Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2012 - 3 StR 403/12

bei uns veröffentlicht am14.11.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 403/12
vom
14. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. November 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 25. Juni 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gewerbs- und bandenmäßigen" Betruges in 32 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit "gewerbs - und bandenmäßiger" Urkundenfälschung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der allgemeinen Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich als Mittäter an den festgestellten Bandentaten beteiligt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte spätestens im Jahr 2002 mit drei Tatgenossen zu einer Bande zusammen, um Betrügereien und Urkundenfälschungen zu begehen. Entsprechend ihrer gemeinsamen Planung und in Umsetzung dieser Abrede erwarben die Bandenmitglieder in der Folgezeit Firmenmäntel, die sie bis Ende des Jahres 2002 dazu nutzten, in insgesamt 31 Einzelfällen unter Vortäuschung ihrer Zahlungsbereitschaft Obst und Gemüse (25 Fälle) sowie Leasingfahrzeuge (sechs Fälle) zu erlangen, wobei sie von vornherein vorhatten, die Leasingraten nicht bzw. nur teilweise zu entrichten und die Fahrzeuge nicht zurückzugeben. Wer von Seiten der Bande an den Warenbestellungen und -lieferungen im Einzelnen beteiligt war, hat das Landgericht nicht festgestellt. Die Leasingverträge für Fahrzeuge schlossen zwei gesondert verurteilte Bandenmitglieder ab und legten dabei jeweils gefälschte französische Pässe vor. In einem weiteren Fall beantragte eines dieser beiden Bandenmitglieder in Verwirklichung der Bandenabrede unter Vortäuschung seiner Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit sowie erneut unter Vorlage eines gefälschten französischen Reisepasses bei der C. bank einen Kredit, der ihm bewilligt und ausbezahlt wurde.
4
Zur Beteiligung des - umfassend geständigen - Angeklagten an diesen Bandentaten hat das Landgericht festgestellt, dass er als "spiritus rector" der Bande seine Geschäftskontakte und seine Erfahrung im Geschäftsleben zur Verfügung stellte, ansonsten aber im Hintergrund blieb und die einzelnen Tätigkeiten der nach außen auftretenden Bandenmitglieder leitete und lenkte sowie die guten Kontakte, über die er aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Obstund Gemüsehandel in diesem Bereich verfügte, für den Bezug von Obst und Gemüse ausnutzte. Weitergehende Feststellungen zu konkreten Tathandlungen des Angeklagten ergeben sich aus dem Urteil nicht. Die Erlöse aus den von der Bande begangenen Delikten teilten die Bandenmitglieder unter sich auf, wobei allerdings der Angeklagte den Großteil der erzielten Einnahmen "einstrich". Das Landgericht hat die Tatbeteiligung des Angeklagten in allen Fällen ersichtlich als (Mit-)täterschaft angesehen und in seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass sein "täterschaftlicher Beitrag" darin bestanden habe, "die Geschäfte der Bande zu lenken und zu leiten".
5
2. Diese Würdigung hält auf der Grundlage der Feststellungen zur Tatbeteiligung des Angeklagten der rechtlichen Prüfung nicht stand.
6
Schließen sich - wie hier - mehrere Täter zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB zu begehen , hat die bloße Verbindung zu einer Bande nicht zur Folge, dass jedes von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Betrugs - oder Urkundenfälschungsdelikt den anderen Bandenmitgliedern ohne Weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dessen Tatbeiträge sich nach der Bandenabrede auf Beihilfehandlungen beschränken. Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an bzw. Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfasst sind. Maßgeblich sind dabei insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille, Tatherrschaft auszuüben, d.h. ob objektiv oder jedenfalls aus seiner Sicht die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267 mwN).
7
Eine entsprechende Einordnung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Hierfür fehlt es vorliegend schon an der Feststellung, dass der Angeklagte (auch) konkrete Tatbeiträge zu den festgestellten Bandendelikten geleistet hat und welche diese waren. Die lediglich allgemein gehaltene, pauschale Feststellung , er habe "die Geschäfte der Bande gelenkt und geleitet", reicht als Grundlage für die erforderliche rechtliche Einordnung und Abgrenzung von Strafbarkeit und Beteiligungsform nicht aus. Dies gilt hier vor allem auch für die Fälle der Urkundenfälschung. Dass der Angeklagte bei der Verteilung der Erlöse aus den betrügerischen Bandengeschäften einen besonders großen Anteil erhielt, belegt allenfalls ein bestehendes Tatinteresse des Angeklagten an den Betrügereien , macht indes Feststellungen zu - gegebenenfalls auch gleichartigen und wiederkehrenden - konkreten für die jeweiligen Einzeltaten geleisteten Tatbeiträgen nicht entbehrlich; denn allein ein Tätigwerden im Interesse der Bande ohne konkreten Bezug zu einer Straftat genügt nicht, eine Strafbarkeit als Bandentat zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2002 - 4 StR 208/02, NStZ 2003, 32, 33).
8
3. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen könnte auch die Annahme von Tatmehrheit keinen Bestand haben.
9
Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Täter nicht mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs, sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 - 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182 mwN), ohne dass die Annahme banden- und gewerbsmäßiger Begehung dadurch berührt würde. Ob die anderen Täter die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich be- gangen haben, ist ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183).
10
Die Sache bedarf daher umfassend neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

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Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 267 Urkundenfälschung


(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch i

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(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 208/02
vom
13. August 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 13. August 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 11. Februar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II 2.1 bis 2.5 der Urteilsgründe (= Fälle 1 bis 4 und 11 der Anklage),
b) in dem den Angeklagten S. betreffenden Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat die beiden Angeklagten - unter Freisprechung im übrigen - des schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen (Fälle II 2.1 bis 2.5 der Urteilsgründe), den Angeklagten S. darüber hinaus des Diebstahls in 16 Fällen schuldig gesprochen und gegen den Angeklagten S. eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren sowie gegen den Angeklagten
K. eine solche von drei Jahren und drei Monaten verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat in vollem Umfang, das des Angeklagten S. hat insoweit Erfolg, als er wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen zu den Fällen II 2.1 bis 2.5 der Urteilsgründe waren die beiden Angeklagten Mitglieder einer straff organisierten und hierarchisch strukturierten größeren Bande, die Pkws der Ober- und der gehobenen Mittelklasse entwendete und diese anschließend in Rußland und anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gewinnbringend verkaufte. Der "Kopf" der Bande ("Igor") organisierte und koordinierte von Danzig und St. Petersburg aus die Tätigkeiten der Bandenmitglieder. Bei den einzelnen Taten wirkten stets mehrere, zum Teil "hoch spezialisierte" Mitglieder der Bande arbeitsteilig zusammen. Einige von ihnen befaßten sich ausschließlich damit, in Rußland "Fahrzeugbestellungen" entgegenzunehmen und diese weiterzuleiten. Andere beschafften Originalkraftfahrzeugpapiere, die zu den gewünschten Fahrzeugen paßten, indem sie Unfallfahrzeuge preisgünstig ankauften. Die so erlangten Kraftfahrzeugpapiere wurden anschließend für die "Ausfuhr" der gestohlenen Kraftfahrzeuge verwendet. Die Fahrzeuge, die den Kundenwünschen entsprachen, wurden in Deutschland ausfindig gemacht und von darauf spezialisierten Bandenmitgliedern entwendet. Die Arbeit dieser "Erlangungstäter" , die von anderen Bandenmitgliedern in Deutschland logistisch unterstützt wurden und die immer mindestens zu zweit handelten, endete regelmäßig damit , daß die gestohlenen Pkws von ihnen in eigens dafür angemieteten - nicht einsehbaren - Hallen oder Scheunen abgestellt wurden. Dort wurden die Fahr-
zeuge von hierauf spezialisierten Bandenmitgliedern dahingehend "behandelt", daß Aufbruchspuren beseitigt, Tür- und Zündschlösser sowie Bauteile der Wegfahrsperren ausgetauscht und die Fahrzeuge mit Kraftfahrzeugkennzeichen , Fahrzeugidentitäts- und Motornummern versehen wurden, die zu den für die "Ausfuhr" beschafften Kraftfahrzeugpapieren paßten. Die so "aufbereiteten" Fahrzeuge wurden anschließend von Kurieren zur "Verwertung" nach Rußland verbracht.
