Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Dez. 2015 - 2 StR 419/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:221215B2STR419.15.0
22.12.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 419/15
vom
22. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2015:221215B2STR419.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 22. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision der Angeklagten K. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte K. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Den Angeklagten V. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten V. ist begründet. Die Revision der Angeklagten K. bleibt ohne Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.2. der Urteilsgründe mietete der Angeklagte V. eine von zwei Hallen, die zum Anwesen des gesondert verfolgten J. K. gehörten, dem Vater der Angeklagten K. . Den abgegrenzten vorderen Bereich dieser Halle nutzte er dazu, um Motorräder unterzustellen oder Fahrzeuge zu reparieren.
3
Im Frühsommer 2013 entschlossen sich unbekannt gebliebene Personen , im hinteren Bereich der Hallen eine Cannabisplantage zu betreiben. Dazu wurden diese ausgebaut. Es wurden Holzverschläge und ein mit Teichfolie verhängter Mauerdurchbruch angebracht. Von dort konnte man in separate Räume gelangen, in denen Cannabispflanzen gezüchtet wurden. Die Angeklagte K. führte dort Pflegearbeiten durch. Der Angeklagte V. war an dem Anbau von Cannabis in den rückwärtigen Teilen der Hallen nicht beteiligt, er ahnte jedoch etwas davon.
4
Mit der Angeklagten K. vereinbarte der Angeklagte V. , dass sie ihre Pferde für insgesamt 6000 Euro, die in monatlichen Raten von 500 Euro zu zahlen waren, für einige Zeit in ihm gehörenden Stallungen unterstellen könne. Als er bei einem Gespräch mit der Angeklagten K. , das in einem Büroraum in der nicht von ihm gemieteten Halle stattfand, Ausrüstungsgegenstände zum Betrieb der Cannabisplantage entdeckte, erklärte sie, dass er sich sei- nen Teil denken möge. Die Angeklagte K. wollte den Angeklagten jedoch davon abhalten, die Plantage zu verraten. Deshalb kündigte sie ihm an, dass als Entgelt für das Unterstellen der Pferde nunmehr 1500 Euro monatlich gezahlt würden, bis der vereinbarte Gesamtbetrag von 6000 Euro erreicht sei. Jedenfalls in den Monaten Januar bis März 2014 leistete die Angeklagte K. entsprechende Ratenzahlungen, „wofür der Angeklagte V. ihrbzw. den die Plantage betreibenden Personen willentlich und wissentlich die Sicherheit vermittelte, ihre Tätigkeit auf der Plantage ungehindert fortführen zu können, was sie – bis zur Entdeckung durch die Polizeikräfte – auch taten.“
5
2. Zur Beweiswürdigung hinsichtlich der Handlungen des Angeklagten V. hat das Landgericht ausgeführt, er habe „sich geständig im Sinne der getroffenen Feststellungen eingelassen.“ An der Glaubhaftigkeit seiner Anga- ben bestünden keine Bedenken.
6
3. Das Landgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt , der Angeklagte V. habe durch Annahme der erhöhten Zahlungsraten zum Ausdruck gebracht, den Betrieb der Plantage nicht stören zu wollen. Darin liege psychische Beihilfe.

II.


7
Die Revision der Angeklagten K. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Urteil begegnet hingegen, soweit es im Fall II.2. den Angeklagten V. betrifft, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
1. Die Feststellungen zur Bedeutung der Annahme erhöhter Monatsraten für die Stallmiete durch den Angeklagten V. für die Begehung der Haupttat durch unbekannte Täter oder für die Beihilfe der Angeklagten K. sind nicht tragfähig begründet worden.
9
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, worauf das Landgericht seine Überzeugung gestützt hat, der Angeklagte V. habe der Angeklagten K. „bzw.“ den die Plantage betreibenden Haupttätern vorsätzlich die Sicherheit vermittelt, ihre Tätigkeit ungehindert fortführen zu können. Dem nicht näher erläuterten Geständnis des Angeklagten V. konnte eine solche Feststellung nicht ohne weiteres entnommen werden. Zu einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Begründung des Urteils hätte es zumindest der Erläuterung dieser geständigen Einlassung bedurft. Auch wäre es im Hinblick auf die Tatsachenfeststellung einer subjektiven Wirkung des Verhaltens des Angeklagten auf andere erforderlich gewesen, die Richtigkeit einer diesbezüglichen Sachaussage des Angeklagten V. gegebenenfalls zu überprüfen (vgl. zur Notwendigkeit der Geständnisüberprüfung allgemein Senat, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.; Beschluss vom 5. November 2013 - 2 StR 265/13, BGHR StPO § 261 Geständnis 2). Die bloße Behauptung, es bestünden keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Geständnisses des Angeklagten V. , vermag diese Prüfung nicht zu ersetzen.
10
2. Die rechtliche Würdigung der Handlung des Angeklagten V. als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch aktives Tun ist ebenfalls zu beanstanden.
11
a) Zwar ist auch eine „Beihilfe zur Beihilfe“ rechtlich möglich (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410; NK/Schild, StGB, 4. Aufl., § 27 Rn. 8). Jedoch setzt Beihilfe durch positives Tun einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 1982 - 2 StR 201/82, StV 1982, 516; Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14; Beschluss vom 17. November 2009 - 3 StR 455/09, NStZ 2010, 224 f.). Dies gilt in den besonders problematischen Fällen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 27 Rn. 12 mwN) der bloßen Vermittlung eines „Gefühls der Sicherheit“ erst recht. Allein das Wissen um die Begehung der Haupttat genügt den Anforderungen an eine Beihilfe durch aktives Tun daher nicht. Auch Handlungen, die erkennbar nicht erforderlich oder nutzlos für das Gelingen der Tat sind, reichen nicht aus, um daraus eine Beihilfe zu entnehmen (vgl. Heine/Weißer in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 27 Rn. 15; SSW/Murmann, StGB, 2. Aufl., § 27 Rn. 5).
12
b) Nach diesem Maßstab ist den Feststellungen des Landgerichts keine aktive Beihilfehandlung des Angeklagten zu entnehmen.
13
Soweit der Angeklagte die ohnehin vertraglich geschuldete Stallmiete angenommen hat, die ihm lediglich durch erhöhte Raten bei gleichbleibender Gesamtsumme rascher gezahlt wurde, war dies für das Gelingen der Haupttat ohne erkennbare Bedeutung.
14
Der konkludente Erklärungswert der Äußerungen beim Gespräch des Angeklagten V. mit der Angeklagten K. ging nicht darüber hinaus, dass der Angeklagte V. die Begehung der Haupttat zur Kenntnis genommen hat und nicht dagegen einschreiten wollte. Die Wirkung dieses Geschehens bestand auch nach Ansicht des Landgerichts vor allem im Unterlassen einer Strafanzeige durch den Angeklagten V. . Ist der Schwerpunkt seines Verhaltens aber in einem Unterlassen zu sehen, das mangels Garantenstellung im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB nicht strafbar ist, so darf dieses Ergebnis nicht dadurch umgangen werden, dass das Verhalten in eine nicht näher konkretisierbare und feststellbare psychische Beihilfe durch aktives Tun umgedeutet wird.
15
3. Der Senat kann nicht durch Freisprechung des Angeklagten V. selbst in der Sache entscheiden, weil ein neues Tatgericht möglicherweise durch ergänzende Feststellungen unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Verurteilung gelangen kann. Dies könnte etwa wegen vollendeter oder versuchter Geldwäsche (§§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 22 StGB) geschehen, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch bei fehlendem Nachweis einer Vortatbeteiligung des Angeklagten V. (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB) als Auffangtatbestand in Frage kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. März 2015 - 2 StR 495/12 unter B.II.3.a.bb).
Fischer Appl Eschelbach
Ott Zeng

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

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Strafgesetzbuch - StGB | § 261 Geldwäsche


(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, 1. verbirgt,2. in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,3. sich oder einem Dritt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 267/13
vom
24. September 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
1. Wenn Verteidigung und Staatsanwaltschaft in Gegenwart der für die Entscheidung
zuständigen Richter Anträge zur Strafart und Strafhöhe nach
Teileinstellung des Verfahrens und Ablegung eines Geständnisses erörtern,
im Anschluss daran das Gericht nach dem Vortrag eines Formalgeständnisses
auf eine - an sich vorgesehene - Beweisaufnahme verzichtet, den
übereinstimmenden Anträgen folgt und der Angeklagte Rechtsmittelverzicht
erklärt, ist in der Regel von einer konkludent geschlossenen Urteilsabsprache
auszugehen, die dem Zweck dient, die Anforderungen und Rechtswirkungen
einer Verständigung rechtswidrig zu umgehen. Bloßes Schweigen
der Richter bei einem Verständigungsgespräch oder die Erklärung, das Gericht
trete den Vorschlägen nicht bei, stehen dem nicht entgegen.
2. Ein Rechtsmittelverzicht ist unwirksam, wenn dem Urteil eine informelle
Verständigung vorausgegangen ist.
BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13 - LG Marburg
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. September 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 25. Februar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 36 Fällen und wegen Betrugs in 36 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Die Revision ist zulässig. Der in der Hauptverhandlung vom 25. Februar 2013 durch den Verteidiger erklärte Rechtsmittelverzicht ist entsprechend § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam, denn dem Urteil lag eine (konkludente) Absprache zugrunde.
3
1. a) Dem Protokoll der Hauptverhandlung ist Folgendes zu entnehmen:
4
Nach Verlesung des Anklagesatzes wurde der Angeklagte vernommen. Dieser erklärte, dass er nicht zu einer Äußerung bereit sei. Darauf wurde die Hauptverhandlung von 09.40 Uhr bis 11.10 Uhr unterbrochen. Danach wurde „gem. § 243 Abs. 4 StPO festgestellt, dass Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gem. § 257c StPO gewesen ist, stattgefunden haben, aber ohne konkrete Ergebnisse geblieben sind.“
5
Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte, dass ein weiteres Verfahren wegen des Vorwurfs des versuchten Betrugs zum Nachteil der Firma H. gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt werde. Im Anschluss an diese Ankündigung der Staatsanwaltschaft gab der Wahlverteidiger des Angeklagten für diesen eine Erklärung ab, worauf der Angeklagte erklärte: „Die gemachten Angaben meines Verteidigers treffen zu“. Danach wurden „die persönlichen Verhältnisse“ mit dem Angeklagten erörtert, und anhand des Auszugs aus dem Bundeszentralregister wurde festgestellt, dass er nicht vorbestraft sei. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte hinsichtlich der Fälle 1 bis 12 und 49 bis 55 der Anklageschrift die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO. „Nach Beratung am Richtertisch“ beschloss die Strafkammer dies.
6
Der Vorsitzende erklärte anschließend, dass eine „qualifizierte Abspra- che gem. § 257c StPO“ nicht stattgefunden habe.
7
Hierauf wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und der Wahlverteidiger beantragten übereinstimmend die Verurteilung des Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung und zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu 30 Euro.
8
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung und einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 30 Euro. Nach der allgemeinen Rechtsmittelbelehrung erklärten die Verteidiger mit Zustimmung des Angeklagten sowie die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft jeweils Rechtsmittelverzicht.
9
b) Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch einen anderen Verteidiger form- und fristgerecht Revision eingelegt und diese mit der Sachrüge begründet. Er behauptet, der Rechtsmittelverzicht sei wegen einer informellen Urteilsabsprache unwirksam.
10
Nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung habe die Staatsanwältin ihm angekündigt, sie werde im Fall einer geständigen Einlassung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung und eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen beantragen. Dann sei es zu Erörterungen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern im Beratungszimmer gekommen. Dort habe die Staatsanwältin ihr Angebot wiederholt. Anschließend sei ihm in der Gerichtskantine von den Verteidigern dazu geraten worden, den Vorschlag anzunehmen, „da auch das Gericht signalisiert habe, diesem Ergebnis nicht entgegen zu treten“. Er habe Bedenken geäußert, sei aber von beiden Verteidigern „relativ harsch“ darauf hingewiesen worden, dass er andernfalls eine zu vollstreckende Freiheitsstrafe zu erwarten habe. Deshalb habe sein Wahlverteidiger in der Hauptverhandlung für ihn ein „schlankes Geständnis“ formuliert, das er bestätigt habe. Schließlich seien die übereinstimmenden Anträge gestellt worden.
11
c) Nach der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden der Strafkammer haben sich die Richter bei den Erörterungen im Beratungszimmer zu den Strafmaßvorstellungen der Verfahrensbeteiligten nicht geäußert. Die Strafkammer selbst habe weder eine Obergrenze noch eine Untergrenze der im Geständnisfall zu erwartenden Strafen genannt. Zu einer Verständigung im Sinne von § 257c StPO unter Mitwirkung der Strafkammer sei es nicht gekommen. Vielmehr habe er, der Vorsitzende, in der Hauptverhandlung betont, dass die Strafkammer „etwaigen Strafmaßverabredungen anderer Beteiligter“ nicht bei- trete.
12
Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft hat dienstlich erklärt, sie erinnere sich zwar nicht an konkrete Äußerungen der Richter. Jedenfalls habe die Strafkammer aber nicht erklärt, dass sie ihre Einschätzung für fernliegend halte.
13
2. Die beschriebenen Abläufe in der Hauptverhandlung lassen - auch unter Berücksichtigung der dienstlichen Erklärungen - erkennen, dass zumindest konkludent eine rechtswidrige Urteilsabsprache zustande gekommen ist, die zudem rechtsfehlerhaft nicht dokumentiert wurde.
14
a) Der Protokollvermerk, dass eine „qualifizierte Absprache“ gemäß § 257c StPO nicht stattgefunden habe, steht der freibeweislichen Feststellung nicht entgegen, dass ein hiervon abweichendes Verfahren stattgefunden hat.
15
b) Aus der Gesamtschau der vorliegenden Umstände ergibt sich, dass eine konkludente Urteilsabsprache stattgefunden hat:
16
Hierauf deutet schon die besondere Betonung des Fehlens einer „qualifizierten Absprache“ hin, ebenso die Tatsache, dass die Strafkammer die von der Staatsanwaltschaft beantragte Teileinstellung des Verfahrens hinsichtlich 19 weiterer Fälle nur „am Richtertisch“ abstimmte, bevor der Beschluss erging.
17
Das Gericht hat sich zwar - folgt man der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden - verbal von den Vorschlägen und Anträgen distanziert, die (in seinem Beisein) im Beratungszimmer zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft zur Verfahrensbeendigung nach einem Geständnis und Teileinstellungen erörtert wurden. Es ist ihnen anschließend aber in der Sache fast vollständig gefolgt, ohne dass eine diesbezügliche Änderung der Sach- und Rechtslage dies erklären könnte. Es hat zudem ein diesen Vorschlägen genau entsprechendes Verfahren gewählt.
18
Der Angeklagte legte ein Geständnis ab, jedoch nur in der Weise, dass sein Verteidiger für ihn eine Erklärung abgab, deren Inhalt er pauschal als zutreffend bezeichnete. Das Gericht stellte keine Fragen zu den Vorwürfen der Anklage und erhob dazu keine Beweise. Von der ursprünglich vorgesehenen umfangreichen Beweisaufnahme wurde vollständig abgesehen.
19
Die Anträge von Verteidigung und Staatsanwaltschaft, die nach Abschluss der Beweisaufnahme gestellt wurden, sind in ihrer Übereinstimmung nur damit zu erklären, dass die Antragsteller Grund zu der Annahme hatten, das Gericht werde jedenfalls nicht darüber hinaus gehen. Die Verteidiger hatten keinen Grund, dem Angeklagten zur Befolgung der Vorschläge der Staatsan- waltschaft zu raten, wenn sie nicht ihrerseits davon ausgingen, das Gericht werde im Fall des Geständnisses keine höhere als die von dieser vorgeschlagene Strafe verhängen. Die protokollierte Mitteilung des Vorsitzenden, es hät- ten Erörterungen „ohne konkrete Ergebnisse“ stattgefunden, traf daher nicht zu.
20
Ein bloßes Schweigen der Richter zu den in ihrer Anwesenheit erfolgten Erörterungen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigern stand der Annahme einer konkludenten Absprache ebenso wenig entgegen wie eine - von diesem behauptete - Äußerung des Vorsitzenden, er - oder „die Strafkammer“ - trete den Abreden nicht bei. Wenn ein solches Verhalten der Richter für die Beteiligten erkennbar nur den Sinn haben sollte, die formellen Anforderungen an eine Absprache gemäß § 257c StPO und deren Rechtsfolgen zu umgehen, kam es nicht auf ein äußeres Verhalten oder eine ausdrückliche Erklärung, sondern allein darauf an, was nach dem Gesamtzusammenhang und dem Erkenntnishorizont der Beteiligten damit gemeint war. In einer Konstellation wie der vorliegenden , in der die zuvor angeblich nicht getroffenen Absprachen anschließend fast vollständig umgesetzt werden und der Angeklagte Rechtsmittelverzicht erklärt , ist in der Regel von einer konkludenten Einigung der Beteiligten auszugehen , die einerseits Form und Inhalt der Verfahrensbeendigung, andererseits die stillschweigende Verabredung umfasst, das hierfür gesetzlich vorgeschriebene (Protokollierungs-) Verfahren in allseitiger Zustimmung zu umgehen. Eine solche - bewusst rechtswidrige - Verfahrensweise ist von vornherein nicht geeignet , die verfassungsrechtlichen Grenzen des gesetzlich geregelten Verständigungsverfahrens zu Lasten des Beschuldigten zu verschieben.
21
3. Die informelle Absprache gebietet eine entsprechende Anwendung von § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO.
22
Nach dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. 2009 I, S. 2353) ist für informelle Absprachen über das Prozessergebnis kein Raum. Nach dem Zweck des gesetzlichen Ausschlusses eines Rechtsmittelverzichts gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO muss diese Regelung für informelle Absprachen erst recht gelten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 27. September 2011 - 1 Ws 381/11, StV 2012, 141, 142 mit Anm. Meyer-Goßner; OLG München, Beschluss vom 17. Mai 2013 - 2 Ws 1149, 1150/12, StV 2013, 495, 499 f. mit Anm. Meyer-Goßner, StV 2013, 614; SK/Frisch, StPO, 4. Aufl., § 302 Rn. 32d; vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 offen gelassen von BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 419/10, NStZ 2011, 473; a.A. Niemöller NStZ 2013, 19, 22).
23
Diese Bewertung der Rechtslage zum Rechtsmittelverzicht nach informellen Urteilsabsprachen steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das von der Rechtswidrigkeit informeller Verfahrenserledigungen ausgeht und die Effektivität der revisionsgerichtlichen Verfahrenskontrolle angemahnt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1064 ff.).
24
Ein Angeklagter, der an Erörterungen der Richter, Verteidiger und Vertreter der Staatsanwaltschaft im Beratungszimmer nicht beteiligt war, dem die für das Verständigungsverfahren vorgesehenen Informationen über den wesentlichen Inhalt der Erörterungen (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) nicht protokollfest (§ 273 Abs. 1 Nr. 1a StPO) erteilt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, NJW 2013, 3046, 3047 f., für BGHSt bestimmt) und der nach der Urteilsverkündung vom Gericht nicht qualifiziert über seine Rechtsmittelmöglichkeit belehrt wurde (§ 35a Satz 3 StPO), ist besonders schutzwürdig. Er kann unmittelbar nach Urteilsverkündung nicht eigenverantwortlich entscheiden, ob eine Rechtsmittelmöglichkeit noch mit Aussicht auf Erfolg genutzt werden kann oder ein Rechtsmittelverzicht erklärt werden soll.

II.


25
Die Feststellung der Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts führt nicht zur Rückgabe der Akten an das Landgericht zu einer Ergänzung des „abgekürzt“ verfassten Urteils.Vom Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung oder zur Begründung der Revision abgesehen (§ 267 Abs. 4 Satz 4 StPO), kommt eine nachträgliche Urteilsergänzung grundsätzlich nicht in Betracht. Davon ausgenommen sind nur Fälle, in denen das Gericht bei der Urteilsabsetzung aus anderen Gründen ohne weiteres davon ausgehen konnte, dass § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO anzuwenden sei (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2008 - 5 StR 114/08, NStZ 2008, 646 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn dem Gericht war die rechtswidrige Umgehung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO bewusst. Es konnte nicht darauf vertrauen, dass ein hierauf erklärter Rechtsmittelverzicht Bestand haben würde.

III.


26
Das Urteil ist aufgrund der Sachrüge aufzuheben, denn ihm fehlt eine tragfähige Beweisgrundlage. Das Landgericht hat sich auf die Mitteilung be- schränkt: „Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten eingeräumt. An der Richtigkeit des Geständnisses besteht kein Zweifel.“ Dies trägt die Verurtei- lung nicht.
27
Aus dem Schuldprinzip folgt die Verpflichtung der Strafgerichte, von Amts wegen den wahren Sachverhalt zu erforschen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1060). Diese Pflicht darf nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden. Es ist unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte geständig gezeigt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, StV 2013, 684, vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13, StV 2013, 703 f. und vom 5. November 2013 - 2 StR 265/13).
28
Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, denn das Landgericht hat es ausweislich der Urteilsgründe unterlassen, das Geständnis des Angeklagten einer Überprüfung zu unterziehen. Damit beruht seine Überzeugung nicht auf einer tragfähigen Grundlage.
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 265/13
vom
5. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. November 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 8. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, in weiterer Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und neun Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.

2
Das Landgericht hat seine Feststellungen zu der Tatbegehung durch den Angeklagten und zu den Einzelheiten des Geschehens auf die durch den Angeklagten erklärte Bestätigung der Richtigkeit des Vortrags seines Verteidigers zur Sache gestützt. Dadurch habe sich der Angeklagte so schwer belastet, dass die Strafkammer "keine weitere Veranlassung" gesehen habe, "das Geständnis auf eine unzutreffende Selbstbezichtigung hin" zu überprüfen. "Ausdrücklich offen blieb bei der Einlassung, ob und gegebenenfalls wer und wie sich weitere Personen an den Tatgeschehen in den Fällen 7 und 8 beteiligten oder sonst daran partizipierten, wobei der Angeklagte keinen Zweifel daran ließ, dass er aus Eigennutz die bestimmende Rolle - jeweils einem Alleintäter gleichkommend - einnahm". Die Beantwortung ergänzender Fragen durch die Strafkammer oder durch andere Verfahrensbeteiligte hatte der Angeklagte abgelehnt.

II.

3
Diese Ausführungen belegen, dass die Strafkammer sich ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf unzureichender Basis verschafft hat, was der Senat bereits auf die Sachrüge zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, StV 2013, 684).
4
Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip folgt im Strafprozess die Verpflichtung der Gerichte, von Amts wegen den wahren Sachverhalt zu erforschen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1060). Die Amtsaufklärungspflicht darf schon wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden.
Es ist unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter Ausschöpfung des verfügbaren Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte geständig gezeigt hat.
5
Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 31). Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Erkenntnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen nach diesem Maßstab gegen die hier vorliegende Ablehnung einer Geständnisüberprüfung durch die Strafkammer, die sie im Hinblick darauf erklärt hat, dass die anwaltliche Erklärung zur Sache "nach gemeinsamer Aufarbeitung der Anklagevorwürfe" mit dem Angeklagten erfolgt sei. Diese Vorgehensweise der Verteidigung außerhalb der Hauptverhandlung gestattet dem Gericht keine Nachprüfung der Gründe für die Einzeltaten der anwaltlich formulierten Sacheinlassung. Es genügt auch nicht, das Geständnis des Angeklagten durch bloßen Abgleich des Erklärungsinhalts mit der Aktenlage zu überprüfen, weil dies keine hinreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung darstellt (vgl. BVerfG, aaO, NJW 2013, 1058, 1063).
6
Da der Angeklagte auch keine ergänzenden Fragen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung an ihn zugelassen hat, ist bereits ein wesentliches Mittel für die Geständnisüberprüfung, die dem Gericht im Hinblick auf seine Aufklärungspflicht nicht zur Disposition gestellt ist, entfal- len. Andere Mittel hat das Landgericht nicht genutzt. Dies wiegt hier umso schwerer, als gerade bei den schwersten Anklagevorwürfen ausdrücklich offen geblieben ist, ob und wie eine weitere Person an der Tatbegehung mitgewirkt hat. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 455/09
vom
17. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. November 2009 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 7. August 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Auf Anfrage des nicht revidierenden Mitangeklagten begleitete der Angeklagte diesen im Januar 2009 bei einer Fahrt von Utrecht nach Düsseldorf. Den Zweck der Fahrt - den Transport im Fahrzeug versteckter 827 Gramm Kokain - sowie den Grund seiner Bitte - sein Sicherheitsgefühl durch die Gesellschaft des ihm seit der Kindheit bekannten Angeklagten zu steigern - hatte der Mitangeklagte dem Angeklagten vor Fahrtantritt nicht mitgeteilt; statt dessen hatte er ihm in Aussicht gestellt, in Düsseldorf gemeinsam auf seine Kosten auszuge- hen sowie eventuell "leichte Mädchen" zu besuchen. Erst während der Fahrt auf der Autobahn, etwa 30 Fahrminuten von der Grenze zu Deutschland entfernt, informierte der Mitangeklagte den als Beifahrer neben ihm sitzenden Angeklagten darüber, dass sich im Fahrzeug Kokain befinde, welches er in Düsseldorf übergeben werde. Der Angeklagte nahm dies zur Kenntnis und stellte das Vorhaben des Mitangeklagten nicht in Frage. Durch die Begleitung des Angeklagten fühlte sich dieser bei der Einreise unterstützt. Der Angeklagte wusste, dass er den Mitangeklagten "durch seine Anwesenheit und freundschaftliche Begleitung bei der Einfuhr unterstützte und bestärkte" und wollte dies auch. Menge, Wirkstoffgehalt und die Bestimmung des Kokains zum gewinnbringenden Weiterverkauf nahm der Angeklagte im Hinblick auf den versprochenen Abend in Düsseldorf billigend in Kauf.
4
2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Als der Angeklagte in Utrecht in das Fahrzeug stieg, um den Mitangeklagten nach Düsseldorf zu begleiten, und dadurch objektiv zu einer Steigerung dessen Sicherheitsgefühls während der Fahrt beitrug, hatte er noch keinen Vorsatz, durch seine Präsenz im Fahrzeug den Mitangeklagten bei der Verwirklichung von dessen Betäubungsmittelstraftat zu unterstützen. Allein dass er einen entsprechenden Vorsatz später während der Fahrt aufgrund der erlangten Informationen fasste, begründet seine Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht (BGHR StGB § 15 Vorsatz 5; BGH NStZ 1983, 452). Eine solche käme vielmehr nur in Betracht, wenn er nach Kenntnis von dem wahren Zweck der Fahrt die weitere Tatbestandsverwirklichung des Mitangeklagten durch ein strafrechtlich relevantes Verhalten gefördert hätte; denn die bloß einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines anderen und deren subjektive Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reichen nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen (BGH NStZ 1993, 233, 385; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 827 f.). An einem solchen Tatbeitrag fehlt es indes.
5
a) Ein aktives Tun des Angeklagten zur Unterstützung des Mitangeklagten ist nicht festgestellt. Ein solches liegt nicht allein darin, dass der Angeklagte die Fahrt nach Kenntnisnahme von deren Zweck als Beifahrer fortsetzte. Anders als der ursprünglich nicht eingeweihte Lenker eines Kraftfahrzeuges, der weiterfährt, nachdem er die Vornahme einer strafbaren Handlung in dem Fahrzeug bemerkt hat und diese durch die wahrnehmbare körperliche Tätigkeit der stetigen Einwirkung auf den Antriebs- und Lenkmechanismus des Fahrzeugs fördert (BGH VRS 61, 213 f.), entfaltet der passiv bleibende Beifahrer lediglich durch die weitere Mitfahrt keine vergleichbare Aktivität, die als Unterstützungshandlung durch positives Tun gewertet werden könnte.
6
Zwar ist anerkannt, dass Beihilfe auch durch bloße Anwesenheit im Sinne eines "Dabeiseins" oder "Zugegenseins" bei der Haupttat geleistet werden kann, wenn dadurch die Tatbegehung gefördert oder erleichtert wird (offengelassen in BGH StV 1982, 516 f., bejahend BGH StV 1982, 517, 518 jeweils m. Anm. Rudolphi; Weber aaO Rdn. 829). Jedoch setzt jede Beihilfe durch positives Tun - auch die so genannte psychische - einen durch aktives Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraus (BGHR § 27 StGB Hilfeleisten

14).

7
Einen solchen hat der Angeklagte nicht geleistet. Er verhielt sich nach den Feststellungen des Landgerichts völlig passiv. Weder billigte er gegenüber dem Angeklagten ausdrücklich den Betäubungsmitteltransport noch nahm er aktiv Handlungen vor, die zumindest als dessen konkludente Billigung verstanden werden konnten.
8
b) Danach kann dem Angeklagten nur angelastet werden, dass er nach Kenntnisnahme vom wahren Zweck der Fahrt den Mitangeklagten nicht zum Anhalten aufforderte und aus dem Fahrzeug ausstieg, und damit der Schwer- punkt der Vorwerfbarkeit allein an ein Unterlassen anknüpfen. Dieses ist jedoch nicht strafbar, weil den Angeklagten keine Garantenpflicht traf, die Betäubungsmitteleinfuhr zu verhindern oder sich von ihr räumlich oder in der Sache zu distanzieren (vgl. BGH StV 1982, 516, 517).
9
3. Da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass im Rahmen einer neuen Verhandlung weitergehende Feststellungen zu einer früheren Kenntnis des Angeklagten von dem Zweck der Fahrt getroffen werden können, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt,

1.
verbirgt,
2.
in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht, überträgt oder verbringt,
3.
sich oder einem Dritten verschafft oder
4.
verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 gilt dies nicht in Bezug auf einen Gegenstand, den ein Dritter zuvor erlangt hat, ohne hierdurch eine rechtswidrige Tat zu begehen. Wer als Strafverteidiger ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt, handelt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 nur dann vorsätzlich, wenn er zu dem Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Tatsachen, die für das Auffinden, die Einziehung oder die Ermittlung der Herkunft eines Gegenstands nach Absatz 1 von Bedeutung sein können, verheimlicht oder verschleiert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer eine Tat nach Absatz 1 oder Absatz 2 als Verpflichteter nach § 2 des Geldwäschegesetzes begeht, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(5) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Geldwäsche verbunden hat.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass es sich um einen Gegenstand nach Absatz 1 handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 nicht für einen Strafverteidiger, der ein Honorar für seine Tätigkeit annimmt.

(7) Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird nach den Absätzen 1 bis 6 nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert.

(8) Nach den Absätzen 1 bis 6 wird nicht bestraft,

1.
wer die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt.

(9) Einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 stehen Gegenstände, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, gleich, wenn die Tat nach deutschem Strafrecht eine rechtswidrige Tat wäre und

1.
am Tatort mit Strafe bedroht ist oder
2.
nach einer der folgenden Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist:
a)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind (BGBl. 2002 II S. 2727, 2729),
b)
Artikel 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1),
c)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54),
d)
Artikel 2 oder Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist,
e)
Artikel 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42),
f)
Artikel 2 oder Artikel 3 der Richtlinie2011/36/EUdes Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1),
g)
den Artikeln 3 bis 8 der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) oder
h)
den Artikeln 4 bis 9 Absatz 1 und 2 Buchstabe b oder den Artikeln 10 bis 14 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(10) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. Die §§ 73 bis 73e bleiben unberührt und gehen einer Einziehung nach § 74 Absatz 2, auch in Verbindung mit den §§ 74a und 74c, vor.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 495/12
vom
11. März 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei
hier: Vorlagebeschluss nach § 132 Abs. 2 und 4 GVG
ECLI:DE:BGH:2015:1103152STR495.12.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2015 gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG beschlossen:
Dem Großen Senat für Strafsachen wird die Frage vorgelegt: Ist die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung, insbesondere bei einer Verurteilung wegen (gewerbsmäßig begangenen ) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei, mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar?

Gründe:

A.

1
Die Vorlagefrage betrifft die Zulässigkeit der gesetzesalternativen Verur- teilung (so genannte „echte Wahlfeststellung“).

I.

2
Die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung beruht auf Richterrecht.
3
1. Nach der anfänglichen Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde eine alternative Sachverhaltsfeststellung nur dann nicht beanstandet, wenn es sich bei den Alternativen um unterschiedliche Ausführungsarten desselben Delikts handelte (RG, Urteil vom 18. Juni 1920 – II 476/20, RGSt 55, 44). Das im Schuldspruch genannte Delikt musste sicher nachgewiesen sein (RG, Urteil vom 29. September 1884 – Rep. 1763/84, RGSt 11, 103, 104). Wegen des Grundsatzes „nullum crimen sine lege“ durfte eine Strafe nur ausgesprochen werden, wenn die zugrunde liegende Handlung einen bestimmten Straftatbestand erfüllte (RG, Urteil vom 9. November 1891 – Rep. 2638/91, RGSt 22, 213, 216). Eine Ausnahme kam nur in Frage, wenn ein Straftatbestand verschiedene Umstände als Modalitäten desselben Delikts mit gleichem Strafrahmen vorsah (RG, Urteil vom 8. April 1892 – Rep. 822/92, RGSt 23, 47, 48; Urteil vom 1. Februar 1921 – II 899/20, RGSt 55, 228, 229; Urteil vom 19. April 1921 – IV 483/21, RGSt 56, 35 f.; Urteil vom 4. Januar 1923 – II 538/22, RGSt 57, 174 f.). Davon wurde der Fall unterschieden, dass die in Betracht gezogenen Sachverhaltsalternativen unterschiedliche Straftatbestände erfüllten. In diesem Fall war weder eine eindeutige noch eine alternative Verurteilung möglich. Das galt auch für die Alternative von Diebstahl oder Hehlerei (RG, Urteil vom 30. April 1919 – III 156/19, RGSt 53, 231, 232).
4
2. Von dieser Rechtsprechung rückten die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts durch Beschluss vom 2. Mai 1934 – 1 D 1096/33 (RGSt 68, 257, 259 ff.) ab. Die Zulassung einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl oder Hehlerei trage dem allgemeinen Rechtsempfinden Rechnung, weil es der Tat des Hehlers dieselbe sittliche Missbilligung angedeihen lasse wie derjenigen des Diebes (RGSt 68, 257, 262). Für andere Tatbestandsalternativen wurde eine gesetzesalternative Verurteilung weiter abgelehnt (RGSt 68, 257, 260 f.).
5
3. Durch Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (RGBl. 1935 I, S. 839) wurde eine Regelung über die unbeschränkte Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung als § 2b RStGB eingeführt. Diese wurde durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats für Deutschland Nr. 11 vom 30. Januar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 55) wieder auf- gehoben (vgl. Etzel, Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen durch den Alliierten Kontrollrat [1945 – 1948], 1992, S. 83 ff.).
6
4. Der Bundesgerichtshof knüpfte ab 1951 an den Beschluss der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts vom 2. Mai 1934 an (BGH, Urteil vom 19. April 1951 – 3 StR 165/51, BGHSt 1, 127, 128; Urteil vom 21. Juni 1951 – 4 StR 26/51, BGHSt 1, 275, 276). Auch der Große Senat für Strafsachen folg- te ihm (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1956 – GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 392 ff. mit Anm. Dreher MDR 1957, 179 f. und Heinitz JR 1957, 126 ff.).
7
Die Bejahung einer gesetzesalternativen Wahlfeststellung durch den Bundesgerichtshof betraf zunächst erneut nur die Alternative von Diebstahl oder Hehlerei (BGH, Urteil vom 12. September 1951 – 4 StR 533/51, BGHSt 1, 302, 304; Urteil vom 2. Oktober 1951 – 1 StR 353/51, BGHSt 1, 327, 328; Urteil vom 16. April 1953 – 4 StR 377/52, BGHSt 4, 128, 129; Urteil vom 4. Dezember 1958 – 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 388; Urteil vom 4. Dezember 1958 – 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 388), dann aber auch Konstellationen wie Raub oder räuberische Erpressung (BGH, Urteil vom 12. Januar 1954 – 1 StR 631/53, BGHSt 5, 280, 281), Diebstahl oder Begünstigung (Senat, Urteil vom 21. Oktober 1970 – 2 StR 316/70, BGHSt 23, 360 f.), Betrug oder Hehlerei (BGH, Urteil vom 20. Februar 1974 – 3 StR 1/74, NJW 1974, 804, 805). Erweiterungen der Rechtsfigur erfolgten ferner mit der Möglichkeit der
8
gesetzesalternativen Verurteilung aufgrund mehrerer Tatbestandsvarianten, so bei den Varianten des Diebstahls, der Hehlerei oder der Beihilfe zum Diebstahl in Tateinheit mit Hehlerei (Senat, Urteil vom 30. Juni 1960 – 2 StR 275/60, BGHSt 15, 63, 64 ff.) und des Diebstahls, der Unterschlagung oder der Hehlerei (Senat, Urteil vom 26. Juli 1961 – 2 StR 190/61, BGHSt 16, 184, 186 f.).
9
Schließlich wurde angenommen, dass Erschwerungsgründe bei einer Alternative der gesetzesalternativen Verurteilung nicht entgegenstehen, wenn die Grundgestaltung rechtsethisch und psychologisch vergleichbare Tatbestände betrifft (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1957 – 4 StR 73/57, BGHSt 11, 26, 28). In einem solchen Fall müsse sich die Verurteilung auf das Vergleichbare beschränken , so bei der Möglichkeit von schwerem Raub oder Unterschlagung, wobei auf Diebstahl oder Unterschlagung erkannt wurde (BGH, Urteil vom 15. Mai 1973 – 4 StR 172/73, BGHSt 25, 182, 183 f. mit Anm. Hruschka NJW 1973, 1804 ff.).
10
5. Die Bundesregierung wies im Entwurf eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes (Strafrechtsbereinigungsgesetz) vom 29. September 1952 darauf hin, bei der aufgehobenen Regelung des § 2b RStGB habe es sich nicht um typisch nationalsozialistisches Recht gehandelt. Die obersten Gerichte hätten sich wieder der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen. Unter diesen Umständen könne die Frage, wie die Grenzen für die Zulässigkeit von wahlweisen Schuldfeststellungen zu ziehen seien, der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen werden (BT-Drucks. I/3713 S. 19).

II.

11
Der Senat hat folgenden Fall zu entscheiden:
12
1. Das Landgericht Meiningen hat den Angeklagten L. wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei in neunzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, den Angeklagten E. wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei in achtzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen.
Gegen die Verurteilung richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachbeschwerde.
13
Nach den Feststellungen des Landgerichts stahlen oder hehlten die Angeklagten seit dem Jahr 2008 in erheblichem Umfang Gegenstände, vor allem Fahrzeuge und Fahrzeugteile sowie Werkzeuge und andere Hilfsmittel, die bei der Montage oder Demontage von Fahrzeugen Verwendung finden konnten. Ob die Angeklagten bei den abgeurteilten Fällen als Mittäter jeweils Diebstähle begangen oder die später bei ihnen sichergestellten Gegenstände als Hehler erworben haben, konnte die Strafkammer nicht klären. Sie hat ausgeführt, es sei auch möglich, dass die Angeklagten in den einzelnen Fällen getrennt voneinander Beutestücke aus den Diebstählen angekauft oder einer von beiden – neben Dritten – an den Diebstählen beteiligt gewesen sei und danach Beute- gegenstände an den jeweils anderen abgegeben habe.
14
Der Angeklagte E. mietete zur Lagerung der Gegenstände und zur Montage oder Demontage von Fahrzeugen ein Werkstattgebäude an. Dort reparierte er auch fremde Fahrzeuge und trieb mit Fahrzeugteilen Handel. Der Angeklagte L. verfügte über ein Grundstück mit Garagen und einem Container , wo er Gegenstände, die aus Diebstählen herrührten, lagerte und Fahrzeuge bearbeiten konnte. Nach einer anonymen Strafanzeige wurden die Räume am 23. und 24. Juni 2009 durchsucht. Dabei wurden zahlreiche Gegenstände sichergestellt, die in dem für die Einzeltaten näher konkretisierten Tatzeitraum zwischen dem 26. März 2007 und dem 20. Juni 2009 gestohlen worden waren. Dabei handelte es sich um Diebstähle, die „in vielen Fällen schon auf- grund der Menge des Diebesgutes und der Schwere der einzelnen Gegenstän- de gar nicht allein hätten durchgeführt werden können.“ Auch war „bei allen Ta- ten aufgrund des professionellen Vorgehens zu erwarten, dass zumindest ein Täter den Tatort abgesichert hat.“
15
Das Landgericht hat den Angeklagten jeweils nur Diebstahl oder gewerbsmäßige Hehlerei zugerechnet, soweit bei ihnen selbst Gegenstände aus solchen Taten aufgefunden wurden. Soweit bei dem jeweils anderen Angeklagten Beutestücke festgestellt wurden, hat es die Angeklagten freigesprochen.
16
Mit Ausnahme zweier Fälle (Fälle 6 und 11 bei dem Angeklagten L. ) handelte es sich bei den Diebstählen – von gewerbsmäßiger Tatbegehung gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB abgesehen – auch um Taten im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB.
17
Bei den Diebstählen war regelmäßig erheblicher Sachschaden verursacht und umfangreiche Beute erzielt worden, während die sichergestellten Gegenstände, deren Erlangung den Angeklagten zugerechnet wurde, Einzelstücke aus der Diebesbeute darstellten.
18
2. Die Strafkammer hat die Angeklagten wegen Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB oder gewerbsmäßiger Hehlerei im Sinne der §§ 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt.
19
Die Voraussetzungen einer Postpendenzfeststellung der gewerbsmäßigen Hehlerei hat sie verneint, weil sie eine zumindest einseitig sichere Feststellung der Hehlereivoraussetzungen – hier hinsichtlich der Tatbegehung in Bezug auf eine „Sache, dieein anderer gestohlen … hat“ – nicht treffen konnte: „Ob die Angeklagten bei den jeweiligen abgeurteilten Fällen gemeinschaftlich die Diebstähle begangen oder Gegenstände angekauft haben, konnte nicht geklärt werden. So ist es auch möglich, dass in diesen Fällen beide getrennt voneinander von derselben Quelle gekauft haben oder einer der beiden den Diebstahl begangen hat und an den anderen Diebesgut abgegeben hat.“
20
3. Weil der Strafrahmen für gewerbsmäßige Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 StGB eine höhere als die in § 243 Abs. 1 StGB angedrohte Mindeststrafe vorsieht, ist die Strafkammer vom Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB ausgegangen. Bei der – einheitlich vorgenommenen – Strafzumessung hat sie den geringeren Schaden zu Grunde gelegt, der beim Erwerb der einzelnen Beutestücke durch Hehlerei verursacht worden wäre. Im Übrigen hat sie auf allgemeine Strafzumessungsgesichtspunkte abgestellt, ohne ein konkretes Tatbild zu bewerten.

III.

21
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
22
2. Auch die Ablehnung einer eindeutigen Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Beschluss vom 11. November 1987 – 2 StR 506/87, BGHSt 35, 86, 88).
23
Für eine Postpendenzfeststellung müsste – da Diebstahl und Hehlerei sich gegenseitig ausschließen – feststehen, dass die Angeklagten als Hehler die Gegenstände nicht selbst durch Diebstahl erlangt hatten (BGH, Urteil vom 29. März 1990 – 4 StR 681/89, BGHR StGB vor § 1 Wahlfeststellung, Postpendenz 4). Der Dieb ist kein tauglicher Täter der Hehlerei (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 259 Rn. 30; SK/Velten, StPO, 4. Aufl., § 261 Rn. 133; LK/Walter, StGB, 12. Aufl., § 259 Rn. 90 f.). Eine einseitig eindeutige (Postpendenz-) Feststellung der Täterschaft der Angeklagten in Form einer Hehlerei war der Strafkammer aber deshalb nicht möglich, weil sie ihre (Mit-) Täterschaft beim Diebstahl jeweils nicht ausschließen konnte.
24
3. Insoweit stünde die Verurteilung im Wege der Wahlfeststellung zwischen Diebstahl oder gewerbsmäßiger Hehlerei in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Senat beabsichtigt jedoch, diese Rechtsprechung aufzugeben.

IV.

25
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12 (StV 2014, 580 ff.) gemäß § 132 Abs. 3 GVG bei den anderen Strafsenaten angefragt , ob sie an der bisherigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung festhalten.
26
Darin hat er die Auffassung vertreten, eine gesetzesalternative Verurteilung verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Deshalb sei eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei rechtlich zu beanstanden. Eine derartige gesetzesalternative Verurteilung verstoße gegen das Analogieverbot. Sie wirke strafbegründend, weil in einem solchen Fall die Erfüllung einer bestimmten Strafnorm nicht feststellbar sei. Die Verurteilung beruhe dann letztlich auf einer ungeschriebenen dritten Norm, die nicht durch den Gesetzgeber erlassen worden sei, sondern Richterrecht darstelle. Aus diesem Grund sei im Fall einer gesetzesalternativen Verurteilung auch keine dem Gesetz entsprechende Strafzumessung möglich.
27
2. Die anderen Strafsenate sind dem entgegen getreten.
28
a) Der 1. Strafsenat hat durch Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 ARs 14/14 (NStZ-RR 2014, 308 f.) ausgeführt, bei der gesetzesalternativen Verurteilung handele es sich um eine Verfahrensregel, die nicht der Verfassungsbestimmung des Art. 103 Abs. 2 GG unterliege. Die richterrechtliche Regel be- stimme nicht darüber, was strafbar ist, sondern lege lediglich fest, wie das Gericht in einer bestimmten Situation prozessual zu reagieren habe. Die Strafbarkeit sei mit den alternativ anwendbaren Straftatbeständen durch den Gesetzgeber bestimmt und für den Normunterworfenen vorhersehbar. Der Angeklagte werde nicht aus einer ungeschriebenen dritten Strafnorm verurteilt. Die Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung aufgrund von Richterrecht entspreche auch der Einschätzung des Gesetzgebers. Das von der Rechtsprechung entwickelte Merkmal der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit der verschiedenen Taten stelle nur sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz der Tatsachenalternativen an einen im Kern einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfen könne. Erschwerende Umstände, die nur bei einer der alternativ in Betracht kommenden Verhaltensweisen infrage kämen, dürften dem Angeklagten nicht angelastet werden.
29
b) Der 3. Strafsenat hat durch Beschluss vom 30. September 2014 – 3 ARs 13/14 (NStZ-RR 2015, 39 f.) erklärt, die richterrechtlich entwickelte Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung verletze nicht Art. 103 Abs. 2 GG. Der Sache nach handele es sich um eine Entscheidungsregel. Solche Regelungen würden von Art. 103 Abs. 2 GG nicht erfasst. Der Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips , für den Angeklagten seine Bestrafung vorhersehbar zu halten, bleibe unberührt. Grundlage der Bestrafung sei nicht eine ungeschriebene dritte Norm, die übereinstimmende Unrechtselemente der beiden Strafgesetze in sich vereinigen würde. Vielmehr müsse in jeder in Betracht kommenden Sachverhaltsvariante jeweils ein Straftatbestand vollständig erfüllt sein. Dass der vom Gericht zu treffende Schuldspruch stets bestimmt sein müsse, lasse sich der Verfassungsnorm des Art. 103 Abs. 2 GG nicht entnehmen. Die Einschränkung, dass eine Verurteilung im Fall der gesetzesalternativen Verurteilung nach der Rechtsprechung nur zulässig ist, wenn die in Betracht kommenden Straftatbestände rechtsethisch und psychologisch vergleichbar seien, schränke den An- wendungsbereich der Rechtsfigur ein, die – gemessen an Art. 103 Abs. 2 GG – aber auch unbeschränkt zulässig wäre.
30
c) Der 4. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 11. September2014 – 4 ARs12/14 (NStZ-RR 2015, 40 f.) ausgeführt, die Tatsache, dass bei einer Verurteilung auf der Grundlage einer Wahlfeststellung nicht feststehe, welcher der Straftatbestände verletzt worden sei, ändere nichts daran, dass die strafrechtlichen Handlungsverbote für den Täter zur Tatzeit erkennbar gewesen seien. Da ein Angeklagter im Fall der Wahlfeststellung nur verurteilt werden dürfe, wenn die nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten alternativ in Betracht kommenden Sachverhalte jeweils einen Straftatbestand vollständig erfüllen und andere Sachverhaltsalternativen sicher ausscheiden, bleibe gewährleistet, dass der Gesetzgeber über die Voraussetzungen der Strafbarkeit entscheide. Der Angeklagte werde nicht wegen Verstoßes gegen einen außergesetzlichen Gesamttatbestand verurteilt. Da sämtliche Voraussetzungen des jeweils in Betracht kommenden Delikts in den Sachverhaltsalternativen verwirklicht sein müssten, komme es nicht zu einer Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen oder Tatbeständen. Zu der Frage, ob eine Verurteilung im Schuldspruch eindeutig sein müsse oder mehrdeutig sein dürfe, treffe Art. 103 Abs. 2 GG keine Aussage. Da die gesetzesalternative Verurteilung nur erfolgen dürfe, wenn den in Betracht kommenden Delikten eine ähnliche rechtsethische Bewertung zukomme und eine vergleichbare psychologische Beziehung des Täters zu den infrage kommenden Sachverhalten bestehe, werde die mit der alternativen Aufzählung in der Urteilsformel verbundene Belastung für den Verurteilten auf ein Maß begrenzt, das zur Vermeidung ungerechter Ergebnisse hinnehmbar sei. Soweit der Bestimmtheitsgrundsatz neben den Anforderungen an die Voraussetzungen der Strafbarkeit auch verlange, dass die mögliche Strafe im Gesetz hinreichend bestimmt geregelt sein müsse, gerate die Wahlfeststellung ebenfalls nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG in Konflikt. Der Tatrichter habe auf der Grund- lage der Sachverhaltsalternativen zu erörtern, welche Strafe er jeweils für angemessen gehalten hätte, wenn zweifelsfrei die eine oder die andere Handlung nachgewiesen wäre; sodann habe er die mildeste Strafe zu verhängen. Der Zulässigkeit der gesetzesalternativen Verurteilung stehe auch nicht entgegen, dass eine eindeutige Verurteilung aufgrund eines Auffangtatbestands möglich wäre. Zwar habe die Möglichkeit einer eindeutigen Verurteilung grundsätzlich Vorrang. Davon sei aber eine Ausnahme anzuerkennen, wenn feststehe, dass der Täter in jeder der Sachverhaltsalternativen ein schwerer wiegendes Delikt begangen habe.
31
d) Der 5. Strafsenat hat durch Beschluss vom 16. Juli 2014 – 5 ARs 39/14 (NStZ-RR 2014, 307 f.) ausgeführt, bei der gesetzesalternativen Verurteilung handele es sich um eine prozessuale Entscheidungsregel. Diese stelle eine Ausnahme von dem Rechtssatz „in dubio pro reo“ dar. Ein Freispruch in doppelter Anwendung des Zweifelsatzes wäre in Fällen, in denen ein strafloses Verhalten des Angeklagten sicher auszuschließen sei, mit dem Gebot der Gerechtigkeit unvereinbar. Die gesetzesalternative Verurteilung ziehe auch keine Ungenauigkeiten bei der Strafzumessung nach sich, da die Strafe dem mildesten Gesetz zu entnehmen sei.

B.

32
Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Anfrageverfahrens an seiner Rechtsauffassung fest, dass die gesetzesalternative Verurteilung mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar ist. Deshalb ist die Vorlage der Sache an den Großen Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG erforderlich. Die Vorlage ist aber auch im Sinne von § 132 Abs. 4 GVG zur Fortbildung des Rechts angezeigt, unter anderem zur Frage der Auslegung und Anwendung der Unterschlagung und der Geldwäsche als Auffangtatbestände bei unklarer Vortatbeteiligung (dazu unten B.II.3.a).

I.

33
Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine „Tat“ nur bestraft werden kann, wenn „die Strafbarkeit“ gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Der Begriff der Strafbarkeit betrifft dabei sowohl die Voraussetzungen der Strafbarkeit als auch das Strafmaß (vgl. mit Erläuterung der Entstehungsgeschichte der Verfassungsnorm BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 288).
34
1. Die Bedeutung dieser Verfassungsbestimmung erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein striktes Bestimmtheitsgebot für die Gesetzgebung sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10, BVerfGE 130, 1, 43). Diese Garantien dienen einem doppelten Zweck:
35
Einerseits soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung selbst festzulegen. Der Gesetzgeber übernimmt mit der Entscheidung über strafwürdiges Verhalten die demokratisch legitimierte Verantwortung für eine Form hoheitlichen Handelns, die zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit zählt. Andererseits geht es um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Art. 103 Abs. 2 GG hat insofern freiheitsgewährleistende Funktion (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 194).
36
Wenn die Verfassung fordert, dass die Strafbarkeit „gesetzlich bestimmt“ sein muss, bedeutet dies zweierlei. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit müssen gesetzlich geregelt und das diesbezügliche Gesetz muss hinreichend bestimmt sein. Für den Gesetzgeber enthält Art. 103 Abs. 2 GG dabei die Verpflichtung , wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch -parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. In Grenzbereichen trifft die Rechtsprechung ein Präzisierungsgebot.
37
2. Für die Strafgerichte enthält der Satz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ Verpflichtungen in mehrfacher Hinsicht:
38
Den Gerichten ist es verwehrt, die gesetzgeberische Entscheidung abzuändern. Dies gilt auch dann, wenn infolge des Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das pönalisierte Verhalten. Es ist dann vielmehr die Aufgabe des Gesetzgebers zu entscheiden , ob er die Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will (BVerfG aaO, BVerfGE 126, 170, 197).
39
Dementsprechend darf die Auslegung der Begriffe, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten bezeichnet hat, nicht dazu führen , dass die dadurch bewirkte Eingrenzung der Strafbarkeit im Ergebnis auf- gehoben wird. Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen also auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen (BVerfG aaO, BVerfGE 126, 170,

198).

40
3. Das in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene Gebot der Gesetzesbestimmtheit gilt zum einen für den Straftatbestand (nullum crimen sine lege). Es gilt zum anderen aber auch für die Strafandrohung (nulla poena sine lege). An der Idee der Gerechtigkeit gemessen müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Beide sind wechselseitig aufeinander bezogen. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsguts und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat in der Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestands von entscheidender Bedeutung (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 286; Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153 f.).

II.

41
Nach diesem Maßstab ist die richterrechtliche Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.
42
1. Die gesetzesalternative Verurteilung greift in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG ein und verletzt dessen Normzweck.
43
a) Für eine rein prozessuale Regelung würden die Gebote des Art. 103 Abs. 2 GG zwar nicht gelten (Kudlich in Kudlich/Montiel/Schuhr [Hrsg.], Gesetzlichkeit und Strafrecht, 2012, S. 233, 239 ff. mwN). Darum geht es hier aber nicht. Die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung bestimmt vielmehr „die Strafbarkeit“.
44
aa) Strafrecht ist Eingriffsrecht des Staates, das nach dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes eine bestimmte gesetzliche Eingriffsermächtigung erfordert , deren Voraussetzungen im Einzelfall auch tatsächlich vorliegen müssen (Freund/Rostalski JZ 2015, 164, 168). Mangels sicheren Nachweises des Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale der alternativ in Betracht kommenden Strafnormen , einschließlich ihres jeweiligen subjektiven Tatbestands, steht in der Wahlfeststellungssituation jedoch gerade nicht fest, dass der Angeklagte die eine oder die andere Tat im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG begangen hat und deshalb verurteilt werden kann.
45
Aus der exklusiven Alternativität von zwei Verdachtsfällen folgt somit eine die Aburteilung tragende Sachverhaltsgewissheit nur in Bezug auf einen Unrechtskern. Die Verdachtsfälle lassen sich aber nicht zu einer einheitlichen Schuldfeststellung verbinden (Alwart GA 1992, 545, 565; Freund/Rostalski JZ 2015, 164, 166). Schließen sich die in Betracht kommenden Tatbestände – wie Diebstahl oder Hehlerei – gegenseitig aus, fehlt in der Wahlfeststellungssituation jeweils der Nachweis mindestens eines objektiven (und zugehörigen subjektiven ) Tatbestandselements bei beiden Strafnormen. Die wahldeutige Verurteilung erfolgt dann gerade nach der Begründung der bisherigen Rechtsprechung nicht durch bloße Anwendung einer prozessualen Entscheidungsregel, sondern aufgrund des gemeinsamen Unrechtskerns. Die Regel, wonach wahldeutige Verurteilung zulässig sei, tritt daher – unter den Voraussetzungen, die ihre Anwendung legitimieren sollen – an die Stelle der jeweils fehlenden sachlichrechtlichen Voraussetzungen eines (eindeutigen) Schuldspruchs. Sie stellt damit eindeutig materielles Strafanwendungsrecht dar.
46
Der gesetzesalternative Schuldspruch läuft auf eine „Entgrenzung“ von Tatbeständen oder auf eine „Verschleifung“ zweier Straftatbestände durch al- ternative Vereinigung der Einzelvoraussetzungen hinaus, die noch über die ver- fassungsrechtlich zu beanstandende „Verschleifung“ von verschiedenen Tatbe- standsmerkmalen einer einzigen Strafnorm (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 198) hinausgeht. Die Verurteilung beruht in dieser Konstellation auf einer ungeschriebenen dritten Norm (Endruweit, Die Wahlfeststellung und die Problematik der Überzeugungsbildung , der Identitätsbestimmung, der Urteilssyllogistik sowie der sozialen und personalen Gleichwertigkeit von Straftaten, 1973, S. 270; Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 35, 49; Köhler, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1997, S. 96; Kotsoglou ZStW 127 [2015], 334, 359; Lobe GS 104 [1934], S. 161, 166; H. Mayer, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 1953, S. 417; Wagner ZJS 2014, 436, 441), welche die – angeblich – übereinstimmenden Unrechtselemente der beiden gerade nicht zur Anwendung gelangenden Normen in sich vereinigt.
47
bb) Die materiell-rechtliche Einordnung der Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung wird durch die Voraussetzungen ihrer begrenzten Ausdehnung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestätigt. Die Recht- sprechung hat das Kriterium der „rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit“ der infrage kommenden Straftatbestände als Voraussetzung für die Zulassung einer gesetzesalternativen Aburteilung entwickelt. Das Richterrecht hat daher nur für bestimmte Konstellationen eine Ausnahme von dem Grundsatz geschaffen, dass die Voraussetzungen der Strafbarkeit im Einzelfall sämtlich zur Überzeugung des Tatgerichts feststehen müssen. Über diese Schranke darf nicht hinweggegangen werden (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1956 – GSSt 2/56, BGHSt 9, 390, 394). Sie bestimmt dann jedoch über die Voraussetzungen der „Strafbarkeit“, die im Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG liegt.
48
Ist nach dieser Begrenzungsklausel kein Fall gegeben, bei dem eine Ausnahme vom Gebot der eindeutigen Verurteilung in Betracht kommt, kann eine Strafnorm, deren Voraussetzungen nicht vollständig sicher feststellbar sind, nicht angewendet werden. Greift dagegen die richterrechtliche Ausnahme ein, weil alternativ zwei – angeblich – rechtsethisch und psychologisch vergleichbare Tatbestände erfüllt sein sollen, so gelangt das Gericht zur (gesetzesalternativen ) Verurteilung. Das Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen zulässiger und nicht zulässiger Wahlfeststellung füllt dabei funktional die Lücke zwischen den alternativ in Frage kommenden Tatbeständen. Es ist materiell-rechtlicher Natur (Montenbruck, Wahlfeststellung und Werttypus in Strafrecht und Strafprozessrecht, 1976, S. 219), denn es bezieht sich nicht auf eine prozessuale Frage, sondern fordert mit Blick auf den Schuldgrundsatz ausschließlich einen nach sachlich-rechtlichen Kriterien vorzunehmenden Vergleich.
49
cc) Ein Unterschied der Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung gegenüber nicht an Art. 103 Abs. 2 GG zu messenden prozessualen Rechtsinstituten wie der Verjährung der Strafverfolgung oder dem Erfordernis eines Strafantrags, kommt darin zum Ausdruck, dass hier über den Schuld- und Strafausspruch in Abgrenzung zu einem Freispruch entschieden wird, während jene Institute prozessuale Rechtsfolgen haben. Die Verjährung der Strafverfolgung lässt das strafrechtliche Unrecht und die Schuld des Täters unberührt (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 294); sie führt zur Einstellung des Verfahrens. Gleiches gilt, wenn ein bei dem konkreten Delikt erforderlicher Strafantrag fehlt. Die Anwendungsregel einer gesetzesalternativen Verurteilung entscheidet demgegenüber – soweit kein Auffang- tatbestand eingreift – zwischen Freispruch und Bestrafung. Dieses Richterrecht beherrscht dadurch die Voraussetzungen für den Schuldspruch und bestimmt außerdem die Kriterien für die Zumessung der Strafe auf dieser Grundlage. Es verletzt Art. 103 Abs. 2 GG, weil es materiell-rechtliche Fragen der Schuldfeststellung ohne gesetzliche Grundlage selbst beantwortet.
50
b) Die richterrechtliche Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung bei rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit der Tatbestände beachtet nicht den Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG.
51
aa) Das Strafgesetz soll dem normunterworfenen Bürger verdeutlichen, welche Handlungsweise bei Strafe verboten ist, damit er die Strafbarkeit seines Verhaltens vorhersehen kann. Insoweit kollidiert die richterrechtlich entwickelte gesetzesalternative Verurteilung, wie es die anderen Strafsenate betonen, nicht mit der Verfassung (Freund in Festschrift für Wolter, 2013, S. 35, 36). Auch der Senat hat insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
52
bb) Art. 103 Abs. 2 GG enthält aber zugleich einen strengen Gesetzesvorbehalt für das Strafrecht; denn danach müssen die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Rechtsfolgen „gesetzlich“ bestimmt sein. Dieser weitere Zweck der Verfassungsnorm wird durch das Richterrecht nicht beachtet.
53
§ 2b RStGB ist aufgehoben worden. Auch das Aufhebungsgesetz wäre von der an das Gesetz gebundenen Rechtsprechung zu beachten (SK/Velten, StPO § 261 Rn. 105). Eine Neuregelung ist unterblieben. Es fehlt mithin eine gesetzliche Bestimmung.
54
cc) Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt schließlich ein Gebot der Bestimmtheit der Strafbarkeit (… gesetzlich „bestimmt“ …). Dieses Bestimmtheitsgebot rich- tet sich zuvörderst an den Gesetzgeber. Es eröffnet in Grenzfällen aber auch für die Rechtsprechung ein Präzisierungsgebot (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170, 198). Dem wird das Richterrecht bereits mit seiner Annahme nicht gerecht, Art. 103 Abs. 2 GG habe keine Bedeutung für den Schuldspruch, so dass dort auch eine gesetzesalternative Verurteilung zulässig sei (Freund/Rostalski JZ 2015, 164 ff.).
55
(1) Schon der Schuldspruch ist eine „Rechtsfolge, die selbst Sanktions- charakter hat“ (StuckenbergZIS 2014, 461, 463). Deshalb ist auch er am Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG zu messen.
56
Jede Strafnorm, die eine Tat kennzeichnet, gestattet den Strafgerichten als gesetzliche Eingriffsermächtigung ein sozialethisches Unwerturteil (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1968 – 2 BvL 15/68, BVerfGE 25, 269, 286). Konkretisiert wird der hoheitliche Tadel im Einzelfall durch das Urteil des Strafgerichts, das den Angeklagten wegen einer bestimmten Tat schuldig spricht. Bereits das sozialethische Unwerturteil im Schuldspruch berührt den in der Menschenwürde wurzelnden Wert- und Achtungsanspruch des Verurteilten (BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1997 – 2 BvR 1371/96, BVerfGE 96, 245, 289). Der Schuldspruch beschwert den Verurteilten (BVerfG, Urteil vom 21. März 1961 – 2 BvR 27/60, BVerfGE 12, 296, 302). Er greift in seine Grundrechtssphäre ein. Daher muss nicht nur die Strafe, sondern auch der Schuldspruch im Urteilstenor, welcher im Gegensatz zu den Gründen in Rechtskraft erwächst, eindeutig bestimmt sein. Das ist bei einem gesetzesalternativen Schuldspruch nicht der Fall.
57
(2) Das Bestimmtheitsgebot ist ferner deshalb nicht erfüllt, weil im Fall der gesetzesalternativen Verurteilung unklar bleibt, wie das von der Rechtsprechung als Voraussetzung für die Zulässigkeit der gesetzesalternativen Verurteilung verwendete Abgrenzungskriterium der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der Tatbestände zu prüfen sein soll. Dieses Kriterium ist „grob und ungenau“ (Satzger in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 1 Rn. 81). Als Merkmal einer Strafnorm des geschriebenen Rechts wäre es zu unbestimmt. Bei dessen Anwendung kämen nämlich ein abstrakter Rechtsnormvergleich (LK/Dannecker, StGB, 12. Aufl., Anh. zu § 1 Rn. 136, 154 mwN) oder ein auf die konkrete Fallkonstellation bezogener Vergleich (Jahn JuS 2014, 753, 755) oder gegebenenfalls ein Vergleich nur der Grundtatbestände unter Ausblendung der in einer Sachverhaltsalternative einseitig vorkommenden Erschwerungsgründe in Frage. Für diesen Vergleich könnten normative oder kriminologisch-empirische Überlegungen angestellt werden. Welche Vorgehensweise geboten ist, müsste der Gesetzgeber, wenn er eine entsprechende Regelung erlassen wollte, im Normtext selbst oder jedenfalls aus der Gesetzessystematik und den Materialien erkennen lassen. Richterrecht kann eine solche Bestimmung nicht leisten; dies ist bislang auch nicht versucht worden. Denn mit der Entwicklung einer ausdifferenzierten Systematik zur „Vergleichbarkeit“ würde sich das so entscheidende Gericht ersichtlich an die Stelle des Gesetzgebers setzen und Abwägungen vornehmen, die diesem vorbehalten sind. Sie können insbesondere nicht durch bloße Übertragung oder „Anwendung“ des Gebots der Gerechtigkeit in vorhersehbarer Weise geschaffen wer- den.
58
Wenn zum Beispiel in dem vom Senat zu entscheidenden Fall die Angeklagten entweder als Mittäter an gewerbsmäßig begangenen Einbruchsdiebstählen beteiligt waren, durch die großer Sachschaden angerichtet und erhebliche Diebesbeute erzielt wurden, oder sie sich als gewerbsmäßig handelnde Alleintäter der Hehlerei jeweils einzelne Beutestücke aus einem solchen Diebstahl verschafft haben, erschiene fraglich, ob – gegebenenfalls unter Ausblendung des Erschwerungsgrunds des Einbruchs, der bei der Hehlerei keine Entsprechung findet (vgl. für die Wahlfeststellung zwischen Wohnungseinbruchsdiebstahl oder Hehlerei BGH, Urteil vom 8. Mai 2008 – 3 StR 53/08, NStZ 2008, 646) – von einer rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit überhaupt gesprochen werden könnte.
59
Der Gesetzgeber hat in den einzelnen Straftatbeständen – von der Bezeichnung des Rechtsguts abgesehen – keinen Hinweis darauf gegeben, ob und unter welchen Umständen diese Normen dahin auszulegen sind, dass sie mit anderen Straftatbeständen rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind. Die Rechtsprechung hat ihrerseits bei der Auslegung und Anwendung der Normen in den Fällen gesetzesalternativer Verurteilungen keine nähere Erläuterung gegeben, weshalb eine rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit anzunehmen sein soll. Auch ihre gegebenenfalls ergänzende Aufgabe der Präzisierung ist demnach nicht erfüllt (vgl. Schuhr NStZ 2014, 437, 440). Tatsächlich bleibt das Teilkriterium der psychologischen Vergleichbarkeit völlig funktionslos (vgl. Eser/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 1 Rn. 50) oder verweist auf eine intuitive, subjektive Wertung des erkennenden Gerichts. Es besitzt dann aber nicht die Kraft, eine Ausnahme vom grundsätzlichen Gebot eindeutiger Verurteilungen zu legitimieren.
60
c) Dem Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG unterliegt schließlich auch die Strafandrohung (BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153), die in einem angemessenen Verhältnis zur Tat stehen muss.
61
aa) Dieses erfordert – auch wenn der Gesetzgeber eine gesetzesalternative Verurteilung zulassen wollte und wenn dies überhaupt zulässig wäre – konkrete Regelungen dazu, wie der für das Urteil maßgebliche Strafrahmen zu bestimmen und wie die konkrete Strafe unter Beachtung des Schuldgrundsatzes zu bemessen sein soll, wenn in exklusiver Alternativität zwei Sachverhalte in Betracht kommen, bei denen der Täter gegen eines von zwei unterschiedlichen Strafgesetzen verstoßen hat (vgl. den Regelungsvorschlag von Wolter GA 2013, 271, 282 ff.). Auch daran fehlt es. Richterrecht kann die fehlende Regelung nicht dadurch ersetzen, dass es vorschreibt, für die Alternativen seien – nachAusblendung einseitig vorhandener Erschwerungsgründe – fiktive Strafen zu bilden und von diesen sei die geringste zu verhängen. Die Begründung, hierdurch werde der Angeklagte nicht beschwert, lässt schon die Mehrheit der Strafgründe und -zwecke außer Betracht, denn eine sachlich-rechtlich nicht gerechtfertigte zu milde Strafe ist nicht allein rechtsfehlerhaft und darf daher nicht das (mögliche) Ziel der Strafzumessung sein, sondern kann auch andere Rechtsgüter verletzen.
62
bb) Setzt das Gericht im Einzelfall eine Strafe fest, muss diese in einem angemessenen Verhältnis zu Unrecht und Schuld des Täters im Hinblick auf einen bestimmten Verhaltensnormverstoß stehen (Frister StV 2014, 584, 585). Der Gesetzgeber hat durch Festlegung eines Strafrahmens für das konkrete Delikt dabei eine Vorabwägung zu treffen (nulla poena sine lege). Zur Strafzumessung durch die Strafgerichte muss sodann feststehen, welcher Verhaltensnormverstoß dem Angeklagten vorgeworfen wird und welches Ausmaß seine individuelle Schuld dabei erreicht hat. Dies ist schon dann nicht der Fall, wenn offen bleibt, welche von alternativ infrage kommenden Taten er begangen hat. Mit der Behauptung, er habe jedenfalls die eine oder andere Tat begangen, setzt sich das Richterrecht darüber hinweg, dass die Begehung der einen und der anderen Tat durch den individuellen Angeklagten nicht feststeht und die alternative Strafzumessung auf einer Fiktion beruht.
63
Die gesetzesalternative Verurteilung lässt demnach einen dem Gesetz entsprechenden Bewertungsakt bei der Strafzumessung auch dann, wenn das Tatgericht zwei fiktive Strafen zu bilden versucht, um nur die niedrigere zu verhängen , nicht uneingeschränkt zu (Freund/Rostalski JZ 2015, 164, 168; Wag- ner ZJS 2014, 436, 442). So lassen sich zum Beispiel die Beweggründe des Angeklagten bei der Tatbegehung und der dabei aufgewendete Wille (§ 46 Abs. 2 StGB) nicht bewerten, weil schon unklar bleibt, ob er die konkrete Tat überhaupt begangen hat.
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2. Greift das Richterrecht nach allem wegen seiner materiell-rechtlichen Bedeutung in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG ein, liegt bei einer gesetzesalternativen Verurteilung ein Verfassungsverstoß vor.
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a) Eine Grundrechtsschranke des Art. 103 Abs. 2 GG besteht nach dem Wortlaut der Verfassung nicht. Der Gesetzesvorbehalt ist einer Schrankenbestimmung auch gar nicht zugänglich.
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Selbst wenn eine Einschränkung im Ansatz denkbar wäre, so wäre eine immanente Grundrechtsschranke auszuschließen; denn der Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG steht in der Wahlfeststellungssituation keine Rechtsposition von gleichem Gewicht gegenüber (Kröpil JR 2015, 116, 121). Auf Abwägungen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt es daher nicht an. Der Verfassungsgeber selbst hat die Abwägung der gegenläufigen rechtsstaatlichen Gesichtspunkte mit Art. 103 Abs. 2 GG zugunsten eines uneingeschränkten Gesetzesvorbehalts für das Strafrecht getroffen (für den Fall der Freiheitsentziehung auch in Art. 2 Abs. 2 Satz 3, 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Deshalb ist es nicht zulässig, das Gesetzlichkeitsprinzip allein mit Hinweis auf Gebote materieller Strafgerechtigkeit durch Richterrecht zu beschränken. Rechtsfortbildung überschreitet die durch die Verfassung gezogenen Grenzen, wenn sie ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286, 306). Die Rechtsprechung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit der gesetzesalter- nativen Verurteilung ist ausschließlich auf eigene kriminalpolitische Überlegungen der Gerichte gestützt (Stuckenberg ZIS 2014, 461, 464 mwN).
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b) Bei einer Verletzung des Gesetzesvorbehalts für das Strafrecht kommt es auf die Gründe dafür, warum der Bundesgesetzgeber von einer Regelung der gesetzesalternativen Verurteilung abgesehen hat, nicht mehr an.
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aa) Da im Strafrecht ein strenger Gesetzesvorbehalt gilt, kann der Gesetzgeber seine Aufgabe der Normsetzung nicht zum Nachteil eines Angeklagten auf die Rechtsprechung delegieren. Die Legislative ist vielmehr von Verfassungs wegen verpflichtet, die Grenzen der Strafbarkeit selber zu bestimmen; sie darf diese Entscheidung nicht anderen staatlichen Gewalten, wie der Strafjustiz , überlassen (BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153).
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bb) Die Anmerkung der Bundesregierung in den Materialien zum Entwurf des Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes (BT-Drucks. I/3713 S. 19) ergibt nichts anderes. Sie verkörpert auch nicht den (aktuellen) Willen des Strafgesetzgebers.
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Der Wille des Gesetzgebers kann im Einzelfall aus den Materialien eines Gesetzgebungsverfahrens entnommen und unter bestimmten Umständen (Wischmeyer JZ 2015, 957, 964) zur Auslegung einer als Gesetz in Kraft getretenen Rechtsnorm werden. Das gilt aber nicht gleichermaßen für eine Bemerkung eines an einem Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organs dazu, warum es vom Vorschlag einer Regelung abgesehen hat. Nur ein tatsächlich beschlossenes Gesetz ist beredter Ausdruck des kollektiven Willens des Parlaments. Nur insoweit können die Materialien zum Erlass eines Gesetzesbeschlusses näheren Aufschluss über die gebotene Auslegung einer beschlossenen Norm geben. Die auch nur im konkreten Zeit-Zusammenhang nachzuvollziehende Meinungsäußerung eines einzelnen Organs des Staats ist dagegen unerheblich , wenn sie sich nur darauf bezieht, dass ein Gesetzesvorschlag nicht gemacht werden solle.
71
3. Die gesetzesalternative Verurteilung ohne Rücksicht auf das mögliche Eingreifen eines Auffangtatbestandes verstößt zudem gegen den aktuellen Willen des Gesetzgebers. Dieser kommt in neu gestalteten oder neu erlassenen Strafnormen zum Ausdruck, die als Auffangtatbestände einen Vorrang vor der gesetzesalternativen Verurteilung beanspruchen.
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a) Der Gesetzgeber hat seit der Etablierung des Richterrechts über die gesetzesalternative Verurteilung – vor allem im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte, die den Hauptanwendungsbereich der gesetzesalternativen Verurteilung bilden (SK/Velten, StPO, 4. Aufl., § 261 Rn. 137 f.) – eine Reihe von Auffangtatbeständen geschaffen, die gerade der von der Rechtsprechung zur Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung als misslich empfundenen Situation Rechnung tragen sollen, dass eindeutige Feststellungen hinsichtlich eines vorgreiflichen Tatbestandes nicht möglich sind.
73
aa) Dies gilt etwa für die Erweiterung des Tatbestands der Unterschlagung zu einem weit reichenden Zueignungsgrunddelikt (Frister StV 2014, 584, 586), das nur dann gegenüber einem anderen Tatbestand subsidiär ist, wenn dieser auch zur Überzeugung des Gerichts erfüllt ist (LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 246 Rn. 73).
74
bb) In dem vom Senat zu entscheidenden Fall könnte aber auch eine Verurteilung wegen Geldwäsche in Betracht kommen. Dies hat das Landgericht – vonseinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht geprüft, weil es dem Richterrecht zur Möglichkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung aufgrund der im Sinne von § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB vorgreiflichen Normen gefolgt ist.
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§ 261 Abs. 9 StGB wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4. Mai 1998 (BGBl. I S. 845) in den Geldwäschetatbestand eingefügt. Dadurch sollte die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass derjenige, der nicht erweislich, aber auch nicht ausschließbar Täter der Katalogvortat war, nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten freizusprechen ist (Nestler in Herzog, Geldwäschegesetz, 2. Aufl., StGB § 261 Rn. 137). Das entspricht in diesem Normzusammenhang dem Sinn und Zweck der richterrechtlichen Figur der gesetzesalternativen Verurteilung.
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Nach der Rechtsprechung ist ein Angeklagter aufgrund einer Postpendenzfeststellung wegen Geldwäsche (hier bei gewerbsmäßigem Handeln der Vortäter gemäß § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu verurteilen , wenn ungewiss bleibt, ob er an einer Katalogtat des Geldwäschetatbestands beteiligt war, jedoch feststeht, dass er in Kenntnis der Vortat die Verfügungsgewalt über einen daraus herrührenden Gegenstand erlangt hat (BGH, Urteil vom 21. Juni 1995 – 2 StR 157/95, NStZ 1995, 500; Beschluss vom 26. Februar 2003 – 5 StR 423/02, BGHSt 47, 240, 245; Urteil vom 20. September 2000 – 5 StR 52/00, NJW 2000, 3725). Dagegen soll eine gleichzeitige Verurteilung wegen Vortatbeteiligung und Geldwäsche ausgeschlossen sein. Insoweit hat der Gesetzgeber den Geldwäschetatbestand bewusst als Auffangtatbestand für den Fall geschaffen, dass der Täter sich nicht nachweislich wegen Beteiligung an einer Katalogtat strafbar gemacht hat (BTDrucks. 13/8651 S. 11).
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b) Richterrecht darf den gesetzgeberischen Willen wegen des in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck gebrachten Gewaltenteilungsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 2 GG) nicht dadurch unterlaufen, dass es ohne ausreichende Grundlage im Gesetz eine alternative Verurteilung zulässt, welche die vom Gesetzgeber gerade gewollte Anwendung eines Auffangtatbestands ausschließt.
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Ein Richterspruch setzt sich über die allgemein zu beachtende Gesetzesbindung hinweg, wenn die vom Gericht zur Begründung seiner Entscheidung angestellten Erwägungen deutlich erkennen lassen, dass es sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben hat (BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992 – 1 BvR 1243/88, BVerfGE 87, 273, 280). Die Tatsache, dass gerade dies bei der begrenzten Zulassung einer gesetzesalternativen Verurteilung der Fall ist, haben die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts betont (RG aaO, RGSt 68, 257, 259). Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng