Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2016 - 3 StR 129/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140716B3STR129.16.0
bei uns veröffentlicht am14.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 129/16
vom
14. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140716B3STR129.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 23. November 2015, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte der Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung und der Beihilfe zur räuberischen Erpressung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Jugendstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen räuberischer Erpressung zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der An- geklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen - jeweils mittäterschaftlich begangener - räuberischer Erpressung (§ 255, § 249 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB) und besonders schwerer räuberischer Erpressung (§ 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Die Angeklagte und der Mitangeklagte waren übereingekommen, ihren gemeinsamen Lebensunterhalt künftig durch Überfälle auf Tankstellen zu bestreiten. Gegenstand des Urteils sind zwei von mehreren in Umsetzung dieses Entschlusses begangene Taten: - Auf der Suche nach einem geeigneten Tatobjekt stießen die Angeklagte und der Mitangeklagte am Abend des 20. März 2014 auf eine Tankstelle in H. . Beim langsamen Vorbeifahren stellten sie fest, dass sich dort nur eine Angestellte aufhielt. Sie hielten die Gelegenheit deshalb für günstig und parkten in der Nähe. Die Angeklagte wartete wie vereinbart im Pkw; der Mitangeklagte begab sich, ausgestattet mit einem Schreckschussrevolver und mit Pfefferspray, in den Verkaufsraum und verlangte von der Angestellten unter Vorzeigen des Revolvers die Herausgabe des Kasseninhalts. Aus Angst packte die Angestellte diesen in eine vom Mitangeklagten mitgebrachte Plastiktüte. Damit kehrte der Mitangeklagte zum Pkw zurück und fuhr zusammen mit der Angeklagten weg.
- Gleichermaßen kamen sie am Abend des 22. März 2014 zu einer Tankstelle in B. , konnten aber beim Vorbeifahren nicht erkennen , wie viele Personen sich dort aufhielten. Sie stellten ihren Pkw auf dem
Parkplatz eines nahe gelegenen Supermarkts ab; während die Angeklagte wiederum im Fahrzeug blieb, beobachtete der Mitangeklagte die Tankstelle zunächst von einem Nachbargrundstück aus. Wegen des Publikumsverkehrs verzichtete er auf die Mitnahme von Revolver und Pfefferspray. Als ihm die Situation günstig erschien, ging der Mitangeklagte in den Verkaufsraum der Tankstelle und forderte von der dort anwesenden Angestellten die Herausgabe von Bargeld. Dabei täuschte er vor, im Besitz einer Schusswaffe zu sein. Aus Angst packte die Angestellte den Kasseninhalt in die ihr hingehaltene Plastiktüte. Wie zuvor begab sich der Mitangeklagte mit der Beute zurück zur Angeklagten und fuhr zusammen mit dieser weg.
4
Die benutzten Fahrzeuge hatte die Angeklagte jeweils auf ihren Namen angemietet. Ob sie diese bei den Taten auch steuerte, konnte das Landgericht nicht feststellen.
5
b) Dies trägt nicht die Annahme von Mittäterschaft der Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB); ihre Tatbeiträge sind vielmehr in beiden Fällen als Beihilfe zu den Taten des Mitangeklagten zu werten (§ 27 Abs. 1 StGB).
6
aa) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17.Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).
7
bb) Daran gemessen stellt sich die Tätigkeit der Angeklagten nach dem äußeren Erscheinungsbild in Bezug zu den Tatbeiträgen des Mitangeklagten nur als Beihilfe zu dessen Erpressungstaten dar. Die Angeklagte war zwar in die Auswahl und in die Auskundschaftung der Tatobjekte eingebunden, ebenso mietete sie die Tatfahrzeuge in eigenem Namen an. Darin liegen aus objektiver Sicht aber keine Tatbeiträge von einem Gewicht, das den Schluss auf eine Tatherrschaft der Angeklagten oder wenigstens auf ihren Willen dazu tragen könnte. Die Ausführung der Taten oblag allein dem Mitangeklagten und war ebenso wie der Eintritt des Taterfolgs dem Einfluss und dem Willen der Angeklagten in jeder Hinsicht entzogen. Der gemeinsame Tatentschluss und das auch aus dem Bestreiten des gemeinsamen Lebensbedarfs folgende Interesse der Angeklagten am Gelingen der Überfälle vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
8
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende , die Annahme von Mittäterschaft tragende Tatbeiträge der Angeklagten festgestellt werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch ent- sprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn auch bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Taten hätte sich die Angeklagte nicht wirksamer verteidigen können.
9
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Jugendstrafe. Die zugehörigen Feststellungen werden von der abweichenden rechtlichen Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten nicht berührt und sind deshalb aufrechtzuerhalten. Der neue Tatrichter kann insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten.
Becker Mayer Gericke Spaniol Tiemann

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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

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(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

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(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 174/08
vom
2. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2008 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten I. wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 25. Oktober 2007, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er im Fall B (Überfall auf den Penny-Markt am 31. Januar 2007) der Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe zu Fall B sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision dieses Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen schweren Raubes (Fall
A) und Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung (Fall B) zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich Fall B im Umfang des Beschlusstenors Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
1. Folgendes ist - soweit im Rahmen der Revision von Bedeutung - zu Fall B festgestellt:
3
Gegen Ende 2006 war Gesprächsthema zumindest zwischen dem Angeklagten I. sowie den Mitangeklagten K. . und Z. , Raubüberfälle in A. zu begehen. Es entwickelte sich die Idee, den Marktleiter des dortigen Penny-Markts zu überfallen, um die Einnahmen vorausgegangener Tage zu entwenden. Die Tat sollte an einem der Warenanlieferungstage in den frühen Morgenstunden vor Öffnung des Markts begangen werden, weil der Marktleiter zu diesen Zeiten allein im Markt war, um einen Diebstahl der angelieferten Waren zu verhindern. Der Angeklagte I. sowie die Mitangeklagten K. und Z. brachten in Erfahrung, dass die Tageseinnahmen nicht an jedem Tag von einem Geldtransportunternehmen abgeholt wurden. Nachdem sie noch den Mitangeklagten W. gewonnen und mit diesem zunächst einen Raubüberfall auf einen Tankstellenbetreiber in A. (Fall A) begangen hatten, kamen sie überein, dass der Überfall auf den Marktleiter am 29. Januar 2007 - unter Beteiligung und "Regie" des Angeklagten I. - stattfinden solle.
4
Die vier Angeklagten trafen sich am 29. Januar 2007 zur Tatausführung, verschätzten sich jedoch in der Zeit und fuhren unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Der Angeklagte I. war an den darauf folgenden Tagen verhindert, weil er an seiner Arbeitsstelle Frühschicht hatte. Die Mitangeklagten beschlossen , den Plan in Unkenntnis des Angeklagten I. zu nutzen und nur die Rollen neu zu verteilen. Der Mitangeklagte K. übernahm dessen Tatbeitrag (Steuerung des Fluchtfahrzeugs), und als vierten (Ersatz-)Mann gewannen sie den Mitangeklagten H. . Zunächst war der Angeklagte I. "planender Kopf" der Gruppe gewesen; auch diese Rolle wurde nunmehr vom Mitangeklagten K. übernommen. Noch bestand zwischen den Mitangeklagten K. , Z. , W. und H. Einigkeit, dass der Angeklagte I. an der Tatbeute beteiligt werden solle.
5
Am frühen Morgen des 31. Januar 2007 besprachen die Mitangeklagten im Fluchtfahrzeug, wie der Überfall konkret ablaufen solle. Anschließend führten sie die Tat aus, indem sie den Marktleiter im Marktinneren überwältigten und mit einer ungeladenen Schreckschusspistole zur Öffnung des Tresors und zur Übergabe des vorrätigen Wechselgeldes (insgesamt 1.529,50 €) zwangen. Auf Betreiben des Mitangeklagten H. nahmen sie anschließend davon Abstand, den Angeklagten I. an der Tatbeute zu beteiligen. Dieser erfuhr jedoch aus der Zeitung von dem Überfall, stellte den Mitangeklagten Z. zur Rede, verlangte seinen Beuteanteil und ohrfeigte ihn, woraufhin dieser dem Angeklagten I. 300,- € übergab.
6
2. Die Kammer hat die Beteiligung des Angeklagten I. als Anstiftung zur - von den Mitangeklagten mittäterschaftlich begangenen - schweren räuberischen Erpressung gewertet. Insoweit ist im Urteil - lediglich - ausgeführt, der Angeklagte I. habe "keine konkrete Tatherrschaft, aber ein eigenes Tatinteresse bei dem Überfall" gehabt.
7
Die Revision macht geltend, dass eine Anstiftung ausscheide, weil die Angeklagten den Tatentschluss gemeinsam gefasst hätten und nicht vom Angeklagten I. hierzu bestimmt worden seien. Sie meint, bei ihm läge vielmehr Beihilfe vor, und begehrt eine entsprechende Abänderung des Schuldspruchs.

II.


8
Die Revision des Angeklagten I. hat teilweise Erfolg, weil er sich nicht wegen Anstiftung zur, sondern wegen Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung nach § 253 Abs. 1, 2, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht hat.
9
Entgegen der Bewertung durch das Landgericht liegt Anstiftung schon deswegen nicht vor, weil der Angeklagte I. die Mitangeklagten nicht zu der schweren räuberischen Erpressung im Sinne von § 26 StGB "bestimmt" hat (nachfolgend 1). Im Übrigen scheidet auch eine Beteiligung als Mittäter - ebenso wie eine solche als Gehilfe - aus; denn nach der Vorstellung des Angeklagten I. begingen die Mitangeklagten nicht die Tat gemäß dem gemeinsamen Tatplan, sondern eine andere Tat (nachfolgend 2).
10
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte I. nicht Anstifter. Feststellungen, die die Annahme tragen, er habe den Tatentschluss bei den Mitangeklagten erst hervorgerufen, sind nicht getroffen worden. Vielmehr entwickelten die Angeklagten die Idee eines Raubüberfalls auf den Marktleiter des Penny-Markts gemeinsam. Die Informationen für den Tatplan stammten nicht allein vom Angeklagten I. , sondern auch von Mitangeklagten, so etwa, was das Wissen um das Abholen der Tageseinnahmen bei dem Supermarkt durch ein Geldtransportunternehmen anbelangt. Den Entschluss zur Tatausführung am 29. Januar 2007, die noch im Vorbereitungsstadium abgebrochen wurde, fassten die Angeklagten ebenfalls gemeinsam.
11
Der Angeklagte I. zeigte zwar im Vorbereitungsstadium die höchste Planungskompetenz in der Tätergruppe und war dementsprechend "zunächst" deren "planender Kopf" (UA S. 29). Aus den Urteilsgründen ergibt sich allerdings , dass die Planung einzelne Modalitäten der Verwirklichung eines dem Grunde nach feststehenden Tatentschlusses betraf. Dem entspricht es, dass die Mitangeklagten nach dem 29. Januar 2007 "beschlossen, I. s fortbestehenden und von diesem nicht zurückgenommenen Plan für den Überfall zu nutzen und nur die Rollen neu zu verteilen" (UA S. 18), wobei auch die Rolle des "planenden Kopfes" vom Mitangeklagten K. übernommen wurde (UA S. 29). Dementsprechend wurden im Fluchtfahrzeug in Abwesenheit des Angeklagten I. einzelne Modalitäten der Tatausführung weiter präzisiert, indem der konkrete Ablauf des Überfalls besprochen wurde.
12
2. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, wäre eine Tatbeteiligung des Angeklagten I. im Grundsatz als Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB zu qualifizieren (nachfolgend a). Allerdings begingen die Mitangeklagten, indem sie sich einseitig von dem gemeinschaftlich gefassten Tatentschluss lösten und den Marktleiter ohne Wissen und Wollen des Angeklagten I. überfielen, nicht die mittäterschaftlich geplante Tat, vielmehr eine andere Tat (nachfolgend b).
13
a) Wäre die Tat gemäß dem gemeinsamen Tatplan ausgeführt worden, wäre der Angeklagte I. daran als Mittäter beteiligt gewesen, selbst wenn von Vornherein nicht geplant gewesen wäre, dass er im Ausführungsstadium mitwirken sollte. Insoweit gilt: Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshand- lung beschränken kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR 2002, 74, 75 m.w.N.).
14
b) Mittäterschaft scheidet hier freilich aus, da die ausgeführte Tat wesentlich ebenso von der Vorstellung des Angeklagten I. wie vom gemeinsamen Tatplan abweicht: Die Tat wurde absprachewidrig zu einem anderen Zeitpunkt in anderer Besetzung mit anderer Rollenverteilung der Ausführenden begangen. Darüber hinaus hatte der Angeklagte I. weder Kenntnis von der Tatbegehung noch rechnete er auch nur damit; er ging vielmehr davon aus, dass sein Tatbeitrag noch nicht ausreiche und der Tatplan nicht ohne weitere Mitwirkungshandlungen seinerseits verwirklicht werde (vgl. auch Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 24 Rdn. 82; Vogler in LK 11. Aufl. § 24 Rdn. 164). Er hatte die Tatausführung noch nicht aus den Händen gegeben. Die konkrete Tat entsprach auch nicht dem Willen des Angeklagten I. . Vielmehr wollte er auch im Ausführungsstadium mitwirken. Dementsprechend stellte er, als "er aus der Zeitung erfahren hatte, dass 'sein' Überfall ohne seine Beteiligung ausgeführt worden war, Z. zur Rede … und verlangte seinen Beuteanteil" (UA S. 20).
15
In dem in diesem Sinne definierten fehlenden Wissen und Wollen unterscheiden sich Fälle der vorliegenden Art von verwandten Fallkonstellationen, die der Bundesgerichtshof bereits entschieden und dabei Mittäterschaft - zumindest im Grundsatz - bejaht hat. Das gilt vor allem für Fälle, in denen ein "Hintermann" die Planung einer Tat (mit-)beherrscht, diese aber anschließend aus den Händen gibt und dabei das genaue Vorgehen bei der Tatausführung und den hierfür geeigneten Zeitpunkt dem Ermessen seines Mittäters überlässt (vgl. BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR 2004, 40, 41; ferner Fischer, StGB 55. Aufl. § 25 Rdn. 12a). In derartigen Fällen umfasst der gemeinschaftlich gefasste Tatentschluss das Vorgehen insoweit nur im Allgemeinen und räumt einzelnen Mittätern in der Art der Ausführung Freiheiten ein (vgl. Joecks in MünchKomm-StGB § 25 Rdn. 205 m.w.N.). In der völligen Unkenntnis des Angeklagten I. von der Tatbegehung unterscheidet sich der hiesige Fall aber auch von Fällen, in denen ein Mittäter im Vorbereitungsstadium von der Tatausführung Abstand nimmt, er allerdings - etwa wegen fehlgeschlagener Umstimmungsversuche - weiß oder zumindest damit rechnet, dass andere Mittäter (gegebenenfalls) seinen Tatbeitrag ersetzen und die Tat gleichwohl ohne ihn ausführen (vgl. BGHSt 28, 346; BGH NStZ 1994, 29; 1999, 449).
16
Aus den genannten Gründen kann der Angeklagte I. ebenso wenig als Gehilfe nach § 27 StGB belangt werden.
17
3. Da der Angeklagte I. also weder Täter noch Teilnehmer der ausgeführten - wesentlich anderen - Tat ist, hat er sich hinsichtlich der ursprünglich geplanten Tat wegen Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.

III.

18
Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall B analog § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte I. der Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung schuldig ist. Dass sich dieser bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes wirksamer als geschehen hätte verteidigen können, schließt der Senat aus. Das gilt umso mehr, als die Revision beantragt hat, "den Schuldspruch auf Beihilfe um(zu)stellen", was zu einem identischen Strafrahmen geführt hätte. Des Weiteren schließt der Senat aus, dass die Bemessung der Einzelstrafe für die Tat im Fall A, welche die gesetzliche Mindeststrafe nicht erheblich übersteigt, von dem Wertungsfehler beeinflusst ist. Soweit das Urteil im Strafausspruch aufgehoben wird, können die zugehörigen Feststellungen gleichwohl bestehen bleiben.
19
Da sich das Verfahren nunmehr allein gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer. Diese wird bei der Strafzumessung strafschärfend auch die - wenngleich nicht von der Vorstellung des Angeklagten I. umfassten, so doch - vorwerfbaren Folgen der Verbrechensverabredung zu berücksichtigen haben (vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 372 m.w.N.), nämlich die Tatbegehung durch die vier Mitangeklagten. VRiBGH Nack ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert Wahl Wahl Kolz Elf Graf

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.