Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2019 - 3 StR 341/19

bei uns veröffentlicht am17.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 341/19
vom
17. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:170919B3STR341.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 20. Februar 2019 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 10. August 2017 der Beihilfe zu drei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung und mit Beihilfe zur Sachbeschädigung sowie der Bildung bewaffneter Gruppen schuldig gesprochen, hierfür eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Noch am Tag der Verkündung war diese Verurteilung rechtskräftig geworden.
2
Auf die Revision eines Mitangeklagten hat der Senat mit Urteil vom 14. Juni 2018 (3 StR 585/17) das landgerichtliche Urteil, soweit es den Angeklagten betraf, im Schuldspruch dahin geändert, dass er der Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung, mit Beihilfe zur Sachbeschä- digung sowie mit Bildung bewaffneter Gruppen schuldig ist, und es im Strafausspruch aufgehoben.
3
Nunmehr hat das Landgericht aufgrund des vom Senat geänderten Schuldspruchs auf eine Freiheitsstrafe von elf Monaten erkannt und diese mit der vom Amtsgericht Ebersberg mit Urteil vom 14. November 2017 festgesetzten Einzelstrafe nach Auflösung der dortigen Gesamtstrafe auf eine (unbedingte ) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat zurückgeführt und hierauf vom Angeklagten als Bewährungsauflage geleistete Zahlungen mit 30 Tagen angerechnet. Dagegen wendet er sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
4
Der näheren Betrachtung bedarf allein der Ausspruch über die Gesamtstrafe einschließlich der Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung:
5
1. Das Landgericht hat zu Recht gemäß § 55 StGB nachträglich auf eine Gesamtstrafe erkannt.
6
Die Voraussetzungen dieser Norm lagen im Urteilszeitpunkt erstmalig vor: Noch bevor der Senat das erste Urteil des Landgerichts im Strafausspruch aufgehoben hat, hatte das Amtsgericht Ebersberg den Angeklagten am 14. November 2017 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Tatzeit: 21. Juli 2017) unter Einbeziehung der - damals rechtskräftigen - Einzelstrafen aus dem landgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, wobei es für das Betäubungsmitteldelikt eine Freiheitsstrafe von vier Monaten festgesetzt hatte. Auf die Berufung des Angeklagten hatte das Landgericht München II am 10. Januar 2018 den Strafausspruch dahin geän- dert, dass die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden war. Diese Verurteilung ist mittlerweile rechtskräftig.
7
Zur Zeit der der Verkündung des angefochtenen Urteils vorausgegangenen letzten Tatsachenverhandlung lagen sämtliche Voraussetzungen des § 55 StGB vor. Für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ist der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Sachentscheidung zur Schuld- oder Straffrage maßgebend, auch wenn eine Sache nach (teilweiser) Aufhebung einer ersten Verurteilung vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist (s. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 - 2 StR 558/13, NStZ-RR 2014, 242, 243; ferner BGH, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 4 StR 22/12, NStZ-RR 2013, 7; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 55 Rn. 37 f.). Lediglich für den Vollstreckungsstand einer für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung in Betracht kommenden Vorstrafe gilt Abweichendes. Diesbezüglich ist auf den Zeitpunkt des früheren, in der Revisionsinstanz (teil-)aufgehobenen Urteils abzustellen, sollte die Strafe später vollstreckt worden sein. Denn dem Angeklagten soll durch sein Rechtsmittel nicht der einmal erlangte Rechtsvorteil der nachträglichen Gesamtstrafenbildung genommen werden (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 24. Juli 2018 - 3 StR 245/18, juris Rn. 9 mwN).
8
2. Die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung erweist sich ebenso wie die Bemessung der Gesamtstrafe als frei von Rechtsfehlern.
9
a) Für die nach § 56 Abs. 1 StGB zu treffende Prognose kommt es auf den für das aktuelle Urteil maßgebenden Zeitpunkt an; dies gilt auch im Fall einer nachträglich zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe (s. BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 - 2 StR 125/03, BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 33; vgl. auch § 58 Abs. 2 StGB).
10
Die Strafkammer hat bei ihrer Prognoseentscheidung namentlich die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Vorleben und seine Lebensverhältnisse, die Umstände der den einbezogenen Strafen zugrundeliegenden Taten sowie die zu erwartenden Wirkungen eines Strafvollzugs auf ihn berücksichtigt. Erhebliche Bedeutung hat sie dabei dem Verhalten beigemessen, das der Angeklagte "im Rahmen des Bewährungsverfahrens" aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Ebersberg vom 14. November 2017 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts München II vom 10. Januar 2018 zeigte. So handelte er wiederholt ihm erteilten Weisungen zuwider und entzog sich der Aufsicht und Leitung seiner Bewährungshelferin. Im Wege der gebotenen Gesamtwürdigung ist die Strafkammer zur Überzeugung gelangt, dass ihm insbesondere wegen dieser neuen Umstände gegenwärtig keine günstige Kriminalprognose mehr gestellt werden kann (UA S. 26 ff.). Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
11
b) Das Verbot der reformatio in peius nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegen. Das Landgericht durfte eine unbedingte Gesamtfreiheitsstrafe verhängen, obwohl vormals in dem - vom Senat teilaufgehobenen - Urteil vom 10. August 2017 die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt war. Dies fügt sich stimmig in bestehende Rechtsprechung ein:
12
Das Tatgericht darf grundsätzlich nicht von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung im Urteil absehen und sie dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen; vielmehr ist die Anwendung des § 55 StGB zwingend. Das gilt auch für das Tatgericht, das nach vom Revisionsgericht angeordneter (teilweiser) Aufhebung und Zurückverweisung mit der Sache befasst ist (s. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 4 StR 22/12, NStZ-RR 2013, 7). Für das Nachverfahren gemäß § 460 StPO gilt, dass auch dann eine Ver- sagung der Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommt, wenn in die Gesamtstrafe ausschließlich Freiheitsstrafen einbezogen sind, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt waren (s. BGH, Beschluss vom 3. Juli1981 - StB 31/81, BGHSt 30, 168, 170; ferner LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 460 Rn. 38 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 460 Rn. 17, jeweils mwN). Was indes dem Tatgericht im Beschlusswege erlaubt ist, kann ihm im Fall der - vorrangigen - Entscheidung durch Urteil nicht verwehrt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 1 StR 212/10, BGHSt 55, 220, 228 Rn. 36).
13
Hinzu kommt, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung in dem (teil-)aufgehobenen früheren Urteil die Anwendung des § 55 StGB ebenso wenig hindert, wenn die neu zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe nicht mehr aussetzungsfähig ist (s. BGH, Urteil vom 12. Januar 1993 - 5 StR 606/92, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 2; Beschluss vom 22. November 2001 - 1 StR 488/01, juris Rn. 2; KK-Gericke, StPO, 8. Aufl., § 358 Rn. 19).
Gericke Berg Hoch
Anstötz Erbguth

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
1. Für eine Gruppe im Sinne des § 127 StGB genügt eine Mindestanzahl von drei
Gruppenmitgliedern jedenfalls dann, wenn sie an einem Ort zusammenwirken. In
diesem Fall muss die Personenmehrheit weder eine Organisationsstruktur aufweisen
noch auf längere Zeit angelegt sein; ausreichend ist ein spontaner Zusammenschluss
für eine einmalige Unternehmung.
2. Eine Gruppe verfügt gemäß § 127 StGB nur dann über Waffen oder andere gefährliche
Werkzeuge, wenn die Ausstattung mit derartigen Gegenständen für den
gemeinsamen Gruppenzweck wesentlich ist und zugleich nach deren Art und
Gefährlichkeit den Charakter des Personenzusammenschlusses (mit-)bestimmt.
Für die Beurteilung von Gegenständen als gefährliche Werkzeuge kommt es -
neben ihrer objektiven Beschaffenheit - darauf an, ob ihnen nach dem Gruppenzweck
für den Fall der Verwendung eine waffengleiche Funktion zukommt.
BGH, Urteil vom 14. Juni 2018 - 3 StR 585/17 - LG München II
ECLI:DE:BGH:2018:140618U3STR585.17.1
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 585/17
vom 14. Juni 2018 in der Strafsache gegen

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.


wegen zu 1., 2., 4. und 6.: gefährlicher Körperverletzung u.a. zu 3., 5., 7. und 8.: Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung u.a. hier: Revision des Angeklagten N.

ECLI:DE:BGH:2018:140618U3STR585.17.0
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 8. März 2018 in der Sitzung am 14. Juni 2018, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch, Dr. Leplow als beisitzende Richter
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizamtsinspektor - in der Verhandlung -, Justizfachangestellte - bei der Verkündung - als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts München II vom 10. August 2017, auch soweit es die Angeklagten Gr. , G. , B. , C. , S. , R. und E. betrifft,
a) im Schuldspruch zu den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe dahin geändert, dass schuldig sind - die Angeklagten N. , Gr. , B. und S. zweier tateinheitlicher Fälle der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung, mit Sachbeschädigung sowie mit Bildung bewaffneter Gruppen , - die Angeklagten G. , C. , R. und E. der Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung, mit Beihilfe zur Sachbeschädigung sowie mit Bildung bewaffneter Gruppen,
b) im Strafausspruch zu den Fällen 4 und 5 sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. und den nichtrevidierenden Angeklagten Gr. jeweils wegen Volksverhetzung in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung, Bildung bewaffneter Gruppen sowie drei tateinheitlicher Fälle der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung und mit Sachbeschädigung verurteilt, den Angeklagten N. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten , den Angeklagten Gr. zu einer solchen von zwei Jahren und vier Monaten. Die nichtrevidierenden Angeklagten B. und S. hat es der Bildung bewaffneter Gruppen sowie dreier tateinheitlicher Fälle der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung und mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen und für beide auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung erkannt. Die nichtrevidierenden Angeklagten G. , C. , R. und E. hat das Landgericht wegen Bildung bewaffneter Gruppen sowie wegen Beihilfe zu drei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zu zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung und mit Beihilfe zur Sachbeschädigung verurteilt; gegen den Angeklagten G. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängt, gegen den Angeklagten C. eine Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 €, gegen den Angeklagten R. eine solche von 90 Tagessätzen zu je 15 € sowie gegen den Angeklagten E. eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten.
2
Gegen die Verurteilung im Fall 4 der Urteilsgründe (Bildung bewaffneter Gruppen) wendet sich der Angeklagte N. mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er hat erklärt, das Rechtsmittel auf den Schuldspruch zu diesem Fall zu beschränken. Die Revision erfasst indes auch den von Fall 4 nicht trennbaren Schuldspruch zum Fall 5 der Urteilsgründe (drei tateinheitliche Fälle der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung und mit Sachbeschädigung). In diesem Umfang der Anfechtung hat das Rechtsmittel - gemäß § 357 StPO auch zugunsten der sieben nichtrevidierenden Angeklagten - den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.


3
Zu den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Fall 4:
5
Nachdem die Angeklagten N. und Gr. vor dem am Ausgang des Bahnhofs Eb. gelegenen Döner-Imbiss gemeinschaftlich den Nebenkläger M. tätlich angegriffen hatten (Fall 3), begaben sie sich in die etwa 400 Meter entfernte gemeinsame Wohnung. Im Rahmen dieser vorangegangenen Auseinandersetzung war N. s T-Shirt im Ausschnitt eingerissen ; bei Gr. hatte sich sturzbedingt eine am Vortag provisorisch eingesetzte Zahnbrücke gelockert. Beide berichteten den in der Wohnung sukzessive eintreffenden sechs weiteren Angeklagten G. , B. , C. , S. , R. und E. wahrheitswidrig, sie seien von "Immigranten" vor dem DönerImbiss zusammengeschlagen worden. Nach einiger Zeit gaben N. und Gr. in der Absicht, sich an "den Ausländern" zu rächen, welche die in der Wohnung Anwesenden am Döner-Imbiss vermuteten, die Parole aus, dass "man jetzt runter gehe". N. bewaffnete sich mit einem circa einen Meter langen Baseballschläger, Gr. mit einer etwa 1,20 Meter langen Vorhangstange aus Holz und B. mit einem Schlosserhammer.
6
Anschließend brachen sämtliche Angeklagte - jeweils in Kenntnis der Bewaffnung einzelner von ihnen - zu dem Döner-Imbiss auf, um dort im Rahmen einer "Vergeltungsaktion", insbesondere unter Verwendung der mitgeführten Gegenstände, zu randalieren, zu drohen und zu prügeln. Vorneweg marschierten N. und Gr. , die gut erkennbar Baseballschläger und Holzstange in der Hand trugen, sowie B. , der den Hammer in eine Gesäßtasche seiner Hose gesteckt hatte, und S. . Die vier weiteren Angeklagten folgten jeweils in Zweierstärke versetzt, zunächst G. und E. , dann C. und R. . Auf dem Weg zum Bahnhof wurden aus der in dieser Weise angeordneten Formation - keinem Einzelnen zuordenbar - immer wieder aggressive Rufe laut, etwa "Denen zeigen wir's!", "Die machen wir fertig!" und "Die kauf' ich mir jetzt!".
7
2. Fall 5:
8
Am Bahnhof angekommen, betraten N. , B. und S. den Döner-Imbiss, um im einvernehmlichen Zusammenwirken den geplanten "Racheakt" durchzuführen. Beim Betreten zerschlug N. mit dem Baseballschläger die Glasfüllung der Eingangstür. Hierdurch aufgeschreckt, rannte ein (unbekannt gebliebener) dunkelhäutiger Mann davon. Gr. , der gerade den drei anderen folgen wollte, lief dem Flüchtenden in Umsetzung des gemeinsamen Tatentschlusses hinterher und traf ihn kurz danach mit einem mittels der Vorhangstange ausgeführten Schlag auf den Fuß, so dass der Mann zu Boden stürzte und einige Meter die Straße "hinunterkugelte"; dabei erlitt er zumindest Schmerzen. Im Gastraum des Imbiss schlug derweil N. dem Nebenkläger Sh. zunächst mit dem Baseballschläger - potentiell lebensbedrohlich - auf den Hinterkopf, sodann gegen die Rippen und auf das rechte Knie. Anschließend versetzte er ihm weitere Schläge und Tritte. Als der Zeuge Z. aus dem Küchenbereich zu Hilfe kam, schlug N. diesem, nachdem B. ihn durch einen Wurf des Schlosserhammers abgelenkt hatte, mit dem Baseballschläger auf den Rücken. Während des Angriffs äußerte S. lautstark Beleidigungen und Bedrohungen, unter anderem "Wir lassen euch brennen!", was die beiden Geschädigten ernst nahmen. Nach dem Schlag gegen den Zeugen Z. verließen N. , B. und S. den Imbiss ; N. kehrte allerdings noch einmal um und zertrümmerte mit dem Baseballschläger eine Glasvitrine. Durch ihre jederzeitige Eingriffsbereitschaft bestärkten G. , C. , R. und E. die tatausführenden Angeklagten in ihrem Tun.
9
Der Nebenkläger Sh. trug unter anderem eine Kopfplatzwunde, ein Schädel-Hirn-Trauma sowie Wirbelsäulen-, Brustkorb- und Knieprellungen davon. Der Zeuge Z. litt einige Tage an starken Rückenschmerzen.

II.