Im Rahmen dieser Bandenstruktur war der Angeklagte S. , der seit dem Herbst 2000 Mitglied der Bande war, für die Bande als "Verbindungsmann" tätig. Seine Aufgabe war es, "die Spezialisten, die die entwendeten Fahrzeuge 'aufbereiteten', zu den Hallen oder Scheunen zu bringen, in denen diese Fahrzeuge quasi zwischengelagert waren, diese Spezialisten logistisch zu unterstützen und zu überprüfen, ob die von ihnen montierten Kraftfahrzeugkennzeichen und die von ihnen verfälschten Fahrzeugidentitäts- und Motornummern mit den Angaben in den für die 'Ausfuhr' beschafften Kraftfahrzeugpapieren übereinstimmten". Außerdem hatte er dafür Sorge zu tragen, daß die "aufbereiteten" Fahrzeuge an die Kuriere übergeben wurden. Für jedes von ihm "betreute" Fahrzeug sollte er 1.000 DM und Spesen erhalten (UA 13 f.).
Die Aufgabe des Angeklagten K. , der seit Anfang 2001 Mitglied der Bande war, war es, gestohlene Pkws "aufzubereiten". Für jedes dieser Fahrzeuge sollten ihm 300 US-Dollar zukommen.
Zu den einzelnen Taten hat die Strafkammer festgestellt:
Fall 2.1 der Urteilsgründe:
Am 4. Juni 2001 entwendeten die gesondert verfolgten Bandenmitglieder M. und Mo. "im Beisein" des Angeklagten S. nach dem Aufhebeln eines am Fahrzeug befindlichen "Schlüsseltresors" einen Pkw Opel Astra und verbrachten diesen in eine zuvor angemietete Scheune. Einige Tage später setzte der Angeklagte S. den Mitangeklagten K. an der Scheune ab, der das Fahrzeug durch Verfälschen der Fahrzeugidentitätsnummer "aufbereitete". Der Pkw wurde, wie die Angeklagten wußten, anschließend für Zwecke der Bande in Deutschland benutzt.
Fälle 2.2 bis 2.5 der Urteilsgründe:
In der Zeit zwischen dem 25. Juli und dem 2. August 2001 entwendeten M. und Mo. nach dem Überwinden von Diebstahlsicherungen vier Pkws, die sie in derselben Scheune abstellten. Am 3. August 2001 reiste der Angeklagte K. mit einem gefälschten Paß von Polen nach Deutschland ein, wo er im Auftrag des "Igor" vom Angeklagten S. nach dem Kauf von Werkzeugen zum Verfälschen der Fahrzeugidentitätsnummern zu der Scheune geführt wurde , um die vier gestohlenen Fahrzeuge "aufzubereiten". Bei ihrer Ankunft an der Scheune wurden die beiden Angeklagten festgenommen.
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Im Fall II 2.1 (= Fall 11 der Anklage) kann die Verurteilung schon deswegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die Angeklagten hier sowohl verurteilt als auch aus tatsächlichen Gründen - weil die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben habe, daß die Angeklagten an dieser Tat mitwirkten - freigesprochen hat (UA 19, 20). Da die Strafkammer die Angeklagten ausdrücklich wegen neun der angeklagten Kraftfahrzeugdiebstähle (Fälle 8 bis 12, 18 und 27 bis 29 der Anklage) freigesprochen und sie den Inhalt der Geständnisse der Angeklagten im einzelnen nicht mitgeteilt hat, kann der Senat nicht überprüfen, ob es sich - wie der Generalbundesanwalt meint – bei dem Freispruch um ein "offensichtliches Versehen" handelt. Die Verurteilung im Fall II 2.1 muß daher aufgehoben werden; die Aufhebung erstreckt sich auch auf den insoweit freisprechenden Teil (Fall 11 der Anklage) des Urteils (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 16 m.w.N.).

b) Im übrigen sind weder im Fall II 2.1 noch in den Fällen II 2.2 bis 2.5 der Urteilsgründe die Voraussetzungen (mit-)täterschaftlichen schweren Bandendiebstahls festgestellt:
Nach der Bandenabrede sollten die beiden Angeklagten mit den Diebstählen - ihrer Planung und ihrer Ausführung - selbst nichts zu tun haben. Der "Organisationsplan" der Bande sah vielmehr vor, daß die Angeklagten nur mit dem Absatz der durch die "Erlangungstäter" beschafften Fahrzeuge befaßt sein sollten; im Fall II 2.1 mit der Verwertung für die Bande. Bei der Ausführung der Diebstähle haben sich die Angeklagten dem entsprechend auch nicht betätigt.
Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, daß dem Angeklagten K. die einzelnen "Erlangungstaten" vor seinem Einsatz überhaupt bekannt waren. Soweit der Angeklagte S. von den durch M. und Mo. begangenen Diebstählen wußte und er an den Tatorten war (Fälle II 2.1 und II 2.4), ist nicht festgestellt , daß er sich – über seine ihm in der Bandenabrede zugewiesenen Aufgaben hinaus - an den Diebstahlstaten beteiligen wollte. Mit dem Verbringen der Fahrzeuge in die nicht einsehbare Scheune durch M. und Mo. waren die Pkws dem Zugriff der Berechtigten entzogen; damit war die jeweilige Diebstahls (banden)tat beendet (vgl. BGHR StGB § 259 Abs. 1 Absatzhilfe 7 = NStZ-RR 1999, 208). Nach der Tatbeendigung können tatunterstützende "Beteiligungshandlungen" Dritter aber nur noch den Tatbestand der Hehlerei (§ 259 StGB) oder der Begünstigung (§ 257 StGB) erfüllen (BGHR a.a.O.). Dem entspricht es, daß nach der Rechtsprechung derjenige, der durch eine vor der Tat abgegebene Erklärung seine Mitwirkung bei der Beuteverwertung zusagt und dann diese Zusage auch einhält, nicht Mittäter, sondern nur Anstifter oder Gehilfe bei der Vortat und außerdem Hehler sein kann (BGH NStZ 2002, 200, 201 m.w.N.). Dies gilt auch für Bandentaten; denn ein Tätigwerden im Interesse der Bande ohne konkreten Bezug zu einer Straftat genügt nicht, eine Strafbarkeit als Bandentat zu begründen (vgl. BGH StV 2001, 459). Es gelten vielmehr - auch bei der Bandentat - die allgemeinen Teilnahme- und Zurechnungsregeln (vgl. BGHSt - GSSt - 46, 321, 338; BGH StV 2002, 191, 192 f.; BGH, Beschluß vom 17. Januar 2002 - 3 StR 450/01 - und Urteil vom 14. Februar 2002 - 4 StR 281/01).

c) In den Fällen II 2.2 bis 2.5 muß daher die Verurteilung ebenfalls aufgehoben werden. Da möglicherweise in der neuen Hauptverhandlung Fest-
stellungen getroffen werden können, die eine täterschaftliche Beteiligung der Angeklagten an den Diebstahlstaten belegen, hebt der Senat die bisherigen Feststellungen zu den genannten Fällen auf, um dem nunmehr entscheidenden Tatrichter neue Feststellungen ohne die Bindung an bereits rechtskräftige Feststellungen zu ermöglichen. Mit der teilweisen Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten S. ist auch die ihn betreffende Gesamtstrafe aufzuheben; die Einzelstrafen für die im übrigen abgeurteilten 16 Diebstähle können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei festgesetzt wurden und von dem zur Teilaufhebung führenden Rechtsfehler nicht berührt werden. Eines gesonderten Ausspruchs über den Wegfall der Gesamtstrafe bei dem Angeklagten K. bedarf es nicht, weil seine Verurteilung insgesamt aufgehoben ist.
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Falls eine (mit-)täterschaftliche Beteiligung der Angeklagten an den (Banden-)Diebstahlstaten (vgl. hierzu BGHSt 46, 321, 334 ff.) nicht nachgewiesen werden kann, kommt im Hinblick auf die Zusage der Angeklagten, bei der Beuteverwertung mitzuwirken, eine Bestrafung wegen Beihilfe zum (schweren) Bandendiebstahl in Betracht, soweit die Angeklagten jeweils konkrete Diebstahlstaten der anderen Bandenmitglieder mit Gehilfenvorsatz unterstützt haben (vgl. BGH NStZ 1996, 493; 2002, 200, 201). Die Zusage der Mitwirkung bei der Verwertung der gestohlenen Fahrzeuge kann (zudem) versuchte Hehlerei in Form der (versuchten) Absatzhilfe sein (§§ 259 Abs. 1, 3, 260 Abs. 1, 2, 260 a Abs. 1, 22, 23 StGB; vgl. BGHR StGB § 259 Abs. 1 Absatzhilfe 5;. BGH NStZ-RR 1999, 208; NStZ 2002, 200, 201); bei dem für die Zwecke der Bande verwendeten Pkw im Fall II 2.1 kommt - falls eine Mitwirkung der Angeklagten an dieser Tat bewiesen, eine Beteiligung am Diebstahl aber nicht nachgewie-
sen werden kann (vgl. § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB) – neben dem Urkundendelikt (vgl. BGHSt 9, 235; 16, 94; BGH bei Holtz MDR 1981, 452; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 267 Rdn. 148, 199; Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. § 59 StVZO Rdn. 5 m.w.N.) eine Bestrafung wegen Begünstigung in Betracht (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 257 Rdn. 20). Im Hinblick auf die Fälle II 2.2 bis 2.5 der Urteilsgründe liegt möglicherweise nur eine (versuchte) Hehlereitat vor (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 29).
Tepperwien Kuckein Athing
Sost-Scheible

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

5 StR 572/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. September 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO dahin abgeändert, dass dieser Angeklagte wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Revision, jedoch wird die Gebühr um ein Zehntel ermäßigt. Ein Zehntel der im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in 98 Fällen und wegen versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in 59 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme von Tatmehrheit in den vom Landgericht als Betrug bzw. versuchten Betrug gewerteten 157 Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat ändert die Verurteilung entsprechend ab.
3
a) Nach den Feststellungen reichte der Angeklagte die Gutscheine für die Vermittlung von Arbeitslosen nicht selbst bei den Zweigstellen der geschädigten Bundesagentur für Arbeit ein. Auch stellte er die geschädigten Arbeitnehmer nicht bei der e. ein; diese Aufgabe nahm – entsprechend dem gemeinsamen Tatplan – die Nichtrevidentin Z. wahr. Die weitere Nichtrevidentin H. überwachte die Arbeitnehmer. Die Aufgabe des Angeklagten bestand allein darin, als faktischer Geschäftsführer der ausschließlich betrügerisch agierenden Vermittlungsfirma J. die Finanzangelegenheiten dieser Firma zu überwachen. Damit hat der Angeklagte im Vorfeld und während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge erbracht, durch die er alle Einzeldelikte seiner Bandenmitglieder gleichzeitig förderte. Seine Tatbeiträge erschöpften sich damit im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs und sind damit als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHSt 49, 177, 184; 48, 331, 343; BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR StGB 263 Täterschaft 1; BGH NJW 2004, 375, 378; 1998, 767, 769). Jedenfalls bei dieser hier vorzunehmenden rechtlichen Würdigung kann es offenbleiben , ob die Beschäftigung der einzelnen Arbeitnehmer mit für den Angeklagten im Ergebnis nutzlosen Tätigkeiten jeweils eigenständige Betrugsfälle darstellen könnte, wie das Landgericht angenommen hat. Die stoffgleiche Bereicherung des Angeklagten sollte vielmehr erst – wie das Landgericht zutreffend gesehen hat – durch die Auszahlung der Gelder der Zweigstellen der Bundesagentur für Arbeit eintreten.
4
Die Annahme von Gewerbs- und Bandenmäßigkeit wird durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses nicht berührt (vgl. BGHSt 49, 177, 182 ff., 187 f.). Ob die Mittäter des Angeklagten die einzelnen Delikte gege- benenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist ohne Bedeutung (vgl. BGHSt 49, 177, 183; BGH NStZ-RR 2003, 265, 267; wistra 2001, 336, 337).
5
b) Der Senat schließt aus, dass der geständige Angeklagte sich gegen die Änderung des Konkurrenzverhältnisses wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann im Ausgangspunkt als (Einzel-)Strafe bestehen bleiben. Ihre Zusammenziehung zu einer Tat lässt den Schuldumfang unberührt. Eine Auswirkung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten besteht nicht, weil deren Tätigkeitsfelder unterschiedlich waren und mithin auch ein anderer Sachverhalt für die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zugrundezulegen wäre.
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2. Jedoch ist die nunmehr als Strafe aufrechterhaltene Gesamtfreiheitsstrafe um zwei Monate wegen einer für das Revisionsverfahren festzustellenden rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 MRK) zu mindern. Die Revisionsbegründung ist am 18. Dezember 2006 beim Landgericht eingegangen. Erst elf Monate später, nämlich am 19. November 2007, sind die Akten dem Generalbundesanwalt vorgelegt worden, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Der Senat setzt die Strafe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst herab, um weitere Verfahrensverzögerungen zu vermeiden (vgl. BGH wistra 2007, 257; 231; 150, 153).
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger