nicht am Tattag, sondern im Frühjahr 2006 bei Streicharbeiten getragen, als nicht zwingend widerlegbar. Hinreichende Anhaltspunkte, die diese Einlassung stützen würden, konnte das Gericht nicht feststellen. Weder befanden sich an dem Handschuh Spuren des beim Streichen verwendeten Lacks. Noch haben Zeugen den Angeklagten mit solchen Handschuhen oder überhaupt solche Handschuhe im Haushalt der Familie Z. gesehen. Außerdem konnten an dem Handschuh keine weiteren Fremdspuren festgestellt werden, obwohl dies bei der konkreten Art und Weise der Verwendung des Hammers zu erwarten gewesen wäre.
22
Unter diesen Umständen ist das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48; NJW 2007, 2274). Die vom Landgericht erwogene Möglichkeit, der Täter habe im Haus der Familie Z. die Haushaltshandschuhe , die vorher niemand gesehen hat, gefunden und es dem Zufall überlassen, ob er solche findet, wenn er - wie festgestellt - damit Spuren vermeiden wollte, ist eine bloße denktheoretische Möglichkeit, die jeglicher Anknüpfungspunkte entbehrt. Gleiches gilt für das Tragen von Handschuhen in Handschuhen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten , zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl.
vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274).
23
bb) Die Einlassung des Angeklagten, er habe zur Tatzeit bei sich in der Wohnung CDs gebrannt, so wie dies in seinem Computer protokolliert worden sei, hat die Strafkammer als nicht zwingend widerlegbar hingenommen. Sie hat - sachverständig beraten - festgestellt, dass auf dem sichergestellten Computer des Angeklagten am Tattag Brennvorgänge im Zeitraum von 9.26 Uhr bis 10.21 Uhr aufgezeichnet wurden. Diese festgehaltenen Daten könnten indes von einem Kundigen über die Basissoftware BIOS manipuliert werden. Auf dem Computer würden derartige Veränderungen nicht festgehalten, so dass sie nicht mehr festgestellt werden könnten. Für den Angeklagten, der nach seinen eigenen Angaben über gute Computerkenntnisse, auch die Basissoftware BIOS betreffend, verfüge, stelle das Umstellen der Zeitdaten zwar kein anspruchsvolles Problem dar, es sei aber - so die Kammer - nicht belegt, dass der Angeklagte tatsächlich so vorgegangen sei. Eine denkbare Manipulation sei nicht nachweisbar.
24
Das Landgericht war auch hier nicht gehalten, diese Einlassung als unwiderlegbar hinzunehmen. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die auf dem Computer gespeicherten Zeitdaten richtig sind, gibt es nicht. Diese rühren allein vom Angeklagten her und unterlagen nur seinem Einfluss. Eine Manipulation dieser Daten war für den Angeklagten, der über die dazu erforderlichen Fähigkeiten verfügt, möglich, ohne dass dies später nachvollzogen werden könnte.
25
b) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf. Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat auf Freispruch erkannt, obwohl erhebliche Belastungsindizien vorlagen. Bei einer solchen Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; BGH NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht:
26
aa) Die Urteilsgründe lassen zum einen eine umfassende Würdigung der Einlassung des Angeklagten vermissen. Die Kammer führt aus, aus der Tatsache , dass der Angeklagte seine entlastende Einlassung hinsichtlich des Tragens des Handschuhs erst im Rahmen der Hauptverhandlung abgegeben habe , ließen sich bereits deshalb keine Schlüsse ziehen, da er aus seiner Sicht nachvollziehbar angegeben habe, kein Vertrauen in die Ermittlungen der Polizei mehr gehabt und deshalb erst vor Gericht hierzu Angaben gemacht zu haben (UA S. 29). Das Urteil teilt insoweit aus den früheren Einlassungen des Angeklagten lediglich die Äußerung mit, "jeder mache Fehler". Angesichts der besonderen Fallkonstellation im Hinblick auf die sichergestellten DNA-Spuren wäre es aber erforderlich gewesen, darzulegen, ob und gegebenenfalls welche Erklärungen er im Ermittlungsverfahren darüber hinaus dazu abgegeben hat. Ein Wechsel der Einlassung im Laufe des Verfahrens kann ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen (BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Auch sind die Einlassungen nicht einzeln abzuhandeln, wie hier geschehen, sondern gegenüberzustellen und in eine umfassende Würdigung des gesamten Aussageverhaltens einzubeziehen.
27
bb) Des Weiteren lässt die Beweiswürdigung, soweit die Kammer die situative und zeitliche Möglichkeit der Tatbegehung durch den Angeklagten mit nicht ausräumbaren Zweifeln behaftet sieht, eine Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Frage vermissen, ob nicht eine Begehung der Tat unmittelbar nach dem Verlassen der gemeinsamen Wohnung durch seine Ehefrau gegen 7.50 Uhr und vor dem mit ihr um 9.24 Uhr geführten Telefonat erfolgt sein kann. Für dieses Zeitfenster erörtert die Kammer lediglich eine mögliche Manipulation der Brennzeiten, nicht aber die Tatbegehung, obwohl die von der Polizei für eine Abfahrt um 9.30 Uhr gemessene Fahrdauer von der Wohnung des Angeklagten zum Tatort dies zuließe und sich möglicherweise für eine frühere Fahrt zum Tatort eine abweichende Fahrdauer ergibt.
28
cc) Zum anderen ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, dass das Landgericht im vorliegenden Fall tatsächlich eine erschöpfende Gesamtwürdigung aller Indizien vorgenommen, also nicht nur die einzelnen Beweisergebnisse isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtabwägung eingestellt hat. Die Kammer reiht in den Urteilsgründen (UA S. 61/62) "zusammenfassend" lediglich die vorher abgehandelten Indizien einzeln aneinander und teilt nochmals ihre Zweifel bezogen auf jedes einzelne dieser Indizien mit. Die vorgenommene formelhafte "Gesamtschau des Beweisergebnisses" lässt nicht erkennen, inwieweit sie alle oder mehrere Indizien im Zusammenhang gewürdigt hat. Dies wäre indes erforderlich gewesen. Denn einzelne Belastungsindizien , die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung unter Gewichtung der einzelnen Indizien (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH, Urt. vom 29. August 2007 - 2 StR 284/07 m.w.N.).
29
c) Außerdem ist zu besorgen, dass die Strafkammer überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig - oder wie es das Landgericht formuliert "zwingend" - ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Der Tatrichter ist also nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen, wenn diese tragfähig sind (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 2004, 238).
30
aa) Im Hinblick darauf begegnet bereits die Formulierung des Landgerichts rechtlichen Bedenken, wonach die Kammer "nicht den zwingenden Schluss ziehen" (UA S. 34) könne, dass aufgrund der DNA-Spuren des Angeklagten in dem sichergestellten Handschuh dieser den Handschuh auch bei Tatbegehung getragen haben müsse. Die Wortwahl zeigt, dass sich die Strafkammer nicht bewusst war, dass aus einer Indiztatsache auch zu Ungunsten des Angeklagten Schlüsse, die nicht zwingend, sondern nur möglich sind, gezogen werden können. Gleiches gilt für die Ausführungen der Kammer, nach denen sich aus dem Umstand, dass die Zeugen D. und J. Z. weder den Angeklagten mit Haushaltshandschuhen noch einen derartigen Haushaltshandschuh überhaupt in ihrem Haushalt gesehen haben, "kein zwingender Rückschluss" (UA S. 30) dahingehend ziehen lasse, der Angeklagte habe die Handschuhe am Tattag mitgebracht und bei Begehung der Tat getragen. Ebenso verhält es sich mit dem festgestellten Fehlen von Spuren des beim Streichen verwendeten Lacks an dem sichergestellten Handschuh. Auch hier führt die Kammer aus, der "zwingende Schluss dahingehend" (UA S. 33), dass bei der Verwendung der Handschuhe Lackspuren aufgebracht worden sein müssten, sei nicht zu ziehen.
31
Da das Landgericht auch im Hinblick auf andere Beweisumstände an sich mögliche Schlüsse als "nicht zwingend" bewertet (vgl. UA S. 41, 46) und in dem gescheiterten Hauskauf "kein zwingendes Motiv zur Tötung" sieht (UA S. 52), steht zu besorgen, dass es die Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu hoch angesetzt haben könnte.
32
bb) Gleiches gilt für die Beurteilung der Gesamtheit der Indizien. Das Landgericht hat im Rahmen der von ihm vorgenommenen "Gesamtschau des Beweisergebnisses" ausgeführt, es könne nach seiner Überzeugung "keine jegliche Zweifel zum Schweigen bringende Sicherheit von der Täterschaft des Angeklagten erzielen" (UA S. 62). Dadurch hat es den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft angewandt: Für die Beantwortung der Schuldfrage kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangen kann oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zum Wesen der Überzeugung, dass sie sehr häufig objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt (BGH NStZ-RR 2004, 238, 240).
33
d) Schließlich hat die Kammer nicht hinreichend bedacht, dass der Zweifelssatz nicht schon auf das einzelne Indiz, sondern erst bei der abschließenden Überzeugungsbildung aufgrund der gesamten Beweislage anzuwenden ist. Bereits vor der Gesamtschau aller Beweise hat das Landgericht bei der Prüfung der Täterschaft des Angeklagten Beweisanzeichen - wie etwa den Werdegang und die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten (UA S. 52) oder die Frage der situativen und zeitlichen Möglichkeit der Tatbegehung (UA S. 38, 41, 44) - jeweils einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als nicht überzeugend erachtet.
34
Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist jedoch keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24 m.w.N.).

III.

35
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sie gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. StPO an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
36
Da die Revisionen zur Aufhebung des Urteils führen, ist die mit der Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft erhobene sofortige Beschwerde gegen die an den Freispruch anknüpfende Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen gegenstandslos. Nack Kolz Elf Graf Sander

(1) Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
16
7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
16
7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Wer einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
5
2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
7
3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
8
4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
9
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
13
6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
14
Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
16
7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
17
8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
18
9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
19
Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

24
Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Wer einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 158/08
vom
14. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wesen des militärischen Dienstes und sozialwidrige Behandlungen
von Untergebenen in der Bundeswehr.
2. Entwürdigende Behandlung von Untergebenen in der Bundeswehr
bei „Geiselnahmeübungen“.
3. Der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein
Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften
oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt,
unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des
BGH, Urt. vom 14. Januar 2009, 1 StR 158/08 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 3. und 4.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: entwürdigender Behandlung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten He. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten F. und H. gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. August 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten F. hat es der entwürdigenden Behandlung für schuldig befunden und gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verhängt. Die Angeklagten K. und He. hat es von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung freigesprochen.
2
Die Angeklagten F. und H. wenden sich mit ihren jeweils auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Mit den zu Ungunsten der Angeklagten K. , F. und He. eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft werden vom Generalbundesanwalt vertreten und richten sich gegen den Freispruch der Angeklagten K. und He. . Betreffend den Angeklagten F. beanstandet die Beschwerdeführerin insbesondere die fehlende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung. Während die Rechtsmittel der Angeklagten F. und H. keinen Erfolg haben , ist das Urteil, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen - aufzuheben.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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1. Die Angeklagten - Stabsunteroffiziere beziehungsweise Oberfeldwebel (Angeklagter K. ) - waren in Coesfeld in der 7. Kompanie des 7. Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Bei dieser Kompanie, die in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne stationiert war und die vom früheren Mitangeklag- ten Hauptmann S. geführt wurde, handelte es sich um eine reine Ausbildungskompanie , der jeweils zu Quartalsbeginn neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden. Die Angeklagten F. , K. und H. waren als Gruppenführer und Ausbilder eingesetzt, der Angeklagte He. als Schirrmeister.
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2. Zur Tatzeit - im zweiten Quartal 2004 - galt für die Ausbildung der Rekruten die „Anweisung für die Truppenausbildung Nummer 1“ (AnTrA1), Stand Juni 2001. Sie regelte Ziele und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung und sah für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten eine Ausbildung „Geiselnahme /Verhalten in Geiselhaft“ nicht vor. Am 8. Juli 2004 wurde nach längeren Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung eine geänderte AnTrA1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft trat. Diese enthielt einen neuen Teil „Basisausbildung EAKK“ (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Krisenbewältigung und Konfliktverhütung) mit dem Ziel, bereits in der Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zu erlernen. Dieser neue Ausbildungsteil sah eine zweistündige, vom Kompaniechef durchgeführte Unterrichtseinheit - jedoch keine praktische Übung - über Geiselhaft , Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie über die Konfrontation mit Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor.
6
Die Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ ist ein Abschnitt der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“, die von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger dienende Soldaten oder Berufssoldaten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und den Befehl bekommen haben, an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. Diese Übung wurde von der Bundeswehr nur an drei Standorten im Bundesgebiet durchgeführt, wo- zu die Freiherr-vom-Stein-Kaserne aber nicht gehörte. Sie wurde zudem zuvor im Unterricht mit allen Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet. Die Übung lief dergestalt ab, dass die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen, während derer sie überfallen wurden. Ihnen wurden die Augen verbunden und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf die Knie oder die Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem eine „Befragung“ stattfand. Hierbei wurden die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren, physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie Liegestütze oder Kniebeugen machen. Zudem wurde ihnen gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen , wenn sie nicht die gewünschten Antworten gaben. Zur möglichst realistischen Untermalung wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge und Schüsse) simuliert. Während der Übung hatten die Soldaten - wie ihnen beim vorhergehenden Unterricht gesagt worden war - jederzeit die Möglichkeit, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Die Angeklagten K. und H. hatten eine solche „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ bereits absolviert.
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3. Nachdem in der Vergangenheit auch außerhalb der drei festgelegten Standorte eine Ausbildung „Geiselnahme/Geiselhaft“ durchgeführt worden war, die nicht derjenigen in den drei Ausbildungszentren entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte, wies das Heeresführerkommando der Bundeswehr in einem als „VS - nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf hin, dass diese Ausbildung ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ in den drei Ausbildungs- beziehungsweise Gefechtsübungszentren durchgeführt werden dürfe, da sie dort unter Anleitung des dafür speziell ge- schulten Personals erfolgen könne. Empfänger dieses Schreibens war auch die 7. Ausbildungskompanie in Coesfeld. Außerdem war in dem „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 die Ausbildung über das Thema „Verhalten in Geiselhaft“ ausschließlich dem Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum zugewiesen worden. Dass die Angeklagten - auch nicht die Ausbilder - dieses Schreiben oder den Befehl kannten, vermochte die Kammer nicht festzustellen.
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4. Anfang April 2004 begannen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne etwa 80 Rekruten, von denen zirka die Hälfte Wehrdienstleistende waren, ihre dreimonatige Grundausbildung. Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet, deren Zugführer die ehemaligen Mitangeklagten Hauptfeldwebel D. und Ho. waren.
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Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des zweiten Quartals 2004 kamen die beiden Zugführer auf die Idee, in der „Allgemeinen Grundausbildung“ in Coesfeld eine Geiselnahmeübung einzuführen. Vor dem 8. Juni 2004 fand auf deren Anordnung eine Ausbilderbesprechung statt, an der auch die vier Angeklagten teilnahmen. Dabei wurde der grobe Ablauf der Geiselnahmeübung erörtert. Die beiden Zugführer D. und Ho. beabsichtigten , die Rekruten nach der dienstplanmäßigen Nachtschießübung am 8. Juni 2004 gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch zu schicken, bei dem zum Schluss die „Geiselnahme“ mit anschließendem „Verhör“ erfolgen sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die Geiselnahmeübung standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren diesen somit nicht bekannt.
10
Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten neben drei (weiteren) Ausbildern die Angeklagten K. , F. und He. für das „Überfall- kommando“ ein. Sie sollten die Rekruten in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 überfallen, entwaffnen, fesseln und ihnen die Augen verbinden. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen zum Standortübungsplatz gefahren werden, um in einer dortigen Sandgrube ihr „Verhör“ durchzuführen. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer den Angeklagten H. ein. Diesem sagte D. , das „Verhör“ solle „etwa so wie in Hammelburg“ , im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum, ablaufen, wo der Angeklagte H. eine Geiselnahmeübung absolviert hatte.
11
Das Landgericht sah sich nicht in der Lage aufzuklären, ob bei dieser Ausbilderbesprechung noch weitere Einzelheiten der Geiselnahmeübung erörtert wurden. Die beiden Zugführer D. und Ho. teilten den Anwesenden mit, die geplante Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef „abgesegnet worden“. Tatsächlich hatte Hauptmann S. eine solche Übung auch genehmigt.
12
5. Gegen Ende der Nachtschießübung am 8. Juni 2004 erklärten die beiden Zugführer D. und Ho. den angetretenen Rekruten, im Raum Coesfeld seien Terroristen gesichtet worden, das Gebiet müsse bestreift und sämtliche Auffälligkeiten müssten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr gesamtes Marschgepäck und ihr Gewehr bei sich hatten, machten sich gruppenweise auf den Weg. Dabei marschierten die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt ohne ihren planmäßigen Gruppenführer los. Die Rolle des Gruppenführers musste jeweils ein Rekrut übernehmen. Es gab keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass etwas Besonderes passieren könnte. Ein Kennwort, mit dem die Rekruten die Übung hätten beenden können, wurde ihnen nicht mitgeteilt. Lediglich manchen Rekruten war während ihres späteren Verhörs gesagt worden, um die Übung zu beenden, müssten sie nur das Wort „Tiffy“ nennen, das in der Grundausbildung als Synonym für „Schwächling“ oder „Weichei“ verwendet wurde und durchaus negativ behaftet war.
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6. Die sechs Beteiligten des „Überfallkommandos“ hatten einen Hinterhalt im Gelände eingerichtet. Sie trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber teilweise ihre Dienstgradabzeichen und Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren vermummt, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Sie hatten Gewehre mit geladenen Manöverpatronengeräten dabei, teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Es waren auch Kabelbinder vor Ort. Spätestens jetzt besprachen die sechs, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln, wobei vermieden werden sollte, dass die Kabelbinder in die Haut schnitten.
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Die erste Gruppe traf verspätet erst in den Morgenstunden des 9. Juni 2004 ein. Das „Überfallkommando“ lenkte die Rekruten zuerst ab und griff sie dann schreiend und schießend an. Die Rekruten waren im Allgemeinen zu überrascht und - nach rund 24 Stunden Dienst und dem mehrstündigen Orientierungsmarsch - zumeist auch zu erschöpft, um noch größere Gegenwehr zu leisten. Sie gingen durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um Bundeswehrangehörige handelte. In aller Regel kamen die Rekruten der Aufforderung, sich zu ergeben und sich auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig nach. Bei manchen Rekruten halfen die Angreifer mit körperlichem Druck nach. Allerdings leisteten andere Rekruten auch Widerstand. So wurde der Zeuge L. von einem der Angreifer zu Boden gerissen, wo er auf dem Bauch zum Liegen kam. Damit er nicht wieder aufstehen konnte, drückte einer aus dem „Überfallkommando“ ein Knie auf seinen Hals. Anschließend wurden L. s Hände mit den Kabelbindern auf den Rücken gefesselt und zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell ver- bunden, wodurch seine Arme nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der Angreifer das Knie des Zeugen L. in einen Haltegriff, so dass dessen Bein verdreht wurde und er Schmerzen erlitt. Auch mit dem Zeugen R. gab es bei der Entwaffnung eine „kleine Rangelei“, bei der er aber nicht verletzt wurde. Der Zeuge Kl. wurde bei dem Überfall von hinten in einen Würgegriff genommen und zu Boden gebracht.
15
Alle Rekruten mussten sich nach ihrer Entwaffnung hinknien oder auf den Bauch legen. Ihnen wurden die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt, wobei größtenteils darauf geachtet wurde, dass sie nicht zu stramm anlagen. Bei den meisten Soldaten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren. Sechs Rekruten trugen jedoch Druckstellen an den Handgelenken davon; zwei erlitten Kratzer beziehungsweise kleine Schnittwunden an den Armen. Die Augen der Rekruten wurden mit einem Dreiecktuch verbunden; möglicherweise wurde einzelnen auch ein Wäschesack über den Kopf gezogen.
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7. Nach dem Überfall auf eine der Gruppen stellte der Angeklagte F. einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken. In der rechten Hand hielt er sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe. In dieser Pose - „vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert“ - ließ er sich fotografieren. Deswegen wurde der Angeklagte F. wegen entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
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8. Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe wie geschildert außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten dauerte, wurden sie auf die Ladefläche eines Pritschenwagens verladen. Dabei wurde ein Rekrut „in den Lkw hineingezogen oder unsanft hineingeschoben“. Ein anderer kam nach dem Einladen auf einem Kameraden zu liegen und wieder ein anderer wurde auf den Lkw geschubst, wobei er sich das Knie schmerzhaft anstieß. Während der langsamen Fahrt zur etwa zwei Kilometer entfernten Sandgrube war einer der Angreifer auf dem Lkw dabei, um für Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass die Rekruten miteinander redeten. Kam ein Rekrut einer Anweisung nicht nach, so erhielt er einen leichten Schlag - zumeist auf den Helm. Dies war - mit Ausnahme der Schläge, die der Zeuge L. bezog - nicht schmerzhaft. Jedoch bekam ein Rekrut während der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen schmerzhaften Krampf in den Beinen.
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9. Nach etwa fünf bis zehn Minuten Fahrt an der Sandgrube angekommen , wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Fünf Rekruten fielen beim „Abladen“ allerdings auf den Sandboden. Der Pritschenwagen fuhr mit dem Angreifer zurück zum Überfallort, um auf die nächste Gruppe zu warten.
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Die Rekruten mussten sich in einem von dem Angeklagten H. und den ihm zur Unterstützung zugeteilten drei Hilfsausbildern mit Stacheldraht abgetrennten Bereich zunächst hinknien. Einige wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an eine steile Sandwand anzulehnen. Es begann dann das vom Angeklagten H. geleitete „Verhör“. Dabei befragte er die Rekruten zuerst ganz allgemein in gebrochenem Englisch. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die Rekruten waren auf eine solche Übung nicht vorbereitet worden, so dass sie nicht wussten, wie sie sich richtig zu verhalten hatten. Die schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende Antworten gaben, unterzog der Angeklagte H. unterschiedlichen „Behandlungen“, die er sich ausgedacht hatte. Deswegen wurde der Angeklagte H. wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in Tateinheit mit Misshandlung (§ 30 Abs. 1 WStG) und entwürdigender Behandlung (§ 31 Abs. 1 WStG) verurteilt.
20
So mussten sich einige Rekruten - mit nach wie vor auf dem Rücken gefesselten Händen - in einer Entfernung von etwa einem Meter einem Kameraden gegenüber hinknien. Beiden wurde dann der Oberkörper so weit nach vorne gezogen, bis sie sich mit ihren Helmen gegenseitig stützten. Dies führte dazu , dass beide in den Sand fielen, sobald einer von ihnen die Position nicht mehr halten konnte. Teilweise mussten sich die gefesselten Rekruten an einen Baum stellen und sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen. Ihnen wurden die Füße ebenfalls so weit zurückgezogen, bis sie nur mehr mit Mühe ihre Position halten konnten. Wäre ein Rekrut abgerutscht, wäre er ohne die Möglichkeit des Abfangens umgefallen. Andere Rekruten wurden von den Kabelbindern befreit und mussten mit verbundenen Augen Liegestütze oder Kniebeugen machen. Den Zeugen B. fasste der Angeklagte H. dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der Liegestütze erheblich erschwert wurde und der Zeuge mit dem Kopf auf den Sandboden aufschlug. Wieder andere mussten allein oder zu zweit mit verbundenen Augen einen Baumstamm vor dem Körper oder über dem Kopf halten.
21
Für den Fall, dass Rekruten Aufgaben nicht erfüllten oder Fragen des Angeklagten H. nicht beantworteten, gab es simulierte Erschießungen dergestalt , dass zunächst die Erschießung des Rekruten oder eines Kameraden angedroht und schließlich ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben wurde.
22
Aus einer mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten mit Wasser bespritzt. Dem Zeugen L. wurde, während er von oben herab nass gespritzt wurde, gesagt, es werde auf ihn und seine Gruppe uriniert. Einigen Rekruten wurde Sand unter die Kleidung geworfen und wieder andere wurden mit beidem - Sand und Wasser - „traktiert“. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei zwei Rekruten dazu, dass sie sich beim anschließenden Marsch in die Kaserne die Oberschenkel wund liefen beziehungsweise sich ihre bereits vorhandenen wunden Stellen verschlimmerten.
23
Einem anderen Teil der Rekruten pumpten der Angeklagte H. und ein Hilfsausbilder mit der Kübelspritze Wasser auch in den Mund, wobei ein anderer den Rekruten festhielt. Der Zeuge L. wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt, was die Schmerzen in seinen Schultern verschlimmerte ; dabei wurde er festgehalten. Zusätzlich wurde sein Mund gewaltsam geöffnet, indem der Angeklagte H. oder in dessen Beisein ein Hilfsausbilder mit der Hand Druck auf den Unterkiefer ausübte. In den geöffneten Mund wurde sodann mehrmals Wasser hineingepumpt, so dass der Zeuge L. keine Luft mehr bekam. Schließlich wurde ihm der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch hineingesteckt und Wasser in die Hose gepumpt. Der Angeklagte H. verhöhnte ihn anschließend als „Bettnässer“. Als der Zeuge L. daraufhin seinerseits den Angeklagten H. beleidigte , bekam er, nachdem er gefragt worden war, ob er sterben wolle, einen metallischen Gegenstand an den Kopf gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Dadurch geriet er in Panik, weil er dachte, ein echtes Maschinengewehr werde ihm an den Kopf gehalten, und er wusste, welche Verletzungen auch Platzpatronen in solchen Waffen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe eines Menschen abgefeuert werden. Es fielen sodann tatsächlich auch mehrere Schüsse, wobei sich das Maschinengewehr aber in einiger Entfernung befand.

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Auch weiteren Rekruten wurde, während sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen auf dem Boden knieten oder lagen, Wasser in den Mund und/oder in die Nase gepumpt. Teilweise wurde ihnen dabei der Mund gewaltsam geöffnet oder die Nase zugehalten, damit sie den Mund öffneten. Einige Rekruten konnten dadurch nicht mehr richtig atmen oder verschluckten sich. Einem dieser Rekruten wurde zudem ebenfalls Wasser in die Hose gepumpt.
25
10. Das „Verhör“ einer Gruppe dauerte jeweils etwa 30 Minuten. Danach wurden die Rekruten, soweit noch nicht geschehen, von Kabelbindern und Augenbinden befreit, bevor sie den Befehl erhielten, zur Kaserne zurück zu marschieren. Der Zeuge L. konnte, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung derart stark schmerzten, nicht allein aufstehen, sondern musste von zwei Hilfsausbildern unterstützt werden.
26
Die Kammer sah sich nicht in der Lage festzustellen, ob die Angeklagten K. , F. und He. wussten, was der Angeklagte H. und die diesem zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen taten.

II.


27
Den Revisionen der Angeklagten F. und H. bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 16. Juli 2008 und in der Revisionshauptverhandlung dargelegten Gründen der Erfolg versagt, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.

III.


28
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie eine Verurteilung der Angeklagten K. , F. und He. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung erstrebt , haben Erfolg.
29
1. Schon die Annahme der Kammer, dass sich die am Überfall beteiligten Angeklagten K. , F. und He. das, „was später in der Sandgrube passiert ist“ (UA S. 38), nicht zurechnen lassen müssten, da es keinen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen und ist rechtsfehlerhaft.
30
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehrakti- gen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend zu Grunde gelegt.
31
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts wussten die Angeklagten K. , F. und He. aufgrund der vorangegangenen Ausbilderbesprechung , dass die unter anderem von ihnen ausgeführten Überfälle der Ermöglichung der nachfolgenden Befragungen dienten, die „etwa so wie in Hammelburg … ablaufen“ (vgl. UA S. 12/13) sollten. Diese Art und Weise der Durchführung der Verhöre teilte der Zugführer D. ausweislich der Urteilsgründe dem Angeklagten H. bei dieser Besprechung mit. Der Senat muss die Urteilsausführungen („in der Besprechung“) dahin verstehen, dass dies für alle an der Ausbilderbesprechung Beteiligten hörbar war. Die Urteilsausführungen belegen zudem, dass sämtlichen Beteiligten - insbesondere aufgrund ihrer eigenen Ausbildung bei der Bundeswehr und wie das Fehlen einer Nachfrage zeigt - bewusst war, dass die Verhöre - wie auch bei den Geiselnahmeübungen im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ - jeweils unter psychischen und physischen Belastungen erfolgen sollten, um bei den Rekruten Stress zu erzeugen. Auch wenn - was das Landgericht nicht zu klären vermochte - weitere Einzelheiten dazu von den Beteiligten nicht erörtert wurden und die Angeklagten K. , F. und He. nicht wussten, was in der Sandgrube letztlich im Einzelnen geschah, liegt es aufgrund der sonstigen Feststellungen nahe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten (dazu näher unten Ziffer III.3.b) kommen würde. Jedenfalls legt die gemeinsame Erörterung der Geiselnahmeübung ohne weitere Nachfrage zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit der nachfolgenden aktiven Be- teiligung der Angeklagten K. , F. und He. an dieser Übung nahe , dass ihnen die genaue Vorgehensweise bei den Verhören in der Sandgrube zumindest gleichgültig war.
32
Absprachegemäß haben die Angeklagten K. , F. und He. die Verhöre und auch die damit einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit der Rekruten dadurch ermöglicht, dass sie diese überfallen, entwaffnet, gefesselt und zur Sandgrube verbracht haben. Dabei hatten sie bezüglich der konkreten Ausgestaltung dieses Teils der Übung freie Hand. Die Beiträge des „Überfallkommandos“ und derjenigen, die das Verhör durchführten, ergänzten sich - dem Tatplan entsprechend - arbeitsteilig. Die Feststellungen drängen zu der Annahme, dass die Angeklagten K. , F. und He. bei ihrem eigenen Handeln bei den Überfällen - insbesondere aufgrund der im Rahmen der Ausbildung ansonsten unüblichen nicht nur kurzzeitigen Fesselung mit Kabelbindern und der teils gewaltsamen Überwältigungen - die erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens der Rekruten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Die in diesem Zusammenhang festgestellte körperliche Misshandlung der Rekruten wäre dann von ihrem Willen umfasst. Die Vorgehensweise bei den Überfällen und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen für die Rekruten unterschieden sich nicht wesentlich von denjenigen bei den Geschehnissen bei den späteren Befragungen. Allein die Steigerung der Intensität einzelner Handlungen bei den Verhören - wie etwa dem Pumpen von Wasser in Mund und Nase bis zur Atemnot - bewirkt nicht, dass die Geiselnahmeübung insgesamt eine andere, von diesen Angeklagten nicht mehr vorgestellte Qualität der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gehabt hätte. Aufgetretene Exzesse sind lediglich im Rahmen des Schuldumfangs der einzelnen Beteiligten von Bedeutung.
33
c) Der vom Landgericht vorgenommenen Differenzierung zwischen dem Überfall einerseits und dem Verhör andererseits kann daher nicht gefolgt werden. Das Überwältigen der Rekruten ermöglichte erst das anschließende Verhör und bildete einen unverzichtbaren Bestandteil der insgesamt unzulässigen (dazu unten Ziffer III.3.c) Geiselnahmeübung. Die an dieser Übung beteiligten Angeklagten K. , F. und He. müssen sich deshalb die Geschehnisse der gesamten Übung zurechnen lassen, soweit sie von dem gemeinsam gefassten Tatplan gedeckt sind und es sich nicht um einzelne Exzesse handelte. Jedenfalls die von den Rekruten in der Sandgrube auszuführenden Zwangshaltungen, Kniebeugen, Liegestütze, das Haltenmüssen von Baumstämmen und die Scheinerschießungen stimmen nach den Urteilsfeststellungen nach Art und Intensität der Beeinträchtigung mit den Vorgehensweisen bei den zulässigen Geiselnahmeübungen, die unter anderem in Hammelburg durchgeführt werden, überein, so dass dies nahe liegend vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und somit den Angeklagten K. , F. und He. zurechenbar war.
34
2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Ausführungen der Kammer, wonach sie im Hinblick auf das Geschehen bei den Überfällen „nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten nur von dem ausgehen“ könne, „was den Rekruten im Regelfall passiert“ sei „und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung beteiligt waren“ (UA S. 39). Auch insofern sind die Grundsätze der mittäterschaftlichen Begehungsweise unzulänglich angewendet.
35
Wie bereits dargelegt, haftet jeder Mittäter im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes für das Handeln der anderen. Dabei werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Ein- zelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. So verhält es sich hier. Vereinbarungsgemäß „überfielen“, entwaffneten und fesselten die Angeklagten K. , F. und He. mit drei (weiteren) Ausbildern die unvorbereiteten Rekruten. Bei einem - schon aufgrund der nicht vorhersehbaren Reaktionen der Soldaten - derart unkontrollierbaren Geschehen liegt es gleichfalls nahe, dass die Beteiligten - entgegen der Auffassung des Landgerichts, das insofern von „Ausnahmen“ ausgeht (UA S. 39) - selbstverständlich damit rechneten, dass sich Soldaten zur Wehr setzen und es zu tätlichen, auch schmerzhaften Auseinandersetzungen - wie etwa mit dem Zeugen L. - kommt. In diesem Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. nach den Feststellungen insofern jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt und müssten sich damit diese Geschehnisse zurechnen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie selbst an der konkreten Auseinandersetzung mit dem einzelnen, betroffenen Rekruten nicht beteiligt waren.
36
3. Die Beteiligung an der gegenständlichen Geiselnahmeübung durch die Angeklagten K. , F. und He. stellt entgegen der Ansicht des Landgerichts eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 30 Abs. 1 WStG, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Der Begriff der Misshandlung des § 30 WStG setzt ebenso wie der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten voraus, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269, 271). Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 223 Rdn. 4a m.w.N.).

37
a) An diesen Maßstäben gemessen stellen - wovon auch die Kammer im Ansatz zutreffend ausgeht (vgl. UA S. 39) - bereits das Überfallen und Überwältigen der Rekruten, ihre Fesselung mit Kabelbindern über einen erheblichen Zeitraum, das Verbinden ihrer Augen, ihr Verladen auf die Ladefläche eines Pritschenwagens und der anschließende unzulässige Transport zur Sandgrube, bei dem die nach wie vor gefesselten Soldaten mit verbundenen Augen teils übereinander lagen und in keiner Weise während der Fahrt gesichert waren, sowie die hierbei teilweise verabreichten Schläge jeweils für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar. Dies gilt umso mehr, als die Rekruten nach rund 24 Stunden Dienst und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch mit ihrem gesamten Marschgepäck und ihrem Gewehr zumeist ohnehin erschöpft waren.
38
b) Erst recht beeinträchtigte die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit - sprich der Überfall und das sich anschließende Verhör der Rekruten -, worauf maßgeblich abzustellen ist (vgl. oben Ziffer III.1.c), das körperliche Wohlbefinden der Rekruten mehr als bloß unerheblich. Die Rekruten wurden dieser „Behandlung“ über einen Zeitraum von jedenfalls 30 Minuten unterzogen. Zum Teil waren sie während der gesamten Zeit mit den Kabelbindern gefesselt. Teilweise mussten sie zusätzlich über erhebliche Zeiträume in anstrengenden Zwangspositionen (etwa mit weit vorgebeugtem Oberkörper einem Kameraden gegenüber kniend) verharren (vgl. zur körperlichen Misshandlung durch Zwangshaltungen bereits RMG 3, 119, 121) oder kräftezehrende Übungen (Liegestütze, Kniebeugen, Halten von Baumstämmen) absolvieren, obwohl sie - wie dargestellt - überwiegend aufgrund der vorangegangenen körperlichen Anstrengungen sowieso bereits am Ende ihrer körperlichen Möglichkeiten waren und damit die auferlegten Aufgaben und die übrige Behandlung als bloße Quälerei empfinden mussten.
39
c) Die Geiselnahmeübung ist auch eine üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper der betroffenen Rekruten, da sie offensichtlich den geltenden Dienstvorschriften zuwiderlief und es an einem rechtmäßigen Befehl fehlte.
40
aa) Ob eine üble, unangemessene, sozialwidrige Behandlung gegeben ist, entscheidet sich nach dem Wesen des militärischen Dienstes, der seiner Natur nach hohe körperliche Anforderungen an den Soldaten stellt. Mutet ein Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zu Zwecken der Ausbildung einem Soldaten besondere Anstrengungen zu und verstößt er dabei nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen, rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle, so fehlt es an einer Misshandlung (BGHSt 14, 269, 271).
41
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch für die Gewährleistung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Gebote bilden die Grundlage der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 10 Abs. 4 SG) und bedürfen im militärischen Bereich besonderer Beachtung. Nach der eindeutigen Regelung des § 6 Satz 1 SG hat der Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Gemäß § 6 Satz 2 SG werden die grundrechtlichen Garantien lediglich im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Die körperliche Integrität der Untergebenen innerhalb der Bundeswehr genießt einen hohen Stellenwert. Es gilt der Grundsatz, dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen niemals anfassen darf, außer es steht zur unmittelbaren Durchsetzung eines rechtmäßigen Befehls kein anderes Mittel zur Verfügung (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1999, 321, 322 m.w.N.).
42
bb) Vorliegend stellt die Durchführung der Geiselnahmeübung einen klaren Verstoß gegen die geltenden Vorschriften der Bundeswehr und die Grundrechte der betroffenen Rekruten dar. Eine praktische Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ ist und war auch zur Tatzeit nach den geltenden Ausbildungsregeln der Bundeswehr für die dreimonatige Grundausbildung der Rekruten nicht vorgesehen und damit mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig. Eine derartige Übung kam ausschließlich im Rahmen der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ für diejenigen Soldaten auf Zeit, freiwillig länger Dienende oder Berufssoldaten, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hatten und vor einem Auslandseinsatz standen, in Betracht. Selbst diese Spezialübung darf ausschließlich an drei besonderen Bundeswehrstandorten durchgeführt werden. Vorschriftsgemäß hat dem praktischen Teil eine Unterrichtseinheit mit psychologischer Betreuung vorauszugehen. Eine tätliche Konfrontation mit den Soldaten oder gar eine Fesselung findet nicht statt. Zudem können die Soldaten die Übung, auf die sie vorbereitet worden sind, durch ein Handzeichen jederzeit beenden.
43
Obgleich unzulässig, wurden aber nicht einmal diese Standards für die Durchführung derartiger Spezialübungen beachtet. Eine vorbereitende Unterrichtseinheit fand nicht statt. Die ohnehin zumeist erschöpften Rekruten wurden nach rund 24-stündigem Dienst und einem kräftezehrenden nächtlichen Orientierungsmarsch außergewöhnlichen, bei solchen Spezialübungen nicht zulässigen zusätzlichen physischen Belastungen (etwa in Form des gewaltsamen Überwältigens mit tätlichen Auseinandersetzungen, der Fesselung oder des ungesicherten Transports auf einem Pritschenwagen), aber auch psychischen Belastungen ausgesetzt und damit in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies verstieß evident gegen gesetzliche Bestimmungen, Dienstvorschriften und Befehle, § 10 Abs. 4 SG.
44
4. Rechtsfehlerhaft ist aber auch die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten K. , F. und He. hätten sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB befunden, weil sie von der Rechtmäßigkeit der Übung ausgegangen seien. Denn der Irrtum eines Untergebenen in der Bundeswehr, sein Verhalten sei durch gesetzliche Bestimmungen , Dienstvorschriften oder einen rechtmäßigen Befehl gerechtfertigt, unterfällt dem besonderen Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 WStG.
45
a) § 11 Abs. 2 Satz 1 SG verbietet den Gehorsam gegenüber einem Befehl , wenn der Untergebene dadurch eine Straftat begeht. Ein solcher strafrechtswidriger Befehl ist unverbindlich (vgl. BGHSt 19, 231, 232; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 2). Ein Befehl, dem die Verbindlichkeit fehlt, kommt lediglich als Entschuldigungsgrund in Betracht. Der Untergebene, der eine strafrechtswidrige Weisung ausführt, handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, selbst wenn er an die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit der Anordnung glaubt (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts - AT 5. Aufl. § 46 I.2 m.w.N.). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SG und § 5 Abs. 1 WStG trifft einen Untergebenen, der auf Befehl eine rechtswidrige Tat begeht, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, eine Schuld aber nur dann, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt, oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist (vgl. BGHSt 19, 231, 232).
46
b) Erkennen verlangt hierbei positive Kenntnis, sicheres Wissen (vgl. BGHSt 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]). Erkennt der Untergebene die Strafrechtswidrigkeit des Befehls nicht, beurteilt er sie unzutreffend oder hat er insoweit Zweifel, so handelt er nur dann schuldhaft, wenn die Strafrechtswidrigkeit nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. § 17 StGB ist im Rahmen des § 5 WStG angesichts der ausdrücklichen Regelung der militärischen Befehlsverhältnisse nicht anwendbar (BGHSt 5, 239, 244; 22, 223, 225 [zu § 47 MStGB]).
47
Der Begriff „offensichtlich“ ist objektiv zu verstehen. Er umfasst das, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennt, was jenseits aller Zweifel liegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2). Abzustellen ist damit auf die Erkenntnisfähigkeit eines gewissenhaften, pflichtbewussten Durchschnittssoldaten. Beurteilungsgrundlage für diesen sind allerdings die dem Täter subjektiv bekannten Umstände - und zwar nicht nur die allgemeinen Tatumstände, sondern alle für die Beurteilung des Sachverhalts bedeutsamen Umstände - wie etwa die Kenntnis von vorangegangenen Ereignissen, von Befehlen, Belehrungen, Dienstvorschriften und dergleichen (Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 5 Rdn. 13; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 5 WStG Rdn. 10). Auch wenn einem Untergebenen regelmäßig keine Sachverhaltsprüfungspflicht obliegt (vgl. BGHR WStG § 5 Abs. 1 Schuld 2) und er grundsätzlich zu unverzüglichem Gehorsam verpflichtet ist, so muss er dennoch Gegenvorstellung erheben oder den Gehorsam verweigern, wenn er aufgrund der ihm bekannten Umstände der Überzeugung ist oder er ohne den berechtigten Vorwurf der Rechtsblindheit die Überzeugung haben müsste, dass der Befehl strafrechtswidrig ist (vgl. Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 5 WStG; BGHSt 19, 231, 233).
48
c) Dies hat das Landgericht nicht in ausreichendem Maße bedacht. Sollte sich das nun zur Entscheidung berufene Tatgericht aufgrund der neu durchzuführenden Beweisaufnahme die Überzeugung davon verschaffen können, dass die Angeklagten K. , F. und He. die zum Tatzeitpunkt geltende AnTrA1 und/oder das Schreiben des Heeresführerkommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 gekannt oder aufgrund anderer Umstände um die Unzulässigkeit einer Übung „Geiselnahme /Verhalten in Gefangenschaft“ in der „Allgemeinen Grundausbildung“ gewusst haben, wofür die Diskussion über die Frage der Genehmigung durch den Kompaniechef spricht, so sind sie für ihre Beteiligung an der Übung am 8./9. Juni 2004 strafrechtlich verantwortlich.
49
Im Übrigen legen bereits die bisherigen Feststellungen - insbesondere die Diskussion unter den Ausbildern über eine Änderung der AnTrA1 in Bezug auf eine künftige Zulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der Grundausbildung - den Schluss nahe, dass die Strafrechtswidrigkeit der Übung und der diesbezüglichen „Genehmigung“ des Kompaniechefs für die Beteiligten jedenfalls offensichtlich im Sinne des § 5 Abs. 1 WStG war. Dies gilt umso mehr, als Art und Weise der Durchführung von den der bei der „Einsatzbezogenen Zusatzausbildung“ geltenden Standards abwichen, was die Beteiligten aufgrund ihrer eigenen Ausbildung wussten. Für diesen Fall hätten die Angeklagten K. , F. und He. den strafrechtswidrigen, unverbindlichen Befehl nicht ausführen dürfen.
50
5. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung hält aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der subjektiven Tatseite sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Zum einen legt die Strafkammer entlastende Einlassungen der Angeklagten K. , F. und He. , für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde. Zum anderen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insofern auch lückenhaft.
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.
52
b) Sie hat zwar die zu Gunsten der Angeklagten K. , F. und He. sprechenden Umstände wie die Anordnung der Übung durch ihre Zugführer , die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und Ho. , sowie deren Mitteilung über die Genehmigung durch den Kompaniechef, den früheren Mitangeklagten S. , berücksichtigt. Belastende Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit Zweifel an einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten , dass den Angeklagten - ebenso wie den übrigen Beteiligten an dieser Übung - der Verstoß gegen die geltenden, ihnen bekannten Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr bewusst und ihnen daher die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zumindest gleichgültig war, hat sie aber nicht erkennbar in die Beweiswürdigung eingestellt.

53
aa) So setzt sich die Strafkammer nicht mit dem nahe liegenden Gesichtspunkt auseinander, dass sämtliche Angeklagte selbst die Ausbildung bei der Bundeswehr durchlaufen haben und sie daher wissen mussten, dass eine praktische Übung „Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft“ nicht Bestandteil der „Allgemeinen Grundausbildung“ war und es dazu deshalb auch keine Ausbildungsvorschriften für die Grundausbildung von Soldaten gab. Gleichfalls unerörtert bleibt die Tatsache, dass jedenfalls die Angeklagten K. , F. und H. als Ausbilder eine zusätzliche, weitergehende Ausbildung erhalten hatten und ihnen in diesem Zusammenhang die Ausbildungsziele und die Bestandteile der „Allgemeinen Grundausbildung“ von Rekruten bekannt gemacht sein mussten. Das Urteil erörtert auch nicht, dass zudem der Angeklagter K. selbst schon eine „Einsatzbezogene Zusatzausbildung“ absolviert hatte und ihm somit der ordnungsgemäße Ablauf einer derartigen Übung bekannt war. Nahe liegend musste er die davon abweichenden und die im Umfang stärkeren Belastungen, zumal für Rekruten, mit sich bringende Durchführung der gegenständlichen Übung erkennen.
54
bb) Das Landgericht geht außerdem nicht darauf ein, dass bei der Ausbilderbesprechung von den beiden Zugführern D. und Ho. mitgeteilt worden war, die Geiselnahmeübung sei vom Kompaniechef abgesegnet worden. Dies könnte dafür sprechen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Vorhabens Gegenstand der Diskussion war; wenn es hierfür eine allgemein gültige Dienstanweisung gegeben hätte, wäre diese Frage kaum aufgetaucht, sondern einfach hierauf verwiesen worden.
55
cc) Gleiches gilt für die nicht näher geschilderte Nachbesprechung der Geiselnahmeübung. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass diejenigen Beteilig- ten, deren Vorstellung vom Übungsablauf die tatsächliche Durchführung widersprach , Verwunderung oder Ablehnung im Hinblick auf die erfolgte Behandlung der Rekruten äußerten und sich von diesem Geschehen distanzierten. Auch damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
56
dd) Schließlich findet auch Folgendes keine Erwähnung: Nach den Feststellungen der Kammer war „auch in den Kreisen der Ausbilder seinerzeit … davon die Rede …, dass die AnTrA1 den geänderten Verhältnissen … angepasst werden sollte“ (UA S. 40). Demnach liegt das Wissen der Beteiligten - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die AnTrA1 nach den Urteilsfeststellungen im Intranet der Bundeswehr abrufbar und damit für sie jederzeit zugänglich war - um die zum Tatzeitpunkt gerade noch nicht erfolgte Änderung und um die nach wie vor bestehende Unzulässigkeit von Geiselnahmeübungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ nahe. Denn wenn einerseits über eine erst zukünftige Änderung der Ausbildungsregeln diskutiert wurde, konnte schwerlich angenommen werden, die damals gültigen Regeln seien bereits ohne Geltung gewesen. Außerdem war es nach den landgerichtlichen Feststellungen „in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch außerhalb (der) drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung 'Geiselnahme/Geiselhaft' durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte“. Deshalb war in einem entsprechenden Schreiben des Heeresführerkommandos sowie in dem „Befehl 38/10“ auf die Unzulässigkeit derartiger Übungen in der „Allgemeinen Grundausbildung“ und außerhalb der vorgesehenen Ausbildungszentren hingewiesen worden (UA S. 11). Angesichts dessen erscheint es auch im Hinblick auf die vorgenannten Gespräche der Ausbilder zu diesem Thema fern liegend, dass gerade darüber inner- halb der Kompanie der Angeklagten nicht gesprochen wurde beziehungsweise dies unerwähnt blieb.
57
ee) Letztlich gibt die Kammer auch nicht zu erkennen, worauf sie ihre Auffassung stützt, dass nicht festzustellen war, dass die Angeklagten K. , F. und He. das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 beziehungsweise den „Befehl 38/10“ vom 12. April 2004 kannten. Soweit das Tatgericht lediglich darauf verweist, dass selbst der ehemalige Mitangeklagte Hauptmann S. erklärt habe, dass ihm - obwohl Kompaniechef - beide Schreiben nicht bekannt gewesen seien, genügt dies nicht. Die Kammer hat sich mit der Glaubhaftigkeit dieser Einlassung nicht auseinandergesetzt , obwohl sich die Frage aufdrängen musste, ob dieser frühere Mitangeklagte nicht ein gewisses Eigeninteresse verfolgt. Unberücksichtigt gelassen wird auch die in Behörden und staatlichen Einrichtungen, vor allem aber auch in der Bundeswehr, übliche Bekanntmachung derart wichtiger Anweisungen - regelmäßig durch unterschriftliche Bestätigung der einzelnen Empfänger oder Protokollierung der Bekanntgabe unter Mitteilung der hierbei anwesenden Soldaten. Gerade deshalb erscheint es eher fern liegend und mit einem ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unvereinbar, dass beide Schriftstücke in dieser Ausbildungseinheit praktisch nicht zur Kenntnis gelangt sein sollen.
58
Dies alles hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Beweiswürdigung eingestellt.
59
c) Unter diesen Umständen war das Tatgericht nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung viel- mehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07). Die vom Landgericht als unwiderlegbar hingenommene Einlassung , die Angeklagten seien von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, stellt sich unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Gesichtspunkte als eine eher denktheoretische Möglichkeit dar, die beweiskräftiger Anknüpfungspunkte entbehrt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZRR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274; Senat, Urt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07).
60
6. Schließlich hält die Auffassung des Landgerichts, der Überfall, das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den Pritschenwagen stellten keine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG dar, sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
61
a) Entwürdigende Behandlung ist jedes Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, das die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt , auf die der Untergebene allgemein als Mensch in der sozialen Gesellschaft und im besonderen als Soldat innerhalb der soldatischen Gemeinschaft Anspruch hat. Der Untergebene darf keiner Behandlung ausgesetzt werden, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 3; Stauf in Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht § 31 WStG jeweils m.w.N.). Ob eine entwürdigende Behandlung vorliegt, beurteilt sich, wenn die Handlung nicht bereits wegen ihres absolut entwürdigenden Charakters unter § 31 Abs. 1 WStG fällt, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände (BayObLG NJW 1970, 769, 770; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 3; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 4).
62
b) Daran gemessen unterfällt jedenfalls die Geiselnahmeübung in ihrer Gesamtheit dem Tatbestand des § 31 Abs. 1 WStG. Insbesondere die Fesselung der Rekruten (vgl. dazu Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 31 Rdn. 5), das Verbinden ihrer Augen, das Verladen der Rekruten „wie Ware“ auf die Ladefläche eines Pritschenwagens, die auf den Helm verabreichten Schläge , um für Ruhe zu sorgen, das Hinknienlassen sowie die schikanösen Zwangshaltungen und Ausdauerübungen, die den nach fast 24-stündigem Dienst und einem anstrengenden Nachtmarsch ohnehin zumeist erschöpften Rekruten befohlen wurden, schließlich die angedrohten (teils mit angesetzter Waffe) und vorgetäuschten Erschießungen (vgl. dazu Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 31 WStG Rdn. 4 m.w.N.) stellen entwürdigende Behandlungen dar, welche zumindest bei einem Soldaten auch zu einer nahezu panischen Angst führten. Dies alles erniedrigte die Rekruten zum bloßen Objekt.

IV.


63
Die Sache bedarf daher für die Angeklagten K. , F. und He. der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
64
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils, soweit es die Angeklagten K. , F. und He. betrifft, ist durch die insoweit erfolgte Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH StV 2006, 687, 688).

V.


65
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
66
1. Selbst wenn das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Feststellung gelangen sollte, die betroffenen Rekruten hätten ausdrücklich oder konkludent in die gegenständliche unzulässige Geiselnahmeübung eingewilligt , so hätte dies keine rechtfertigende Wirkung. §§ 30, 31 WStG schützen nicht allein das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beziehungsweise der Würde des Untergebenen, sondern auch die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr. Die ehr- und körperverletzende Behandlung durch Vorgesetzte stellt einen Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der Menschenwürde und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten körperlichen Unversehrtheit dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete durch das subjektive Einverständnis des Individualgrundrechtsträgers nicht freigestellt werden (vgl. BVerwG NJW 2001, 2343, 2344; Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 10 m.w.N.).
67
2. § 30 WStG kann mit § 224 StGB - wie vom Landgericht betreffend den Angeklagten H. zutreffend angenommen - in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. § 30 WStG geht nur § 223 StGB vor, enthält aber keine alle Körperverletzungsdelikte ausschließende Sonderregelung. Dies folgt schon daraus, dass das all- gemeine Strafrecht gerade in den schwereren Fällen der Untergebenenmisshandlung nicht durch das WStG gemildert werden darf (vgl. BGH NJW 1970, 1332 [zu § 226 StGB aF]; Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz 4. Aufl. § 30 Rdn. 28; a.A. Dau in Erbs/Kohlhaas 172. Lfg. § 30 WStG Rdn. 18; Arndt, Grundriß des Wehrstrafrechts 2. Aufl. S. 218).
68
3. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu der Auffassung gelangen, eine Strafbarkeit gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG liege nicht vor, so wird es aufgrund der Fesselung der Rekruten für teilweise mehr als 30 Minuten, deren Verbringens mit verbundenen Augen auf die Ladefläche des Pritschenwagens und deren begleiteten Abtransports den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB oder jedenfalls der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben. Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sein Verhalten beharrlich wiederholt.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.