10
1. Der Angeklagte N. hat die Revision nicht wirksam auf den Schuldspruch zu Fall 4 der Urteilsgründe beschränkt. Vielmehr erstreckt sie sich auf den Schuldspruch zu Fall 5 der Urteilsgründe, weil die in diesen beiden Fällen verwirklichten Delikte miteinander idealkonkurrieren (dazu un- ten II. 2. c)). Die Beschränkung der Revision auf einzelne Straftaten ist unwirksam , soweit zwischen ihnen Tateinheit (§ 52 StGB) gegeben ist. Für die Bewertung der Konkurrenzverhältnisse ist dabei nicht eine irrtümliche Ansicht des Tatgerichts, sondern die zutreffend beurteilte Rechtslage maßgebend (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 1954 - 4 StR 310/54, BGHSt 6, 229, 230; vom 26. Mai 1967 - 2 StR 129/67, BGHSt 21, 256, 258; Urteil vom 17. Oktober 1995 - 1 StR 372/95, NStZ 1996, 203; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 21). In Teilrechtskraft erwachsen sind daher nur der Schuld- und Strafausspruch zu den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe.
11
2. Die aufgrund der Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils hinsichtlich der Fälle 4 und 5 der Urteilsgründe führt zur Änderung des diesbezüglichen Schuldspruchs. Auf der Grundlage der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte N. wegen zwei tateinheitlicher Fälle der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Bedrohung, mit Sachbeschädigung sowie mit Bildung bewaffneter Gruppen strafbar gemacht.
12
a) Im Fall 4 der Urteilsgründe hat die Strafkammer das Verhalten des Angeklagten N. zutreffend als Bildung bewaffneter Gruppen nach § 127 StGB beurteilt. Indem er und die sieben Nichtrevidenten sich - auf seine und Gr. s Initiative - zusammenschlossen und sich beide sowie B. mit Baseballschläger, Holzstange und Schlosserhammer ausrüsteten, um unmittelbar anschließend zu acht miteinander bzw. in räumlicher Nähe hintereinander zum Zweck einer "Vergeltungsaktion" zum Bahnhof zu marschieren, bildete er mit den anderen unbefugt eine Gruppe, die über gefährliche Werkzeuge verfügte. Entgegen der Auffassung der Strafkammer befehligte er die Gruppe indes nicht.
13
aa) Für die Auslegung der hier fraglichen Tatbestandsmerkmale - Gruppe , Verfügen über Waffen oder andere gefährliche Werkzeuge, Bilden sowie Befehligen - gilt:
14
(1) Unter einer "Gruppe" im Sinne des § 127 StGB ist eine Mehrheit von Personen zu verstehen, die sich zu einem gemeinsamen - identitätsstiftenden - Zweck zusammengeschlossen haben. Eine räumliche Verbindung der Personen ist nicht erforderlich. Wirken sie - wie hier - an einem Ort zusammen, sind keine weitergehenden Anforderungen an die Personenmehrheit zu stellen; sie muss insbesondere nicht eine Organisationsstruktur aufweisen oder auf längere Zeit angelegt sein. Ein spontaner Zusammenschluss für eine einmalige Unternehmung reicht aus. Jedenfalls im Fall eines solchen räumlichen Zusammenwirkens genügt eine Mindestanzahl von drei Mitgliedern. Dies ergibt sich aus Folgendem:
15
(a) Durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) hat der Gesetzgeber die Strafnorm des § 127 StGB sachlich erweitert. In dem Bestreben, die Rechtsgüter des inneren Rechtsfriedens sowie des staatlichen Gewaltmonopols wirksamer zu schützen (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 18, 28), hat er mit dem Tatbestandsmerkmal "Gruppe" - anstatt "Haufen" und "Mannschaft" - bewusst einen Begriff in die Vorschrift aufgenommen, der bereits zuvor im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs Verwendung fand. Die Gesetzesmaterialien zu dem geänderten § 127 StGB nennen ausdrücklich das auch in § 88 StGB normierte Merkmal "Gruppe" und nehmen Bezug auf dessen Auslegung, wonach eine Gruppe der nicht notwendigerweise auf Dauer angelegte Zusammenschluss mehrerer Personen zu einem gemeinsamen Zweck sei; es genüge - in der Regel - eine Mindestanzahl von drei Mitgliedern (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 57, 80; zu § 88 StGB s. nur Fischer, StGB, 65. Aufl., § 88 Rn. 5; LK/Laufhütte/Kuschel, StGB, 12. Aufl., § 88 Rn. 7; MüKoStGB/Steinmetz, 3. Aufl., § 88 Rn. 4). Dieses Verständnis hat der Reformgesetzgeber - nach anfänglichen Zweifeln (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 28) - auch der Änderung des § 127 StGB zugrunde gelegt (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 57, 80; BT-Drucks. 13/9064, S. 9). Des Weiteren ist er davon ausgegangen, dass sich die Gruppe vom "Haufen" dadurch unterscheide, dass sie keine "räumliche Zusammenfassung" der Personen erfordere , von der "Mannschaft" dadurch, dass es nicht auf einen bestimmten Grad von Organisation ankomme (BT-Drucks. 13/8587, S. 28).
16
(b) Bei Auslegung der Vorschrift ist dem dargelegten gesetzgeberischen Willen, der im Gesetzeswortlaut hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, Rechnung zu tragen. Dem entspricht es, dass das Vorliegen einer "Gruppe" neben der Voraussetzung eines Zusammenschlusses von mindestens drei Personen zu einem gemeinsamen Zweck nicht von weitergehenden inhaltlichen Kriterien abhängig gemacht wird.
17
(aa) Eine Organisationsstruktur oder eine auf einen gemeinsamen Zweck ausgerichtete organisierte Willensbildung - analog § 129 StGB in der bis zum 21. Juli 2017 gültigen Fassung (zu § 129 Abs. 2 StGB nF [BGBl. I S. 2440] s. BT-Drucks. 18/11275, S. 11, wonach sich auch die nunmehr legaldefinierte Vereinigung "durch eine - möglicherweise nur rudimentäre - Organisationsstruktur" von der Bande unterscheidet) - ist für die Gruppe nicht erforderlich. Soweit im Schrifttum eine abweichende Auslegung damit begründet wird, dass die Tathandlungsvarianten "befehligen" und "versorgen" eine solche Struktur voraussetzten (so Fischer, StGB, 65. Aufl., § 127 Rn. 3; Matt/Renzikowski/Kuhli, StGB, § 127 Rn. 3; NK-StGB-Ostendorf, 5. Aufl., § 127 Rn. 8), widerspricht dies nicht nur dem Willen des Gesetzgebers (ebenso LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 7; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 10, 12). Vielmehr ist auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass bei jedem von § 127 StGB erfassten Personenzusammenschluss die Verwirklichung sämtlicher im Tatbestand normierter Tathandlungsvarianten möglich sein muss (s. Lenckner, GS Keller, 2003, S. 151, 157 f.); hierauf lässt sich ein dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufendes Verständnis nicht gründen.
18
(bb) Ebenso wenig muss die Gruppe auf Dauer angelegt sein. Dem Tatbestandsmerkmal unterfallen auch Personenmehrheiten für einmalige Unternehmungen , selbst wenn sie spontan gebildet werden (sogenannte Ad-hocGruppen ; ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. August 2014 - 2 Ss 444/14, NStZ 2015, 398, 399; SSW-StGB/Fahl, 3. Aufl., § 127 Rn. 2; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 8; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 14; S/S-Sternberg -Lieben, StGB, 29. Aufl., § 127 Rn. 2). Zwar folgt aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht zwingend, dass der Gesetzgeber prinzipiell jede Einschränkung des Gruppenbegriffs unter einem zeitlichen Aspekt abgelehnt hat. Sie deuten jedoch auf ein solches Verständnis hin (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 28, wonach - in Abgrenzung zur Bande - der Wille, "für eine gewisse Dauer Straftaten zu begehen", nicht erforderlich ist). Auch dem Wortsinn und dem Gesetzeszweck ist eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. Soweit in der Literatur eine "gewisse Stabilität" der Gruppe in dem Sinne verlangt wird, dass über die gemeinsame Einzelunternehmung hinaus "eine Fortexistenz von wenigstens einigen Tagen zu erwarten" ist (so SK-StGB/Stein/Rudolphi, 141. Lfg., § 127 Rn. 4), ist dem nicht zu folgen. Ein Bedürfnis für eine derartige einschränkende Auslegung besteht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes nicht. Versammeln sich etwa Bewaffnete zur Ausübung von "Lynchjustiz" , so ist kein Grund dafür ersichtlich, die Strafbarkeit nach § 127 StGB davon abhängig zu machen, dass die betreffenden Waffenbesitzer noch geraume Zeit danach miteinander in Verbindung bleiben.
19
(cc) Im Hinblick auf die erforderliche Anzahl von Gruppenmitgliedern wird vielfach - mit Blick auf den ersten (freilich überholten) Reformentwurf (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 28) - vertreten, ein Mindestquorum könne nicht allgemeingültig festgelegt werden. Dieses sei vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der von § 127 StGB geschützten Rechtsgüter zu bestimmen. Es komme darauf an, ob der Gruppe in ihrer Zusammensetzung schon ein erhebliches Gefahrpotential für den inneren Rechtsfrieden zukomme, was - neben der zahlenmäßigen Größe - vom verfolgten Zweck, der Organisationsform , der Art der Ausrüstung, der Einsatzbereitschaft der Mitglieder sowie davon abhänge, ob es sich um eine räumlich zusammengeschlossene oder um eine weit verstreute Gruppe Einzelner handele (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. August 2014 - 2 Ss 444/14, NStZ 2015, 398, 399; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 10 f.; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 13).
20
Der Senat vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Ihr steht nicht nur der Wille des Reformgesetzgebers im weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens entgegen (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 57, 80; BT-Drucks. 13/9064, S. 9), sondern sie läuft auch den Prinzipien der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zuwider, indem sie einen rechtlich nicht gebotenen weiten Spielraum für subjektive Bewertungen eröffnet. Dass die Auffassung dem gesetzgeberischen Willen nicht entspricht, ergibt sich außerdem aus Folgendem: In dem ursprünglichen Entwurf war das gesetzliche Merkmal vorgesehen, die Gruppe müsse zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet sein (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 4, 28). In dem weiteren Gesetzgebungsverfahren ist hierauf verzichtet worden; denn der anstelle dessen eingefügte Begriff "unbefugt" sei das - tauglichere - entscheidende Kriterium, um unbedenkliche Personenmehrheiten auszuschließen (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 56 f., 80; BT-Drucks. 13/9064, S. 9). Grundsätzlich ist es daher verfehlt, die bewusst nicht normierte Eignung zur Friedensstörung im Hinblick auf die Mindestanzahl der Mitglieder in den Gruppenbegriff des § 127 StGB hineinzulesen.
21
(c) Die - dergestalt definierte - Gruppe im Sinne des § 127 StGB fügt sich in das System anderer im Strafgesetzbuch normierter Personenmehrheiten ein, weil sie sich von diesen hinreichend abgrenzen lässt und eigenständige Bedeutung behält (skeptisch im Hinblick auf den neuen, europarechtlich geprägten Vereinigungsbegriff des § 129 Abs. 2 StGB nF hingegen MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 12). An die Gruppe sind geringere Anforderungen zu stellen als an die - strafbarkeitsbegründende - Vereinigung sowohl nach § 129 Abs. 1 StGB aF als auch § 129 Abs. 1, 2 StGB nF und an die - strafbarkeitsqualifizierende - Bande etwa nach § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 oder § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
22
Während die Vereinigung nach altem Recht (§ 129 Abs. 1 StGB aF) auf eine gewisse Dauer angelegt sein musste (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11, NJW 2012, 325 f.) und eine Organisationsstruktur der Art erforderte, dass ein mitgliedschaftliches Zusammenwirken zu einem gemeinsamen Zweck mit verteilten Rollen und einer abgestimmten, koordinierten Aufgabenverteilung erforderlich war (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, NJW 2015, 1540), hängt das Bestehen einer Gruppe nicht von diesen Kriterien ab. Auch die Vereinigung nach § 129 Abs. 2 StGB nF muss nach der dortigen Legaldefinition auf - sogar - "längere" Dauer angelegt sein und erfordert hiernach ("organisierter Zusammenschluss") wie nach der Gesetzesbegründung eine gewisse - wenngleich rudimentäre - Organisationsstruktur (vgl. BT-Drucks. 18/11275, S. 11; ferner BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207). Außerdem verlangt § 129 Abs. 2 StGB nF erstmals, dass die Vereinigung ein über die Straftaten hinausgehendes "übergeordnetes gemeinsames Interesse" verfolgen muss (zum alten Recht vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 228 ff., wonach ein weitergehendes Ziel nicht zwingend erforderlich war, dessen Existenz aber regelmäßig den notwendigen übergeordneten Gemeinschaftswillen belegte). Von der Bande unterscheidet sich die Gruppe jedenfalls dadurch, dass erstere auf gewisse Dauer ausgerichtet sein muss (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321).
23
Sowohl die Vereinigung als auch die Bande muss auf die Begehung von - bestimmten - Straftaten gerichtet sein, wohingegen die Gruppe das spezifische unrechtsbegründende Gepräge durch das Erfordernis ihrer "Bewaffnung" erhält, das die anderen Personenzusammenschlüsse nicht kennen.
24
(d) Inwieweit eine Mehrheit von Personen, wenn diese nicht räumlich zusammenwirken , noch weitere Kriterien - etwa im Hinblick auf die Mindestanzahl oder die Organisationsstruktur - erfüllen muss, damit sie als Gruppe im Sinne des § 127 StGB zu beurteilen ist (s. etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. August 2014 - 2 Ss 444/14, NStZ 2015, 398, 399 ["gewisses Maß an Organisation" ]; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 127 Rn. 2), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
25
(2) Die Gruppe verfügt gemäß § 127 StGB über Waffen oder andere gefährliche Werkzeuge, wenn die Mitglieder imstande sind, auf die Gegenstände ungehindert Zugriff zu nehmen, um sie dem - identitätsstiftenden - Gruppenzweck entsprechend einsetzen zu können. Die "Bewaffnung" muss den Charakter der Gruppe (mit-)bestimmen. Während mit Waffen solche im technischen Sinn gemeint sind (vgl. MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 15 mwN), kommt es für die Beurteilung von Gegenständen als gefährliche Werkzeuge - neben deren objektiver Beschaffenheit - darauf an, ob ihnen nach dem Gruppenzweck im Fall der Verwendung eine waffengleiche Funktion zukommt.
26
(a) Die Gruppe verfügt über Waffen oder andere gefährliche Werkzeuge, wenn die Mitglieder jederzeit Zugriff auf sie haben oder ohne großen Aufwand erlangen können (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 17). Dass der Gesetzeswortlaut auf das Verfügen seitens der Gruppe, nicht der Mitglieder abstellt , bedeutet nicht, dass die Gegenstände zentral aufbewahrt werden müssen ; vielmehr genügt es, wenn sie im Besitz einzelner Gruppenangehöriger sind (vgl. MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 19).
27
Aus dem Merkmal des Verfügens durch die Gruppe selbst folgt indes das Erfordernis, dass eine solche Ausstattung mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen dem gemeinsamen Gruppenzweck dient. Die "Bewaffnung" muss für diesen Zweck wesentlich sein und zugleich nach Art und Gefährlichkeit der Gegenstände ein wesentliches Merkmal des Personenzusammenschlusses darstellen. Alleiniger Zweck oder Endziel des Sich-Zusammenschließens braucht sie hingegen nicht zu sein (vgl. auch LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 18; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 17).
28
§ 127 StGB verlangt kein Mindestquorum von mit Waffen bzw. gefährlichen Werkzeugen ausgerüsteten Gruppenmitgliedern, das abstrakt festzulegen wäre (anders SK-StGB/Stein/Rudolphi, 141. Lfg., § 127 Rn. 5b, die allerdings lediglich die "Bewaffnung" der für den Gruppenbegriff erforderlichen Mindestanzahl an Mitgliedern ["normalerweise also drei"] fordern). Ebenso wenig ist erforderlich, dass von den Gruppenangehörigen eine erhebliche Anzahl (vgl. indes SSW-StGB/Fahl, 3. Aufl., § 127 Rn. 5) oder gar die Mehrzahl (so aber Matt/Renzikowski/Kuhli, StGB, § 127 Rn. 6; NK-StGB-Ostendorf, 5. Aufl., § 127 Rn. 10) "bewaffnet" ist. Derartige quantitative Anforderungen sind schon deshalb nicht zu stellen, weil die Sachherrschaft über die Gegenstände - etwa im Fall einer zentralen Aufbewahrung - nicht durch die einzelnen Gruppenmitglieder ausgeübt werden muss. Hinzu kommt, dass das von der Gruppe ausgehende Gefahrenpotential nicht entscheidend von der Anzahl der "Bewaffneten" abhängig sein muss. Es verringert sich jedenfalls nicht mit einem zunehmenden "Überschuss" an "Unbewaffneten".
29
(b) Inwieweit Gegenstände als gefährliche Werkzeuge zu beurteilen sind, richtet sich nach der Art und Weise der nach dem Gruppenzweck bestimmten Verwendung.
30
Zwar hat der Reformgesetzgeber die Ansicht vertreten, für das Tatbestandsmerkmal "andere gefährliche Werkzeuge" könne "auf die Rechtspre- chungsgrundsätze … (zur) gefährlichen Körperverletzung ... zurückgegriffen" werden. Die Gegenstände müssten "nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet" sein, "erheblichere Körperverletzungen zuzufügen" (BT-Drucks. 13/9064, S. 9). Jedoch hat der Gesetzgeber dabei verkannt, dass für § 127 StGB eine tatsächliche Verwendung nicht erforderlich ist.
31
