Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juli 2013 - 4 StR 247/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.7 der Urteilsgründe wegen Diebstahls verurteilt wurde; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in fünf Fällen und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen und wegen Diebstahls in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Verfahren ist hinsichtlich einer Tat einzustellen, da es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten unbegründet.
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- 1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam. Dies gilt auch für die Tat II.11 der Urteilsgründe, denn die Bewertung als (Trick-)Diebstahl, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, beruht auf vollständigen und widerspruchsfreien Feststellungen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 318 Rn. 16). Läge entsprechend der Ansicht des Generalbundesanwalts auf derselben Tatsachengrundlage dagegen ein Betrug vor, würde es sich um einen bloßen Subsumtionsfehler handeln. Ein solcher steht indes der Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2005 - 5 StR 499/04 [juris Rn. 6]; Meyer-Goßner, aaO, § 318 Rn. 17a mwN). Der Senat ist daher an der beantragten Schuldspruchberichtigung gehindert (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 318 Rn. 31; KK-Paul, 6. Aufl., § 318 Rn. 9).
- 3
- 2. Das Verfahren ist jedoch teilweise einzustellen, weil hinsichtlich des Diebstahls im Fall II.7 der Urteilsgründe weder ein Strafantrag gestellt ist, noch die Staatsanwaltschaft (oder der Generalbundesanwalt) das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat.
- 4
- In diesem Fall, einem Ladendiebstahl mit einer "Beute" im Wert von 22 Euro, liegt ein Strafantrag nicht vor (vgl. auch das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 16. Juli 2013). Entgegen der Ansicht der Strafkammer hat die Staatsanwaltschaft aber auch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung "durch Anklageerhebung" nicht konkludent bejaht. Dies ist zwar grundsätzlich möglich und in der Regel zu bejahen, sofern sich aus den Umständen nicht anderes ergibt (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 230 Rn. 4). Letzteres ist hier der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat die Tat in der Anklageschrift - wie auch alle anderen Diebstahlsvorwürfe - ausschließlich als gewerbsmäßigen Diebstahl ("§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2" StGB) gewürdigt. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung hat sie ausdrücklich (nur) hinsichtlich einer später nach § 154 StPO ausgeschiedenen Sachbeschädigung bejaht. Es liegt mithin nicht fern, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur § 243 Abs. 2 StGB, sondern auch § 248a StGB übersehen hat (vgl. zu einem Fall der Anklage wegen gefährlicher, einer Verurteilung aber nur wegen "einfacher" Körperverletzung auch BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00 [juris Rn. 3]). Da beim Diebstahl geringwertiger Sachen ein (wirksamer und noch bestehender) Strafantrag oder die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft Voraussetzung für eine entsprechende Verurteilung ist, also (positiv) vorliegen muss, scheidet ein Schuldspruch wegen Diebstahls schon dann aus, wenn hieran - wie vorliegend - Zweifel bestehen.
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- Der deshalb gebotenen Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO steht die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch nicht entgegen, da der Senat das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 8. August 1996 - 4 StR 344/96; weitere Nachweise bei KK-Kuckein, aaO, § 352 Rn. 3).
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- Der Senat schließt aus, dass die Verurteilung in diesem Fall die Bemessung der Einzelstrafen im Übrigen oder die Anordnung der Maßregel beeinflusst hat und dass der Tatrichter angesichts der verbleibenden Einzelstrafen (ein Jahr vier Monate, ein Jahr drei Monate, zwei Mal ein Jahr, fünf Mal acht Monate und ein Mal sechs Monate) ohne die für die Tat II.7 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe (sechs Monate) eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
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- 3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 12. Februar 2013 im Übrigen ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 7. Juni 2013 dargelegten Gründen erfolglos. An der entsprechenden Verwerfung gemäß § 349 Abs. 2 StPO ist der Senat durch den den Fall II.11 der Urteilsgründe betreffenden Antrag des Generalbundesanwalts (allein) auf Schuldspruchberichtigung nicht gehindert (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2013 - 3 StR 61/13). Zur Zulässigkeit einer wiederholten Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verweist der Senat ergänzend auf § 67f StGB.
Bender Quentin
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Annotations
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt.