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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 167/18
vom
30. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung
ECLI:DE:BGH:2018:301018B3STR167.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 30. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 7. Dezember 2017 im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelgeldstrafen in den Fällen IV. 2., IV. 4. bis 7. und IV. 15. der Urteilsgründe auf 60 Tagessätze zu je 30 € herabgesetzt werden. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung in 16 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt, wovon es wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung 60 Tagessätze als vollstreckt erklärt hat. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Darüber hinaus hat es drei Computer und vier Speichermedien eingezogen. Mit seiner unbeschränkt erhobenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet der Angeklagte insbesondere die Strafzumessung und die Einziehungsentscheidung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der fest in der rechten Szene verwurzelte Angeklagte in der Zeit zwischen Ende des Jahres 2010 und dem 17. Juli 2012 von seinem Wohnort in R. (Schweiz) aus das unter der Web-Seite www. frei zugängliche Internetradio "V. ", das von 66.483, davon 61.602 aus Deutschland stammenden Nutzern gehört wurde. Zwischen dem 4. und dem 24. Februar 2012 moderierte er insgesamt 16 Radiosendungen. In den unter den Ziffern IV. 1. und 8. der Urteilsgründe festgestellten Radiosendungen spielte der Angeklagte jeweils drei Lieder, deren Inhalte die Strafkammer unter § 130 Abs. 2 und 3 StGB subsumiert hat. Bei den unter den Ziffern IV. 2., IV. 4. bis 7. und IV. 15. der Urteilsgründe festgestellten Radiosendungen spielte er je ein Lied, dessen Inhalt das Landgericht als nach § 130 Abs. 3 StGB strafbar angesehen hat (bei den unter den Ziffern IV. 4. und 6. der Urteilsgründe festgestellten Sendungen spielte er zudem jeweils ein weiteres Lied, dessen Inhalt die Strafkammer als von § 130 Abs. 2 StGB erfasst angesehen hat); in den übrigen Sendungen war der Inhalt des jeweils gespielten Liedes aus Sicht des Landgerichts gemäß § 130 Abs. 2 StGB strafbar.
3
Das Landgericht hat die insgesamt 16 Radiosendungen als 16 tatmehrheitlich begangene Volksverhetzungen gewürdigt und für die unter den Ziffern IV. 1. und 8. der Urteilsgründe festgestellten Sendungen Einzelgeldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen zu je 30 €, für die unter den Ziffern IV. 2., IV. 4. bis 7. und IV. 15. der Urteilsgründe festgestellten Sendungen Einzelgeldstrafen von jeweils 70 Tagessätzen zu je 30 € und in den übrigen Fällen Einzelgeldstrafen von jeweils 60 Tagessätzen zu je 30 € verhängt. Aus diesen Einzelgeldstrafen hat es eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 200 Tagessätzen zu je 30 € gebildet.
4
II. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten nur mit Blick auf den Strafausspruch ergeben; der Schuldspruch wegen Volksverhetzung in 16 tatmehrheitlichen Fällen und die Einziehungsentscheidung erweisen sich hingegen als rechtsfehlerfrei. Im Einzelnen:
5
1. a) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen ausgeführt hat, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Angeklagten gespielten Lieder im Sinne von § 130 Abs. 2 StGB volksverhetzende bzw. im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB den Holocaust leugnende oder verherrlichende Inhalte hatten. Es handelt sich bei den in elektronischer Form gespeicherten und über das Internet dargebotenen Liedern um Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB, die der Angeklagte jeweils durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitete.
6
b) Soweit in den Liedtexten die Menschenwürde von in Deutschland lebenden Juden, Moslems, türkisch-stämmigen und/oder dunkelhäutigen Menschen dadurch angegriffen wurde, dass sie böswillig verächtlich gemacht und in einigen Liedern auch zur Gewalt gegen diese Personengruppen aufgerufen wurde, hat die Strafkammer den Tatbestand des § 130 Abs. 2 Nr. 2 StGB (in der bis zum 26. Januar 2015 geltenden Fassung) zu Recht als erfüllt angesehen.
7
c) Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe in den Fällen IV. 1., IV. 2., IV. 4. bis 8. und IV. 15. der Urteilsgründe durch das jeweilige Abspielen eines den Holocaust leugnenden Liedes selbst eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 VStGB bezeichneten Art geleugnet, erweist sich indes als rechtsfehlerhaft.
8
aa) Bei seiner dementsprechenden Würdigung hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich bei der Leugnung des Holocaust nach § 130 Abs. 3 StGB um ein persönliches Äußerungsdelikt handelt und die Wiedergabe fremder Äußerungen nur dann tatbestandsmäßig ist, wenn sich der Täter die Äußerung ausdrücklich oder konkludent derart zu eigen macht, dass er selbst leugnet (BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 3 StR 109/17, NStZ 2018, 589, 590). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittsempfängers, wobei neben dem Wortlaut und dem Kontext der Äußerung auch außerhalb derselben liegende Umstände Bedeutung erlangen (BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2002 - 3 StR 270/02, NStZ 2003, 145; vom 7. Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Nicht erkennbar gewordene Umstände, beispielsweise eine weder in der Äußerung selbst noch in den Begleitumständen zum Ausdruck gekommene innere Einstellung des Täters, sind dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2015 - 3 StR 602/14, NStZ 2015, 512, 513).
9
bb) Ein Zueigenmachen der (Text-)Inhalte der den Holocaust leugnenden Lieder durch den Angeklagten belegen die Feststellungen nicht. Insofern reichen weder seine vom Landgericht festgestellte innere Einstellung noch die auf der Homepage veröffentlichte generelle Vorstellung seiner Person und seines Sendekonzepts aus, weil es an einem konkreten Bezug zu den (später gespielten) Liedern fehlt. Feststellungen zu konkreten Äußerungen des Angeklagten in den Radiosendungen enthält das Urteil nicht. Das Verhalten des Angeklagten stellt daher kein Leugnen gemäß § 130 Abs. 3 StGB dar, sondern ist (lediglich) als Verbreiten von Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste gemäß § 130 Abs. 5 i.V.m. § 130 Abs. 3 und Abs. 2 Nr. 2 StGB (in der bis zum 26. Januar 2015 geltenden Fassung) zu würdigen.
10
cc) Dieser Rechtsfehler lässt den Schuldspruch indes unberührt, weil auch das Verbreiten von den Holocaust leugnenden Schriften nach § 130 Abs. 5 StGB als Volksverhetzung zu tenorieren ist.
11
d) Soweit das Landgericht - obwohl sogar nach § 130 Abs. 3 StGB verurteilend - keine Ausführungen dazu gemacht hat, dass das Verhalten des Angeklagten geeignet war, den öffentlichen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2016 - 3 StR 449/15, BGHR StGB § 130 Abs. 3 Friedensstörung 1) zu stören, was auch für eine Strafbarkeit nach § 130 Abs. 5 StGB erforderlich ist (vgl. hierzu: MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 130 Rn. 99; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 130 Rn. 23; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 130 Rn. 42), ist dies hier unschädlich. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist davon auszugehen , dass das Tatbestandsmerkmal der Leugnung eine tatbestandsmäßige Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens indiziert (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22. Juni 2018 - 1 BvR 673/18, NJW 2018, 2858, 2860 [Rn. 31]; stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Juni 2018 - 1 BvR 2083/15, NJW 2018, 2861, 2862 [Rn. 23]). Unter Berücksichtigung der konkreten Liedtexte und des Umstandes, dass das frei zugängliche Internetradio über ein Jahr lang betrieben und dabei von mindestens 61.602 aus Deutschland stammenden Personen gehört wurde, die der rechten Szene angehörten, lag auch hier die Eignung zur Friedensstörung vor, ohne dass es weiterer Ausführungen bedurfte.
12
e) Deutsches Strafrecht ist anwendbar; dies ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
13
aa) Der Angeklagte war zur Tatzeit deutscher Staatsangehöriger und das Abspielen der Lieder war in der Schweiz, wo der Angeklagte handelte, gemäß Art. 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB-Schweiz) mit Strafe bedroht. Die im Jahr 1995 in Kraft getretene Vorschrift lautet, soweit hier von Bedeutung: Rassendiskriminierung Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder inanderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, (…) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
14
bb) Für den Tatbestand des Leugnens des Holocaust gemäß § 130 Abs. 3 StGB hat der Senat die Strafbarkeit in der Schweiz bereits bejaht (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2016 - 3 StR 449/15, BGHR StGB § 130 Abs. 3 Anwendbarkeit 1).
15
cc) Auch die in § 130 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 2 StGB (in der bis zum 26. Januar 2015 geltenden Fassung) geforderten Tathandlungen sind in der Schweiz unter Strafe gestellt. Bereits in sprachlicher Hinsicht unterscheiden sich die Formulierungen in Art. 261bis Abs. 1 und 4 StGB-Schweiz ("zu Hass oder Diskriminierung aufruft" und "in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert") nicht wesentlich von denjenigen in § 130 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 1 StGB ("zum Hass aufstachelt", "zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert" und "die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe […] böswillig verächtlich macht"). Nach der schweizerischen Rechtsprechung muss die Herabsetzung bzw. Diskriminierung in einer Weise geschehen, welche den Betroffenen deswegen im Ergebnis die Gleichberechtigung oder Gleichwertigkeit unter dem Gesichtspunkt der Grundrechte abspricht oder zumindest in Frage stellt und sie als Menschen zweiter Klasse behandelt (OFK/StGB-Weder, StGB, 20. Aufl., Art. 261bis Rn. 7). Diese hier gegebene Tatmodalität entspricht im Wesentlichen der deutschen Rechtsprechung zum Angriff auf die Menschenwürde (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 130 Rn. 11 ff.).
16
dd) Auch das Verbreiten von volksverhetzenden Liedern gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 (i.V.m. Abs. 5 und 3) StGB fällt unter die Tathandlungen des Art. 261bis StGB-Schweiz. Lieder mit volksverhetzendem Inhalt werden als Tatmittel grundsätzlich von Art. 261bis StGB-Schweiz erfasst (BSK Strafrecht II-Schleiminger Mettler, Art. 261bis Rn. 44; Niggli, Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 211 u. 1116). Unmaßgeblich ist dabei, ob die strafbaren Äußerungen von den eigentlichen Tätern selbst gemacht und bloß per Tonband oder Videoaufzeichnung verbreitet werden oder ob die weiterverbreitende Person die Äußerungen selbst wortwörtlich liest (Niggli, Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 899). Darüber hinausgehend muss sich der Täter nicht selbst geäußert haben; es genügt die (öffentliche) Wieder- oder Weitergabe von von Dritten stammenden volksverhetzenden Inhalten (vgl. BSK Strafrecht II-Schleiminger Mettler, Art. 261bis Rn. 44; Niggli, Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 218, 886 und 892). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die verbreitende Person - wie der Angeklagte - nicht auf berechtigte Interessen berufen kann (Niggli, Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 890; BSK Strafrecht II-Schleiminger Mettler, Art. 261bis Rn. 27). Ein Zueigenmachen der Äußerungen durch den Verbreitenden ist nicht notwendig (Niggli, Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 243).
17
ee) Da der Angeklagte der rechten Szene angehörte und politisch nationalsozialistische Standpunkte und Ziele vertrat (UA S. 4 und 24 f.), handelte dieser - soweit dies in Art. 261bis StGB-Schweiz für bestimmte Begehungsformen vorausgesetzt wird (OFK/StGB-Weder, StGB, 20. Aufl., Art. 261bis Rn. 17) - zumindest mit bedingtem Vorsatz und aus rassendiskriminierenden Beweggründen.
18
2. Die gegen den Angeklagten wegen der Fälle IV. 2., IV. 4. bis7. und IV. 15. der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafen können indes keinen Bestand haben, weil sich die Strafrahmenwahl des Landgerichts insoweit als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist. Die Strafkammer hätte die Einzelstrafen für die Fälle IV. 1., IV. 2., IV. 4. bis 8. und IV. 15. der Urteilsgründe nicht dem Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) entnehmen dürfen, da im Falle des § 130 Abs. 5 StGB der Strafrahmen des § 130 Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) gilt (BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 - 3 StR 109/17, NStZ 2018, 589, 590; vom 2. April 1997 - 3 StR 95/97, BGHR StGB § 130 Strafrahmen 1).
19
a) Mit Blick auf die Fälle IV. 1. und IV. 8. der Urteilsgründe kann der Senat jedoch ausschließen, dass die dafür festgesetzten Einzelgeldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen auf diesem Rechtsfehler beruhen, weil sich das Landgericht bei der Festsetzung dieser Einzelstrafen davon hat leiten lassen, dass der Angeklagte in diesen Sendungen jeweils drei Lieder spielte und damit "tateinheitlich dreimal den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB verwirklich hat", wobei er auch Lieder spielte, deren Inhalte gemäß § 130 Abs. 2 StGB strafbar waren.
20
b) Hinsichtlich der Fälle IV. 2., IV. 4. bis 7. und IV. 15. der Urteilsgründe vermag der Senat dagegen nicht auszuschließen, dass sich die falsche Strafrahmenwahl auf die Höhe der Einzelstrafen ausgewirkt hat. Zwar hat das Landgericht aufgrund des langen Zeitablaufs zwischen Tatbegehung und Verurteilung für alle Fälle von vornherein nur die Verhängung von Geldstrafen in Betracht gezogen und ist daher davon ausgegangen, dass "gemäß § 40 Abs. 1 StGB der Strafrahmen für jede Tat von 5 bis 360 Tagessätzen reicht". Bei der Strafzumessung im engeren Sinn hat es - auch wenn es sich am unteren Rand des dergestalt gewählten Strafrahmens orientiert hat - die unterschiedlichen Strafrahmen der Absätze 2 und 3 des § 130 StGB allerdings berücksichtigt, indem es für die - in zutreffender Weise - als Verbreitung gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 StGB gewürdigten Taten Einzelgeldstrafen in Höhe von 60 Tagessätzen und für die - insoweit unzutreffend - als Leugnung gemäß § 130 Abs. 3 StGB gewürdigten Taten Einzelgeldstrafen in Höhe von 70 Tagessätzen festgesetzt hat.
21
In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ermäßigt der Senat die vom Landgericht für die Fälle IV. 2., IV. 4. bis 7. und IV. 15. der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafen von jeweils 70 Tagessätzen auf Einzelgeldstrafen in Höhe von jeweils 60 Tagessätzen. Es ist mit Blick auf die in den Fällen IV. 3., IV. 9. bis 14. und IV. 16. der Urteilsgründe aus dem Strafrahmen des § 130 Abs. 2 StGB geschöpften Einzelstrafen in eben dieser Höhe auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des zutreffenden Strafrahmens, der über den Verweis in § 130 Abs. 5 StGB gerade der Strafrahmen des § 130 Abs. 2 StGB ist, auf niedrigere Einzelgeldstrafen erkannt hätte.
22
3. Die Gesamtstrafe wird durch die Herabsetzung dieser Einzelstrafen nicht berührt; denn es ist im Hinblick auf die insgesamt verhängten 16 Einzelgeldstrafen (zweimal 90 Tagessätze und vierzehnmal 60 Tagessätze) auszuschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtgeldstrafe als 200 Tagessätze erkannt hätte, wenn es in den Fällen IV. 2., IV. 4. bis7. und IV. 15. der Urteilsgründe statt Einzelgeldstrafen in Höhe von 70 Tagessätzen nur solche in Höhe von 60 Tagessätzen festgesetzt hätte.
23
III. 1. Der Senat stellt klar, dass sich der vom Landgericht ausgesprochene Teilfreispruch nicht nur auf den Vorwurf des Besitzes kinderpornografischer Schriften, sondern auch auf den Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB bezieht.
24
a) Insoweit ist von folgendem Verfahrensgeschehen auszugehen: Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit 16 (die Anklageschrift spricht aufgrund eines offensichtlichen Rechenversehens fälschlicherweise von 17) Fällen der Volksverhetzung zur Last gelegt. Das Landgericht hat sich aus tatsächlichen Gründen vom Vorliegen einer kriminellen Vereinigung nicht überzeugen können und die Auffassung vertreten, dass diesbezüglich kein Freispruch erforderlich sei, weil die angeklagte Tat der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit den ausgeurteilten Taten der Volksverhetzung gestanden hätte.
25
b) Die Auffassung des Landgerichts erweist sich vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des Senats zu den Konkurrenzverhältnissen bei strafbaren Handlungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer (kriminellen) Vereinigung (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308) insofern als rechtsfehlerhaft, als in der Anklage und im Urteil Handlungen des Angeklagten beschrieben werden, die - im Falle ihrer Erweislichkeit - als isolierte Beteiligungshandlungen und damit richtigerweise als eine zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasste, tatmehrheitlich begangene Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu würdigen gewesen wären. Dass das Landgericht (auch) im Eröffnungsbeschluss von Tateinheit ausgegangen ist, ändert an der Notwendigkeit des Teilfreispruchs nichts (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, juris Rn. 22 f. mwN [insoweit in BGHSt 59, 130 nicht abgedruckt ]).
26
2. Ergänzend bemerkt der Senat, dass sowohl Anklage als auch Urteil darüber hinaus Handlungen des Angeklagten beschreiben, die rechtlich als Beteiligungen an den (auch) von den anderen Moderatoren begangenen Straftaten zu subsumieren sein könnten. Eine rechtliche Würdigung dieser Handlungen findet sich jedoch weder in der Anklageschrift noch im Urteil. Da diese Taten nicht Gegenstand des Urteilsspruchs des Landgerichts geworden sind, unterliegen sie immer noch seiner Kognition und ist es dem Senat verwehrt, insoweit eine Entscheidung zu treffen (BGH, Beschlüsse vom 11. April 2017 - 2 StR 345/16, NStZ-RR 2017, 212, 213; vom 25. Juni 1993 - 3 StR 304/93, BGHR StPO § 260 Urteilsspruch 1).
27
IV. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Gericke Tiemann RiBGH Dr. Berg ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Gericke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

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gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
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die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

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einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Angehöriger:wer zu den folgenden Personen gehört:
a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
2.
Amtsträger:wer nach deutschem Recht
a)
Beamter oder Richter ist,
b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
2a.
Europäischer Amtsträger:wer
a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist,
b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder
c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
3.
Richter:wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist;
4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:wer, ohne Amtsträger zu sein,
a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder
b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist;
5.
rechtswidrige Tat:nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;
6.
Unternehmen einer Tat:deren Versuch und deren Vollendung;
7.
Behörde:auch ein Gericht;
8.
Maßnahme:jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung;
9.
Entgelt:jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.

(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.

(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören,

1.
ein Mitglied der Gruppe tötet,
2.
einem Mitglied der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt,
3.
die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,
4.
Maßregeln verhängt, die Geburten innerhalb der Gruppe verhindern sollen,
5.
ein Kind der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt,
wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 bis 5 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 109/17
vom
17. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:171017B3STR109.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 17. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 14. September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es angeordnet , dass vier Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten, und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.

I.


2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verschickte der Angeklagte drei von dem gesondert verurteilten I. verfasste Briefe und einen von einer Person namens L. verfassten Text in Kenntnis des jeweiligen Inhalts, indem er diese einscannte und sodann per E-Mail unaufgefordert an mindestens 500 Personen versandte, von denen ihm nur ein Teil bekannt war. Alle Briefe hatten einen die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpfenden Inhalt. In zwei Briefen sowie dem Text von L. (Taten II.1. und II.3. der Urteilsgründe) wurde zudem der Holocaust geleugnet.
3
Das Landgericht hat dies jeweils als schwere Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB, in zwei Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung nach "§ 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und Abs. 5 (i.d.F. vom 16.03.2011) StGB", gewertet.

II.


4
1. Der Schuldspruch wegen schwerer Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a Abs. 3 StGB) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Das Landgericht ist zwar rechtsfehlerfrei zu der Bewertung gelangt, dass die von dem Angeklagten weitergeleiteten Texte einen die Bundesrepublik Deutschland beschimpfenden Inhalt im Sinne des § 90a Abs. 1 StGB aufweisen. Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass sich der Angeklagte durch die Taten absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze eingesetzt hat (§ 90a Abs. 3 StGB).
6
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland sind gemäß § 92 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 StGB solche, die die Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufheben, die staatliche Einheit beseitigen oder ein zur Bundesrepublik gehörendes Gebiet abtrennen wollen. Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze entfaltet, wer einen der in § 92 Abs. 2 StGB enumerativ genannten Grundsätze beseitigen, untergraben oder außer Geltung setzen will (§ 92 Abs. 3 Nr. 3 StGB).
7
Hier lässt sich weder den Feststellungen noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das Landgericht hat lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt (UA S. 29 f.), dass die - nicht näher konkretisierte - Motivation des Angeklagten mit derjenigen des gesondert verfolgten I. übereinstimme und sich aus an I. gerichteten Briefen des Angeklagten ergebe, in denen dieser das Ende des "bundesdeutschen Krisensystems" bzw. die "Endzeitstimmung" in Bezug auf dieses "Regime" befürwortet habe. Aus den Urteilsgründen ergibt sich außerdem, dass der Angeklagte die Legitimation der Bundesrepublik anzweifelt und den Fortbestand des Deutschen Reiches propagiert.
8
Dem mag sich zwar entnehmen lassen, dass der Angeklagte die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland von fremder Botmäßigkeit leugnet. Eigene oder von dem Angeklagten unterstützte aktiv-tätige Bemühungen im Sinne eines Hinarbeitens auf einen derartigen Zustand ergeben sich daraus jedoch nicht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 4. Mai 2016 - 3 StR 392/15, StV 2017, 379, 380). Auch eine etwaige durch die Briefe an I. vermittelte Vorfreude des Angeklagten auf einen Zusammenbruch oder ein Ende der Bundesrepublik in ihrer gegenwärtigen Form lässt keine eigenen Aktivitäten in diese Richtung erkennen. Solche werden auch nicht durch die hier in Rede stehende Verbreitung der Briefe von I. durch den Angeklagten belegt. Denn Grundtenor all dieser Briefe war, dass das Verbot der Holocaustleugnung als Sondergesetz gegen die Meinungsfreiheit verstoße und die darauf gestützte strafrechtliche Verfolgung ein Verbrechen sowie Willkür bedeute. Dass einer der in § 92 Abs. 2 StGB genannten Verfassungsgrundsätze beseitigt, außer Geltung gesetzt oder untergraben werden solle, ergibt sich daraus nicht. Schließlich vermögen auch die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung, wonach sowohl der Angeklagte als auch I. "seit Jahren rechtsradikales Gedankengut verbreiten und die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekämpfen" (UA S. 34), die Annahme des Qualifikationstatbestandes nicht zu tragen, weil diese Einschätzung nicht durch Tatsachen belegt ist.
9
b) Da nicht auszuschließen ist, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Angeklagten nach § 90a Abs. 3 StGB tragen, hebt der Senat den Schuldspruch wegen schwerer Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole auf. Dies erfasst notwendig auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Volksverhetzung in den Fällen II.1. und II.3. der Urteilsgründe, wenngleich das Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei eine Leugnung des Holocaust im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB bejaht hat.
10
2. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
11
a) Die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a Abs. 1 StGB ist - ebenso wie die Leugnung des Holocaust nach § 130 Abs. 3 StGB - ein persönliches Äußerungsdelikt. Die Wiedergabe fremder Äußerungen ist nur dann tatbestandsmäßig, wenn sich der Täter die Äußerung ausdrücklich oder konkludent derart zu eigen macht, dass er selbst beschimpft oder böswillig verächtlich macht. Ob sich der Täter eine Äußerung auf solche Weise zu eigen macht, gehört zur Auslegung, die aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Die Bewertung des Inhalts einer Äußerung richtet sich ebenso wie die Frage des Zu-Eigen-Machens nach deren objektivem Sinngehalt, der nach dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittsempfängers zu ermitteln ist. Dabei können neben dem Wortlaut und dem Kontext der Äußerung auch außerhalb derselben liegende Umstände Bedeutung erlangen (BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2002 - 3 StR 270/02, NStZ 2003, 145; vom 7. Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Nicht erkennbar gewordene Umstände, beispielsweise eine weder in der Äußerung selbst noch in den Begleitumständen zum Ausdruck gekommene innere Einstellung des Täters, sind aus Sicht des Empfängerhorizonts dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteile vom 23. August 1979 - 4 StR 207/79, juris Rn. 7; vom 20. Juli 1961 - 3 StR 21/61, NJW 1961, 1932, 1933; vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, juris Rn. 8 [zu § 130 StGB, insoweit in BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 3 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 14. April 2015 - 3 StR 602/14, NStZ 2015, 512, 513 [zu § 130 Abs. 1 StGB]).
12
Insoweit könnte die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich die Äußerungen von I. zu eigen gemacht, in den Fällen I.1. und I.2. der Urteilsgründe auf rechtliche Bedenken stoßen. Denn das Landgericht hat seine Bewertung in diesen Fällen im Wesentlichen auf entsprechende Bemerkungen des Angeklagten in - erst nach der dritten Tat verfassten und den Feststellun- gen zufolge nicht veröffentlichten - Antwortbriefen an I. gestützt. Auch das erst im dritten Fall (Fall II.3. der Urteilsgründe) an die Empfänger der von ihm weitergeleiteten Texte gerichtete Begleitschreiben des Angeklagten ist für die Beurteilung der ersten beiden Fälle (Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe) ohne Bedeutung, weil die Empfänger der weitergeleiteten Texte zum Zeitpunkt der ersten beiden Taten hiervon noch keine Kenntnis hatten.
13
b) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen kommt als Tathandlung sowohl im Rahmen des § 90a Abs. 1 StGB als auch im Rahmen des § 130 Abs. 3 StGB neben einem Verbreiten von Schriften auch ein öffentliches Beschimpfen bzw. öffentliches Leugnen in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 83).
14
c) Falls die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die von dem Angeklagten in den Fällen II.1. und II.3. weitergeleiteten Texte der Holocaust geleugnet wird (§ 130 Abs. 3 StGB) und sich der Angeklagte die Texte zu eigen gemacht hat, ergibt sich seine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung unmittelbar aus § 130 Abs. 3 StGB; eines Rückgriffs auf § 130 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) StGB aF bedarf es insoweit nicht.
15
d) § 130 Abs. 5 StGB eröffnet u.a. für die weiteren Tathandlungen des Verbreitens und öffentlich Zugänglichmachens einer Schrift mit dem in § 130 Abs. 3 StGB bezeichneten Inhalt - die nicht zusätzlich den in § 130 Abs. 2 StGB beschriebenen Inhalt aufweisen muss - den Strafrahmen des Absatzes 2, der von Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe reicht.
16
e) Dem in Bezug auf § 90a StGB eingeschränkten Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist bei der Rechtsanwendung auf allen Ebenen Rechnung zu tragen. Es verlangt daher auch bei der Strafzumessung für eine verbotene Meinungsäußerung Beachtung (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2002 - 3 StR 270/02, NStZ 2003, 145, 146 mwN).
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 6 0 2 / 1 4
vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. April
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. September 2013 dahin geändert, dass
a) die Angeklagte M. schuldig ist der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und mit Volksverhetzung in zwei Fällen;
b) die Verurteilung des Angeklagten H. wegen Beihilfe zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten entfällt. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 3. Die Angeklagten haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte M. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und mit Volksverhetzung in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt. Den Angeklagten H. hat es der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zum Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, zur Volksverhetzung und zur Gewaltdarstellung schuldig gesprochen und gegen ihn eine Bewährungsstrafe von fünf Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den Feststellungen betrieben die Angeklagten zusammen mit mehreren nicht revidierenden Mitangeklagten seit Anfang des Jahres 2011 das Internetradio "I. ", dessen Zweck in der Verbreitung von rechtsextremen Liedern bestand. Deren Inhalte überschritten - was dem gemeinsamen Willen der Gruppe entsprach - in einer nicht unerheblichen Zahl an Fällen die Schwelle zur Strafbarkeit, etwa weil sie volksverhetzenden oder Gewalt verherrlichenden Charakter hatten. Das Programm des Radios bestand vor allem aus moderierten Sendungen, in denen die Moderatoren auch Zuhörerwünsche berücksichtigten , sowie aus einer sogenannten Dauerschleife. Unter den Mitgliedern von Radio "I. " bestand die allseits akzeptierte Absprache, dass die Kommentare der Moderatoren selbst eher zurückhaltend sein und keine strafbaren Inhalte haben sollten.
3
Die Angeklagte M. nahm in der Gruppierung zusammen mit einer Mitangeklagten die führende Rolle ein und moderierte auch selbst eigene Sendungen, in der sie inkriminierte Lieder abspielte. Der Angeklagte H. war für die Finanzen des Radios zuständig und moderierte selbst nicht.
4
II. Die Revision der Angeklagten M.
5
Der Schuldspruch hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit das Landgericht die Angeklagte M. tateinheitlich zur Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen verurteilt hat; daneben tragen die Urteilsgründe in einem Fall nicht die Verurteilung wegen Volksverhetzung. Im Einzelnen:
6
1. Die Verurteilung wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 Abs. 1 StGB) hat die Strafkammer auf das Abspielen des Titels "Blut und Ehre" der Gruppe Schwarze Division Sachsen in der von der Angeklagten M. am 11. Mai 2011 moderierten Sendung gestützt. Der Inhalt des Textes wird lediglich insoweit mitgeteilt, als deutlich hörbar die Parole "Deutschland Heil dir, Sieg Heil, Sieg Heil, Sieg Heil" (UA S. 42) sowie "Blut und Ehre" (UA S. 69) gesungen werde.
7
Diese Feststellungen belegen nicht, dass es sich bei dem Lied um ein Propagandamittel im Sinne von § 86 StGB handelte. Hierunter fallen nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB), deren Inhalte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen (§ 86 Abs. 2 StGB) und die aufgrund dessen eine aktiv kämpferische, aggressive Tendenz in diese Richtung erkennen lassen (BGH, Urteile vom 23. Juli 1969 - 3 StR 326/68, BGHSt 23, 64, 72; vom 13. August 2009 - 3 StR 228/09, NJW 2010, 163, 165). Kritik, Ablehnung und politisches Wunschdenken reichen ebenso wenig wie wissenschaftliche Abhandlungen , Dokumentationen oder belletristische Darstellungen, wenn und soweit ihnen der werbende, aufwieglerische Charakter fehlt, welcher der Propaganda eignet. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung muss in der Schrift selbst verkörpert sein, wobei auf den verständigen Durchschnittsleser(-hörer) abzustellen ist (BGH, Urteil vom 23. Juli 1969 - 3 StR 326/68, BGHSt 23, 64, 73; MüKoStGB/Steinmetz, 2. Aufl., § 86 Rn. 13).
8
Die in den Urteilsgründen dargestellten Textfragmente erschöpfen sich in der Wiedergabe von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen ("Sieg Heil", "Blut und Ehre"). Deren Verwendung alleine hebt eine Schrift noch nicht zum Propagandamittel und macht nähere Ausführungen zu dem propagandistischen Zusammenhang nicht entbehrlich (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 228/09, NJW 2010, 163, 165). Das erforderliche aggressivkämpferische Element lässt sich den Urteilsgründen indes nicht entnehmen. Soweit das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung interpretierend ausführt, der Liedtext knüpfe an die Rassenideologie ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen an, die "als nachahmenswert dargestellt" werde, belegt auch dies den in Abgrenzung zum bloßen Wunschdenken erforderlichen aufwieglerischen Charakter nicht.
9
2. Hinsichtlich der Verurteilung wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) in drei Fällen gilt:
10
a) Im Fall des Abspielens des Liedes "Ausländerhure" der Gruppe "Kraftschlag" in der von der Angeklagten am 29. April 2011 moderierten Sendung tragen die Feststellungen nicht die Verurteilung wegen Volksverhetzung. § 130 StGB setzt sowohl im Äußerungstatbestand nach Abs. 1 als auch im Rahmen des Verbreitungstatbestandes (Abs. 2) voraus, dass sich der Inhalt der Schrift gegen einen Teil der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe richtet. Als - vorliegend allein in Betracht kommend - Teil der Bevölkerung ist eine von der übrigen Bevölkerung auf Grund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher , beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppe von Personen zu verstehen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit und somit individuell nicht mehr unterscheidbar sind (BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 3). Nicht ausreichend ist es, wenn bei der Verwendung von Sammelbegriffen der Personenkreis so groß und unüberschaubar ist und mehrere, sich teilweise deutlich unterscheidende Einstellungen oder politische Richtungen umfasst, dass eine Abgrenzung von der Gesamtbevölkerung aufgrund bestimmter Merkmale nicht möglich ist (BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 3 mwN; MüKoStGB/Schäfer aaO § 130 Rn. 30, 34 f. mwN).
11
So liegt es hier. Die in dem Lied verwendete Gruppenbezeichnung "Ausländerhuren" ist für sich betrachtet vage. Welche abgrenzbare Gruppe von Frauen konkret angesprochen ist, lässt sich weder aus dem im Urteil auszugsweise wiedergegebenen Liedtext noch im Gesamtzusammenhang des Urteils eindeutig herleiten. Dahinstehen kann, ob der in dem Lied verwendete Begriff "Ausländerbanden" ausreichend bestimmt im Sinne der vorstehenden Maßstäbe ist. Bezüglich dieser Gruppe belegen die Urteilsgründe jedenfalls weder ein Aufstacheln zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen noch einen Angriff auf die Menschenwürde mittels Beschimpfens, böswilligen Verächtlichmachens oder Verleumdung.
12
b) Nicht zu beanstanden ist die Verurteilung nach § 130 Abs. 2 StGB wegen der in den Sendungen vom 8. April und 8. Mai 2011 abgespielten Lieder. Zwar belegen die Feststellungen entgegen der Auffassung des Landgerichts hinsichtlich des in der Sendung vom 8. April 2011 abgespielten Stückes "Negeraufstand in Kuba" keinen volksverhetzenden Inhalt im Sinne des Straf- tatbestandes. Allerdings tragen die Feststellungen zu den in dieser Sendung abgespielten Stücken der Gruppe "Landser" ("Afrika Lied", "Xenophobia") den Schuldspruch.
13
Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe neben § 130 Abs. 2 StGB auch den Tatbestand des Abs. 1 verwirklicht. In Abgrenzung zu dem Verbreitungsdelikt des Abs. 2 (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, juris Rn. 8), handelt es sich hierbei um ein persönliches Äußerungsdelikt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 224; MüKoStGB/Schäfer aaO, § 130 Rn. 9). In dem Verbreiten oder Zugänglichmachen einer fremden Erklärung liegt nur dann eine eigene Äußerung des Verbreitenden, wenn dieser sich den Inhalt erkennbar zu Eigen macht (Hörnle, NStZ 2002, 113, 116; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 37; SK-StGB/Stein/Rudolphi, 148. Lfg., § 130 Rn. 4; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 130 Rn. 5; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Februar 1990 - 3 StR 278/89, NJW 1990, 2828, 2831). Die Beurteilung, ob in der Verbreitung oder dem Zugänglichmachen einer fremden Äußerung zugleich eine eigene Äußerung zu sehen ist, das Handeln also als Ausdruck eigener Missachtung und Feindseligkeit erscheint, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Besonderheiten des Einzelfalles kennzeichnenden Umstände zu treffen (BGH, Urteil vom 14. Januar 1981 - 3 StR 440/80, NStZ 1981, 258; LK/Kraus aaO, § 130 Rn. 37).
14
Derartige Umstände belegen die Urteilsgründe nicht. Dass das Radio rechtsextrem ausgerichtet und die Angeklagte M. im Tatzeitraum entsprechend politisch eingestellt war, vermag die erforderliche nach außen erkennbare innere Übernahme der Liedinhalte noch nicht herzustellen. Überdies ist nach den Urteilsgründen auch nicht auszuschließen, dass es sich bei den inkriminierten Stücken um als solche auch in der Anmoderation kenntlich gemachte Hörerwünsche gehandelt hatte.
15
3. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend neu gefasst, da auch zum Ausdruck zu bringen war, dass die Angeklagte M. - wie vom Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen - als Rädelsführerin (§ 129 Abs. 4 StGB) in der kriminellen Vereinigung gehandelt hatte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, juris Rn. 59 mwN).
16
4. Einer Aufhebung des Strafausspruches bedarf es nicht. Auf die Wahl des Strafrahmens, den das Landgericht zutreffend § 129 Abs. 4 StGB entnommen hat, haben die dargestellten Rechtsfehler keinen Einfluss. Der Senat kann auch ausschließen, dass sie sich im Rahmen der konkreten Strafzumessung für die Angeklagte nachteilig ausgewirkt haben. Die Strafkammer hat lediglich allgemein strafschärfend berücksichtigt, dass die Angeklagte tateinheitlich zum Verstoß gegen § 129 StGB weitere Delikte verwirklicht hat. Diese Erwägung trägt auch nach Wegfall der Verurteilung gemäß § 86 StGB und der Volksverhetzung (§ 130 StGB) in einem Fall. Eine wesentliche Verringerung des Schuldumfangs ist hierdurch nicht eingetreten, zumal die Angeklagte durch das Abspielen des Liedes "Blut und Ehre" zwar nicht gegen § 86 StGB verstoßen , aber - wie vom Landgericht zutreffend angenommen - vorsätzlich Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet hat (§ 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
17
III. Die Revision des Angeklagten H.
18
Hinsichtlich des Angeklagten H. hält der Schuldspruch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit dieser tateinheitlich zu seiner Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung nach den Grundsätzen zum uneigentlichen Organisationsdelikts auch wegen Beihilfe zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§§ 111, 27 StGB) und Beihilfe zur Volksverhetzung in Form des § 130 Abs. 1 StGB verurteilt worden ist. Hierzu gilt:
19
1. Die Feststellungen tragen nicht den Schluss, dass der Angeklagte seine Förderhandlungen vorsätzlich in Bezug auf eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) erbracht hat. § 111 StGB ist ein Äußerungsdelikt (Fischer, StGB, 62. Aufl., § 111 Rn. 2; LK/Rosenau, § 111 Rn. 14). Aufgrund dessen ist - wie auch im Fall des § 130 Abs. 1 StGB - bei der Veröffentlichung einer fremden Erklärung zu fordern, dass der Veröffentlichende diese unmissverständlich zu seiner eigenen machen will (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 1990 - 3 StR 278/89, NJW 1990, 2828, 2831; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 3 Ss 317/02, NStZ-RR 2003, 327, 328; Fischer aaO, § 111 Rn. 2a). In dem bloßen Abspielen eines Liedes ist ein derartiges zu Eigen machen noch nicht zu sehen. Dahingestellt bleiben kann, ob der im Urteil wiedergegebene Kommentar der Mitangeklagten N. , den diese während der Moderation zu dem von ihr in der Sendung vom 16. April 2011 abgespielten Lied "Tret´ einfach rein" der Gruppe "Reichssturm" abgab, im Rahmen einer Gesamtwürdigung den Schluss auf ein zu Eigen machen rechtfertigen würde. Dass der Angeklagte mit einem derartigen Kommentar rechnete oder einen solchen zumindest für möglich hielt und billigte, belegen die Urteilsgründe nicht; hiergegen spricht zudem, dass es der gemeinsamen, von allen Mitgliedern ak- zeptierten Absprache entsprach, die Äußerungen der Moderatoren während der Sendungen strafrechtlich unverfänglich zu halten.
20
2. Soweit die Strafkammer eine strafbare Beihilfe zur Volksverhetzung angenommen hat, ist dies hinsichtlich § 130 Abs. 2 StGB ohne Rechtsfehler. Für eine Beihilfe zum Äußerungsdelikt des § 130 Abs. 1 StGB fehlt es entsprechend obiger Ausführungen allerdings am Gehilfenvorsatz des Angeklagten.
21
3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Angesichts der auch hier vom Landgericht nur allgemein angestellten und von den Urteilsgründen getragenen Erwägung, dass sich zu Lasten des Angeklagten dessen tateinheitliche Beihilfe zu den von den Moderatoren verwirklichten Delikten ausgewirkt hat, schließt der Senat aus, dass sich die dargestellten Rechtsfehler im Rahmen der konkreten Strafzumessung für den Angeklagten nachteilig ausgewirkt haben.
22
IV. Der jeweils nur geringfügige Erfolg der Rechtsmittel gibt keinen Anlass , die Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und ihrer Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Spaniol

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 449/15
vom
3. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:030516B3STR449.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 3. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 25. Februar 2015 aufgehoben
a) und die Angeklagte freigesprochen, soweit sie wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen verurteilt worden ist. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im gesamten Strafausspruch, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Volksverhetzung sowie wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
3
II. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zu Ungunsten der Angeklagten nur mit Blick auf den Schuldspruch wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen und auf den Strafausspruch ergeben; der Schuldspruch wegen Volksverhetzung erweist sich hingegen als rechtsfehlerfrei. Im Einzelnen:
4
1. Die Angeklagte hat sich gemäß § 130 Abs. 3 StGB wegen Volksverhetzung strafbar gemacht, indem sie eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 VStGB (Völkermord) bezeichneten Art in einer Weise öffentlich leugnete, die geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus gilt insoweit Folgendes:
5
a) Leugnen ist das Bestreiten, Inabredestellen oder Verneinen einer historischen Tatsache. Es kann nur geleugnet werden, was wahr ist, weshalb das Bestreiten wissenschaftlich noch umstrittener Tatsachen nicht erfasst wird; das Bezweifeln oder Infragestellen einer Tatsache reicht nach herrschender Auffassung ebenfalls nicht aus (LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 106 mwN; aA Stegbauer, NStZ 2000, 281, 284: Bezweifeln soll aus Gründen der ratio legis genügen). Ein Leugnen liegt auch bei verklausulierten Formulierungen vor, wenn die wahre Bestreitensabsicht eindeutig zum Ausdruck kommt (MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 130 Rn. 80 f. mwN). Ob dies der Fall ist, muss im Wege der Auslegung der Äußerung auf ihren tatsächlichen Gehalt hin ermittelt werden; dies ist Sache des Tatgerichts (BGH, Urteil vom 15. März 1994 - 1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101). Kommt dieses zu einem vertretbaren Ergebnis , so hat das Revisionsgericht dessen Auslegung hinzunehmen, sofern sie sich nicht als rechtsfehlerhaft erweist, etwa weil die Erwägungen des Tatgerichts lückenhaft sind oder gegen Sprach- und Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen; die rechtliche Prüfung erstreckt sich insbesondere auch darauf , ob allgemeine Auslegungsregeln verletzt worden sind (LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 91 f. mwN). Kriterien der Auslegung sind neben dem Wortlaut der Äußerungen und ihrem sprachlichen Kontext auch sämtliche nach außen hervortretenden Begleitumstände, namentlich etwa die erkennbare politische Grundhaltung der Zuhörer und ihr Vorverständnis, aber auch die nach dem objektiven Empfängerhorizont deutlich werdende Einstellung des sich Äußernden (BGH, aaO, S. 101 f.; Urteil vom 15. Dezember 2005 - 4 StR 283/05, NStZ-RR 2006, 305). Verbleiben Zweifel am Inhalt der Äußerung bzw. ist sie mehrdeutig, gebietet eine am Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ausgerichtete Auslegung, auf die günstigere Deutungsmöglichkeit abzustellen, wenn diese nicht ihrerseits ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 25. August 1994 - 1 BvR 1423/92, NJW 1994, 2934 mwN).
6
Nach diesen Maßgaben ist die Würdigung des Landgerichts, der Inhalt des von der Angeklagten gehaltenen Vortrags lasse - jedenfalls im Gesamtzu- sammenhang - keine andere Deutung zu, als dass sie erklärt habe, es habe den Holocaust nicht gegeben, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere den von der Strafkammer in der rechtlichen Würdigung zitierten Passagen ihres Vortrags, in denen sie zunächst einen Zusammenhang mit dem Delikt der Verleumdung gemäß § 186 StGB herstellte und ausführte, bei diesem sei es - anders als im Fall von § 130 Abs. 3 StGB - so, dass man die Wahrheit sagen dürfe, sodann das vermeintliche Fehlen jeglicher Feststellungen zum Holocaust hervorhob und ihren Vortrag mit dem Wunsch schloss, eine Welt zu schaffen, "in der man die Wahrheit sagen darf, ohne bestraft zu werden", konnte das Landgericht - auch mit Blick auf die Anforderungen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und den Zweifelssatz rechtsfehlerfrei - entnehmen, dass es der Angeklagten nicht darum ging, lediglich eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten in Strafprozessen wegen Holocaustleugnung anzuprangern oder den Holocaust nur als historische Tatsache in Zweifel zu ziehen, sondern darum die - vermeintliche - Wahrheit zu sagen, dass es den Völkermord an Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus nicht gegeben habe, und damit diese historische Tatsache zu leugnen.
7
b) Der Vortrag war auch geeignet, den öffentlichen Frieden im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB zu stören. Dem steht nicht entgegen, dass er in der Schweiz gehalten wurde. Insoweit gilt:
8
aa) Das Tatbestandsmerkmal bezieht sich nur auf den öffentlichen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland. Das ergibt sich aus Folgendem:
9
Ob ein deutscher Straftatbestand auf ausländische Verhältnisse anwendbar ist oder nicht, ist durch dessen Auslegung im Einzelfall zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1979 - 1 StR 21/79, BGHSt 29, 85, 88). Ergibt diese, dass durch die Vorschrift ausschließlich inländische Rechtsgüter geschützt werden sollen, so kann der Täter nicht bestraft werden, wenn er durch seine Handlung ein solches nicht verletzt hat (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 1967 - 4 StR 38/67, BGHSt 21, 277, 280; vom 31. Juli 1979 - 1 StR 21/79, BGHSt 29, 85, 88). Der Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsgütern kommt allerdings nur Bedeutung zu, wenn - wie hier - staatliche Interessen das Rechtsgut darstellen; insoweit gilt der Grundsatz, dass sich die in Betracht kommenden Straftatbestände des deutschen Strafrechts grundsätzlich nicht auf den Schutz der Belange fremder Staaten beziehen , wenn nicht der Gesetzgeber den Anwendungsbereich ausdrücklich auf ausländische staatliche Interessen oder diejenigen internationaler Organisationen ausdehnt (LK/Werle/Jeßberger aaO, Vor §§ 3 ff. Rn. 274 ff.; SK-StGB/ Hoyer, 26. Lfg., Vor § 3 Rn. 34).
10
Im Rahmen des § 130 Abs. 1 StGB werden unter Teilen der Bevölkerung nur Teile der inländischen Bevölkerung verstanden (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 28. April 1970 - 2 Ss 41/70, NJW 1970, 1649 f.). Soweit eine solche Beschränkung den in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB weiter aufgeführten Angriffsobjekten nicht zu entnehmen ist, wird sie regelmäßig daraus hergeleitet, dass die Norm den innerstaatlichen öffentlichen Frieden schütze (vgl. MüKoStGB/ Schäfer aaO, Rn. 31; LK/Krauß aaO, Rn. 28). Auch zu § 130 Abs. 3 StGB hat der Bundesgerichtshof ein entsprechendes Verständnis stillschweigend vorausgesetzt , indem er darauf abgestellt hat, dass es dem Täter darauf angekommen sei, dass seine Äußerungen einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 219). Dieser eingegrenzte Schutzbereich entspricht auch dem Verständnis des Gesetzgebers, der sich bei der Reformierung des § 130 Abs. 1 StGB im Jahr 2010 ausdrücklich auf die Regelung in Art. 1 Abs. 2 des "Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrecht- lichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" bezogen hat, nach der es den Mitgliedstaaten freistehe , nur solche Handlungen unter Strafe zu stellen, die in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören; daraus ergebe sich, dass die Tat weiterhin einen Inlandsbezug aufweisen müsse (BT-Drucks. 17/3124, S. 10 f.).
11
bb) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen befand sich unter den Zuhörern des Vortrags eine unbestimmte Vielzahl von Personen, die aus der Bundesrepublik Deutschland stammten; bereits dies genügt, um die Eignung der Tat zur Störung des öffentlichen Friedens in Deutschland zu belegen , denn diese Zuhörer kehrten im Anschluss an den Vortrag an ihren Wohnort in Deutschland zurück. Es kommt insoweit für die Eignung zur Friedensstörung insbesondere nicht darauf an, ob sie den Inhalt des Vortrags der Angeklagten weiter verbreiteten. Dass der Vortrag inhaltlich geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören, liegt auf der Hand; dies indiziert regelmäßig bereits die Begehung einer Tathandlung im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB (MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 86; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. April 2002 - 5 StR 485/01, BGHSt 47, 278, 282).
12
c) Auf die Tat ist deutsches Strafrecht anwendbar.
13
aa) Dies folgt indes nicht aus § 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 StGB, denn das Merkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB, das zur Einstufung der Vorschrift als einem potentiellen, abstraktkonkreten Gefährdungsdelikt (vgl. MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 9 mwN) führt, umschreibt keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, so dass eine Inlandstat über § 9 Abs. 1 Variante 3 oder 4 StGB nicht begründet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 88/14, BGHR StGB § 9 Erfolg 4 mwN zu § 86a StGB). Unabhängig von der Frage, ob die Regelung nicht nur auf Erfolgsdelikte im Sinne der allgemeinen Deliktslehre abstellt, ist jedenfalls an dem Ort, an dem - wie hier - die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete lediglich umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten (ebenso S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 9 Rn. 6a mwN; Satzger, NStZ 1998, 112, 114 f.; aA BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221). Erforderlich wäre insoweit vielmehr eine von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenweltsveränderung (Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876), zu der es in den Fällen einer bloß potentiellen Gefahr indes gerade nicht kommen muss; eine solche ist mithin kein Tatbestandsmerkmal und kein zum Tatbestand gehörender Erfolg.
14
Dieser Auffassung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, sie konterkariere die Bemühung, den Schutz bestimmter Rechtsgüter durch die Schaffung von abstrakten Gefährdungsdelikten zu erhöhen (so aber Heinrich, GA 1999, 72, 81), denn gerade die diesen Schutz ausmachende Vorverlagerung der Strafbarkeit kann Anlass sein, sie - schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen - nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu erstrecken. Die Gleichsetzung von abstrakt-konkreten mit konkreten Gefährdungsdelikten würde hier zudem im Ergebnis dazu führen, dass zwischen der Prüfung des Schutzbereichs der Norm und der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht mehr differenziert werden könnte. Denn wenn nur der öffentliche Friede in Deutschland geschützt ist, dessen Beeinträchtigung im Sinne eines Taterfolgs letztlich aber die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründen würde, ginge es jeweils um dieselbe Frage. Soweit eine Gegenmeinung im Schrifttum darauf abstellt, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 9 StGB durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) die bis dahin zu § 3 Abs. 3 StGB aF herrschende Auffassung zum Begehungs- ort abstrakter Gefährdungsdelikte nicht habe einschränken wollen (so LK/Werle/Jeßberger aaO, § 9 Rn. 33 mwN), verfängt diese Argumentation nicht, weil sich dieser etwaige gesetzgeberische Wille im Wortlaut der Neufassung nicht niedergeschlagen hat; im Gegenteil bringt dieser nunmehr zum Ausdruck , dass der Erfolg zum Tatbestand der Strafnorm gehören muss (ebenso Satzger aaO, S. 115 f.), was bei potentiellen Gefährdungsdelikten - wie dargelegt - nicht der Fall ist.
15
Der Senat kann diese Frage - wie geschehen - entscheiden, ohne ein Anfrageverfahren gemäß § 132 Abs. 3 GVG durchführen zu müssen. Zwar hat der 1. Strafsenat in seinem Urteil vom 12. Dezember 2000 (1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221) ausgeführt, dass bei der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und 3 StGB ein Taterfolg im Sinne von § 9 StGB auch dort eingetreten sei, wo die Tat ihre Gefährlichkeit entfalten könne, mithin ihre konkrete Eignung zur Friedensstörung in der Bundesrepublik Deutschland. Es kann offen bleiben, ob diese Entscheidung, die zur Tatbegehung über das Internet ergangen ist, auch im vorliegenden Fall Geltung beanspruchen könnte. Jedenfalls ist der Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs in der seit dem Jahr 2014 geltenden Fassung mittlerweile allein für Entscheidungen über Revisionen in Strafsachen gegen die Urteile der Strafkammern zuständig, sofern sie - unter anderem - Fälle der Volksverhetzung (§ 130 StGB) betreffen. Eine Anfrage - und gegebenenfalls Vorlagepflicht besteht deshalb nicht (BGH, Beschlüsse vom 9. November 2010 - 5 StR 394/10 u.a., BGHSt 56, 73, 90 f.; vom 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180, 183; KK-Hannich, StPO, 7. Aufl., § 132 GVG Rn. 6 mwN).
16
bb) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich hier aber aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB: die Angeklagte ist Deutsche und die Tat war am Tatort mit Strafe bedroht. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass sich die Strafbarkeit in der Schweiz aus Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB - Rassendiskriminierung - ergibt. Die im Jahr 1995 in Kraft getretene Vorschrift lautet: "(…) wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, (…) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
17
Die deutsche und die schweizerische Fassung unterscheiden sich nur sprachlich und selbst insoweit nur in geringem Maße. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die Tat lediglich in irgendeiner Weise nach dem Recht am Tatort strafbar sein muss (so BGH, Urteil vom 29. Februar 1952 - 1 StR 767/51, BGHSt 2, 160, 161) oder ob zu verlangen ist, dass der deutsche und der ausländische Straftatbestand dieselbe Schutzrichtung verfolgen, mithin ein vergleichbares Rechtsgut vor vergleichbaren Angriffen abgeschirmt werden soll (so SK-StGB/Hoyer aaO, Rn. 38). Denn vorliegend ist die sogenannte Unrechtsparallelität der Normen gegeben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Tathandlung - öffentliches Leugnen, (gröblich) Verharmlosen oder Billigen bzw. zu rechtfertigen Suchen - als auch für das geschützte Rechtsgut, unabhängig davon, ob Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB - wofür die Überschrift des Zwölften Titels des 2. Buches spricht, die "Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden" lautet - vornehmlich den öffentlichen Frieden oder die Menschenwürde schützt (vgl. hierzu Niggli, Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 321 ff., insbesondere 338 ff.). Denn in den Schutzbereich von § 130 Abs. 3 StGB ist neben dem öffentlichen Frieden die persönliche Würde sowie der persönliche Ach- tungsanspruch der Betroffenen gleichermaßen einbezogen (MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 5 mwN). Soweit die deutsche Vorschrift mit der Eignung zur öffentlichen Friedensstörung ein weiteres Tatbestandsmerkmal bzw. Korrektiv enthält, folgt daraus allenfalls, dass ihr Anwendungsbereich enger ist. Entsprechendes gilt, soweit die Schweizer Regelung nicht auf Völkermorde unter der Herrschaft der Nationalsozialisten beschränkt ist.
18
Der Zusatz "aus einem dieser Gründe" in Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB bezieht sich - entgegen der Auffassung der Revision - schon aus offenbaren sprachlichen Gründen nur auf das Handlungsmotiv aus Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 ("wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion"), nicht aber auf die Handlungsmodalitäten , das Angriffsobjekt, die Handlung oder die Qualifikation der Weise der Begehung (vgl. Niggli aaO, Rn. 1690 ff.). Es kommt damit nicht darauf an, ob die Angeklagte beabsichtigte, eine Person oder eine Gruppe von Personen in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise zu diskriminieren oder herabzusetzen. Entsprechende Feststellungen des Landgerichts waren mithin entbehrlich.
19
d) Die anwendbare und tatbestandlich erfüllte Vorschrift des § 130 Abs. 3 StGB unterliegt entgegen der Auffassung der Revision keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und verstößt nicht gegen Art. 10 EMRK.
20
aa) § 130 Abs. 3 StGB kollidiert vorliegend nicht mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil der Schutzbereich dieses Grundrechts nicht eröffnet ist. Der Schutz von Tatsachenbehauptungen, um die es bei der Tathandlungsalternative des Leugnens allein geht, endet dort, wo diese zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung nichts beitragen könnten; so verhält es sich mit bewusst oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994 - 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241, 247 f.). Da es sich bei dem Massenvernichtungsunrecht, welches unter der Herrschaft des Nationalsozialismus der jüdischen Bevölkerung angetan wurde, um eine geschichtlich erwiesene Tatsache handelt (vgl. BVerfG aaO, S. 249; MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 77 mwN), kann deren Inabredestellen nicht dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.
21
Bedeutung beansprucht das Grundrecht der Meinungsfreiheit - wie unter 1. a) dargelegt - allein bei der Auslegung der Äußerung und damit bei der Bestimmung , ob überhaupt ein Leugnen gegeben ist.
22
bb) Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG.
23
Vereinzelt in der Literatur geäußerte Bedenken in Bezug auf die Weite der Tathandlungen (vgl. die Nachweise bei MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 76 mwN; weitergehend Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 130 Rn. 8a), verfangen nicht. Die sprachliche Fassung des Tatbestands ist hinreichend deutlich und begrenzt, um auslegungsfähig zu sein (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08, NJW 2010, 47, 54 zu § 130 Abs. 4 StGB), die Vorschrift daher in der von der Rechtsprechung angewendeten restriktiven Auslegung (siehe oben Ziff. 1. a)) trennscharf zu handhaben.
24
Das sprachlich weit gefasste Merkmal des öffentlichen Friedens ist als ein Tatbestandsmerkmal zu verstehen, dessen Inhalt sich aus dem Normenzusammenhang eigens bestimmt. Es hat lediglich die Funktion eines Korrektivs. Grundsätzlich begründet bereits die Verwirklichung der anderen Tatbestandsmerkmale die Strafbarkeit, bei deren Erfüllung auch die Störung des öffentlichen Friedens (bzw. die Eignung hierzu) - wie dargelegt - vermutet werden kann. Eigenständige Bedeutung hat es daher nur in atypischen Situationen, wenn diese Vermutung auf Grund besonderer Umstände nicht trägt. Es handelt sich insoweit mithin nicht um ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern um eine Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle (vgl. BVerfG aaO, S. 54 zu § 130 Abs. 4 StGB).
25
cc) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann die Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 Abs. 1 EMRK wegen des sich aus Art. 17 EMRK ergebenden Missbrauchsverbots nicht in Fällen geltend gemacht werden, in denen es um die Leugnung des Holocausts und damit zusammenhängende Fragen geht (vgl. EGMR, Entscheidungen vom 13. Dezember 2005 - 7485/03, juris Rn. 49 mwN; vom 24. Juni 2003 - 65831/01, NJW 2004, 3691, 3692 f.).
26
2. Die gegen die Angeklagte wegen dieser Tat verhängte Einzelstrafe kann indes keinen Bestand haben, weil sich die Strafrahmenwahl des Landgerichts als rechtsfehlerhaft erweist. Insoweit gilt:
27
Die Strafkammer hat ohne nähere Ausführungen den Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB zur Anwendung gebracht und dabei nicht in den Blick genommen , dass das Recht am Tatort mit Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB eine mildere Strafrahmenobergrenze (drei statt fünf Jahre Freiheitsstrafe) vorsieht. Die Anwendung des deutschen Strafrechts stellt sich im Rahmen des aktiven Personalitätsprinzips, das vorliegend als strafanwendungsrechtlicher Grundsatz verwirklicht wird (vgl. LK/Werle/Jeßberger aaO, § 7 Rn. 74), zwar als originäre Aufgabe der deutschen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden und nicht etwa als - stellvertretend wahrgenommene - Aufgabe der Tatortgerichte dar. Gleichwohl kann das Tatortrecht auch bei der Beurteilung von gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach dem Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland verfolgbaren Taten grundsätzlich zugunsten des Täters berücksichtigt werden. Insbesondere muss das Tatgericht bei der Strafzumessung regelmäßig Rücksicht auf Art und Maß des Tatortrechts nehmen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1996 - 5 StR 183/95, BGHSt 42, 275, 279 mwN).
28
Dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei der gebotenen Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre, und hebt die verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf.
29
3. Der Schuldspruch wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen gemäß § 132a StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
30
a) Die Strafkammer hat hierzu festgestellt, die Angeklagte habe sich im Briefkopf eines Schriftsatzes, mit dem sie gegenüber dem Landgericht München II im Zwischenverfahren zu dem Anklagevorwurf der Volksverhetzung Stellung nahm, als Rechtsanwältin bezeichnet. Hinter der Bezeichnung brachte sie eine Fußnote an; der Fußnotentext am Ende der Seite lautete: "Seit 16. Dezember 2011 aus der Rechtsanwaltschaft der BRD ausgeschlossen wegen sog. 'Holocaust-Leugnung' vor Gericht".
31
Das Landgericht hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, die Angeklagte habe damit die Berufsbezeichnung - nach dem gegen sie ausgesprochenen Berufsverbot zu Unrecht - geführt. Die Hinzufügung der Fußnote und des erläuternden Textes ändere daran nichts, denn der Bezeichnung als Rechtsanwalt komme gerade im Schriftverkehr mit Gerichten große Bedeutung zu: Mit der Eigenschaft als Rechtsanwalt sei eine besondere Stellung verbunden; eine Person, die sich zu Unrecht so bezeichne, könne insbesondere etwa von den - die Schriftsätze nicht lesenden - Beschäftigten auf der Geschäftsstelle oder im Vertretungsfall auch von Richtern Auskünfte bekommen, die anderen Personen nicht erteilt würden.
32
b) Diese Feststellungen und Wertungen tragen die Verurteilung wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen nicht.
33
Es ist bereits fraglich, ob die Angeklagte durch die Verwendung der Berufsbezeichnung im Briefkopf diese hier tatsächlich in dem Sinne führte, dass sie sie für sich in Anspruch nahm (vgl. insoweit LK/Krauß aaO, § 132a Rn. 59; MüKoStGB/Hohmann aaO, § 132a Rn. 26). Denn es entspricht allgemeiner Meinung, dass der Tatbestand mit Blick auf das von ihm geschützte Rechtsgut einschränkend ausgelegt werden muss. Die Vorschrift soll das Vertrauen der Allgemeinheit in die tatbestandlich erfassten Amts- und Berufsbezeichnung, Titel und Abzeichen schützen und Einzelne davor bewahren, sich einer angemaßten Autorität gegenüberzusehen und hierdurch gegebenenfalls einen Schaden zu erleiden (vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 361). Demgemäß verlangt die Rechtsprechung, dass das Führen der Bezeichnung in einer Art und Weise und unter Umständen geschehen muss, die die in Schutz genommenen Interessen der Allgemeinheit irgendwie berühren können (BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 1982 - 3 StR 118/82, BGHSt 31, 61, 62 f.; vom 17. November 2011 - 3 StR 203/11, NStZ 2012, 700). Insofern sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen , insbesondere die Art und Häufigkeit der Verwendung sowie der Adressatenkreis der Äußerung.
34
Angesichts der nur einmaligen Verwendung auf einem Schriftsatz gegenüber dem Gericht, dessen Richter jedenfalls aufgrund der Anklageschrift bereits Kenntnis davon hatten, dass der Angeklagten die Zulassung entzogen worden war, erscheint die Annahme einer Beeinträchtigung der geschützten Interessen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts in seiner rechtlichen Würdigung bereits bedenklich, zumal die Angeklagte durch die hinzugefügte Fußnote selbst auf das Erlöschen ihrer Zulassung hinwies und dadurch die Gefahr eines ihr irrtümlich entgegengebrachten Vertrauens minimierte.
35
Mit diesem Zusatz brachte sie zudem zum Ausdruck, dass sie die Berufsbezeichnung nicht für sich in Anspruch nehmen wollte. Damit scheidet bei der gegebenen Sachlage aber jedenfalls die Annahme aus, die Angeklagte habe den Missbrauch der Bezeichnung "Rechtsanwältin" vorsätzlich begangen, denn sie tat dies nicht, um damit ihr nicht zustehende Befugnisse oder erhöhtes Vertrauen in ihren Berufsstand zu erlangen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 17. November 2011 - 3 StR 203/11, NStZ 2012, 700).
36
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, aufgrund derer eine Verwirklichung des subjektiven Tatbestands bejaht werden könnte, und spricht die Angeklagte deshalb insoweit frei (§ 354 Abs. 1 StPO).
37
4. Nach dem Wegfall des Schuldspruchs wegen des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen wird das neue Tatgericht nur noch wegen der von der Angeklagten begangenen Volksverhetzung eine neue Einzelstrafe zuzumessen haben. Die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen werden von dem insoweit aufgezeigten Rechtsfehler (siehe oben Ziff. 2) nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben.
VRiBGH Becker ist Hubert RiBGH Mayer ist wegen Urlaubs gehindert wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. zu unterschreiben. Hubert Hubert Gericke Tiemann

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die mehrmals einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführerin wendet sich gegen ihre erneute strafrechtliche Verurteilung wegen der Leugnung der nationalsozialistischen Judenverfolgung nach § 130 Abs. 3 StGB.

I.

2

1. In den Jahren 2014 und 2015 veröffentlichte die Beschwerdeführerin in der von ihr und einer weiteren Person in gedruckter Form und über das Internet vertriebenen Zeitschrift "Stimme des Reiches" verschiedene Artikel, die schwerpunktmäßig Darlegungen enthielten, nach denen sich die massenhafte Tötung Menschen jüdischen Glaubens unter der Herrschaft des Nationalsozialismus nicht ereignet haben könne und insbesondere die Massenvergasungen in dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nicht möglich gewesen seien. Zum Beleg dieser These, die in mehreren der Artikel als aufgrund neuer Erkenntnisse feststehende Tatsache präsentiert wird, verweisen die Artikel unter anderem mehrfach auf vom Institut für Zeitgeschichte veröffentlichte Lager- und Kommandanturbefehle, aus denen hervorgehe, dass das Lager Auschwitz-Birkenau allein dazu bestimmt gewesen sei, die dort internierten Personen für die Rüstungsindustrie arbeitsfähig zu halten. Darüber hinaus stützen sich die Artikel unter anderem auf mehrere angebliche Verlautbarungen der Leitung der Gedenkstätte in Auschwitz-Birkenau, auf verschiedene Historiker, auf näher bezeichnete Zeitungsinterviews und auf zahlreiche Aussagen vermeintlich als Lügner entlarvter, namentlich benannter Zeugen und Zeitzeugen.

3

Im Einzelnen äußerte die Beschwerdeführerin in ihren Artikeln Folgendes:

4

a) In einem als "Presseerklärung - Neue Informationen über Auschwitz" überschriebenen Artikel (Tat zu 1) behauptet die Beschwerdeführerin, dass sich die Bestimmung des Konzentrationslagers Auschwitz als Arbeitslager unter anderem aus den bereits im Jahr 2000 vom Institut für Zeitgeschichte veröffentlichten Standort- und Kommandanturbefehlen klar ergebe. Aus den 604 Seiten dieser Veröffentlichung folge, dass in Auschwitz alles darauf angekommen sei, die Inhaftierten für ihre Arbeit in der Rüstungsindustrie arbeitsfähig zu halten. Die Deutschen seien diesbezüglich jahrzehntelang irregeführt worden.

5

b) In einem zweiten Artikel (Tat zu 2) führt die Beschwerdeführerin gleichfalls aus, dass Auschwitz als Symbol für den Holocaust bereits seit Jahrzehnten "in sich zusammengebrochen" sei. Dies ergebe sich "aufgrund einer Vielzahl von enttarnten, angeblichen Überlebenden dieses Schreckensortes und einer Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen". Diesen sei zu entnehmen, "dass Auschwitz ein Arbeitslager für die Aufrechterhaltung der Rüstungsproduktion war und kein Vernichtungslager". Es erhebe sich also die Frage, wo "die bis heute von Medien und Gerichten behaupteten Millionen Juden vergast worden" seien. Diese Frage sei insbesondere an den Zentralrat der Juden in Deutschland gerichtet, da eine "friedliche Zukunft … nicht auf der Grundlage von Lügen zu erreichen" sei. Nur durch eine Auflehnung gegen "Kriegstreiberei und Lügen" lasse sich "ein Ende dieses schrecklichen jüdischen Jahrhunderts" erreichen.

6

c) In einem weiteren als "erster offener Brief" bezeichneten Artikel (Tat zu 3) fordert die Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, dass Auschwitz als Tatort ausscheide, "eine Antwort auf die Frage, wo die sechs Millionen Juden vergast worden" seien. Hierbei wendet sich die Beschwerdeführerin an "die Mitglieder des Zentralrates der Juden in Deutschland". Diese schadeten sich selbst, wenn sie "die gewaltige Übertreibung" nicht richtigstellen würden. In diesem Fall könnten sie von den von der Lüge Betroffenen möglicherweise "Vergebung und Gnade" erhoffen. Die Angesprochenen sollten also "wohl bedenken", "was jetzt von ihnen gefordert" sei.

7

d) In einem als "Auseinandersetzung mit Hörerreaktionen" betitelten Artikel (Tat zu 4), führt die Beschwerdeführerin aus, weshalb eine Hinterfragung der tatsächlichen Opferzahlen der systematischen Judenverfolgung im Nationalsozialismus unerlässlich sei. Dies folge insbesondere aus dem Umstand, dass diese Opferzahlen für die Bemessung der von Deutschland zu leistenden Reparationen und die Beurteilung seiner historischen Verantwortung gegenüber dem Staat Israel entscheidend sei. Es sei demnach von zentraler Bedeutung, ob "Auschwitz ein Vernichtungs- oder ein Arbeitslager zur Aufrechterhaltung der Rüstungsindustrie" gewesen sei. Niemand sei selbst dort gewesen, so dass man den Berichten Glauben schenken müsse. So habe etwa eine namentlich genannte jüdischstämmige Journalistin "in einem Interview für die Times, in London am 29. August 2001" gesagt, Auschwitz sei kein Vernichtungslager gewesen. Dies ergebe sich auch aus den bereits genannten Standort- und Kommandanturbefehlen. Darüber hinaus seien zahlreiche Zeugen für die Vergasungen inzwischen "als Lügner enttarnt". Alle Zuhörer sollten also "Auskunft verlangen" "darüber, wo die 6 Millionen Juden ermordet wurden, wo, wann und wie, mit forensischen eindeutigen Beweisen."

8

e) Eingebettet in eine fiktive "Rede Wladimir Putins nach dem Europa-Asien-Gipfel in Mailand vom 17. Oktober 2014" behauptet die Beschwerdeführerin in einem weiteren Artikel (Tat zu 5) ohne nähere Belege, dass es den Holocaust nicht gegeben habe, "weil Auschwitz nur ein Arbeitslager gewesen sei und niemand erklärt habe wo denn dann die 6 Millionen ermordet wurden". Die "wirklich Angeklagten" seien daher "der Zentralrat der Juden in Deutschland in Vertretung Israels, sowie die bundesrepublikanische Justiz" welche seit langem das Gegenteil behaupteten. Auf Grundlage der Aufdeckung dieser Lüge sei "endlich ein Neubeginn ohne Volksverhetzung und Völkerzerstörung möglich".

9

In der gleichen Ausgabe der Zeitschrift befindet sich ein weiterer von der Beschwerdeführerin verfasster Artikel mit dem Titel "Eine notwendige abermalige Begriffsbestimmung: Arbeitslager, Vernichtungslager - KZ." Der Artikel leugnet die Bestimmung des Lagers Auschwitz-Birkenau als Vernichtungslager, rechtfertigt die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung als Internierung Kriegsgefangener und vergleicht darauf aufbauend die nationalsozialistischen Konzentrationslager mit vermeintlichen historischen Vorbildern und Nachfolgern.

10

f) In einem weiteren Artikel mit der Überschrift "Politische Verfahren - 2. Wiederaufnahmeantrag vom 20.11.2014 von H." (Tat zu 6) führt die Beschwerdeführerin aus, inwiefern sich aus der Wunsiedel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einerseits und aus neuen tatsächlichen Erkenntnissen über den Holocaust andererseits ein Wiederaufnahmegrund für ein gegen sie abgeschlossenes Verfahren wegen Volksverhetzung ergebe. Denn die historische Tatsache der systematischen Ermordung von mehreren Millionen Juden durch die Nationalsozialisten sei "immer fragwürdiger geworden, durch offizielle oder halboffizielle Verlautbarungen". Dies ergebe sich unter anderem aus einer "Reduzierung der Opferzahl durch die Gedenkstätte Auschwitz". Nach alledem sei "eine öffentliche Richtigstellung und Wiedergutmachung für alle wegen angeblichen Leugnens des Holocaust Verurteilten" zu verlangen, denn es handele sich um "nachprüfbare Tatsachen, von den ZDF-Nachrichten bis hin zu den Standort- und Kommandanturbefehlen."

11

g) In einem als "Eingabe an das BVG" betitelten weiteren Artikel (Tat zu 7) behauptet die Beschwerdeführerin erneut, dass das Lager Auschwitz-Birkenau als Tatort der Judenvernichtung nicht infrage komme und appelliert an die Verantwortung der Juristen, die "politische Rechtsprechung", die zu einer "Unrechtsprechung" geworden sei, zu beenden. "Sehr viele Deutsche" wüssten, "daß in der BRD nicht das Recht, sondern die Interessen Israels, bzw. in dessen Vertretung des Zentralrates der Juden in Deutschland, Grundlage der politischen Rechtsprechung sind." Der Holocaust müsse endlich "forensisch" nachgewiesen werden. So lange gelte "Eine Untat ohne Tatort ist keine Tatsache."

12

h) In einem anderen Artikel schließlich (Tat zu 8), welcher vor seiner Auslieferung beschlagnahmt wurde, vertrat die Beschwerdeführerin unter dem Titel "Sind Richter allwissend oder nur einfach gläubig?" "Fragen an die beteiligten Juristen (Richter, Staatsanwälte und Verteidiger) im Lüneburger NS-Prozeß siebzig Jahre nach Kriegsende" ein weiteres Mal ihre These, dass es eine systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung unter den Nationalsozialisten nicht gegeben habe. Es existiere eine "Vielzahl von enttarnten angeblichen Holocaustüberlebenden", wobei die Beschwerdeführerin mehrere Personen namentlich anführt. Auch aus den "Standort- und Kommandanturbefehle für Auschwitz" ergebe sich, dass es dort "keine Menschenvergasung mit Zyklon-B" gegeben habe. Die hieraus zu ziehende Folgerung sei überdies belegt durch "Experten, die als Naturwissenschaftler oder Historiker, forensische Untersuchungen durchführten, bevor es zu spät dafür war". Diese "zwangsläufig politisch inkorrekten Ergebnisse" seien jedoch unterdrückt worden.

13

2. Wegen dieser Äußerungen verurteilte das Amtsgericht Verden die Beschwerdeführerin mit angegriffenem Urteil vom 21. November 2016 wegen Volksverhetzung in sieben Fällen und versuchter Volksverhetzung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Beschwerdeführerin habe mit ihren Äußerungen explizit den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung zur Zeit des Nationalsozialismus und insbesondere die Bestimmung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau als eine auf maximale Vernichtung menschlichen Lebens gerichtete Vernichtungsanstalt geleugnet und stattdessen behauptet, es habe sich um ein Arbeitslager für die Rüstungsindustrie gehandelt. Bei dem geleugneten Sachverhalt handele es sich um eine durch zahllose Zeugenaussagen und eine mehr als siebzigjährige historische Forschung erschöpfend belegte historische Tatsache. Da die Äußerungen auch öffentlich getätigt worden seien, seien die übrigen Tatbestandsmerkmale erfüllt, sodass eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens gesetzlich zu vermuten gewesen sei. Die Beschwerdeführerin glaube nach Überzeugung des Gerichts auch nicht irrig an die Nichtexistenz des Holocaust, sondern leugne die historischen Tatsachen bewusst und wider besseres Wissen. Der Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB sei, wie das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach festgestellt habe, in der Variante der Leugnung verfassungsgemäß. Denn die erwiesen und bewusst unwahre Tatsachenbehauptung sei vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit bereits nicht erfasst. Auch verstoße die Vorschrift nicht gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG. Im Rahmen der Strafzumessung seien zugunsten der Beschwerdeführerin deren hohes Alter und ihre entsprechend hohe Haftempfindlichkeit zu berücksichtigen. Demgegenüber seien jedoch strafschärfend die mehrfachen einschlägigen, offenbar wirkungslosen Vorstrafen und die vollständige Uneinsichtigkeit der Beschwerdeführerin in Rechnung zu stellen, die zudem auch die Hauptverhandlung zur neuerlichen öffentlichen Propagierung ihrer menschenverachtenden Thesen genutzt habe.

14

3. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin setzte das Landgericht Verden mit angegriffenem Urteil vom 28. August 2017 die Gesamtfreiheitsstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung auf zwei Jahre herab und verwarf die Berufung im Übrigen. Zur Begründung wiederholte das Gericht im Wesentlichen die Begründung des Amtsgerichts. Zusätzlich sei in Rechnung zu stellen, dass die Beschwerdeführerin ihren Ausführungen durch deren pseudowissenschaftlichen Anstrich besonderes Gewicht und scheinbare Glaubhaftigkeit verliehen habe. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht zum Zweck der staatsbürgerlichen Aufklärung im Sinne des § 86 Abs. 3 StGB gehandelt, da sie sich nicht ernsthaft mit den offenkundigen Quellen und Zahlen auseinandergesetzt, sondern ausschließlich solche Argumente herangezogen habe, die gegen eine in Auschwitz betriebene Massenvernichtung sprächen. Eine Aussetzung zur Bewährung scheide aufgrund der einschlägigen Vorstrafen, der Uneinsichtigkeit der Beschwerdeführerin und ihrer erneuten Versuche, die Hauptverhandlung für die Zwecke der Verbreitung falscher historischer Tatsachen auszunutzen, aus.

15

4. Die hiergegen gerichtete Revision der Beschwerdeführerin verwarf das Oberlandesgericht mit angegriffenem, am 12. Februar 2018 zugestelltem Beschluss vom 30. Januar 2018 ohne Begründung.

16

5. Hiergegen richtet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer am 12. März 2018 eingegangen Verfassungsbeschwerde. Die Entscheidungen verletzten sie in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GG und in ihrem Recht auf ein faires Verfahren. Der auf sie angewendete Straftatbestand verletze zudem den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG. Die Sanktion einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Aussetzung zur Bewährung wegen Äußerungen der mehr als achtzigjährigen Beschwerdeführerin verletze das im Rechtstaatsprinzip wurzelnde Schuldprinzip. Bei § 130 Abs. 3 StGB handele es sich in Anbetracht der Wunsiedel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht um ein allgemeines Gesetz. Die in der Entscheidung anerkannte Ausnahme vom Allgemeinheitserfordernis betreffe allein § 130 Abs. 4 StGB und könne nicht auf Absatz 3 übertragen werden. Aus der Entscheidung ergebe sich auch, dass der Mehrheitsauffassung gegenläufige Interpretationen historischer Tatsachen der Meinungsfreiheit unterfielen und nicht als erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen aus dem Schutzbereich ausgenommen werden könnten. Jedenfalls aber müsse dies für eine forschende Tätigkeit wie diejenige der Beschwerdeführerin gelten. Zudem ergebe sich die Straflosigkeit der Leugnung des Holocausts unmittelbar aus einer Anwendung der Grundsätze der Wunsiedel-Entscheidung. Unzulässig seien danach Eingriffe zur Wahrung eines allgemeinen Friedensgefühls, zum Schutz vor einer Kränkung des Rechtsbewusstseins der Mehrheitsbevölkerung oder zum Schutz vor offenkundig falschen Geschichtsinterpretationen.

II.

17

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248 ff.>). Sie ist unbegründet, denn die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten.

18

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zur Reichweite des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Allgemeinen und zur Strafbarkeit der Leugnung der Judenverfolgung auf Grundlage der Strafvorschrift des § 130 StGB im Besonderen bereits entschieden.

19

a) Gegenstand des Schutzbereiches des Art. 5 Abs.1 Satz 1 GG sind Meinungen, das heißt Äußerungen, die durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Diese fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).

20

Neben Meinungen sind vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch Tatsa-chenmitteilungen umfasst, da und soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind beziehungsweise sein können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen hingegen bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen, da sie zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung nichts beitragen können (vgl. BVerfGE 54, 208 <219>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>).

21

Ob es sich bei einer Äußerung schwerpunktmäßig um eine Tatsache oder um ein Werturteil handelt, ist durch Auslegung der betreffenden Äußerung in ihrem Gesamtkontext zu ermitteln (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 2017 - 1 BvR 3085/15 -, www.bverfg.de, Rn. 13). Dabei ist sicherzustellen, dass durch eine Trennung tatsächlicher und wertender Bestandteile einer Äußerung deren Sinn nicht verfälscht wird (vgl. BVerfGE 90, 241 <248>). Wo das nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden (vgl. BVerfGE 90, 241 <248>).

22

b) Soweit es sich nach diesen Maßgaben um eine von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Äußerung handelt, ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt es insbesondere den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben. Eingriffe in die Meinungsfreiheit müssen danach formell auf ein allgemeines, nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtetes Gesetz gestützt sein, und materiell in Blick auf die Meinungsfreiheit als für die demokratische Ordnung grundlegendes Kommunikationsgrundrecht den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügen.

23

Hinsichtlich des formellen Erfordernisses der Allgemeinheit erkennt das Bundesverfassungsgericht allerdings eine Ausnahme für Gesetze an, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 zielen. Es trägt damit der identitätsprägenden Bedeutung der deutschen Geschichte Rechnung und lässt diese in das Verständnis des Grundgesetzes einfließen (vgl. BVerfGE 124, 300 <328 ff.>).

24

Von dieser Ausnahme bleibt jedoch der materielle Gehalt der Meinungsfreiheit unberührt. Insbesondere kennt das Grundgesetz kein allgemeines antinationalsozialistisches Grundprinzip, das ein Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts erlaubte. Vielmehr gewährleistet Art. 5 Abs. 1 und 2 GG die Meinungsfreiheit als Geistesfreiheit unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit, rechtlichen Durchsetzbarkeit oder Gefährlichkeit. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG erlaubt nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung, sondern ermächtigt erst dann zum Eingriff, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen (BVerfGE 124, 300<330>). Dies ist der Fall, wenn sie den öffentlichen Frieden als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren (vgl. BVerfGE 124, 300 <335>).

25

Diesen Anforderungen haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze Rechnung zu tragen, damit die wertsetzende Bedeutung der Meinungsfreiheit auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Zwischen Grundrechtsschutz und Grundrechtsschranken findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 124, 300 <332, 342>).

26

c) § 130 Abs. 3 StGB ist auf die Bewahrung des öffentlichen Friedens gerichtet. Entsprechend verlangt der Tatbestand der Norm schon seinem Wortlaut nach eine Äußerung, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Zwar bedarf das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG einer näheren Konkretisierung durch die weiteren Tatbestandsmerkmale; auch kann, wenn diese verwirklicht sind, eine Friedensstörung in der Regel vermutet werden (vgl. BVerfGE 124, 300 <339 ff.>). Dies setzt aber umgekehrt voraus, dass die weiteren Tatbestandsmerkmale ihrerseits im Lichte der Friedensstörung ausgelegt werden.

27

2. Gemessen an diesen Grundsätzen unterfallen die Äußerungen der Beschwerdeführerin weithin schon nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch im Übrigen sind die angegriffenen Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

28

a) Die Äußerungen der Beschwerdeführerin beruhen in ihrem Kern auf Tatsachenbehauptungen, die jedenfalls für sich betrachtet nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen. Als erwiesen unwahre und nach den Feststellungen der Fachgerichte auch bewusst falsche Tatsachenbehauptungen können sie nicht zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung beitragen und ist deren Verbreitung als solche nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass an solche Tatsachenbehauptungen Meinungsäußerungen geknüpft werden. Denn auch in solchen Fällen bleiben unwahre Tatsachenbehauptungen als solche - anders als durch Tatsachenbehauptungen verbundene Wertungen - vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ausgenommen.

29

Mit den Äußerungen stellt die Beschwerdeführerin die Bestimmung des Lagers Auschwitz-Birkenau als eine Anlage zur systematischen Vernichtung menschlichen Lebens in Abrede, streitet ab, dass es eine systematische Ermordung jüdischer Menschen durch das nationalsozialistische Deutschland im Allgemeinen und im Lager Auschwitz-Birkenau im Besonderen gegeben habe, und behauptet, dass nunmehr wissenschaftlich erwiesen sei, dass es in Auschwitz keine Massenvergasung mit Zyklon B gegeben habe. Diese Äußerungen sind, wie sich aus ungezählten Augenzeugenberichten und Dokumenten, den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft und den Feststellungen der Gerichte in zahlreichen Strafverfahren ergibt, erwiesen unwahr (vgl. BVerfGE 90, 241 <249>; vgl. für das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau etwa auch die Urteilsfeststellungen im Auschwitz-Prozess des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. und 20. August 1965, 4 Ks 2/63, S. 37-44; abgedruckt in: Sagel-Grande, Fuchs, Rüter , Justiz und NS-Verbrechen, Band XXI, lfd. Nr. 595).

30

b) Soweit die Beschwerdeführerin über die Verbreitung erwiesen unwahrer Tatsachenbehauptungen hinaus die Leugnung der Verbrechen nach § 6 VStGB auf eigene Schlussfolgerungen und Bewertungen stützt und sich insoweit auf ihre Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen kann, verletzt die Verurteilung die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten. Die Auslegung und Anwendung des § 130 Abs. 3 StGB seitens der Strafgerichte genügen den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG an eine grundrechtskonforme Handhabung dieses Straftatbestands. Insbesondere beachtet die strafgerichtliche Verurteilung das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG folgende Erfordernis, dass Eingriffe in die Meinungsfreiheit sich nicht gegen die rein geistigen Wirkungen einer Meinung richten dürfen, sondern anerkannte Rechtsgüter schützen müssen. Denn auf Grundlage der Feststellungen in den angegriffenen Entscheidungen durfte das Landgericht bei der hier einschlägigen Variante des "Leugnens" von einer Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens durch die Äußerungen der Beschwerdeführerin ausgehen.

31

aa) Nach den vorgenannten Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die Tatbestandsmerkmale der Billigung und Leugnung eine tatbestandsmäßige Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens indizieren.

32

Für den Fall der Billigung ergibt sich das schon aus der Identität dieses Tatbestandsmerkmals mit dem entsprechenden Merkmal in § 130 Abs. 4 StGB. Die öffentliche Billigung der nationalsozialistischen Verbrechen nach § 6 VStGB ist eine Form der Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, die die Grenzen der Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung überschreitet und eine Störung des öffentlichen Friedens indiziert (vgl. BVerfGE 124, 300 <344>).

33

Für die Tatbestandsvariante der Leugnung gilt nichts anderes. Die Überschreitung der Friedlichkeit liegt hier darin, dass die Leugnung als das Bestreiten des allgemein bekannten unter dem Nationalsozialismus verübten Völkermords vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte nur so verstanden werden kann, dass damit diese Verbrechen durch Bemäntelung legitimiert und gebilligt werden. Die Leugnung wirkt damit ähnlich wie eine Billigung von Straftaten, die in § 140 StGB auch sonst unter Strafe gestellt ist (vgl. BVerfGE 124, 300 <335>), und kommt auch ihrerseits der Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft nach § 130 Abs. 4 StGB gleich. Die Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen des Völkermords ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte geeignet, die dem Äußernden geneigte Zuhörerschaft zur Aggression und zu einem Tätigwerden gegen diejenigen zu veranlassen, die als Urheber oder Verantwortliche der durch die Leugnung implizit behaupteten Verzerrung der angeblichen historischen Wahrheit angesehen werden. Sie trägt damit unmittelbar die Gefahr in sich, die politische Auseinandersetzung ins Feindselige und Unfriedliche umkippen zu lassen. Die Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen des Völkermords gefährdet die Friedlichkeit der politischen Auseinandersetzung dabei insbesondere auch deshalb, weil diese Verbrechen insbesondere gezielt gegenüber bestimmten Personen- oder Bevölkerungsgruppen verübt wurden und die Leugnung dieser Ereignisse offen oder unterschwellig als Chiffre zur gezielten Agitation gegen diese Personenkreise eingesetzt werden können und werden. Insofern ist es folgerichtig, dass die Gesetzesbegründung § 130 Abs. 3 StGB als Spezialfall des klassischen Volksverhetzungsparagraphen begreift. Insoweit können die Fachgerichte auch in diesem Fall davon ausgehen, dass eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens indiziert ist. Sonderfälle, in denen solche Wirkungen von vornherein ausgeschlossen erscheinen und eine Störung des öffentlichen Friedens ausscheidet, können über eine entsprechende Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals aufgefangen werden (vgl. BVerfGE 124, 300 <339 ff.>).

34

bb) Hiervon ausgehend können die landgerichtlichen Feststellungen die Verurteilung der Beschwerdeführerin tragen. Danach hat die Beschwerdeführerin wiederholt die systematische Vernichtung von Menschen durch das nationalsozialistische Deutschland, insbesondere auch den Völkermord an den Juden, öffentlich in Abrede gestellt. Aus den Feststellungen oder dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nichts ersichtlich, was dafür spräche, dass die tatbestandsmäßige Leugnung trotz ihrer Indizwirkung in diesen Fällen ausnahmsweise nicht dazu geeignet war, eine Gefährdung des öffentlichen Friedens im Sinn einer Friedlichkeit der öffentlichen Diskussion und des öffentlichen Lebens herbeizuführen.

35

Vielmehr liefern die Artikel durch die Einbettung der Leugnung in die mehrfach an die Mitglieder des Zentralrats der Juden gerichtete Aufforderung, die gängigen Vorstellungen über die Ereignisse über Auschwitz richtigzustellen, ein Beispiel der vom Gesetzgeber gesehenen Gefahr einer gezielten Agitation gegen Bevölkerungsgruppen durch Leugnung eines an ihnen begangenen Völkermordes. Denn die Beschwerdeführerin nimmt wiederholt ausschließlich die jüdische Bevölkerung und deren Interessenvertretung in Deutschland in die Pflicht, den vermeintlich in ihrem Interesse in die Welt gesetzten Irrtum richtigzustellen. Sofern eine solche Richtigstellung nicht erfolge, könne das "der Judenheit zum Verhängnis" gereichen. Hierdurch wird - über das Vehikel der Leugnung des Völkermords an den Juden - gezielt und bewusst Stimmung gegen die jüdische Bevölkerung und deren Interessenvertretung gemacht. Hiergegen richtet sich der Volksverhetzungstatbestand in der vorliegenden Alternative.

36

cc) Die Verurteilung der Beschwerdeführerin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung ist auch im Einzelfall verhältnismäßig. Sie hält sich hinsichtlich des Strafmaßes in dem den Strafgerichten zukommenden weiten Wertungsrahmen. Die strafrechtliche Sanktionierung gemäß § 130 Abs. 3 StGB diente dem Schutz des öffentlichen Friedens, mithin einem legitimen Zweck. Angesichts des Umstands, dass die Beschwerdeführerin sowohl mehrfach einschlägig vorbestraft ist als auch jegliche Einsicht in das Unrecht ihrer Tat vermissen lässt, begegnet die Einschätzung der Strafgerichte keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass eine mildere Bestrafung zur Verhinderung zukünftiger Gefährdungen des öffentlichen Friedens nicht gleich geeignet gewesen wäre. Die von den Strafgerichten verhängte Sanktion ist schließlich auch angemessen, da sich die Beschwerdeführerin nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Strafgerichte wiederholt im vollen Bewusstsein der Strafbarkeit ihrer Äußerungen über das verfassungsrechtlich zulässige strafbewehrte Verbot der Leugnung des Holocausts hinweggesetzt hat.

37

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 449/15
vom
3. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:030516B3STR449.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 3. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 25. Februar 2015 aufgehoben
a) und die Angeklagte freigesprochen, soweit sie wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen verurteilt worden ist. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im gesamten Strafausspruch, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Volksverhetzung sowie wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
3
II. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zu Ungunsten der Angeklagten nur mit Blick auf den Schuldspruch wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen und auf den Strafausspruch ergeben; der Schuldspruch wegen Volksverhetzung erweist sich hingegen als rechtsfehlerfrei. Im Einzelnen:
4
1. Die Angeklagte hat sich gemäß § 130 Abs. 3 StGB wegen Volksverhetzung strafbar gemacht, indem sie eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 VStGB (Völkermord) bezeichneten Art in einer Weise öffentlich leugnete, die geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus gilt insoweit Folgendes:
5
a) Leugnen ist das Bestreiten, Inabredestellen oder Verneinen einer historischen Tatsache. Es kann nur geleugnet werden, was wahr ist, weshalb das Bestreiten wissenschaftlich noch umstrittener Tatsachen nicht erfasst wird; das Bezweifeln oder Infragestellen einer Tatsache reicht nach herrschender Auffassung ebenfalls nicht aus (LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 106 mwN; aA Stegbauer, NStZ 2000, 281, 284: Bezweifeln soll aus Gründen der ratio legis genügen). Ein Leugnen liegt auch bei verklausulierten Formulierungen vor, wenn die wahre Bestreitensabsicht eindeutig zum Ausdruck kommt (MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 130 Rn. 80 f. mwN). Ob dies der Fall ist, muss im Wege der Auslegung der Äußerung auf ihren tatsächlichen Gehalt hin ermittelt werden; dies ist Sache des Tatgerichts (BGH, Urteil vom 15. März 1994 - 1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101). Kommt dieses zu einem vertretbaren Ergebnis , so hat das Revisionsgericht dessen Auslegung hinzunehmen, sofern sie sich nicht als rechtsfehlerhaft erweist, etwa weil die Erwägungen des Tatgerichts lückenhaft sind oder gegen Sprach- und Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen; die rechtliche Prüfung erstreckt sich insbesondere auch darauf , ob allgemeine Auslegungsregeln verletzt worden sind (LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 91 f. mwN). Kriterien der Auslegung sind neben dem Wortlaut der Äußerungen und ihrem sprachlichen Kontext auch sämtliche nach außen hervortretenden Begleitumstände, namentlich etwa die erkennbare politische Grundhaltung der Zuhörer und ihr Vorverständnis, aber auch die nach dem objektiven Empfängerhorizont deutlich werdende Einstellung des sich Äußernden (BGH, aaO, S. 101 f.; Urteil vom 15. Dezember 2005 - 4 StR 283/05, NStZ-RR 2006, 305). Verbleiben Zweifel am Inhalt der Äußerung bzw. ist sie mehrdeutig, gebietet eine am Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ausgerichtete Auslegung, auf die günstigere Deutungsmöglichkeit abzustellen, wenn diese nicht ihrerseits ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 25. August 1994 - 1 BvR 1423/92, NJW 1994, 2934 mwN).
6
Nach diesen Maßgaben ist die Würdigung des Landgerichts, der Inhalt des von der Angeklagten gehaltenen Vortrags lasse - jedenfalls im Gesamtzu- sammenhang - keine andere Deutung zu, als dass sie erklärt habe, es habe den Holocaust nicht gegeben, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere den von der Strafkammer in der rechtlichen Würdigung zitierten Passagen ihres Vortrags, in denen sie zunächst einen Zusammenhang mit dem Delikt der Verleumdung gemäß § 186 StGB herstellte und ausführte, bei diesem sei es - anders als im Fall von § 130 Abs. 3 StGB - so, dass man die Wahrheit sagen dürfe, sodann das vermeintliche Fehlen jeglicher Feststellungen zum Holocaust hervorhob und ihren Vortrag mit dem Wunsch schloss, eine Welt zu schaffen, "in der man die Wahrheit sagen darf, ohne bestraft zu werden", konnte das Landgericht - auch mit Blick auf die Anforderungen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und den Zweifelssatz rechtsfehlerfrei - entnehmen, dass es der Angeklagten nicht darum ging, lediglich eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten in Strafprozessen wegen Holocaustleugnung anzuprangern oder den Holocaust nur als historische Tatsache in Zweifel zu ziehen, sondern darum die - vermeintliche - Wahrheit zu sagen, dass es den Völkermord an Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus nicht gegeben habe, und damit diese historische Tatsache zu leugnen.
7
b) Der Vortrag war auch geeignet, den öffentlichen Frieden im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB zu stören. Dem steht nicht entgegen, dass er in der Schweiz gehalten wurde. Insoweit gilt:
8
aa) Das Tatbestandsmerkmal bezieht sich nur auf den öffentlichen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland. Das ergibt sich aus Folgendem:
9
Ob ein deutscher Straftatbestand auf ausländische Verhältnisse anwendbar ist oder nicht, ist durch dessen Auslegung im Einzelfall zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1979 - 1 StR 21/79, BGHSt 29, 85, 88). Ergibt diese, dass durch die Vorschrift ausschließlich inländische Rechtsgüter geschützt werden sollen, so kann der Täter nicht bestraft werden, wenn er durch seine Handlung ein solches nicht verletzt hat (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 1967 - 4 StR 38/67, BGHSt 21, 277, 280; vom 31. Juli 1979 - 1 StR 21/79, BGHSt 29, 85, 88). Der Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsgütern kommt allerdings nur Bedeutung zu, wenn - wie hier - staatliche Interessen das Rechtsgut darstellen; insoweit gilt der Grundsatz, dass sich die in Betracht kommenden Straftatbestände des deutschen Strafrechts grundsätzlich nicht auf den Schutz der Belange fremder Staaten beziehen , wenn nicht der Gesetzgeber den Anwendungsbereich ausdrücklich auf ausländische staatliche Interessen oder diejenigen internationaler Organisationen ausdehnt (LK/Werle/Jeßberger aaO, Vor §§ 3 ff. Rn. 274 ff.; SK-StGB/ Hoyer, 26. Lfg., Vor § 3 Rn. 34).
10
Im Rahmen des § 130 Abs. 1 StGB werden unter Teilen der Bevölkerung nur Teile der inländischen Bevölkerung verstanden (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 28. April 1970 - 2 Ss 41/70, NJW 1970, 1649 f.). Soweit eine solche Beschränkung den in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB weiter aufgeführten Angriffsobjekten nicht zu entnehmen ist, wird sie regelmäßig daraus hergeleitet, dass die Norm den innerstaatlichen öffentlichen Frieden schütze (vgl. MüKoStGB/ Schäfer aaO, Rn. 31; LK/Krauß aaO, Rn. 28). Auch zu § 130 Abs. 3 StGB hat der Bundesgerichtshof ein entsprechendes Verständnis stillschweigend vorausgesetzt , indem er darauf abgestellt hat, dass es dem Täter darauf angekommen sei, dass seine Äußerungen einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 219). Dieser eingegrenzte Schutzbereich entspricht auch dem Verständnis des Gesetzgebers, der sich bei der Reformierung des § 130 Abs. 1 StGB im Jahr 2010 ausdrücklich auf die Regelung in Art. 1 Abs. 2 des "Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrecht- lichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" bezogen hat, nach der es den Mitgliedstaaten freistehe , nur solche Handlungen unter Strafe zu stellen, die in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören; daraus ergebe sich, dass die Tat weiterhin einen Inlandsbezug aufweisen müsse (BT-Drucks. 17/3124, S. 10 f.).
11
bb) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen befand sich unter den Zuhörern des Vortrags eine unbestimmte Vielzahl von Personen, die aus der Bundesrepublik Deutschland stammten; bereits dies genügt, um die Eignung der Tat zur Störung des öffentlichen Friedens in Deutschland zu belegen , denn diese Zuhörer kehrten im Anschluss an den Vortrag an ihren Wohnort in Deutschland zurück. Es kommt insoweit für die Eignung zur Friedensstörung insbesondere nicht darauf an, ob sie den Inhalt des Vortrags der Angeklagten weiter verbreiteten. Dass der Vortrag inhaltlich geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören, liegt auf der Hand; dies indiziert regelmäßig bereits die Begehung einer Tathandlung im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB (MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 86; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. April 2002 - 5 StR 485/01, BGHSt 47, 278, 282).
12
c) Auf die Tat ist deutsches Strafrecht anwendbar.
13
aa) Dies folgt indes nicht aus § 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 StGB, denn das Merkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB, das zur Einstufung der Vorschrift als einem potentiellen, abstraktkonkreten Gefährdungsdelikt (vgl. MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 9 mwN) führt, umschreibt keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, so dass eine Inlandstat über § 9 Abs. 1 Variante 3 oder 4 StGB nicht begründet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 88/14, BGHR StGB § 9 Erfolg 4 mwN zu § 86a StGB). Unabhängig von der Frage, ob die Regelung nicht nur auf Erfolgsdelikte im Sinne der allgemeinen Deliktslehre abstellt, ist jedenfalls an dem Ort, an dem - wie hier - die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete lediglich umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten (ebenso S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 9 Rn. 6a mwN; Satzger, NStZ 1998, 112, 114 f.; aA BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221). Erforderlich wäre insoweit vielmehr eine von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenweltsveränderung (Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876), zu der es in den Fällen einer bloß potentiellen Gefahr indes gerade nicht kommen muss; eine solche ist mithin kein Tatbestandsmerkmal und kein zum Tatbestand gehörender Erfolg.
14
Dieser Auffassung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, sie konterkariere die Bemühung, den Schutz bestimmter Rechtsgüter durch die Schaffung von abstrakten Gefährdungsdelikten zu erhöhen (so aber Heinrich, GA 1999, 72, 81), denn gerade die diesen Schutz ausmachende Vorverlagerung der Strafbarkeit kann Anlass sein, sie - schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen - nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu erstrecken. Die Gleichsetzung von abstrakt-konkreten mit konkreten Gefährdungsdelikten würde hier zudem im Ergebnis dazu führen, dass zwischen der Prüfung des Schutzbereichs der Norm und der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht mehr differenziert werden könnte. Denn wenn nur der öffentliche Friede in Deutschland geschützt ist, dessen Beeinträchtigung im Sinne eines Taterfolgs letztlich aber die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründen würde, ginge es jeweils um dieselbe Frage. Soweit eine Gegenmeinung im Schrifttum darauf abstellt, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 9 StGB durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) die bis dahin zu § 3 Abs. 3 StGB aF herrschende Auffassung zum Begehungs- ort abstrakter Gefährdungsdelikte nicht habe einschränken wollen (so LK/Werle/Jeßberger aaO, § 9 Rn. 33 mwN), verfängt diese Argumentation nicht, weil sich dieser etwaige gesetzgeberische Wille im Wortlaut der Neufassung nicht niedergeschlagen hat; im Gegenteil bringt dieser nunmehr zum Ausdruck , dass der Erfolg zum Tatbestand der Strafnorm gehören muss (ebenso Satzger aaO, S. 115 f.), was bei potentiellen Gefährdungsdelikten - wie dargelegt - nicht der Fall ist.
15
Der Senat kann diese Frage - wie geschehen - entscheiden, ohne ein Anfrageverfahren gemäß § 132 Abs. 3 GVG durchführen zu müssen. Zwar hat der 1. Strafsenat in seinem Urteil vom 12. Dezember 2000 (1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221) ausgeführt, dass bei der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und 3 StGB ein Taterfolg im Sinne von § 9 StGB auch dort eingetreten sei, wo die Tat ihre Gefährlichkeit entfalten könne, mithin ihre konkrete Eignung zur Friedensstörung in der Bundesrepublik Deutschland. Es kann offen bleiben, ob diese Entscheidung, die zur Tatbegehung über das Internet ergangen ist, auch im vorliegenden Fall Geltung beanspruchen könnte. Jedenfalls ist der Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs in der seit dem Jahr 2014 geltenden Fassung mittlerweile allein für Entscheidungen über Revisionen in Strafsachen gegen die Urteile der Strafkammern zuständig, sofern sie - unter anderem - Fälle der Volksverhetzung (§ 130 StGB) betreffen. Eine Anfrage - und gegebenenfalls Vorlagepflicht besteht deshalb nicht (BGH, Beschlüsse vom 9. November 2010 - 5 StR 394/10 u.a., BGHSt 56, 73, 90 f.; vom 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180, 183; KK-Hannich, StPO, 7. Aufl., § 132 GVG Rn. 6 mwN).
16
bb) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich hier aber aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB: die Angeklagte ist Deutsche und die Tat war am Tatort mit Strafe bedroht. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass sich die Strafbarkeit in der Schweiz aus Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB - Rassendiskriminierung - ergibt. Die im Jahr 1995 in Kraft getretene Vorschrift lautet: "(…) wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, (…) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
17
Die deutsche und die schweizerische Fassung unterscheiden sich nur sprachlich und selbst insoweit nur in geringem Maße. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die Tat lediglich in irgendeiner Weise nach dem Recht am Tatort strafbar sein muss (so BGH, Urteil vom 29. Februar 1952 - 1 StR 767/51, BGHSt 2, 160, 161) oder ob zu verlangen ist, dass der deutsche und der ausländische Straftatbestand dieselbe Schutzrichtung verfolgen, mithin ein vergleichbares Rechtsgut vor vergleichbaren Angriffen abgeschirmt werden soll (so SK-StGB/Hoyer aaO, Rn. 38). Denn vorliegend ist die sogenannte Unrechtsparallelität der Normen gegeben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Tathandlung - öffentliches Leugnen, (gröblich) Verharmlosen oder Billigen bzw. zu rechtfertigen Suchen - als auch für das geschützte Rechtsgut, unabhängig davon, ob Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB - wofür die Überschrift des Zwölften Titels des 2. Buches spricht, die "Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden" lautet - vornehmlich den öffentlichen Frieden oder die Menschenwürde schützt (vgl. hierzu Niggli, Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 321 ff., insbesondere 338 ff.). Denn in den Schutzbereich von § 130 Abs. 3 StGB ist neben dem öffentlichen Frieden die persönliche Würde sowie der persönliche Ach- tungsanspruch der Betroffenen gleichermaßen einbezogen (MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 5 mwN). Soweit die deutsche Vorschrift mit der Eignung zur öffentlichen Friedensstörung ein weiteres Tatbestandsmerkmal bzw. Korrektiv enthält, folgt daraus allenfalls, dass ihr Anwendungsbereich enger ist. Entsprechendes gilt, soweit die Schweizer Regelung nicht auf Völkermorde unter der Herrschaft der Nationalsozialisten beschränkt ist.
18
Der Zusatz "aus einem dieser Gründe" in Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB bezieht sich - entgegen der Auffassung der Revision - schon aus offenbaren sprachlichen Gründen nur auf das Handlungsmotiv aus Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 ("wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion"), nicht aber auf die Handlungsmodalitäten , das Angriffsobjekt, die Handlung oder die Qualifikation der Weise der Begehung (vgl. Niggli aaO, Rn. 1690 ff.). Es kommt damit nicht darauf an, ob die Angeklagte beabsichtigte, eine Person oder eine Gruppe von Personen in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise zu diskriminieren oder herabzusetzen. Entsprechende Feststellungen des Landgerichts waren mithin entbehrlich.
19
d) Die anwendbare und tatbestandlich erfüllte Vorschrift des § 130 Abs. 3 StGB unterliegt entgegen der Auffassung der Revision keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und verstößt nicht gegen Art. 10 EMRK.
20
aa) § 130 Abs. 3 StGB kollidiert vorliegend nicht mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil der Schutzbereich dieses Grundrechts nicht eröffnet ist. Der Schutz von Tatsachenbehauptungen, um die es bei der Tathandlungsalternative des Leugnens allein geht, endet dort, wo diese zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung nichts beitragen könnten; so verhält es sich mit bewusst oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994 - 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241, 247 f.). Da es sich bei dem Massenvernichtungsunrecht, welches unter der Herrschaft des Nationalsozialismus der jüdischen Bevölkerung angetan wurde, um eine geschichtlich erwiesene Tatsache handelt (vgl. BVerfG aaO, S. 249; MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 77 mwN), kann deren Inabredestellen nicht dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.
21
Bedeutung beansprucht das Grundrecht der Meinungsfreiheit - wie unter 1. a) dargelegt - allein bei der Auslegung der Äußerung und damit bei der Bestimmung , ob überhaupt ein Leugnen gegeben ist.
22
bb) Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG.
23
Vereinzelt in der Literatur geäußerte Bedenken in Bezug auf die Weite der Tathandlungen (vgl. die Nachweise bei MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 76 mwN; weitergehend Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 130 Rn. 8a), verfangen nicht. Die sprachliche Fassung des Tatbestands ist hinreichend deutlich und begrenzt, um auslegungsfähig zu sein (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08, NJW 2010, 47, 54 zu § 130 Abs. 4 StGB), die Vorschrift daher in der von der Rechtsprechung angewendeten restriktiven Auslegung (siehe oben Ziff. 1. a)) trennscharf zu handhaben.
24
Das sprachlich weit gefasste Merkmal des öffentlichen Friedens ist als ein Tatbestandsmerkmal zu verstehen, dessen Inhalt sich aus dem Normenzusammenhang eigens bestimmt. Es hat lediglich die Funktion eines Korrektivs. Grundsätzlich begründet bereits die Verwirklichung der anderen Tatbestandsmerkmale die Strafbarkeit, bei deren Erfüllung auch die Störung des öffentlichen Friedens (bzw. die Eignung hierzu) - wie dargelegt - vermutet werden kann. Eigenständige Bedeutung hat es daher nur in atypischen Situationen, wenn diese Vermutung auf Grund besonderer Umstände nicht trägt. Es handelt sich insoweit mithin nicht um ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern um eine Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle (vgl. BVerfG aaO, S. 54 zu § 130 Abs. 4 StGB).
25
cc) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann die Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 Abs. 1 EMRK wegen des sich aus Art. 17 EMRK ergebenden Missbrauchsverbots nicht in Fällen geltend gemacht werden, in denen es um die Leugnung des Holocausts und damit zusammenhängende Fragen geht (vgl. EGMR, Entscheidungen vom 13. Dezember 2005 - 7485/03, juris Rn. 49 mwN; vom 24. Juni 2003 - 65831/01, NJW 2004, 3691, 3692 f.).
26
2. Die gegen die Angeklagte wegen dieser Tat verhängte Einzelstrafe kann indes keinen Bestand haben, weil sich die Strafrahmenwahl des Landgerichts als rechtsfehlerhaft erweist. Insoweit gilt:
27
Die Strafkammer hat ohne nähere Ausführungen den Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB zur Anwendung gebracht und dabei nicht in den Blick genommen , dass das Recht am Tatort mit Art. 261bis Abs. 4 Schweizer StGB eine mildere Strafrahmenobergrenze (drei statt fünf Jahre Freiheitsstrafe) vorsieht. Die Anwendung des deutschen Strafrechts stellt sich im Rahmen des aktiven Personalitätsprinzips, das vorliegend als strafanwendungsrechtlicher Grundsatz verwirklicht wird (vgl. LK/Werle/Jeßberger aaO, § 7 Rn. 74), zwar als originäre Aufgabe der deutschen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden und nicht etwa als - stellvertretend wahrgenommene - Aufgabe der Tatortgerichte dar. Gleichwohl kann das Tatortrecht auch bei der Beurteilung von gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach dem Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland verfolgbaren Taten grundsätzlich zugunsten des Täters berücksichtigt werden. Insbesondere muss das Tatgericht bei der Strafzumessung regelmäßig Rücksicht auf Art und Maß des Tatortrechts nehmen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1996 - 5 StR 183/95, BGHSt 42, 275, 279 mwN).
28
Dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei der gebotenen Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre, und hebt die verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf.
29
3. Der Schuldspruch wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen gemäß § 132a StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
30
a) Die Strafkammer hat hierzu festgestellt, die Angeklagte habe sich im Briefkopf eines Schriftsatzes, mit dem sie gegenüber dem Landgericht München II im Zwischenverfahren zu dem Anklagevorwurf der Volksverhetzung Stellung nahm, als Rechtsanwältin bezeichnet. Hinter der Bezeichnung brachte sie eine Fußnote an; der Fußnotentext am Ende der Seite lautete: "Seit 16. Dezember 2011 aus der Rechtsanwaltschaft der BRD ausgeschlossen wegen sog. 'Holocaust-Leugnung' vor Gericht".
31
Das Landgericht hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, die Angeklagte habe damit die Berufsbezeichnung - nach dem gegen sie ausgesprochenen Berufsverbot zu Unrecht - geführt. Die Hinzufügung der Fußnote und des erläuternden Textes ändere daran nichts, denn der Bezeichnung als Rechtsanwalt komme gerade im Schriftverkehr mit Gerichten große Bedeutung zu: Mit der Eigenschaft als Rechtsanwalt sei eine besondere Stellung verbunden; eine Person, die sich zu Unrecht so bezeichne, könne insbesondere etwa von den - die Schriftsätze nicht lesenden - Beschäftigten auf der Geschäftsstelle oder im Vertretungsfall auch von Richtern Auskünfte bekommen, die anderen Personen nicht erteilt würden.
32
b) Diese Feststellungen und Wertungen tragen die Verurteilung wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen nicht.
33
Es ist bereits fraglich, ob die Angeklagte durch die Verwendung der Berufsbezeichnung im Briefkopf diese hier tatsächlich in dem Sinne führte, dass sie sie für sich in Anspruch nahm (vgl. insoweit LK/Krauß aaO, § 132a Rn. 59; MüKoStGB/Hohmann aaO, § 132a Rn. 26). Denn es entspricht allgemeiner Meinung, dass der Tatbestand mit Blick auf das von ihm geschützte Rechtsgut einschränkend ausgelegt werden muss. Die Vorschrift soll das Vertrauen der Allgemeinheit in die tatbestandlich erfassten Amts- und Berufsbezeichnung, Titel und Abzeichen schützen und Einzelne davor bewahren, sich einer angemaßten Autorität gegenüberzusehen und hierdurch gegebenenfalls einen Schaden zu erleiden (vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 361). Demgemäß verlangt die Rechtsprechung, dass das Führen der Bezeichnung in einer Art und Weise und unter Umständen geschehen muss, die die in Schutz genommenen Interessen der Allgemeinheit irgendwie berühren können (BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 1982 - 3 StR 118/82, BGHSt 31, 61, 62 f.; vom 17. November 2011 - 3 StR 203/11, NStZ 2012, 700). Insofern sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen , insbesondere die Art und Häufigkeit der Verwendung sowie der Adressatenkreis der Äußerung.
34
Angesichts der nur einmaligen Verwendung auf einem Schriftsatz gegenüber dem Gericht, dessen Richter jedenfalls aufgrund der Anklageschrift bereits Kenntnis davon hatten, dass der Angeklagten die Zulassung entzogen worden war, erscheint die Annahme einer Beeinträchtigung der geschützten Interessen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts in seiner rechtlichen Würdigung bereits bedenklich, zumal die Angeklagte durch die hinzugefügte Fußnote selbst auf das Erlöschen ihrer Zulassung hinwies und dadurch die Gefahr eines ihr irrtümlich entgegengebrachten Vertrauens minimierte.
35
Mit diesem Zusatz brachte sie zudem zum Ausdruck, dass sie die Berufsbezeichnung nicht für sich in Anspruch nehmen wollte. Damit scheidet bei der gegebenen Sachlage aber jedenfalls die Annahme aus, die Angeklagte habe den Missbrauch der Bezeichnung "Rechtsanwältin" vorsätzlich begangen, denn sie tat dies nicht, um damit ihr nicht zustehende Befugnisse oder erhöhtes Vertrauen in ihren Berufsstand zu erlangen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 17. November 2011 - 3 StR 203/11, NStZ 2012, 700).
36
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, aufgrund derer eine Verwirklichung des subjektiven Tatbestands bejaht werden könnte, und spricht die Angeklagte deshalb insoweit frei (§ 354 Abs. 1 StPO).
37
4. Nach dem Wegfall des Schuldspruchs wegen des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen wird das neue Tatgericht nur noch wegen der von der Angeklagten begangenen Volksverhetzung eine neue Einzelstrafe zuzumessen haben. Die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen werden von dem insoweit aufgezeigten Rechtsfehler (siehe oben Ziff. 2) nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben.
VRiBGH Becker ist Hubert RiBGH Mayer ist wegen Urlaubs gehindert wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. zu unterschreiben. Hubert Hubert Gericke Tiemann

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 109/17
vom
17. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:171017B3STR109.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 17. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 14. September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es angeordnet , dass vier Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten, und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.

I.


2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verschickte der Angeklagte drei von dem gesondert verurteilten I. verfasste Briefe und einen von einer Person namens L. verfassten Text in Kenntnis des jeweiligen Inhalts, indem er diese einscannte und sodann per E-Mail unaufgefordert an mindestens 500 Personen versandte, von denen ihm nur ein Teil bekannt war. Alle Briefe hatten einen die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpfenden Inhalt. In zwei Briefen sowie dem Text von L. (Taten II.1. und II.3. der Urteilsgründe) wurde zudem der Holocaust geleugnet.
3
Das Landgericht hat dies jeweils als schwere Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB, in zwei Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung nach "§ 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und Abs. 5 (i.d.F. vom 16.03.2011) StGB", gewertet.

II.


4
1. Der Schuldspruch wegen schwerer Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a Abs. 3 StGB) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Das Landgericht ist zwar rechtsfehlerfrei zu der Bewertung gelangt, dass die von dem Angeklagten weitergeleiteten Texte einen die Bundesrepublik Deutschland beschimpfenden Inhalt im Sinne des § 90a Abs. 1 StGB aufweisen. Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass sich der Angeklagte durch die Taten absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze eingesetzt hat (§ 90a Abs. 3 StGB).
6
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland sind gemäß § 92 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 StGB solche, die die Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufheben, die staatliche Einheit beseitigen oder ein zur Bundesrepublik gehörendes Gebiet abtrennen wollen. Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze entfaltet, wer einen der in § 92 Abs. 2 StGB enumerativ genannten Grundsätze beseitigen, untergraben oder außer Geltung setzen will (§ 92 Abs. 3 Nr. 3 StGB).
7
Hier lässt sich weder den Feststellungen noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das Landgericht hat lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt (UA S. 29 f.), dass die - nicht näher konkretisierte - Motivation des Angeklagten mit derjenigen des gesondert verfolgten I. übereinstimme und sich aus an I. gerichteten Briefen des Angeklagten ergebe, in denen dieser das Ende des "bundesdeutschen Krisensystems" bzw. die "Endzeitstimmung" in Bezug auf dieses "Regime" befürwortet habe. Aus den Urteilsgründen ergibt sich außerdem, dass der Angeklagte die Legitimation der Bundesrepublik anzweifelt und den Fortbestand des Deutschen Reiches propagiert.
8
Dem mag sich zwar entnehmen lassen, dass der Angeklagte die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland von fremder Botmäßigkeit leugnet. Eigene oder von dem Angeklagten unterstützte aktiv-tätige Bemühungen im Sinne eines Hinarbeitens auf einen derartigen Zustand ergeben sich daraus jedoch nicht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 4. Mai 2016 - 3 StR 392/15, StV 2017, 379, 380). Auch eine etwaige durch die Briefe an I. vermittelte Vorfreude des Angeklagten auf einen Zusammenbruch oder ein Ende der Bundesrepublik in ihrer gegenwärtigen Form lässt keine eigenen Aktivitäten in diese Richtung erkennen. Solche werden auch nicht durch die hier in Rede stehende Verbreitung der Briefe von I. durch den Angeklagten belegt. Denn Grundtenor all dieser Briefe war, dass das Verbot der Holocaustleugnung als Sondergesetz gegen die Meinungsfreiheit verstoße und die darauf gestützte strafrechtliche Verfolgung ein Verbrechen sowie Willkür bedeute. Dass einer der in § 92 Abs. 2 StGB genannten Verfassungsgrundsätze beseitigt, außer Geltung gesetzt oder untergraben werden solle, ergibt sich daraus nicht. Schließlich vermögen auch die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung, wonach sowohl der Angeklagte als auch I. "seit Jahren rechtsradikales Gedankengut verbreiten und die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekämpfen" (UA S. 34), die Annahme des Qualifikationstatbestandes nicht zu tragen, weil diese Einschätzung nicht durch Tatsachen belegt ist.
9
b) Da nicht auszuschließen ist, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Angeklagten nach § 90a Abs. 3 StGB tragen, hebt der Senat den Schuldspruch wegen schwerer Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole auf. Dies erfasst notwendig auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Volksverhetzung in den Fällen II.1. und II.3. der Urteilsgründe, wenngleich das Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei eine Leugnung des Holocaust im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB bejaht hat.
10
2. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
11
a) Die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a Abs. 1 StGB ist - ebenso wie die Leugnung des Holocaust nach § 130 Abs. 3 StGB - ein persönliches Äußerungsdelikt. Die Wiedergabe fremder Äußerungen ist nur dann tatbestandsmäßig, wenn sich der Täter die Äußerung ausdrücklich oder konkludent derart zu eigen macht, dass er selbst beschimpft oder böswillig verächtlich macht. Ob sich der Täter eine Äußerung auf solche Weise zu eigen macht, gehört zur Auslegung, die aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Die Bewertung des Inhalts einer Äußerung richtet sich ebenso wie die Frage des Zu-Eigen-Machens nach deren objektivem Sinngehalt, der nach dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittsempfängers zu ermitteln ist. Dabei können neben dem Wortlaut und dem Kontext der Äußerung auch außerhalb derselben liegende Umstände Bedeutung erlangen (BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2002 - 3 StR 270/02, NStZ 2003, 145; vom 7. Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Nicht erkennbar gewordene Umstände, beispielsweise eine weder in der Äußerung selbst noch in den Begleitumständen zum Ausdruck gekommene innere Einstellung des Täters, sind aus Sicht des Empfängerhorizonts dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteile vom 23. August 1979 - 4 StR 207/79, juris Rn. 7; vom 20. Juli 1961 - 3 StR 21/61, NJW 1961, 1932, 1933; vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, juris Rn. 8 [zu § 130 StGB, insoweit in BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 3 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 14. April 2015 - 3 StR 602/14, NStZ 2015, 512, 513 [zu § 130 Abs. 1 StGB]).
12
Insoweit könnte die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich die Äußerungen von I. zu eigen gemacht, in den Fällen I.1. und I.2. der Urteilsgründe auf rechtliche Bedenken stoßen. Denn das Landgericht hat seine Bewertung in diesen Fällen im Wesentlichen auf entsprechende Bemerkungen des Angeklagten in - erst nach der dritten Tat verfassten und den Feststellun- gen zufolge nicht veröffentlichten - Antwortbriefen an I. gestützt. Auch das erst im dritten Fall (Fall II.3. der Urteilsgründe) an die Empfänger der von ihm weitergeleiteten Texte gerichtete Begleitschreiben des Angeklagten ist für die Beurteilung der ersten beiden Fälle (Fälle II.1. und II.2. der Urteilsgründe) ohne Bedeutung, weil die Empfänger der weitergeleiteten Texte zum Zeitpunkt der ersten beiden Taten hiervon noch keine Kenntnis hatten.
13
b) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen kommt als Tathandlung sowohl im Rahmen des § 90a Abs. 1 StGB als auch im Rahmen des § 130 Abs. 3 StGB neben einem Verbreiten von Schriften auch ein öffentliches Beschimpfen bzw. öffentliches Leugnen in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 83).
14
c) Falls die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die von dem Angeklagten in den Fällen II.1. und II.3. weitergeleiteten Texte der Holocaust geleugnet wird (§ 130 Abs. 3 StGB) und sich der Angeklagte die Texte zu eigen gemacht hat, ergibt sich seine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung unmittelbar aus § 130 Abs. 3 StGB; eines Rückgriffs auf § 130 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) StGB aF bedarf es insoweit nicht.
15
d) § 130 Abs. 5 StGB eröffnet u.a. für die weiteren Tathandlungen des Verbreitens und öffentlich Zugänglichmachens einer Schrift mit dem in § 130 Abs. 3 StGB bezeichneten Inhalt - die nicht zusätzlich den in § 130 Abs. 2 StGB beschriebenen Inhalt aufweisen muss - den Strafrahmen des Absatzes 2, der von Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe reicht.
16
e) Dem in Bezug auf § 90a StGB eingeschränkten Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist bei der Rechtsanwendung auf allen Ebenen Rechnung zu tragen. Es verlangt daher auch bei der Strafzumessung für eine verbotene Meinungsäußerung Beachtung (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2002 - 3 StR 270/02, NStZ 2003, 145, 146 mwN).
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.

(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
22
1. Geht der Eröffnungsbeschluss davon aus, dass die dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlungen sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen als eine einheitliche Tat im materiellrechtlichen Sinne darstellen, so muss ein Teilfreispruch zwar dann nicht ergehen, wenn sich eine der Handlungen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung als nicht nachweisbar oder nicht strafbewehrt erweist, es im Übrigen aber bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung der Einzelakte verbleibt (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 12 mwN). Anderes gilt indes, wenn die Hauptverhandlung ergibt, dass es sich bei den dem Angeklagten angelasteten Handlungen um selbständige, tatmehrheitliche Delikte handelt, etwa weil das verbindende Element, das die Einzelakte zu einer natürlichen Handlungseinheit verschmolzen hätte, nicht zu belegen ist. Erweist sich in diesem Falle ein dem Angeklagten von Anklage und Eröffnungsbeschluss vorgeworfener Einzelakt als nicht nachweisbar, so ist der Angeklagte insoweit freizusprechen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - 2 StR 90/11, juris Rn. 19; KK/Ott, StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 20; zur fortgesetzten Handlung bereits BGH, Beschluss vom 7. Januar 1988 - 4 StR 669/87, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 4; RG, Urteil vom 29. Mai 1923 - I 1161/22, RGSt 57, 302, 303 f.).

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.