Die Rechtsprechung zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, wonach im Ergebnis zur Bestimmung der Gefährlichkeit allein auf objektive Umstände abzustellen ist (s. nur BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 - 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257, 269), kann ebenfalls nicht unbesehen übernommen werden (vgl. Lenckner, GS Keller, 2003, S. 151, 158 f.; für ein einheitliches Verständnis hingegen SSW-StGB/Fahl, 3. Aufl., § 127 Rn. 4; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 127 Rn. 4; Matt/Renzikowski/Kuhli, StGB, § 127 Rn. 5, wobei allerdings die jeweils favorisierte Auslegung nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht). Bei diesen Qualifikationstatbeständen erhöht allein das Bei-sich-Führen von Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen die abstrakte Gefährlichkeit schon für sich gesehen strafbewehrter Handlungen. Beim Tatbestand des § 127 StGB betrifft demgegenüber die bloße Verfügungsgewalt über derartige Gegenstände den die Strafsanktion legitimierenden Unrechtskern. Eine bloß abstrakte Gefährlichkeit ist indes zur Eingrenzung strafwürdigen Verhaltens nicht geeignet; hiernach wäre etwa auch eine ihren Sport ausübende Baseballmannschaft erfasst.
32
Vielmehr kann allein in der Verwendungsbestimmung ein taugliches Abgrenzungskriterium gesehen werden. Maßgebend ist, wie die Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen geeignet sind, gegebenenfalls eingesetzt werden sollen. Auch in den Gesetzesmaterialien ist ausgeführt, mit der Formulierung "andere gefährliche Werkzeuge" würden solche Gegenstände erfasst, "die - wie z.B. Baseballschläger - ihre Bestimmung zur Verletzung von Personen erst unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls" erhielten (BT-Drucks. 13/9064, S. 9).
33
Da die Gruppe über die gefährlichen Werkzeuge verfügen muss, hängt es von der Bestimmung durch die Gruppe und nicht durch das einzelne Mitglied ab, welche Funktion den zu beurteilenden Gegenständen im Fall ihrer Verwendung zukommen soll (s. Lenckner, GS Keller, 2003, S. 151, 160; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 16). Dies richtet sich nach dem Gruppenzweck, der durch die "Bewaffnung" gefördert werden und für den diese - wie unter (a) ausgeführt - wesentlich sein muss. Ausreichend ist dabei die Bereitschaft der Gruppe, die Gegenstände wie eine Waffe für den gemeinsamen Zweck einzusetzen (vgl. S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 127 Rn. 2 aE; ferner SSW-StGB/Fahl, 3. Aufl., § 127 Rn. 4: vorgestellte Verwendung; LK/Krauß aaO: in Aussicht genommene Benutzung). Ein Verwendungswille zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen bei Menschen ist dagegen nicht erforderlich. Etwa auch dann, wenn die Gegenstände dazu vorgesehen sind, Gewalt gegen andere anzudrohen, kommt ihnen eine waffengleiche Funktion zu; denn aus verständiger Sicht eines potentiellen Opfers sind sie für derartige Verletzungshandlungen bestimmt (s. auch SK-StGB/Stein/Rudolphi, 141. Lfg., § 127 Rn. 5a, die auf einen naheliegenden Missbrauch für den Fall des Scheiterns oder der Bedrängnis abstellen).
34
(c) Ob umgekehrt Waffen aus dem Anwendungsbereich des § 127 StGB ausgenommen sind, wenn sie nach dem Gruppenzweck nicht zu einem Einsatz gegenüber Menschen bestimmt sind (vgl. Lenckner, GS Keller, 2003, S. 151, 159), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Eine derartige Einschränkung ließe sich indes damit begründen, dass die "Bewaffnung" - wie unter (a) dargelegt - nach Art und Gefährlichkeit ein wesentliches Merkmal der Gruppe darstellen muss. Die Gefährlichkeit dürfte sich dabei wiederum nach der gemäß dem gemeinsamen Zweck im Einzelfall vorgesehenen Verwendung richten. Für die vorliegende Entscheidung kommt es auf diese Frage allerdings nicht an.
35
(3) Der Straftatbestand des § 127 StGB sieht unterschiedliche Tathandlungsvarianten vor. In Betracht kommen hier das Bilden und das Befehligen einer Gruppe, während ein Unterstützen - wie bei § 129 Abs. 1 Satz 2, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB - nur durch ein Nichtmitglied begangen werden kann (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 23; NK-StGB-Ostendorf, 5. Aufl., § 127 Rn. 15; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 29).
36
(a) Eine Gruppe im Sinne des § 127 StGB bildet, wer als späteres Mitglied oder Nichtmitglied dafür sorgt, dass sich "bewaffnete" Personen in der erforderlichen Anzahl zu dem gemeinsamen Zweck zusammenschließen, oder als Mitglied eine Personenmehrheit, die nicht über die notwendigen Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeuge verfügt, hiermit ausrüstet. Diese Tathandlungsvariante können auch die sich zu einer Gruppe zusammenschließenden Personen mittäterschaftlich begehen (vgl. SSW-StGB/Fahl, 3. Aufl., § 127 Rn. 6; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 20; Matt/Renzikowski/Kuhli, StGB, § 127 Rn. 9; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 20 f.; S/S-SternbergLieben , StGB, 29. Aufl., § 127 Rn. 3). Ob auch derjenige eine Gruppe bildet, der als Außenstehender eine bestehende Gruppe erstmals mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen ausstattet (so die Kommentarliteratur; vgl. nur SK-StGB/Stein/Rudolphi, 141. Lfg., § 127 Rn. 6 mwN), oder ob dieses Verhalten unter die Tathandlungsvarianten des Versorgens mit Waffen bzw. des ("sonst") Unterstützens fällt, kann hier dahinstehen.
37
(b) Eine Gruppe im Sinne des § 127 StGB befehligt derjenige, dessen Anweisungen sich die Mitglieder unterordnen und der - als Mitglied, gegebenenfalls gleichberechtigt mit weiteren Befehlshabern - die tatsächliche Kommandogewalt innehat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich die Gruppe rein tatsächlich den Anweisungen des Täters unterwirft. Vollendung liegt mit dem Erteilen des Befehls vor, solange der Täter über eine Position in der Gruppe verfügt, in der seine Befehle in der Regel befolgt werden (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 21; Matt/Renzikowski/Kuhli, StGB, § 127 Rn. 10; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 127 Rn. 22 f., 42). In diesem Sinne kann das Befehligen auch damit umschrieben werden, dass derjenige, der innerhalb der Gruppe "das Sagen hat" und dem sich die anderen Gruppenmitglieder unterordnen , einseitige - als verbindlich betrachtete - Anweisungen erteilt (ähnlich S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 127 Rn. 4).
38
bb) Gemessen an den dargelegten rechtlichen Maßstäben hat der Angeklagte N. nach den Feststellungen den Tatbestand des § 127 StGB erfüllt , zwar nicht in der Variante des Befehligens, aber in derjenigen des Bildens:
39
Für die Annahme einer - ad hoc gebildeten - Gruppe genügt der Zusammenschluss der acht Angeklagten in dem Zeitpunkt, in dem sich die Beteiligten über den gemeinsamen Zweck einer "Vergeltungsaktion" endgültig einigten. Sie waren hierzu fest entschlossen, als sie die Wohnung in Richtung des Bahnhofs verließen. Wenngleich die Gruppenmitglieder versetzt losmarschierten, wirkten sie in räumlicher Hinsicht zusammen.
40
Der Baseballschläger, die Holzstange und der Schlosserhammer stellten gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 127 StGB dar. Sie wurden in waffengleicher Funktion mit entsprechender Gebrauchsbereitschaft mitgeführt; sie waren nach dem übereinstimmenden Willen der acht Angeklagten zum Randalieren, Drohen und Prügeln bei dem beabsichtigten "Racheakt" bestimmt. Ohne dass es entscheidend darauf ankommt, wurde der Schläger, nachdem die Gruppe bereits gebildet war, tatsächlich dem Gruppenzweck entsprechend bei einer Körperverletzungshandlung als gefährliches Werkzeug gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingesetzt. Dass die Stange (dazu unten II. 2. b) aa) (1)) und der Hammer später nicht nach dieser Strafvorschrift verwendet wurden, nimmt ihnen - nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben (s. II. 2. a) aa) (2) (b)) - nicht zugleich die Eigenschaft als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 127 StGB. Nach Art und Gefährlichkeit der drei - offen zur Schau getragenen - Gegenstände sind diese als ein wesentliches Gruppenmerkmal anzusehen.
41
Der Angeklagte N. hat die Gruppe gebildet, indem er, gemeinschaftlich handelnd, deren Mitglieder zum Zweck der "Vergeltungsaktion" zusammenführte. Zudem sorgte er dafür, dass die in der Wohnung vorhandenen gefährlichen Gegenstände in die Verfügungsgewalt der Gruppenmitglieder gelangten. Dagegen lässt sich - entgegen der rechtlichen Würdigung des Landgerichts - den Feststellungen nicht entnehmen, dass der Angeklagte N. die Gruppe auch befehligte. Sie belegen nicht, dass er gleichsam die tatsächliche Kommandogewalt innehatte und einseitig Anweisungen erteilte. Hierfür genügt nicht, dass er zusammen mit Gr. der Ideengeber und Initiator des "Racheakts" war. Dass beide, "weiterhin unterstützt von ihren Freunden (den weite- ren Nichtrevidenten), … die Parole" ausgaben, "dass man jetzt 'runter gehe'" (UA S. 32), kann nicht ohne weiteres als eine von den Nichtrevidenten für verbindlich gehaltene Anweisung angesehen werden, auch wenn sie sich auf die Parole hin wunschgemäß verhielten. Das Voranschreiten beim Marschieren und das Gewicht der Tatbeiträge im Rahmen der nachfolgenden gemeinschaftlichen Deliktsbegehung haben für ein Befehligen ohnehin keine maßgebende Bedeutung.
42
Dass der Angeklagte N. im Sinne des § 127 StGB unbefugt handelte , bedarf keiner Begründung, so dass auch dahinstehen kann, ob es sich bei diesem Merkmal um einen Hinweis auf das allgemeine Rechtswidrigkeitserfordernis oder ein zusätzliches sachliches Kriterium zur Eingrenzung des tatbestandlichen Unrechts handelt (zum Streitstand s. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 29 ff.; SK-StGB/Stein/Rudolphi, 141. Lfg., § 127 Rn. 5f; S/S-Sternberg -Lieben, StGB, 29. Aufl., § 127 Rn. 3 f.).
43
b) Im Fall 5 der Urteilsgründe hat die Strafkammer zutreffend die diversen Gewalthandlungen des Angeklagten N. zum Nachteil des Nebenklägers Sh. als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 StGB, seinen Schlag gegen den Zeugen Z. als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 StGB, die dem Tatplan entsprechende Ver- brechensandrohung durch S. als - gegenüber beiden Geschädigten tateinheitlich begangene - Bedrohung nach § 241 Abs. 1, § 52 StGB und das Zerschlagen der Glasfüllung der Tür sowie der Glasvitrine durchden Angeklagten N. als Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB gewertet. Näherer Betrachtung bedarf lediglich die von Gr. vorgenommene Misshandlung des unbekannten Flüchtenden:
44
aa) Diese dem gemeinsamen Tatplan entsprechende, demAngeklagten N. als Mittäter zuzurechnende Tat stellt weder eine mittels eines gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) noch eine mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) begangene, sondern lediglich eine einfache Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) dar.
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(1) Die Feststellungen belegen nicht, dass Gr. bei dem Flüchtenden den Körperverletzungserfolg mittels der Vorhangstange als gefährlichem Werkzeug hervorrief. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt. Wird eine Person durch einen gezielten Hieb mit einem Schlagwerkzeug zu Fall gebracht, kann der Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur erfüllt sein, wenn bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens ausgelöst wird. Erst mittelbar, infolge eines anschließenden Sturzes erlittene Schäden sind dagegen nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Schlagwerkzeug und Körper zurückzuführen, so dass eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung allein hierauf nicht gestützt werden kann (vgl. KG, Beschluss vom 13. Mai 2011 - 1 Ss 20/11, NStZ 2012, 326, 327; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 224 Rn. 3a; ferner - entsprechend für einen Anstoß mit dem Kraftfahrzeug - BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 292/12, juris Rn. 10 f.; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37; vom 4. November 2014 - 4 StR 200/14, NStZ-RR 2015, 244). Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass schon Gr. s Schlag mit der Vorhangstange auf den Fuß des Weglaufenden für diesen schmerzhaft war; vielmehr deuten sie darauf hin, dass der Einsatz der Stange zum Stolpern führte und die Schmerzen erst sturzbedingt eintraten.
46
(2) Auf der Grundlage der Feststellungen liegt auch eine gemeinschaftliche Begehungsweise nicht vor. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist nur gegeben, wenn Täter und weiterer Beteiligter bei der Begehung der Körperverletzung einverständlich zusammenwirken, wobei es bereits genügt, wenn ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 158/12, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 Gemeinschaftlich 4 mwN). Daran fehlt es indes, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. Denn in einem solchen Fall stehen dem jeweiligen Opfer die Beteiligten gerade nicht gemeinschaftlich gegenüber. Damit mangelt es an dem Grund für die Strafschärfung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, der in der erhöhten abstrakten Gefährlichkeit der Tat liegt, wenn einem Geschädigten mehrere Angreifer körperlich gegenüberstehen und er deshalb in seiner Verteidigungsmöglichkeit objektiv oder aus seiner subjektiven Sicht eingeschränkt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 3 StR 171/15, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 Gemeinschaftlich 5; vom 25. Juli 2017 - 3 StR 93/17, NStZ-RR 2017, 339; ferner BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573). Da den Feststellungen zufolge N. , B. sowie S. im Tatzeitpunkt darin begriffen waren, den Döner-Imbiss zu betreten, und der unbekannte Flüchtende , nachdem er sich bereits einige Meter entfernt hatte, allein dem gesonderten Angriff Gr. s ausgesetzt war, lag ein gemeinschaftliches Zusammenwirken mehrerer Personen zum Nachteil dieses Geschädigten nicht vor.
47
bb) Für eine eventuelle Verurteilung des Angeklagten N. wegen einer zum Nachteil des unbekannten Flüchtenden tateinheitlich verwirklichten Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB mangelt es an der Verfahrensvoraussetzung des § 230 Abs. 1 StGB; weder liegt ein Strafantrag vor, noch hat die Staatsanwaltschaft in Bezug auf diese Tat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
48
cc) Der Senat kann hinsichtlich des Schuldspruchs analog § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst dahin entscheiden, dass diese Verurteilung des Angeklagten N. wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des unbekannten Flüchtenden ersatzlos in Wegfall gerät. Denn in einer neuen Hauptverhandlung sind keine weitergehenden Feststellungen zum Einsatz der Holzstange als gefährliches Werkzeug zu erwarten. Gleiches gilt für einen hierauf bezogenen Vorsatz des Angeklagten Gr. , der zu einer - dem Angeklagten N. zurechenbaren - Strafbarkeit wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung führte.
49
c) Hinsichtlich der Konkurrenzen hat die Strafkammer zutreffend angenommen , dass sämtliche Taten im Fall 5 der Urteilsgründe aufgrund natürlicher Handlungseinheit miteinander idealkonkurrieren (§ 52 StGB). Die Tatausführenden verübten die Delikte aufgrund des zuvor gefassten einheitlichen Tatentschlusses in engem zeitlichen, räumlichen und situativen Zusammenhang. Die Handlungen fanden zum Teil zeitgleich statt; im Übrigen gingen sie unmittelbar ineinander über. Wenngleich eine natürliche Handlungseinheit regelmäßig nicht naheliegt, falls mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter unterschiedlicher Rechtsgutsträger verletzt werden, ist sie doch auch in derartigen Fällen ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn - wie hier - eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen des außergewöhnlich engen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2000 - 4 StR 354/00, NJW 2001, 838, 839 mwN; Urteil vom 29. März 2012 - 3 StR 422/11, StV 2013, 382, 383). Ohnehin beschwert die Annahme von Tateinheit den Angeklagten N. nicht.
50
Entgegen der Auffassung der Strafkammer steht auch die Tat im Fall 4 der Urteilsgründe in Idealkonkurrenz zu der Gesamtheit der Delikte im Fall 5 der Urteilsgründe. Sofern der Tatbestand des § 127 StGB in der Tathandlungsvariante des Bildens verwirklicht wird, ist im Verhältnis zu einer von einem Gruppenmitglied in Realisierung des Gruppenzwecks ausgeführten Tat zwar grundsätzlich Tatmehrheit anzunehmen (vgl. SSW-StGB/Fahl, 3. Aufl., § 127 Rn. 15; BeckOK StGB/v. Heintschel-Heinegg, § 127 Rn. 16; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 127 Rn. 39; Matt/Renzikowski/Kuhli, StGB, § 127 Rn. 27). Das gilt jedoch - abhängig von den konkreten Umständen - nicht, wenn es sich um einen für die strafbare Einzelunternehmung spontan gebildeten, nur für kurze Zeit existierenden Personenzusammenschluss (Ad-hoc-Gruppe) handelt. Hier formierte sich die Gruppe, als sich die Mitglieder über die "Vergeltungsaktion" abschließend einigten; zu den Straftaten (dem Randalieren, Drohen, Prügeln vor und in dem Döner-Imbiss), in denen sich der Gruppenzweck erschöpfte, waren sie fest entschlossen , als sie die Wohnung in Richtung des Bahnhofs verließen.
51
3. Die Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich der Fälle 4 und 5 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der für diese Fälle verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Die zugehörigen Feststellungen bleiben von den allein den Schuldspruch betreffenden Wertungsmängeln unberührt und können somit bestehen bleiben (s. § 353 Abs. 2 StPO).
52
4. Die Schuldspruchänderung hinsichtlich der Fälle 4 und 5 sowie die Aufhebung des diesbezüglichen Straf- und des Gesamtstrafenausspruchs sind gemäß § 357 StPO auf die sieben nichtrevidierenden Angeklagten zu erstrecken , weil die dargelegten Rechtsfehler sie gleichermaßen betreffen.
53
Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Ri‘inBGH Dr. Spaniol befindet Berg sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hoch Leplow

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 5 5 8 / 1 3
vom
19. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 19. April 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe abgesehen wurde; insoweit wird die Sache zur Entscheidung gemäß §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

1
In einem ersten Urteil vom 8. Juli 2011 hatte das Landgericht den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen, weil eine konkrete Erfolgsaussicht nicht bestehe.
2
Der Senat hat auf die Revision des Angeklagten dieses Urteil aufgehoben , soweit eine Unterbringung unterblieben war, und die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen (Beschluss vom 12. Juli 2012 - 2 StR 602/11).
3
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer hat ein weiteres, auf einer neuen Anklage vom 1. Juni 2012 basierendes Verfahren hinzuverbunden. Mit Urteil vom 19. April 2013 hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet; von dem neuen Tatvorwurf hat es ihn freigesprochen. Von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit einer am 20. März 2013 vom Amtsgericht Köln rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen einer am 19. Dezember 2012 begangenen Tat hat das Landgericht abgesehen, weil Schuldspruch und Strafausspruch in der vorliegenden Sache mit dem Beschluss des Senats vom 12. Juli 2012, mithin vor Begehung der neuen Tat, rechtskräftig geworden seien.

II.

4
Die Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB ist rechtsfehlerfrei; die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist insoweit unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Urteil war aber aufzuheben, soweit von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe abgesehen wurde.
5
1. Für die Anwendbarkeit des § 55 StGB kommt es auf die letzte tatrichterliche Sachentscheidung zur Schuld- oder Straffrage an (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 1960 - 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 69 f.; BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 178/09, NStZ-RR 2010, 41; LK/Rissing-van Saan, 12. Aufl., § 55 Rn. 6 f.; Sternberg/Lieben in Schönke/ Schröder, StGB, 28. Aufl., § 55 Rn. 6 ff.). Anders hingegen ist es bei der Vollstreckungssituation : für deren Beurteilung ist der Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verurteilung maßgeblich, da dem Angeklagten der einmal erlangte Rechtsvorteil der nachträglichen Gesamtstrafenbildung durch sein Rechtsmittel nicht genommen werden soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 3 StR 141/13, StraFo 2013, 474 f.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 55 Rn. 6a, 37, jeweils mwN).
6
2. Danach ist - entgegen der Ansicht des Landgerichts - für die Anwendbarkeit des § 55 StGB auf das zweite Urteil vom 19. April 2013 abzustellen.
7
Hierbei handelt es sich schon deswegen um eine tatrichterliche Sachentscheidung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB, weil das Landgericht auch über ein nachträglich hinzuverbundenes Verfahren verhandelt und - indem es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat - entschieden hat.
8
Hinzu kommt, dass auch die Frage der Unterbringungsanordnung eine tatrichterliche Sachentscheidung, insoweit zur Straffrage, darstellt. Zwar handelt es sich dabei - isoliert betrachtet - um eine vom eigentlichen Strafausspruch getrennte Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Diese betrifft aber wegen der vom Tatgericht in der Folge zu prüfenden Frage, wie die Vollstreckungsreihenfolge geregelt werden soll (§ 67 Abs. 1 und 2 StGB), zwangsläufig den Strafausspruch; dies wird insbesondere in den Fällen deutlich, in denen eine Entscheidung über den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB zu treffen ist, bei der es wegen der Orientierung am Halbstrafenzeitpunkt entscheidend auf die Dauer der (Gesamt -)Freiheitsstrafe ankommt. Insoweit, aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Sollvorschrift ist daher noch eine Entscheidung über den Strafausspruch zu fällen (vgl. Fischer aaO § 67 Rn. 9), zu der gegebenenfalls gesonderte Feststellungen (Therapiedauer) getroffen werden müssen. Solange diese Entscheidung - wie hier - noch aussteht, ist über die Straffrage gerade nicht abschließend tatrichterlich entschieden und eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung möglich.
9
Insoweit ist diese Konstellation mit dem Fall vergleichbar, dass nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht nur noch eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zu treffen ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es sich dabei um eine Entscheidung über die Straffrage im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB handelt, obwohl die Strafhöhe nicht mehr abänderbar ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 1960 - 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66, 70; LK/Rissing-van Saan aaO; Fischer aaO § 55 Rn. 6; Sternberg/Lieben aaO Rn. 9). Gleiches gilt für die Entscheidung über eine unterbliebene Gesamtstrafenbildung selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 178/09, NStZ-RR 2010, 41 mwN).
10
Die Teilrechtskraft des Strafausspruchs steht dabei der Anwendung des § 55 StGB nicht entgegen, da sogar das nachrangige Beschlussverfahren gemäß § 460 StPO einen Eingriff in die Rechtskraft erlaubt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 4 StR 22/12, wistra 2012, 221; vgl. auch Beschluss vom 7. Juli 2010 - 1 StR 212/10, BGHSt 55, 220 Rn. 35 ff.).
11
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO zu entscheiden. Die Kosten- und Auslagenentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten, bei dem auch die auf UA S. 33 erwähnten, zum Urteilszeitpunkt freilich nicht rechtskräftigen weiteren Verurteilungen in den Blick zu nehmen sein werden. Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 22/12
vom
22. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Oktober 2011, soweit hinsichtlich des Angeklagten eine Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist, mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 28. September 2010 wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Der Senat hob dieses Urteil mit Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11 – insoweit auf, als dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden war. Das Landgericht hat nunmehr die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe erneut abgelehnt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit die Strafkammer die Vorschrift des § 55 StGB außer Acht gelassen und es versäumt hat, unter Einbeziehung der Strafe von sieben Jahren aus dem seit 23. Februar 2011 rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. August 2010 nachträglich eine neue Gesamtstrafe zu bilden.
3
§ 55 StGB regelt die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe. Die Vorschrift soll ihrem Grundgedanken nach sicherstellen, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren, so dass der Täter im Ergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13). Hierbei kommt es maßgeblich allein auf die materiell-rechtliche Regelung und nicht auf die verfahrensrechtliche Situation an (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 192 f.). Die Anwendung des § 55 StGB ist für den Tatrichter zwingend. Er darf daher die Entscheidung über eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe grundsätzlich nicht dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 1958 – GSSt 2/58, BGHSt 12, 1; Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 369/03, NStZ 2005, 32). Dies gilt auch für den Tatrichter, der nach in der Rechtsmittelinstanz erfolgter (teilweiser) Aufhebung und Zurückverweisung mit der Sache befasst wird. Eine durch Teilaufhebung und –zurückverweisung eingetretene Teilrechtskraft des Strafausspruchs steht – bei neu entstandener oder bislang unbekannt gebliebener Gesamtstrafenlage im Sinne des § 55 StGB – einer Anwendung des § 55 StGB durch den Tatrichter nicht entgegen. Da im Beschlussverfahren nach § 460 StPO die Durchbrechung der Rechtskraft auch in dem Verfahren, in welchem die Vorschrift des § 55 StGB außer Betracht geblieben ist, ohne Weiteres zulässig ist, besteht kein Anlass, dem Tatrichter aus Gründen der Teilrechtskraft eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Erkenntnisverfahren zu verwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 1 StR 212/10, BGHSt 55, 220 Tz. 34 ff. für den Fall der wirksam beschränkten Berufung). Die Entscheidung über eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe noch im Erkenntnisverfahren entspricht vielmehr dem Grundsatz der Verfahrensökonomie und dem Beschleunigungsgebot. Zudem bietet das Erkenntnisverfahren insbesondere wegen des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewinnbaren unmittelbaren persönlichen Eindrucks regelmäßig eine bessere Garantie für eine gerechtere Strafzumessung als das schriftliche Beschlussverfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. September 1974 – 3 StR 217/74, BGHSt 25, 382, 384; vom 7. Juli 2010 – 1 StR 212/10 aaO Tz. 26 ff.).
4
Da die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten des Angeklagten vor seiner Verurteilung durch das Landgericht Bielefeld vom 13. August 2010 begangen worden sind, lagen mit Eintritt der Rechtskraft dieser Verurteilung am 23. Februar 2011 die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, so dass die Strafkammer über die nachträgliche Bildung einer neuen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sieben Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. August 2010 hätte befinden müssen.
5
Der Senat macht von der im Revisionsverfahren – auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - 1 StR 196/10) – eröffneten Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch , die Entscheidung über die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.
6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Sie musste nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben, weil sicher feststeht, dass die sich gegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung richtende Revision des Angeklagten insoweit erfolglos bleibt.
VRiBGH Dr. Ernemann Roggenbuck Franke befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Roggenbuck Bender RiBGH Dr. Quentin befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Roggenbuck
5
2. Der Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Deren Bemessung begegnet indes bereits unabhängig davon durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragschrift ausgeführt: "Nach den Feststellungen (UA S. 4) wurde der Angeklagte am 7. August 2009 durch das Amtsgericht Hannover wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Zudem erließ das Amtsgericht Hannover gegen ihn am 2. Dezember 2009 einen Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen über 45 Tagessätze zu je 10 Euro. Beide Geldstrafen sind nach Darstellung des Landgerichts bereits vollständig vollstreckt (UA aaO). Ob diese Strafen im Rahmen der Gesamtstrafenbildung einzubeziehen waren, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weil die Strafkammer weder den Zeitpunkt der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten noch denjenigen ihrer Erledigung mitgeteilt hat, was zu einer Beurteilung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen einer Einbeziehung notwendig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2000 - 5 StR 280/00 und vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72). Eine nach Erlass des ersten Urteils erfolgte Erledigung stünde - wie das Landgericht möglicherweise rechtsirrig angenommen hat - einer Einbeziehung der Strafen nicht entgegen, zumal im Falle einer Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die Gesamtstrafenbildung in der neuen Verhandlung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verhandlung - hier also am 12. Oktober 2009 - vorzunehmen ist (st. Rspr. - etwa BGH, Beschluss vom 2. Mai 1989 - 1 StR 213/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1; Beschluss vom 21. August 2001 - 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; Be- schluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72 f.; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, NStZ-RR 2010, 106 f.; Beschluss vom 8. Oktober 2010 - 3 StR 368/10, Rdnr. 2; Beschluss vom 3. Mai 2011 - 3 StR 110/11, Rdnr. 6). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verurteilung vom 7. August 2009 Zäsurwirkung hinsichtlich solcher Straftaten entfaltet, die - wie die verfahrensgegenständlichen Taten - zeitlich vor dem Erlass dieser Entscheidung lagen, war das Urteil im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben. Denn im Falle einer Zäsurwirkung jener Entscheidung hätten die beiden Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Hannover vom 2. Juni 2010 und 21. Juli 2010 … nicht mit in die Gesamtstrafenbildung einbezogen wer- den dürfen."
9
2. Über die Gesamtstrafe ist nach alledem nochmals zu entscheiden, wobei der Senat von der § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, die Entscheidung dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Dabei wird die hierzu berufene Strafkammer zu beachten haben, dass insoweit der Vollstreckungsstand des gegen den Angeklagten ergangenen Gesamtstrafenbeschlusses zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (30. Januar 2018) maßgebend ist (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 6. März 2018 - 3 StR 530/17, StV 2018, 489, 490) und im Fall einer vom Ersturteil abweichenden Gesamtstrafenbildung auch Augenmerk auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu richten sein wird (s. etwa BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276). Becker Gericke Tiemann Berg Hoch

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so ist für die Strafaussetzung nach § 56 die Höhe der Gesamtstrafe maßgebend.

(2) Ist in den Fällen des § 55 Abs. 1 die Vollstreckung der in der früheren Entscheidung verhängten Freiheitsstrafe ganz oder für den Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und wird auch die Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so verkürzt sich das Mindestmaß der neuen Bewährungszeit um die bereits abgelaufene Bewährungszeit, jedoch nicht auf weniger als ein Jahr. Wird die Gesamtstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, so gilt § 56f Abs. 3 entsprechend.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 22/12
vom
22. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Oktober 2011, soweit hinsichtlich des Angeklagten eine Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist, mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 28. September 2010 wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Der Senat hob dieses Urteil mit Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11 – insoweit auf, als dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden war. Das Landgericht hat nunmehr die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe erneut abgelehnt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit die Strafkammer die Vorschrift des § 55 StGB außer Acht gelassen und es versäumt hat, unter Einbeziehung der Strafe von sieben Jahren aus dem seit 23. Februar 2011 rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. August 2010 nachträglich eine neue Gesamtstrafe zu bilden.
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§ 55 StGB regelt die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe. Die Vorschrift soll ihrem Grundgedanken nach sicherstellen, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren, so dass der Täter im Ergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1997 – 1 StR 340/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13). Hierbei kommt es maßgeblich allein auf die materiell-rechtliche Regelung und nicht auf die verfahrensrechtliche Situation an (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 192 f.). Die Anwendung des § 55 StGB ist für den Tatrichter zwingend. Er darf daher die Entscheidung über eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe grundsätzlich nicht dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 1958 – GSSt 2/58, BGHSt 12, 1; Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 369/03, NStZ 2005, 32). Dies gilt auch für den Tatrichter, der nach in der Rechtsmittelinstanz erfolgter (teilweiser) Aufhebung und Zurückverweisung mit der Sache befasst wird. Eine durch Teilaufhebung und –zurückverweisung eingetretene Teilrechtskraft des Strafausspruchs steht – bei neu entstandener oder bislang unbekannt gebliebener Gesamtstrafenlage im Sinne des § 55 StGB – einer Anwendung des § 55 StGB durch den Tatrichter nicht entgegen. Da im Beschlussverfahren nach § 460 StPO die Durchbrechung der Rechtskraft auch in dem Verfahren, in welchem die Vorschrift des § 55 StGB außer Betracht geblieben ist, ohne Weiteres zulässig ist, besteht kein Anlass, dem Tatrichter aus Gründen der Teilrechtskraft eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Erkenntnisverfahren zu verwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 1 StR 212/10, BGHSt 55, 220 Tz. 34 ff. für den Fall der wirksam beschränkten Berufung). Die Entscheidung über eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe noch im Erkenntnisverfahren entspricht vielmehr dem Grundsatz der Verfahrensökonomie und dem Beschleunigungsgebot. Zudem bietet das Erkenntnisverfahren insbesondere wegen des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewinnbaren unmittelbaren persönlichen Eindrucks regelmäßig eine bessere Garantie für eine gerechtere Strafzumessung als das schriftliche Beschlussverfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. September 1974 – 3 StR 217/74, BGHSt 25, 382, 384; vom 7. Juli 2010 – 1 StR 212/10 aaO Tz. 26 ff.).
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Da die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten des Angeklagten vor seiner Verurteilung durch das Landgericht Bielefeld vom 13. August 2010 begangen worden sind, lagen mit Eintritt der Rechtskraft dieser Verurteilung am 23. Februar 2011 die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, so dass die Strafkammer über die nachträgliche Bildung einer neuen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sieben Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. August 2010 hätte befinden müssen.
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Der Senat macht von der im Revisionsverfahren – auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - 1 StR 196/10) – eröffneten Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch , die Entscheidung über die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Sie musste nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben, weil sicher feststeht, dass die sich gegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung richtende Revision des Angeklagten insoweit erfolglos bleibt.
VRiBGH Dr. Ernemann Roggenbuck Franke befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Roggenbuck Bender RiBGH Dr. Quentin befindet sich in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Roggenbuck

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

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Was im Nachverfahren gemäß §§ 460 ff. StPO zulässig ist, kann in der zweiten Instanz schwerlich untersagt sein (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. Rdn. 42 zu § 55).

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 488/01
vom
22. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2001 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Rottweil vom 8. Juni 2001, soweit es ihn betrifft, insoweit
aufgehoben, als die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe mit
den durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 7. Dezember 2000
verhängten Strafen unterblieben ist (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Die Jugendkammer hat den Angeklagten wegen eines am 28. Oktober 2000 begangenen versuchten schweren Raubes und weiterer, damit tateinheitlich verbundener Delikte zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils hat weder im Schuldspruch noch im Ausspruch über die wegen der abgeurteilten Tat verhängten Strafe einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Angeklagte wurde jedoch am 7. Dezember 2000 vom
Amtsgericht Köln wegen (gewerbsmäßigen) Computerbetrugs in zehn Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten und noch nicht erledigten (Gesamt )Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Daher wäre gemäß § 55 StGB die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe aus der hier verhängten Strafe und den dem Urteil des Amtsgerichts Köln zu Grunde liegenden Einzelstrafen geboten gewesen; die Strafaussetzung zur Bewährung in jenem Urteil steht einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht im Wege, auch wenn die neu zu bildende Gesamtstrafe nicht mehr aussetzungsfähig ist (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 2 m.w.N.). Da eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung unterblieben ist, ist das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben (st. Rspr. seit BGHSt 12, 1). Das Verfahren richtet sich nur noch gegen einen Erwachsenen; daher verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück (BGHSt 35, 267). Schäfer Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit