Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2011 - 3 StR 188/11

bei uns veröffentlicht am05.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 188/11
vom
5. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 5. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 24. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 12. Oktober 2009 wegen besonders schwerer Vergewaltigung und Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt. Auf die insoweit beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil am 8. Juli 2010 in den Aussprüchen über die Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben, die zugehörigen Feststellungen jedoch aufrechterhalten (3 StR 151/10). Das auch gegen den Schuldspruch gerichtete Rechtsmittel des Angeklagten hatte er verworfen. Auf die neue Hauptverhandlung hat das Landgericht nunmehr - unter Einbeziehung zweier Geldstrafen aus Strafbefehlen des Amtsgerichts Hannover vom 2. Juni und vom 21. Juli 2010 - eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren ausgesprochen.
Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Auch die neu bemessene Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung hat keinen Bestand. Das Landgericht hat zu den Strafzumessungstatsachen neue Feststellungen getroffen, dabei aber nicht bedacht, dass diese zu den aufgrund der Entscheidung des Senats vom 8. Juli 2010 insgesamt bindenden Feststellungen des ersten Urteils nicht in Widerspruch treten dürfen.
3
So führt das Landgericht aus, die Nebenklägerin leide bis heute unter Schlafstörungen und Alpträumen, habe Angst, bei Dunkelheit auf die Straße zu gehen, und bekomme bei Geräuschen im Treppenhaus Panikattacken und Schweißausbrüche. Auch jetzt habe sie noch "Vorbehalte" gegenüber Männern insgesamt; zunächst sei deshalb auch die Lebensgemeinschaft mit ihrem Freund gescheitert. Auch ihr 11-jähriger Sohn merke, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung sei. Diese Feststellungen sind indes mit denen im Urteil vom 12. Oktober 2009 nicht vereinbar, denn dort sind als Folgen der Tat lediglich Schlafstörungen und Angstzustände dargelegt, welche die Nebenklägerin zum Zeitpunkt der ersten Hauptverhandlung bereits überwunden hatte.
4
Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil, denn das Landgericht hat bei der Bemessung der Einzelstrafe strafschärfend "die ganz erheblichen psychischen Folgen für die Nebenklägerin" berücksichtigt, deren Traumatisierung bis heute andauere und sich auch negativ auf ihre Beziehungen zu ihrem Sohn und zu ihrem Lebensgefährten auswirke. Zwar hat es - als nach der ersten Hauptverhandlung eingetretenen Umstand und deshalb insoweit widerspruchsfrei - auch festgestellt, dass die Nebenklägerin, durch ihre Ladung als Zeugin zur neuen Hauptverhandlung wieder mit dem Tatgeschehen konfrontiert, einen zu einem bedrohlichen Alkoholexzess führenden Zusammenbruch erlitt. Gleichwohl kann der Senat nicht nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO entscheiden, denn für den Umfang der Schuld des Angeklagten kommt dieser Tatfolge nur eingeschränkte Bedeutung zu. Unter Beachtung der Vorgaben des Senats hätte das Landgericht die Nebenklägerin nicht nochmals vernehmen müssen.
5
2. Der Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Deren Bemessung begegnet indes bereits unabhängig davon durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragschrift ausgeführt: "Nach den Feststellungen (UA S. 4) wurde der Angeklagte am 7. August 2009 durch das Amtsgericht Hannover wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Zudem erließ das Amtsgericht Hannover gegen ihn am 2. Dezember 2009 einen Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen über 45 Tagessätze zu je 10 Euro. Beide Geldstrafen sind nach Darstellung des Landgerichts bereits vollständig vollstreckt (UA aaO). Ob diese Strafen im Rahmen der Gesamtstrafenbildung einzubeziehen waren, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weil die Strafkammer weder den Zeitpunkt der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten noch denjenigen ihrer Erledigung mitgeteilt hat, was zu einer Beurteilung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen einer Einbeziehung notwendig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2000 - 5 StR 280/00 und vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72). Eine nach Erlass des ersten Urteils erfolgte Erledigung stünde - wie das Landgericht möglicherweise rechtsirrig angenommen hat - einer Einbeziehung der Strafen nicht entgegen, zumal im Falle einer Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die Gesamtstrafenbildung in der neuen Verhandlung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verhandlung - hier also am 12. Oktober 2009 - vorzunehmen ist (st. Rspr. - etwa BGH, Beschluss vom 2. Mai 1989 - 1 StR 213/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1; Beschluss vom 21. August 2001 - 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; Be- schluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72 f.; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, NStZ-RR 2010, 106 f.; Beschluss vom 8. Oktober 2010 - 3 StR 368/10, Rdnr. 2; Beschluss vom 3. Mai 2011 - 3 StR 110/11, Rdnr. 6). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verurteilung vom 7. August 2009 Zäsurwirkung hinsichtlich solcher Straftaten entfaltet, die - wie die verfahrensgegenständlichen Taten - zeitlich vor dem Erlass dieser Entscheidung lagen, war das Urteil im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben. Denn im Falle einer Zäsurwirkung jener Entscheidung hätten die beiden Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Hannover vom 2. Juni 2010 und 21. Juli 2010 … nicht mit in die Gesamtstrafenbildung einbezogen wer- den dürfen."
6
Dem schließt sich der Senat an. Die Einbeziehung der nicht unerheblichen Geldstrafen aus den Strafbefehlen vom 2. Juni und vom 21. Juli 2010 in die Gesamtfreiheitsstrafe kann das Strafübel insgesamt verschärfen und so den Angeklagten beschweren.
Becker von Lienen RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Menges

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Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 151/10
vom
8. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juli 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. Oktober 2009 im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung und des Diebstahls schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben im Ausspruch über - die Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung, - die Gesamtstrafe; die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung" und Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt ; als Einzelstrafen hat es eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren (Vergewaltigung ) und eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen (Diebstahl) ausgesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die ebenfalls auf die Sachrüge gestützte, zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Ausspruch über die Einzelstrafe wegen Vergewaltigung und über die Gesamtstrafe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet Bewertungsmängel bei der Strafbemessung; rechtsfehlerhaft habe das Landgericht lediglich auf die in § 177 Abs. 4 StGB angedrohte Mindeststrafe erkannt. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten.
2
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ändert der Senat den Schuldspruch klarstellend dahin ab, dass der Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung schuldig ist. Nach den Feststellungen nötigte er die Nebenklägerin dadurch zur Duldung des Vaginal- und des Oralverkehrs , dass er ihr ein Springmesser an den Hals hielt. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht deshalb von der Qualifizierung der Tat nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ausgegangen. Um dem sich aus § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO ergebenden Erfordernis der rechtlichen Bezeichnung der Straftat Rechnung zu tragen, ist diese Qualifikation in der Urteilsformel durch einen Schuldspruch wegen "be- sonders schwerer" Vergewaltigung kenntlich zu machen (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4).
3
2. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
4
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
5
a) Die Bemessung der Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht als strafmildernd berücksichtigt, dass die Nebenklägerin durch den Einsatz des Messers und die wiederholt erzwungenen sexuellen Handlungen keine körperlichen Verletzungen davongetragen hat. Dass der Täter kein Verhalten gezeigt hat, durch das er den Tatbestand noch eines weiteren Strafgesetzes verwirklicht hätte, kann ihm im Rahmen der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zugute gehalten werden (vgl. BGH bei Miebach NStZ 1998, 132; BGH NStZ 2007, 464, 465).
7
Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei als Ausländer besonders strafempfindlich. Die Ausländereigenschaft begründet für sich alleine keine besondere Strafempfindlichkeit; nur besondere Umstände wie Verständigungsprobleme, abweichende Lebensbedingungen und erschwerte familiäre Kontakte können ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen (BGHSt 43, 233; BGH NStZ 2006, 35; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 46 Rn. 43b). Konkrete Feststellungen hierzu fehlen.
8
b) Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einzelstrafe wegen Vergewaltigung und über die Gesamtstrafe. In Anbetracht des festgestellten Tatgeschehens sieht sich der Senat nicht in der Lage, die Verhängung der Mindeststrafe als angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO anzusehen.
9
Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben; möglich bleiben Ergänzungen, die zu den bisherigen, zum Schuld- und zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

5 StR 280/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juli 2000

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Februar 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Gesamtstrafaussprüchen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen Diebstahls in acht Fällen 28 Einzelfreiheitsstrafen von je vier Monaten verhängt und ihn unter Einbeziehung von sechs Einzelfreiheitsstrafen (zwischen einem Monat und vier Monaten) aus zwei rechtskräftigen Urteilen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; nach Auflösung der Gesamtstrafen aus jenen beiden Urteilen hat es ferner aus zwei verbliebenen, nicht einbeziehungsfähigen Einzelstrafen aus dem zweiten Urteil - eine zweite Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und zwei Wochen gebildet, schließlich nach Aufhebung eines das erste Urteil mitbetreffenden Gesamtstrafenbeschlusses nach § 460 StPO aus den dort einbezogenen Einzelstrafen eines dritten Urteils und den Einzelstrafen eines vierten Urteils – jeweils unter Auflösung dortiger Gesamtstrafen – - eine dritte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Gesamtstrafen. Im übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Allerdings treffen die sachlichrechtlichen Einwendungen der Revision gegen die Strafrahmenwahl bei den Einzelstrafen zu. Die Annahme besonders schwerer Fälle des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 StGB a.F. für die Einzeltaten, mit denen der Angeklagte jeweils nicht sehr beträchtliche Schäden angerichtet hatte, war hier von vornherein unvertretbar. Zu § 243 StGB weist die Revision zutreffend darauf hin, daß ein Abweichen von der Regel im Blick auf den – nicht ausgeschlossenen – vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB zu prüfen gewesen wäre.
Der Rechtsfehler hat sich indes nicht ausgewirkt. Der Tatrichter ist nach der durchgehend bedenklichen Annahme besonders schwerer Fälle durch Anwendung der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gleichwohl zu nicht erhöhten Mindeststrafen gelangt; er hat sich zutreffend jeweils nur an diesen orientiert und letztlich überhaupt nicht an den Höchststrafen der von ihm – überflüssig und bedenklich – gewählten erhöhten Strafrahmen. Im Ergebnis ist die Einzelstrafbemessung – namentlich unter Berücksichtigung des nicht unerheblichen Gesamtgewichts der Taten – nicht zu beanstanden.
2. Die Gesamtstrafbildung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand, so daß es auf die hierzu auch erhobene Aufklärungsrüge nicht ankommt.
Allerdings stehen die der Gesamtstrafbildung vom Tatrichter zugrunde gelegten Überlegungen zu mehreren Zäsuren mit der Folge notwendig zu bildender mehrerer Gesamtstrafen prinzipiell im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zu § 55 StGB (vgl. nur BGHSt 35, 243; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 – Strafen, einbezogene 4) – die schwer zu durchschauen, darzustellen und zu befolgen sind, schon daher dringlich im Sinne einer Einheitsstrafenregelung reformbedürftig erscheinen –. Indes enthalten die Urteilsfeststellungen nicht sämtliche für eine derartige mehrfache Gesamtstrafbildung unerläßlichen Informationen (unten a), zudem sind in diesem Zusammenhang einige Wertungslücken (unten b) und -mängel (unten c) festzustellen.

a) Zu der für die abgeurteilten Taten angenommenen Zäsur – der Strafbefehl des Amtsgerichts Ulm vom 4. Februar 1998 – hat es der Tatrichter unterlassen, die zugehörigen Tatzeiten mitzuteilen. Es liegt zwar nahe, versteht sich aber nicht ohne weiteres von selbst (vgl. zudem die unterschiedlichen Angaben zum Aktenzeichen auf UA S. 13 und 33), daß die mit dem Strafbefehl geahndeten Taten nach der vorherigen Zäsur – Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 1. November 1996 – begangen worden sind. Allein dieser Feststellungsmangel ist grundsätzlich geeignet, der komplizierten, den Angeklagten belastenden mehrfachen Gesamtstrafbildung die Grundlage zu entziehen. Weitere Mängel kommen hinzu: Hinsichtlich des von der dritten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten betroffenen Urteils des Amtsgerichts Dresden vom 3. Februar 1998 vermißt die Revision mit Recht die Mitteilung der Einzelstrafen ; abgesehen davon wäre auch eine präzisere Tatzeitbezeichnung (als auf UA S. 34: „vor dem 1. November 1996”) angezeigt gewesen.

Ohne die Mitteilung der Höhe der Gesamtstrafe, die mit dem als gegenstandslos aufgehobenen Beschluß vom 13. Oktober 1998 gebildet wurde (§ 460 StPO), läßt sich nicht feststellen, wie weit das bisherige gegen den Angeklagten bestehende Gesamtstrafübel im Ergebnis durch dieses Urteil überschritten worden ist. Die Höhe des Gesamtstrafübels ist ein für die Beurteilung der Angemessenheit der Sanktionierung ausschlaggebendes Kriterium.

b) Trotz des letztgenannten Feststellungsmangels wird bereits aus dem Urteil deutlich, daß der Tatrichter die Summe der freiheitsentziehenden Sanktionen gegen den Angeklagten aus Anlaß der abgeurteilten Taten beträchtlich erhöht hat (aus den mit der Aufklärungsrüge von der Revision mitgeteilten Informationen errechnen sich fast vier Jahre Differenz). Zwar sprechen das nicht unerhebliche Gesamtunrecht aller abgeurteilter Taten und die Vorbelastungen des Angeklagten für eine fühlbare Sanktionierung. Es erscheint aber fraglich, ob den gewichtigen mildernden Faktoren, insbesondere den nicht ausdrücklich erwähnten Umständen des verhältnismäßig geringen Gewichts jeder einzelnen Tat, wie es in den insgesamt sehr niedrigen Einzelstrafen Ausdruck findet, und dem beträchtlichen Zeitablauf zwischen Tatbegehung und Aburteilung, der nicht zuletzt Ursache für die Gesamtstrafzersplitterung war, im Ergebnis ausreichend Rechnung getragen worden ist.

c) Folgende Einzelbedenken kommen hinzu: Bei der dritten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten beruft sich der Tatrichter auf mehrere mindernde Faktoren. Vor diesem Hintergrund ist kaum verständlich, daß er die Summe der (entfallenden) Gesamtfreiheitsstrafen aus den betroffenen Urteilen (ein Jahr und ein Monat sowie sechs Monate) nur um einen Monat unterschreitet.
Die der Nichteinbeziehung von Geldstrafen nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB zugrunde liegende Wertung, den Angeklagten – dessen abgeurteilte Taten durch ständigen Geldmangel bedingt waren und gegen den unerläßlich kurzfristige Freiheitsstrafen zu verhängen sind (§ 47 Abs. 1 StGB) – nicht nur durch Freiheitsstrafe, sondern auch „an seinem Vermögen” strafen zu wollen (UA S. 34), ist nicht nachvollziehbar. Schon daher hätten auch hinsichtlich eines weiteren Strafbefehls vom 29. Mai 1998 Feststellungen zu Tatzeit und Vollstreckungsstand – um auch diese Geldstrafe in die Gesamtstrafbildung einzubeziehen – getroffen werden müssen.
3. Insoweit wird der neue Tatrichter freilich darauf zu achten haben, daß er nicht durch Anhebung der Gesamtsumme zu verhängender Gesamtfreiheitsstrafen gegen das Verschlechterungsverbot verstößt. Mit Rücksicht auf die erwähnten Wertungsmängel wird es naheliegen, daß er – unter der Voraussetzung unveränderter Zäsuren – jedenfalls die dritte Gesamtfreiheitsstrafe reduziert und die beiden anderen auch bei weiterer Einbeziehung von Geldstrafen jedenfalls nicht erhöht.
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den gegebenen Wertungsfehlern nicht. Die Feststellungsdefizite wird der neue Tatrichter auszugleichen haben. Darüber hinaus darf er nur noch ergänzende Feststellungen treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Brause

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 291/01
(alt: 5 StR 471/00)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2001

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 25. Januar 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, daß die Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hainichen vom 13. Januar 2000 – 14 Cs 630 Js 28138/99 – in die Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

G r ü n d e Wegen sexuellen Mißbrauchs seiner Stieftochter (nach § 176 und/oder § 174 StGB) in insgesamt 183 Fällen hatte das Landgericht gegen den Angeklagten zwei Gesamtfreiheitsstrafen (vier Jahre und neun Monate sowie drei Jahre) verhängt. Der Senat hat das Urteil in den Gesamtstrafaussprüchen aufgehoben, weil das Landgericht zu Unrecht einer erledigten Geldstrafe Zäsurwirkung zuerkannt hatte (Beschluß vom 14. Dezember 2000 – 5 StR 471/00 –). Wie vom Senat für geboten erachtet, hat das Landgericht nunmehr die in Rechtskraft erwachsenen Einzelstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückgeführt, die es auf sieben Jahre festgesetzt hat.
1. Die gegen dieses Urteil vorgebrachten verfahrensrechtlichen und sachlichrechtlichen Einwände der Revision greifen nicht durch. Dies gilt ins- besondere für sämtliche Angriffe auf den rechtskräftigen Schuldspruch, der nach Teilverwerfung der ersten Revision im derzeitigen Verfahrensstadium nicht zur Überprüfung steht. Eine Benachteiligung des Angeklagten durch den während des Revisionsverfahrens erfolgten, von ihm gewünschten Pflichtverteidigerwechsel ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der bisherige Pflichtverteidiger zum begrenzten Gegenstand dieses Revisionsverfahrens eine eingehende Revisionsbegründung vorgelegt.
2. Der Revision ist auf die Sachrüge ein geringfügiger Teilerfolg zum Gesamtstrafausspruch nicht zu versagen. Das Landgericht hätte die im ersten Urteil in die zweite Gesamtstrafe einbezogene Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10 DM aus dem nach Ende der Tatserie ergangenen Urteil des Amtsgerichts Hainichen erneut in die Gesamtstrafe einbeziehen müssen , wenngleich die Geldstrafe mittlerweile vollstreckt ist. Grundsätzlich hat nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Verhandlung die Gesamt -strafbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung zu erfolgen. Dies gilt nicht nur in dem speziellen Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafbildung erfolgt ist (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 – Erledigung 1). Vielmehr ist so regelmäßig auch in anderen Fällen der Gesamtstrafaufhebung zu verfahren, damit einem Revisionsführer ein erlangter Rechtsvorteil durch nachträgliche Gesamtstrafbildung nicht durch sein Rechtsmittel genommen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1999 – 4 StR 200/99 – und vom 18. Januar 2000 – 4 StR 633/99 –). Auf gesonderte Verhängung der Geldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB – die prinzipiell möglich, nach Einbeziehung im ersten Urteil jedoch fernliegend war – hat der Tatrichter nicht erkannt; vielmehr hat er die Einbeziehungsmöglichkeit gar nicht erwogen. Zudem hat er die frühere Einbeziehung bei Bestimmung der aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO folgenden Obergrenze für die neue einheitliche Gesamtstrafe nicht berücksichtigt.
Der Senat holt zur Korrektur des Rechtsfehlers die Einbeziehung der vollstreckten Geldstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nach: Sie wird in die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren mit der Folge ihrer Anrechnung nach § 51 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 StGB einbezogen. Dieser geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt keine Kostenteilung nach § 473 Abs. 4 StPO.
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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 368/10
vom
8. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 8. Oktober 2010 gemäß § 349
Abs. 4, § 354 Abs. 1b StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 16. Juli 2010 mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil am 30. März 2009 wegen schwerer Brandstiftung in zwei Fällen, Brandstiftung in fünf Fällen und Sachbeschädigung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat diese Entscheidung im Schuldspruch bezüglich eines Falles sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen. Nunmehr hat das Landgericht das Verfahren wegen des verbliebenen Tatvorwurfs nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Angeklagten auf der Grundlage der rechtskräftig gewordenen zehn Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
2
Die Gesamtstrafenbildung ist fehlerhaft. Das Landgericht hat verkannt, dass es dabei auch über die Einbeziehung der Geldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Neumünster vom 6. September 2006 und dem Urteil desselben Gerichts vom 14. Februar 2007 unter Auflösung des Gesamtstrafenbeschlusses desselben Gerichts vom 21. August 2007 hätte entscheiden müssen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es ohne Bedeutung, dass die Gesamtgeldstrafe inzwischen - ganz überwiegend als Ersatzfreiheitsstrafe - verbüßt worden ist. Zum Zeitpunkt des ersten Urteils am 30. März 2009 war die Vollstreckung noch nicht erledigt, weshalb das Landgericht damals auch eine Entscheidung darüber getroffen (und von einer Einbeziehung abgesehen) hatte. Für die Frage der Erledigung bleibt indes der Zeitpunkt des ersten Urteils maßgebend (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 1989 - 1 StR 213/89, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1; BGH, Beschluss vom 21. August 2001 - 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; BGH, Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72).
3
Über die Bildung der Gesamtstrafe muss deshalb neu entschieden werden. Im Fall einer Einbeziehung wird die Zäsurbildung durch die einzubeziehenden Entscheidungen zu beachten sein. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch gemacht.
4
Die Kostenentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 110/11
vom
3. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 3. Mai
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 6. Dezember 2010 in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen und im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Cloppenburg vom 27. Juli 2010 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten sowie wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei weiteren Fällen zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Gesamtstrafenausspruch hat insgesamt keinen Bestand, da die hierzu getroffenen Feststellungen in mehrfacher Hinsicht lückenhaft sind und eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht zulassen.
3
Die Gesamtstrafen unterliegen bereits deshalb der Aufhebung, weil es das Landgericht unterlassen hat, die nach § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Cloppenburg vom 27. Juli 2010 mitzuteilen. Dem Senat ist es deshalb anhand der Urteilsgründe nicht möglich nachzuprüfen, ob die Gesamtfreiheitsstrafen rechtsfehlerfrei zugemessen sind.
4
Der Senat vermag darüber hinaus mangels Darlegungen zum Vollstreckungsstand nicht nachzuvollziehen, ob die in dem genannten Strafbefehl verhängte Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 € bei Erlass des angefochtenen Urteils noch nicht vollstreckt war und damit bei der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 Abs. 1 StGB berücksichtigt werden konnte. Eine Erledigung der in dem Strafbefehl festgesetzten Strafe noch vor Erlass des angefochtenen Urteils durch Zahlung oder durch Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe in Unterbrechung der seit dem 28. August 2010 vollzogenen Untersuchungshaft ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.
5
Die Urteilsgründe enthalten schließlich keine Angaben zu den Begehungszeiten der Taten aus dem Strafbefehl vom 27. Juli 2010, so dass auch nicht geprüft werden kann, ob der Angeklagte diese vor einer früheren Vorverurteilung durch das Amtsgericht Cloppenburg vom 11. August 2009 begangen hat. Wäre dies der Fall und die frühere Vorstrafe noch nicht erledigt, hätte das Urteil vom 11. August 2009 hinsichtlich der Taten aus dem Strafbefehl vom 27. Juli 2010 Zäsurwirkung entfaltet. Der Strafbefehl wäre dann gesamtstrafenrechtlich für die verfahrensgegenständlichen Taten ohne Bedeutung gewesen (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 10 ff.).
6
Da der Angeklagte durch eine rechtsfehlerhafte Bildung zweier Gesamtfreiheitsstrafen beschwert wäre, unterliegt der Gesamtstrafenausspruch insgesamt der Aufhebung. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung vorsorglich darauf hin, dass nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht die Gesamtstrafenbildung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Tatsachenverhandlung vorgenommen werden muss (Fischer, aaO, § 55 Rn. 37 mwN).
7
2. Der Aufhebung unterliegt das Urteil auch, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat.
8
a) Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Strafkammer leidet der Angeklagte seit dem Jahr 2002 an einer anfangs drogeninduzierten, mittlerweile selbstständig verfestigten, schubweise verlaufenden paranoidhalluzinatorischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie, die u.a. mit akustischen und optischen Halluzinationen, Angstzuständen und Wahnideen einhergeht. Schwere Krankheitssymptome zeigte der Angeklagte regelmäßig dann, wenn er seine Medikamente nicht einnahm. Das Landgericht ist der Auffassung, der Angeklagte habe sich ab Mai 2010 fortdauernd und damit auch bei Begehung der Wohnungseinbruchsdiebs tähle am 12. Juni, 18. und 22. August 2010 in einem akut psychotischen Zustand befunden, weshalb er bei Begehung der Taten sicher im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert steuerungsfähig gewesen sei. Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer mit Blick auf die geordneten Handlungsabläufe bei den Taten und bei der anschließenden Verwertung der Diebesbeute ausgeschlossen.
9
b) Die für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche positive Feststellung einer zumindest erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB belegen die Urteilsgründe nicht (BGH, Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 27; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 63 Rn. 5). Das Landgericht hat nicht ausreichend dargelegt, dass der Angeklagte infolge eines akuten Schubs seiner Erkrankung bei Begehung der Taten sicher erheblich vermindert schuldfähig war.
10
Seine Überzeugung, dass sich der Angeklagte von Mai 2010 bis zu seiner Festnahme dauerhaft in einem psychotischen Zustand befand, hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte anlässlich eines Arztbesuchs am 15. Mai 2010 und ebenso nach seiner Festnahme Ende August 2010 zum Teil erhebliche Krankheitssymptome aufgewiesen, insbesondere unter akustischen Halluzinationen, Wahnideen, zeitlicher Desorientierung und Unruhe gelitten habe. Der Schweregrad dieser Auffälligkeiten vor und nach den Taten spreche dafür, dass der Angeklagte auch im Zeitraum ab dem 15. Mai 2010 dauerhaft an einer entsprechenden Symptomatik gelitten und versucht habe, diese mit Drogen, die er sich mit der Tatbeute beschafft habe, zu lindern.
11
Die Annahme eines über mehrere Monate andauernden akut psychotischen Zustands ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt, da sich das Urteil nicht zu dem konkreten Störungsbild des Angeklagten während des Tatzeitraums verhält. Entsprechende Ausführungen waren hier geboten, weil der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen bei Begehung der Taten und der jeweiligen Beuteverwertung nicht nur geordnete Handlungsabläufe zeigte, sondern anlässlich zweier weiterer, tatzeitnäherer Arztbesuche am 3. Juni und am 8. Juli 2010 weder selbst über Krankheitssymptome klagte noch solche seinem behandelnden Arzt auffielen. Diese Umstände lassen sich mit den schweren Krankheitssymptomen, die der Angeklagte nach den Feststellungen während eines akuten Schubs seiner Erkrankung aufweist, nicht in Einklang bringen. Vor diesem Hintergrund beruht die Auffassung der Strafkammer, die schweren Auffälligkeiten des Angeklagten nach seiner Inhaftierung sprächen dafür, dass er bereits längere Zeit zuvor seine Medikamente nicht regelmäßig eingenommen und deshalb über einen längeren Zeitraum akut psychotisch gewesen sei, auf einer Vermutung, die die positive Feststellung einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit nicht zu begründen vermag.
12
Mit der Frage, ob die - rechtsfehlerfrei - festgestellte chronifizierte und langjährige Erkrankung des Angeklagten zu erheblichen Veränderungen seiner Persönlichkeitsstruktur geführt hat und diese Persönlichkeitsveränderungen die Begehung seiner Taten beeinflusst haben, hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt. Die Urteilsgründe ergeben daher auch nicht, ob der Angeklagte aufgrund einer krankheitsbedingten Veränderung seiner Persönlichkeit bei Begehung der Taten nicht in der Lage war, sich hinreichend zu steuern (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2010 - 3 StR 260/10).
13
c) Der Rechtsfehler nötigt nicht zur Aufhebung des Urteils insgesamt, da das Landgericht mit rechtsfehlerfreien Erwägungen eine mögliche Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB ausgeschlossen hat und hiervon abweichende Feststellungen in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind. Die möglicherweise rechtsfehlerhafte Bejahung des § 21 StGB beschwert den Angeklagten nicht. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer