Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2018 - 3 StR 245/18

bei uns veröffentlicht am24.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 245/18
vom
24. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:240718B3STR245.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 24. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 30. Januar 2018 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 9. September 2014 sowie Auflösung der durch Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 25. Januar 2016 gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Gesamtstrafenausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

3
a) Nach den Feststellungen beging der Angeklagte die abgeurteilte Tat am 4. März 2014. Nachfolgend verurteilte ihn das Amtsgericht Osnabrück mit Urteil vom 9. September 2014 wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten; diese Tat hatte er am 15. November 2013 ausgeführt. Sodann sprach ihn das Amtsgericht Bielefeld mit Urteil vom 30. Juli 2015 zweier Fälle des Diebstahls schuldig, datierend auf den 17. und 24. Oktober 2014, und erkannte hierfür auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Anschließend führte das Amtsgericht Osnabrück mit Beschluss vom 25. Januar 2016 die (Einzel-)Strafen aus diesen beiden Vorverurteilungen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten zurück.
4
b) Die Urteilsgründe zur Gesamtstrafenbildung leiden an einem Darstellungsmangel bereits deshalb, weil sie sich nicht zum Eintritt der Rechtskraft der vorausgegangenen Urteile vom 9. September 2014 und vom 30. Juli 2015 verhalten.
5
Zwar lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend sicher entnehmen, dass die Vorverurteilungen zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung im hiesigen Verfahren rechtskräftig waren. Das ergibt sich insbesondere auch daraus, dass anderenfalls das Amtsgericht Osnabrück keinen Gesamtstrafenbeschluss hätte erlassen dürfen.
6
Das Urteil teilt aber die Rechtskraftdaten der beiden Vorverurteilungen nicht mit; seinen Gründen lässt sich nicht entnehmen, dass diese strafrechtlichen Erkenntnisse zeitnah in Rechtskraft erwachsen sind. Anderenfalls bestünde die Möglichkeit, dass in den jeweiligen Verfahren den benannten Entscheidungen der Amtsgerichte Osnabrück und Bielefeld zeitlich folgend noch weitere tatrichterliche Urteile verkündet wurden; auch dies wäre darzulegen gewesen (s. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2002 - 3 StR 448/01, juris Rn. 5; Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1475).
7
Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB kommt es für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung auf dasjenige Urteil in dem früheren Verfahren an, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Das ist jede Entscheidung zur Schuld- und Straffrage, namentlich auch ein Berufungsurteil, wenn wenigstens noch über einen Teil des Strafausspruchs zu befinden war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. September 2009 - 3 StR 178/09, NStZ-RR 2010, 41; vom 3. Mai 2016 - 3 StR 101/16, juris Rn. 2; vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276; Sander, NStZ 2016, 584, 586 mwN).
8
Insbesondere für die Vorverurteilung durch das Amtsgericht Osnabrück am 9. September 2014 kommt hier in Betracht, dass in dem betreffenden Verfahren nach Verkündung dieses Urteils eine weitere Sachentscheidung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 StPO getroffen wurde. Denn der Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 25. Januar 2016 wäre auf der Grundlage der Feststellungen zu den Vorstrafen nur dann frei von Rechtsfehlern, wenn eine solche Entscheidung nach dem 24. Oktober 2014 - der Tatzeit der zweiten der beiden vom Amtsgericht Bielefeld abgeurteilten Diebstahlstaten - ergangen wäre. Dies hätte für die hiesige Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass nicht nur die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück, sondern auch die vom Amtsgericht Bielefeld festgesetzten Einzelstrafen mit einzubeziehen wären. Die Strafkammer hat demgegenüber von deren Einbeziehung abgesehen und ist somit ohne nähere Erörterung von der Rechtswidrigkeit des Gesamtstrafenbeschlusses vom 25. Januar 2016 ausgegangen.
9
2. Über die Gesamtstrafe ist nach alledem nochmals zu entscheiden, wobei der Senat von der § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, die Entscheidung dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Dabei wird die hierzu berufene Strafkammer zu beachten haben, dass insoweit der Vollstreckungsstand des gegen den Angeklagten ergangenen Gesamtstrafenbeschlusses zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (30. Januar 2018) maßgebend ist (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 6. März 2018 - 3 StR 530/17, StV 2018, 489, 490) und im Fall einer vom Ersturteil abweichenden Gesamtstrafenbildung auch Augenmerk auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu richten sein wird (s. etwa BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276). Becker Gericke Tiemann Berg Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 178/09
vom
1. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 4. auf dessen Antrag - am
1. September 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 16. Dezember 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Untreue (Tat vom 7. April 2005) verurteilt ist,
b) im Ausspruch über die beiden Gesamtstrafen. 2. Der Schuldspruch des vorbezeichneten Urteils wird im Übrigen dahin berichtigt, dass die Bezeichnung der Taten als "gewerbsmäßig" entfällt. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gewerbsmäßigen Betruges sowie wegen gewerbsmäßiger Untreue in 27 Fällen" unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie wegen "gewerbsmäßigen Betruges in 4 Fällen und gewerbsmäßiger Untreue in einem weiteren Fall" unter Einbeziehung einer weiteren Einzelstrafe zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen sowie der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Eine Untreuetat zum Nachteil der Frau G. vom 7. April 2005, für die das Landgericht eine Einzelstrafe von einem Jahr verhängt hat, ist in der Aufstellung der Taten in den Urteilsgründen (UA S. 29, 30) nicht enthalten und damit nicht festgestellt. Dies kann nur der neue Tatrichter nachholen.
3
2. Die gewerbsmäßige Begehungsweise der Betrugs- und der übrigen Untreuetaten (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB i. V. m. § 266 Abs. 2 StGB) ist rechtsfehlerfrei festgestellt. Sie findet indes, da es sich um ein Regelbeispiel für die Annahme eines besonders schweren Falls handelt, keine Aufnahme in die Urteilsformel (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 25 m. w. N.). Der Senat hat den Schuldspruch insoweit berichtigt.
4
3. Während die Zumessung der verbleibenden Einzelstrafen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, hält die Gesamtstrafenbildung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Bildung zweier Gesamtstrafen verkannt, dass der Verurteilung durch das Landgericht Kleve vom 21. Juli 2006 keine Zäsurwirkung zukommt.

5
Die hier abzuurteilenden Taten beging der Angeklagte überwiegend vor, teilweise auch nach der Verurteilung durch das Landgericht Kleve vom 21. Juli 2006. In diesem Urteil war der Angeklagte wegen fünf Betrugstaten und wegen einer Unterschlagung verurteilt worden. Auf die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 9. Januar 2007 bezüglich der Verurteilung wegen Unterschlagung sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Erst nach Begehung sämtlicher hier verfahrensgegenständlicher Taten hat das Landgericht Kleve sodann im zweiten Verfahrensdurchgang durch Urteil vom 25. Juni 2007 - erkennbar nach Einstellung des Verfahrens wegen des Vorwurfs der Unterschlagung - aufgrund der verbliebenen fünf Einzelstrafen wegen Betrugs auf eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt. Danach ist in einer weiteren Sache durch Urteil des Landgerichts Kleve (vom 23. November 2007 oder vom 18. Dezember 2007) aus diesen fünf Einzelstrafen sowie einer Einzelstrafe von acht Monaten wegen einer bereits im November/Dezember 1997 begangenen Betrugstat eine neue Gesamtstrafe von zwei Jahren und drei Monaten gebildet worden.
6
Nach diesen Feststellungen liegen die Voraussetzungen dafür vor, dass aus sämtlichen Einzelstrafen der hier abzuurteilenden Taten sowie aus den Einzelstrafen für die vorbezeichneten früheren Taten (unter Auflösung der im Urteil des Landgerichts Kleve vom 23. November 2007 oder vom 18. Dezember 2007 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe) eine einzige Gesamtstrafe gebildet werden muss. Voraussetzung für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB, dass die später abzuurteilenden Taten "vor der früheren Verurteilung" begangen worden sind. Für die Auslegung der Worte "vor der früheren Verurteilung" begangen kommt es auf die letzte tatrichterliche Entscheidung zur Schuld- oder Straffrage an (vgl. Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 55 Rdn. 6). Dies war in dem ersten vor dem Landgericht Kleve gegen den Angeklagten geführten Strafverfahren das nach Teilaufhebung ergangene zweite Urteil vom 25. Juni 2007, da dieses eine Sachentscheidung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB enthielt. Hierfür genügt auch eine Entscheidung über die Bildung einer Gesamtstrafe, wenn sie - wie hier - aufgrund einer tatrichterlichen Verhandlung ergangen ist (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 55 Rdn. 7).
7
Bei der vom Tatrichter vorzunehmenden Bildung einer einheitlichen Gesamtstrafe wird auch zu klären sein, ob die Einzelstrafe von acht Monaten wegen der Betrugstat im November/Dezember 1997 durch Urteil des Landgerichts Kleve vom 18. Dezember 2007 (so die Entscheidungsformel der angegriffenen Entscheidung) oder vom 23. November 2007 (so UA S. 12) verhängt worden ist.
Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer
2
Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat keinen Bestand, denn die insoweit unzureichenden Feststellungen tragen nicht die Annahme einer Gesamtstrafenfähigkeit der nunmehr verhängten Einzelstrafen mit der Strafe aus dem Urteil vom 1. September 2014 (§ 55 Abs. 1 Satz 2 StGB). Zwar wurde jenes Urteil erst am 27. Februar 2015 rechtskräftig, jedoch erlaubt allein dies nicht den sicheren Schluss, es habe - nach den neuerlichen Taten - eine Berufungshauptverhandlung mit nochmaliger Prüfung des Vorwurfs in tatsächlicher Hinsicht stattgefunden. Der Angeklagte kann hierdurch beschwert sein, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne die Einbeziehung der (milderen) Geldstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Der Senat macht von § 354 Abs. 1b StPO Gebrauch.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B4STR73.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 8. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 4. September 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Gelsenkirchen – Strafrichter – zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revi- sion der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Gesamtstrafenentscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
3
a) Wurde die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abgeurteilte Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde (vgl. Beschlüsse vom 17. November 2015 – 4 StR 276/15, StraFo 2016, 82; vom 7. Mai 2013 – 4 StR 111/13, wistra 2013, 354; Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 180 f.; Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13) oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2009 – 5 StR 269/09; vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369 f.; vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193).
4
b) Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer übersehen, dass in dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds–40 Js 2487/12–262/12, in dem die Angeklagte zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, am 23. Januar 2014 ein Berufungsurteil des Landgerichts Essen erging, in welchem zumindest über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wurde. Nach dieser Berufungsentscheidung, die zu einem Teil der Straffrage ergangen ist, bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB der Zeitpunkt der dieser Vorverurteilung zukommenden Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2015 – 4 StR 407/15, NStZ-RR 2016, 75 [LS]; vom 30. Juni 1960 – 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 69 ff.). Da die im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 mit einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten geahndete Tat am 14. Januar 2014, mithin vor dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen vom 23. Januar 2014 begangen wurde, sind beide Vorverurteilungen der Angeklagten untereinander gesamtstrafenfähig. Demgegenüber wurde die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat erst am 5. April 2014 und damit nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen verübt, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 nicht in Betracht kommt.
5
2. Die im angefochtenen Urteil verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten kann gleichfalls nicht bestehen bleiben. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hat im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 – 2 StR 584/95, StV 1996, 265 [LS]; vom 11. Februar 1988 – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203). Das Verschlech- terungsverbot führt hier dazu, dass die Einzelstrafe für die im angefochtenen Urteil neu abgeurteilte Tat und die zwingend nach § 460 StPO zu bildende Gesamtstrafe aus den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 sowie dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds– 40 Js 2487/12–262/12 zusammen die Dauer von 17 Monaten (Summe der Gesamtstrafen von elf Monaten aus dem angefochtenen Urteil und von sechs Monaten aus dem vorbezeichneten Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen) nicht übersteigen dürfen. Da die Höhe der nunmehr im Verfahren nach § 460 StPO noch festzusetzenden nachträglichen Gesamtstrafe aus den sich aus den Vorverurteilungen ergebenden (Einzel-)Strafen offen ist, hebt der Senat, um jede Schlechterstellung der Angeklagten auszuschließen, den Einzelstrafausspruch mit auf. Der neue Tatrichter wird – zweckmäßigerweise nach Durchführung des Verfahrens zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO – unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius eine neue Einzelstrafe zu bestimmen haben.
6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Angeklagte bei Begehung der neuerlichen Tat in drei – nicht wie von der Strafkammer angenommen in vier – Verfahren unter Bewährung stand, können bestehen bleiben. Neu getroffene ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
7
3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene richtet und die Strafgewalt des Strafrichters ausreicht, macht der Senat von seinem Ermessen Gebrauch (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 4 StR 75/94, BGHR StPO § 354 Abs. 3 Zuständigkeit 1 mwN) und verweist die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurück, der nach § 462a Abs. 3 Satz 1 StPO auch für die nach § 460 StPO vorzunehmende Gesamtstrafenbildung zuständig ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

5
2. Der Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Deren Bemessung begegnet indes bereits unabhängig davon durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragschrift ausgeführt: "Nach den Feststellungen (UA S. 4) wurde der Angeklagte am 7. August 2009 durch das Amtsgericht Hannover wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Zudem erließ das Amtsgericht Hannover gegen ihn am 2. Dezember 2009 einen Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen über 45 Tagessätze zu je 10 Euro. Beide Geldstrafen sind nach Darstellung des Landgerichts bereits vollständig vollstreckt (UA aaO). Ob diese Strafen im Rahmen der Gesamtstrafenbildung einzubeziehen waren, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weil die Strafkammer weder den Zeitpunkt der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten noch denjenigen ihrer Erledigung mitgeteilt hat, was zu einer Beurteilung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen einer Einbeziehung notwendig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2000 - 5 StR 280/00 und vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72). Eine nach Erlass des ersten Urteils erfolgte Erledigung stünde - wie das Landgericht möglicherweise rechtsirrig angenommen hat - einer Einbeziehung der Strafen nicht entgegen, zumal im Falle einer Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die Gesamtstrafenbildung in der neuen Verhandlung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verhandlung - hier also am 12. Oktober 2009 - vorzunehmen ist (st. Rspr. - etwa BGH, Beschluss vom 2. Mai 1989 - 1 StR 213/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1; Beschluss vom 21. August 2001 - 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; Be- schluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72 f.; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, NStZ-RR 2010, 106 f.; Beschluss vom 8. Oktober 2010 - 3 StR 368/10, Rdnr. 2; Beschluss vom 3. Mai 2011 - 3 StR 110/11, Rdnr. 6). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verurteilung vom 7. August 2009 Zäsurwirkung hinsichtlich solcher Straftaten entfaltet, die - wie die verfahrensgegenständlichen Taten - zeitlich vor dem Erlass dieser Entscheidung lagen, war das Urteil im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben. Denn im Falle einer Zäsurwirkung jener Entscheidung hätten die beiden Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Hannover vom 2. Juni 2010 und 21. Juli 2010 … nicht mit in die Gesamtstrafenbildung einbezogen wer- den dürfen."

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 530/17
vom
6. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:060318B3STR530.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 1. Juni 2017 im Strafausspruch aufgehoben ; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Während der Schuldspruch und die Einziehungsentscheidungen keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler erkennen lassen, kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Die Gesamtstrafenbildung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Wegen des Verbots der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) führt dies auch zur Aufhebung der - für sich gesehen ohne durchgreifenden Rechtsfehler bemessenen - Einzelstrafen.
3
1. Hinsichtlich der Gesamtstrafenbildung leiden die Urteilsgründe an einem Darstellungsmangel, weil sie sich nicht zum Vollstreckungsstand einer Vorverurteilung des Angeklagten verhalten.
4
Nach den Feststellungen beging der Angeklagte fünf der abgeurteilten Taten zu nicht näher bestimmten Zeiten zwischen Frühjahr 2014 und Frühjahr 2015, die weiteren drei von Frühjahr 2015 bis zum 8. März 2016. In dem erstgenannten Zeitraum verurteilte ihn das Amtsgericht Düsseldorf mit mittlerweile rechtskräftigem Strafbefehl vom 1. Juli 2014 wegen Verstoßes gegen das Markengesetz zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 €. Damit kommt in Betracht, dass diese Geldstrafe und die in dem angefochtenen Urteil für die ersten fünf Taten festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nachträglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückzuführen sind; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insoweit die Tatbeendigung noch vor dem Erlass des Strafbefehls am 1. Juli 2014 eintrat. Das hätte zur Folge, dass dieser Vorverurteilung Zäsurwirkung zukäme und neben der nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitstrafe eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe zu verhängen wäre, auf welche die für die danach begangenen Taten festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen zurückzuführen wären.
5
2. Durch die möglicherweise rechtsfehlerhaft gebildete Gesamtstrafe ist der Angeklagte beschwert. Sollte die Geldstrafe aus der Vorverurteilung nicht erledigt sein, wäre nicht auszuschließen, dass die mit der Vorstrafe gebildete nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe betreffend die zeitlich ersten der abgeurteil- ten Taten in einer Höhe ausgesprochen worden wäre, die eine Strafaussetzung zur Bewährung noch erlaubt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 295/13, juris Rn. 5; ferner Sander, NStZ 2016, 656, 662 f. mwN). Zwar hätte die Vollstreckung der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe für die nachfolgenden Taten nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil schon allein die Freiheitsstrafe für die Tat 8 - als Einsatzstrafe - auf zwei Jahre und acht Monate festgesetzt worden ist. Dies würde indes einer günstigen Kriminalprognose nicht von vornherein entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 480/07, juris Rn. 2), zumal der Angeklagte "nicht nennenswert und insbesondere nicht einschlägig vorbestraft" ist (UA S. 41).
6
3. Die Einzelstrafen sind ebenfalls aufzuheben, weil anderenfalls für den Fall, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden wären, deren Summe - auf Grund der Höhe der Einzelstrafen (Freiheitsstrafen von einem Jahr [zweimal], einem Jahr und vier Monaten [viermal], einem Jahr und sechs Monaten sowie zwei Jahren und acht Monaten) - die vormals verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zwingend übersteigen würde. Die Aufrechterhaltung der Einzelstrafen liefe damit dem Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zuwider, wonach dem Angeklagten ein durch fehlerhafte Gesamtstrafenbildung erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276).
7
4. Daher ist nochmals über den gesamten Strafausspruch zu befinden. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Darstellungsmangel nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie den bislang getroffenen nicht wider- sprechen, und zum Vollstreckungsstand des gegen den Angeklagten ergangenen früheren Strafbefehls geboten. Soweit es darauf ankommen sollte, kann die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer für die ersten fünf Taten - soweit möglich - auch die Tatzeiten näher eingrenzen.
8
Bei der neuerlichen Gesamtstrafenbildung wird die Strafkammer zu beachten haben, dass hinsichtlich der Vorverurteilung der Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (1. Juni 2017) maßgebend ist (s. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 10. Januar 2017 - 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169; vom 17. Oktober 2017 - 3 StR 423/17, juris Rn. 16) und eine Zäsurwirkung des Strafbefehls durch eine mögliche Entscheidung nach § 53 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht entfiele (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 1991 - 5 StR 156/91, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 55 Rn. 9a). RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Becker Spaniol Berg Leplow

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/16
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616B4STR73.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 8. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 4. September 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Gelsenkirchen – Strafrichter – zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revi- sion der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Gesamtstrafenentscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
3
a) Wurde die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abgeurteilte Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde (vgl. Beschlüsse vom 17. November 2015 – 4 StR 276/15, StraFo 2016, 82; vom 7. Mai 2013 – 4 StR 111/13, wistra 2013, 354; Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 180 f.; Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13) oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2009 – 5 StR 269/09; vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369 f.; vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193).
4
b) Bei der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer übersehen, dass in dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds–40 Js 2487/12–262/12, in dem die Angeklagte zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, am 23. Januar 2014 ein Berufungsurteil des Landgerichts Essen erging, in welchem zumindest über die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wurde. Nach dieser Berufungsentscheidung, die zu einem Teil der Straffrage ergangen ist, bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB der Zeitpunkt der dieser Vorverurteilung zukommenden Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2015 – 4 StR 407/15, NStZ-RR 2016, 75 [LS]; vom 30. Juni 1960 – 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 69 ff.). Da die im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 mit einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten geahndete Tat am 14. Januar 2014, mithin vor dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen vom 23. Januar 2014 begangen wurde, sind beide Vorverurteilungen der Angeklagten untereinander gesamtstrafenfähig. Demgegenüber wurde die im angefochtenen Urteil abgeurteilte Tat erst am 5. April 2014 und damit nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Essen verübt, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 nicht in Betracht kommt.
5
2. Die im angefochtenen Urteil verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten kann gleichfalls nicht bestehen bleiben. Das bei alleiniger Revision des Angeklagten zu beachtende verfahrensrechtliche Verbot der reformatio in peius aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hat im Falle der fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 – 2 StR 584/95, StV 1996, 265 [LS]; vom 11. Februar 1988 – 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212; Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 369/55, BGHSt 8, 203). Das Verschlech- terungsverbot führt hier dazu, dass die Einzelstrafe für die im angefochtenen Urteil neu abgeurteilte Tat und die zwingend nach § 460 StPO zu bildende Gesamtstrafe aus den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2014 sowie dem Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen Az. 16 a Ds– 40 Js 2487/12–262/12 zusammen die Dauer von 17 Monaten (Summe der Gesamtstrafen von elf Monaten aus dem angefochtenen Urteil und von sechs Monaten aus dem vorbezeichneten Verfahren des Amtsgerichts Gelsenkirchen) nicht übersteigen dürfen. Da die Höhe der nunmehr im Verfahren nach § 460 StPO noch festzusetzenden nachträglichen Gesamtstrafe aus den sich aus den Vorverurteilungen ergebenden (Einzel-)Strafen offen ist, hebt der Senat, um jede Schlechterstellung der Angeklagten auszuschließen, den Einzelstrafausspruch mit auf. Der neue Tatrichter wird – zweckmäßigerweise nach Durchführung des Verfahrens zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO – unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius eine neue Einzelstrafe zu bestimmen haben.
6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Angeklagte bei Begehung der neuerlichen Tat in drei – nicht wie von der Strafkammer angenommen in vier – Verfahren unter Bewährung stand, können bestehen bleiben. Neu getroffene ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
7
3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen eine Erwachsene richtet und die Strafgewalt des Strafrichters ausreicht, macht der Senat von seinem Ermessen Gebrauch (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 4 StR 75/94, BGHR StPO § 354 Abs. 3 Zuständigkeit 1 mwN) und verweist die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurück, der nach § 462a Abs. 3 Satz 1 StPO auch für die nach § 460 StPO vorzunehmende Gesamtstrafenbildung zuständig ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender