Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2017 - 2 StR 79/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:200417B2STR79.17.0
bei uns veröffentlicht am20.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 79/17
vom
20. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:200417B2STR79.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. April 2017 gemäß § 349 Abs. 4, § 206a StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 6. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt wurde. Das Verfahren wird hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten im Fall II.2.a der Urteilsgründe eingestellt. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslange des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache im Übrigen zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer früher verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Außerdem hat es angeordnet, dass sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als bereits vollstreckt gelten. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist begründet.

A.

2
I. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
1. Der Angeklagte, der sich ebenso wie der Zeuge H. zu einer Drogenentwöhnungstherapie in A. aufhielt, lernte am 31. Januar 2014 die Nebenklägerin B. kennen, „die sich in einer Liebeskummerphase befand und nicht allein sein wollte“. Der Angeklagte hatte eine Liebesbeziehung mit der Zeugin Ba. . Diese versuchte, die Nebenklägerin B. mit dem Zeugen H. zu verkuppeln. Am 1. Februar 2014 hielten sich die vier Personen in der Wohnung der Nebenklägerin B. auf. Der Angeklagte übte mit der Zeugin Ba. auf der Toilette den Geschlechtsverkehr aus; danach verließ diese die Wohnung. Gegen 23.30 Uhr fuhr die Nebenklägerin den Angeklagten und den Zeugen H. mit ihrem Auto zur Therapieeinrichtung, wohin beide bis Mitternacht zurückzukehren hatten. Der Angeklagte und der Zeuge H. trugen sichdort in das Anwesenheitsbuch ein, verließen danach aber die Einrichtung wieder durch den Hinterausgang. Sie kehrten mit der Nebenklägerin B. inderen Wohnung zurück. Kurz darauf erschien die Zeugin Ba. dort noch einmal, wurde aber von der Nebenklägerin B. mit der Behauptung zum Gehen bewegt, der Angeklagte sei nicht mehr anwesend. Tatsächlich versteckte sich dieser mit dem Zeugen H. in der Wohnung der Nebenklägerin B. . Danach schlug der Angeklagte vor, das Spiel „Wahrheit oder Pflicht“ zu spielen, bei dem Fragen zu beantworten oder Aufgaben zu erfüllen waren. Damit war die Nebenklägerin B. einverstanden, betonte aber, dass sie nicht zu „Küssen, Ausziehen, nackt sein oder Sex“ als Sanktion für den Fall der Nichtbeantwortung einer Frage oder Nichterfüllung einer Aufgabe bereit sei. Stattdessen wurde vereinbart, dass jeder erfolglose Mitspieler ein Glas Wodka zu trinken habe. In einem Zeitraum von 15 bis 20 Minuten trank die Nebenklägerin B. zwei oder drei Gläser Wodka. Gegen Mitternacht wurde ihr übel. Danach verlor sie das Bewusstsein und erlangte dieses erst am folgenden Morgen wieder. Ob dies allein auf Wodkakonsum oder auf einer Beibringung von „K.O.-Tropfen“ zurückzuführen war, konnte die Strafkammer nicht feststellen.
4
Gegen 7.00 Uhr kam die Nebenklägerin B. zunächst wieder phasenweise zu Bewusstsein. Sie lag nackt auf der Couch und war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Dies nutzte der Angeklagte aus, um den Geschlechtsverkehr mit ihr auszuüben. Die Nebenklägerin B. übergab sich dabei, wovon sich der Angeklagte nicht beeindrucken ließ. Er forderte vielmehr den ZeugenH. auf, Fotos von dem Geschehen anzufertigen. Ob das tatsächlich geschah, ließ sich nicht feststellen. Während des Geschlechtsverkehrs des Angeklagten mit der Nebenklägerin B. registrierte diese, dass sie nicht einmal in der Lage war, einen Arm zu heben und fragte leise: „Warum hilft mir denn keiner?“. Der Angeklagte erwiderte: „Ich helfe dir doch!“.
5
Nach Beendigung des Geschlechtsverkehrs verließ der Angeklagte zusammen mit dem Zeugen H. die Wohnung. Dabei äußerte einer derbeiden: „Die wird schon nichts machen; die hat einen kleinen Sohn!“. Erst gegen 8.00 Uhr erlangte die Nebenklägerin B. das volle Bewusstsein zurück. Sie entfernte alle Spuren des Geschehens und duschte lange. Im Verlauf des Ta- ges schrieb sie dem Angeklagten in „facebook“: „Das hätte nie passieren dürfen !“. Er antwortete, dass er nicht wisse, wovon sie spreche (Fall II.1. der Urteilsgründe

).

6
2. Im Jahre 2013 war der Angeklagte mit der Nebenklägerin He. liiert.
7
a) An einem nicht näher bestimmbaren Tag im Zeitraum zwischen dem 1. Juni und September 2013 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin He. . Dabei schlug der Angeklagte ihr mit der flachen Hand auf das unbekleidete Gesäß. Später nahm er eine dünne Hundeleine und schlug ihr mehrfach auf den Rücken, wodurch Striemen entstanden (Fall II.2.a der Urteilsgründe).
8
b) An einem Tag im Zeitraum zwischen Oktober und dem 16. November 2013 schnipste der Angeklagte der Nebenklägerin He. im Rahmen eines Streits eine glühende Zigarette ins Gesicht. Diese traf sie unterhalb des Auges, wodurch eine Brandblase entstand (Fall II.2.b der Urteilsgründe).
9
II. Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin B. als schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger gemäß § 179 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bewertet. Die Taten zum Nachteil der Nebenklägerin He. hat es jeweils als vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angesehen. Die Schläge mit der Hand auf das Gesäß und die Schläge mit der Hundeleine auf den Rücken der Nebenklägerin He. im Fall II.2.a der Urteilsgründe seien eine Tat im Rechtssinne. Die Verwendung der Hundeleine sei nicht als Begehung der Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs anzusehen, weil nicht festzustellen sei, dass dadurch erhebliche Verletzungen hätten verursacht werden können.

B.

10
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
11
I. Das Urteil begegnet im Fall II.1. der Urteilsgründe hinsichtlich der Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
1. Der Angeklagte hat die Tatbegehung mit der Behauptung bestritten, der Geschlechtsverkehr sei bei vollem Bewusstsein der Nebenklägerin B. einvernehmlich ausgeführt worden. Diese sei an einer sexuellen Beziehung mit ihm interessiert gewesen und habe ihn dazu drängen wollen, die Beziehung zu der Zeugin Ba. aufzugeben. Die Initiative zum Geschlechtsverkehr sei von der Nebenklägerin B. ausgegangen. Anschließend habe er erklärt, dass die Zeugin Ba. nichts davon erfahren dürfe. Darüber sei die Nebenklägerin B. verärgert gewesen und habe deshalb ein volles Glas Wodka getrunken, worauf sie sich erbrochen habe. Die Stimmung sei „gekippt“.
13
Der Zeuge H. hat die Einlassung des Angeklagten bestätigt. Das Landgericht ist dessen Angaben aber nicht gefolgt. Es hat sich vielmehr auf die Angaben der Nebenklägerin B. gestützt.
14
Das Landgericht hat ausgeführt, deren Aussagen seien „insgesamt von hoher Qualität“. Es sei davon auszugehen, „dass die Nebenklägerin B. nicht in der Lage gewesen wäre, ihren Bericht ohne Erlebnisgrundlage abzugeben“. Die Schilderungen seien „logisch konsistent und detailreich“. Die „hohe Originalität der geschilderten Details“ spreche für einen Erlebnisbezug. „Bereits die Beschreibung des gesamten Ablaufes des Abends, der Modus Operandi des Angeklagten, insbesondere des Spiels ‚Wahrheit oder Pflicht´, sowie ihre ledig- lich noch vorhandenen `Inselerinnerungen´“ enthielten eine „markante Be- schreibung“. „Gegen das Erfinden der Aussage“ spreche, dass diese „zu detailreich“ sei „und das Geschehen, dass die Zeugin berichtet“ habe, „lediglich auf `Inselerinnerungen´ basiert“ habe. Im Fall einer erfundenen Geschichte „wäre anzunehmen, dass diese bereits von Anfang an ein stringent geschildertes Kerngeschehen, ohne Erinnerungslücken, zum Gegenstand gehabt hätte. Bei einer erfundenen Aussage“ wäre „davon auszugehen, dass diese `aus einem Guss´ und in sich stimmig präsentiert worden wäre“. Die Nebenklägerin habe das Geschehen nicht dramatisiert. Hätte sie den Angeklagten zu Unrecht belasten wollen, hätte sie die Behauptung aufstellen können, dass der Angeklagte ihr „K.O.-Tropfen“ in ihr Getränk gemischthabe. Stattdessen habe sie erklärt, sie habe solches nicht gesehen. Die Aussagen der Nebenklägerin B. seien „in wesentlicher Hinsicht gleich und stimmig“. Einzelne Abweichungen seien uner- heblich. Für eine Motivation zur Falschaussage hätten sich „keine Anhaltspunk- te“ ergeben. Das Ziel, „den Angeklagten und die Zeugin Ba. auseinanderzu bringen, wäre für die Nebenklägerin B. wesentlich einfacher zu erreichen gewesen, indem sie der Zeugin Ba. von einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr beider berichtet hätte“. Das habe sie aber nicht getan. Die Tatsache, dass dieNebenklägerin B. auch ihrer besten Freundin, der Zeugin S. , zunächst nicht von dem Erlebnis berichtet habe, lasse nicht den Schluss zu, dass sie die Unwahrheit gesagt habe. Für die Richtigkeit ihrer Angaben spreche vielmehr, dass sie zunächst keine Strafanzeige erstattet habe. Zu deren Erstattung sei sie erst durch den Hinweis des Zeugen K. gedrängt worden, dieser werde andernfalls seinerseits Strafanzeige erstatten.
15
2. Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgt sei, nicht in einer lückenlosen und widerspruchsfreien Gesamtwürdigung aller Umstände widerlegt.
16
Soweit das Landgericht ausgeführt hat, die Nebenklägerin B. wäre nicht in der Lage gewesen, ihren Bericht von einem sexuellen Missbrauch im Zustand der Widerstandsunfähigkeit ohne Erlebnisgrundlage abzugeben, hat es nicht berücksichtigt, dass das Rahmengeschehen ebenso gut mit der Darstellung eines einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs zu vereinbaren ist. Der er- gänzende Hinweis des Landgerichts auf einen „Modus Operandi“ des Ange- klagten setzt voraus, dass der Angeklagte die Herbeiführung der Widerstands- unfähigkeit der Nebenklägerin B. mit dem Ziel ihrer Ausnutzung zum Geschlechtsverkehr geplant hatte. Dies ist ein Zirkelschluss.
17
Die Bezeichnung der Aussagen der Nebenklägerin B. als zu detailreich , um als Erfindung gelten zu können, ist nicht mit der Beschränkung des Zeugenberichts über das Kerngeschehen auf „Inselerinnerungen“ vereinbar.
18
Das Landgericht hat weiter angenommen, bei einer intentionalen Falsch- belastung hätte die Nebenklägerin eine positive Behauptung, ihr seien „K.O.- Tropfen“ beigebracht worden, aufstellen können. Weil sie dies nicht getan habe, zeige ihre Aussage „keinerlei überschießende Belastungstendenz“. Diese Schlussfolgerung greift aber zu kurz, weil eine Person, die sieht, dass ihr etwas in das Getränk gemischt wird, vor einer Einnahme des Getränks zurückschrecken wird. Die Nebenklägerin konnte deshalb auch dann, wenn ihre Tatschilderung bewusst unwahr gewesen wäre, nur eine Vermutung in den Raum stellen.
19
Durchgreifende Bedenken bestehen dagegen, dass das Landgericht die Frage nicht vertieft hat, ob die behauptete siebenstündige Bewusstlosigkeit und anschließende Widerstandsunfähigkeit der Nebenklägerin durch den Konsum von zwei oder drei Gläsern Wodka, deren Größe es nicht eingegrenzt hat, verursacht worden sein konnte oder praktisch nur durch „K.O.-Tropfen“. Es hat nicht geprüft, ob es medizinisch nachvollziehbar ist, dass eine erwachsene Frau allein aufgrund des Alkoholkonsums nach siebenstündiger Bewusstlosigkeit weiter bewegungsunfähig gewesen sein konnte, während der Angeklagte mit ihr den Geschlechtsverkehr ausübte. Wäre aber die stundenlange Bewusstlosigkeit und anschließende Handlungsunfähigkeit allein aufgrund des Konsums von zwei oder drei Gläsern Wodka nicht zu erklären, könnte dies entweder gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sprechen oder zur Annahme des Einsatzes von „K.O.-Tropfen“ führen (zu deren toxischen Wirkungen Kauert, StraFo 1997, 161, 163 f.). Hätte der Angeklagte „K.O.-Tropfen“ eingesetzt, um einen Wider- stand der Nebenklägerin B. auszuschalten und hätte er dies zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt, so hätte er sie im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB aF mit Gewalt unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs zur Duldung des Beischlafs genötigt (vgl. LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 20, 280) und tateinheitlich eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 unter Einsatz von Gift (NK/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 224 Rn. 8) oder mittels eines gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 sowie mittels eines hinterlistigen Überfalls gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB begangen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2009 – 4 StR 531/08, insoweit in NStZ-RR 2009, 278 nicht abgedruckt). Auch deshalb durfte das Landgericht nicht auf eine weitere Prüfung verzichten.
20
II. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zum Nachteil der Nebenklägerin He. verurteilt hat, fehlt die Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Strafantrags oder der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB.
21
1. Eine Tat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte es unterlässt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis von der Tat und der Person des Täters zu stellen (§ 77b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StGB).
22
a) Es liegt kein wirksamer Strafantrag der Verletzten vor.
23
Diese hat bei einer polizeilichen Vernehmung am 20. November 2013 unter anderem hinsichtlich der Tatbegehung mit der brennenden Zigarette ausdrücklich erklärt, keinen Strafantrag zu stellen (Aktenvermerk Bl. 13 d.A. der Staatsanwaltschaft Aachen 806 Js 1566/13). Hinsichtlich der weiteren Körper- verletzung wurde ebenfalls kein Strafantrag gestellt. Die Nebenklägerin He. hat zwar im Rahmen dieser Vernehmung die allgemein gestellte Frage des Vernehmungsbeamten bejaht: „Sie stellen aber auch Strafantrag gegen ihn? Sie wollen auch, dass die Sache verfolgt wird von der Polizei, ja? Das seh ich richtig?“ (Bl. 41f. aaO). Dies erfolgte im Anschluss an die Erörterung von Bedrohungen und nicht konkret mit Bezug auf die beiden abgeurteilten Körperverletzungstaten. Da eine Vielzahl von Vorwürfen im Raum stand, auch diejenigen, die zum Freispruch durch das Landgericht geführt haben, hätte ein wirksamer Strafantrag wegen Körperverletzung einer Tatkonkretisierung bedurft. Ein Strafantrag muss sich auf eine bestimmte Tat beziehen (vgl. BeckOKStGB /Dallmeyer, 33. Ed., § 77 StGB Rn. 9). Zudem wurde die erforderliche Schriftform nicht gewahrt, da das Vernehmungsprotokoll selbst nicht von ihr unterschrieben wurde (vgl. zu dieser Möglichkeit der Wahrung der Schriftform Senat, Urteil vom 18. Januar 1995 – 2 StR 462/94, NStZ 1995, 353, 354).
24
b) Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht bejaht. Sie kann dies zwar auch konkludent erklären (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 1954 – 3 StR 869/53, BGHSt 6, 282, 284 f.; Senat, Beschluss vom 26. Mai 1961 – 2 StR 40/61, BGHSt 16, 225, 227), indem sich aus einer Prozesshandlung mit hinreichender Deutlichkeit der Verfolgungswille hinsichtlich des Antragsdelikts ergibt. Das ist hier aber nicht der Fall.
25
Die Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich der abgeurteilten Taten jeweils Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben. Aus der Anklageerhebung wegen des Offizialdelikts folgt aber nicht ohne weiteres, dass auch für den Fall einer Umgestaltung der Strafklage durch das Gericht (§ 265 Abs. 1 StPO) in ein relatives Antragsdelikt die Anklageerhebung zugleich als konkludente Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung zu verstehen sein soll. Nur wenn die Staatsanwaltschaft ihre Anklage auf ein relatives Antragsdelikt erstreckt, liegt darin – sofern keine Besonderheiten hinzutreten – regelmäßig die konkludente Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 247/13, NStZ-RR 2013, 349; Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 417/15, StraFo 2016, 212).
26
Auch nach Erteilung rechtlicher Hinweise durch das Gericht, im Schlussvortrag oder an anderer Stelle ist keine Erklärung der Staatsanwaltschaft erfolgt , die als Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung zu verstehen wäre.
27
2. Das Fehlen der Prozessvoraussetzung hat in den Fällen II.2.a und b der Urteilsgründe unterschiedliche Folgen.
28
a) Es zwingt im Fall II.2.a der Urteilsgründe zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO wegen eines Verfahrenshindernisses. Insoweit hat das Landgericht das Nichtvorliegen eines Offizialdelikts im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB rechtsfehlerfrei erläutert, so dass eine andere Bewertung durch das Revisionsgericht nicht in Betracht kommt. Der Senat ist auch nicht gehalten, der Staatsanwaltschaft die Nachholung der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung zu ermöglichen.
29
b) Im Fall II.2.b der Urteilsgründe ist eine Einstellung des Verfahrens durch das Revisionsgericht dagegen nicht veranlasst.
30
Eine Erläuterung der Bewertung als vorsätzliche Körperverletzung und nicht als gefährliche Körperverletzung fehlt insoweit. Die Einwirkung mit einer brennenden Zigarette auf die Haut, die zu einer Brandwunde führt, ist im Allgemeinen als Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 232/01, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 Werkzeug 2; Urteil vom 27. September 2001 – 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86; Senat, Urteil vom 27. Januar 2016 – 2 StR 438/15; differenzierend MünchKomm-StGB/Hardtung, StGB, 2. Aufl., § 224 Rn. 25). Warum dies hier nicht der Fall sein soll, obwohl die in das Gesicht der Zeugin He. „geschnipste“ Zigarette ihr Auge knapp verfehlte und auf der Haut eine „schmerzhafte Brand- blase“ verursachte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Insoweit kommt die Bewertung der Tat als gefährliche Körperverletzung in Betracht, für die ein Strafantragserfordernis nach § 230 StGB nicht besteht. Daher verweist der Senat die Sache insoweit an das Landgericht zurück. Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

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Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


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Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 230 Strafantrag


(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Eins

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(1) Ist die Tat nur auf Antrag verfolgbar, so kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, der Verletzte den Antrag stellen. (2) Stirbt der Verletzte, so geht sein Antragsrecht in den Fällen, die das Gesetz bestimmt, auf den Ehegatten, den Leben

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 531/08
vom
21. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2009 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27. Juni 2008 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO), jedoch ist die Urteilsformel dahin zu ändern, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist.
2
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte entsprechend dem gemeinsamen Tatplan der Geschädigten heimlich bewusstseinstrübende Mittel (sog. "K.O.-Tropfen") verabreicht und dadurch dem früheren Mitangeklagten ermöglicht, mit ihr gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr auszuüben. Das Landgericht hat dies rechtlich zutreffend als gemeinschaftlich begangene Straftat nach § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB gewertet. Die Bezeichnung als "Vergewaltigung" im Urteilstenor ist jedoch fehlerhaft , da der Begriff der Vergewaltigung nur die in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB genannten eigenen sexuellen Handlungen umfasst (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Mittäter 1; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2008 - 2 StR 162/08; vgl. auch Fischer StGB 56. Aufl. § 177 Rdn. 75 m.w.N.). Die Urteilsformel war daher entsprechend zu berichtigen.
3
Dass das Landgericht den Angeklagten statt wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 4 StR 473/08; vgl. auch Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 224 Rdn. 2 c, 10, 11) nur wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hat, beschwert den Angeklagten nicht.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(1) Eine Tat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte es unterläßt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten zu stellen. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(2) Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt. Für den Antrag des gesetzlichen Vertreters und des Sorgeberechtigten kommt es auf dessen Kenntnis an.

(3) Sind mehrere antragsberechtigt oder mehrere an der Tat beteiligt, so läuft die Frist für und gegen jeden gesondert.

(4) Ist durch Tod des Verletzten das Antragsrecht auf Angehörige übergegangen, so endet die Frist frühestens drei Monate und spätestens sechs Monate nach dem Tod des Verletzten.

(5) Der Lauf der Frist ruht, wenn ein Antrag auf Durchführung eines Sühneversuchs gemäß § 380 der Strafprozeßordnung bei der Vergleichsbehörde eingeht, bis zur Ausstellung der Bescheinigung nach § 380 Abs. 1 Satz 3 der Strafprozeßordnung.

(1) Ist die Tat nur auf Antrag verfolgbar, so kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, der Verletzte den Antrag stellen.

(2) Stirbt der Verletzte, so geht sein Antragsrecht in den Fällen, die das Gesetz bestimmt, auf den Ehegatten, den Lebenspartner und die Kinder über. Hat der Verletzte weder einen Ehegatten, oder einen Lebenspartner noch Kinder hinterlassen oder sind sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben, so geht das Antragsrecht auf die Eltern und, wenn auch sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben sind, auf die Geschwister und die Enkel über. Ist ein Angehöriger an der Tat beteiligt oder ist seine Verwandtschaft erloschen, so scheidet er bei dem Übergang des Antragsrechts aus. Das Antragsrecht geht nicht über, wenn die Verfolgung dem erklärten Willen des Verletzten widerspricht.

(3) Ist der Antragsberechtigte geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können der gesetzliche Vertreter in den persönlichen Angelegenheiten und derjenige, dem die Sorge für die Person des Antragsberechtigten zusteht, den Antrag stellen.

(4) Sind mehrere antragsberechtigt, so kann jeder den Antrag selbständig stellen.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 247/13
vom
30. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 30. Juli 2013 gemäß §§ 206a, 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 12. Februar 2013 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.7 der Urteilsgründe wegen Diebstahls verurteilt wurde; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in fünf Fällen und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen und wegen Diebstahls in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Verfahren ist hinsichtlich einer Tat einzustellen, da es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten unbegründet.
2
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam. Dies gilt auch für die Tat II.11 der Urteilsgründe, denn die Bewertung als (Trick-)Diebstahl, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, beruht auf vollständigen und widerspruchsfreien Feststellungen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 318 Rn. 16). Läge entsprechend der Ansicht des Generalbundesanwalts auf derselben Tatsachengrundlage dagegen ein Betrug vor, würde es sich um einen bloßen Subsumtionsfehler handeln. Ein solcher steht indes der Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2005 - 5 StR 499/04 [juris Rn. 6]; Meyer-Goßner, aaO, § 318 Rn. 17a mwN). Der Senat ist daher an der beantragten Schuldspruchberichtigung gehindert (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 318 Rn. 31; KK-Paul, 6. Aufl., § 318 Rn. 9).
3
2. Das Verfahren ist jedoch teilweise einzustellen, weil hinsichtlich des Diebstahls im Fall II.7 der Urteilsgründe weder ein Strafantrag gestellt ist, noch die Staatsanwaltschaft (oder der Generalbundesanwalt) das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat.
4
In diesem Fall, einem Ladendiebstahl mit einer "Beute" im Wert von 22 Euro, liegt ein Strafantrag nicht vor (vgl. auch das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 16. Juli 2013). Entgegen der Ansicht der Strafkammer hat die Staatsanwaltschaft aber auch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung "durch Anklageerhebung" nicht konkludent bejaht. Dies ist zwar grundsätzlich möglich und in der Regel zu bejahen, sofern sich aus den Umständen nicht anderes ergibt (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 230 Rn. 4). Letzteres ist hier der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat die Tat in der Anklageschrift - wie auch alle anderen Diebstahlsvorwürfe - ausschließlich als gewerbsmäßigen Diebstahl ("§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2" StGB) gewürdigt. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung hat sie ausdrücklich (nur) hinsichtlich einer später nach § 154 StPO ausgeschiedenen Sachbeschädigung bejaht. Es liegt mithin nicht fern, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur § 243 Abs. 2 StGB, sondern auch § 248a StGB übersehen hat (vgl. zu einem Fall der Anklage wegen gefährlicher, einer Verurteilung aber nur wegen "einfacher" Körperverletzung auch BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00 [juris Rn. 3]). Da beim Diebstahl geringwertiger Sachen ein (wirksamer und noch bestehender) Strafantrag oder die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft Voraussetzung für eine entsprechende Verurteilung ist, also (positiv) vorliegen muss, scheidet ein Schuldspruch wegen Diebstahls schon dann aus, wenn hieran - wie vorliegend - Zweifel bestehen.
5
Der deshalb gebotenen Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO steht die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch nicht entgegen, da der Senat das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. August 1996 - 4 StR 344/96; weitere Nachweise bei KK-Kuckein, aaO, § 352 Rn. 3).
6
Der Senat schließt aus, dass die Verurteilung in diesem Fall die Bemessung der Einzelstrafen im Übrigen oder die Anordnung der Maßregel beeinflusst hat und dass der Tatrichter angesichts der verbleibenden Einzelstrafen (ein Jahr vier Monate, ein Jahr drei Monate, zwei Mal ein Jahr, fünf Mal acht Monate und ein Mal sechs Monate) ohne die für die Tat II.7 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe (sechs Monate) eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
7
3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 12. Februar 2013 im Übrigen ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 7. Juni 2013 dargelegten Gründen erfolglos. An der entsprechenden Verwerfung gemäß § 349 Abs. 2 StPO ist der Senat durch den den Fall II.11 der Urteilsgründe betreffenden Antrag des Generalbundesanwalts (allein) auf Schuldspruchberichtigung nicht gehindert (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2013 - 3 StR 61/13). Zur Zulässigkeit einer wiederholten Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verweist der Senat ergänzend auf § 67f StGB.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 417/15
vom
8. März 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1. - 3.: schwerer Freiheitsberaubung u.a.
zu 4. - 5.: Beihilfe zur schweren Freiheitsberaubung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080316B3STR417.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ad. L. und I. L. wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 9. Januar 2015, soweit es sie betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Ad. L. und I. L. sowie die Revisionen der Angeklagten M. L. , Y. L. und A. L. werden verworfen.
Die Beschwerdeführer M. L. , Y. L. und A. L. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt schuldig gesprochen: - die Angeklagten M. und Y. L. wegen "über eine Woche dauernder" Freiheitsberaubung in zwei Fällen, den Angeklagten M. L. in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung, die Angeklagte Y. L. in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung; - den Angeklagten A. L. wegen "über eine Woche dauernder" Freiheitsberaubung und - die Angeklagten Ad. und I. L. wegen Beihilfe zu "der über eine Woche dauernden" Freiheitsberaubung, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.
2
Es hat wegen dieser Taten den Angeklagten M. L. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten, die Angeklagte Y. L. zu einer solchen von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten A. L. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und die Angeklagten Ad. und I. L. zu Dauerarresten von vier (Ad. ) bzw. drei Wochen (I. ) verurteilt und jeweils wegen überlanger Verfahrensdauer eine Kompensationsentscheidung getroffen.
3
Gegen diese Verurteilungen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, die sämtlich jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt sind; die Angeklagten A. L. und Ad. L. beanstanden zudem das Verfahren.
4
Die Rechtsmittel der Angeklagten Ad. und I. L. haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweisen sie sich, ebenso wie die Revisionen der Angeklagten M. , Y. und A. L. , als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. Die Verfahrensvoraussetzungen sind auch mit Blick auf die jeweils tateinheitlich zu der schweren Freiheitsberaubung verwirklichte Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gegeben. Allerdings hat die Nebenklägerin die Frist des § 77b Abs. 1 Satz 1 StGB versäumt, so dass ein wirksamer Strafantrag als Prozessvoraussetzung im Sinne des 230 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht vorliegt. Das Antragserfordernis ist hier indes entfallen, weil die Staatsanwaltschaft schon bei der Anklageerhebung die Strafverfolgung wegen des besonderen öffentlichen Interesses daran für geboten gehalten hat (§ 230 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB). Zwar hat sie am Ende des Anklagesatzes ausdrücklich nur das "öffentliche Interesse an der Strafverfolgung" bejaht, nicht aber das "besondere öffentliche Interesse"; dabei handelt es sich jedoch offenbar um ein bloßes Schreibversehen. Das ergibt sich aus Folgendem:
6
In der Anklageschrift sind die den Angeklagten zur Last gelegten Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin jeweils als einfache Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewertet. Darin, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage auf einen dem Antragserfordernis unterliegenden Vorwurf erstreckt, liegt - wenn keine Besonderheiten hinzutreten - regelmäßig die konkludente Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 247/13, NStZ-RR 2013, 349 mwN). Zwar könnte hier gegen eine solche Auslegung sprechen, dass die Staatsanwaltschaft ausdrücklich das "öffentliche Interesse" an der Strafverfolgung bejaht hat. Mit Blick auf die gegebene Verfahrenslage ist die Erklärung des "öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung" dennoch dahin zu verstehen, dass damit das "besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung" im Sinne von § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB gemeint, nicht aber die Bejahung des öffentlichen Interesses an der öffentlichen Klage im Sinne von § 376 StPO beabsichtigt war. Nach dieser Vorschrift wird bei Privatklagedelikten im Sinne von § 374 StPO, zu denen nach § 374 Abs. 1 Nr. 4 StPO auch die einfache Körperverletzung gemäß § 223 StGB zählt, die öffentliche Klage von der Staatsanwaltschaft nur erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Treffen allerdings - wie hier die jeweilige Körperverletzung mit der (qualifizierten) Freiheitsberaubung - ein Privatklage- und ein Offizialdelikt dergestalt zusammen, dass es sich um eine prozessuale Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO handelt, so muss das Verfahren einheitlich geführt werden; das Offizialverfahren, in dem das Privatklagedelikt ohne Rücksicht auf das öffentliche Interesse mitzuverfolgen ist, hat Vorrang (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 376 Rn. 9 f.). Angesichts dessen hätte eine Bejahung des "öffentlichen Interesses" im Sinne von § 376 StPO keinen Sinn ergeben, weil die Staatsanwaltschaft ohnehin die öffentliche Klage zu führen hatte; hingegen war die Bejahung des "besonderen öffentlichen Interesses" nach § 230 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB prozessual geboten , weil dadurch die Voraussetzung für die Strafverfolgung - unabhängig von dem (ohnehin verfristeten) Strafantrag - auch wegen der Körperverletzungsdelikte geschaffen wurde. Für dieses Ergebnis spricht zudem der Wortlaut der Erklärung der Staatsanwaltschaft, mit der sie das öffentliche Interesse "an der Strafverfolgung" - wie in § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB gefordert - bejahte, nicht aber das für § 376 StPO erforderliche an der "öffentlichen Klage".
7
2. Die Verfahrensrügen der Angeklagten A. und Ad. L. haben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg. Ergänzend zu der Antragsschrift betreffend den Angeklagten Ad. L. bemerkt der Senat:
8
Die Rüge, mit der der Beschwerdeführer die Verletzung von § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO beanstandet, weil ihm das letzte Wort nicht gewährt worden sei, ist unbegründet, weil kein Verfahrensverstoß vorliegt. Das berichtigte Protokoll der Hauptverhandlung beweist, dass der Angeklagte Ad. L. - wie alle anderen Angeklagten auch - das letzte Wort hatte.
9
Entgegen der Auffassung des Revisionsführers in seiner Gegenerklärung ist das berichtigte Protokoll auch allein maßgeblich; der Vorsitzende der Strafkammer hat das Protokollberichtigungsverfahren ordnungsgemäß nach Maßgabe der im Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 23. April 2007 (GSSt 1/06, BGHSt 51, 298, 315 ff.) entwickelten Anforderungen durchgeführt. Insbesondere hat er dem Beschwerdeführer die Absicht der Berichtigung zusammen mit den dienstlichen Erklärungen der Urkundspersonen mitgeteilt und ihm innerhalb angemessener Frist rechtliches Gehör gewährt. Der Vorsitzende hat dieses inhaltlich den genannten Anforderungen entsprechende Schreiben im Übrigen - entgegen dem unzutreffenden Vorbringen des Revisionsverteidigers - nicht nur diesem und dem Angeklagten Ad. L. übermittelt, sondern - mit Gelegenheit zur Stellungnahme - auch allen anderen Verfahrensbeteiligten zugestellt, insbesondere dem Instanzverteidiger des Beschwerdeführers, der sich dazu indes nicht geäußert hat. Es kann mithin keine Rede davon sein, "dass die einzige Person in der Sphäre des Angeklagten, die überhaupt substantiiert hätte widersprechen können - nämlich der Instanzverteidiger - (sehenden Auges!) übergangen worden" sei; das Gegenteil davon ist richtig.
10
3. Die auf die erhobenen Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zu den jeweiligen Schuldsprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. In Ergänzung der Antragsschriften des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
11
Soweit die Angeklagte Y. L. geltend macht, sie habe während der Freiheitsberaubung zum Nachteil der Nebenklägerin in der Wohnung des Angeklagten M. L. jedenfalls in den Zeiträumen keine Tatherrschaft besessen, in denen sie die Wohnung nicht aufsuchte, entfernt sie sich von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts , aus denen sich ergibt, dass die Angeklagten Y. und M. L. aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses arbeitsteilig vorgingen und der Angeklagten Y. L. , die über einen eigenen Schlüssel zu der Wohnung verfügte, eine gewichtige Rolle zukam, weil sie die Nebenklägerin mit Lebensmitteln versorgte und sie während der notwendigen Arztbesuche "eskortierte".
12
Die (auch) von dieser Angeklagten vertretene Rechtsauffassung, die Annahme einer schweren Freiheitsberaubung scheitere hier daran, dass der Angeklagte M. L. den Schlüssel von innen an der Wohnungstür habe stecken lassen, wenn er sich dort aufgehalten habe, übergeht die von der Strafkammer zutreffend referierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der eine Einsperrung im Sinne von § 239 Abs. 1 StGB nicht unüberwindlich sein muss. Es genügt, dass die Benutzung der zum regelmäßigen Ausgang bestimmten Vorrichtungen für den Zurückgehaltenen ausgeschlossen erscheint. Dazu kann es ausreichen, dass eine unüberwindliche psychische Schranke vor einer Flucht besteht, etwa aus Angst vor weiteren Sanktionen oder Gewalthandlungen des Einsperrenden (BGH, Beschluss vom 8. März 2001 - 1 StR 590/00, NStZ 2001, 420 mwN). So verhielt es sich hier.
13
Soweit die Angeklagten Y. und Ad. L. die Beweiswürdigung angreifen, gilt Folgendes:
14
Für den von der Angeklagten Y. L. geltend gemachten "Denkfehler" ist nichts ersichtlich: Das Landgericht hat nicht angenommen, die Absichten und Motive für die beiden Freiheitsberaubungen müssten "zwingend" identisch sein, sondern lediglich aus den äußeren Umständen und dem als erwiesen erachteten Verhalten der Angeklagten den möglichen - wenn nicht gar naheliegenden - Schluss gezogen, es sei den Angeklagten nicht darauf angekommen , sich im Rahmen einer allgemeinen Familienfürsorge um die Nebenklägerin zu kümmern. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
15
Auch das Rechtsmittel des Angeklagten Ad. L. zeigt revisible Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nicht auf, insbesondere liegt die behauptete Lückenhaftigkeit nicht vor. Entgegen dem Revisionsvorbringen lassen sich den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der psychiatrische Sachverständige von einer anderen psychischen Störung als einer Psychose ausgegangen sei, die zu Halluzinationen geführt haben könnte. Dementsprechend gelangt die Revision unter Heranziehung urteilsfremden Vorbringens zu einer abweichenden - eigenen - Beurteilung des Beweisergebnisses; damit kann sie im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben.
16
4. Der Rechtsfolgenausspruch betreffend die Angeklagten M. L. , Y. L. und A. L. weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil auf. Insbesondere ist es entgegen der von der Revision des Angeklagten M. L. vertretenen Auffassung nicht zu beanstanden, dass für diese drei Angeklagten - unabhängig von der konkreten Strafhöhe - die gleiche Kompensationsentscheidung dahin getroffen wurde, dass von der jeweils verhängten Freiheitsstrafe zwei Monate als vollstreckt gelten. Denn bei dem Ausspruch über eine Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer handelt es sich gerade nicht um eine in Relation zur Strafhöhe stehende Entscheidung; nach dem aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anzuwendenden "Vollstreckungsmodell" ist der Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von Fragen des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe zu trennen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138).
17
5. Der Rechtsfolgenausspruch betreffend die Angeklagten I. L. und Ad. L. kann hingegen keinen Bestand haben.
18
Das Landgericht hat gegen die zur Tatzeit 18 (Ad. L. ) und 19 bzw. 20 (I. L. ) Jahre alten Angeklagten, die im Zeitpunkt ihrer Verurteilung bereits 24 und 26 Jahre alt waren, Dauerarreste gemäß § 16 Abs. 4 JGG verhängt und dazu ausgeführt, es lägen zwar die Voraussetzungen der Jugendstrafe gemäß § 17 Abs. 2 JGG bei den Angeklagten nicht (mehr) vor, mildere Mittel als die Verhängung eines Dauerarrests seien indes nicht geeignet , ausreichend auf die beiden heranwachsenden Angeklagten erzieherisch einzuwirken, denen das Unrecht ihrer Tat vor Augen zu führen und die Einsicht zu vermitteln sei, dass sie für ihr Verhalten einzustehen hätten. Diese erzieherischen Ziele seien trotz des fortgeschrittenen Lebensalters der Angeklagten mit dem Dauerarrest erreichbar, mit dem sie zu einem selbständigen und eigenverantwortlichen Handeln anzuhalten seien; auch die Länge des Arrests hat die Strafkammer im Wesentlichen mit dem "erheblichen Erziehungsbedarf" der Angeklagten begründet.
19
Damit hat die Jugendkammer nicht bedacht, dass dem Erziehungsgedanken bei der Bestimmung von Art und Dauer der Sanktion für die Tat der zum Zeitpunkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im strafrechtlichen Sinne erwachsenen Angeklagten schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allenfalls geringes Gewicht zukommt (BGH, Beschluss vom 20. August 2015 - 3 StR 214/15, juris Rn. 5 mwN). Dies ist rechtsfehlerhaft und bedingt die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Ob darüber hinaus Anlass bestehen könnte, die bisherige Rechtsprechung dahin weiter zu entwickeln, dass bei der Verhängung von Sanktionen gegen Straftäter, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben und somit im strafrechtlichen Sinne als erwachsen gelten, der Erziehungsgedanke nicht mehr nur von geringem Gewicht sein kann, sondern insgesamt kein taugliches Strafzumessungskriterium mehr ist (vgl. BGH aaO), bedarf deshalb hier (erneut) keiner Entscheidung.
20
Das Landgericht hat zudem nicht in den Blick genommen, dass es durch die Verhängung des Dauerarrests gegen die im Tatzeitpunkt Heranwachsenden auf eine Freiheitsentziehung erkannt hat, hinsichtlich derer eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung nicht vorgesehen ist. Auch dies erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil eine solche Rechtsfolge gegenüber einem Erwachsenen allenfalls nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 StGB und bei Fehlen einer günstigen Sozialprognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB möglich wäre, das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei den im Urteilszeitpunkt erwachse- nen Angeklagten indes von der Jugendkammer nicht geprüft worden ist. Die Angeklagten sind deshalb im Ergebnis durch die Anwendung des Jugendstrafrechts und die Heranziehung des für sie allenfalls in geringem Maße bedeutsamen Erziehungsgedankens beschwert.
21
Um dem neuen Tatgericht eine insgesamt stimmige Rechtfolgenentscheidung zu ermöglichen, hat der Senat auch die Kompensationsentscheidung aufgehoben, die im Übrigen Bedenken begegnete (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - III-3 RVs 102/11, juris Rn. 6 ff.). Bei der Verhängung einer angemessen Sanktion wird das neue Tatgericht zudem in besonderem Maße das Verbot der "refomatio in peius" gemäß § 358 Abs. 2 StPO zu beachten haben (vgl. dazu Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 55 Rn. 73 ff.).
Becker Schäfer Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet Tiemann sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 232/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 25. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß aa) die Verurteilungen wegen Bedrohung entfallen; bb) sämtliche unter B. B. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten im Verhältnis von Tateinheit stehen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen wurde, sowie im gesamten Strafausspruch. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ein andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt:
a) Am 2. März 2000 hatte der Angeklagte dem B. angeboten , mit ihm und K. in seiner Wohnung über die Rückgabe B. gehörender Möbel zu sprechen, die sich noch bei K. befanden. Ohne daß B. hierfür einen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, kündigte der Angeklagte dort alsbald an, ihm den "Kopf weg(zu)pusten", und hinderte B. mit Ohrfeigen und einem Faustschlag am Verlassen der Wohnung. In den nächsten Stunden wurdeB. von ihm vielfältig mißhandelt , gequält und gedemütigt. Er bedrohte ihn ständig mit dem Tod ("killen"; "häuten") und gravierenden Verletzungen ("Eier abreißen"), "probierte" Karateschläge an ihm aus und würgte ihn, bis er seinen Geldbeutel herausgab, dem der Angeklagte einen Geldschein entnahm, der dann verbrannt wurde. B. mußte die Schuhevon K. küssen und er bekam vom Angeklagten seinen Ausweis in den Mund geschoben.
b) Am 13. April 2000 hielt sich der Nebenkläger R. in der Wohnung des Angeklagten auf, weil ihm dieser einen Arbeitsplatz versprochen hatte. Als sich nichts ergab und R. wieder gehen wollte, war die Tür verschlossen und der Angeklagte bedrohte R. mit einer von diesem für echt gehaltenen Pistolenattrappe und einem Messer, beschimpfte ihn und kündigte ihm an, "er sei bald tot". Damit begann ein mehrtägiges, von der Strafkammer im einzelnen geschildertes Martyrium R. s. In dessen Verlauf mußte R. nicht nur Haus- und Küchenarbeiten verrichten und nackt in eine Badewanne mit kaltem Wasser steigen, sondern auch nackt herumkriechen,
Schuhe und Fuûboden ablecken, Zigarettenkippen schlucken und den Urin des Angeklagten trinken. Bei alledem wurde er nicht nur ständig mit dem Tod bedroht , sondern auch körperlich schwer miûhandelt. Der Angeklagte drückte unmittelbar über der Nase R. s eine brennende Zigarette aus - nach etwa zehn Tagen war noch eine gerötete Narbe festzustellen -, schlug auf den nackt herumkriechenden R. mit Holzprügeln ein und schoû jeweils aus der Nähe mit einem Luftgewehr in seinen rechten Zeh und seine linke Hand und mit einem Gasrevolver in seine Genitalien. 2. Nach weitgehender Verfahrensbeschränkung hat die Strafkammer das Geschehen zum Nachteil B. als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und jeweils zwei Fällen der Nötigung und der vorsätzlichen Körperverletzung bewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Das Geschehen zum Nachteil R. hat die Strafkammer als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und Nötigung in sieben Fällen angesehen sowie als gefährliche Körperverletzung in fünf Fällen, die hierzu jeweils in Tatmehrheit stehen, weil sie auf Spontanentschlüsse zurückgingen. Für die Freiheitsberaubung und die damit in Tateinheit stehenden Delikte hat sie vier Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Für die gefährlichen Körperverletzungen wurden festgesetzt: Zehn Monate wegen der Schläge mit den Holzprügeln, ein Jahr und drei Monate für das Brennen mit der Zigarette, ein Jahr und sechs Monate für den Schuû in den Zeh, zwei Jahre für den Schuû in die Hand und drei Jahre für den Schuû in die Genitalien. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet. Von Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer abgesehen.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die uneingeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten führt zu zwei Änderungen des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung beschränkt und hat Erfolg. Zugleich führt sie zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten.

II.

Die Revision des Angeklagten: 1. Die Revision meint, eine brennende Zigarette sei "mangels Eignung der Hervorrufung erheblicher Verletzungen" kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Sie verweist auf die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die Möglichkeit erheblicher Verletzungen nicht naheliegt, wenn mit Zigarettenglut eine Brandverletzung auf der Wade herbeigeführt wird (StV 1994, 244, 246; Zweifel hieran bei Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl. § 224 Rdn. 9). Diese Bewertung von Brandverletzungen widerspricht schon im Ansatz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die gefährliche Körperverletzung bei "Zufügung von Brandwunden durch glimmende Zigaretten" ohne weiteres bejaht hat (Beschl. vom 25. April 2001 - 3 StR 7/01 [mitgeteilt in dem Urteil, das gegen einen an diesem Tatkomplex nicht beteiligten Mittäter in jener Sache am selben Tag ergangen ist]). Damit vergleichbar wurde gefährliche Körperverletzung ebenfalls ohne weiteres in einem Fall bejaht, in dem ein brennendes Feuerzeug einige Sekunden unter vier Finger der Hand eines Kindes gehalten
wurde, was zu schmerzhaften Verletzungen mit Blasen und Narben führte (BGHR StGB § 170d [aF] Fürsorgepflichtiger 1). Der Senat sieht keinen Anlaû, von dieser Rechtsprechung abzuweichen: Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 1999, 616). Es kommt also nicht allein auf die letztlich eingetretene Verletzung an, es genügt vielmehr schon die potentielle Gefährlichkeit des Werkzeugs im konkreten Fall (Tröndle/Fischer aaO). Eine brennende Zigarette, die auf der Haut ausgedrückt wird, führt regelmäûig zu schmerzhaften Brandverletzungen, die vielfach mit Narbenbildung - hier war die Narbe des Geschädigten nach zehn Tagen noch gerötet (I 1 b) - verbunden sind; auch darüber noch hinausgehende Komplikationen sind niemals auszuschlieûen. Im konkreten Fall kommt im übrigen [zusätzlich] noch hinzu, daû die Zigarette unmittelbar über der Nase ausgedrückt wurde, so daû wegen der [nicht] auszuschlieûenden Möglichkeit schmerzbedingt unkontrollierter Bewegungen sogar die Gefahr einer Augenverletzung bestand. 2. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt im einzelnen ausgeführt haben, stehen sämtliche Taten zum Nachteil R. in Tateinheit. Er befand sich auf Grund des Verhaltens des Angeklagten in einer Zwangslage und konnte sich nicht frei bewegen, was der Angeklagte bei den Verletzungshandlungen ausgenutzt hat. Auch wenn diese Handlungen auf Spontanentschlüsse zurückgehen sollten, ist daher das gesamte Geschehen tateinheitlich verbunden (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 16 m.w.Nachw.). Schon weil auch die unverändert zugelassene Anklage von Tateinheit zwi-
schen allen Delikten (auch) in diesem Tatkomplex ausgegangen ist, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. 3. Im übrigen enthält der Schuldspruch nur noch insoweit einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler, als Bedrohung (§ 241 StGB) hinter Nötigung (§ 240 StGB) zurücktritt, da die Bedrohungen - jedenfalls auch - Nötigungsmittel waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; w. Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 240 Rdn. 63). Auch insoweit war der Schuldspruch daher zu ändern. 4. Zwar hat weder der Wegfall der Verurteilungen wegen Bedrohung hier für den Strafausspruch Bedeutung, noch gefährdet eine unzutreffende Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang im Ergebnis ohne weiteres den Strafausspruch (vgl. nur BGHSt 41, 368, 373 f.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daû eine aus mehreren Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil aus der im Fall R. noch zu bildenden Einzelstrafe und der Strafe im Fall B. eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Daher ist der Senat an einer Bestätigung des Strafausspruchs gehindert (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 7), so daû der Strafausspruch aufzuheben war, wobei der Senat im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Taten auch die Strafe im Fall B. aufgehoben hat (vgl. hierzu BGH wistra 1998, 106, 108 m.w.Nachw.).

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft: Die Strafkammer hat die formellen und materiellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB bejaht, von Sicherungsverwahrung aber gleichwohl abgesehen.
1. Der Angeklagte ist schon wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Nötigung und einem Waffendelikt, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden:
a) Am 4. Oktober 1988 hatte er den H. ohne nachvollziehbaren Grund schwer miûhandelt. Er hatte ihn vielfach mit einem Baseballschläger und einem Schlagstock auf Arme und Beine geschlagen, ihn etwa eine Viertelstunde in den Bauch getreten und ihm mit einem Messer zwei Stichverletzungen an den Armen zugefügt, wobei er dann in eine Wunde Salz gerieben hatte, um H. weitere Schmerzen zu bereiten (Strafe: zwei Jahre und sechs Monate

).


b) Am 7. Oktober 1988 hatte er den ihm bekannten Tankwart S. ebenfalls aus nichtigem Anlaû im Kassenraum der Tankstelle mit der Faust niedergeschlagen, ihn in sadistischer Weise ("Auge ausstechen"; "Schwanz abschneiden") bedroht, ihn getreten und sich schlieûlich auch noch den Kasseninhalt angeeignet (Strafe: vier Jahre und sechs Monate).
c) Am 10. Oktober 1988 drang der Angeklagte nachts in die Wohnung seines früheren Karateschülers Kö. ein, bedrohte ihn mit einer Pistole und forderte Auskunft über anonyme Anrufe im Zusammenhang mit seiner Karateschule. Als sich Kö. weigerte, schoû er ihm in den Hals. Anschlieûend quälte er ihn "über das Ziel der Informationserlangung hinaus". Er schlug ihn etwa mit der Pistole heftig in das Gesicht, trat ihm in die Genitalien und kündigte ihm "zynisch" seinen nahen Tod an. Der lebensgefährlich verletzte Kö. behielt Dauerschäden wie eine Armlähmung und eine Stimmbehinderung wegen der schuûbedingten Kehlkopfverdrehung (Strafe: zwölf Jahre).
Der Angeklagte war in dieser Sache vom 15. Oktober 1988 bis 1. März 1998 inhaftiert; der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit liegen die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB vor, ohne daû sich daran durch die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung (II 2) etwas ändern würde (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 9, 10 m.w.Nachw.). 2. Darüber hinaus hat die Strafkammer auch die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach sachverständiger Beratung bejaht, da der Angeklagte einen Hang zu Straftaten hat, durch die die Opfer körperlich und seelisch schwer geschädigt werden und er daher für die Allgemeinheit gefährlich ist. Im einzelnen ist ausgeführt, daû Aggressivität für ihn etwas "Normales" ist und daû er persönlichkeitsbedingt weder zu Schuld- und Unrechtsbewuûtsein in der Lage ist - die der Vorverurteilung zu Grunde liegenden Taten hat er "bagatellisiert" -, noch aus Erfahrungen lernen kann. Auûerdem sind im einzelnen näher beschriebene Persönlichkeitsmerkmale des Angeklagten "Indikatoren" für einen kriminellen Rückfall. 3. Die Strafkammer hält Sicherungsverwahrung für "derzeit noch unverhältnismäûig im Sinne des § 62 StGB". Unter Beachtung dieser Bestimmung sei nämlich im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen, daû der Angeklagte im Hinblick auf den anstehenden Strafvollzug und den zu erwartenden Bewährungswiderruf mehr als zehn Jahre von der Allgemeinheit ferngehalten und voraussichtlich erst mit 55 Jahren wieder in Freiheit gelangen werde. Da er auch während der früheren Haft offenbar nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei und bei vollständiger Verbüûung der jetzt verhängten Strafe unter Führungsaufsicht stehen werde (§ 68f StGB), die ein "besonderes Augenmerk" auf ihn zu werfen haben werde, sei es "noch
vertretbar" ihm die Möglichkeit eines straffreien Lebens jenseits der Lebensmitte einzuräumen. 4. Gegen diese Erwägungen wendet sich das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit Recht.
a) Dabei versteht der Senat die allerdings nicht sehr klaren Ausführungen zu § 62 StGB nicht dahin, daû die Strafkammer der - offensichtlich hier auch nicht vertretbaren - Auffassung wäre, schon wegen der Bedeutung der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Taten sowie des Grades der von ihm ausgehenden Gefahr komme Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Vielmehr stützt die Strafkammer ihre Entscheidung im wesentlichen auf die Dauer der anstehenden Freiheitsentziehung und das Lebensalter zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Haftentlassung.
b) Bei einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB können allerdings die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäû eintretenden Haltungsänderungen Gewicht gewinnen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 301 m.w.Nachw.). Es kommt dabei jedoch nicht auf die (mutmaûliche) Dauer des Strafvollzugs als solche an. Entscheidend ist vielmehr, ob zu erwarten ist, daû sie eine präventive Warnwirkung auf den Angeklagten haben und damit zu einer Haltungsänderung bei ihm führen wird (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3, 5, 6 m.w.Nachw.). Diese Annahme ist jedoch schon im Hinblick auf die früheren Taten und die deswegen vollzogene langjährige Strafhaft - unbeschadet des Verhaltens des Angeklagten in dieser Zeit - sehr fernliegend und darüber hinaus mit der ausdrücklich festgestellten Unfähigkeit des Angeklagten, aus Erfahrungen zu lernen, unvereinbar.
Das mutmaûliche Lebensalter des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Haftentlassung kann an alledem nichts ändern. Anders wäre es nur, wenn unter Berücksichtigung der Art der in Frage stehenden Delikte für diesen Zeitpunkt eine positive Prognose gestellt werden könnte (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3). Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der damit vergleichbaren Frage der Gefährlichkeitsbeurteilung gemäû § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wiederholt ausgesprochen hat, ist allein ein Alter von etwa 55 Jahren bei der Haftentlassung als solches dabei nicht aussagekräftig (Urt. vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 Gefährlichkeit 5). Auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB kann insoweit nichts anderes gelten. Gründe, die speziell beim Angeklagten eine andere Bewertung dieses Alters rechtfertigen könnten, sind schon im Hinblick auf seine Unfähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, nicht ersichtlich. Auch die Art der in Rede stehenden Delikte spricht nicht für eine andere Beurteilung. "In grausamer und sadistischer Weise" vorgenommenen Miûhandlungen steht auch ein Alter "jenseits der Lebensmitte" nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. vom 30. August 1994 - 1 StR 271/94). Schon deshalb, weil der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten unter Bewährungsbruch begangen hat, obwohl er einem Bewährungshelfer unterstanden ist - für eine Ausnahme vom Grundsatz des § 57 Abs. 3 Satz 2 StGB ist nichts ersichtlich - können schlieûlich auch die Erwägungen der Strafkammer zur Führungsaufsicht kein Gewicht gewinnen.
c) Nach alledem muû über die Anordnung von Sicherungsverwahrung daher neu befunden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Androhung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.Nachw.). Da die Strafkammer hier ausdrücklich einen Bezug zwischen der Höhe der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 438/15
vom
27. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:270116U2STR438.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, der Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. März 2015 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleibt die Adhäsionsentscheidung bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin 5000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. März 2015 zu zahlen. Die dage- gen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich die Nebenklägerin am frühen Morgen des 30. August 2014 in die Wohnung des Angeklagten, um dort gegen Entgelt mit ihm den Geschlechtsverkehr auszuüben. Nach erfolgtem einvernehmlichen Verkehr gestattete ihr der Angeklagte, sich bei ihm auszuschlafen, woraufhin sich die Nebenklägerin im unbekleideten Zustand auf eine Matratze im Wohnzimmer legte. Gegen 14 Uhr wurde sie wach, weil der Angeklagte laut im Zimmer herumschrie. Er beschimpfte die Nebenklägerin, die sich bedroht fühlte und daher überprüfte, ob sie die Wohnung verlassen könnte. Da die Tür verschlossen und der Schlüssel nicht zu sehen war, bat sie den Angeklagten , sie gehen zu lassen. Dieser beschimpfte sie jedoch weiter und entgegnete , sie müsse zwei Tage in der Wohnung bleiben; er werde sie „durchfi- cken“. Sodann umfasste er mit beiden Händen ihren Hals und würgte sie so fest und lange, dass sie in akute Lebensgefahr geriet. Da es der Nebenklägerin gelang , den Angeklagten wegzustoßen, schlug er sie mehrfach mit der Faust ins Gesicht und auf den Kopf. Weil sie weitere Schläge befürchtete, gab sie ihre Gegenwehr schließlich auf und führte weinend den oralen und vaginalen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten durch. Der Angeklagte beschimpfte sie weiterhin und fügte ihr mit einer brennenden Zigarette mehrere Brandverletzungen im Bereich des Dekolleté zu.
3
Als der Angeklagte von der Nebenklägerin abließ, gestattete er ihr, auf dem Balkon frische Luft zu schnappen. Dort rief sie sogleich laut um Hilfe, weshalb der Angeklagte auf ihren Rücken einschlug und vergeblich versuchte, sie in die Wohnung zurück zu ziehen. Anschließend versuchte er, ein Feuerzeug an ihrem Schambereich zu entzünden, was ebenfalls nicht gelang. Daraufhin verschloss er die Tür von innen. Die Nebenklägerin wurde gegen 14.30 Uhr von Polizeibeamten, die Nachbarn herbeigerufen hatten, befreit.
4
2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen des Geschehens in der Wohnung wegen besonders schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 und 2b) StGB in Tateinheit mit Körperverletzung gemäß § 223 StGB und wegen des Geschehens auf dem Balkon wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 22, 23, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit Körperverletzung gemäß § 223 StGB verurteilt.

II.

5
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist mehrere Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf. Die Strafkammer hat den Unrechtsgehalt der von ihr festgestellten Taten nicht ausgeschöpft und ist ihrer Kognitionspflicht nicht nachgekommen.
6
1. Das Landgericht hat es unterlassen, das Geschehen in der Wohnung und auf dem Balkon unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geiselnahme (§ 239b Abs. 1 StGB) zu würdigen.
7
Durch das Verschließen der Wohnung hat der Angeklagte die andauernde physische Herrschaft über die Geschädigte erlangt und sich bereits insoweit ihrer bemächtigt im Sinne des § 239b Abs. 1 StGB (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 239a Rn. 7). Nach den Feststellungen liegt es auch nahe, dass mit dem bis zum Eintritt akuter Lebensgefahr erfolgtem langen und festen Würgen der Geschädigten konkludent eine Drohung mit dem Tod einherging (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 2 StR 606/13, NStZ 2014, 515). Es wäre daher zu erörtern gewesen, ob die durch das Verschließen der Wohnung geschaffene Beherrschungslage zum Zeitpunkt dieser qualifizierten Drohung bereits eine „gewisse Stabilisierung“ erfahren und sich daher „eine weitergehende Drucksituation auf das Opfer gerade auch aus der stabilen Be- mächtigungslage ergeben“ hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 4 StR 522/13; Beschluss vom 9. September 2015 - 4 StR 184/15, NStZ-RR 2015, 336, 337). Dafür spricht, dass der Angeklagte nicht nur die Wohnung verschlossen hatte, sondern die Geschädigte, die dies bemerkt hatte und sich bedroht fühlte, weiter beschimpfte und ihr entgegnete, sie müsse nun zwei Tage in der Wohnung bleiben und ihm für sexuelle Handlungen zur Verfügung stehen.
8
Sollte der Angeklagte die Bemächtigungslage nicht bereits geschaffen haben, um die Geschädigte durch eine qualifizierte Drohung zu nötigen, so liegt es nach den Feststellungen zum weiteren Tatablauf nahe, dass er die stabilisierte Bemächtigungslage insoweit ausnutzte.
9
2. Ungeachtet dessen kommt im Hinblick auf die Tatgeschehen in der Wohnung und auf dem Balkon bereits nach den getroffenen Feststellungen jeweils auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB in Betracht. Dies hat das Landgericht erkennbar übersehen.
10
3. Was das Tatgeschehen in der Wohnung betrifft, war die tateinheitliche Verurteilung nur wegen (einfacher) Körperverletzung rechtsfehlerhaft. Zwar ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die durch das Würgen der Geschädigten erfüllte Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB durch § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB verdrängt wird (vgl. zu § 250 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StGB: BGH, Beschluss vom 12. August 2005 - 2 StR 317/05, NStZ 2006, 449).
Der Angeklagte war jedoch tateinheitlich wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu verurteilen, da die Verletzungen mit der brennenden Zigarette von der Verwirklichung des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB nicht umfasst werden (vgl. zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB: BGH, Urteil vom 20. Oktober 2010 - 2 StR 434/10, NStZ-RR 2011, 87, 88).
11
4. Auch im Hinblick auf den nur für die Strafzumessung relevanten Schuldumfang hat das Landgericht den Unrechtsgehalt der festgestellten Taten nicht ausgeschöpft, denn nach den Feststellungen kommt auch das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung im Sinne des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB in Betracht. Ausreichend dafür ist es, dass die körperliche Integrität des Opfers „bei der Tat“ in einer Weise verletzt wird, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 - 5 StR 422/14, NStZ 2015, 152, 153); dies könnte jedenfalls im Hinblick auf die der Geschädigten zugefügten Brandwunden der Fall sein.
12
Soweit die Revision rügt, die Strafkammer habe nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die weitere Tatvariante der Vergewaltigung in § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt haben könnte, weist der Senat auf dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 2 StR 517/08, NStZ 2009, 207; BGH, Beschluss vom 26. Oktober - 4 StR 397/10; Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 580/10, NStZ 2011, 274; Beschluss vom 10. Mai 2011 - 3 StR 78/11, NStZ 2012, 34; vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 177 Rn. 45a).
13
5. Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 97) - zur Aufhebung des Urteils. Eine Schuldspruchänderung kam nicht in Betracht, denn die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um dem Senat eine eigene Entscheidung insbesondere im Hinblick auf eine Verurteilung wegen Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB zu ermöglichen. Sollten die Voraussetzungen für eine Verurteilung festgestellt werden können, käme - unter Verdrängung der Freiheitsberaubung - wegen der Klammerwirkung des § 239b StGB die Annahme von Tateinheit im Hinblick auf das gesamte Tatgeschehen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 - 2 StR 453/10, NStZ-RR 2011, 142, 143).
14
Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs auch soweit der Angeklagte rechtsfehlerfrei wegen besonders schwerer Vergewaltigung bzw. versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt worden ist. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.