Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2017 - 4 StR 299/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:100417B4STR299.16.0
10.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 299/16
vom
10. April 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Bei einem unter Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften durchgeführten
internationalen Transport kann – bei Vorliegen der sonstigen hierfür erforderlichen
Voraussetzungen nach § 29a OWiG – der Verfall in Höhe des gesamten
Transportlohns angeordnet werden.
BGH, Beschluss vom 10. April 2017 – 4 StR 299/16 – OLG Oldenburg
in der Bußgeldsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:100417B4STR299.16.0


wegen Anordnung des Verfalls
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Verfallsbeteiligten am 10. April 2017 beschlossen:
Bei einem unter Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften durchgeführten internationalen Transport kann – bei Vorliegen der sonstigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 29a OWiG – der Verfall in Höhe des gesamten Transportlohns angeordnet werden.

Gründe:

I.

1
1. Das Amtsgericht Nordhorn hat durch Urteil vom 21. Januar 2016 gegen die Verfallsbeteiligte den Verfall eines Betrages von 2.300 Euro angeordnet.
2
Die Verfallsbeteiligte ist eine juristische Person mit Sitz in Polen, welche Speditionsleistungen erbringt. Ein Mitarbeiter der Verfallsbeteiligten befuhr am Sonntag, den 7. Juni 2015, gegen 11:30 Uhr mit einem Fahrzeug nebst Auflieger die BAB 30 in Fahrtrichtung Niederlande. Er führte in Ausübung seiner Tätigkeit für die Verfallsbeteiligte eine Transportfahrt von C. (Polen) über die Bundesrepublik Deutschland nach J. (Spanien) durch. Bei einer Kontrolle in S. konnte der Fahrer eine gültige Ausnahmegenehmigung für die Durchführung des Transports an einem Sonntag nicht vorlegen. Nach der Kontrolle und Erbringung einer Sicherheitsleistung setzte er die Fahrt am selben Tag fort. Die Verfallsbeteiligte vereinnahmte für den Transport von C. nach J. einen Lohn von 2.300 Euro netto.
3
Gegen das Urteil hat die Verfallsbeteiligte Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass der Transportlohn nur teilweise im Sinne von § 29a OWiG erlangt sei, und zwar entsprechend dem Anteil der Fahrtstrecke in der Bundesrepublik Deutschland an der Gesamtstrecke.
4
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Sache dem mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat zur Entscheidung übertragen. Dieser hat die Sache durch Beschluss vom 9. Juni 2016 dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
5
2. Das Oberlandesgericht Oldenburg beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Es ist der Ansicht, dass der gesamte Transportlohn von 2.300 Euro durch den Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot unmittelbar erlangt worden sei, da ohne diesen Verstoß der Transport – so wie geschehen – nicht hätte durchgeführt werden können.
6
Das Oberlandesgericht Oldenburg sieht sich an der beabsichtigten Zurückweisung der Rechtsbeschwerde durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 21. Dezember 2015 (1 Ss (OWi) 165/15, wistra 2016, 124) gehindert.
7
3. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat daher die Sache durch Beschluss vom 9. Juni 2016 dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Frage vorgelegt: „Ist bei einem internationalen Transport, der unter Verstoß gegen deut- sche Straßenverkehrsvorschriften durchgeführt worden ist (hier: Bestim- mungen über das Sonn- und Feiertagsfahrverbot), bei der Bestimmung des Erlangten i.S. des § 29a Abs. 1 OWiG auf den gesamten Transportlohn oder nur auf den sich rechnerisch für die inländische Fahrtstrecke ergebenden Transportlohn abzustellen?“
8
4. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Vorlegungsfrage im Sinne der Rechtsauffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts zu beantworten, wonach auf den gesamten Transportlohn abzustellen ist.

II.


9
Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind erfüllt. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 GVG ist gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG für die Rechtsbeschwerde entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – 4 StR 503/12, BGHSt 59, 4, 8; Göhler/Seitz, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 16. Aufl., § 79 Rn. 38).
10
a) Die vorgelegte Rechtsfrage ist von entscheidungserheblicher Bedeutung.
11
Da die Verfallsbeteiligte den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zulässigerweise auf die Rechtsfolge – die Höhe des Verfallsbetrages – beschränkt hat, steht es der Zulässigkeit der Vorlage nicht entgegen, dass sich das erstinstanzliche Urteil nicht zu der Frage verhält, ob einer der gesetzlichen Ausnahmetatbestände zum Sonntagsfahrverbot nach § 30 Abs. 3 Satz 2 StVO vorlag.
12
Der Zulässigkeit der Vorlage steht auch nicht entgegen, dass sich das erstinstanzliche Urteil nicht damit auseinandersetzt, inwiefern für den in Rede stehenden Transport eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO hätte erteilt werden können und inwiefern die ersparten Kosten für das Genehmigungsverfahren als erlangtes Etwas im Sinne von § 29a OWiG in Betracht kommen. Bei einem Verstoß gegen ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt – ein solches stellt das Sonntagsfahrverbot dar (vgl. Janker /Hühnermann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht , 24. Aufl., 2016, § 46 StVO Rn. 1; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 30 StVO Rn. 15) – kommen die ersparten Kosten des Genehmigungsverfahrens grundsätzlich nicht als erlangtes Etwas in Betracht, da das bußgeldbewehrte Verhalten ohne tatsächlich erteilte Genehmigung nicht nur formell, sondern materiell rechtswidrig ist und die hypothetische Ermessensausübung der Verwaltungsbehörde nicht im Bußgeldverfahren ersetzt werden kann (OLG Celle, NZV 2013, 610, 611; OLG Hamburg, NStZ 2014, 340, 342; OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Juni 2016, 2 Ss OWi 52/16 (37/16), juris Rn. 15; Louis in: Blum/Gassner/Seith, Ordnungswidrigkeitengesetz , § 29a Rn. 24; Deutscher in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 4070; Labi, NZWiSt 2013, 41, 44; Pelz, Festschrift für Imme Roxin, 2012, S. 193). Dementsprechend spielt es auch bei einem Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot für den Wert des Erlangten keine Rolle, ob eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO hätte erteilt werden können (OLG Celle, NStZ-RR 2012, 151, 152; Rebmann /Roth/Herrmann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 18. Lfg. März 2013, § 29a Rn. 10).
13
b) Das Oberlandesgericht Oldenburg kann nicht seiner Ansicht gemäß entscheiden, ohne von dem Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 21. Dezember 2015 abzuweichen. Zwar lag dem Beschluss dieses Oberlandesgerichts eine andere mit Bußgeld bedrohte Handlung zugrunde, namentlich die Inbetriebnahme einer Fahrzeugkombination unter Verstoß gegen die höchstzulässige Fahrzeughöhe nach §§ 69a Abs. 3 Nr. 2, 31 d Abs. 1, 32 Abs. 2 StVZO. Die Identität der Rechtsfrage ist allerdings schon dann zu bejahen , wenn wegen Gleichheit der Fragestellung die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der jeweils zugrunde liegenden Sachverhaltsgestaltungen oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann (BGH, Beschlüsse vom 21. September 1999 – 4 StR 71/99, BGHSt 45, 197, 200; vom 22. April 1980 – 1 StR 625/79, BGHSt 29, 252, 254 und vom 1. Februar 1977 – 1 StR 741/76, BGHSt 27, 110, 112; KK-StPO/Hannich, 7. Aufl., § 121 GVG Rn. 34; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 121 GVG Rn. 64). Die Oberlandesgerichte Oldenburg und Braunschweig haben – ausgehend davon, dass der Transportlohn aufgrund der jeweiligen bußgeldbewehrten Handlung grundsätzlich im Sinne von § 29a OWiG erlangt wurde – die Frage, inwiefern bei der Bestimmung des Verfallsbetrags Streckenanteile des Transports im Ausland zu berücksichtigen sind, allein anhand allgemeiner, nicht am jeweils zugrundeliegenden Bußgeldtatbestand festgemachter Erwägungen beantwortet. Der für die vorliegende Rechtsfrage maßgebliche Sachverhalt – grenzüberschreitende Transporte, bußgeldbewehrte Handlungen auf der Teilstrecke in der Bundesrepublik Deutschland – ist dabei identisch, so dass beide Rechtsansichten für den jeweils anderen Entscheidungsgegenstand Geltung beanspruchen.
14
c) Die Vorlegungsfrage bedarf jedoch der Umformulierung und Präzisierung.
15
aa) Das Verfahren, welches dem Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg zugrunde liegt, bezieht sich nicht auf einen Verfall nach § 29a Abs. 1 OWiG, sondern auf einen Drittverfall nach § 29a Abs. 2 OWiG. Hierdurch ergeben sich für die vorliegend in Rede stehende Rechtsfrage jedoch keine Unterschiede , da § 29a Abs. 1 und Abs. 2 OWiG bezüglich der Bestimmung des Erlangten identisch auszulegen sind (BeckOK-OWiG/Meyberg, Stand: 15. Januar 2017, § 29a Rn. 73; KK-OWiG/Mitsch, 4. Aufl., § 29a Rn. 41; Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, Rn. 1299; Deutscher , aaO, Rn. 4067; vgl. für § 73 Abs. 1 und Abs. 3 StGB: NK-StGB/Saliger, 4. Aufl., § 73 Rn. 36b; Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, 2. Aufl., Rn. 108). Daher wird die Vorlegungsfrage insgesamt auf das im Rahmen von § 29a OWiG Erlangte erstreckt.
16
bb) Die Divergenz zwischen den Oberlandesgerichten Oldenburg und Braunschweig bezieht sich indes allein auf die Frage, wie es sich auf die Bestimmung des Verfallsbetrages auswirkt, dass ein Transport nur anteilig auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wurde. Keine Divergenz besteht hinsichtlich der vorgelagerten Frage, inwiefern infolge eines Verstoßes gegen Straßenverkehrsvorschriften – die mit Geldbuße bedrohte Handlung (§ 1 Abs. 2 OWiG) – überhaupt der Transportlohn als das erlangte Etwas im Sinne von § 29a OWiG anzusehen ist. Ob und in welchem Umfang etwas im Sinne der Verfallsvorschriften erlangt wurde, könnte auch nicht allgemein beantwortet werden, sondern dies ist tatbestandsspezifisch danach zu bestimmen, welche Handlung letztlich straf- beziehungsweise bußgeldbewehrt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 – 1 StR 368/14, BGHR StGB § 73 Erlangtes 18; Urteil vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13, BGHSt 59, 80, 92; Urteil vom 19. Januar 2012 − 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 84; Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09; NJW 2010, 882, 884; Göhler/Gürtler, aaO, § 29a Rn. 6; NK-StGB/Saliger, aaO, § 73 Rn. 9b; Deutscher, aaO, Rn. 4069; Kudlich, NStZ 2014, 343, 344).
17
Dementsprechend ist klarzustellen, dass sich die vorgelegte Rechtsfrage ausschließlich darauf bezieht, wie sich ein grenzüberschreitender Transport auf den Umfang des im Sinne von § 29a OWiG Erlangten auswirkt.
18
cc) Der Senat formuliert die Rechtsfrage daher wie folgt: „Kann bei einem unter Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvor- schriften durchgeführten internationalen Transport – bei Vorliegen der sonstigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 29a OWiG – der Verfall in Höhe des gesamten Transportlohns angeordnet werden oder nur in Höhe des sich rechnerisch für die inländische Fahrtstrecke ergebenden Transportlohns?“

III.


19
Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich.
20
1. Nach § 29a OWiG kann der Verfall eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht. Maßgeblich ist daher die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Vorteils, welcher dem Täter infolge der mit Geldbuße bedrohten Handlung zugeflossen ist. Dabei muss – entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift („dadurch“) – eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen bußgeldbewehrter Handlung und erlangtem Vorteil bestehen; die hieran anknüpfende Abschöpfung hat spiegelbildlich dem Vermögensvorteil zu entsprechen, welcher aus der Begehung der mit Bußgeld bedrohten Handlung gezogen wurde (OLG Celle, NStZ-RR 2012, 151, 152; OLG Stuttgart, wistra 2009, 167, 168; OLG Karlsruhe, ZfSch 2013, 172; Göhler /Gürtler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 16. Aufl., § 29a Rn. 10; Müller, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Stand: Oktober 2012, § 29a Rn. 4; Rebmann /Roth/Herrmann, aaO, § 29a Rn. 10; für den Verfall nach § 73 StGB: BGH, Urteil vom 27.November 2013 – 3 StR 5/13, BGHSt 59, 80, 92; Urteil vom 19. Januar 2012 − 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 82; Urteil vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884; Urteil vom 2. Dezember 2005, BGHSt 50, 299, 309; LK-StGB/Schmidt, 12. Aufl., § 73 Rn. 19; Wiedner in Graf/ Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 73 StGB Rn. 23).
21
Bei einem internationalen Transport wird eine solche unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der mit Bußgeld bedrohten Handlung und dem wirtschaftlichen Vorteil des gesamten Transportlohns nicht dadurch in Frage gestellt , dass nur auf einem Teilstück der Transportstrecke gegen Straßenverkehrsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland verstoßen wird.
22
Zwar stellt nicht der (Gesamt-)Transport als solcher die mit Bußgeld bedrohte Handlung (§ 1 Abs. 2 OWiG) im Sinne von § 29a OWiG dar, sondern Anknüpfungspunkt des Verfalls ist nur der jeweilige Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften (vgl. OLG Braunschweig, wistra 2016, 124; OLG Schleswig, TranspR 2016, 372). Dies steht der unmittelbaren Kausalbeziehung zwischen einem entsprechenden Verstoß und der Erlangung des gesamten Transportlohns jedoch nicht entgegen. Vielmehr besteht eine Ursächlichkeit auch dann, wenn mehrere Handlungen einen Erfolg erst durch ihr Zusammenwirken – kumulativ – herbeiführen (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 11; LK-StGB/Walter, 12. Aufl., Vorbemerkun- gen zu den §§ 13 ff. Rn. 75; MüKo-StGB/Freund, 2. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 342; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 29. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 83). Ist daher die Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit conditio sine qua non für den entstandenen Vermögensvorteil – hier den Transportlohn –, wurde dieser aus der mit Bußgeld bedrohten Handlung „gezo- gen“ und kann demnach abgeschöpft werden. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeführerin muss eine spiegelbildliche Entsprechung gerade nicht zwischen bußgeldbewehrter Handlung und Vermögensvorteil bestehen, sondern nur zwischen dem gezogenen Vermögensvorteil und dem abgeschöpften Betrag.
23
Bei einem internationalen Transport kann die erfolgte Nutzung des deutschen Verkehrsraums nicht hinweg gedacht werden, ohne dass der wirtschaftliche Vorteil des gesamten Transportlohns entfiele (vgl. Thole, NZV 2009, 64, 67 für bußgeldbewehrte Handlungen, die sich auf Teilstrecken bei innerdeutschen Transporten beziehen). Würde man demgegenüber – einengend – eine ausschließliche Kausalität der bußgeldbewehrten Handlung für einen wirtschaftlichen Erfolg fordern, würde der praktische Anwendungsbereich der Verfallsvorschriften unsachgemäß eingeschränkt. Gerade im Wirtschaftsleben ist ein geldwerter Vorteil in den seltensten Fällen monokausal auf eine straf- beziehungsweise bußgeldbewehrte Handlung zurückzuführen, sondern hierfür ist regelmäßig ein legaler Rahmen mitursächlich.
24
Die Annahme, bei einem internationalen Transport werde der unmittelbare Tatvorteil nur aus dem Teil des Transportlohns gezogen, der auf den inländischen Streckenanteil entfalle (so OLG Braunschweig und OLG Schleswig aaO), entspricht letztlich einer Fiktion und würde zu der Abschöpfung eines Lohnanteils führen, der tatsächlich gar nicht erwirtschaftet werden kann: Der Trans- portunternehmer wird nicht für zurückgelegte Streckenabschnitte bezahlt, sondern für die Ablieferung des Transportguts am Bestimmungsort (vgl. für das deutsche Recht §§ 407 Abs. 1, 420 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dementsprechend erfolgt bei einem internationalen Transport die Nutzung des deutschen Verkehrsraums nicht, um hierfür abschnittsweise entlohnt zu werden, sondern zum Verdienst des gesamten Transportlohns aufgrund einer einheitlichen Leistung (vgl. OLG Celle, NStZ-RR 2012, 151, 153; Thole, aaO, 68). Einer Berechnung nach den im In- und Ausland gefahrenen Kilometern steht auch entgegen, dass in die Preisbildung in erheblichem Umfang nicht kilometerbezogene Kosten wie die auf das Fahrzeug entfallenden sowie die im Unternehmen allgemein entstehenden Gemeinkosten einfließen (vgl. nur Schubert, Preisbildung im LkwLadungsverkehr , S. 123, 126, 136, 140).
25
2. Dass die Abschöpfung des gesamten Transportlohns gleichermaßen Transporte betrifft, die insgesamt, weitgehend oder nur zu einem geringen Anteil über deutsche Straßen führen, spricht nicht für eine nur anteilmäßige Abschöpfung , da der Verfall keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme darstellt (Göhler/Gürtler, aaO, § 29a Rn. 1; KK-OWiG/Mitsch, aaO, § 29a Rn. 6; Rebmann/Roth/Herrmann, aaO, 18. Lfg. März 2013, § 29a Rn. 1; für die §§ 73 ff. StGB: BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1; BGH, Urteil vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373; LK-StGB/Schmidt, aaO, § 73 Rn. 7 ff.).
26
3. Die Anordnung des Verfalls für den gesamten Transportlohn verstößt auch nicht gegen das Territorialitätsprinzip nach § 5 OWiG. Diese Vorschrift eröffnet in Verbindung mit § 7 OWiG lediglich in räumlicher Hinsicht den Anwendungsbereich des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, hat jedoch keine materielle Aussagekraft über die Bestimmung des Erlangten im Rahmen des Verfalls nach § 29a OWiG. Die Vorschrift des § 5 OWiG ist vielmehr dem materiellen Recht vorgeschaltet (Blum in: Blum/Gassner/Seith, aaO, § 5 Rn. 1).
27
4. Ebenso wenig ist die bloße Möglichkeit einer mehrfachen Abschöpfung des Transportlohns in verschiedenen Ländern geeignet, den Begriff des Erlangten nach § 29a OWiG inhaltlich zu bestimmen oder den Anwendungsbereich der Vorschrift materiell zu begrenzen. Sollte eine mehrfache Abschöpfung in Rede stehen, kann diesem Umstand jedenfalls unter Opportunitätsgesichtspunkten im Rahmen des nach § 29a OWiG auszuübenden Ermessens Rechnung getragen werden (vgl. zur parallelen Problematik im Fall einer im Ausland bereits geahndeten Ordnungswidrigkeit und der gebotenen Berücksichtigung im Rahmen der Opportunität nach § 47 OWiG: Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 4. Aufl., § 5 Rn. 50; Göhler/Gürtler, aaO, § 5 Rn. 9; KK-OWiG/Rogall, aaO, § 5 Rn. 39; Rebmann/Roth/Herrmann, aaO, § 5 Rn. 12).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Feilcke

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2017 - 4 StR 299/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2017 - 4 StR 299/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2017 - 4 StR 299/16 zitiert 18 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 79 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn 1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 46 Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis


(1) Die Straßenverkehrsbehörden können in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen1.von den Vorschriften über die Straßenbenutzung (§ 2);2.vorbehaltlich Absatz 2a Satz 1 Nummer 3 vom Verbot, eine Autobah

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 121


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Revision gegen a) die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;b) die Berufungsurteile der kleinen

Handelsgesetzbuch - HGB | § 407 Frachtvertrag


(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. (2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen. (3) Die Vorschriften dieses U

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 47 Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten


(1) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen. (2) Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine Ahndung nicht fü

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 29a Einziehung des Wertes von Taterträgen


(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die d

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 30 Umweltschutz, Sonn- und Feiertagsfahrverbot


(1) Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten. Es ist insbesondere verboten, Fahrzeugmotoren unnötig laufen zu lassen und Fahrzeugtüren übermäßig laut zu schließen. Unnützes Hin- und Herfahren is

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 1 Begriffsbestimmung


(1) Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt. (2) Eine mit Geldbuße bedrohte Handlung ist eine rechtswidrige Handlung, die den

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 5 Räumliche Geltung


Wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, können nur Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes oder außerhalb dieses Geltungsbereichs auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berech

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 7 Ort der Handlung


(1) Eine Handlung ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter tätig geworden ist oder im Falle des Unterlassens hätte tätig werden müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten s

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2017 - 4 StR 299/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2017 - 4 StR 299/16 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Nov. 2013 - 3 StR 5/13

bei uns veröffentlicht am 27.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 5/13 vom 27. November 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja __________________________________ WpHG aF § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG §

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2010 - 5 StR 224/09

bei uns veröffentlicht am 27.01.2010

Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung : ja WpHG in der Fassung vom 21. Juni 2002 § 38 Abs. 1 Nr. 1; § 14 Abs. 1; StGB § 73 Abs. 1 Satz 1 1. Ausnutzen einer Insidertatsache. 2. Bei verbotenen Insidergeschäften stellt der hierdurch

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Jan. 2012 - 3 StR 343/11

bei uns veröffentlicht am 19.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 343/11 vom 19. Januar 2012 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ StGB § 73 Abs. 1 Satz 1, AWG § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hat der Täter in

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Aug. 2002 - 1 StR 115/02

bei uns veröffentlicht am 21.08.2002

Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja _________________ StGB § 73 Der Verfall ist, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, keine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolg

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2013 - 4 StR 503/12

bei uns veröffentlicht am 12.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 503/12 vom 12. September 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––––– OWiG § 46; StPO § 264 Es ist mit § 46 OWiG, § 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Buß

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juni 2015 - 1 StR 368/14

bei uns veröffentlicht am 11.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 3 6 8 / 1 4 vom 11. Juni 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten hier: Revisionen der Angeklagten Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2015 be
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2017 - 4 StR 299/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2019 - 5 StR 20/19

bei uns veröffentlicht am 18.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 20/19 vom 18. Juni 2019 in der Strafsache gegen wegen Bestechlichkeit ECLI:DE:BGH:2019:180619B5STR20.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdefü

Referenzen

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Revision gegen
a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;
b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern;
c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist;
3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes;
4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.

(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung,
3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder
4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Revision gegen
a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;
b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern;
c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist;
3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes;
4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.

(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung,
3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder
4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 503/12
vom
12. September 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
–––––––––––––––––––––––––––––
Es ist mit § 46 OWiG, § 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Bußgeldsachen, die
Verstöße gegen die Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr
zum Gegenstand haben, mehrere rechtlich selbständige Handlungen im Sinne
des § 20 OWiG allein deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil der
Betroffene sie innerhalb eines Kontroll- oder Überprüfungszeitraums begangen
hat.
BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – 4 StR 503/12 – OLG Koblenz
in der Bußgeldsache
gegen
wegen vorsätzlicher Überschreitung der täglichen Lenkzeit u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Betroffenen am 12. September 2013 beschlossen
:
Es ist mit § 46 OWiG, § 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Bußgeldsachen
, die Verstöße gegen die Vorschriften über Lenk- und
Ruhezeiten im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, mehrere
rechtlich selbständige Handlungen im Sinne des § 20 OWiG allein
deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil der Betroffene
sie innerhalb eines Kontroll- oder Überprüfungszeitraums begangen
hat.

Gründe:


I.


1
1. Das Amtsgericht K. hat den Betroffenen durch Urteil vom 10. Mai 2012 wegen 36 Ordnungswidrigkeiten nach § 8a Abs. 2 Nr. 1 FPersG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 (Überschreiten der täglichen Lenkzeit), Art. 7 (Fahrtunterbrechung nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden) und Art. 8 Abs. 2 und 4 (tägliche Ruhezeiten) der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zu Geldbußen im Gesamtbetrag von 3.000 € verurteilt, wovon nur zwei Einzelgeldbußen die Höhe der Zulässigkeitsschwelle für die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG von 250 € überschreiten.
2
Der Betroffene ist als Berufskraftfahrer bei einer Spedition in K. beschäftigt. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord des Landes Rheinland -Pfalz kontrollierte die Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr beim Arbeitgeber des Betroffenen für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2011. Der Betroffene führte im fraglichen Zeitraum ein Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 26 t. In achtzehn Fällen führte er das Fahrzeug vorsätzlich oder fahrlässig länger als viereinhalb Stunden, ohne eine Pause oder Ruhezeit einzulegen (Art. 7 der VO [EG] Nr. 561/2006). In vier Fällen überschritt er vorsätzlich oder fahrlässig die Tageslenkzeit (Art. 6 Abs. 1 der VO [EG] Nr. 561/2006). In zwei Fällen hielt er vorsätzlich die tägliche Ruhezeit nicht ein (Art. 8 Abs. 1 und 4 der VO [EG] Nr. 561/2006). In zwölf Fällen trafen Verstöße gegen die vorgenannten Vorschriften in unterschiedlichen Kombinationen tateinheitlich zusammen. Verstöße gegen die Wochenlenkzeit (Art. 6 Abs. 2 der VO [EG] Nr. 561/2006) oder die Lenkzeit in der Doppelwoche (Art. 6 Abs. 3 der VO [EG] Nr. 561/2006) wurden nicht festgestellt.
3
Auf die Rechtsbeschwerde bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das Oberlandesgericht K. durch Beschluss vom 29. Oktober 2012 die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
4
2. Das Oberlandesgericht K. möchte die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nur hinsichtlich der beiden mit Geldbußen über 250 € geahndeten Ordnungswidrigkeiten bejahen. Hinsichtlich der übrigen 34 Fälle hält es die Zulassung der Rechtsbeschwerde für notwendig, deren Voraussetzungen (§ 80 OWiG) es nicht als gegeben ansieht. Es ist der Ansicht, dass die nach § 20 OWiG tatmehrheitlich abgeurteilten Ordnungswidrigkeiten keine einheitliche prozessuale Tat im Sinne von § 46 OWiG, § 264 StPO seien, so dass § 79 Abs. 2 OWiG Anwendung finde. Eine prozessuale Tat, bei der in Bezug auf die Wertgrenze des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG die einzelnen Geldbußen zusammenzurechnen wären und die Rechtsbeschwerde hinsichtlich aller Einzeltaten deshalb statthaft wäre (st. Rspr., u.a. OLG Köln NZV 1994, 292; BayObLG NStZ-RR 1997, 249; OLG Düsseldorf VRS 100 [2001], 311, 312 jeweils mwN; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 79 Rn. 95, 99; Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 79 Rn. 23), liege nicht vor.
5
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 13. Juli 2010 – 2 Ss OWi 17/10, NStZ-RR 2010, 355, des Oberlandesgerichts Thüringen vom 19. Oktober 2010 – 1 Ss Bs 78/10, VRS 121 [2011], 53 sowie des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. April 2012 – 3 RBs 105/12, DAR 2012, 401 und vom 30. November 2010 (5 RBs 188/10, veröffentlicht bei juris, und 5 RBs 158/10, DAR 2011, 412) gehindert. Nach Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts gehen diese Oberlandesgerichte davon aus, dass bei Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr die Tat im Sinne des § 264 StPO durch den Überprüfungszeitraum der jeweils handelnden Behörde bestimmt werde. Bei Straßenkontrollen sei dies der gemäß § 1 Abs. 6 Satz 4, Abs. 7 FPersV durch die Verwendung eines digitalen Aufzeichnungsgeräts vorgegebene (Kontroll-)Zeitraum von 29 Tagen, innerhalb dessen alle Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeitvorschriften nach der VO (EG) Nr. 561/2006 eine prozessuale Tat seien. Bei einer Betriebskontrolle sei dies der durch die jeweils handelnde Behörde festgelegte Überprüfungszeitraum. Dementsprechend habe das Oberlandesgericht Hamm in seinen Beschlüssen vom 30. November 2010 Verstöße innerhalb eines Überprüfungszeitraums von elf bzw. sieben Monaten als eine prozessuale Tat angesehen.
6
Das vorlegende Oberlandesgericht teilt diese Auffassung nicht. Sachlichrechtlich selbständige Handlungen seien in der Regel auch verschiedene Taten im prozessualen Sinne, es sei denn, die einzelnen Handlungen seien ausnahmsweise innerlich derart miteinander verknüpft, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände richtig gewürdigt werden könne, die zu der anderen Handlung geführt haben, und deshalb die getrennte Aburteilung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Dafür reiche nicht, dass dieselbe Person gehandelt habe und sich das anzuwendende Recht in denselben Regelungswerken befinde.
7
Das Oberlandesgericht hat die Rechtsfrage wie folgt formuliert: „Ist es mit §§ 46 OWiG, 264 StPO zu vereinbaren, wenn in Bußgeld- sachen, die Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mehrere rechtlich selbständige Handlungen im Sinne des § 20 OWiG allein deshalb als eine prozessuale Tat angesehen werden, weil der Betroffene sie innerhalb eines als Kontroll- oder Überprüfungszeit- raum bezeichneten Tatzeitraumes begangen hat?“
8
3. Der Generalbundesanwalt hat angeregt, die Vorlegungsfrage ergänzend klarzustellen. Er beantragt zu entscheiden: „Es ist mit den §§ 46 OWiG, 264 StPO nicht zu vereinbaren, in Bußgeld- sachen, die Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mehrere rechtlich selbständige Handlungen im Sinne des § 20 OWiG allein deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil der Be- troffene sie innerhalb eines als Kontroll- oder Überprüfungszeitraum bezeichneten Tatzeitraumes begangen hat. Es gelten vielmehr auch hier die von der Rechtsprechung zur Beurteilung des Vorliegens einer Tat in prozessualem Sinne aufgestellten Kriterien.“

II.


9
1. Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 GVG ist gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG für die Rechtsbeschwerde im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 1992 – 2 StR 371/91, BGHSt 38, 251, 254). Das Oberlandesgericht K. kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne jedenfalls von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamm in dessen Beschlüssen vom 30. November 2010 und vom 16. April 2012 abzuweichen.
10
Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine Abweichung auch von den Rechtsauffassungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Thüringen vorläge. Der dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 13. Juli 2010 zugrunde liegende Sachverhalt erfährt wegen dreier sich jeweils zeitlich überschneidender Doppelwochenverstöße im zugrunde liegenden Tatzeitraum materiell -rechtlich eine andere konkurrenzrechtliche Bewertung. Dies gilt, soweit ersichtlich, auch für den Beschluss des Oberlandesgerichts Thüringen vom 19. Oktober 2010. Nach dem dort mitgeteilten Sachverhalt sind im Tatzeitraum zwei sich zeitlich überschneidende Doppelwochenverstöße begangen worden; ob ein weiterer Verstoß außerhalb des Zeitraums der beiden Doppelwochenverstöße begangen worden ist, teilen die Entscheidungsgründe nicht explizit mit.
11
2. In der Vorlegungsfrage teilt der Senat die Auffassung des vorlegenden Gerichts.
12
a) Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt über § 46 OWiG der prozessuale Tatbegriff des Strafrechts. Die Tat im strafprozessualen Sinne (§§ 155, 264 StPO) ist der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 – 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 – KRB 20/12, NZWiSt 2013, 180, 182, Tz. 21). Die Tat ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen die getrennte Verfolgung der darin enthaltenen Vorgänge einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 264 Rn. 2; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 19 Rn. 21 ff. jeweils mwN). Bei Tateinheit liegt – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2002 – StB 15/02, BGHSt 48, 153, 161; BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 – 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 295 f.) – stets eine prozessuale Tat vor. Materiell-rechtlich selbständige Taten sind in der Regel auch prozessual selbständig (BGH, Beschluss vom 24. Juli 1987 – 3 StR 36/87, BGHSt 35, 14, 19; BGH, Urteil vom 16. März 1989 – 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154; BGH, Beschluss vom 18. März 2009 – 1 StR 50/09; BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 10; BGH, Beschluss vom 15. März 2012 – 5 StR 288/11, BGHSt 57, 175, 179 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juli 2009 – 3 Ss OWi 355/09, Rn. 13, juris). Ein persönlicher Zusammenhang, die Verletzung des gleichen Rechtsguts oder der Umstand, dass die einzelnen Handlungen Teile eines Gesamtplans sind, reicht nicht, um mehrere selbständige Handlungen im materiell-rechtlichen Sinne zu einer einzigen Tat zu verbinden (Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., Vor § 59 Rn. 50a mwN).
13
b) Diese Grundsätze finden bei Serienverstößen gegen Lenk- und Ruhezeitvorschriften im Straßenverkehr gleichermaßen Anwendung. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Kriterien, von denen abzuweichen kein Anlass besteht , vermag es allein eine behördliche Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr bzw. die gesetzliche Vorgabe zum Kontrollzeitraum nicht, mehrere tatmehrheitliche Verstöße eines Betroffenen innerhalb des Überprüfungszeitraums zu einer Tat zu verknüpfen.
14
aa) Die Regelungen über die Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr und deren Aufbewahrung bezwecken nicht die Umgrenzung eines prozessualen Tatzeitraumes, sondern haben einen anderen Hintergrund.
15
Der in § 1 Abs. 6 Satz 4 FPersV bezeichnete Zeitraum von insgesamt 29 Tagen dient der wirksamen Durchsetzung von Straßenkontrollen im Sinne der Erwägung 14 zur VO (EG) Nr. 561/2006. Die zuständigen Behörden sollen durch die vorgeschriebene Aufzeichnung bei Straßenkontrollen ohne weiteren Aufklärungsaufwand in der Lage sein, die ordnungsgemäße Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten des laufenden Tages und der vorausgehenden 28 Tage zu überprüfen. Der Fahrer muss deshalb die Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten für diesen Zeitraum immer mit sich führen, nicht nur, wenn das Fahrzeug mit einem digitalen Kontrollgerät ausgerüstet ist (Art. 15 Abs. 7 lit. a VO [EWG] Nr. 3821/85). Der Zeitraum von 29 Tagen stellt indes keinen abschlie- ßenden „Sanktionierungszeitraum“ dar; auch Verstöße außerhalb dieses Zeit- rahmens sind ohne weiteres nach § 8a FPersG zu ahnden, sofern nicht die allgemeinen Verjährungsregelungen eingreifen (OLG Hamm, Beschlüsse vom 30. November 2010 – 5 RBs 158/10, DAR 2011, 412 und 5 RBs 188/10, veröffentlicht bei juris). Dass Verstöße auch außerhalb dieses Zeitraums festgestellt und geahndet werden sollen, ergibt sich bereits daraus, dass das Kontrollgerät für das Fahrzeug einen Zeitraum bis zu 365 Tagen aufzeichnet (vgl. Erwägung 33 zur VO [EG] Nr. 561/2006) und der Unternehmer die Daten von der Fahrerkarte und aus dem Massenspeicher des Kontrollgeräts des Fahrzeugs regelmäßig kopieren und ein Jahr lang aufbewahren muss (Art. 10 Abs. 5 VO [EG] Nr. 561/2006, § 4 Abs. 3 FPersG, § 2 Abs. 5 FPersV). Der Unternehmer ist verpflichtet, der zuständigen Kontrollbehörde die gespeicherten Daten zur Verfügung zu stellen (§ 4 Abs. 3 FPersG). Auch dies dient nur der wirksamen Durchsetzung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006.
16
bb) Allein die Verpflichtung, die Aufzeichnung, also ein Beweismittel, vorzuhalten und aufzubewahren, kann eine prozessuale Tat nicht begründen. Die Regelungen über Aufzeichnungspflichten und Aufbewahrungsfristen stellen kein geeignetes Kriterium dar, die im Überprüfungszeitraum möglicherweise begangenen materiell-rechtlich selbständigen Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeitvorschriften im Straßenverkehr zu einer prozessualen Tat zu verbinden. Durch den einheitlichen Akt der Kontrolle werden sich nicht überschneidende, zeitlich möglicherweise deutlich auseinander liegende Handlungen oder Unterlassungen des Betroffenen innerhalb eines bestimmten Kontrollzeitraums nicht zu einem einheitlichen Lebensvorgang. Bei der Frage, ob eine einheitliche prozessuale Tat vorliegt, steht das Handeln des Betroffenen im Mittelpunkt. Dieses ist daraufhin zu bewerten, ob ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang oder ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass eine Abspaltung einzelner Handlungsteile unnatürlich erschiene. Die Abgrenzung der prozessualen Tat anhand eines der Tat als solcher fremden und bei Betriebskontrollen zudem von Dritten willkürlich festgelegten Kriteriums widerspricht der ständigen Rechtsauslegung.
17
c) Ob sich einzelne Verstöße gegen die in Rede stehenden Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr nach Art. 6, Art. 7 und Art. 8 VO (EG) Nr. 561/2006 überschneiden und durch dieselbe pflichtwidrige Handlung bzw. Unterlassung begangen worden sind, somit tateinheitlich zusammentreffen oder ob eine prozessuale Tat deshalb vorliegt, weil einzelne materiell-rechtlich selbständige Handlungen nicht ohne Würdigung weiterer Teile des geschichtlichen Vorgangs beurteilt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 – 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 362 f.), ist sonach eine Frage des Einzelfalles, die nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten. Es ist insbesondere verboten, Fahrzeugmotoren unnötig laufen zu lassen und Fahrzeugtüren übermäßig laut zu schließen. Unnützes Hin- und Herfahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, wenn Andere dadurch belästigt werden.

(2) Veranstaltungen mit Kraftfahrzeugen bedürfen der Erlaubnis, wenn sie die Nachtruhe stören können.

(3) An Sonntagen und Feiertagen dürfen in der Zeit von 0.00 bis 22.00 Uhr zur geschäftsmäßigen oder entgeltlichen Beförderung von Gütern einschließlich damit verbundener Leerfahrten Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen nicht geführt werden. Das Verbot gilt nicht für

1.
kombinierten Güterverkehr Schiene-Straße vom Versender bis zum nächstgelegenen geeigneten Verladebahnhof oder vom nächstgelegenen geeigneten Entladebahnhof bis zum Empfänger, jedoch nur bis zu einer Entfernung von 200 km,
1a.
kombinierten Güterverkehr Hafen-Straße zwischen Belade- oder Entladestelle und einem innerhalb eines Umkreises von höchstens 150 Kilometern gelegenen Hafen (An- oder Abfuhr),
2.
die Beförderung von
a)
frischer Milch und frischen Milcherzeugnissen,
b)
frischem Fleisch und frischen Fleischerzeugnissen,
c)
frischen Fischen, lebenden Fischen und frischen Fischerzeugnissen,
d)
leicht verderblichem Obst und Gemüse,
3.
die Beförderung von Material der Kategorie 1 nach Artikel 8 und Material der Kategorie 2 nach Artikel 9 Buchstabe f Ziffer i der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 1; L 348 vom 4.12.2014, S. 31),
4.
den Einsatz von Bergungs-, Abschlepp- und Pannenhilfsfahrzeugen im Falle eines Unfalles oder eines sonstigen Notfalles,
5.
den Transport von lebenden Bienen,
6.
Leerfahrten, die im Zusammenhang mit Fahrten nach den Nummern 2 bis 5 stehen,
7.
Fahrten mit Fahrzeugen, die nach dem Bundesleistungsgesetz herangezogen werden. Dabei ist der Leistungsbescheid mitzuführen und auf Verlangen zuständigen Personen zur Prüfung auszuhändigen.

(4) Feiertage im Sinne des Absatzes 3 sind
Neujahr;
Karfreitag;
Ostermontag;
Tag der Arbeit (1. Mai);
Christi Himmelfahrt;
Pfingstmontag;
Fronleichnam, jedoch nur in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland;
Tag der deutschen Einheit (3. Oktober);
Reformationstag (31. Oktober) in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen;
Allerheiligen (1. November), jedoch nur in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland;
1. und 2. Weihnachtstag.

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen

1.
von den Vorschriften über die Straßenbenutzung (§ 2);
2.
vorbehaltlich Absatz 2a Satz 1 Nummer 3 vom Verbot, eine Autobahn oder eine Kraftfahrstraße zu betreten oder mit dort nicht zugelassenen Fahrzeugen zu benutzen (§ 18 Absatz 1 und 9);
3.
von den Halt- und Parkverboten (§ 12 Absatz 4);
4.
vom Verbot des Parkens vor oder gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten (§ 12 Absatz 3 Nummer 3);
4a.
von der Vorschrift, an Parkuhren nur während des Laufens der Uhr, an Parkscheinautomaten nur mit einem Parkschein zu halten (§ 13 Absatz 1);
4b.
von der Vorschrift, im Bereich eines Zonenhaltverbots (Zeichen 290.1 und 290.2) nur während der dort vorgeschriebenen Zeit zu parken (§ 13 Absatz 2);
4c.
von den Vorschriften über das Abschleppen von Fahrzeugen (§ 15a);
5.
von den Vorschriften über Höhe, Länge und Breite von Fahrzeug und Ladung (§ 18 Absatz 1 Satz 2, § 22 Absatz 2 bis 4);
5a.
von dem Verbot der unzulässigen Mitnahme von Personen (§ 21);
5b.
von den Vorschriften über das Anlegen von Sicherheitsgurten und das Tragen von Schutzhelmen (§ 21a);
6.
vom Verbot, Tiere von Kraftfahrzeugen und andere Tiere als Hunde von Fahrrädern aus zu führen (§ 28 Absatz 1 Satz 3 und 4);
7.
vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot (§ 30 Absatz 3);
8.
vom Verbot, Hindernisse auf die Straße zu bringen (§ 32 Absatz 1);
9.
von den Verboten, Lautsprecher zu betreiben, Waren oder Leistungen auf der Straße anzubieten (§ 33 Absatz 1 Nummer 1 und 2);
10.
vom Verbot der Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen (§ 33 Absatz 2 Satz 2) nur für die Flächen von Leuchtsäulen, an denen Haltestellenschilder öffentlicher Verkehrsmittel angebracht sind;
11.
von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen (Anlage 2), Richtzeichen (Anlage 3), Verkehrseinrichtungen (Anlage 4) oder Anordnungen (§ 45 Absatz 4) erlassen sind;
12.
von dem Nacht- und Sonntagsparkverbot (§ 12 Absatz 3a).
Vom Verbot, Personen auf der Ladefläche oder in Laderäumen mitzunehmen (§ 21 Absatz 2), können für die Dienstbereiche der Bundeswehr, der auf Grund des Nordatlantik-Vertrages errichteten internationalen Hauptquartiere, der Bundespolizei und der Polizei deren Dienststellen, für den Katastrophenschutz die zuständigen Landesbehörden, Ausnahmen genehmigen. Dasselbe gilt für die Vorschrift, dass vorgeschriebene Sicherheitsgurte angelegt sein oder Schutzhelme getragen werden müssen (§ 21a).

(1a) Die Straßenverkehrsbehörden können zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge allgemein durch Zusatzzeichen Ausnahmen von Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsverboten oder Verkehrsumleitungen nach § 45 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 1a und 1b Nummer 5 erste Alternative zulassen. Das gleiche Recht haben sie für die Benutzung von Busspuren durch elektrisch betriebene Fahrzeuge. Die Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes sind zu beachten.

(2) Die zuständigen obersten Landesbehörden oder die nach Landesrecht bestimmten Stellen können von allen Vorschriften dieser Verordnung Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen. Vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot (§ 30 Absatz 3) können sie darüber hinaus für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken Ausnahmen zulassen, soweit diese im Rahmen unterschiedlicher Feiertagsregelung in den Ländern (§ 30 Absatz 4) notwendig werden. Erstrecken sich die Auswirkungen der Ausnahme über ein Land hinaus und ist eine einheitliche Entscheidung notwendig, ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständig; die Ausnahme erlässt dieses Bundesministerium durch Verordnung.

(2a) Abweichend von Absatz 1 und 2 Satz 1 kann für mit Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes das Fernstraßen-Bundesamt in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller folgende Ausnahmen genehmigen:

1.
Ausnahmen vom Verbot, an nicht gekennzeichneten Anschlussstellen ein- oder auszufahren (§ 18 Absatz 2 und 10 Satz 1), im Benehmen mit der nach Landesrecht zuständigen Straßenverkehrsbehörde;
2.
Ausnahmen vom Verbot zu halten (§ 18 Absatz 8);
3.
Ausnahmen vom Verbot, eine Autobahn zu betreten oder mit dort nicht zugelassenen Fahrzeugen zu benutzen (§ 18 Absatz 1 und 9);
4.
Ausnahmen vom Verbot, Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton zu betreiben (§ 33 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 2);
5.
Ausnahmen von der Regelung, dass ein Autohof nur einmal angekündigt werden darf (Zeichen 448.1);
6.
Ausnahmen von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen (Anlage 2), Richtzeichen (Anlage 3), Verkehrseinrichtungen (Anlage 4) oder Anordnungen (§ 45 Absatz 4) erlassen sind (Absatz 1 Satz 1 Nummer 11).
Wird neben einer Ausnahmegenehmigung nach Satz 1 Nummer 3 auch eine Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 oder eine Ausnahmegenehmigung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 beantragt, ist die Verwaltungsbehörde zuständig, die die Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 oder die Ausnahmegenehmigung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 erlässt. Werden Anlagen nach Satz 1 Nummer 4 mit Wirkung auf den mit Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichneten Autobahnen in der Baulast des Bundes im Widerspruch zum Verbot, Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton zu betreiben (§ 33 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 2), errichtet oder geändert, wird über deren Zulässigkeit
1.
von der Baugenehmigungsbehörde, wenn ein Land hierfür ein bauaufsichtliches Verfahren vorsieht, oder
2.
von der zuständigen Genehmigungsbehörde, wenn ein Land hierfür ein anderes Verfahren vorsieht,
im Benehmen mit dem Fernstraßen-Bundesamt entschieden. Das Fernstraßen-Bundesamt kann verlangen, dass ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt wird. Sieht ein Land kein eigenes Genehmigungsverfahren für die Zulässigkeit nach Satz 3 vor, entscheidet das Fernstraßen-Bundesamt.

(3) Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis können unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden und mit Nebenbestimmungen (Bedingungen, Befristungen, Auflagen) versehen werden. Erforderlichenfalls kann die zuständige Behörde die Beibringung eines Sachverständigengutachtens auf Kosten des Antragstellers verlangen. Die Bescheide sind mitzuführen und auf Verlangen zuständigen Personen auszuhändigen. Bei Erlaubnissen nach § 29 Absatz 3 und Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 genügt das Mitführen fernkopierter Bescheide oder von Ausdrucken elektronisch erteilter und signierter Bescheide sowie deren digitalisierte Form auf einem Speichermedium, wenn diese derart mitgeführt wird, dass sie bei einer Kontrolle auf Verlangen zuständigen Personen lesbar gemacht werden kann.

(4) Ausnahmegenehmigungen und Erlaubnisse der zuständigen Behörde sind für den Geltungsbereich dieser Verordnung wirksam, sofern sie nicht einen anderen Geltungsbereich nennen.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen

1.
von den Vorschriften über die Straßenbenutzung (§ 2);
2.
vorbehaltlich Absatz 2a Satz 1 Nummer 3 vom Verbot, eine Autobahn oder eine Kraftfahrstraße zu betreten oder mit dort nicht zugelassenen Fahrzeugen zu benutzen (§ 18 Absatz 1 und 9);
3.
von den Halt- und Parkverboten (§ 12 Absatz 4);
4.
vom Verbot des Parkens vor oder gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten (§ 12 Absatz 3 Nummer 3);
4a.
von der Vorschrift, an Parkuhren nur während des Laufens der Uhr, an Parkscheinautomaten nur mit einem Parkschein zu halten (§ 13 Absatz 1);
4b.
von der Vorschrift, im Bereich eines Zonenhaltverbots (Zeichen 290.1 und 290.2) nur während der dort vorgeschriebenen Zeit zu parken (§ 13 Absatz 2);
4c.
von den Vorschriften über das Abschleppen von Fahrzeugen (§ 15a);
5.
von den Vorschriften über Höhe, Länge und Breite von Fahrzeug und Ladung (§ 18 Absatz 1 Satz 2, § 22 Absatz 2 bis 4);
5a.
von dem Verbot der unzulässigen Mitnahme von Personen (§ 21);
5b.
von den Vorschriften über das Anlegen von Sicherheitsgurten und das Tragen von Schutzhelmen (§ 21a);
6.
vom Verbot, Tiere von Kraftfahrzeugen und andere Tiere als Hunde von Fahrrädern aus zu führen (§ 28 Absatz 1 Satz 3 und 4);
7.
vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot (§ 30 Absatz 3);
8.
vom Verbot, Hindernisse auf die Straße zu bringen (§ 32 Absatz 1);
9.
von den Verboten, Lautsprecher zu betreiben, Waren oder Leistungen auf der Straße anzubieten (§ 33 Absatz 1 Nummer 1 und 2);
10.
vom Verbot der Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen (§ 33 Absatz 2 Satz 2) nur für die Flächen von Leuchtsäulen, an denen Haltestellenschilder öffentlicher Verkehrsmittel angebracht sind;
11.
von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen (Anlage 2), Richtzeichen (Anlage 3), Verkehrseinrichtungen (Anlage 4) oder Anordnungen (§ 45 Absatz 4) erlassen sind;
12.
von dem Nacht- und Sonntagsparkverbot (§ 12 Absatz 3a).
Vom Verbot, Personen auf der Ladefläche oder in Laderäumen mitzunehmen (§ 21 Absatz 2), können für die Dienstbereiche der Bundeswehr, der auf Grund des Nordatlantik-Vertrages errichteten internationalen Hauptquartiere, der Bundespolizei und der Polizei deren Dienststellen, für den Katastrophenschutz die zuständigen Landesbehörden, Ausnahmen genehmigen. Dasselbe gilt für die Vorschrift, dass vorgeschriebene Sicherheitsgurte angelegt sein oder Schutzhelme getragen werden müssen (§ 21a).

(1a) Die Straßenverkehrsbehörden können zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge allgemein durch Zusatzzeichen Ausnahmen von Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsverboten oder Verkehrsumleitungen nach § 45 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 1a und 1b Nummer 5 erste Alternative zulassen. Das gleiche Recht haben sie für die Benutzung von Busspuren durch elektrisch betriebene Fahrzeuge. Die Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes sind zu beachten.

(2) Die zuständigen obersten Landesbehörden oder die nach Landesrecht bestimmten Stellen können von allen Vorschriften dieser Verordnung Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen. Vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot (§ 30 Absatz 3) können sie darüber hinaus für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken Ausnahmen zulassen, soweit diese im Rahmen unterschiedlicher Feiertagsregelung in den Ländern (§ 30 Absatz 4) notwendig werden. Erstrecken sich die Auswirkungen der Ausnahme über ein Land hinaus und ist eine einheitliche Entscheidung notwendig, ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständig; die Ausnahme erlässt dieses Bundesministerium durch Verordnung.

(2a) Abweichend von Absatz 1 und 2 Satz 1 kann für mit Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes das Fernstraßen-Bundesamt in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller folgende Ausnahmen genehmigen:

1.
Ausnahmen vom Verbot, an nicht gekennzeichneten Anschlussstellen ein- oder auszufahren (§ 18 Absatz 2 und 10 Satz 1), im Benehmen mit der nach Landesrecht zuständigen Straßenverkehrsbehörde;
2.
Ausnahmen vom Verbot zu halten (§ 18 Absatz 8);
3.
Ausnahmen vom Verbot, eine Autobahn zu betreten oder mit dort nicht zugelassenen Fahrzeugen zu benutzen (§ 18 Absatz 1 und 9);
4.
Ausnahmen vom Verbot, Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton zu betreiben (§ 33 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 2);
5.
Ausnahmen von der Regelung, dass ein Autohof nur einmal angekündigt werden darf (Zeichen 448.1);
6.
Ausnahmen von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen (Anlage 2), Richtzeichen (Anlage 3), Verkehrseinrichtungen (Anlage 4) oder Anordnungen (§ 45 Absatz 4) erlassen sind (Absatz 1 Satz 1 Nummer 11).
Wird neben einer Ausnahmegenehmigung nach Satz 1 Nummer 3 auch eine Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 oder eine Ausnahmegenehmigung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 beantragt, ist die Verwaltungsbehörde zuständig, die die Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 oder die Ausnahmegenehmigung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 erlässt. Werden Anlagen nach Satz 1 Nummer 4 mit Wirkung auf den mit Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichneten Autobahnen in der Baulast des Bundes im Widerspruch zum Verbot, Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton zu betreiben (§ 33 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 2), errichtet oder geändert, wird über deren Zulässigkeit
1.
von der Baugenehmigungsbehörde, wenn ein Land hierfür ein bauaufsichtliches Verfahren vorsieht, oder
2.
von der zuständigen Genehmigungsbehörde, wenn ein Land hierfür ein anderes Verfahren vorsieht,
im Benehmen mit dem Fernstraßen-Bundesamt entschieden. Das Fernstraßen-Bundesamt kann verlangen, dass ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt wird. Sieht ein Land kein eigenes Genehmigungsverfahren für die Zulässigkeit nach Satz 3 vor, entscheidet das Fernstraßen-Bundesamt.

(3) Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis können unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden und mit Nebenbestimmungen (Bedingungen, Befristungen, Auflagen) versehen werden. Erforderlichenfalls kann die zuständige Behörde die Beibringung eines Sachverständigengutachtens auf Kosten des Antragstellers verlangen. Die Bescheide sind mitzuführen und auf Verlangen zuständigen Personen auszuhändigen. Bei Erlaubnissen nach § 29 Absatz 3 und Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 genügt das Mitführen fernkopierter Bescheide oder von Ausdrucken elektronisch erteilter und signierter Bescheide sowie deren digitalisierte Form auf einem Speichermedium, wenn diese derart mitgeführt wird, dass sie bei einer Kontrolle auf Verlangen zuständigen Personen lesbar gemacht werden kann.

(4) Ausnahmegenehmigungen und Erlaubnisse der zuständigen Behörde sind für den Geltungsbereich dieser Verordnung wirksam, sofern sie nicht einen anderen Geltungsbereich nennen.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt.

(2) Eine mit Geldbuße bedrohte Handlung ist eine rechtswidrige Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes im Sinne des Absatzes 1 verwirklicht, auch wenn sie nicht vorwerfbar begangen ist.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 6 8 / 1 4
vom
11. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten
hier: Revisionen der Angeklagten
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2015 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. März 2014 werden als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:

1
Zur Begründung der Entscheidung wird auf den Beschluss des Senats, mit dem die Revision der Verfallsbeteiligten verworfen wurde, Bezug genommen. Raum Rothfuß Jäger Radtke Fischer

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 5/13
vom
27. November 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________________
WpHG aF § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
1. Auf den Börsenpreis eines Finanzinstruments wird eingewirkt, wenn dieser
künstlich, d.h. gegen die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse erhöht, abgesenkt
oder auch nur stabilisiert wird. Hierfür reicht es nicht aus, dass aufgrund
des manipulativen Geschäfts erstmals ein Börsenpreis gebildet wird; erforderlich
ist vielmehr, dass bereits ein Börsenpreis existiert, der sodann durch die
Manipulation des Täters beeinflusst wird.
2. Für den nach § 28 Abs. 2 WpHG aF erforderlichen Taterfolg reicht es aus,
dass der manipulierte Preis an der Börse festgesetzt wird. Es ist nicht erforderlich
, dass danach weitere Geschäfte getätigt werden, bei denen die Preise
kausal gerade auf dem durch das manipulative Geschäft hervorgerufenen
Kursniveau beruhen.
3. Der Begriff des Börsenpreises im Sinne des § 38 Abs. 2 WpHG aF entspricht
dem des § 24 Abs. 1 BörsG. Ein Börsenpreis in diesem Sinne kommt auch
dann zustande, wenn das Geschäft, auf dem er beruht, den inhaltlichen Anforderungen
des § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG nicht genügt; erfasst sind deshalb
auch vollständig oder teilweise manipulierte Börsenpreise.
4. Der subjektive Tatbestand des § 38 Abs. 2 WpHG aF erfordert Vorsatz; dieser
genügt. Nicht vorausgesetzt ist, dass der Täter mit einer Manipulationsabsicht
handelt.
5. Bei einer nach § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
WpHG aF strafbaren Marktmanipulation durch den Verkauf von Aktien zu einem
zuvor abgesprochenen Preis ist erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1
StGB der gesamte für die Aktien erzielte Kaufpreis.
BGH, Urteil vom 27. November 2013 - 3 StR 5 /13 - LG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Marktmanipulation
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
25. Juli 2013 in der Sitzung am 27. November 2013, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- nur in der Verhandlung am 25. Juli 2013 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 7. September 2012 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen vorsätzlicher Marktmanipulation in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 63.700 € angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung sowie die Verfallsentscheidung. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts erteilte der Angeklagte Verkaufs- und Kaufaufträge für die im Freiverkehr an der Frankfurter Börse gehandelten Aktien der Firma R. AG, die er zuvor mit dem Käufer bzw. Verkäufer abgesprochen hatte (sog. matched orders bzw. prearranged trades).
3
1. Zunächst gab er am 3. April 2009 in der Absicht, sich finanzielle Liquidität für den Erwerb sonstiger Aktien zu verschaffen, einen Verkaufsauftrag über 22.000 Aktien der R. AG zu einem Verkaufslimit von 4,55 €. Ein Geschäftspartner des Angeklagten erteilte am selben Tag aufgrund einer zwischen beiden zuvor getroffenen Vereinbarung einen Kaufauftrag mit einem Kauflimit von 4,55 €, zunächst über 14.000 und unmittelbar darauf über weitere 8.000 Stück der betreffenden Aktien. Diese Aufträge wurden jeweils zu entsprechenden Geschäftsabschlüssen zusammengeführt. Ein zu einem nicht näher festgestellten vorherigen Zeitpunkt veröffentlichter Preis für die Aktie der R. AG betrug 4,12 € pro Aktie. Dabei handelte es sich um einen Geldkurs, zu dem kein Umsatz stattfand, sondern nur eine Nachfrage bestand. Nach der Auffassung der Strafkammer sei dieser Kurs zwar kein Börsenkurs im Sinne des § 24 BörsG. Er sei gleichwohl bei der Beurteilung der Einwirkung auf den Preis der Aktie nach § 38 Abs. 2 WpHG in der zur Tatzeit geltenden Fassung durch das Verhalten des Angeklagten heranzuziehen, weil andernfalls gerade auf besonders manipulationsanfälligen Märkten der dort besonders notwendige strafrechtliche Schutz nicht gewährleistet sei.
4
2. Um die ihm gewährte Liquidität teilweise zurückfließen zu lassen, gab der Angeklagte am 30. April 2009 den Kauf von 10.000 Stück derselben Aktie zu einem Kauflimit von 4,55 € in Auftrag. Da sein Geschäftspartner zuvor zwei Verkaufsaufträge über je 5.000 Stück Aktien mit dem vereinbarten Verkaufslimit in gleicher Höhe erteilt hatte, kam es zu einem entsprechenden Geschäftsabschluss. Sechs Minuten zuvor hatte der Angeklagte mit seinem Geschäftspartner ein ebenfalls abgesprochenes - nicht mehr verfahrensgegenständliches - Geschäft zu 4,50 € pro Aktie geschlossen. Auf diesen Preis habe der Angeklagte, so die Wertung des Landgerichts, in von § 38 Abs. 2 WpHG aF pönalisierter Form eingewirkt.
5
II. Das Urteil hält der auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotenen umfassenden sachlichrechtlichen Prüfung stand. Die - entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei zustande gekommenen - Feststellungen be- legen zwei zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehende Straftaten nach § 38 Abs. 2 WpHG in der hier nach § 2 Abs. 3 StGB maßgebenden, zu den Tatzeiten geltenden Fassung (im Folgenden: aF). Bezüglich der Anordnung des Verfalls zeigt die Revision ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
6
1. Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der die Strafbarkeit begründenden Regelung.
7
a) Für die rechtliche Bewertung des vorliegenden Falles ist folgendes Regelungsgefüge maßgeblich: Gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF ist es untersagt, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF bestimmt, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der entgegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, auch in Verbindung mit Abs. 4, jeweils in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder 5 ein Geschäft vornimmt oder einen Kauf- oder Verkaufsauftrag erteilt. § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF erlaubt dem Bundesministerium der Finanzen, durch eine Rechtsverordnung , die der Zustimmung des Bundesrats bedarf, nähere Bestimmungen zu erlassen über falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten oder das Vorliegen eines künstlichen Preisniveaus. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der auf dieser Grundlage erlassenen Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung (MaKonV ) werden irreführende Signale im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG insbesondere auch durch Geschäfte oder einzelne Kauf- oder Verkaufsaufträge über Finanzinstrumente gegeben, die von Parteien, die sich abgesprochen haben, zu im Wesentlichen gleichen Stückzahlen und Preisen erteilt werden, es sei denn, diese Geschäfte wurden im Einklang mit den jeweili- gen Marktbestimmungen rechtzeitig angekündigt. Strafbar gemäß § 38 Abs. 2 WpHG aF macht sich schließlich u.a., wer eine in § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF bezeichnete Handlung begeht und dadurch auf den Börsenpreis eines Finanzinstruments einwirkt.
8
b) Auch mit Blick auf die zahlreichen, in den genannten Vorschriften enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe, die auf den ersten Blick wenig übersichtliche Regelungstechnik und die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 WphG aF enthaltenen blankettartigen Verweise auf verschiedene Rechtsverordnungen ist die Regelung insgesamt - trotz der verschiedentlich im Schrifttum geäußerten Zweifel (vgl. Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 325; Park-Sorgenfrei, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Teil 3 Kap. 4 Rn. 61 ff.; Moosmayer, wistra 2002, 161, 167 ff.; Tripmaker , wistra 2002, 288, 292; Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1314 ff.; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 528) - verfassungsgemäß (vgl. zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG BGH, Beschluss vom 20. Juli 2011 - 3 StR 506/10, wistra 2011, 467, 468; zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373, 383 f.; vgl. auch Vogel in Assmann /Schneider, WpHG, 6. Aufl., Vor § 20a Rn. 26 ff.; Mock/Stoll/Eufinger in Kölner Kommentar zum WpHG, § 20a Rn. 82 ff.; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts -Kommentar, 4. Aufl., § 20a WpHG Rn. 5 f. mwN; Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1487; Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, 2012, S. 273; Schönwälder, Grund und Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung der Marktmanipulation, 2011, S. 115 ff.; Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, 2011, S. 217 ff.).
9
Sie genügt insbesondere - entsprechend anderen wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbeständen wie etwa der Subventionsbetrug (§ 264 StGB), der Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) oder der Kreditbetrug (§ 265b StGB), die in ähnlicher Form durch die Verwendung konkretisierungsbedürftiger Rechtsbegriffe geprägt sind - noch dem verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373, 383 f.; Vogel, aaO Vor § 20a Rn. 29), der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht übersteigert werden darf, damit die Gesetze nicht zu starr und kasuistisch und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 1992 - 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910). Die Verwendung präziserer, engerer Formulierungen würde hier die Gefahr begründen , dass die Regelung mit Blick auf die sich schnell ändernden manipulativen Praktiken an den Börsen und Märkten den ihr zugedachten hauptsächlichen Zweck, im Interesse des Gemeinwohls die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und organisierten Märkten zu gewährleisten und damit deren Funktionsfähigkeit gegen manipulierende Eingriffe zu sichern (BTDrucks. 14/8017, S. 98; MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 7) bereits nach kurzer Zeit nicht mehr erfüllen könnte (vgl. Schwark/Zimmer, aaO § 20a WpHG Rn. 5).
10
Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG liegt ebenfalls nicht vor (vgl. Eichelberger, ZBB 2004, 296, 299). Die Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung wirkt nicht strafbegründend. Sie ist nicht abschließend und enthält Begriffserläuterungen sowie Regelbeispiele, bei deren Vorliegen Tatbestandsmerkmale des § 20a WpHG erfüllt sein können, außerdem Verfahrensvorschriften zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis. Sie hat zum Ziel, den Marktteilnehmern entsprechende Leitlinien an die Hand zu geben, mit deren Hilfe deutlich wird, welche Handlungen marktkonform sind und damit keinen Verstoß gegen § 20a Abs. 1 WpHG darstellen (BT-Drucks. 14/8017 S. 90). Daher führt sie keine neuen Straftatbestände ein; sie spezifiziert lediglich in nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts letztlich unbedenklicher Weise (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 1987 - 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 342; vom 29. Mai 1991 - 2 BvR 117/90, NJW 1992, 107; vom 7. Oktober 2008 - 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239 f. mwN) die gesetzlichen Regelungen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 StR 420/03, NJW 2005, 445, 450 zur Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation KuMaKV; vgl. auch Schwark/Zimmer, aaO § 20a WpHG Rn. 6).
11
2. Die Voraussetzungen der § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF sind durch die Feststellungen belegt. Insoweit bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte der Erörterung:
12
a) Die von dem Angeklagten erteilten Verkaufs- bzw. Kaufaufträge und die auf dieser Grundlage abgeschlossen Geschäfte waren geeignet, irreführende Signale für den Börsenpreis eines Finanzinstruments zu geben, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF.
13
aa) Der Begriff der irreführenden Signale in diesem Sinne entspricht demjenigen der irreführenden Angaben nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF. In diesem Sinne ist ein irreführendes Signal gegeben, wenn es geeignet ist, einen verständigen, d.h. börsenkundigen und mit dem Markt des betroffenen Finanzinstruments vertrauten, Anleger zu täuschen (vgl. etwa Vogel in Assmann /Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 20a Rn. 150; MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 172). Zu den Marktverhältnissen gehören alle Umstände, die auf die Preisbildung einwirken, also insbesondere die Angebotslage, die Nachfrageseite , das Umsatzvolumen, die zeitliche Abfolge der getätigten Umsätze sowie allgemein die Marktliquidität (vgl. MüKoStGB/Pananis aaO).
14
bb) Diese Voraussetzungen sind in beiden Fällen erfüllt. Der Angeklagte und sein Geschäftspartner hatten jeweils einen bestimmten Preis und die Stückzahlen abgesprochen. Sodann setzten sie für die Aufträge zu dem Ver- kauf bzw. Kauf an der Börse ein der vorherigen Absprache entsprechendes Preislimit. Die auf diesen limitierten Orders beruhenden Geschäfte vermittelten jedoch den Eindruck, dass der Preis sich jeweils börsenmäßig aufgrund von Angebot und Nachfrage frei gebildet habe (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 4. Oktober 2011 - 2 Ss 65/11, NJW 2011, 3667). Damit konnte ein verständiger Marktteilnehmer über die zutreffenden wirtschaftlichen Verhältnisse in dem betreffenden Markt in die Irre geführt werden.
15
cc) Einen über die Eignung, falsche oder irreführende Signale zu geben, hinausgehenden Erfolg - etwa in Form eines Irrtums bei sonstigen Marktteilnehmern - verlangt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nicht (vgl. schon zutreffend OLG Stuttgart, aaO, NJW 2011, 3667, 3670).
16
b) Die vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen in Form der sog. matched orders bzw. prearranged trades waren mit der zulässigen Marktpraxis auf dem betreffenden Markt nicht vereinbar (vgl. hierzu § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV; BR-Drucks. 639/03 S. 12; MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 189; Vogel, aaO § 20a Rn. 166), so dass der Ausnahmetatbestand des § 20a Abs. 2 Satz 1 WpHG nicht eingreift. Die Voraussetzungen des § 20a Abs. 3 WpHG liegen ebenfalls nicht vor.
17
3. Der Straftatbestand des § 38 Abs. 2 WpHG aF erfordert, dass - zusätzlich zu den Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF - der Angeklagte auf den Börsenpreis der R. -Aktie tatsächlich einwirkte. Auch dies kann den Feststellungen in beiden Fällen im Ergebnis entnommen werden.
18
a) Der Begriff des Börsenpreises bestimmt sich nach der auch in diesem Zusammenhang geltenden Definition des § 24 BörsG (allg. Auff., vgl. etwa Park-Sorgenfrei, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Teil 3 Kap. 4 Rn. 110; Vogel, aaO § 20a Rn. 114; Diversy in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , § 38 WpHG Rn. 124; Schröder, HdB Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., Rn. 381). Dafür spricht bereits, dass die Strafbarkeit von marktmanipulativen Verhaltensweisen früher im Börsengesetz selbst geregelt war (vgl. § 88 BörsG aF) und nichts dafür ersichtlich ist, dass derselbe Begriff innerhalb eines Gesetzes unterschiedlich zu interpretieren war. Den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass durch die Normierung der Strafbarkeit im Wertpapierhandelsgesetz insoweit eine sachliche Änderung beabsichtigt war (vgl. BT-Drucks. 14/8017 S. 64, 89). Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 BörsG sind alle Preise, die während der Börsenzeit an einer Börse im Präsenzhandel oder im elektronischen Handel, oder Preise, die an einer Warenbörse ermittelt werden, Börsenpreise (vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 24 BörsG Rn. 5). Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 BörsG gilt dies auch für einen Preis, der im Freiverkehr an einer Wertpapierbörse festgestellt wird. Auf den Börsenpreis eines Finanzinstruments wird eingewirkt, wenn dieser künstlich, d.h. gegen die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse am Markt, erhöht, abgesenkt oder auch nur stabilisiert wird (vgl. OLG Stuttgart, aaO NJW 2011, 3667, 3669; Vogel, aaO § 38 Rn. 51, § 20a Rn. 115; Fuchs/Waßmer, WpHG, 2009, § 38 Rn. 40; Koppmann, ZWH 2012, 27). Maßgeblich ist also, dass die manipulative Handlung des Täters kausal für den fraglichen Preis eines Finanzinstruments ist.
19
aa) Im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat das Landgericht darauf abgestellt, dass vor dem Verkauf der Aktien durch den Angeklagten an seinen Partner ein Geldkurs in Höhe von 4,12 € exisiterte, zu dem kein Umsatz stattfand, sondern nur eine Nachfrage bestand (UA S. 5). An anderer Stelle hat es diesen Kurs als Taxkurs bezeichnet (UA S. 17). Dies genügt für die Annahme eines Börsenkurses in dem hier maßgebenden Sinne nicht. Dabei kann dahinstehen, welche Bezeichnung letztlich zutreffen soll; denn sowohl Geld- als auch Taxkurse sind, wie die Strafkammer selbst zutreffend erkannt hat, keine Börsenkurse im Sinne des § 24 Abs. 1 BörsG (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 - XI ZR 68/89, WM 1990, 1408 mwN zu § 29 BörsG aF Oetker; Bergmann, HGB, 3. Aufl., § 400 Rn. 6 mwN; Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 24 BörsG Rn. 8).
20
Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, es müsse auf solche Geld- oder Taxkurse zurückgegriffen werden, auch wenn diese keine Börsenkurse im Sinne des § 24 BörsG seien, damit der notwendige strafrechtliche Schutz gewährleistet werden könne, ist nicht zu verkennen, dass insbesondere enge Märkte wie der vorliegende, auf denen Wertpapiere mit nur wenigen Umsätzen gehandelt werden, besonders manipulationsanfällig sind. Allein das Ziel, vermeintliche oder tatsächlich bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen, kann jedoch nicht dazu führen, Tatbestandsmerkmale zu überdehnen. Wie weit und unter welchen Voraussetzungen der strafrechtliche Schutz in diesem Bereich gewährleistet werden soll, ist in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers übertragen. Dieser hat sich bei der Neuregelung der Bußgeld- und Strafvorschriften durch das am 1. Juli 2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz dafür entschieden, die Strafbarkeit marktmanipulativen Verhaltens an die Einwirkung auf einen Börsen- oder Marktpreis zu knüpfen (hinsichtlich der Praxistauglichkeit kritisch etwa bereits Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1487). Dies ist bei der Rechtsanwendung hinzunehmen.
21
Nicht allein ausreichend ist es auch, dass der Angeklagte durch das Geschäft mit seinem Partner einen (neuen) Börsenpreis bewirkte. Nach der soweit ersichtlich in Rechtsprechung und Literatur einhellig verwendeten Umschrei- bung des Einwirkens im Sinne des § 38 Abs. 2 WpHG aF, von der in der vorliegenden Fallkonstellation abzuweichen kein Anlass besteht, ist es erforderlich, dass bereits ein Börsenpreis existiert, der sodann durch die Manipulation des Täters beeinflusst wird. Der Tatbestand setzt somit, anders als etwa der Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB, einen bereits bestehenden Börsenpreis voraus; das (erstmalige) Bewirken eines Börsenpreises wird von ihm nicht umfasst (vgl. OLG Stuttgart, aaO NJW 2011, 3667, 3670; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2052; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 137).
22
Den Urteilsgründen ist in ihrem Zusammenhang jedoch genügend sicher zu entnehmen, dass bereits vor dem manipulativen Geschäft zwischen dem Angeklagten und seinem Partner ein Börsenpreis im Sinne des § 24 Abs. 1 BörsG für die R. -Aktie bestand. Nach den vom Landgericht wiedergegebenen Ausführungen der Sachverständigen N. wurde die Aktie zwar zwischen dem 31. Mai 2007 und dem 11. August 2008 nicht gehandelt.Danach - und damit vor der Tat am 3. April 2009 - fanden jedoch Umsätze statt. Aufgrund der weiteren Darlegungen der Quellen, aus denen die Sachverständige ihre diesbezüglichen Erkenntnisse gewonnen hat, ist davon auszugehen, dass diese Umsätze zur Festsetzung von Börsenpreisen führten. Auch im Rahmen ihrer Erwägungen zum Verfall hat die Strafkammer ausgeführt, dass die R. -Aktie Anfang des Jahres 2009 gehandelt wurde.
23
bb) Im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei als Bezugspunkt einen an der Börse festgesetzten Kurs angenommen, der auf einem kurz vor der abgeurteilten Tat zwischen dem Angeklagten und seinem Geschäftspartner getätigten Geschäft beruhte. Darauf, ob es sich hierbei ebenfalls um ein zuvor abgesprochenes Geschäft handelte, das den inhaltlichen Anforderungen an das ordnungsmäßige Zustandekommen eines Börsenpreises nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG nicht genügte (vgl. Beck in Schwark/Zimmer, aaO § 24 BörsG Rn. 25), kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der Begriff des Börsenpreises wird zunächst in § 24 Abs. 1 BörsG definiert. Danach sind - jedenfalls bis zu einer aufsichtsrechtlichen oder sonstigen Beanstandung - auch vollständig oder teilweise manipulierte Börsenpreise erfasst; denn insbesondere der Preisfindung in elektronischen Handelssystemen fehlt heute jedes gestaltende oder gar regelnde Moment; sie ist nur noch Protokollierung eines realen Transaktionspreises (vgl. Theissen, WM 2003, 1497, 1503). Deshalb gebieten es Sinn und Zweck der § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, die Preisbildung an bzw. auf und die Funktionsfähigkeit von Börsen und überwachten Märkten zu schützen (vgl. im Einzelnen Vogel, aaO § 20a Rn. 26 ff.; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky, § 20a WpHG Rn. 2 [Stand: April 2012]), in dem hier relevanten Zusammenhang auf diesen Börsenpreis im formellen Sinne, nicht aber darauf abzustellen, ob die inhaltlichen Anforderungen gemäß § 24 Abs. 2 BörsG erfüllt sind. Diese sind vor allem auch deshalb von Belang, weil dem Börsenpreis in zahlreichen anderen Zusammenhängen , etwa bei der Pfandverwertung, beim Fixhandelskauf sowie im Bilanzoder Steuerrecht eine erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. Beck in Schwark/Zimmer, aaO § 24 BörsG Rn. 5 f.). Zudem könnten andernfalls besonders hartnäckig manipulierende Täter, die unter Umständen mehrere abgesprochene Geschäfte hintereinander tätigen, allenfalls für die erste Transaktion strafrechtlich belangt werden.
24
cc) Der Angeklagte wirkte jeweils auf den Börsenpreis der R. -Aktie bereits dadurch ein, dass der von ihm und seinem Partner abgesprochene Preis an der Börse festgesetzt wurde. § 38 Abs. 2 WpHG aF ist zwar als Erfolgsdelikt ausgestaltet (Vogel, aaO § 38 Rn. 49; Fuchs/Waßmer, WpHG, 2009, § 38 Rn. 40, 47; Kutzner, WM 2005, 1401, 1406). Der notwendige Einwirkungserfolg im Sinne der Vorschrift setzt jedoch nicht voraus, dass nach den konkreten Geschäften zwischen dem Angeklagten und seinem Partner durch Dritte weitere Geschäfte getätigt wurden, bei denen die Preise kausal gerade auf dem durch die manipulativen Geschäfte hervorgerufenen Kursniveau beruhen. § 38 Abs. 2 WpHG aF bestimmt nicht, welchen aus der Vielzahl von Börsen - und Marktpreisen, die für ein Finanzinstrument erzielt werden, der Täter herbeiführen muss; vielmehr genügt die Einwirkung auf irgendeinen Börsenoder Marktpreis, demnach auch auf irgendeinen festgestellten Preis im laufenden Handel, der nicht notwendigerweise der Schlusskurs sein muss. Die Beeinflussung des weiteren Kursverlaufs nach einer bereits eingetretenen Beeinflussung ist ebenfalls nicht erforderlich (vgl. auch EuGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - C-445/09 IMC-Securities BV gegen Stichting Autoriteit Financiele Markten - BKR 2011, 422; Heusel/Schmidberger, BKR 2011, 425, 427; OLG Stuttgart, aaO, NJW 2011, 3667, 3669; Woodtli, NZWiSt 2012, 51, 54 f.; aA Kudlich, wistra 2011, 361, 363 f.; Nietsch XI § 38, WpHG 112 WuB).
25
b) Der Angeklagte handelte vorsätzlich; dies genügt für die subjektive Tatseite. Insbesondere setzt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nicht voraus, dass der Angeklagte mit einer Manipulationsabsicht oder aus anderen Motiven handelte. Der im Schrifttum teilweise vertretenen Ansicht, insbesondere bei effektiven Geschäften könne die Frage, ob von Handelsaktivitäten falsche oder irreführende Signale ausgehen, nicht ohne Blick auf die innere Willensrichtung der Beteiligten beantwortet und nur bei Bestehen einer Manipulationsabsicht bejaht werden (vgl. MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 172 f.; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky, WpHG § 20a Rn. 25 [Stand: April 2012]; Eichelberger , Das Verbot der Marktmanipulation, 2006, S. 292; Schröder, HdB Kapitalmarktstrafrecht , 2. Aufl., Rn. 599), ist nicht zu folgen (vgl. Vogel, aaO § 20a Rn. 152; Fuchs/Fleischer, WpHG, 2009, § 20a Rn. 74). Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es - im Gegensatz zu der bis zum 29. Oktober 2004 geltenden Fassung - auf eine derartige Manipulationsabsicht nicht (mehr) an. Vielmehr hat der Gesetzgeber auf dieses Absichtsmerkmal mit dem Anlegerschutzverbes- sungsgesetz bewusst in Abkehr von der früheren Fassung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG verzichtet (vgl. BT-Drucks. 15/3174 S. 37). Dies entspricht auch der Intention der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (ABl. EU 2003 Nr. L 96 S. 16), die durch das Anlegerschutzverbessungsgesetz umgesetzt wurde (vgl. BT-Drucks. 15/3174 S. 26). Nach der Begründung der Kommission stellt die Definition der "Marktmanipulation" auf das Verhalten der betreffenden Person und nicht auf ihren Vorsatz oder ihr Ziel ab (KOM[2001] 281 endgültig S. 6).
26
4. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
27
a) Ihr stehen nach den Feststellungen keine Ansprüche von Geschädigten entgegen (§ 73 Abs. 1 Satz 2, § 73a Satz 1 StGB). Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt (UA S. 19), haben Anleger aufgrund der Kursmanipulation keinen Schaden erlitten. Daher kann dahinstehen, ob überhaupt ein Anspruch von Anlegern auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen etwa nach § 826 BGB gegeben sein und eine Verfallsanordnung hindern könnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90, 101 f.; Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 254/09, NStZ 2010, 326; Woodtli, NZWiSt 2012, 51, 55).
28
b) Die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe des gesamten Betrages , den der Angeklagte durch den Verkauf der ersten 14.000 Aktien im Rahmen der ersten Tat erzielte, begegnet keinen Bedenken. Der Angeklagte hat aus der Tat diesen Verkaufserlös im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt.
29
Aus der Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte , die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, BGHR StGB § 73 Erlangtes 12). Nach Sinn und Zweck des Verfalls werden solche Vorteile erfasst, die der Teilnehmer oder Dritte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil sie von der Rechtsordnung als Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bewertet werden. Der dem Verfall unterliegende Vorteil bestimmt sich danach, was letztlich strafbewehrt ist (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 83 f.). Hat sich der Tatbeteiligte im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit - insbesondere dem Abschluss oder der Erfüllung eines Vertrages - strafbar gemacht, so ist demgemäß bei der Bestimmung dessen, was er aus der Tat erlangt hat, in den Blick zu nehmen, welchen geschäftlichen Vorgang die Vorschrift nach ihrem Zweck verhindern will; nur der aus diesem Vorgang gezogene Vorteil ist dem Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erwachsen. Soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt danach grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall (BGH, aaO, BGHSt 57, 79, 84 mwN).
30
Dies trifft für die hier gegebene Konstellation der Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF zu; denn danach ist das abgeschlossene Geschäft ausdrücklich verboten und der Kaufpreis als Erlös gerade unmittelbarer Zufluss aus dieser untersagten Transaktion. Die Situation bei verbotenerweise abgesprochenen Geschäften ist maßgebend dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragspartner kollusiv zusammenwirken. Derartige Geschäfte sind nicht genehmigungsfähig; die § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF wollen sie vielmehr zum Schutz vor Preismanipulationen von Wertpapierkursen gerade als solche verhindern. Strafrechtlich bemakelt ist demnach nicht nur die Art und Weise der Ausführung des Geschäfts sondern dieses selbst, weil es den manipulierten Börsenpreis und damit den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt.
31
Damit unterscheidet sich die hier vorliegende Fallkonstellation maßgeblich von solchen, bei denen nach der Rechtsprechung nicht die gesamte aus einem abgeschlossenen Geschäft erlangte Gegenleistung, sondern nur der durch das strafbewehrte Vorgehen erreichte Sondervorteil als erlangt zu bewerten ist. So gilt etwa bei verbotenen Insidergeschäften lediglich der realisierte Sondervorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern als erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884). Dort ist der Veräußerungsakt als solcher legal; bemakelt ist das Geschäft deshalb, weil der Insider aus seinem Sonderwissen keinen Sondervorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern ziehen soll (zum Unterschied von Marktmanipulation und Insiderhandel vgl. im Einzelnen etwa Lienenkämper, Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG, 2012, S. 158). Auch in den Fällen korruptiv erlangter Auftragserteilungen ist im Gegensatz zur hiesigen Sachlage lediglich die Art und Weise bemakelt, wie der Auftrag erlangt wurde, nicht hingegen, dass er ausgeführt wurde. Dies rechtfertigt es, das Erlangte nach dem kalkulierten Gewinn und nicht nach dem vereinbarten Werklohn zu bemessen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 ff.). Bei nach dem Außenwirtschaftsgesetz verbotenen Ausfuhren kommt es schließlich darauf an, ob das dem Vorgang zugrunde liegende Geschäft genehmigungsfähig ist und genehmigt werden müsste (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 83 ff.). Ist dies der Fall, wird allein die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde sanktioniert ; erlangt sind dann nur die hierdurch ersparten Aufwendungen. Ist das Geschäft demgegenüber - gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der zuständigen Behörde - nicht genehmigungsfähig, so ist es als solches bemakelt; dann kann - wie in der vorliegenden Konstellation - die gesamte Gegenleistung abgeschöpft werden.
32
c) Ein Absehen vom Verfall nach der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB hat das Landgericht geprüft und ohne Rechtsfehler abgelehnt.
Becker Schäfer Hubert Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 343/11
vom
19. Januar 2012
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
StGB § 73 Abs. 1 Satz 1, AWG § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Hat der Täter in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
) genannte Güter ohne die erforderliche Genehmigung ausgeführt, hätte
diese indes erteilt werden müssen, so ist nicht der gesamte für die Güter eingenommene
Kaufpreis das im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat Erlangte;
vielmehr sind dies nur die durch das Unterbleiben des Genehmigungsverfahrens ersparten
Aufwendungen.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 343 /11 - LG Hamburg
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
Nebenbeteiligte: Fa. W. , vertreten durch
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. Dezember 2011 in der Sitzung am 19. Januar 2012, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter der Nebenbeteiligten,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8. Juni 2011 im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz gegen die Nebenbeteiligte bezüglich der Fälle III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Die weitergehenden Revisionen der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Nebenbeteiligten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die der Nebenbeteiligten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz in 47 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 1.000 € verurteilt. Gegen die Nebenbeteiligte hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 200.000 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Nebenbeteiligten, die das Urteil beanstandet, soweit die Verfallsanordnung auf den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe beruht. Die Verfallsentscheidung in Höhevon 8.040 € hinsichtlich des Falles III. 3. 37 der Urteilsgründe hat die Nebenbeteilig- te demgegenüber von ihrem Revisionsangriff ausgenommen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem die Verletzung materiellen Rechts beanstandenden , zum Nachteil der Nebenbeteiligten eingelegten Rechtsmittel dagegen, dass das Landgericht es unterlassen hat, gegen die Nebenbeteiligte einen Wertersatzverfall von mehr als 200.000 € anzuordnen.
2
Die Revisionen der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft - letztere soweit sie in den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe auch zu Gunsten der Nebenbeteiligten wirkt (§ 301 StPO) - haben Erfolg; das weitergehende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
3
Nach den Feststellungen war die Angeklagte im Tatzeitraum die alleinige , einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und faktische Alleingesellschafterin der Nebenbeteiligten. Gegenstand deren Unternehmens ist u.a. der Im- und Export sowie der Groß- und Einzelhandel mit Jagd- und Sportwaffen sowie Munition. Die Nebenbeteiligte wird regelmäßig als Zwischenhändlerin tätig und beliefert insbesondere Kunden im Ausland vor allem mit Jagd- und Sportwaffen sowie Jagdzubehör. Zwischen August 2007 und Mai 2008 führte die Nebenbeteiligte in 47 Fällen Jagd- und Sportselbstladeflinten in Drittländer aus; die Verkaufserlöse betrugen insgesamt 1.157.020,11 €. Die Magazine der Waffen waren zuvor von den Herstellern mit Reduzierungen versehen worden, welche die ursprünglich größere Kapazität auf zwei Schuss neben einer im Lauf befindlichen Patrone beschränken sollten. Diese Reduzierungen konnten jedoch innerhalb kurzer Zeit mit einfachen Mitteln rückgängig gemacht werden.
Die Angeklagte verließ sich auf die Herstellerangaben und überprüfte die Wirksamkeit der Magazinbeschränkungen nicht; sie kannte deshalb die Beschaffenheit der Waffen und die fehlende Nachhaltigkeit der Magazinbeschränkungen nicht. Sie hatte kein wirtschaftliches Interesse daran, Waffen ohne wirksame Beschränkung zu verkaufen. Sowohl im Einkauf als auch im Verkauf hatte sie die Lieferung von Waffen vereinbart, deren Kapazität entsprechend den deutschen Vorschriften auf "2+1" (eine Patrone im Lauf und zwei Patronen im Magazin) beschränkt war. Die Angeklagte holte in keinem Fall eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden : BAFA) ein. Hätte sie die Waffen dort zur Prüfung vorgelegt, hätte sie die Auskunft erhalten, dass die Ausfuhr genehmigungspflichtig sei. In den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe hätte das BAFA die Ausfuhrgenehmigung erteilen müssen. Lediglich im Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe wäre die Genehmigung wegen eines gegen das Empfängerland gerichteten Embargos verweigert worden.
4
Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten als fahrlässigen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz in 47 Fällen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 AWG) gewertet, da sie ohne die nach § 5 Abs. 1 AWV i.V.m. § 7 Abs. 1 AWG aF erforderliche Genehmigung in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur AWV), Position 0001 Unternummer 0001b2b, aufgeführte halbautomatische Flinten in Gebiete außerhalb des Gemeinschaftsgebietes ausgeführt und dabei gegen ihr obliegende Sorgfaltspflichten verstoßen habe.
5
Die Strafkammer hat gegen die Nebenbeteiligte den Verfall von Werter- satz in Höhe von insgesamt 200.000 € angeordnet (§ 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, §§ 73a, 73c Abs. 1 Satz 1 StGB). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Nebenbeteiligte habe aus den von der Angeklagten begangenen Taten als Dritt- begünstigte die gesamten Verkaufserlöse in Höhe von 1.157.020,11 € im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Nebenbeteiligten seien hiervon lediglich bereits gezahlte Steuern in Höhe von 41.320,98 € in Abzug zu bringen. Die vereinnahmten Beträge seien das direkte Äquivalent für in ihrer konkreten Form untersagt gewesene Leistungen und damit als Gegenleistung für verbotene Geschäfte bemakelt. Daran ändere es auch nichts, dass die Ausfuhren hätten genehmigt werden müssen; denn bei der Feststellung des durch die Taten Erlangten sei zur Gewährleistung der Effektivität des Verfalls und des mit ihm verfolgten Präventionszwecks eine formale Betrachtungsweise geboten. Dem Umstand, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung der Ausfuhren vorlagen, sei lediglich im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB Rechnung zu tragen. Danach sei der Verfallsbetrag auf 200.000 € zu mindern, weil eine darüber hinausge- hende Verfallsanordnung eine unbillige Härte für die Nebenbeteiligte darstelle. Der vorliegende Sachverhalt weise Besonderheiten auf, so dass das aus dem Zweck des Verfalls zu bestimmende Ausmaß an erforderlicher Prävention erheblich gemindert erscheine. Die Ausfuhren hätten zum ganz überwiegenden Teil genehmigt werden müssen; nur aus der Tat im Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe habe die Nebenbeteiligte im Endeffekt einen gesetzlich verbotenen wirtschaftlichen Vorteil gezogen. Die Nebenbeteiligte habe die erzielten Einnahmen auch ohne Durchführung eines Genehmigungsverfahrens vor dem BAFA legal erreichen können, da sie nach den getroffenen vertraglichen Abreden von den Herstellern habe verlangen können, Waffen mit nachhaltigen Magazinreduzierungen zu erhalten. Die Straftaten ließen sich im Kern nicht auf finanzielle Anreize durch die Ausfuhrgeschäfte zurückführen, sondern auf Nachlässigkeiten der Angeklagten, die der Nebenbeteiligten für sich genommen keine wirtschaftlichen Vorteile gebracht hätten. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass eine höhere Verfallsanordnung auch weitere unangemessene , vom Gesetz nicht gewollte Folgen hätte, die letztlich durch ein Missverhält- nis zwischen Anlass - fahrlässige Straftat - und Reaktion - umfassender Verfall der Bruttoeinnahmen - begründet seien.
6
I. Revision der Nebenbeteiligten
7
1. Die Beschränkung der Revision durch die Nebenbeteiligte auf die Verfallsanordnung , soweit diese auf den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe beruht, ist wirksam; denn sie kann in diesen Fällen, die sich von Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe vor allem dadurch unterscheiden, dass das BAFA auf entsprechende Anträge der Nebenbeteiligten die Ausfuhrgenehmigung jeweils hätte erteilen müssen, losgelöst von derjenigen im letztgenannten Fall rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden.
8
2. Das Rechtsmittel der Nebenbeteiligten ist begründet. Zwar ist die Anordnung des Verfalls entgegen der Auffassung der Nebenbeteiligten nicht nur bei Vorsatzdelikten, sondern auch bei fahrlässig begangenen Straftaten möglich. Jedoch hat das Landgericht den Umfang dessen rechtsfehlerhaft zu hoch bestimmt, was die Nebenbeteiligte aus den Taten der Angeklagten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangte; denn dies war hier ausschließlich der wirtschaftliche Wert der Aufwendungen, welche die Nebenbeteiligte jeweils dadurch ersparte, dass sie die erforderliche Genehmigung des BAFA nicht einholte. Im Einzelnen:
9
a) § 73 Abs. 1 StGB setzt für die Anordnung des Verfalls eine rechtswidrig begangene Tat voraus. Im Gegensatz zur Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB enthält die Norm keine Beschränkung auf vorsätzlich begangene Delikte. Die Anordnung des Verfalls kommt somit auch bei der Verwirklichung eines Fahrlässigkeitstatbestands in Betracht (vgl. LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 15; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 73 Rn. 4; zum Ordnungswidrigkeitenrecht vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. April 2000 - 3 ObOWi 16/2000, wistra 2000, 395, 396; OLG Celle, Beschluss vom 16. Mai 1997 - 2 Ss (OWi) 358/96, NStZ 1997, 554, 556).
10
b) Die Frage, nach welchen Kriterien die Bestimmung des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bei Straftaten vorzunehmen ist, die wie hier wesentlich dadurch geprägt werden, dass ein formeller Verstoß gegen einen Genehmigungsvorbehalt sanktioniert wird, die erforderliche Genehmigung indessen bei entsprechender Antragstellung hätte erteilt werden müssen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht entschieden (zur uneinheitlichen Rechtsprechung der Instanzgerichte vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 322 SsBs 175/11, DAR 2011, 642; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. September 2006 - 1 Ss 247/06, ZfSch 2007, 108). Hierzu gilt:
11
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat. Maßgeblich ist deshalb die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Vorteils, den der Täter für oder durch die Tat erzielt hat (BGH, Urteile vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268; vom 19. November 1993 - 2 StR 468/93, BGHR StGB § 73 Erlangtes 1). Das erlangte Etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB umfasst dabei die Gesamtheit des für oder aus der Tat materiell Erlangten. Nach dem gesetzlichen Bruttoprinzip sind wirtschaftliche Werte, die in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar erlangt wurden, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen; Gegenleistungen oder Kosten des Täters bei der Tatdurchführung sind nicht in Abzug zu bringen (BGH, Urteile vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370; vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 66 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 2 BvR 527/06, juris Rn. 4).
12
aa) Die Alternative "für die Tat erlangt" scheidet hier aus; denn "für die Tat erlangt" sind Vorteile nur dann, wenn sie dem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber - wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung oder eine Provision - nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f.; vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4). Eine derartige Gegenleistung erhielt die Nebenbeteiligte vorliegend nicht. Die Abnehmer der Waffen leisteten ihr weder gesonderte Zahlungen noch erhöhte Kaufpreise dafür, dass sie - etwa zur Geheimhaltung der Geschäfte - keine Genehmigungen für die einzelnen Ausfuhren einholte.
13
bb) In Betracht kommt deshalb lediglich die Alternative "aus der Tat erlangt". Unter diese Tatbestandsvariante fallen alle Vermögenswerte, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands zufließen.
14
(1) Bereits der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB belegt indes, dass nicht alles, was der Tatbeteiligte oder Dritte (§ 73 Abs. 3 StGB) in irgendeinem beliebigen Zusammenhang mit der Verwirklichung der rechtswidrigen Tat erlangt hat, dem Verfall unterliegt, sondern nur derjenige Vermögenszuwachs, den er gerade - gleichsam spiegelbildlich - aus der Tat erzielt hat (vgl. Kudlich /Noltensmeier, wistra 2007, 121, 124). Es werden daher nur solche Vorteile erfasst, die der Tatteilnehmer oder Dritte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil sie von der Rechtsordnung - einschließlich der verletzten Strafvorschrift - als Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bewertet werden (SK-StGB/Wolters/Horn, StGB, 110. Lfg., § 73 Rn. 9 [Stand: September 2007]).
15
(2) Gleiches folgt aus Sinn und Zweck des Verfalls. Dieser verfolgt selbst keinen Strafzweck, sondern dient als öffentlich-rechtliche Maßnahme eigener Art der Abschöpfung des unrechtmäßig aus der Tat Erlangten und damit dem Ausgleich einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung. Er stellt sich als Abschöpfung des illegitimen Vermögensvorteils dar, der als Entgelt für die Tat oder als Erlös aus ihr in das Vermögen eines an der Straftat Beteiligten oder durch dessen Handeln unmittelbar in das Vermögen eines tatunbeteiligten Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) gelangt ist. Dadurch soll dem Tatbeteiligten, aber auch der Allgemeinheit, vor Augen geführt werden, dass sich Verletzungen der Strafrechtsordnung über die eigentliche Ahndung der Tat durch eine entsprechende Sanktion hinaus auch finanziell nicht auszahlen. Auf diese Weise bezweckt der Verfall auf vermögensrechtlichem Gebiet auch die Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung. Dieser Normzweck gilt ebenfalls für die Anordnung des Verfalls gegen einen Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, NJW 2011, 624, 626; vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f.; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 8).
16
(3) Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist deshalb danach zu bestimmen , was letztlich strafbewehrt ist. Hat sich der Tatbeteiligte im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit - insbesondere dem Abschluss oder der Erfüllung eines Vertrages - strafbar gemacht, so ist demgemäß bei der Bestimmung dessen, was er aus der Tat erlangt hat, in den Blick zu nehmen, welchen geschäftlichen Vorgang die Vorschrift nach ihrem Zweck verhindern will; nur der aus diesem Vorgang gezogene Vorteil ist dem Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erwachsen. Soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt danach grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, so ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884 mwN).
17
Diese Grundsätze gelten auch in den Fällen, in denen das geschäftliche Tätigwerden des Tatbeteiligten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, den dieser in strafbarer Weise umgeht. Erreicht er hierdurch, dass er ein - gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der Genehmigungsbehörde - nicht genehmigungsfähiges Geschäft abschließen und/oder erfüllen sowie daraus entsprechende Vermögenszuwächse erzielen kann, so sind diese in vollem Umfang erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB und unterliegen daher grundsätzlich uneingeschränkt dem Verfall. Hatte er dagegen einen Anspruch auf die Genehmigung, so bemakelt die Rechtsordnung nicht den Abschluss oder die Erfüllung des Vertrages; vielmehr soll durch die Strafbewehrung allein die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde sanktioniert werden. Erlangt ist somit nur der durch die Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens erwachsene (Sonder-)Vorteil.
18
(4) Dem steht das im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB geltende Bruttoprinzip nicht entgegen. Dieses besagt lediglich, dass der erlangte wirtschaftliche Wert "brutto", also ohne gewinnmindernde Abzüge anzusetzen ist. Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht um die Anrechnung gewinnmindernder Abzüge, sondern um die Bestimmung des unmittelbar aus der Tat Erlangten unter Beachtung insbesondere von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Die dem Verfall unterliegenden Aufwendungen, welche die Nebenbeteiligte dadurch ersparte, dass sie die erforderlichen Genehmigungen nicht einholte, entsprechen nicht dem Bruttoerlös aus den getätigten Veräußerungsgeschäften abzüglich dabei entstandener Kosten; sie sind vielmehr qualitativ etwas anderes. Insoweit ist das Bruttoprinzip nicht beeinträch- tigt; denn die Bestimmung des für die Abschöpfung überhaupt in Betracht kommenden Vorteils ist der Bestimmung seines Umfangs logisch vorgelagert (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884; Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 269).
19
(5) Nach diesen Maßstäben ist in den Fällen, in denen wie hier die Verfallsanordnung auf einer Straftat nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG beruht und die erforderliche Genehmigung durch das BAFA hätte erteilt werden müssen , auch unter Beachtung des Schutzzwecks der Strafvorschrift als dem Unwertgehalt der Tat entsprechender Sondervorteil lediglich die Ersparnis derjenigen Aufwendungen anzusehen, die für die Erteilung der Genehmigung hätten erbracht werden müssen. § 34 Abs. 1 Satz 1 AWG stellt das Ausführen (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 AWG) oder Verbringen (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 AWG) bestimmter Güter ohne Genehmigung unter Strafe. Die Vorschrift hat vor allem den Schutz des Allgemeinwohls im Blick, indem sie mit ihrer Strafdrohung den Genehmigungsvorbehalt im Außenwirtschaftsverkehr sicherstellt, mit dessen Hilfe der Staat den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AWG grundsätzlich freien Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland aus übergeordneten Interessen des Gemeinwohls beschränken kann (Erbs/Kohlhaas/Diemer, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 Rn. 1, § 34 Rn. 4 [Stand: Januar 2009]). Der grundsätzlich freie Export ist nur insoweit genehmigungspflichtig , als er wegen überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, ihrer auswärtigen Beziehungen und des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder im Hinblick auf zwischenstaatliche Vereinbarungen der Kontrolle bedarf (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 5 StR 210/94, BGHSt 40, 378, 384). Danach handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG, wenn die erforderliche Genehmigung vom BAFA zu erteilen gewesen wäre, nicht um eine primär gewinnorientierte Straftat, wie sie der Gesetzgeber im Rahmen der Regelung des § 73 StGB vor allem erfassen wollte (BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f., 375). Auch unter präventiven Gesichtspunkten ist die Abschöpfung des Verkaufserlöses folglich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG nicht angezeigt, wenn die Ausfuhr hätte genehmigt werden müssen; denn der Kern des strafbewehrten Tatunrechts liegt bei diesem rein formalen Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt lediglich darin, dass die Angeklagte vor der Ausfuhr der Waren nicht die erforderliche Genehmigung eingeholt hat. Der Umstand, dass diese Genehmigung vom BAFA jeweils auf Antrag hätte erteilt werden müssen, belegt, dass der Abschluss der Veräußerungsgeschäfte sowie deren Erfüllung und die damit verbundene Ausfuhr aus dem Gemeinschaftsgebiet als solche den Prinzipien der Rechtsordnung gerade nicht widersprachen. Somit entfällt die Notwendigkeit , durch die Anordnung des Verfalls des gesamten Verkaufserlöses der verletzten Rechtsordnung wieder Geltung zu verschaffen. In diesem Punkt unterscheiden sich die Fälle der vorliegenden Art wesentlich von solchen, in denen gerade das Veräußerungsgeschäft als solches oder dessen Erfüllung den wesentlichen Gehalt des Tatunrechts bilden. Die Abschöpfung des gesamten Verkaufserlöses entspräche hier nicht spiegelbildlich dem bemakelten Vermögensvorteil , den der Täter oder Drittbeteiligte gerade aus der Tat gezogen hat.
20
(6) Somit ist entgegen der Auffassung des Landgerichts der Umstand, dass die Ausfuhren jeweils vom BAFA hätten genehmigt werden müssen, nicht erst bei der Prüfung von Belang, ob die Verfallsanordnung für den Betroffenen eine unbillige Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB darstellt (aA MünchKommStGB /Joecks, § 73c Rn. 12; Franzheim, wistra 1989, 87, 90). Damit wird schließlich auch dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung besser Genüge getan. Während der im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB in Fällen der vorliegenden Art abzuschöpfende Sondervorteil regelmäßig berechenbar ist und das Erlangte daher beziffert werden kann, ist für den unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung maßgebend, ob die Anordnung den Betroffenen empfindlich treffen und Grundsätze der Billigkeit sowie das Übermaßverbot verletzen und damit "schlechthin ungerecht" erscheinen würde (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, BGHR StGB § 73c Härte 13). Diese Umschreibung eröffnet dem Tatgericht einen weiten Beurteilungsspielraum. Es obliegt im Wesentlichen seiner Bewertung, ob eine unbillige Härte vorliegt. Die Gewichtung der hierfür maßgeblichen Umstände ist der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 - 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14). Hieraus folgt, dass ähnlich gelagerte Sachverhalte eine ganz unterschiedliche Behandlung erfahren können. Dies belegt auch der vorliegende Fall, in dem das Landgericht den Verfallsbetrag von 1.115.699,13 € (Gesamterlös 1.157.020,11 € abzüglich angerechneter Steuern in Höhe von 41.320,98 €) auf 200.000 € herabgesetzt hat, ohne dass den Ur- teilsgründen entnommen werden kann, warum gerade dieser Betrag angemessen sein soll.
21
II. Revision der Staatsanwaltschaft
22
1. Die ausweislich ihrer Begründung wirksam auf die Höhe der Verfallsanordnung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 2001 - 3 StR 541/00, NStZ 2001, 531; vom 25. September 1990 - 1 StR 400/90, BGHR StGB § 73a Wert 1) bleibt ohne Erfolg, soweit sie einen höheren Verfallsbetrag erstrebt. Wie dargelegt ist die Entscheidung des Landgerichts zu § 73 StGB zum Nachteil der Nebenbeteiligten rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden, welche die Anordnung des Verfalls in Höhe von mehr als 200.000 € begründen.
23
2. Das Rechtsmittel führt jedoch aus den zu der Revision der Nebenbeteiligten dargestellten Gründen zur Aufhebung der Verfallsanordnung in den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe (§ 301 StPO).
24
3. Die insoweit nicht beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft erfasst zu Gunsten der Nebenbeteiligten auch den Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe. Bezüglich der auf dieser Tat beruhenden Verfallsanordnung hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang insbesondere rechtsfehlerfrei im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den erzielten Verkaufserlös als von der Nebenbeteiligten erlangtes Etwas bewertet. Anders als in den übrigen Fällen war die Ausfuhr der Waffen hier nicht genehmigungsfähig, da sie gegen ein Embargo verstieß. Embargoverstöße sind - ähnlich wie etwa Rauschgiftgeschäfte - an sich verboten, so dass der gesamte hieraus erlöste Wert dem Verfall unterliegt. In diesen Fällen kommt mit Blick darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland auch aufgrund internationaler Verpflichtungen gehalten ist, derartigen Handlungen mit effektiven Maßnahmen entgegenzuwirken, der Anordnung des Verfalls des aus solchen Geschäften Erlangten nach dem Bruttoprinzip auch beim Drittbegünstigten große Bedeutung zu. Auf diese Weise kann vor dem Hintergrund der präventiven Zielrichtung des Verfalls das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sich derartige Geschäfte nicht lohnen, Aufwendungen hierfür nutzlos sind und es deshalb auch wirtschaftlicher ist, wirksame Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten einzurichten (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2004 - 1 StR 269/03, NStZ-RR 2004, 214, 215; Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 372).
25
III. Umfang der Aufhebung
26
Die Entscheidung des Landgerichts ist rechtskräftig, soweit sie die Verfallsanordnung im Fall III. 3. 37 in Höhe von 8.040 € betrifft.
27
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den aufgezeigten Wertungsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, etwa zur Höhe der von der Nebenbeteiligten ersparten Aufwendungen, sind möglich. Das neue Tatgericht wird dabei die Kosten und gegebenenfalls Gebühren in den Blick zu nehmen haben, die der Nebenbeteiligten durch das Verfahren beim BAFA entstanden wären. Daneben sind etwa auch die Kosten für diejenigen Maßnahmen einzubeziehen, die von der Nebenbeteiligten zu treffen gewesen wären, um eine angemessene Prüfung der veräußerten Ware auf ihre Genehmigungsbedürftigkeit und -fähigkeit zu gewährleisten. Sollten insoweit konkrete Feststellungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu treffen sein, kommt eine Schätzung nach Maßgabe des § 73b StGB und der hierzu entwickelten Grundsätze in Betracht. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
WpHG in der Fassung vom 21. Juni 2002
§ 38 Abs. 1 Nr. 1; § 14 Abs. 1;
1. Ausnutzen einer Insidertatsache.
2. Bei verbotenen Insidergeschäften stellt der hierdurch erzielte
Sondervorteil das Erlangte im Sinne des § 73 Abs. 1
Satz 1 StGB dar.
BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09
LG Hamburg -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen verbotener Veräußerung eines Insiderpapiers
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2010

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO in den Rechtsfolgeaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen verbotener Veräußerung eines Insiderpapiers jeweils zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen verurteilt. Es hat weiterhin bei beiden Angeklagten den Verfall eines Geldbetrages von etwa 700.000 € angeordnet. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der beiden Angeklagten, die zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg haben. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das landgerichtliche Urteil enthält folgende Feststellungen und Wertungen :
3
1. Die Angeklagten waren Vorstände der börsennotierten f. AG (im Folgenden: f. ). Der Angeklagte S. war Vorsitzender des Vorstands. Die f. , die aus dem m. -K. hervorgegangen war, betätigte sich als Internet-Telekommunikationsunternehmen, wobei der Schwerpunkt mit ca. 60 % des Umsatzes im Bereich des Internets lag. In dem damaligen Zeitraum entfielen hiervon etwa 96 % auf das Schmalbandsegment , während das Breitbandsegment (DSL) einen Marktanteil von nur 3 % aufwies. Der Umsatz der f. stieg nach Übernahme des Festnetzgeschäfts der m. im Jahre 2003 gegenüber dem Vorjahr um 766 % auf 365 Mio. €. Der Zuwachs hielt auch im ersten Quartal 2004 noch an (Gesamtumsatz : 119 Mio. €). Im zweiten Quartal des Jahres ging der Umsatz zurück und belief sich nur noch auf 109 Mio. €; das Konzernergebnis vor Steuern sank in diesem Quartal von 31,7 Mio. € auf knapp 20 Mio. €. Maßgebend für diesen Rückgang war ein deutlich schlechteres Ergebnis im Schmalbandbereich, das durch Zuwächse im Breitbandgeschäft nicht einmal annähernd ausgeglichen werden konnte.
4
Den Angeklagten wurden als Sondervergütungen Aktienoptionen (199.500) eingeräumt, für die eine zweijährige Wartezeit bestand und deren Laufzeit auf sechs Jahre ab Ausgabetag festgelegt war. Die Wartefrist lief zum 11. Juli 2004 ab. Der Aktienkurs, der im Mai 2004 noch bis zu 27,73 € betragen hatte, entwickelte sich ab Juni und vor allem ab 5. Juli 2004 kontinuierlich abwärts. Am 15. Juli 2004 wurde er mit 18,36 € und am 30. Juli 2004 mit 15,05 € notiert. Die Angeklagten wollten ihre Optionen zum 11. Juli 2004 einlösen und die Aktien möglichst bald marktschonend in Tranchen veräußern. Nach Ausübung der Option verkauften sie, jeder für sich, die Aktien ab 12. Juli 2004 in kleinen Stückzahlen von höchstens 10.000 Ak- tien. Bis zum 21. Juli 2004 setzten sie jeweils etwa 32.000 Stück ab und erlösten jeweils knapp 1,2 Mio. €.
5
Am 9. August 2004 veröffentlichten die Angeklagten als Vorstand eine ad-hoc-Mitteilung. Hierin gaben sie den rückläufigen Umsatz und den gesunkenen Gewinn für das zweite Quartal bekannt. Der Kurs der Aktie, der bei Eröffnung noch bei 13,21 € gelegen hatte, schloss daraufhin an diesem Handelstag mit 9,95 €. Obwohl sie die schlechteren Zahlen für das zweite Quartal bereits vorher gekannt hatten, warteten sie mit der Mitteilung zu, um den möglichst gewinnbringenden Verkauf ihrer Aktien nicht zu gefährden.
6
2. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten als verbotenen Insiderhandel gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. angesehen. Anzuwenden sei das Altrecht als milderes Recht. Der rückläufige Umsatz im Schmalbandbereich sei eine nicht öffentlich bekannte Tatsache mit der Eignung gewesen, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Aktienkurs erheblich zu beeinflussen. Dies ergebe sich schon aus der Reaktion des Marktes. Der Umsatzrückgang liege in einer Größenordnung, die als erheblich angesehen werden müsse. Die Angeklagten hätten bei den Aktienverkäufen ihre Insiderkenntnisse ausgenutzt. Dafür reiche es aus, wenn die Angeklagten – wie hier geschehen – zu einem Zeitpunkt verkauft hätten, zu dem sie die kursrelevante Tatsache bereits gekannt, aber noch nicht der Öffentlichkeit bekannt gegeben hätten. Insoweit hätten sie aus rein persönlichen Motiven gehandelt. Ein unternehmerisches Interesse der von ihnen repräsentierten f. habe hierfür nicht bestanden.
7
3. Das Landgericht hat weiterhin bei beiden Angeklagten den Verfall angeordnet. Es hat für die Höhe des Verfallsbetrages den gesamten Geschäftsumsatz aus den Wertpapierverkäufen zugrunde gelegt und lediglich den Betrag abgezogen, den die Angeklagten jeweils als Steuern auf die Wertpapierverkäufe entrichten mussten.

II.


8
Die Revisionen der Angeklagten zum Schuldspruch sind unbegründet. Sie haben jedoch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg.
9
1. Die Revisionsangriffe gegen den Schuldspruch greifen nicht durch.
10
a) Das Landgericht ist ohne Rechtsverstoß von der Anwendung der bis zum 29. Oktober 2004 gültigen Strafvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ausgegangen, die auf die bis zum selben Zeitpunkt in Kraft befindliche Verbotsnorm des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verweist. Die späteren Änderungen lassen zwar den Strafrahmen unverändert, erweitern aber die Anwendungsvoraussetzungen des Straftatbestands, weil in der in Bezug genommenen Norm des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG das engere Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ durch das weitere Tatbestandsmerkmal des „Verwendens“ ersetzt ist.
11
b) Die Voraussetzungen des Straftatbestands hat das Landgericht in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht ohne Rechtsverstoß bejaht.
12
aa) Die Angeklagten waren Insider im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.; ihre Insidereigenschaft ergibt sich schon aufgrund ihrer Organstellung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.).
13
bb) Durch ihre Funktion hatten sie auch Kenntnis von einer Insidertatsache. Wann eine Insidertatsache vorliegt, ist in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. gleichfalls geregelt, wobei mittlerweile dieses Tatbestandsmerkmal im Sinne einer Präzisierung ebenfalls novelliert wurde und anstelle der Insider „tatsache“ nunmehr die (in ihrem Anwendungsbereich weitere) Insider „information“ getreten ist. Nach dem hier maßgeblichen alten Recht ist die Insidertatsache in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. legal definiert als nicht öffentlich bekannte Tatsache, die geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.
14
Diese Voraussetzung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Die Rückgänge im Umsatz und Gewinn waren in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Dass im Markt gewisse Vorahnungen bestanden haben mögen, macht – entgegen der Auffassung der Revision – die Tatsache an sich noch nicht zu einer bekannten. Zwar war der Wechsel vieler Anbieter auf die Breitbandtechnik zumindest den interessierten Kreisen (vgl. zum maßgeblichen Personenkreis Pawlik in Kölner Kommentar zum WpHG 2007 § 13 Rdn. 28) als wirtschaftliche Tendenz geläufig. Dies reicht aber nicht aus, weil es gerade entscheidend auf das genaue Ausmaß ankommt, wie sich die Verschiebungen im Markt und die Rückgänge im Schmalbandbereich auf die Umsatzund Gewinnsituation ausgewirkt haben. Für eine Bewertung des konkreten Aktienwerts sind die genauen wirtschaftlichen Rahmendaten erforderlich. Deshalb reichten auch die allgemeinen, eher tendenziellen Aussagen, die der Angeklagte S. in einem Reuters-Interview noch im Juli 2004 gemacht hatte, nicht aus.
15
Die Kurserheblichkeit der Tatsache hat das Landgericht tragfähig festgestellt. Wann eine Erheblichkeit im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist eine Prognoseentscheidung, die nicht auf die (dann allerdings für die Vorsatzfrage bedeutsame) Vorstellung des Insiders abhebt, sondern eine objektivierte Bewertung erfordert (vgl. Assmann, WpHG 5. Aufl. § 13 Rdn. 64; Pawlik aaO § 13 Rdn. 45 ff.; Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht 2005 S. 73 ff.; Hilgendorf in Park, Kapitalmarktstrafrecht Teil 3 Kap. 3 T1 Rdn. 107). Von der Einführung fester Schwellenwerte hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen (BT-Drucks. 12/6679 S. 47).
16
Die vorliegende Fallgestaltung nötigt nicht zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den Literaturmeinungen zu den etwaigen Schwellenwerten , die eine Erheblichkeit indizieren könnten. Es bedarf vielmehr einer indi- viduellen Bewertung. Diese hat grundsätzlich aus einer ex-ante Sicht zu erfolgen. Dabei stellt das spätere Geschehen, insbesondere die Reaktion des Marktes hierauf, ein gewichtiges Beweisanzeichen dar. In Anbetracht der vom Landgericht festgestellten Entwicklung des Kurses, der am Tag der adhoc -Mitteilung von zunächst 13,21 € auf 9,95 € absackte, kann die Kurserheblichkeit dieser Insidertatsache hier nicht zweifelhaft sein. An die Feststellung solcher kursrelevanten Umstände dürfen – wie der Bundesgerichtshof zur vergleichbaren Strafvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG a.F. ausgeführt hat (BGHSt 48, 373) – angesichts der Vielzahl der neben der Tathandlung regelmäßig an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Deshalb ist auch keine Befragung der Marktteilnehmer veranlasst. Es reicht grundsätzlich aus, den Kursverlauf und den Umsatz in den Blick zu nehmen (vgl. BGHSt 48, 373, 384). Die durch die ad-hoc-Mitteilung ausgelösten erheblichen Kursveränderungen verdeutlichen, dass der Markt den Umsatzzahlen erhebliches Gewicht beigemessen hat. Dies wussten die Angeklagten, wie die vom Landgericht im Einzelnen aufgeführten Indiztatsachen belegen.
17
cc) Die Angeklagten haben die Kenntnis der Insidertatsachen ausgenutzt im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. Für das Verständnis dieses Merkmals ist die Richtlinie des Rats der Europäischen Gemeinschaften vom 13. November 1989 (89/592/EWG ABl. EG L 334, S. 30) ergänzend heranzuziehen. Das Gesetz ist in Umsetzung der Richtlinie erlassen worden und deshalb richtlinienkonform auszulegen (vgl. BGHSt 48, 373, 378). Die Erwägungsgründe belegen, dass der von den Mitgliedstaaten umzusetzende Verbotstatbestand nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie einer wertenden Korrektur bedarf (vgl. zu diesem Tatbestandsmerkmal und seiner Weiterentwicklung EuGH, Urteil vom 23. Dezember 2009 – C 45/08 Tz. 34 – Spector). Ein Ausnutzen in diesem Sinne liegt deshalb dann nicht vor, wenn die Insiderkenntnisse von Berufsträgern (Broker, Marktmacher) in deren typische berufliche Tätigkeit einfließen. Damit soll einer uferlosen Erweiterung des Tatbestands entgegengewirkt werden, weil gerade Primärinsider am Markt notwendiger- weise mit Exklusivkenntnissen tätig werden und diese nicht ausblenden können (vgl. hierzu auch Ziouvas aaO S. 82).
18
Maßgeblich ist deshalb, dass der Insider gerade in der Absicht handelt , für sich einen Sondervorteil aus seinen Insiderkenntnissen zu ziehen (Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, WpHG 3. Aufl. § 14 Rdn. 25). Damit wird der Zielrichtung dieses Verbotstatbestands Rechnung getragen, die Chancengleichheit der Anleger auf dem Wertpapiermarkt zu sichern (in diesem Sinne auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/6679, S. 47). Der Sondervorteil muss dabei auf dem Insiderwissen beruhen und darf nicht anfallen, wenn die Insidertatsache öffentlich bekannt würde (Ziouvas aaO S. 83). Dabei reicht es aus, wenn der Täter einen solchen Sondervorteil nur erstrebt.
19
Unter Beachtung dieser vom Landgericht zutreffend dargestellten Grundsätze haben beide Angeklagte das Absichtselement erfüllt. Die Angeklagten haben Insiderpapiere verkauft, ohne die Insidertatsache zuvor publik gemacht zu haben. Ihnen ging es ersichtlich darum, die Aktien zumindest teilweise zu veräußern, um die erzielten Kursgewinne zu realisieren, bevor die Umsatzrückgänge im Internetgeschäft schließlich veröffentlicht werden mussten.
20
Das Vorbringen des Angeklagten K. , er hätte die Aktien sowieso verkauft, weil bei ihm wegen des Kaufes zweier Immobilien Kapitalbedarf bestanden hätte, lässt das Ausnutzen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. nicht entfallen. Abgesehen davon, dass das Tatgericht diese Einlassung wegen des geringen zeitlichen Abstands von allenfalls vier Wochen nicht als glaubhaft bewertet hat, hätte der Angeklagte K. jedenfalls den ihm zufallenden Sondervorteil aufgeben müssen, indem er die Umsatzrückgänge, die – wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – beiden Angeklagten bekannt waren, früher publizierte.
21
c) Die gegen die Feststellungen zum Schuldspruch gerichteten Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat. Der Senat merkt hierzu lediglich zu zwei auf die Verletzung des § 261 StPO gestützten Verfahrensrügen Folgendes an:
22
Mit der Rüge einer Verletzung des § 261 StPO kann zwar grundsätzlich beanstandet werden, dass das Tatgericht nicht das gesamte Ergebnis der Hauptverhandlung seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl. BGH NStZ 2006, 650, 651; StV 2008, 288). Eine nicht erschöpfende Würdigung des Beweisstoffs in den Urteilsgründen ist jedoch nicht ersichtlich. Das Landgericht hat nicht gegen § 261 StPO verstoßen, indem es die in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden nur teilweise oder auszugsweise in den Urteilsgründen erwähnt und abgehandelt hat. Das Tatgericht ist nicht gehalten, im Urteil sämtliche in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu erörtern und ihren Beweiswert darzulegen (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 3). Es reicht vielmehr aus, wenn es die für seine Bewertung maßgeblichen Umstände darlegt (vgl. Engelhardt in KK StPO 6. Aufl. § 267 Rdn. 13). Die hier von der Revision beanstandete Nichtberücksichtigung von Urkunden, die in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, stellt die Beweiswürdigung der Strafkammer nicht in Frage.
23
aa) Nach dem in die Hauptverhandlung eingeführten Urkundenmaterial trifft zwar zu, dass nach Bekanntwerden der ad-hoc-Mitteilung für einen kurzen Zeitraum der Aktienkurs der f. sogar gestiegen ist. Dieser Umstand ändert aber nichts an der Richtigkeit der Bewertung, dass der kurz danach sich anschließende Kursrückgang der Aktien auf den Inhalt der ad-hocMitteilung zurückzuführen war. Anhaltspunkte für andere Ursachen sind auch den verwandten Urkunden nicht zu entnehmen. Ebenso war es nicht geboten , die veröffentlichte Einschätzung sämtlicher Analysten, soweit sie im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, in den Urteilsgründen im Einzelnen darzulegen.
24
bb) Gleichfalls unbegründet ist die Rüge der Revision, die weitere Kursentwicklung der f. -Aktie an den Folgetagen des 4. August 2004 sei in den Urteilsgründen nicht dargestellt, obwohl entsprechende statistische Auswirkungen im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Auch die sich hieraus ergebende Folgerung, nämlich dass sich der Kurs in den Folgetagen teilweise erholt hat, berührt zumindest den Schuldspruch nicht. Maßgeblich ist nur die Eignung zu erheblichen Kursauswirkungen nach einer ex-ante Betrachtung. Diese kann angesichts der Gesamtumstände und insbesondere der zunächst erfolgten heftigen Marktreaktion nicht zweifelhaft sein. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Aktie schon im Vorfeld unter Druck geraten war und mithin in besonderem Maße anfällig auf vom Markt voraussichtlich als negativ bewertete Nachrichten reagierte. Im Übrigen wäre selbst die unmittelbar sich anschließende Kursentwicklung nicht geeignet, die Erheblichkeit entfallen zu lassen (Kurs am 13. August 2004: 10,50 €; Kurs am 18. August 2004: 12,51 €).
25
2. Hinsichtlich des Strafausspruchs erweist sich die Revision allerdings als begründet.
26
a) Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten der Angeklagten die jeweils hohen Sondervorteile gewertet. Es bestimmt den Vorteil aufgrund einer „Minimalschätzung“ für beide Angeklagte auf etwa 200.000 €. Dabei setzt das Landgericht den Tagestiefstkurs von 9,95 € an, auf den der Aktienkurs noch am selben Tag gefallen ist. Diese Differenz zum Tagesanfangskurs (13,21 €) multipliziert mit der Stückzahl (62.000 Aktien) soll den Vorteil ergeben, der den Angeklagten jeweils mindestens zugeflossen ist.
27
b) Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Die Bemessung des Sondervorteils kann nicht nur auf der Grundlage eines Tages erfolgen. Der Sondervorteil basiert auf dem Kurs, der entstanden wäre, wenn der Markt die absichtsvoll verschwiegene Insiderinformation aufge- nommen hätte. Dies erfordert eine auf Schätzung gegründete Bewertung. Insbesondere soweit es um so grundlegende Rahmendaten wie die Umsatzund Gewinnsituation eines Unternehmens geht, deren Wirkung prognostisch auch in die Zukunft abstrahlt, bedarf es einer über den konkreten Handelstag hinausgehenden, längerfristigeren Betrachtung der Kursentwicklung. Je nach Volatilität des Finanzinstruments kann die zu beachtende Zeitspanne unterschiedlich lang ausfallen. Im Falle des hier betroffenen organisierten Marktes (vgl. § 2 Abs. 5 WpHG) sind insbesondere die Kursentwicklung der Aktien unmittelbarer Wettbewerber, die tatzeitnahen Börsen- und Markttrends sowie die übliche Schwankungsbreite des betroffenen Wertpapiers ebenso in den Blick zu nehmen wie der Kursverlauf an den auf die Veröffentlichung der Insidertatsache folgenden Handelstagen. So kann letztlich auf zureichender Grundlage tatrichterlich eingeschätzt werden, wie der Markt die vor dem Hintergrund der nunmehr bekanntgewordenen Insiderinformationen – hier die neuen Quartalszahlen der f. – entstandene wirtschaftliche Situation des Unternehmens beurteilt. Zudem werden technische (Über-)Reaktionen am Veröffentlichungstag auf diese Weise ausgeblendet. Die aktuellen Quartalszahlen prägen nämlich über den Veröffentlichungszeitpunkt hinaus die Einschätzung des Unternehmens durch die Marktteilnehmer in der nahen Zukunft ganz entscheidend.
28
In diesem Punkt unterscheidet sich die Fallgestaltung von dem vom 1. Strafsenat beurteilten sogenannten „scalping“ (BGHSt 48, 373). Dort ging es um manipulative Kaufempfehlungen. Diese wirken regelmäßig unmittelbar und punktuell. Umsatz- und Gewinnzahlen werden dagegen regelmäßig durch die Medien und die Analysten verarbeitet. Aber auch hier gilt der vom 1. Strafsenat aufgestellte Grundsatz, dass wegen der Vielzahl der an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (BGHSt 48, 373, 384). Es reicht deshalb regelmäßig aus, wenn der Kursverlauf der folgenden Tage zugrunde gelegt wird und wegen der Entwicklung der Branche oder des Marktes insgesamt gegebenenfalls Ab- oder Aufschläge bei der Schätzung des Sondervorteils gemacht werden.
29
3. Die Verfallsanordnung kann gleichfalls keinen Bestand haben, weil das Landgericht das „Erlangte“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat, indem es von dem Gesamtverkaufserlös der Aktien ausgegangen ist.
30
a) Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat. Maßgeblich ist deshalb die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Vorteils, der dem Täter aus der Tat zugeflossen ist (BGHSt 47, 260, 268; BGHR StGB § 73 Erlangtes 1). Dabei muss die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter aus der Tat gezogen hat. Für die Bestimmung desjenigen, was der Täter in diesem Sinne aus einer Tat oder für sie erlangt hat, ist das Bruttoprinzip unerheblich. Erst wenn feststeht, worin der erlangte Vorteil des Täters besteht, besagt dieses Prinzip, dass bei der Bemessung der Höhe des Erlangten gewinnmindernde Abzüge unberücksichtigt bleiben müssen (BGHSt 47, 260, 269; 50, 299, 310; kritisch hierzu BGHSt 52, 227, 247 ff. allerdings in Bezug auf die andersartige Fallgestaltung einer Straftat nach § 16 UWG; vgl. auch Hohn wistra 2003, 321, 323; ders. wistra 2006, 321, 325). Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist deshalb danach zu bestimmen , was letztlich strafbewehrt ist. Soweit das Geschäft an sich verboten ist (Embargoverstöße – BGHSt 47, 369; Rauschgiftgeschäft – BGHR StGB § 73 Vorteil 3), kann der gesamte hieraus erlöste Wert dem Verfall unterliegen. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB.
31
b) Unmittelbar aus der Tat haben die Angeklagten aber nur das erlangt , was den Unwertgehalt der Tat ausmacht, nämlich den von ihnen realisierten Sondervorteil (Kudlich/Noltensmeier wistra 2007, 121, 123; Fischer, StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 11). Dieser liegt hier in der Verschonung von dem Wertverlust, den uninformierte Marktteilnehmer infolge verspäteter Veröffentlichung der aktienkursrelevanten (negativen) Tatsache erleiden (vgl. Hohn wistra 2003, 321, 323; Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis 2003 S. 75 Rdn. 195, der zum selben Ergebnis im Wege der Berücksichtigung rechtmäßiger hypothetischer Kausalverläufe gelangt). Die Aktien an sich haben die Angeklagten durch einen legalen Rechtsakt erworben. Sie sind weder aus noch für die Tat erlangt. Insoweit bleibt ihr Wert durch das Bruttoprinzip unangetastet. Dieses führt dazu, dass etwaige Aufwendungen im Zusammenhang mit dem tatbestandlichen Handeln (etwa Kreditzinsen, Provisionen ) das Erlangte nicht mindern können, sondern allenfalls – was im vorliegenden Fall jedoch offensichtlich ausscheidet – über die Härteklausel des § 73c StGB Berücksichtigung finden.
32
Das neue Tatgericht hat das Erlangte nach § 73b StGB zu schätzen. Hinsichtlich der Schätzung gelten die vorstehend unter 2. dargestellten Grundsätze entsprechend.
Basdorf Raum Schaal Schneider König

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 5/13
vom
27. November 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________________
WpHG aF § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
1. Auf den Börsenpreis eines Finanzinstruments wird eingewirkt, wenn dieser
künstlich, d.h. gegen die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse erhöht, abgesenkt
oder auch nur stabilisiert wird. Hierfür reicht es nicht aus, dass aufgrund
des manipulativen Geschäfts erstmals ein Börsenpreis gebildet wird; erforderlich
ist vielmehr, dass bereits ein Börsenpreis existiert, der sodann durch die
Manipulation des Täters beeinflusst wird.
2. Für den nach § 28 Abs. 2 WpHG aF erforderlichen Taterfolg reicht es aus,
dass der manipulierte Preis an der Börse festgesetzt wird. Es ist nicht erforderlich
, dass danach weitere Geschäfte getätigt werden, bei denen die Preise
kausal gerade auf dem durch das manipulative Geschäft hervorgerufenen
Kursniveau beruhen.
3. Der Begriff des Börsenpreises im Sinne des § 38 Abs. 2 WpHG aF entspricht
dem des § 24 Abs. 1 BörsG. Ein Börsenpreis in diesem Sinne kommt auch
dann zustande, wenn das Geschäft, auf dem er beruht, den inhaltlichen Anforderungen
des § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG nicht genügt; erfasst sind deshalb
auch vollständig oder teilweise manipulierte Börsenpreise.
4. Der subjektive Tatbestand des § 38 Abs. 2 WpHG aF erfordert Vorsatz; dieser
genügt. Nicht vorausgesetzt ist, dass der Täter mit einer Manipulationsabsicht
handelt.
5. Bei einer nach § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
WpHG aF strafbaren Marktmanipulation durch den Verkauf von Aktien zu einem
zuvor abgesprochenen Preis ist erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1
StGB der gesamte für die Aktien erzielte Kaufpreis.
BGH, Urteil vom 27. November 2013 - 3 StR 5 /13 - LG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Marktmanipulation
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
25. Juli 2013 in der Sitzung am 27. November 2013, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- nur in der Verhandlung am 25. Juli 2013 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 7. September 2012 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen vorsätzlicher Marktmanipulation in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 63.700 € angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung sowie die Verfallsentscheidung. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts erteilte der Angeklagte Verkaufs- und Kaufaufträge für die im Freiverkehr an der Frankfurter Börse gehandelten Aktien der Firma R. AG, die er zuvor mit dem Käufer bzw. Verkäufer abgesprochen hatte (sog. matched orders bzw. prearranged trades).
3
1. Zunächst gab er am 3. April 2009 in der Absicht, sich finanzielle Liquidität für den Erwerb sonstiger Aktien zu verschaffen, einen Verkaufsauftrag über 22.000 Aktien der R. AG zu einem Verkaufslimit von 4,55 €. Ein Geschäftspartner des Angeklagten erteilte am selben Tag aufgrund einer zwischen beiden zuvor getroffenen Vereinbarung einen Kaufauftrag mit einem Kauflimit von 4,55 €, zunächst über 14.000 und unmittelbar darauf über weitere 8.000 Stück der betreffenden Aktien. Diese Aufträge wurden jeweils zu entsprechenden Geschäftsabschlüssen zusammengeführt. Ein zu einem nicht näher festgestellten vorherigen Zeitpunkt veröffentlichter Preis für die Aktie der R. AG betrug 4,12 € pro Aktie. Dabei handelte es sich um einen Geldkurs, zu dem kein Umsatz stattfand, sondern nur eine Nachfrage bestand. Nach der Auffassung der Strafkammer sei dieser Kurs zwar kein Börsenkurs im Sinne des § 24 BörsG. Er sei gleichwohl bei der Beurteilung der Einwirkung auf den Preis der Aktie nach § 38 Abs. 2 WpHG in der zur Tatzeit geltenden Fassung durch das Verhalten des Angeklagten heranzuziehen, weil andernfalls gerade auf besonders manipulationsanfälligen Märkten der dort besonders notwendige strafrechtliche Schutz nicht gewährleistet sei.
4
2. Um die ihm gewährte Liquidität teilweise zurückfließen zu lassen, gab der Angeklagte am 30. April 2009 den Kauf von 10.000 Stück derselben Aktie zu einem Kauflimit von 4,55 € in Auftrag. Da sein Geschäftspartner zuvor zwei Verkaufsaufträge über je 5.000 Stück Aktien mit dem vereinbarten Verkaufslimit in gleicher Höhe erteilt hatte, kam es zu einem entsprechenden Geschäftsabschluss. Sechs Minuten zuvor hatte der Angeklagte mit seinem Geschäftspartner ein ebenfalls abgesprochenes - nicht mehr verfahrensgegenständliches - Geschäft zu 4,50 € pro Aktie geschlossen. Auf diesen Preis habe der Angeklagte, so die Wertung des Landgerichts, in von § 38 Abs. 2 WpHG aF pönalisierter Form eingewirkt.
5
II. Das Urteil hält der auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotenen umfassenden sachlichrechtlichen Prüfung stand. Die - entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei zustande gekommenen - Feststellungen be- legen zwei zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehende Straftaten nach § 38 Abs. 2 WpHG in der hier nach § 2 Abs. 3 StGB maßgebenden, zu den Tatzeiten geltenden Fassung (im Folgenden: aF). Bezüglich der Anordnung des Verfalls zeigt die Revision ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
6
1. Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der die Strafbarkeit begründenden Regelung.
7
a) Für die rechtliche Bewertung des vorliegenden Falles ist folgendes Regelungsgefüge maßgeblich: Gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF ist es untersagt, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF bestimmt, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der entgegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, auch in Verbindung mit Abs. 4, jeweils in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder 5 ein Geschäft vornimmt oder einen Kauf- oder Verkaufsauftrag erteilt. § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF erlaubt dem Bundesministerium der Finanzen, durch eine Rechtsverordnung , die der Zustimmung des Bundesrats bedarf, nähere Bestimmungen zu erlassen über falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten oder das Vorliegen eines künstlichen Preisniveaus. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der auf dieser Grundlage erlassenen Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung (MaKonV ) werden irreführende Signale im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG insbesondere auch durch Geschäfte oder einzelne Kauf- oder Verkaufsaufträge über Finanzinstrumente gegeben, die von Parteien, die sich abgesprochen haben, zu im Wesentlichen gleichen Stückzahlen und Preisen erteilt werden, es sei denn, diese Geschäfte wurden im Einklang mit den jeweili- gen Marktbestimmungen rechtzeitig angekündigt. Strafbar gemäß § 38 Abs. 2 WpHG aF macht sich schließlich u.a., wer eine in § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF bezeichnete Handlung begeht und dadurch auf den Börsenpreis eines Finanzinstruments einwirkt.
8
b) Auch mit Blick auf die zahlreichen, in den genannten Vorschriften enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe, die auf den ersten Blick wenig übersichtliche Regelungstechnik und die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 WphG aF enthaltenen blankettartigen Verweise auf verschiedene Rechtsverordnungen ist die Regelung insgesamt - trotz der verschiedentlich im Schrifttum geäußerten Zweifel (vgl. Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 325; Park-Sorgenfrei, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Teil 3 Kap. 4 Rn. 61 ff.; Moosmayer, wistra 2002, 161, 167 ff.; Tripmaker , wistra 2002, 288, 292; Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1314 ff.; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 528) - verfassungsgemäß (vgl. zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG BGH, Beschluss vom 20. Juli 2011 - 3 StR 506/10, wistra 2011, 467, 468; zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373, 383 f.; vgl. auch Vogel in Assmann /Schneider, WpHG, 6. Aufl., Vor § 20a Rn. 26 ff.; Mock/Stoll/Eufinger in Kölner Kommentar zum WpHG, § 20a Rn. 82 ff.; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts -Kommentar, 4. Aufl., § 20a WpHG Rn. 5 f. mwN; Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1487; Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, 2012, S. 273; Schönwälder, Grund und Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung der Marktmanipulation, 2011, S. 115 ff.; Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, 2011, S. 217 ff.).
9
Sie genügt insbesondere - entsprechend anderen wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbeständen wie etwa der Subventionsbetrug (§ 264 StGB), der Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) oder der Kreditbetrug (§ 265b StGB), die in ähnlicher Form durch die Verwendung konkretisierungsbedürftiger Rechtsbegriffe geprägt sind - noch dem verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373, 383 f.; Vogel, aaO Vor § 20a Rn. 29), der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht übersteigert werden darf, damit die Gesetze nicht zu starr und kasuistisch und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 1992 - 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910). Die Verwendung präziserer, engerer Formulierungen würde hier die Gefahr begründen , dass die Regelung mit Blick auf die sich schnell ändernden manipulativen Praktiken an den Börsen und Märkten den ihr zugedachten hauptsächlichen Zweck, im Interesse des Gemeinwohls die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und organisierten Märkten zu gewährleisten und damit deren Funktionsfähigkeit gegen manipulierende Eingriffe zu sichern (BTDrucks. 14/8017, S. 98; MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 7) bereits nach kurzer Zeit nicht mehr erfüllen könnte (vgl. Schwark/Zimmer, aaO § 20a WpHG Rn. 5).
10
Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG liegt ebenfalls nicht vor (vgl. Eichelberger, ZBB 2004, 296, 299). Die Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung wirkt nicht strafbegründend. Sie ist nicht abschließend und enthält Begriffserläuterungen sowie Regelbeispiele, bei deren Vorliegen Tatbestandsmerkmale des § 20a WpHG erfüllt sein können, außerdem Verfahrensvorschriften zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis. Sie hat zum Ziel, den Marktteilnehmern entsprechende Leitlinien an die Hand zu geben, mit deren Hilfe deutlich wird, welche Handlungen marktkonform sind und damit keinen Verstoß gegen § 20a Abs. 1 WpHG darstellen (BT-Drucks. 14/8017 S. 90). Daher führt sie keine neuen Straftatbestände ein; sie spezifiziert lediglich in nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts letztlich unbedenklicher Weise (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 1987 - 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 342; vom 29. Mai 1991 - 2 BvR 117/90, NJW 1992, 107; vom 7. Oktober 2008 - 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239 f. mwN) die gesetzlichen Regelungen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 StR 420/03, NJW 2005, 445, 450 zur Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation KuMaKV; vgl. auch Schwark/Zimmer, aaO § 20a WpHG Rn. 6).
11
2. Die Voraussetzungen der § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF sind durch die Feststellungen belegt. Insoweit bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte der Erörterung:
12
a) Die von dem Angeklagten erteilten Verkaufs- bzw. Kaufaufträge und die auf dieser Grundlage abgeschlossen Geschäfte waren geeignet, irreführende Signale für den Börsenpreis eines Finanzinstruments zu geben, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF.
13
aa) Der Begriff der irreführenden Signale in diesem Sinne entspricht demjenigen der irreführenden Angaben nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF. In diesem Sinne ist ein irreführendes Signal gegeben, wenn es geeignet ist, einen verständigen, d.h. börsenkundigen und mit dem Markt des betroffenen Finanzinstruments vertrauten, Anleger zu täuschen (vgl. etwa Vogel in Assmann /Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 20a Rn. 150; MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 172). Zu den Marktverhältnissen gehören alle Umstände, die auf die Preisbildung einwirken, also insbesondere die Angebotslage, die Nachfrageseite , das Umsatzvolumen, die zeitliche Abfolge der getätigten Umsätze sowie allgemein die Marktliquidität (vgl. MüKoStGB/Pananis aaO).
14
bb) Diese Voraussetzungen sind in beiden Fällen erfüllt. Der Angeklagte und sein Geschäftspartner hatten jeweils einen bestimmten Preis und die Stückzahlen abgesprochen. Sodann setzten sie für die Aufträge zu dem Ver- kauf bzw. Kauf an der Börse ein der vorherigen Absprache entsprechendes Preislimit. Die auf diesen limitierten Orders beruhenden Geschäfte vermittelten jedoch den Eindruck, dass der Preis sich jeweils börsenmäßig aufgrund von Angebot und Nachfrage frei gebildet habe (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 4. Oktober 2011 - 2 Ss 65/11, NJW 2011, 3667). Damit konnte ein verständiger Marktteilnehmer über die zutreffenden wirtschaftlichen Verhältnisse in dem betreffenden Markt in die Irre geführt werden.
15
cc) Einen über die Eignung, falsche oder irreführende Signale zu geben, hinausgehenden Erfolg - etwa in Form eines Irrtums bei sonstigen Marktteilnehmern - verlangt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nicht (vgl. schon zutreffend OLG Stuttgart, aaO, NJW 2011, 3667, 3670).
16
b) Die vom Angeklagten vorgenommenen Handlungen in Form der sog. matched orders bzw. prearranged trades waren mit der zulässigen Marktpraxis auf dem betreffenden Markt nicht vereinbar (vgl. hierzu § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV; BR-Drucks. 639/03 S. 12; MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 189; Vogel, aaO § 20a Rn. 166), so dass der Ausnahmetatbestand des § 20a Abs. 2 Satz 1 WpHG nicht eingreift. Die Voraussetzungen des § 20a Abs. 3 WpHG liegen ebenfalls nicht vor.
17
3. Der Straftatbestand des § 38 Abs. 2 WpHG aF erfordert, dass - zusätzlich zu den Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF - der Angeklagte auf den Börsenpreis der R. -Aktie tatsächlich einwirkte. Auch dies kann den Feststellungen in beiden Fällen im Ergebnis entnommen werden.
18
a) Der Begriff des Börsenpreises bestimmt sich nach der auch in diesem Zusammenhang geltenden Definition des § 24 BörsG (allg. Auff., vgl. etwa Park-Sorgenfrei, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Teil 3 Kap. 4 Rn. 110; Vogel, aaO § 20a Rn. 114; Diversy in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , § 38 WpHG Rn. 124; Schröder, HdB Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., Rn. 381). Dafür spricht bereits, dass die Strafbarkeit von marktmanipulativen Verhaltensweisen früher im Börsengesetz selbst geregelt war (vgl. § 88 BörsG aF) und nichts dafür ersichtlich ist, dass derselbe Begriff innerhalb eines Gesetzes unterschiedlich zu interpretieren war. Den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass durch die Normierung der Strafbarkeit im Wertpapierhandelsgesetz insoweit eine sachliche Änderung beabsichtigt war (vgl. BT-Drucks. 14/8017 S. 64, 89). Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 BörsG sind alle Preise, die während der Börsenzeit an einer Börse im Präsenzhandel oder im elektronischen Handel, oder Preise, die an einer Warenbörse ermittelt werden, Börsenpreise (vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 24 BörsG Rn. 5). Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 BörsG gilt dies auch für einen Preis, der im Freiverkehr an einer Wertpapierbörse festgestellt wird. Auf den Börsenpreis eines Finanzinstruments wird eingewirkt, wenn dieser künstlich, d.h. gegen die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse am Markt, erhöht, abgesenkt oder auch nur stabilisiert wird (vgl. OLG Stuttgart, aaO NJW 2011, 3667, 3669; Vogel, aaO § 38 Rn. 51, § 20a Rn. 115; Fuchs/Waßmer, WpHG, 2009, § 38 Rn. 40; Koppmann, ZWH 2012, 27). Maßgeblich ist also, dass die manipulative Handlung des Täters kausal für den fraglichen Preis eines Finanzinstruments ist.
19
aa) Im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat das Landgericht darauf abgestellt, dass vor dem Verkauf der Aktien durch den Angeklagten an seinen Partner ein Geldkurs in Höhe von 4,12 € exisiterte, zu dem kein Umsatz stattfand, sondern nur eine Nachfrage bestand (UA S. 5). An anderer Stelle hat es diesen Kurs als Taxkurs bezeichnet (UA S. 17). Dies genügt für die Annahme eines Börsenkurses in dem hier maßgebenden Sinne nicht. Dabei kann dahinstehen, welche Bezeichnung letztlich zutreffen soll; denn sowohl Geld- als auch Taxkurse sind, wie die Strafkammer selbst zutreffend erkannt hat, keine Börsenkurse im Sinne des § 24 Abs. 1 BörsG (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 - XI ZR 68/89, WM 1990, 1408 mwN zu § 29 BörsG aF Oetker; Bergmann, HGB, 3. Aufl., § 400 Rn. 6 mwN; Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 24 BörsG Rn. 8).
20
Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, es müsse auf solche Geld- oder Taxkurse zurückgegriffen werden, auch wenn diese keine Börsenkurse im Sinne des § 24 BörsG seien, damit der notwendige strafrechtliche Schutz gewährleistet werden könne, ist nicht zu verkennen, dass insbesondere enge Märkte wie der vorliegende, auf denen Wertpapiere mit nur wenigen Umsätzen gehandelt werden, besonders manipulationsanfällig sind. Allein das Ziel, vermeintliche oder tatsächlich bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen, kann jedoch nicht dazu führen, Tatbestandsmerkmale zu überdehnen. Wie weit und unter welchen Voraussetzungen der strafrechtliche Schutz in diesem Bereich gewährleistet werden soll, ist in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers übertragen. Dieser hat sich bei der Neuregelung der Bußgeld- und Strafvorschriften durch das am 1. Juli 2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz dafür entschieden, die Strafbarkeit marktmanipulativen Verhaltens an die Einwirkung auf einen Börsen- oder Marktpreis zu knüpfen (hinsichtlich der Praxistauglichkeit kritisch etwa bereits Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1487). Dies ist bei der Rechtsanwendung hinzunehmen.
21
Nicht allein ausreichend ist es auch, dass der Angeklagte durch das Geschäft mit seinem Partner einen (neuen) Börsenpreis bewirkte. Nach der soweit ersichtlich in Rechtsprechung und Literatur einhellig verwendeten Umschrei- bung des Einwirkens im Sinne des § 38 Abs. 2 WpHG aF, von der in der vorliegenden Fallkonstellation abzuweichen kein Anlass besteht, ist es erforderlich, dass bereits ein Börsenpreis existiert, der sodann durch die Manipulation des Täters beeinflusst wird. Der Tatbestand setzt somit, anders als etwa der Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB, einen bereits bestehenden Börsenpreis voraus; das (erstmalige) Bewirken eines Börsenpreises wird von ihm nicht umfasst (vgl. OLG Stuttgart, aaO NJW 2011, 3667, 3670; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2052; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 137).
22
Den Urteilsgründen ist in ihrem Zusammenhang jedoch genügend sicher zu entnehmen, dass bereits vor dem manipulativen Geschäft zwischen dem Angeklagten und seinem Partner ein Börsenpreis im Sinne des § 24 Abs. 1 BörsG für die R. -Aktie bestand. Nach den vom Landgericht wiedergegebenen Ausführungen der Sachverständigen N. wurde die Aktie zwar zwischen dem 31. Mai 2007 und dem 11. August 2008 nicht gehandelt.Danach - und damit vor der Tat am 3. April 2009 - fanden jedoch Umsätze statt. Aufgrund der weiteren Darlegungen der Quellen, aus denen die Sachverständige ihre diesbezüglichen Erkenntnisse gewonnen hat, ist davon auszugehen, dass diese Umsätze zur Festsetzung von Börsenpreisen führten. Auch im Rahmen ihrer Erwägungen zum Verfall hat die Strafkammer ausgeführt, dass die R. -Aktie Anfang des Jahres 2009 gehandelt wurde.
23
bb) Im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei als Bezugspunkt einen an der Börse festgesetzten Kurs angenommen, der auf einem kurz vor der abgeurteilten Tat zwischen dem Angeklagten und seinem Geschäftspartner getätigten Geschäft beruhte. Darauf, ob es sich hierbei ebenfalls um ein zuvor abgesprochenes Geschäft handelte, das den inhaltlichen Anforderungen an das ordnungsmäßige Zustandekommen eines Börsenpreises nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG nicht genügte (vgl. Beck in Schwark/Zimmer, aaO § 24 BörsG Rn. 25), kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der Begriff des Börsenpreises wird zunächst in § 24 Abs. 1 BörsG definiert. Danach sind - jedenfalls bis zu einer aufsichtsrechtlichen oder sonstigen Beanstandung - auch vollständig oder teilweise manipulierte Börsenpreise erfasst; denn insbesondere der Preisfindung in elektronischen Handelssystemen fehlt heute jedes gestaltende oder gar regelnde Moment; sie ist nur noch Protokollierung eines realen Transaktionspreises (vgl. Theissen, WM 2003, 1497, 1503). Deshalb gebieten es Sinn und Zweck der § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, die Preisbildung an bzw. auf und die Funktionsfähigkeit von Börsen und überwachten Märkten zu schützen (vgl. im Einzelnen Vogel, aaO § 20a Rn. 26 ff.; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky, § 20a WpHG Rn. 2 [Stand: April 2012]), in dem hier relevanten Zusammenhang auf diesen Börsenpreis im formellen Sinne, nicht aber darauf abzustellen, ob die inhaltlichen Anforderungen gemäß § 24 Abs. 2 BörsG erfüllt sind. Diese sind vor allem auch deshalb von Belang, weil dem Börsenpreis in zahlreichen anderen Zusammenhängen , etwa bei der Pfandverwertung, beim Fixhandelskauf sowie im Bilanzoder Steuerrecht eine erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. Beck in Schwark/Zimmer, aaO § 24 BörsG Rn. 5 f.). Zudem könnten andernfalls besonders hartnäckig manipulierende Täter, die unter Umständen mehrere abgesprochene Geschäfte hintereinander tätigen, allenfalls für die erste Transaktion strafrechtlich belangt werden.
24
cc) Der Angeklagte wirkte jeweils auf den Börsenpreis der R. -Aktie bereits dadurch ein, dass der von ihm und seinem Partner abgesprochene Preis an der Börse festgesetzt wurde. § 38 Abs. 2 WpHG aF ist zwar als Erfolgsdelikt ausgestaltet (Vogel, aaO § 38 Rn. 49; Fuchs/Waßmer, WpHG, 2009, § 38 Rn. 40, 47; Kutzner, WM 2005, 1401, 1406). Der notwendige Einwirkungserfolg im Sinne der Vorschrift setzt jedoch nicht voraus, dass nach den konkreten Geschäften zwischen dem Angeklagten und seinem Partner durch Dritte weitere Geschäfte getätigt wurden, bei denen die Preise kausal gerade auf dem durch die manipulativen Geschäfte hervorgerufenen Kursniveau beruhen. § 38 Abs. 2 WpHG aF bestimmt nicht, welchen aus der Vielzahl von Börsen - und Marktpreisen, die für ein Finanzinstrument erzielt werden, der Täter herbeiführen muss; vielmehr genügt die Einwirkung auf irgendeinen Börsenoder Marktpreis, demnach auch auf irgendeinen festgestellten Preis im laufenden Handel, der nicht notwendigerweise der Schlusskurs sein muss. Die Beeinflussung des weiteren Kursverlaufs nach einer bereits eingetretenen Beeinflussung ist ebenfalls nicht erforderlich (vgl. auch EuGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - C-445/09 IMC-Securities BV gegen Stichting Autoriteit Financiele Markten - BKR 2011, 422; Heusel/Schmidberger, BKR 2011, 425, 427; OLG Stuttgart, aaO, NJW 2011, 3667, 3669; Woodtli, NZWiSt 2012, 51, 54 f.; aA Kudlich, wistra 2011, 361, 363 f.; Nietsch XI § 38, WpHG 112 WuB).
25
b) Der Angeklagte handelte vorsätzlich; dies genügt für die subjektive Tatseite. Insbesondere setzt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nicht voraus, dass der Angeklagte mit einer Manipulationsabsicht oder aus anderen Motiven handelte. Der im Schrifttum teilweise vertretenen Ansicht, insbesondere bei effektiven Geschäften könne die Frage, ob von Handelsaktivitäten falsche oder irreführende Signale ausgehen, nicht ohne Blick auf die innere Willensrichtung der Beteiligten beantwortet und nur bei Bestehen einer Manipulationsabsicht bejaht werden (vgl. MüKoStGB/Pananis, 2010, § 38 WpHG Rn. 172 f.; Erbs/Kohlhaas/Wehowsky, WpHG § 20a Rn. 25 [Stand: April 2012]; Eichelberger , Das Verbot der Marktmanipulation, 2006, S. 292; Schröder, HdB Kapitalmarktstrafrecht , 2. Aufl., Rn. 599), ist nicht zu folgen (vgl. Vogel, aaO § 20a Rn. 152; Fuchs/Fleischer, WpHG, 2009, § 20a Rn. 74). Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es - im Gegensatz zu der bis zum 29. Oktober 2004 geltenden Fassung - auf eine derartige Manipulationsabsicht nicht (mehr) an. Vielmehr hat der Gesetzgeber auf dieses Absichtsmerkmal mit dem Anlegerschutzverbes- sungsgesetz bewusst in Abkehr von der früheren Fassung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG verzichtet (vgl. BT-Drucks. 15/3174 S. 37). Dies entspricht auch der Intention der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (ABl. EU 2003 Nr. L 96 S. 16), die durch das Anlegerschutzverbessungsgesetz umgesetzt wurde (vgl. BT-Drucks. 15/3174 S. 26). Nach der Begründung der Kommission stellt die Definition der "Marktmanipulation" auf das Verhalten der betreffenden Person und nicht auf ihren Vorsatz oder ihr Ziel ab (KOM[2001] 281 endgültig S. 6).
26
4. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
27
a) Ihr stehen nach den Feststellungen keine Ansprüche von Geschädigten entgegen (§ 73 Abs. 1 Satz 2, § 73a Satz 1 StGB). Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt (UA S. 19), haben Anleger aufgrund der Kursmanipulation keinen Schaden erlitten. Daher kann dahinstehen, ob überhaupt ein Anspruch von Anlegern auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen etwa nach § 826 BGB gegeben sein und eine Verfallsanordnung hindern könnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90, 101 f.; Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 254/09, NStZ 2010, 326; Woodtli, NZWiSt 2012, 51, 55).
28
b) Die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe des gesamten Betrages , den der Angeklagte durch den Verkauf der ersten 14.000 Aktien im Rahmen der ersten Tat erzielte, begegnet keinen Bedenken. Der Angeklagte hat aus der Tat diesen Verkaufserlös im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt.
29
Aus der Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte , die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, BGHR StGB § 73 Erlangtes 12). Nach Sinn und Zweck des Verfalls werden solche Vorteile erfasst, die der Teilnehmer oder Dritte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil sie von der Rechtsordnung als Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bewertet werden. Der dem Verfall unterliegende Vorteil bestimmt sich danach, was letztlich strafbewehrt ist (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 83 f.). Hat sich der Tatbeteiligte im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit - insbesondere dem Abschluss oder der Erfüllung eines Vertrages - strafbar gemacht, so ist demgemäß bei der Bestimmung dessen, was er aus der Tat erlangt hat, in den Blick zu nehmen, welchen geschäftlichen Vorgang die Vorschrift nach ihrem Zweck verhindern will; nur der aus diesem Vorgang gezogene Vorteil ist dem Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erwachsen. Soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt danach grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall (BGH, aaO, BGHSt 57, 79, 84 mwN).
30
Dies trifft für die hier gegebene Konstellation der Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF zu; denn danach ist das abgeschlossene Geschäft ausdrücklich verboten und der Kaufpreis als Erlös gerade unmittelbarer Zufluss aus dieser untersagten Transaktion. Die Situation bei verbotenerweise abgesprochenen Geschäften ist maßgebend dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragspartner kollusiv zusammenwirken. Derartige Geschäfte sind nicht genehmigungsfähig; die § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF wollen sie vielmehr zum Schutz vor Preismanipulationen von Wertpapierkursen gerade als solche verhindern. Strafrechtlich bemakelt ist demnach nicht nur die Art und Weise der Ausführung des Geschäfts sondern dieses selbst, weil es den manipulierten Börsenpreis und damit den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt.
31
Damit unterscheidet sich die hier vorliegende Fallkonstellation maßgeblich von solchen, bei denen nach der Rechtsprechung nicht die gesamte aus einem abgeschlossenen Geschäft erlangte Gegenleistung, sondern nur der durch das strafbewehrte Vorgehen erreichte Sondervorteil als erlangt zu bewerten ist. So gilt etwa bei verbotenen Insidergeschäften lediglich der realisierte Sondervorteil gegenüber anderen Marktteilnehmern als erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884). Dort ist der Veräußerungsakt als solcher legal; bemakelt ist das Geschäft deshalb, weil der Insider aus seinem Sonderwissen keinen Sondervorteil gegenüber den anderen Marktteilnehmern ziehen soll (zum Unterschied von Marktmanipulation und Insiderhandel vgl. im Einzelnen etwa Lienenkämper, Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG, 2012, S. 158). Auch in den Fällen korruptiv erlangter Auftragserteilungen ist im Gegensatz zur hiesigen Sachlage lediglich die Art und Weise bemakelt, wie der Auftrag erlangt wurde, nicht hingegen, dass er ausgeführt wurde. Dies rechtfertigt es, das Erlangte nach dem kalkulierten Gewinn und nicht nach dem vereinbarten Werklohn zu bemessen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 ff.). Bei nach dem Außenwirtschaftsgesetz verbotenen Ausfuhren kommt es schließlich darauf an, ob das dem Vorgang zugrunde liegende Geschäft genehmigungsfähig ist und genehmigt werden müsste (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 83 ff.). Ist dies der Fall, wird allein die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde sanktioniert ; erlangt sind dann nur die hierdurch ersparten Aufwendungen. Ist das Geschäft demgegenüber - gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der zuständigen Behörde - nicht genehmigungsfähig, so ist es als solches bemakelt; dann kann - wie in der vorliegenden Konstellation - die gesamte Gegenleistung abgeschöpft werden.
32
c) Ein Absehen vom Verfall nach der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB hat das Landgericht geprüft und ohne Rechtsfehler abgelehnt.
Becker Schäfer Hubert Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 343/11
vom
19. Januar 2012
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
StGB § 73 Abs. 1 Satz 1, AWG § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Hat der Täter in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
) genannte Güter ohne die erforderliche Genehmigung ausgeführt, hätte
diese indes erteilt werden müssen, so ist nicht der gesamte für die Güter eingenommene
Kaufpreis das im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat Erlangte;
vielmehr sind dies nur die durch das Unterbleiben des Genehmigungsverfahrens ersparten
Aufwendungen.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 343 /11 - LG Hamburg
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
Nebenbeteiligte: Fa. W. , vertreten durch
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. Dezember 2011 in der Sitzung am 19. Januar 2012, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter der Nebenbeteiligten,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8. Juni 2011 im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz gegen die Nebenbeteiligte bezüglich der Fälle III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Die weitergehenden Revisionen der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Nebenbeteiligten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die der Nebenbeteiligten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz in 47 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 1.000 € verurteilt. Gegen die Nebenbeteiligte hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 200.000 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Nebenbeteiligten, die das Urteil beanstandet, soweit die Verfallsanordnung auf den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe beruht. Die Verfallsentscheidung in Höhevon 8.040 € hinsichtlich des Falles III. 3. 37 der Urteilsgründe hat die Nebenbeteilig- te demgegenüber von ihrem Revisionsangriff ausgenommen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem die Verletzung materiellen Rechts beanstandenden , zum Nachteil der Nebenbeteiligten eingelegten Rechtsmittel dagegen, dass das Landgericht es unterlassen hat, gegen die Nebenbeteiligte einen Wertersatzverfall von mehr als 200.000 € anzuordnen.
2
Die Revisionen der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft - letztere soweit sie in den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe auch zu Gunsten der Nebenbeteiligten wirkt (§ 301 StPO) - haben Erfolg; das weitergehende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
3
Nach den Feststellungen war die Angeklagte im Tatzeitraum die alleinige , einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und faktische Alleingesellschafterin der Nebenbeteiligten. Gegenstand deren Unternehmens ist u.a. der Im- und Export sowie der Groß- und Einzelhandel mit Jagd- und Sportwaffen sowie Munition. Die Nebenbeteiligte wird regelmäßig als Zwischenhändlerin tätig und beliefert insbesondere Kunden im Ausland vor allem mit Jagd- und Sportwaffen sowie Jagdzubehör. Zwischen August 2007 und Mai 2008 führte die Nebenbeteiligte in 47 Fällen Jagd- und Sportselbstladeflinten in Drittländer aus; die Verkaufserlöse betrugen insgesamt 1.157.020,11 €. Die Magazine der Waffen waren zuvor von den Herstellern mit Reduzierungen versehen worden, welche die ursprünglich größere Kapazität auf zwei Schuss neben einer im Lauf befindlichen Patrone beschränken sollten. Diese Reduzierungen konnten jedoch innerhalb kurzer Zeit mit einfachen Mitteln rückgängig gemacht werden.
Die Angeklagte verließ sich auf die Herstellerangaben und überprüfte die Wirksamkeit der Magazinbeschränkungen nicht; sie kannte deshalb die Beschaffenheit der Waffen und die fehlende Nachhaltigkeit der Magazinbeschränkungen nicht. Sie hatte kein wirtschaftliches Interesse daran, Waffen ohne wirksame Beschränkung zu verkaufen. Sowohl im Einkauf als auch im Verkauf hatte sie die Lieferung von Waffen vereinbart, deren Kapazität entsprechend den deutschen Vorschriften auf "2+1" (eine Patrone im Lauf und zwei Patronen im Magazin) beschränkt war. Die Angeklagte holte in keinem Fall eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden : BAFA) ein. Hätte sie die Waffen dort zur Prüfung vorgelegt, hätte sie die Auskunft erhalten, dass die Ausfuhr genehmigungspflichtig sei. In den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe hätte das BAFA die Ausfuhrgenehmigung erteilen müssen. Lediglich im Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe wäre die Genehmigung wegen eines gegen das Empfängerland gerichteten Embargos verweigert worden.
4
Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten als fahrlässigen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz in 47 Fällen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 AWG) gewertet, da sie ohne die nach § 5 Abs. 1 AWV i.V.m. § 7 Abs. 1 AWG aF erforderliche Genehmigung in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur AWV), Position 0001 Unternummer 0001b2b, aufgeführte halbautomatische Flinten in Gebiete außerhalb des Gemeinschaftsgebietes ausgeführt und dabei gegen ihr obliegende Sorgfaltspflichten verstoßen habe.
5
Die Strafkammer hat gegen die Nebenbeteiligte den Verfall von Werter- satz in Höhe von insgesamt 200.000 € angeordnet (§ 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, §§ 73a, 73c Abs. 1 Satz 1 StGB). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Nebenbeteiligte habe aus den von der Angeklagten begangenen Taten als Dritt- begünstigte die gesamten Verkaufserlöse in Höhe von 1.157.020,11 € im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Nebenbeteiligten seien hiervon lediglich bereits gezahlte Steuern in Höhe von 41.320,98 € in Abzug zu bringen. Die vereinnahmten Beträge seien das direkte Äquivalent für in ihrer konkreten Form untersagt gewesene Leistungen und damit als Gegenleistung für verbotene Geschäfte bemakelt. Daran ändere es auch nichts, dass die Ausfuhren hätten genehmigt werden müssen; denn bei der Feststellung des durch die Taten Erlangten sei zur Gewährleistung der Effektivität des Verfalls und des mit ihm verfolgten Präventionszwecks eine formale Betrachtungsweise geboten. Dem Umstand, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung der Ausfuhren vorlagen, sei lediglich im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB Rechnung zu tragen. Danach sei der Verfallsbetrag auf 200.000 € zu mindern, weil eine darüber hinausge- hende Verfallsanordnung eine unbillige Härte für die Nebenbeteiligte darstelle. Der vorliegende Sachverhalt weise Besonderheiten auf, so dass das aus dem Zweck des Verfalls zu bestimmende Ausmaß an erforderlicher Prävention erheblich gemindert erscheine. Die Ausfuhren hätten zum ganz überwiegenden Teil genehmigt werden müssen; nur aus der Tat im Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe habe die Nebenbeteiligte im Endeffekt einen gesetzlich verbotenen wirtschaftlichen Vorteil gezogen. Die Nebenbeteiligte habe die erzielten Einnahmen auch ohne Durchführung eines Genehmigungsverfahrens vor dem BAFA legal erreichen können, da sie nach den getroffenen vertraglichen Abreden von den Herstellern habe verlangen können, Waffen mit nachhaltigen Magazinreduzierungen zu erhalten. Die Straftaten ließen sich im Kern nicht auf finanzielle Anreize durch die Ausfuhrgeschäfte zurückführen, sondern auf Nachlässigkeiten der Angeklagten, die der Nebenbeteiligten für sich genommen keine wirtschaftlichen Vorteile gebracht hätten. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass eine höhere Verfallsanordnung auch weitere unangemessene , vom Gesetz nicht gewollte Folgen hätte, die letztlich durch ein Missverhält- nis zwischen Anlass - fahrlässige Straftat - und Reaktion - umfassender Verfall der Bruttoeinnahmen - begründet seien.
6
I. Revision der Nebenbeteiligten
7
1. Die Beschränkung der Revision durch die Nebenbeteiligte auf die Verfallsanordnung , soweit diese auf den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe beruht, ist wirksam; denn sie kann in diesen Fällen, die sich von Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe vor allem dadurch unterscheiden, dass das BAFA auf entsprechende Anträge der Nebenbeteiligten die Ausfuhrgenehmigung jeweils hätte erteilen müssen, losgelöst von derjenigen im letztgenannten Fall rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden.
8
2. Das Rechtsmittel der Nebenbeteiligten ist begründet. Zwar ist die Anordnung des Verfalls entgegen der Auffassung der Nebenbeteiligten nicht nur bei Vorsatzdelikten, sondern auch bei fahrlässig begangenen Straftaten möglich. Jedoch hat das Landgericht den Umfang dessen rechtsfehlerhaft zu hoch bestimmt, was die Nebenbeteiligte aus den Taten der Angeklagten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangte; denn dies war hier ausschließlich der wirtschaftliche Wert der Aufwendungen, welche die Nebenbeteiligte jeweils dadurch ersparte, dass sie die erforderliche Genehmigung des BAFA nicht einholte. Im Einzelnen:
9
a) § 73 Abs. 1 StGB setzt für die Anordnung des Verfalls eine rechtswidrig begangene Tat voraus. Im Gegensatz zur Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB enthält die Norm keine Beschränkung auf vorsätzlich begangene Delikte. Die Anordnung des Verfalls kommt somit auch bei der Verwirklichung eines Fahrlässigkeitstatbestands in Betracht (vgl. LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 15; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 73 Rn. 4; zum Ordnungswidrigkeitenrecht vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. April 2000 - 3 ObOWi 16/2000, wistra 2000, 395, 396; OLG Celle, Beschluss vom 16. Mai 1997 - 2 Ss (OWi) 358/96, NStZ 1997, 554, 556).
10
b) Die Frage, nach welchen Kriterien die Bestimmung des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bei Straftaten vorzunehmen ist, die wie hier wesentlich dadurch geprägt werden, dass ein formeller Verstoß gegen einen Genehmigungsvorbehalt sanktioniert wird, die erforderliche Genehmigung indessen bei entsprechender Antragstellung hätte erteilt werden müssen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht entschieden (zur uneinheitlichen Rechtsprechung der Instanzgerichte vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 322 SsBs 175/11, DAR 2011, 642; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. September 2006 - 1 Ss 247/06, ZfSch 2007, 108). Hierzu gilt:
11
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat. Maßgeblich ist deshalb die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Vorteils, den der Täter für oder durch die Tat erzielt hat (BGH, Urteile vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268; vom 19. November 1993 - 2 StR 468/93, BGHR StGB § 73 Erlangtes 1). Das erlangte Etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB umfasst dabei die Gesamtheit des für oder aus der Tat materiell Erlangten. Nach dem gesetzlichen Bruttoprinzip sind wirtschaftliche Werte, die in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar erlangt wurden, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen; Gegenleistungen oder Kosten des Täters bei der Tatdurchführung sind nicht in Abzug zu bringen (BGH, Urteile vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370; vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 66 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 2 BvR 527/06, juris Rn. 4).
12
aa) Die Alternative "für die Tat erlangt" scheidet hier aus; denn "für die Tat erlangt" sind Vorteile nur dann, wenn sie dem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber - wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung oder eine Provision - nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f.; vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4). Eine derartige Gegenleistung erhielt die Nebenbeteiligte vorliegend nicht. Die Abnehmer der Waffen leisteten ihr weder gesonderte Zahlungen noch erhöhte Kaufpreise dafür, dass sie - etwa zur Geheimhaltung der Geschäfte - keine Genehmigungen für die einzelnen Ausfuhren einholte.
13
bb) In Betracht kommt deshalb lediglich die Alternative "aus der Tat erlangt". Unter diese Tatbestandsvariante fallen alle Vermögenswerte, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands zufließen.
14
(1) Bereits der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB belegt indes, dass nicht alles, was der Tatbeteiligte oder Dritte (§ 73 Abs. 3 StGB) in irgendeinem beliebigen Zusammenhang mit der Verwirklichung der rechtswidrigen Tat erlangt hat, dem Verfall unterliegt, sondern nur derjenige Vermögenszuwachs, den er gerade - gleichsam spiegelbildlich - aus der Tat erzielt hat (vgl. Kudlich /Noltensmeier, wistra 2007, 121, 124). Es werden daher nur solche Vorteile erfasst, die der Tatteilnehmer oder Dritte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil sie von der Rechtsordnung - einschließlich der verletzten Strafvorschrift - als Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bewertet werden (SK-StGB/Wolters/Horn, StGB, 110. Lfg., § 73 Rn. 9 [Stand: September 2007]).
15
(2) Gleiches folgt aus Sinn und Zweck des Verfalls. Dieser verfolgt selbst keinen Strafzweck, sondern dient als öffentlich-rechtliche Maßnahme eigener Art der Abschöpfung des unrechtmäßig aus der Tat Erlangten und damit dem Ausgleich einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung. Er stellt sich als Abschöpfung des illegitimen Vermögensvorteils dar, der als Entgelt für die Tat oder als Erlös aus ihr in das Vermögen eines an der Straftat Beteiligten oder durch dessen Handeln unmittelbar in das Vermögen eines tatunbeteiligten Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) gelangt ist. Dadurch soll dem Tatbeteiligten, aber auch der Allgemeinheit, vor Augen geführt werden, dass sich Verletzungen der Strafrechtsordnung über die eigentliche Ahndung der Tat durch eine entsprechende Sanktion hinaus auch finanziell nicht auszahlen. Auf diese Weise bezweckt der Verfall auf vermögensrechtlichem Gebiet auch die Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung. Dieser Normzweck gilt ebenfalls für die Anordnung des Verfalls gegen einen Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, NJW 2011, 624, 626; vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f.; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 8).
16
(3) Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist deshalb danach zu bestimmen , was letztlich strafbewehrt ist. Hat sich der Tatbeteiligte im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit - insbesondere dem Abschluss oder der Erfüllung eines Vertrages - strafbar gemacht, so ist demgemäß bei der Bestimmung dessen, was er aus der Tat erlangt hat, in den Blick zu nehmen, welchen geschäftlichen Vorgang die Vorschrift nach ihrem Zweck verhindern will; nur der aus diesem Vorgang gezogene Vorteil ist dem Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erwachsen. Soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt danach grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, so ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884 mwN).
17
Diese Grundsätze gelten auch in den Fällen, in denen das geschäftliche Tätigwerden des Tatbeteiligten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, den dieser in strafbarer Weise umgeht. Erreicht er hierdurch, dass er ein - gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der Genehmigungsbehörde - nicht genehmigungsfähiges Geschäft abschließen und/oder erfüllen sowie daraus entsprechende Vermögenszuwächse erzielen kann, so sind diese in vollem Umfang erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB und unterliegen daher grundsätzlich uneingeschränkt dem Verfall. Hatte er dagegen einen Anspruch auf die Genehmigung, so bemakelt die Rechtsordnung nicht den Abschluss oder die Erfüllung des Vertrages; vielmehr soll durch die Strafbewehrung allein die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde sanktioniert werden. Erlangt ist somit nur der durch die Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens erwachsene (Sonder-)Vorteil.
18
(4) Dem steht das im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB geltende Bruttoprinzip nicht entgegen. Dieses besagt lediglich, dass der erlangte wirtschaftliche Wert "brutto", also ohne gewinnmindernde Abzüge anzusetzen ist. Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht um die Anrechnung gewinnmindernder Abzüge, sondern um die Bestimmung des unmittelbar aus der Tat Erlangten unter Beachtung insbesondere von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Die dem Verfall unterliegenden Aufwendungen, welche die Nebenbeteiligte dadurch ersparte, dass sie die erforderlichen Genehmigungen nicht einholte, entsprechen nicht dem Bruttoerlös aus den getätigten Veräußerungsgeschäften abzüglich dabei entstandener Kosten; sie sind vielmehr qualitativ etwas anderes. Insoweit ist das Bruttoprinzip nicht beeinträch- tigt; denn die Bestimmung des für die Abschöpfung überhaupt in Betracht kommenden Vorteils ist der Bestimmung seines Umfangs logisch vorgelagert (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884; Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 269).
19
(5) Nach diesen Maßstäben ist in den Fällen, in denen wie hier die Verfallsanordnung auf einer Straftat nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG beruht und die erforderliche Genehmigung durch das BAFA hätte erteilt werden müssen , auch unter Beachtung des Schutzzwecks der Strafvorschrift als dem Unwertgehalt der Tat entsprechender Sondervorteil lediglich die Ersparnis derjenigen Aufwendungen anzusehen, die für die Erteilung der Genehmigung hätten erbracht werden müssen. § 34 Abs. 1 Satz 1 AWG stellt das Ausführen (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 AWG) oder Verbringen (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 AWG) bestimmter Güter ohne Genehmigung unter Strafe. Die Vorschrift hat vor allem den Schutz des Allgemeinwohls im Blick, indem sie mit ihrer Strafdrohung den Genehmigungsvorbehalt im Außenwirtschaftsverkehr sicherstellt, mit dessen Hilfe der Staat den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AWG grundsätzlich freien Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland aus übergeordneten Interessen des Gemeinwohls beschränken kann (Erbs/Kohlhaas/Diemer, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 Rn. 1, § 34 Rn. 4 [Stand: Januar 2009]). Der grundsätzlich freie Export ist nur insoweit genehmigungspflichtig , als er wegen überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, ihrer auswärtigen Beziehungen und des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder im Hinblick auf zwischenstaatliche Vereinbarungen der Kontrolle bedarf (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 5 StR 210/94, BGHSt 40, 378, 384). Danach handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG, wenn die erforderliche Genehmigung vom BAFA zu erteilen gewesen wäre, nicht um eine primär gewinnorientierte Straftat, wie sie der Gesetzgeber im Rahmen der Regelung des § 73 StGB vor allem erfassen wollte (BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f., 375). Auch unter präventiven Gesichtspunkten ist die Abschöpfung des Verkaufserlöses folglich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG nicht angezeigt, wenn die Ausfuhr hätte genehmigt werden müssen; denn der Kern des strafbewehrten Tatunrechts liegt bei diesem rein formalen Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt lediglich darin, dass die Angeklagte vor der Ausfuhr der Waren nicht die erforderliche Genehmigung eingeholt hat. Der Umstand, dass diese Genehmigung vom BAFA jeweils auf Antrag hätte erteilt werden müssen, belegt, dass der Abschluss der Veräußerungsgeschäfte sowie deren Erfüllung und die damit verbundene Ausfuhr aus dem Gemeinschaftsgebiet als solche den Prinzipien der Rechtsordnung gerade nicht widersprachen. Somit entfällt die Notwendigkeit , durch die Anordnung des Verfalls des gesamten Verkaufserlöses der verletzten Rechtsordnung wieder Geltung zu verschaffen. In diesem Punkt unterscheiden sich die Fälle der vorliegenden Art wesentlich von solchen, in denen gerade das Veräußerungsgeschäft als solches oder dessen Erfüllung den wesentlichen Gehalt des Tatunrechts bilden. Die Abschöpfung des gesamten Verkaufserlöses entspräche hier nicht spiegelbildlich dem bemakelten Vermögensvorteil , den der Täter oder Drittbeteiligte gerade aus der Tat gezogen hat.
20
(6) Somit ist entgegen der Auffassung des Landgerichts der Umstand, dass die Ausfuhren jeweils vom BAFA hätten genehmigt werden müssen, nicht erst bei der Prüfung von Belang, ob die Verfallsanordnung für den Betroffenen eine unbillige Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB darstellt (aA MünchKommStGB /Joecks, § 73c Rn. 12; Franzheim, wistra 1989, 87, 90). Damit wird schließlich auch dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung besser Genüge getan. Während der im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB in Fällen der vorliegenden Art abzuschöpfende Sondervorteil regelmäßig berechenbar ist und das Erlangte daher beziffert werden kann, ist für den unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung maßgebend, ob die Anordnung den Betroffenen empfindlich treffen und Grundsätze der Billigkeit sowie das Übermaßverbot verletzen und damit "schlechthin ungerecht" erscheinen würde (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, BGHR StGB § 73c Härte 13). Diese Umschreibung eröffnet dem Tatgericht einen weiten Beurteilungsspielraum. Es obliegt im Wesentlichen seiner Bewertung, ob eine unbillige Härte vorliegt. Die Gewichtung der hierfür maßgeblichen Umstände ist der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 - 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14). Hieraus folgt, dass ähnlich gelagerte Sachverhalte eine ganz unterschiedliche Behandlung erfahren können. Dies belegt auch der vorliegende Fall, in dem das Landgericht den Verfallsbetrag von 1.115.699,13 € (Gesamterlös 1.157.020,11 € abzüglich angerechneter Steuern in Höhe von 41.320,98 €) auf 200.000 € herabgesetzt hat, ohne dass den Ur- teilsgründen entnommen werden kann, warum gerade dieser Betrag angemessen sein soll.
21
II. Revision der Staatsanwaltschaft
22
1. Die ausweislich ihrer Begründung wirksam auf die Höhe der Verfallsanordnung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 2001 - 3 StR 541/00, NStZ 2001, 531; vom 25. September 1990 - 1 StR 400/90, BGHR StGB § 73a Wert 1) bleibt ohne Erfolg, soweit sie einen höheren Verfallsbetrag erstrebt. Wie dargelegt ist die Entscheidung des Landgerichts zu § 73 StGB zum Nachteil der Nebenbeteiligten rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden, welche die Anordnung des Verfalls in Höhe von mehr als 200.000 € begründen.
23
2. Das Rechtsmittel führt jedoch aus den zu der Revision der Nebenbeteiligten dargestellten Gründen zur Aufhebung der Verfallsanordnung in den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe (§ 301 StPO).
24
3. Die insoweit nicht beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft erfasst zu Gunsten der Nebenbeteiligten auch den Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe. Bezüglich der auf dieser Tat beruhenden Verfallsanordnung hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang insbesondere rechtsfehlerfrei im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den erzielten Verkaufserlös als von der Nebenbeteiligten erlangtes Etwas bewertet. Anders als in den übrigen Fällen war die Ausfuhr der Waffen hier nicht genehmigungsfähig, da sie gegen ein Embargo verstieß. Embargoverstöße sind - ähnlich wie etwa Rauschgiftgeschäfte - an sich verboten, so dass der gesamte hieraus erlöste Wert dem Verfall unterliegt. In diesen Fällen kommt mit Blick darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland auch aufgrund internationaler Verpflichtungen gehalten ist, derartigen Handlungen mit effektiven Maßnahmen entgegenzuwirken, der Anordnung des Verfalls des aus solchen Geschäften Erlangten nach dem Bruttoprinzip auch beim Drittbegünstigten große Bedeutung zu. Auf diese Weise kann vor dem Hintergrund der präventiven Zielrichtung des Verfalls das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sich derartige Geschäfte nicht lohnen, Aufwendungen hierfür nutzlos sind und es deshalb auch wirtschaftlicher ist, wirksame Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten einzurichten (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2004 - 1 StR 269/03, NStZ-RR 2004, 214, 215; Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 372).
25
III. Umfang der Aufhebung
26
Die Entscheidung des Landgerichts ist rechtskräftig, soweit sie die Verfallsanordnung im Fall III. 3. 37 in Höhe von 8.040 € betrifft.
27
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den aufgezeigten Wertungsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, etwa zur Höhe der von der Nebenbeteiligten ersparten Aufwendungen, sind möglich. Das neue Tatgericht wird dabei die Kosten und gegebenenfalls Gebühren in den Blick zu nehmen haben, die der Nebenbeteiligten durch das Verfahren beim BAFA entstanden wären. Daneben sind etwa auch die Kosten für diejenigen Maßnahmen einzubeziehen, die von der Nebenbeteiligten zu treffen gewesen wären, um eine angemessene Prüfung der veräußerten Ware auf ihre Genehmigungsbedürftigkeit und -fähigkeit zu gewährleisten. Sollten insoweit konkrete Feststellungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu treffen sein, kommt eine Schätzung nach Maßgabe des § 73b StGB und der hierzu entwickelten Grundsätze in Betracht. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt.

(2) Eine mit Geldbuße bedrohte Handlung ist eine rechtswidrige Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes im Sinne des Absatzes 1 verwirklicht, auch wenn sie nicht vorwerfbar begangen ist.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern.

(2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen.

(3) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts gelten, wenn

1.
das Gut zu Lande, auf Binnengewässern oder mit Luftfahrzeugen befördert werden soll und
2.
die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört.
Erfordert das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht und ist die Firma des Unternehmens auch nicht nach § 2 in das Handelsregister eingetragen, so sind in Ansehung des Frachtgeschäfts auch insoweit die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buches ergänzend anzuwenden; dies gilt jedoch nicht für die §§ 348 bis 350.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________
Der Verfall ist, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, keine Strafe, sondern
eine Maßnahme eigener Art. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn
hinaus Erlangten verfolgt primär einen Präventionszweck. Dies gilt auch für
die Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3
BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02 - LG Mannheim

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 115/02
vom
21. August 2002
gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
13. August 2002 in der Sitzung vom 21. August 2002, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Verfallsbeteiligten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26. Oktober 2001 wird verworfen. Sie trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß gegen die Verfallsbeteiligte der Verfall eines Geldbetrages von 4.466.203,89 Euro (8.735.135,56 DM) angeordnet wird. Die Verfallsbeteiligte trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft. Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat zwei Angestellte der Papierfabrik S. GmbH wegen mehrfacher Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (§ 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69 Buchst. h Abs. 1 Nr. 2 AWV) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Gegen die Verfallsbeteiligte, die nach dem Tatzeitraum in eine Kommanditgesellschaft umgewandelte Papierfabrik S. GmbH & Co. KG, hat es nach § 73 Abs. 3 StGB den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.916.855,06 DM angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Verfallsbeteiligten hat keinen Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft , die mit der Sachrüge die Anordnung eines höheren Verfallsbetrages erstrebt , ist hingegen begründet.

I.

Gegenstand der Verurteilung und der Verfallsanordnung sind Embargoverstöße in der Zeit von Juli 1992 bis November 1995. Die Papierfabrik S. GmbH (im folgenden S. GmbH), die technische Spezialpapiere herstellte, hatte Tabakpapier an eine Firma in Serbien geliefert. Der Angeklagte I. war Leiter des Betriebsbereichs „Tabakpapiere“; der Mitangeklagte R. war Gesamtverkaufsleiter und Vorgesetzter des Angeklagten I. . 1. Am 30. Mai 1992 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen umfassende Sanktionen gegen Serbien und Montenegro verhängt, die durch Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung mit Wirkung vom 13. Juni 1992 in deutsches Recht umgesetzt wurden und bis zum 22. November 1995 aufrechterhalten blieben. Schon vor dem Embargo hatte die S. GmbH Tabakpapier an die serbische Firma geliefert. Diese Geschäftsbeziehung war im Gegensatz zu anderen Absatzmärkten relativ profitabel (die Preise lagen 30 bis 40 % über den sonstigen Durchschnittspreisen) und für das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis der Abteilung „Tabakpapiere“ von großer Bedeutung. Die Angeklagten befürchteten infolge des Embargos einen erheblichen Umsatzverlust, eine unzureichende Auslastung der Maschinen und Kurzarbeit. Sie entschlossen sich deshalb, das Embargo durch Einschaltung anderer Firmen zu umgehen. Die darüber unterrichteten Geschäftsführer der S. GmbH billigten diese Umgehungsgeschäfte ausdrücklich. Bis zum Ende des Embargos wurde dem Konto der S. GmbH ein Verkaufserlös von 7.916.855,06 DM (4.047.823,72 dieses Betrages wurde der Verfall von Wertersatz angeordnet. Nach Aufhe-
bung des Embargos ging auf dem Konto ein weiterer Betrag von ! #" $% &" (') "+* , .- /+ 10 )-&2 818.280,50 DM (418.380,18 en erklärt. 2. Die Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte als Drittbegünstigte nach § 73 Abs. 3 StGB hat das Landgericht damit begründet, daß ihr das Handeln der Angeklagten zuzurechnen sei, da diese im Interesse des Unternehmens und mit Billigung der Geschäftsführer gehandelt hätten. Die spätere Veräußerung der S. GmbH an ein anderes Unternehmen und die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft habe an ihrer Stellung als Verfallsadressatin nichts geändert. Das nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte bestehe in dem gesamten während der Embargozeit vereinnahmten Verkaufserlös. Die Höhe des Verfallsbetrages bemesse sich nach dem Bruttoprinzip, so daß keine Kosten in Abzug zu bringen seien. Die Voraussetzungen der Härteregelung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht verneint. Die Geschäftsführer der S. GmbH hätten die Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also bewußt Kapital in strafbare Handlungen investiert. Zudem sei das Unternehmen durch die Verfallsanordnung keinesfalls in seiner Existenz gefährdet. Auch eine Entreicherung im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB liege nicht vor. 3. Die Verfallsbeteiligte macht mit ihrer Revision geltend, sie könne infolge des nach der Tatzeit erfolgten Unternehmensverkaufs und wegen der Unternehmensumwandlung nicht Verfallsadressatin sein. Ferner habe das Landgericht bei der Höhe des Verfalls zu Unrecht das Bruttoprinzip angewendet. Jedenfalls aber hätte wegen des Schuldprinzips nur der Nettoerlös abgeschöpft werden dürfen.
4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer Revision eine höhere Verfallsanordnung. Auch hinsichtlich der nach Ende des Embargos vereinnahmten Verkaufserlöse in Höhe von 818.280,50 DM – die aus Lieferungen während der Embargozeit herrührten – hätte der Verfall angeordnet werden müssen.

II.

Die Revision der Verfallsbeteiligten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Höhe des verfallenen Wertersatzes nach § 73a Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zu Recht nach dem Bruttoprinzip ermittelt und rechtsfehlerfrei eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. 1. Der Verfall (des Wertersatzes) ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend nach Maßgabe des Bruttoprinzips anzuordnen, soweit nicht die gleichfalls zwingende Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB entgegensteht.
a) Die Höhe des Verfalls (und des Verfalls des Wertersatzes) richtet sich nach dem Bruttoprinzip. Bruttoprinzip bedeutet, daß nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Entscheidend ist, was dem Betroffenen gerade durch die Straftat zugeflossen ist oder was er durch diese erspart hat. Bei der Berechnung des – wie hier – durch einen Kauf Erlangten ist vom gesamten Verkaufserlös ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen auszugehen (BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 389; BGH, Beschluß vom 3. Dezember 2000 – 1 StR 547/00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – 1 StR 12/01).
b) Dieser Umfang des Verfalls entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der durch Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I S. 372) § 73 StGB mit Wirkung vom 7. März 1992 geändert hat. Während der Verfall nach
der alten Fassung des § 73 StGB nur den „Vermögensvorteil“ (Nettoprinzip) erfaßte, ist nunmehr der Verfall des „Erlangten“ (Bruttoprinzip) anzuordnen. Die Gesetzesänderung geht zurück auf einen Vorschlag des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989 (BTDrucks. 11/6623 S. 11), der in seiner Stellungnahme die Umstellung des Nettoprinzips auf das Bruttoprinzip vorgeschlagen hatte. Die Bundesregierung hatte den Vorschlag in ihrer Gegenäußerung aufgegriffen (S. 13); das Gesetz kam jedoch in der 11. Wahlperiode nicht mehr zustande. In der 12. Wahlperiode griff der Bundesrat in seinem Entwurf des OrgKG (BT-Drucks. 12/989) diesen Änderungsvorschlag zu § 73 StGB wieder auf und die Bundesregierung stimmte dem zu (S. 52). Die Notwendigkeit der Gesetzesänderung begründete der Bundesrat unter anderem mit der restriktiven Anwendung des Verfalls in der Praxis aufgrund der Kompliziertheit der Regelung. Der Rechtsausschuß des Bundestages führte in seinem Bericht (BT-Drucks. 12/2720, S. 42) aus, „es gehe bei den Verfallsvorschriften nicht um eine Strafe, sondern um die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes, der durch eine Straftat ausgelöst worden sei.“ Parallel dazu war der Änderungsvorschlag zu den Verfallsvorschriften im Zuge der Ausschußberatungen (BT-Drucks. 12/289) in den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (BT-Drucks. 12/104) aufgenommen worden. Zwar scheiterte dieser Gesetzentwurf zunächst im Vermittlungsverfahren; die Koalitionsfraktionen (BT-Drucks. 12/899) und die Bundesregierung (BT-Drucks. 12/1134) brachten den Entwurf aber erneut ein. Das daraufhin verabschiedete Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes , des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze führte schließlich zur Änderung des § 73 StGB, so daß der entsprechende Änderungsvorschlag im OrgKG entfiel. In der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 12/899, S. 11) wurde die Umstellung auf das Bruttoprinzip damit begründet, daß das Nettoprinzip die
Ermittlung der Verfallsvoraussetzungen erschwere. Auch führe die Saldierungspflicht bei der Nettogewinnabschöpfung nach der Gesamtsystematik der Rechtsordnung zu Wertungswidersprüchen. Der Rechtsgedanke des § 817 Satz 2 BGB, wonach das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren ist, sollte deshalb auch beim Verfall Anwendung finden. Der Verfall sollte sich deshalb auf „die Gesamtheit des Erlangten“ beziehen.
c) Das Bruttoprinzip ist auch auf Fälle der vorliegenden Art (Embargoverstoß ) anwendbar (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1999 – 2 StR 511/98). Zwar wird das Bruttoprinzip zumeist bei Betäubungsmitteldelikten zur Anwendung kommen (vgl. BGH NStZ 1994, 123; NStZ 1995, 491; NStZ 1995, 495; NStZ 2000, 480; NStZ 2001, 312; NStZ-RR 2000, 57; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – 1 StR 12/01; BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2000 – 1 StR 547/00 und vom 25. Juli 2001 – 5 StR 300/01). Insbesondere hier besteht kein rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen Geschäft erlangte Vermögensbestandteile behalten zu dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte sind (BGH NStZ 2001, 312). Nicht abzugsfähig sind damit auch Transportkosten oder der Kurierlohn (BGH NStZ-RR 2000, 57) und selbstverständlich auch die „Anschaffungskosten“ für eine Schußwaffe. Aus der umfassenden Beschränkung des Umgangs mit Betäubungsmitteln ergibt sich indes keine Begrenzung des Saldierungsverbots nur auf diese Deliktsgruppe; das Bruttoprinzip gilt vielmehr für alle Fälle des Verfalls (zu Bestechungsdelikten vgl. BGH wistra 2001, 389; BGH NJW 2002, 2257, 2259; zu geheimdienstlicher Agententätigkeit vgl. BGH NJW 1998, 1723, 1728). 2. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Umgestaltung des Verfallsrechts durch die Einführung des Bruttoprinzips in § 73 StGB mit der den Umfang des Verfalls begrenzenden Funktion des § 73c
StGB (BGH NStZ 2001, 312; vgl. auch BGH NStZ-RR 2000, 57 und den hierzu ergangenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts – Kammer – vom 3. September 1999 – 2 BvR 1637/99).
a) Der Verfall ist keine Strafe und auch keine – in Bezug auf das Schuldprinzip – strafähnliche Maßnahme. Er ist vielmehr eine Maßnahme eigener Art. Das folgt aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, der systematischen Stellung sowie dem Wortlaut der Vorschrift und den zugehörigen verfahrensrechtlichen Vorschriften. aa) Nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung setzt der Verfall Schuld nicht voraus. Anders als bei der Einziehung (§ 74 Abs. 1 StGB) genügt für den Verfall eine rechtswidrige Tat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Er muß unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 StGB auch gegen einen Dritten und sogar gegen eine juristische Person angeordnet werden. Gegen den Drittbegünstigten ist der Verfall anzuordnen, auch wenn der Dritte bzw. das Organ einer juristischen Person keine Straftat begangen hat (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 54). Auch insoweit unterscheidet er sich von der Einziehung, die eine vorsätzliche oder sonst individuell vorwerfbare Straftat voraussetzt (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1, § 74a, § 75 StGB). Nach § 76a StGB kann auf Verfall auch selbständig in dem objektiven Verfahren nach § 442 i.V.m. § 440 StPO erkannt werden. Der Verfall ist im Strafgesetzbuch auch nicht in den Titel „Strafen“ eingeordnet, sondern bildet zusammen mit der Einziehung einen eigenen Titel. bb) Die Einführung des Bruttoprinzips hat an der Rechtsnatur des Verfalls als eine Maßnahme eigener Art nichts geändert; jedenfalls wird er auch dadurch nicht zu einer Strafe oder strafähnlichen Maßnahme (BGH NStZ 1995, 491; NJW 1998, 1723, 1728; NStZ 2001, 312 m.w.N.; ebenso Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 7 ff.; a.A. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 Rdn. 3; Eser
in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. vor § 73 Rdn. 19; Lackner in Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 73 Rdn. 4b). Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, daß auch die Aufwendungen nutzlos waren, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten – und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen – beitragen. Müßte der Betroffene für den Fall der Entdeckung hingegen lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck – der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen – hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog, wenn er darauf abhob, daß das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll. Dieser Normzweck gilt auch für die Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB, insbesondere dann, wenn dieser Nutznießer der rechtswidrigen Tat ist. Die Ratio des Zugriffs auf den Drittbegünstigten beschreibt Schmidt (in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 50) zutreffend so: „Ohne diese Regelung wäre eine Gewinnabschöpfung gerade in Bereichen wie z. B. der Wirtschafts- oder Verbandskriminalität sowie des organisierten Verbrechens, in denen die Vermögensvorteile aus Straftaten bei Unternehmen anfallen oder auf Scheinfirmen übertragen werden, kaum möglich.“ Ebenso sieht es Eser (in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 34; vgl. aber auch Rdn. 37a), wenn er begründet, weshalb die Verfallsanordnung nicht auf den Täter beschränkt sein darf: „Damit aber wäre eine Gewinnabschöpfung gerade dort erschwert, wenn nicht praktisch ausgeschlossen, wo das größte Be-
dürfnis dafür besteht, nämlich im Bereich der Wirtschafts- und Verbandskriminalität ...“. Soweit der Täter oder Teilnehmer für den Dritten handelt, soll er das für den Dritten nicht risikolos tun können. Die den Dritten treffende Folge, daß auch seine Aufwendungen nutzlos waren, kann und soll bewirken, daß der Dritte – namentlich ein hierarchisch organisiertes Unternehmen – Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten errichtet und auf deren Einhaltung achtet. Darin liegt der Präventionszweck des Verfalls gegen den Drittbegünstigten. Würde bei ihm lediglich der aus der Straftat gezogene Gewinn abgeschöpft , so würde sich die bewußt aus finanziellen Interessen begangene Tat im Ergebnis als wirtschaftlich risikolos auswirken. Ein derart risikolos zu erzielender Gewinn müßte geradezu als Tatanreiz für die Straftat wirken; das würde dem mit dem Bruttoprinzip verfolgten Präventionszweck zuwiderlaufen. Hinzu kommt gerade mit Blick auf die Natur der hier in Rede stehenden rechtswidrigen Tat (Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz, Embargoverstoß ), an die der Verfall anknüpft, daß sich die Maßnahme als Teil eines Systems erweist, welches die Wirksamkeit der Handelsbeschränkungen sicherstellen und diese durchsetzen soll (vgl. auch BVerfG – Kammer – NJW 1990, 1229). cc) Der Senat verkennt nicht, daß mit dem Bruttoprinzip dem Verfallsbetroffenen ein – mitunter erheblicher – wirtschaftlicher Nachteil zugefügt werden kann. Dies findet seine Rechtfertigung jedoch darin, daß nicht auf wohlerworbenes , sondern auf Vermögen zugegriffen wird, das durch vorausgegangene rechtswidrige Taten bemakelt ist. Um Repression oder Vergeltung geht es dabei nicht. Weil der Verfall keine schuldbezogene individuelle Vorwerfbarkeit voraussetzt, kann und soll er nicht dem (individuellen) Schuldausgleich dienen.

b) Das Schuldprinzip ist daher auf den Verfall nicht anwendbar. Das gilt auch, soweit dieser nach dem Bruttoprinzip über den Vermögensvorteil hinaus angeordnet wird (BGH NStZ 1995, 491). Das Schuldprinzip, das seine Grundlage in Art. 1 Abs. 1 GG hat, besagt, daß jede Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters stehen muß. Die verhängte Strafe darf die Schuld des Täters nicht übersteigen. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (BVerfGE 45, 187, 228; 54, 100, 108; 86, 288, 313; BVerfG NJW 2002, 1779). Eine Strafandrohung darf nach Art und Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein; Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (BVerfG NJW 1994, 1577 und – Kammer – NJW 1997, 1910). Eine Strafe, für die das Schuldprinzip gilt, ist im Gegensatz zu einer reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, daß sie – wenn nicht ausschließlich, so doch auch – auf Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein rechtswidriges sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen; das setzt die Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit voraus (BVerfGE 95, 96, 140 und – Kammer – NJW 1998, 2585). Das Schuldprinzip gilt nicht für Rechtsfolgen ohne Strafzwecke (BVerfGE 91, 1, 27).
c) Der Verfall greift auch bei Anwendung des Bruttoprinzips nicht in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) ein. In Fällen der vorliegenden Art dürften die in Rede stehenden Vermögenspositionen schon nicht in den Schutzbereich des Grundrechts fallen. Die Kaufpreisforderungen der Verfallsbeteiligten stammen aus rechtswidrigen, sich als Verbrechen erweisenden Embargogeschäften. An deren Stelle ist in Folge der Erfüllung ein entsprechender Geldbetrag (Wertersatz) getreten. Es handelt sich also nicht um wohlerworbe-
ne, sondern um von vornherein bemakelte Positionen. Unter diesen Umständen ergibt sich jedenfalls aus der Befugnis des Gesetzgebers zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) im Blick auf Zweck und Bedeutung der Regelung auch insoweit eine verfassungsrechtlich hinreichend tragfähige Grundlage (vgl. auch BT-Drucks. 11/6623, S. 5 unter Bezugnahme auf BVerfGE 22, 387, 422).
d) Soweit der Verfall den Betroffenen übermäßig belasten würde (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) sieht die Härteklausel des § 73c StGB eine hinreichend bestimmte Begrenzung vor. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 darf der Verfall nicht angeordnet werden, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (vgl. BGH NStZ 1995, 495; NStZ-RR 2000, 365; wistra 2001, 389; BGHR StGB § 73c Härte 6; BGH, Urteil vom 5. Dezember 2001 – 2 StR 410/01). Zudem kann die Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 insbesondere dann unterbleiben, wenn der Betroffene entreichert ist. Sind beim Verfall gegen den Drittbegünstigten der Dritte bzw. die Organe einer juristischen Person gutgläubig, so wird in der Regel zu prüfen sein, ob eine unbillige Härte nach § 73c StGB vorliegt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 73 Rdn. 22; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 37a). Entsprechendes gilt, wenn der Anteil des Vermögensvorteils marginal ist. 4. Der Verfall des Wertersatzes in Höhe von 7.916.855,06 DM und die Verneinung einer unbilligen Härte erweisen sich danach als rechtsfehlerfrei.
a) Die S. GmbH war Drittbegünstigte im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB. Hier liegt ein sog. Vertretungsfall im weiteren Sinne vor (BGHSt 45, 235, 245) vor, denn die Angeklagten handelten als Angestellte der S. GmbH zugunsten des Unternehmens, noch dazu mit ausdrücklicher Billigung der Geschäftsführer. Für die rechtswidrigen Taten der Angeklagten hatte die S. GmbH die Kaufpreisforderungen als Tatentgelte (§ 11 Nr. 9 StGB) unmittelbar „erlangt“. Nachdem diese - unbeschadet der Frage ihrer Wirksamkeit - geltend gemacht und
erfüllt wurden, war der Verfall des Wertersatzes nach § 73a Satz 1 StGB in Form eines Geldbetrags, der dem Wert der Forderungen entspricht, anzuordnen.
b) Die Geschäftsführer der S. GmbH hatten die Umgehungsgeschäfte gebilligt und gezielt finanzielle Mittel und Ressourcen des Unternehmens für die Produktion des für Serbien bestimmten Zigarettenpapiers eingesetzt, also bewußt Kapital in strafbare Handlungen investiert. Bei dieser Fallgestaltung erfordert der Präventionszweck des Bruttoprinzips die Abschöpfung der gesamten bemakelten Kaufpreisforderung.
c) Das Übermaßverbot ist nicht verletzt. Die Verfallsbeteiligte ist durch die Verfallsanordnung keinesfalls in ihrer Existenz gefährdet; die Geschäftsführung hatte die Begehung der Embargoverstöße und damit der rechtswidrigen Taten (Verbrechen) gebilligt. Schon deswegen liegt keine u n b i l l i g e Härte im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB vor. Auch eine Entreicherung (§ 73 Abs. 1 Satz 2) StGB ist nach den Feststellungen ausgeschlossen. 5. Die S. GmbH & Co. KG ist die richtige Verfallsadressatin.
a) An der Stellung der Kommanditgesellschaft als Verfallsadressatin hat auch der Verkauf und die Umwandlung des Unternehmens nichts geändert. Im November 1997, zwei Jahre nach Tatende, kaufte die amerikanische Firma G. die S. GmbH. 1998 wurde die S. GmbH in die S. GmbH & Co. KG umgewandelt; als neue Komplementärin beteiligte sich die Firma Ra. 209 Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH.
b) Die Umwandlung erfolgte durch Formwechsel gemäß § 1 Nr. 4 UmwG, für welche die §§ 190 ff. UmwG gelten. Wesentliches Merkmal des Formwechsels ist die wirtschaftliche Kontinuität des Rechtsträgers (vgl.
Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG 3. Aufl. § 190 Rdn. 5). Da dieser identisch bleibt (Identitätsgrundsatz), findet auch kein Vermögensübergang statt (Kallmeyer , UmwG 2. Aufl. § 190 Rdn. 6). Der bisherige Rechtsträger besteht nach Durchführung des Formwechsels in seiner neuen Rechtsform weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Das führt dazu, daß Rechte und Pflichten, die während der Zeit der ursprünglichen Rechtsform entstanden sind, weiterbestehen, nunmehr allerdings in der Person des Rechtsträgers in seiner neuen Form. Der Verfall war daher gegenüber der Kommanditgesellschaft anzuordnen, denn diese hat – Identitätsgrundsatz – die Tatentgelte für die Embargoverstöße in ihrer früheren Rechtsform erlangt. Daran ändert auch der Gesellschafterwechsel infolge des Unternehmensverkaufs nichts, denn die Verfallsbeteiligte ist als juristische Person selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Auch hinsichtlich der nach Aufhebung des Embargos vereinnahmten Verkaufserlöse in Höhe von 818.280,50 DM war der Verfall des Wertersatzes anzuordnen. Die Forderungen sind ersichtlich aus Geschäften während der Embargozeit „erlangt“ worden. Sie hatten - auch wenn sie nichtig (§§ 134, 138 BGB) waren - schon zu diesem Zeitpunkt einen wirtschaftlichen Wert, weil die konkrete Aussicht auf Bezahlung bestand. Im übrigen handelt es sich bei den hier in Rede stehenden Strafbestimmungen um Zeitgesetze (vgl. BGH StV 1999, 26; NJW 2002, 1357), so daß nach § 2 Abs. 5 StGB auch § 2 Abs. 4 Satz 1 StGB zur Anwendung käme.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden und den Verfall eines höheren Geldbetrages anordnen, da die Verfallsanordnung auch in dieser Höhe zwingend ist und keine weiteren Feststellungen veranlaßt sind (§ 354 Abs. 1 StGB). Damit beträgt der verfallene Geldbetrag insgesamt 4.466.203,89 Euro (8.735.135,56 DM). Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, können nur Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes oder außerhalb dieses Geltungsbereichs auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen.

(1) Eine Handlung ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter tätig geworden ist oder im Falle des Unterlassens hätte tätig werden müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

(2) Die Handlung eines Beteiligten ist auch an dem Ort begangen, an dem der Tatbestand des Gesetzes, das die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt, verwirklicht worden ist oder nach der Vorstellung des Beteiligten verwirklicht werden sollte.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

Wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, können nur Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes oder außerhalb dieses Geltungsbereichs auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.

(1) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen.

(2) Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine Ahndung nicht für geboten, so kann es das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn durch den Bußgeldbescheid eine Geldbuße bis zu einhundert Euro verhängt worden ist und die Staatsanwaltschaft erklärt hat, sie nehme an der Hauptverhandlung nicht teil. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(3) Die Einstellung des Verfahrens darf nicht von der Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder sonstige Stelle abhängig gemacht oder damit in Zusammenhang gebracht werden.