Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 134/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:030316B4STR134.15.0
bei uns veröffentlicht am03.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 134/15
vom
3. März 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2016:030316B4STR134.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 3. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten O. und L. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 4. Dezember 2014 geändert, soweit es diese Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin, dass diese Angeklagten jeweils des Betruges in 25 tateinheitlichen Fällen schuldig sind;
b) im Strafausspruch dahin, dass beide Angeklagte unter Wegfall der gegen sie verhängten Einzelstrafen zu Freiheitsstrafen verurteilt sind, der Angeklagte O. zu einer solchen von drei Jahren und neun Monaten, der Angeklagte L. zu einer solchen von drei Jahren und drei Monaten. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten O. und L. sowie die Revision des Angeklagten K. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des gemeinschaftlichen Betruges in 25 Fällen schuldig gesprochen. Die Angeklagten K. und O. hat es jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, den Angeklagten L. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Sachrüge; die Angeklagten K. und L. beanstanden zudem die Verletzung formellen Rechts.
2
Die Revisionen der Angeklagten O. und L. führen zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung der Schuld- und Strafaussprüche ; die weiter gehenden Rechtsmittel dieser Angeklagten sind – ebenso wie die Revision des Angeklagten K. insgesamt – erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
Zu den Revisionen der Angeklagten O. und L.
4
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
5
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der von den Angeklagten erhobenen Sachrüge hat lediglich hinsichtlich des vom Land- gericht angenommenen Konkurrenzverhältnisses der 25 festgestellten Taten des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
6
a) Das Landgericht hat hierzu im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
7
Die Angeklagten waren Geschäftsführer der O. Verwaltungsgesellschaft mbH, der Angeklagte O. zudem auch deren Alleingesellschafter. Die O. Verwaltungsgesellschaft mbH war ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der S. GmbH & Co. KG, eines Unternehmens der Lebensmittelbranche, deren Kommanditist der Angeklagte O. war. Die S. GmbH & Co. KG hatte mit der Sü. GmbH einen Factoring-Vertrag geschlossen, wonach fällige Forderungen bis zu einem Ankaufslimit von dieser aufgekauft und im Übrigen treuhänderisch von ihr zum Einzug übernommen wurden. Dies wurde technisch dergestalt umgesetzt, dass Mitarbeiter der S. GmbH & Co. KG die betreffenden Rechnungen in ein Netzwerk einstellten, auf welches auch die Sü. GmbH Zugriff hatte. Diese ermittelte werktäglich eine Gesamtforderungssumme und berechnete unter Berücksichtigung einer Factoring-Gebühr und eines Sicherheitseinbehalts eine Auszahlungssumme, die jeweils nach Prüfung durch Mitarbeiter der Sü. GmbH an die S. GmbH & Co. KG überwiesen wurde.
8
Nachdem aufgrund von Umsatzrückgängen die Insolvenz der Unternehmensgruppe drohte, beschlossen die drei Angeklagten einvernehmlich, zusätzlich auch Scheinrechnungen einzureichen, um so Liquidität zu generieren. In der Folge wurden zwischen Juni und September 2013 insgesamt 90 Scheinrechnungen über einen Gesamtbetrag von 6.775.723,02 Euro bei der Sü. GmbH eingereicht. Diese wurden von einer Finanzbuchhalterin dem gemeinsamen Tatplan entsprechend jeweils auf Anweisung des Angeklagten K. verfasst und in das Netzwerk eingestellt. Die Sü. GmbH kaufte auch diese vermeintlichen Forderungen an, übernahm die jeweiligen Rechnungssummen und schrieb sie dem Verrechnungskonto gut. Auf diese Weise wurden im Tatzeitraum an insgesamt 25 Tagen jeweils eine oder mehrere Scheinrechnungen eingereicht und von der Sü. GmbH angekauft, die daraufhin mindestens 6.004.878,46 Euro rechtsgrundlos an die S. GmbH & Co. KG auszahlte. Die Angeklagten L. und O. wurden durch den Angeklagten K. durch sog. Reportings und in persönlichen Gesprächen laufend über die Unternehmensentwicklung unterrichtet. Danach war den Angeklagten L. und O. die Höhe der eingebuchten Scheinrechnungen – wenn auch nicht nach tagesaktuellem Stand, so jedenfalls der Größenordnung nach – bewusst.
9
Das Landgericht ist von Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB ausgegangen, hat die Voraussetzungen eines sog. uneinheitlichen Organisationsdelikts mit der Folge einer einzigen materiell-rechtlichen Tat jedoch für alle drei Angeklagten verneint.
10
b) Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten O. und L. seien als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) der Betrugstaten anzusehen. Denn es ist den Urteilsgründen jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass alle drei Angeklagten nicht nur aufgrund des gemeinsamen Tatentschlusses und ihrer gleichberechtigten Stellung sämtlich Tatherrschaft innehatten und die Taten als eigene wollten, sondern dass sie als Geschäftsführer, der Angeklagte O. außerdem als Alleingesellschafter der O. Verwaltungsgesellschaft mbH, auch ein erhebliches Eigeninteresse hatten.
11
c) Hingegen hält bei den Angeklagten O. und L. die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) in den vom Landgericht festgestellten 25 Einzelfällen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab.
12
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie für jeden Täter regelmäßig nach der Zahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten selbst nicht unmittelbar mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebs“ , sinddiese Tathandlungen als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, StV 2010, 363, vom 14. November 2012 – 3 StR 403/12, StV 2013, 386, 387, und vom 23. Mai 2013 – 2 StR 555/12, wistra 2013, 389 f.). Ohne Bedeutung ist dabei, ob Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 – 4 StR 346/11, wistra 2012, 67, 68; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841, jeweils mwN).
13
bb) Gemessen daran liegt bei den Angeklagten L. und O. jeweils nur eine Tat des Betruges in 25 tateinheitlichen Fällen vor.
14
Die Urteilsgründe belegen keine individuellen, die einzelnen Taten der Betrugsserie fördernden Tatbeiträge der Angeklagten O. und L. . Vielmehr beschränkten sich die Tatbeiträge dieser beiden Angeklagten auf die Mitwirkung an der Entwicklung des gemeinsamen Tatplans, der Fassung des Tatentschlusses, sowie darauf, dass sie die aufgrund dieses Tatplans durch den Angeklagten K. im Einzelnen veranlasste Einreichung von Scheinrechnungen als gleichberechtigte Geschäftsführer mittrugen. Zusätzlich wurden sie über den Fortgang der Einreichung der Scheinrechnungen jedenfalls in den wesentlichen Grundzügen laufend vom Angeklagten K. informiert.
15
d) Der Senat ändert die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden, die eine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung tragen könnten. § 265 StPO steht dem nicht entgegen , da nicht anzunehmen ist, dass sich die geständigen Angeklagten wirksamer als geschehen verteidigt hätten.
16
Die Annahme von Gewerbs- und Bandenmäßigkeit wird durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses nicht berührt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 ff., 187 f.). Dass der Angeklagte K. als Mittäter die einzelnen Taten tatmehrheitlich begangen hat, ist ohne Bedeutung (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182).
17
3. Die Änderung der Schuldsprüche hat zwar zur Folge, dass die verhängten Einzelstrafen entfallen. Der Senat lässt jedoch die bisherigen Gesamtstrafen als Einzelstrafen bestehen. Die Schuldspruchänderung berührt den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten nicht. Der Senat kann angesichts der Strafzumessungserwägungen ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses auf niedrigere Strafen erkannt hätte.

II.


18
Zur Revision des Angeklagten K.
19
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der vom AngeklagtenK. erhobenen Sachrüge hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
20
1. Insbesondere wird die Annahme von 25 rechtlich selbständigen Betrugstaten von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen, wonach der Angeklagte in jedem dieser Fälle den aktuellen Finanzbedarf der Unternehmensgruppe ermittelte und die ihm unterstellte Finanzbuchhalterin sodann anwies, tatplangemäß eine entsprechende Scheinrechnung zu erstellen.
21
2. Wegen der weiteren sachlich-rechtlichen Beanstandungen verweist der Senat ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 16. Oktober 2015.

III.


22
Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig , auch die Angeklagten L. und O. mit den gesamten durch ihre Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 134/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 134/15

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 134/15 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 134/15 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 134/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2013 - 2 StR 555/12

bei uns veröffentlicht am 23.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 555/12 vom 23. Mai 2013 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Mai 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2011 - 4 StR 346/11

bei uns veröffentlicht am 18.10.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 346/11 vom 18. Oktober 2011 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Oktober 2011 gemäß § 349 Abs.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2008 - 5 StR 572/07

bei uns veröffentlicht am 09.01.2008

5 StR 572/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 9. Januar 2008 in der Strafsache gegen wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2008 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten w

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2012 - 3 StR 403/12

bei uns veröffentlicht am 14.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 403/12 vom 14. November 2012 in der Strafsache gegen wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2016 - 4 StR 134/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2019 - 2 StR 358/17

bei uns veröffentlicht am 26.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 358/17 vom 26. Februar 2019 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Betrug ECLI:DE:BGH:2019:260219B2STR358.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Ziff.

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2018 - 3 StR 620/17

bei uns veröffentlicht am 31.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 620/17 vom 31. Juli 2018 in der Strafsache gegen wegen Vorteilsannahme u.a. ECLI:DE:BGH:2018:310718B3STR620.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Genera

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 308/16

bei uns veröffentlicht am 12.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 308/16 vom 12. Dezember 2017 in der Strafsache gegen wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr u.a. ECLI:DE:BGH:2017:121217B2STR308.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbu

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2016 - 4 StR 87/16

bei uns veröffentlicht am 24.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 87/16 vom 24. November 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betrugs ECLI:DE:BGH:2016:241116B4STR87.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwe

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 403/12
vom
14. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. November 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 25. Juni 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gewerbs- und bandenmäßigen" Betruges in 32 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit "gewerbs - und bandenmäßiger" Urkundenfälschung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der allgemeinen Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich als Mittäter an den festgestellten Bandentaten beteiligt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte spätestens im Jahr 2002 mit drei Tatgenossen zu einer Bande zusammen, um Betrügereien und Urkundenfälschungen zu begehen. Entsprechend ihrer gemeinsamen Planung und in Umsetzung dieser Abrede erwarben die Bandenmitglieder in der Folgezeit Firmenmäntel, die sie bis Ende des Jahres 2002 dazu nutzten, in insgesamt 31 Einzelfällen unter Vortäuschung ihrer Zahlungsbereitschaft Obst und Gemüse (25 Fälle) sowie Leasingfahrzeuge (sechs Fälle) zu erlangen, wobei sie von vornherein vorhatten, die Leasingraten nicht bzw. nur teilweise zu entrichten und die Fahrzeuge nicht zurückzugeben. Wer von Seiten der Bande an den Warenbestellungen und -lieferungen im Einzelnen beteiligt war, hat das Landgericht nicht festgestellt. Die Leasingverträge für Fahrzeuge schlossen zwei gesondert verurteilte Bandenmitglieder ab und legten dabei jeweils gefälschte französische Pässe vor. In einem weiteren Fall beantragte eines dieser beiden Bandenmitglieder in Verwirklichung der Bandenabrede unter Vortäuschung seiner Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit sowie erneut unter Vorlage eines gefälschten französischen Reisepasses bei der C. bank einen Kredit, der ihm bewilligt und ausbezahlt wurde.
4
Zur Beteiligung des - umfassend geständigen - Angeklagten an diesen Bandentaten hat das Landgericht festgestellt, dass er als "spiritus rector" der Bande seine Geschäftskontakte und seine Erfahrung im Geschäftsleben zur Verfügung stellte, ansonsten aber im Hintergrund blieb und die einzelnen Tätigkeiten der nach außen auftretenden Bandenmitglieder leitete und lenkte sowie die guten Kontakte, über die er aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Obstund Gemüsehandel in diesem Bereich verfügte, für den Bezug von Obst und Gemüse ausnutzte. Weitergehende Feststellungen zu konkreten Tathandlungen des Angeklagten ergeben sich aus dem Urteil nicht. Die Erlöse aus den von der Bande begangenen Delikten teilten die Bandenmitglieder unter sich auf, wobei allerdings der Angeklagte den Großteil der erzielten Einnahmen "einstrich". Das Landgericht hat die Tatbeteiligung des Angeklagten in allen Fällen ersichtlich als (Mit-)täterschaft angesehen und in seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass sein "täterschaftlicher Beitrag" darin bestanden habe, "die Geschäfte der Bande zu lenken und zu leiten".
5
2. Diese Würdigung hält auf der Grundlage der Feststellungen zur Tatbeteiligung des Angeklagten der rechtlichen Prüfung nicht stand.
6
Schließen sich - wie hier - mehrere Täter zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB zu begehen , hat die bloße Verbindung zu einer Bande nicht zur Folge, dass jedes von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Betrugs - oder Urkundenfälschungsdelikt den anderen Bandenmitgliedern ohne Weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dessen Tatbeiträge sich nach der Bandenabrede auf Beihilfehandlungen beschränken. Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an bzw. Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfasst sind. Maßgeblich sind dabei insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille, Tatherrschaft auszuüben, d.h. ob objektiv oder jedenfalls aus seiner Sicht die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267 mwN).
7
Eine entsprechende Einordnung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Hierfür fehlt es vorliegend schon an der Feststellung, dass der Angeklagte (auch) konkrete Tatbeiträge zu den festgestellten Bandendelikten geleistet hat und welche diese waren. Die lediglich allgemein gehaltene, pauschale Feststellung , er habe "die Geschäfte der Bande gelenkt und geleitet", reicht als Grundlage für die erforderliche rechtliche Einordnung und Abgrenzung von Strafbarkeit und Beteiligungsform nicht aus. Dies gilt hier vor allem auch für die Fälle der Urkundenfälschung. Dass der Angeklagte bei der Verteilung der Erlöse aus den betrügerischen Bandengeschäften einen besonders großen Anteil erhielt, belegt allenfalls ein bestehendes Tatinteresse des Angeklagten an den Betrügereien , macht indes Feststellungen zu - gegebenenfalls auch gleichartigen und wiederkehrenden - konkreten für die jeweiligen Einzeltaten geleisteten Tatbeiträgen nicht entbehrlich; denn allein ein Tätigwerden im Interesse der Bande ohne konkreten Bezug zu einer Straftat genügt nicht, eine Strafbarkeit als Bandentat zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2002 - 4 StR 208/02, NStZ 2003, 32, 33).
8
3. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen könnte auch die Annahme von Tatmehrheit keinen Bestand haben.
9
Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Täter nicht mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs, sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 - 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182 mwN), ohne dass die Annahme banden- und gewerbsmäßiger Begehung dadurch berührt würde. Ob die anderen Täter die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich be- gangen haben, ist ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183).
10
Die Sache bedarf daher umfassend neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 555/12
vom
23. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 23. Mai 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 15. Juni 2012 1. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Betrugs in zwei Fällen verurteilt und im Übrigen freigesprochen ist, 2. im Strafausspruch und im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 21.295,68 Euro angeordnet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat aufgrund der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte an den Geschäften des früheren Mitangeklagten D. mit dessen Unternehmen T. und Tr. beteiligt, bei denen Kunden gegen Vorschusszahlung eines Honorars versprochen wurde, ihnen staatliche Förderleistungen zu vermitteln. Tatsächlich waren die in Aussicht gestellten Maßnahmen nicht förderungswürdig und es wurden auch nach dem Tatplan keine Förderungsmittel beantragt. Der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte D. organisierten die Täuschung von Kunden über die Förderungswürdigkeit der Maßnahmen sowie die Absicht der Beantragung von staatlichen Förderleistungen unter Einrichtung eines Bürobetriebs, ferner dadurch, dass sie Vermittler ihrer Leistungen anwarben, instruierten und mit Provisionen bezahlten, schließlich dadurch, dass sie Präsentationen und andere Maßnahmen zur Kundenwerbung durchführten. In einem Fall täuschte der Angeklagte K. selbst einen Kunden , in zwei weiteren Fällen, die ihm vom Landgericht als selbständige Fälle des Betrugs als Mittäter zugerechnet wurden, geschah dies durch den früheren Mitangeklagten D. ; im Übrigen wurden durch Vermittler oder Untervermittler 159 Kunden des Unternehmens getäuscht, was dem Angeklagten als insgesamt eine Tat zugerechnet wurde.

II.

3
1. Das Landgericht hat im Fall des Betrugs zum Nachteil des vom Angeklagten selbst getäuschten Kunden W. (§§ 263 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 25 Abs. 1 – 1. Alt. – StGB) und im Fall der Täuschung von 159 Kunden durch Vermittler (§§ 263 Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 2, 25 Abs. 1 – 2. Alt. – StGB) zutreffend jeweils eine rechtlich selbständige Handlung durch den Angeklagten angenommen. Abweichend von der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts sind aber auch die Fälle der Täuschung der Kunden L. und M. durch den Mitangeklagten D. für den Angeklagten unselbständige Teile des "(unechten) Organisationsdelikts".
4
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter nach der Anzahl seiner Handlungen. Wird im Fall einer Organisation eines Unternehmens, das durch Mitarbeiter Kunden täuscht und hierdurch zu Vermögensverfügung veranlasst, ein einheitlicher Tatbeitrag des Hintermanns in seiner Organisationstätigkeit gesehen, wie es das Landgericht im Fall der Täuschung von 159 Kunden durch Vermittler zutreffend angenommen hat, dann gilt dies für alle Fälle, in denen dieser Täter nicht selbst eigenhändig gegenüber den Kunden Betrügereien begeht (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, StV 2010, 363). Von der Handlungseinheit im Sinne eines Organisationsdelikts des Angeklagten ist daher nur der Fall einer selbständigen Täuschung des Kunden W. durch den Angeklagten selbst ausgenommen. Im Ergebnis liegen damit zwei Betrugstaten des Angeklagten vor.
5
Wegen der insoweit außerhalb des Tatzeitraums liegenden Teilakte (Fälle 1 und 9 der Anklageschrift) ist zudem eine Freisprechung des Angeklagten geboten.
6
Der Senat ändert den Schuldspruch dementsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
7
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen des Betrugs zum Nachteil der Zeugen L. und M. . Der Senat hebt aber auch den Strafausspruch im Übrigen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe im Hinblick auf die Konkurrenzkorrektur neu zuzumessen.
8
Für die neue Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch weist der Senat ergänzend darauf hin, dass es rechtlich bedenklich ist, einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Hinweis auf genügende eigene Sachkunde abzulehnen, nachdem sich das Tatgericht diese Sachkunde erst durch Befragung eines Sachverständigen im Freibeweisverfahren verschafft hat (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 1995 – 2 StR 702/94, StV 1995, 339). Im vorliegenden Fall ist es aber offensichtlich ausgeschlossen , dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit "aufgrund einer charaktergebundenen Persönlichkeitsstörung" völlig aufgehoben war; allenfalls kommt eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit in Frage. Daher rechtfertigt die Verfahrensrüge keine – nach dem primären Beweisziel des Beweisantrags – weitergehende Urteilsaufhebung, als sie der Senat bereits aufgrund der Sachbeschwerde vornimmt.
9
3. Die Anordnung des Wertersatzverfalls hat keinen Bestand, weil das Landgericht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht geprüft hat. Dieser hindert eine Verfallsentscheidung , wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; nur das "für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter. "Aus der Tat" sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst zugeflossen sind. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber , wenn die Vermögenswerte als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 447/10, NStZ 2011, 229). Der Angeklagte hat nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts aber unbeschadet der Leistungsbezeichnung den Betrag von 21.295,68 Euro in diesem Sinne unmittelbar als seinen Anteil am Betrugserlös, somit "aus der Tat" erlangt. Der neue Tatrichter wird daher § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen haben.
Fischer Appl Schmitt Berger Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 346/11
vom
18. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Februar 2011 1. hinsichtlich dieses Angeklagten in den Fällen III.2.6, III.2.13 – 20, III.2.22 – 28 der Urteilsgründe
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte insoweit des Betruges in 16 tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
b) aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen; 2. hinsichtlich des Angeklagten M. und des früheren Mitangeklagten H. mit den Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über
a) die Einzelstrafen in den Fällen III.2.8 – 12 der Urteilsgründe,
b) die Gesamtstrafen. II. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Betruges in 28 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der nicht revidierende Mitangeklagte H. ist des Betruges in 58 Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten M. hat, teilweise auch hinsichtlich des früheren Mitangeklagten H. , in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat in den Fällen III.2.6, III.2.13 – 20, III.2.22 – 28 der Urteilsgründe das Konkurrenzverhältnis der dem Angeklagten M. rechtsfehlerfrei als Mittäter zugerechneten betrügerischen Einzelakte unzutreffend beurteilt. Insofern liegt statt Tatmehrheit Tateinheit vor.
3
a) Sind, wie hier, an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob er hinsichtlich der einzelnen Taten der Serie jeweils einen individuellen, (nur) diese fördernden Tatbeitrag geleistet hat. In solchen Fällen sind ihm diese Taten als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen; die (zusätzliche) organisatorische Einbindung des Täters in das betrügerische Geschäftsunternehmen vermag dann diese Einzeltaten der Deliktsserie rechtlich nicht zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Fehlt es jedoch an einer solchen individuellen Tatförderung, er- bringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge , durch die alle oder je mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841; Beschluss vom 7. Dezember 2010 – 3 StR 434/10 jeweils mwN).
4
b) Hieran gemessen belegen die Feststellungen lediglich in den Fällen III.2.1 – 5, III.2.7 – 12 und III.2.21 jeweils einen individuellen, nur diese Taten fördernden Beitrag des Angeklagten. In den übrigen 16 Fällen (Taten III.2.6, III.2.13 – 20 und III.2.22 - 28) erschöpfen sich die rechtsfehlerfrei festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten auf seine Mitwirkung bei der Einrichtung und Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der Fa. U. GmbH. Daher sind diese Fälle zu einer Betrugstat in 16 rechtlich zusammentreffenden Fällen zusammenzufassen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 373/09).
5
c) Der Senat schließt – insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils zur Aufgabenverteilung innerhalb der Fa. U. GmbH (UA S. 39) – aus, dass hierzu in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch selbst in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den Vorwurf einer teilweise tateinheitlichen Begehung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
6
Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für diese Fälle verhängten Einzelstrafen nach sich. Der neue Tatrichter wird daher für die Fälle III.2.6, III.2.13 – 20 und III.2.22 – 28 unter Beachtung des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO eine Einzelstrafe festzusetzen haben (zu § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO: vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 – 1StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Einer Aufhebung der insoweit getroffenen Feststellungen bedarf es dagegen nicht, da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisher getroffenen Feststellungen nicht widersprechen.
7
2. In den Fällen III.2.8 – 12 der Urteilsgründe, in denen das Landgericht den Angeklagten M. und den Mitangeklagten H. wegen Betruges in fünf Fällen verurteilt hat, können die Strafaussprüche ebenfalls nicht bestehen bleiben.
8
a) Nach den von der Strafkammer hierzu getroffenen Feststellungen schloss die u.a. aus dem Angeklagten M. und dem Mitangeklagten H. bestehende Tätergruppe im Zeitraum vom 19. November 2009 bis zum 14. Januar 2010 im Namen der Fa. U. GmbH mit verschiedenen Leasinggesellschaften fünf Leasingverträge über Pkws mit Laufzeiten zwischen 36 und 60 Monaten ab, wobei sie von Anfang an beabsichtigte, allenfalls in geringem Umfang ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, jedoch die Pkws solange wie möglich zu nutzen und sie „irgendwann später an die jeweiligen Leasinggeber zurückgelangen zu lassen“ (UA S. 30). Entsprechend ging sie vor.
9
b) Bei dieser Sachlage nimmt das Landgericht zutreffend jeweils einen vollendeten Betrug gegenüber den Leasinggesellschaften an, da aufgrund der getroffenen Feststellungen außer Frage steht, dass diesen jeweils ein Betrugs- schaden entstanden ist. Jedoch lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, wie die Strafkammer die Höhe der von ihr bei den Leasinggesellschaften festgestellten Schäden ermittelt hat. Zwar sind „Werte“ der Pkws sowie – bei erfolgter Rückerlangung – die dann von den Leasinggesellschaften erzielten Verkaufserlöse , die Höhe der Leasingraten sowie etwaige von der Tätergruppe erbrachte Zahlungen angegeben. Hieraus lassen sich jedoch die als Schaden festgestellten Einzelbeträge nicht errechnen.
10
c) Der Mangel führt – auch bezüglich des früheren MitangeklagtenH. (§ 357 Satz 1 StPO) – zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in jedem der fünf Betrugsfälle, da das Landgericht bei deren Bemessung die Höhe der durch die Taten verursachten Schäden straferschwerend berücksichtigt hat. Dies hat bei beiden Angeklagten – beim Angeklagten M. auch aufgrund der Änderung des Konkurrenzverhältnisses (oben 1.) – die Aufhebung der Aussprüche über die Gesamtstrafen zur Folge.
11
d) Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich der vom Angeklagten für sich oder Dritte erstrebte Vermögensvorteil – da die Pkws an die Leasinggeber „zurückgelangen“ sollten – auf die von seinem Vorsatz erfasste Nutzung beschränkt, dass ein etwaiger höherer Schaden des Leasinggebers dem Angeklagten aber strafschärfend angelastet werden kann, soweit es sich dabei um vorhersehbare verschuldete Auswirkungen der Tat gehandelt hat. Auf den bei einem von Anfang an beabsichtigten Verschieben oder Weiterverkauf der Fahrzeuge maßgeblichen Wert der Pkws bei Übergabe (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2006 – 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 21; Beschluss vom 27. September 2007 – 5 StR 414/07, wistra 2007, 457) darf dagegen – wegen der geplanten „Rückerlangung“ des Leasinggegenstandes – nicht abgestellt werden; auch der Wert der Pkws im Zeitpunkt der jedenfalls in den Fällen 8 und 12 in Betracht kommenden Unterschlagungen (in diesen Fällen sinddie Fahrzeuge nicht an die Leasinggeber zurückgelangt) ist nicht maßgeblich, zumal es sich hierbei sowohl materiell als auch prozessual um eine weitere (verfolgbare ) Tat handelt.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

5 StR 572/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. September 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO dahin abgeändert, dass dieser Angeklagte wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Revision, jedoch wird die Gebühr um ein Zehntel ermäßigt. Ein Zehntel der im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in 98 Fällen und wegen versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in 59 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme von Tatmehrheit in den vom Landgericht als Betrug bzw. versuchten Betrug gewerteten 157 Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat ändert die Verurteilung entsprechend ab.
3
a) Nach den Feststellungen reichte der Angeklagte die Gutscheine für die Vermittlung von Arbeitslosen nicht selbst bei den Zweigstellen der geschädigten Bundesagentur für Arbeit ein. Auch stellte er die geschädigten Arbeitnehmer nicht bei der e. ein; diese Aufgabe nahm – entsprechend dem gemeinsamen Tatplan – die Nichtrevidentin Z. wahr. Die weitere Nichtrevidentin H. überwachte die Arbeitnehmer. Die Aufgabe des Angeklagten bestand allein darin, als faktischer Geschäftsführer der ausschließlich betrügerisch agierenden Vermittlungsfirma J. die Finanzangelegenheiten dieser Firma zu überwachen. Damit hat der Angeklagte im Vorfeld und während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge erbracht, durch die er alle Einzeldelikte seiner Bandenmitglieder gleichzeitig förderte. Seine Tatbeiträge erschöpften sich damit im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs und sind damit als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHSt 49, 177, 184; 48, 331, 343; BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR StGB 263 Täterschaft 1; BGH NJW 2004, 375, 378; 1998, 767, 769). Jedenfalls bei dieser hier vorzunehmenden rechtlichen Würdigung kann es offenbleiben , ob die Beschäftigung der einzelnen Arbeitnehmer mit für den Angeklagten im Ergebnis nutzlosen Tätigkeiten jeweils eigenständige Betrugsfälle darstellen könnte, wie das Landgericht angenommen hat. Die stoffgleiche Bereicherung des Angeklagten sollte vielmehr erst – wie das Landgericht zutreffend gesehen hat – durch die Auszahlung der Gelder der Zweigstellen der Bundesagentur für Arbeit eintreten.
4
Die Annahme von Gewerbs- und Bandenmäßigkeit wird durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses nicht berührt (vgl. BGHSt 49, 177, 182 ff., 187 f.). Ob die Mittäter des Angeklagten die einzelnen Delikte gege- benenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist ohne Bedeutung (vgl. BGHSt 49, 177, 183; BGH NStZ-RR 2003, 265, 267; wistra 2001, 336, 337).
5
b) Der Senat schließt aus, dass der geständige Angeklagte sich gegen die Änderung des Konkurrenzverhältnisses wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann im Ausgangspunkt als (Einzel-)Strafe bestehen bleiben. Ihre Zusammenziehung zu einer Tat lässt den Schuldumfang unberührt. Eine Auswirkung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten besteht nicht, weil deren Tätigkeitsfelder unterschiedlich waren und mithin auch ein anderer Sachverhalt für die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zugrundezulegen wäre.
6
2. Jedoch ist die nunmehr als Strafe aufrechterhaltene Gesamtfreiheitsstrafe um zwei Monate wegen einer für das Revisionsverfahren festzustellenden rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 MRK) zu mindern. Die Revisionsbegründung ist am 18. Dezember 2006 beim Landgericht eingegangen. Erst elf Monate später, nämlich am 19. November 2007, sind die Akten dem Generalbundesanwalt vorgelegt worden, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Der Senat setzt die Strafe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst herab, um weitere Verfahrensverzögerungen zu vermeiden (vgl. BGH wistra 2007, 257; 231; 150, 153).
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.